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INKLUSION UND ARBEITSMARKT. SCHAFFEN ... - tuprints

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Neu ist an dieser sozialen Frage damit zunächst der Kontext, in dem Menschen die<br />

Problemlagen erfahren und interpretieren (vgl. Kronauer: 2002, 75ff.). Gemeint ist der<br />

drohende Abstieg von Teilen der Mittelschicht 28 (vgl. ebd.: 16), die sich nicht zuletzt<br />

aus denjenigen zusammensetzt, die in der Aufbauphase der Bundesrepublik über fast<br />

drei Jahrzehnte an Wachstum und Wohlstand gewöhnt wurden und sich nun neuen<br />

Unsicherheiten ausgesetzt sehen (vgl. Ludwig u.a.: 1995, 24; Mutz: 2001, 16;<br />

Palentien u.a.: 1999, 33; Strasser: 1999a, 13). Der historische Kontext von<br />

Arbeitslosigkeit und Armut hat sich damit im Laufe von wenigen Jahrzehnten radikal<br />

verändert, weil er weder mit einer idealtypischen Arbeiterexistenz verknüpft ist (19.<br />

Jahrhundert), noch sich auf wenige Randgruppen beschränkt oder optimistisch<br />

bezüglich der Zukunftsperspektiven angegangen werden könnte (Aufbauphase). Neu<br />

ist ferner die Wiederkehr der Verknüpfung von Arbeitslosigkeit und Armut, vor allem mit<br />

Blick auf die zunehmende Auflösung „traditioneller“, das heißt in der Phase des<br />

Wirtschaftswunders vorherrschender Beschäftigungsverhältnisse (vgl. Unterkapitel<br />

2.2). In dem Maße, wie die Problematik sich nicht einer bestimmten<br />

Bevölkerungsschicht zuordnen lässt, bleibt zudem die Möglichkeit einer kollektiven<br />

Antwort verwehrt, wie sie die Arbeiterbewegung im Ausgang des 19. Jahrhunderts<br />

dargestellt hat (vgl. Kronauer: 2002, 15). 29 Schließlich haben sich „neue Maßstäbe<br />

gesellschaftlicher Teilhabe“ herausgebildet (ebd.: 116). Mit der Entwicklung der<br />

Demokratie wird das Augenmerk zunehmend auf ihre sozialen Grundlagen gerichtet.<br />

Die Problematik der Ausgrenzung erhält damit ihre demokratietheoretische Relevanz.<br />

28<br />

„Aufgrund der [...] Veränderungen der Klassenstruktur industrieller Länder sind Inklusion und<br />

Exklusion zu wichtigen Begriffen für die Analyse und Bekämpfung von Ungleichheit geworden“<br />

(Giddens: 1998, 121). „Heute ist das Armutsrisiko bis in die Mittelschicht vorgedrungen,<br />

insbesondere durch das Ereignis Arbeitslosigkeit“ (Palentien u.a.: 1999, 33). Hierfür sprechen<br />

auch das im langfristigen Trend steigende Sozialhilferisiko und die Tatsache, dass 30 Prozent<br />

aller Personen, die zwischen 1994 und 1992 durch das Sozioökonomische Panel erfasst<br />

wurden, mindestens einmal in Einkommensarmut abgesunken waren (vgl. Hauser: 1995, 9; 12).<br />

Dabei betrifft die „soziale Entgrenzung von Armut“ nicht nur die Einkommensverteilung, sondern<br />

zeigt sich auch in „Benachteiligungen in anderen Lebensbereichen“ (Ludwig u.a.: 1995, 33).<br />

Allgemeiner kann von einer „Entgrenzung sozialer Risiken“ gesprochen werden (Leisering:<br />

1999, 13), die mit den in diesem Zusammenhang stehenden zunehmenden Diskontinuitäten<br />

von Lebensläufen einen Großteil wachsender Unsicherheit erklären kann. Castel (2005: 75) hält<br />

die „Unsicherheitsproblematik“ für den „eigentlichen Kern der sozialen Frage“. Allerdings muss<br />

vor mangelnder begrifflicher Präzision gewarnt werden. Der Begriff der sozialen Ausgrenzung<br />

würde inhaltlich entleert, würde man ihn auf jeglichen Abstieg oder gar die mehr oder weniger<br />

begründete Angst vor einem solchen anwenden. So zeigen die (wenigen) vorliegenden<br />

empirischen Befunde zwar Betroffenheit oder Bedrohung, die über gesellschaftliche Ränder<br />

hinausgehen (vgl. das folgende Unterkapitel). Allerdings widerspricht Paugam (2004: 74) der<br />

„Annahme, dass jeder zum Opfer von Exklusion werden kann. Diese Sentenz ist (…) eher das<br />

Produkt einer kollektiven Angst vor Arbeitslosigkeit und weniger eine Schlussfolgerung, die sich<br />

aus einer gründlichen Analyse der verfügbaren Statistiken ergeben würde.“ Mit anderen<br />

Worten: Die theoretische Möglichkeit wird nicht in Abrede gestellt, wohl aber die empirische<br />

Auffindbarkeit.<br />

29<br />

Castel (2005: 66) hält die „Einheitlichkeit und Schlagkraft der ‚Arbeiterklasse’“ allerdings für<br />

„mythisch überhöht“.<br />

31

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