Informationen zu: Polyzystisches Ovarsyndrom ... - Endokrinologikum
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<strong>Informationen</strong> <strong>zu</strong>: <strong>Polyzystisches</strong> <strong>Ovarsyndrom</strong><br />
(PCOS)<br />
Definition<br />
Das Polyzystische <strong>Ovarsyndrom</strong> (PCOS) ist die häufigste endokrinologische<br />
Erkrankung im geschlechtsreifen Alter, unter der<br />
in Deutschland etwa 1 Million Frauen leiden. Das PCOS wurde<br />
1990 auf einer Konsensuskonferenz des National Institutes of<br />
Health definiert als das Vorhandensein einer chronischen<br />
Anovulation in Kombination mit einem klinischen und/oder<br />
laborchemischen Hyperandrogenismus, nach Ausschluss anderer<br />
Erkrankungen der Hypophyse, der Nebenniere und des<br />
Ovars. Nur bei ca. 75% der Patientinnen finden sich die namensgebenden<br />
polyzystischen Ovarien. Mittlerweile gibt es<br />
Bestrebungen eine neue Definition <strong>zu</strong> etablieren, die der ovariellen<br />
Dysfunktion als wichtigem Bestandteil des PCOS mehr<br />
Bedeutung beimisst.<br />
Im Jahre 2003 wurde in Rotterdam eine neue Definition vorgestellt,<br />
nach der ein PCOS vorliegt, wenn zwei der folgenden<br />
drei Kriterien erfüllt sind:<br />
1. Polyzystische Ovarien,<br />
2. Oligo- oder Amenorrhoe und/oder<br />
3. klinische oder laborchemische Zeichen einer<br />
Androgenerhöhung.<br />
Beide Definitionen verdeutlichen, dass ein einziges Kriterium<br />
nicht <strong>zu</strong>r Diagnosestellung ausreicht und sich das PCOS klinisch<br />
als heterogenes Krankheitsbild darstellt. Dementsprechend<br />
variabel sind auch Symptome wie Akne, Hirsutismus,<br />
Alopezie und Adipositas. Bei einem Großteil der Patientinnen<br />
besteht eine Insulinresistenz mit kompensatorischer Hyperinsulinämie,<br />
die das PCOS mit dem Metabolischen Syndrom<br />
verbindet und wahrscheinlich ein Risikofaktor für kardiovaskuläre<br />
Erkrankungen darstellt. Oft wird die Diagnose im Zusammenhang<br />
mit der diagnostischen Abklärung bei unerfülltem<br />
Kinderwunsch gestellt.<br />
Pathogenese<br />
In der Entwicklung des PCOS verstärken sich mehrere endokrinologische<br />
Störungen in einem Teufelskreis. Es besteht eine<br />
pathologische Gonadotropinsekretion bei erhöhtem LH/FSH-<br />
Quotienten, mit der Folge einer vermehrten Androgenproduktion.<br />
Als weiterer Mechanismus in der Entstehung der Hyperandrogenämie<br />
beim PCOS ist die verminderte Bildung des<br />
SHBG in der Leber <strong>zu</strong> nennen, die <strong>zu</strong> einer Erhöhung biologisch<br />
aktiver Androgene führt. Insulin spielt beim PCOS aufgrund<br />
der assoziierten Insulinresistenz eine bedeutende Rolle. Auch<br />
wenn die Insulinresistenz nicht die alleinige Ursache für die<br />
Entstehung eines PCOS darstellt, so verstärkt die begleitende<br />
Hyperinsulinämie durch eine Steigerung der ovariellen und<br />
adrenalen Androgenproduktion sowie durch eine Senkung der<br />
SHBG-Bildung in der Leber den „circulus vitiosus“ des PCOS.<br />
Diagnostik<br />
In der Diagnostik des PCOS liefert eine ausführliche Anamnese<br />
