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INKLUSION UND ARBEITSMARKT. SCHAFFEN ... - tuprints

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Mit der neuen historischen Konstellation werden nicht nur die Gründe sichtbar, die den<br />

Gebrauch der Begrifflichkeiten Inklusion/Exklusion rechtfertigen. Es treten auch die<br />

kontextbedingten Unterschiede im Bedeutungsgehalt der Begriffe zutage. So kann man<br />

durchaus auch bei der „alten“ Sozialen Frage nicht nur von Ausbeutung, sondern auch<br />

von Ausgrenzung sprechen. Diese vollzog sich allerdings zu diesem Zeitpunkt<br />

vorrangig über rechtliche und institutionelle Ausschlussmechanismen, wenn Teilhabe<br />

beispielsweise über das Wahlrecht eingeschränkt wurde. Heute hingegen nimmt<br />

Ausgrenzung „paradoxe Formen“ an, wenn Zugehörigkeit und Ausschluss in einer Art<br />

„institutionalisierten Gleichzeitigkeit“ (Kronauer: 2002, 116) auftreten, weil die Substanz<br />

von Bürgerrechten nicht formal sondern faktisch ausgehöhlt wird. Dennoch ist in der<br />

Gesamtbetrachtung Häußermann u.a. (2004: 10) zuzustimmen: „Armut, Ausgrenzung<br />

und Segregation hat es immer gegeben. Erst vor dem Hintergrund der historischen<br />

Erfahrung der langen Periode ökonomischen Wachstums in der Nachkriegszeit<br />

erscheinen diese Trends als neu und dramatisch.“<br />

Für die Verwendung des Begriffspaars Inklusion/Exklusion sprechen neben dieser<br />

historischen Betrachtung einige weitere Punkte. Erstens wird die Konzeption einer<br />

modernen Armutsforschung aufgegriffen, die neben Einkommen und<br />

Vermögensverteilung weitere Aspekte einer multi-dimensionalen Konstellation<br />

defizitärer Lebensbedingungen bzw. von Lebensqualität aufgreift und untersucht. Es<br />

erscheint für die reichen Gesellschaften des Westens angebracht, Armut und<br />

Ungleichheit nicht nur materiell oder gar bezogen auf die Fähigkeit zur physischen<br />

Existenz zu fassen. 30 Die Fähigkeit zur Teilhabe ist eine Fragestellung, mit der die<br />

30 Damit soll die Problematik materieller Armut keinesfalls negiert werden. Wie weitmaschig<br />

selbst das letzte Auffangnetz der sozialen Sicherung real geknüpft ist, zeigen Untersuchungen<br />

zur „verdeckten Armut“ (vgl. Neumann: 1999). Schätzungen zufolge beträgt die „Dunkelziffer<br />

der Armut“ in Deutschland um die 50 Prozent der Anspruchsberechtigten, die aus Unwissenheit<br />

oder Scham die ihnen zustehenden Leistungen nicht oder nicht vollständig abrufen (Zahlen für<br />

Mitte der 90er Jahre), darunter insbesondere Familien mit mehreren Kindern, Kinder,<br />

Jugendliche, von Arbeitslosigkeit betroffene, aber auch 2,7 Prozent der erwerbstätigen<br />

Personen, deren Einkommen nicht ausreicht, das soziokulturelle Existenzminimum der<br />

Haushaltsmitglieder zu gewährleisten („working poor“) (vgl. auch Hauser: 1995, 9f.). Neuere<br />

Untersuchungen zu den working poor ergeben folgendes Bild: Armut trotz Erwerbstätigkeit<br />

betraf 1998 3,9 Prozent der ostdeutschen und 2,7 Prozent der westdeutschen Bevölkerung.<br />

Armut wäre damit unter Erwerbstätigen stärker verbreitet als unter Arbeitslosen. Über eine<br />

Million Menschen geht einer Vollzeitbeschäftigung nach, ohne über ein Einkommen über der<br />

Armutsschwelle zu verfügen, überwiegend, weil sie ergänzende Sozialleistungen nicht in<br />

Anspruch nehmen. Die Zahl der arbeitenden Armen liegt damit allerdings im EU-Vergleich (vor<br />

der Erweiterung) sehr niedrig und würde nur von Dänemark unterboten (vgl. Strengmann-Kuhn:<br />

2003). Grundlage dieser Berechnungen ist ein rein am Haushaltseinkommen orientierter<br />

Armutsbegriff mit einer Armutsschwelle bei 50 Prozent des Äquivalenzeinkommens. Das<br />

Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlichte 2006 die Zahl von drei Millionen, die<br />

weniger als 940 Euro Nettoeinkommen aus Arbeit als Angestellte oder Selbstständige<br />

erwirtschaften (vgl. Uchatius: 2006, 23). Etwa eine Million erhält trotz Erwerbstätigkeit<br />

ergänzende Leistungen nach „Hartz IV“. Dabei haben nach Angaben des IAB aus 2005 zwei<br />

Drittel der Geringverdiener eine Berufsausbildung oder sogar ein Studium abgeschlossen,<br />

während die Unqualifizieren häufig gar keine Jobs mehr bekommen (ebd.: 24).<br />

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