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Durchgängiges Sicherheitskonzept<br />
für die Prüfung von<br />
elektronik<br />
Lithium-Ionen-Batteriesystemen<br />
Sonderdruck<br />
aus ATZelektronik 05/2009<br />
Springer Automotive Media<br />
GWV Fachverlage GmbH,<br />
Wiesbaden
ENTWICKLUNGSPROZESSE<br />
Durchgängiges Sicherheitskonzept<br />
für die Prüfung von<br />
Lithium-Ionen-Batteriesystemen<br />
Die Lithium-Ionen-Batteriesystementwicklung für automobile Anwendungen erfordert neue Prüfstandssysteme<br />
für die Entwicklung und Fertigung. SB LiMotive Germany GmbH hat zusammen mit der Robert Bosch GmbH und<br />
Scienlab electronic systems GmbH ein durchgängiges Sicherheitskonzept für die Prüfung von Lithium-Ionen-<br />
Batterie systemen entwickelt. Das Sicherheitskonzept und die Prüfstandssysteme sind in einem modularen und<br />
skalierbaren Baukastensystem realisiert.<br />
1 Einleitung<br />
Der Trend zur Elektrifizierung des Antriebsstranges<br />
resultiert in der Entwicklung<br />
von neuen elektrochemischen Energiespeichersystemen.<br />
Durch ihre höhere<br />
Energie- und Leistungsdichte ersetzen<br />
Lithium-Ionen-Batteriesysteme die der-<br />
2<br />
ATZelektronik 05I2009 Jahrgang 4<br />
Hochvolt-Sicherheitskonzepte<br />
zeitig eingesetzten Nickelmetall-Hydrid-<br />
Batteriesysteme. Die für Hybridfahrzeuge<br />
und Elektrofahrzeuge erforderlichen hohen<br />
Energie- und Leistungsdaten werden<br />
durch eine serielle und teils parallele<br />
Verschaltung von einzelnen Batteriezellen<br />
erzielt. Damit haben die Batteriesysteme<br />
je nach Anwendung Spannungsla-<br />
gen von mehreren 100 Volt. Des Weiteren<br />
müssen die Batteriesysteme fähig sein,<br />
kurzzeitig hohe Ströme in der Größenordnung<br />
von mehreren 100 Ampere zu<br />
liefern. Für den Automobilbereich bedeutet<br />
dies neue Gefährdungspotenziale<br />
in der Entwicklung (Transport, Lagerung,<br />
Prüfung und Entsorgung) und Fer-
tigung (Musterbau und spätere Serienfertigung).<br />
Zum einen müssen die elektrischen<br />
Gefährdungen durch die hohen<br />
Spannungen und Ströme berücksichtigt<br />
werden, zum anderen weisen Lithium-Ionen-Batteriesysteme<br />
bei Fehlbedienung<br />
potenzielle Gefährdungen auf, die aufgrund<br />
der hohen Energiedichte in Extremfällen<br />
bis zu Brand oder gar Explosion<br />
reichen. Die erforderliche Sicherheitstechnik<br />
für die Batterietester wurde<br />
in [1] beschrieben. Diese Sicherheitstechnik<br />
der Batterietester wurde nun in ein<br />
ganzheitliches Batterie-Prüfstandssystem<br />
eingebunden. Es wurde zusammen mit<br />
Experten aus verschiedenen Bereichen<br />
eine modulare und skalierbare Sicherheitstechnik<br />
für den gesamten Testprozess<br />
entwickelt. Die Basis hierfür waren<br />
weitreichende Versuche zur Versagenscharakteristik<br />
an verschiedensten Lithium-Ionen-Zellen<br />
und der anschließenden<br />
systematischen Gefährdungsanalyse<br />
dieser Batterien.<br />
2 Gefährdungsanalyse<br />
für Lithium-Ionen-Batterien<br />
Lithium-Ionen-Batterien sind elektrochemische<br />
Energiespeicher mit hohen Energie-<br />
und Leistungsdichten. Werden Lithium-Ionen-Batterien<br />
außerhalb ihrer Spezifikation<br />
betrieben, sind sie potenziell<br />
gefährlich. Zu Gefährdungen können<br />
mechanische Einwirkungen (beispielsweise<br />
während eines Crashs), elektrische<br />
Einwirkungen (Kurzschluss, Tiefentladung,<br />
Überladung, Umpolung) und thermische<br />
Einwirkungen wie Überhitzen<br />
führen. Kommt es zu einer Fehlbedienung<br />
durch die beschriebenen Einwirkungen,<br />
können daraus Gefährdungen<br />
wie Leck einer Zelle, Abblasen des Elektrolyten,<br />
Feuer, bis zu Bersten, Explosion<br />
resultieren. Die verschiedenen Gefährdungen<br />
wurden sowohl durch Freedom-<br />
Car (Abuse levels 1-3) als auch durch EU-<br />
CAR (Hazard-Levels 0-7) klassifiziert [2],<br />
Bild 1. Innerhalb einer Lithium-Ionen-Zelle<br />
kann zum Beispiel eine sich selbstverstärkende<br />
exotherme Reaktion ablaufen<br />
(sogenannter Thermal Runaway), welche<br />
zu einem Brand, einer Explosion führen<br />
kann. Ein möglicher Auslösemechanismus<br />
eines Thermal Runaways kann zum<br />