wichtige Hinweise: Menarche, Menstruationszyklus,<br />
Eisprung, Pubertätsentwicklung, Virilisierung, Galaktorrhoe<br />
etc.. Bei der körperlichen Untersuchung liegt das Hauptaugenmerk<br />
auf den Parametern der Hyperandrogenämie (Hirsutismus-Score<br />
nach Ferriman und Gallwey, Akne, Haarausfall<br />
mittels Ludwig-Score) und des Metabolischen Syndroms (BMI,<br />
Taillenumfang, Acanthosis nigricans, Blutdruck).<br />
Die basale Labordiagnostik umfasst die Bestimmung von:<br />
Testosteron, SHBG (<strong>zu</strong>r Bestimmung des Freien Androgen-<br />
Index [FAI]), Androstendion, DHEAS, LH, FSH, Estradiol, Prolaktin<br />
und Progesteron im Serum. Andere Endokrinopathien<br />
(Cushing-Syndrom, AGS etc.) müssen ausgeschlossen werden.<br />
Aufgrund der erhöhten Prävalenz eines gestörten Insulin- und<br />
Glukosemetabolismus bei Frauen mit PCOS besteht international<br />
die Empfehlung <strong>zu</strong>r Durchführung eines OGTT bei jeder<br />
Patientin.<br />
Polyzystische Ovarien liegen vor, wenn im gynäkologischen<br />
Ultraschall mindestens ein Ovar ¹ 12 Follikel mit einem Durchmesser<br />
von jeweils zwei bis neun Millimeter aufweist.<br />
Therapie<br />
Entsprechend der Variabilität der klinischen Symptome müssen<br />
auch die therapeutischen Maßnahmen an die jeweiligen<br />
Probleme, Wünsche und Lebensphasen der Patientinnen individuell<br />
angepasst werden. Die therapeutischen Ansätze in der<br />
Behandlung des PCOS richten sich somit nach der im Vordergrund<br />
stehenden klinischen Symptomatik.<br />
Bei Adipositas ist eine diätetische Kalorienrestriktion an<strong>zu</strong>streben,<br />
die jedoch nur bei wenigen Patientinnen <strong>zu</strong> einer<br />
dauerhaften stabilen Gewichtsreduktion führt. Langfristige<br />
Gewichtsabnahmen können nur durch regelmäßige sportliche<br />
Aktivität und Bewegung erreicht werden. Zudem ist eine<br />
Verhaltenstherapie (Selbstbeobachtung, Verhaltenstraining,<br />
Stressbewältigung etc.) in manchen Fällen empfehlenswert. In<br />
Fällen extremen Übergewichtes müssen auch chirurgische<br />
Maßnahmen diskutiert werden (bariatrische Chirurgie).<br />
Ist der Hirsutismus das führende Symptom kann eine orale<br />
kontrazeptive Therapie, insbesondere mit antiandrogener<br />
Komponente, eingesetzt werden. Hier<strong>zu</strong> stehen mehrere<br />
Präparate <strong>zu</strong>r Verfügung, die z.B. Cyproteronacetat, Drospirenon,<br />
Dienogest oder Chlormadinonacetat enthalten. Diese<br />
Medikamente wirken sich ebenfalls positiv auf Akne und<br />
Alopezie aus. Bei der Verschreibung dieser Präparate auf Kosten<br />
der gesetzlichen Krankenkassen ist allerdings auf das<br />
Indikationsspektrum im Beipackzettel <strong>zu</strong> achten! Viele Präparate<br />
müssen privat verschrieben werden, auch wenn sie grundsätzlich<br />
<strong>zu</strong>r antiandrogenen Therapie geeignet sind.<br />
Die Kombination eines Ovulationshemmers mit Spironolacton<br />
(z.B. 100 mg täglich) kann gegebenenfalls eine <strong>zu</strong>sätzliche<br />
Verbesserung des Hirsutismus bewirken. Internationale Studien<br />
