0 61 52 - 5 44 93 oder: 01 72 - Das WIR-Magazin im Gerauer Land
0 61 52 - 5 44 93 oder: 01 72 - Das WIR-Magazin im Gerauer Land
0 61 52 - 5 44 93 oder: 01 72 - Das WIR-Magazin im Gerauer Land
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
aufklärerischer Zeit. Doch warum hält man<br />
heute noch so gerne an solchen Relikten fest?<br />
Ganz einfach: Man muss nicht argumentieren.<br />
Wenn die mächtigen Strömungen<br />
der Gesellschaft sagen: So ist es, wenn sich<br />
Meinungsführer viel Mühe machen, eine<br />
best<strong>im</strong>mte Weltsicht durchzusetzen, dann<br />
muss man nicht mehr argumentieren – bzw.:<br />
Wehe dem, der dennoch argumentiert!<br />
Manche Menschen sind dann so mutig und<br />
sagen: <strong>Das</strong> darf man ja nicht sagen, was ich<br />
jetzt sage. Und dann sagen sie es und finden<br />
Bewunderer, weil sie etwas gesagt haben,<br />
was die Meinungsbeherrscher nicht gesagt<br />
haben wollten. Mit der Zahl der Bewunderer<br />
wächst auch die Zahl der Angreifer.<br />
Und das Spielchen beginnt, wie nicht nur<br />
Kämpfer der 68er wissen. Was ist, was die<br />
Angreifer zuerst sagen? Du sagst, das darf<br />
man nicht sagen? Aber du sagst es ja, also<br />
darf man es auch sagen – und jetzt halte den<br />
Mund, denn das, was du sagst, ist als Problem<br />
altbekannt – nur du bist in dieser Hinsicht<br />
nicht hilfreich. Punkt. Aber die gesellschaftspolitischen<br />
Auseinandersetzungen<br />
bekommen viele Menschen nicht so recht<br />
mit, weil sie sich in den Kreisen bewegen,<br />
in denen man tabulos über diese Themen<br />
spricht – freilich wieder neue Tabus aufgebaut<br />
haben. In einem Fußballfanverein darf<br />
man alles – nur nicht die eigene Mannschaft<br />
besch<strong>im</strong>pfen (es sei denn, nur ganz kurz,<br />
wenn es wirklich nicht anders geht, <strong>oder</strong><br />
wenn alle es aus einer emotionalen Schieflage<br />
tun). Es gibt somit Gruppentabus und<br />
gesellschaftspolitische Tabus.<br />
Dann gibt es auch ortsgebundene Tabus.<br />
So darf man an manchen Orten über Gott<br />
sprechen – an anderen wieder nicht. Oder:<br />
Es wird von einem Pfarrer erwartet, dass<br />
er an best<strong>im</strong>mten Orten und zu best<strong>im</strong>mten<br />
Anlässen von Gott spricht – aber wehe,<br />
es tut ein Nichtpfarrer <strong>oder</strong> der Pfarrer<br />
tut es zu einem anderen Anlass. Und hier<br />
mischt sich schon das, was man mit „das<br />
tut man aber nicht“ bezeichnen kann, ein:<br />
An einem FKK-Strand liegen und springen<br />
alle in fröhlicher Freiheit, so wie Gott<br />
sie erschaffen hat, und wehe, ein Angezogener<br />
legt sich dazwischen – und umgekehrt:<br />
Wehe, sie rennen unbekleidet durch<br />
die Stadt – es sei denn, es handelt sich um<br />
ein vorher angemeldetes Event. <strong>Das</strong> heißt,<br />
es gibt auch Tabus, die nicht Meinungen <strong>im</strong><br />
Blick haben, sondern die eingebürgerten<br />
Sitten beschützen sollen. Aber das wäre ein<br />
anderes Thema.<br />
Zurück zu den Tabus: Tabus betreffen<br />
eher Meinungen und die daraus folgenden<br />
Verhaltensweisen, während „das tut man<br />
aber nicht“ konkrete Verhaltensweisen <strong>im</strong><br />
Blick hat. Nun schützt aber unser Grundgesetz<br />
die Meinungsfreiheit, die anderen<br />
möglichst nicht die Würde n<strong>im</strong>mt. Aber<br />
darf somit auch jeder sagen, was er meint?<br />
Ja, natürlich. Nur muss er auch in unseren<br />
Breiten bei manchen Aussagen die möglicherweise<br />
ungemütlichen Konsequenzen<br />
berücksichtigen. Bei welchen? Die Tabu-<br />
Themen, liebe Leserinnen und Leser, müssen<br />
Sie selbst herausfinden, wenn Sie diese<br />
denn nicht schon kennen.<br />
Übrigens ein Tipp für die Linken und<br />
Rechten, die Gläubigen und Nichtgläubigen,<br />
die Gleichgültigen und Tausendsassas,<br />
die Fortschrittlichen und Konservativen:<br />
Unsere Gesellschaft lebt von den<br />
Mutigen, den Menschen, die fröhlich und<br />
gelassen sagen, was sie denken. Je mehr es<br />
nicht wagen, desto leichteres Spiel haben<br />
die Andersdenkenden. Und: Es wäre schön,<br />
wenn wir gelassener mit Andersdenkenden<br />
umgehen würden – das entspräche dem<br />
Geist unseres Grundgesetzes. www.wir-in-gg.de