belegen einen positiven Effekt des Wirkstoffs Finasterid,<br />
eines 5-alpha-Reduktase-Inhibitors, auf den Hirsutismus (Dosierung<br />
2,5-5 mg/tägl.). Flutamid, ein potentes Antiandrogen,<br />
zeigte in Studien eine moderate Besserung des Hirsutismus<br />
und der Alopezie nach 12-monatigem Einsatz in einer täglichen
Dosierung von 250 mg. Alle drei Substanzen sind allerdings in<br />
Deutschland für diese Indikation nicht <strong>zu</strong>gelassen und können<br />
nur „off label“ verordnet werden. Zudem dürfen diese Substanzen<br />
nur in Kombination mit einer sicheren Kontrazeption<br />
eingesetzt werden. Niedrig dosierte Glukokortikoide (z.B.<br />
Dexamethason 0,25 mg täglich) können in Einzelfällen <strong>zu</strong>r<br />
Hemmung der adrenalen Steroidsynthese genutzt werden,<br />
finden jedoch beim PCOS aufgrund des relativ geringen Therapieerfolges<br />
nur selten Anwendung. Eine ovulationshemmende<br />
Therapie wird auch bei sonst weitgehend beschwerdefreien<br />
Patientinnen <strong>zu</strong>r Zyklusnormalisierung empfohlen. Im Falle<br />
anovulatorischer Zyklen bei unerfülltem Kinderwunsch ist eine<br />
medikamentöse Ovulationsauslösung z.B. mittels Clomifencitrat<br />
möglich. Clomifen wird seit 1967 in Deutschland <strong>zu</strong>r<br />
Ovulationsinduktion eingesetzt und führt in 70-85% <strong>zu</strong>r Ovulation.<br />
Eine Kombinationstherapie mit Gonadotropinen ist<br />
möglich. Mehrere Therapieregime stehen hierbei <strong>zu</strong>r Verfügung.<br />
Die laparoskopische Stichelung der Ovarien wird eher<br />
selten eingesetzt. Im Falle eines Therapieversagens der konventionellen<br />
medikamentösen Therapie oder falls weitere<br />
Fertilitätsstörungen vorliegen (z.B. Eileiterverschluß) wird die<br />
In-vitro-Fertilisation (IVF)oder – bei eingeschränkter männlicher<br />
Fruchtbarkeit – die intracytoplasmatische Spermieneinjektion<br />
(ICSI) <strong>zu</strong>r Erfüllung des Kinderwunsches eingesetzt.<br />
Die aktuell in der Behandlung des PCOS <strong>zu</strong>r Verfügung stehenden<br />
Medikamente werden durch Insulinsensitizer in hervorragender<br />
Weise ergänzt. Insbesondere Metformin zeigt im<br />
Hinblick auf die Beeinflussung der Insulinresistenz, des Metabolischen<br />
Syndroms, des Übergewichts, der Akne, der Zyklusregulierung<br />
und des unerfüllten Kinderwunsches sehr gute<br />
Erfolge. Positive Effekte der Metformin-Therapie lassen sich<br />
auch in Kombination mit Ethinyl-Estradiol/Cyproteronacetat,<br />
Flutamid oder mit Clomifen dokumentieren. Studiendaten<br />
belegen, dass auch nicht-insulinresistente PCOS-Patientinnen<br />
von einer Metformintherapie profitieren können. Aufgrund<br />
der bislang in Deutschland fehlenden Zulassung für die Indikation<br />
PCOS kann Metformin nur „off-label“ im Sinne eines<br />
Heilversuchs eingesetzt werden. International wird Metformin<br />
jedoch als Mittel der ersten Wahl in der PCOS-Therapie angesehen.<br />
Orale Antidiabetika werden allgemein als potentiell<br />
teratogen und in der Schwangerschaft als kontraindiziert<br />
angesehen. Eine Fortführung der Metformingabe in der<br />
Schwangerschaft ist <strong>zu</strong>rzeit Gegenstand kontroverser Diskussionen.<br />
Erste Studien <strong>zu</strong>m Einsatz von Metformin bei schwangeren<br />
PCOS-Frauen ergaben keine erhöhte Rate an Entwicklungsverzögerungen<br />
oder Fehlbildungen der Feten, ergaben<br />
jedoch eine Reduzierung der Gestationsdiabetes-Fälle und eine<br />
signifikante Senkung der Frühabortrate. Trotz dieser vielversprechenden<br />
Daten besteht <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunkt der internationale<br />
Konsens, dass Metformin mit Eintritt der Schwangerschaft<br />
abgesetzt werden sollte. Die Fortführung der Metformingabe<br />
in der Schwangerschaft sollte individuell mit der<br />
Patientin diskutiert werden.<br />
Therapie des PCOS im Überblick<br />
Zyklusregulierung<br />
Hyperandrogenämie<br />
Hirsutismus<br />
Ovulationshemmer<br />
Metformin (Glitazone)<br />
(Operative Maßnahmen)<br />
Ovulationshemmer<br />
Metformin (Glitazone)<br />
Flutamid, Finasterid, Spironolacton<br />
Dexamethason<br />
Ovulationshemmer<br />
Antiandrogene, z.B. Cyproteronacetat<br />
Metformin (Glitazone)<br />
Flutamid, Finasterid, Spironolacton<br />
Dexamethason<br />
Topisch, z.B. Eflornithin oder<br />
mechanisch-physikalischen Maßnahmen<br />
Ovulationshemmer<br />
Antiandrogene, z.B. Cyproteronacetat<br />
Metformin (Glitazone)<br />
Doxycyclin, Minocyclin<br />
Isoretinoin<br />
Flutamid, Finasterid, Spironolacton<br />
Dexamethason<br />
Topisch, z.B. Benzoylperoxid,<br />
Azelainsäure oder Retinoide<br />
UV-Licht-/Laser-/Kryotherapie<br />
Antiandrogene, z.B. Cyproteronacetat<br />
Flutamid, Finasterid, Spironolacton<br />
Metformin (Glitazone)<br />
Dexamethason<br />
Topisch, z.B. Minoxidil, Alfatradiol<br />
Metformin (Glitazone)<br />
Clomifen<br />
Gonadotropine<br />
IVF, ICSI<br />
Operative Eingriffe<br />
Metformin (Glitazone)<br />
Ernährungsumstellung/<br />
Gewichtsreduktion<br />
Aktuelle <strong>Informationen</strong> finden Sie auf unserer Internetseite www.endokrinologikum.com<br />
© ENDOKRINOLOGIKUM Stand: Juli 2006<br />
Akne<br />
Alopezie<br />
Kinderwunsch<br />
Insulinresistenz/<br />
Metabolisches Syndrom<br />
Kursiv = keine Zulassung für die jeweilige Indikation<br />
<strong>zu</strong> den oralen Kontrazeptiva = siehe Anmerkungen im Text<br />
Fazit<br />
Das PCOS ist ein facettenreiches Krankheitsbild, das einer<br />
differenzierten Diagnostik und Therapie in interdisziplinärer<br />
Zusammenarbeit bedarf. Entsprechend den individuellen<br />
Bedürfnissen der betroffenen Frauen sollten Therapieregime<br />
entwickelt werden, um nicht nur Symptome <strong>zu</strong> behandeln und<br />
Folgeerkrankungen <strong>zu</strong> verhindern, sondern auch um die Lebensqualität<br />
der Patientinnen <strong>zu</strong> verbessern.<br />
Weitere <strong>Informationen</strong> <strong>zu</strong>m PCOS finden Sie unter:<br />
www.pcos-selbsthilfe.org oder im Fachbuch<br />
"Das Syndrom der Polyzystischen Ovarien" Thieme-Verlag.<br />
Stuttgart (erhältlich ab August 2011 im Fachbuchhandel)<br />
Telefonische Auskunft und<br />
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