Beispiel die Überladung einer Zelle sein.<br />
Die Überladung kann zu einer Kathoden-<br />
zersetzung unter Freisetzung von starken<br />
Oxidationsmitteln mit daraus folgender<br />
stark exothermen Reaktion mit<br />
dem Elektrolyten führen [3, 4, 5]. Dabei<br />
wird eine große Menge an heißen Gasen<br />
entwickelt, die zum Öffnen der Zelle mit<br />
Herausschleudern von gegebenenfalls<br />
brennenden Zellkomponenten führt. Eine<br />
Anforderung an Lithium-Ionen-Zellen<br />
für automobile Anwendungen ist deshalb,<br />
dass sie die Abuse Tests nach FreedomCar<br />
bestehen [2]. Neben der Fehlbedienung<br />
der Lithium-Ionen-Zellen ist eine<br />
weitere Fehlerquelle eine fehlerhafte<br />
Produktion der Lithium-Ionen-Zellen.<br />
Ein Beispiel hierfür sind durch eine fehlerhafte<br />
Elektrodenherstellung in den<br />
Elektrodenwickel eingeschlossene Metallpartikel,<br />
die im späteren Betrieb der<br />
Lithium-Ionen-Zellen einen internen<br />
Kurz schluss auslösen können. Die potenziellen<br />
Gefährdungen durch die Lithium-Ionen-Batterie<br />
erfordern deshalb ein<br />
ganzheitliches Sicherheitskonzept, welches<br />
den gesamten Entwicklungs- und<br />
Fertigungsprozess einschließt: beginnend<br />
mit der Verwendung von sicherheitsoptimierten<br />
Zellmaterialien, der<br />
Entwicklung eines bezüglich Sicherheit<br />
optimierten Zelldesigns, einer hocheffizienten<br />
Massenfertigung von Lithium-Ionen-Zellen<br />
mit optimierten Fertigungsprozessen,<br />
der Verwendung eines Batteriemanagementsystems<br />
für die Einhaltung<br />
der elektrischen und thermi schen<br />
Grenzen der Lithium-Ionen-Zellen im Betrieb,<br />
bis zur Einbindung des Lithium-Ionen-Batteriesystems<br />
in die Sicherheitsfunktionen<br />
des Fahrzeugs [6, 7, 8].<br />
Bei der Entwicklung von Lithium-<br />
Ionen-Batteriesystemen für automobile<br />
Anwendungen muss berücksichtigt werden,<br />
dass während des Entwicklungsprozesses<br />
zum einen die Entwicklungsmuster<br />
in unterschiedlichen Reifegraden vor-<br />
Bild 1: Hazard-Level-Spezifikation<br />
nach EUCAR [2]<br />
Die Autoren<br />
<strong>Dr</strong>. Rainer Kern<br />
ist Manager Environmental<br />
& Abuse Testing<br />
bei der SB LiMotive<br />
Germany GmbH in<br />
Stuttgart.<br />
<strong>Dr</strong>.-Ing. Ralf Bindel<br />
ist Abteilungsleiter<br />
Prüftechnik bei der<br />
Robert Bosch GmbH<br />
in Stuttgart.<br />
<strong>Dr</strong>.-Ing.<br />
Roger Uhlenbrock<br />
ist Leiter des Bereichs<br />
Hybrid bei der Scienlab<br />
electronic systems<br />
GmbH in Bochum.<br />
liegen (A bis D Muster), zum anderen<br />
unterschiedliche Tests an den Li-Ionen-<br />
Batteriesystemen durchgeführt werden<br />
müs sen. So werden Tests innerhalb der<br />
Spezifikation, Robustheitstests zeitweise<br />
über den Grenzen der Spezifikation, als<br />
auch Abuse Tests durchgeführt. Die Sicherheitsvorkehrungen<br />
müssen an die<br />
jeweiligen Erfordernisse der Tests als<br />
auch an den Reifegrad des Entwicklungsmusters<br />
angepasst werden.<br />
Es wurde ein gesamtheitliches und<br />
abgesichertes Sicherheitskonzept für die<br />
Prüfung von Li-Ionen-Batteriesystemen<br />
unter Einbindung von externen wissen-<br />
ATZelektronik 05I2009 Jahrgang 4 3
ENTWICKLUNGSPROZESSE<br />
Bild 2: Berechnete Temperaturverteilungen bei einem Thermal Runaway in einer Klimakammer nach 0,5 s, 5 s und 10 s<br />
schaftlichen Instituten, sowie TÜV, Brandschutzexperten,<br />
Werksfeuerwehr, Sicherheitsingenieuren<br />
und Werksarzt entwickelt.<br />
Um die potenzielle Gefahren während<br />
den Tests der Lithium-Ionen-Batterien<br />
zu bestimmen, wurden Lithium-Ionen-Zellen<br />
kontrolliert zu einem Thermal<br />
Runway gebracht und die dabei austretenden<br />
Stoffe, Gase, Gasmengen und<br />
<strong>Dr</strong>ücke bestimmt. Die Experimente wurden<br />
durch Computational Fluid Dynamics<br />
(CFD)-Simulationen und analytischen<br />
Berechnungen nachgebildet. Dabei<br />
wurden die zeitlichen und räumlichen<br />
<strong>Dr</strong>uck- und Temperaturverteilungen<br />
für unterschiedliche Atmosphären<br />
als Folge eines Thermal Runaways<br />
4<br />
ATZelektronik 05I2009 Jahrgang 4<br />
Hochvolt-Sicherheitskonzepte<br />
innerhalb einer Temperaturkammer bestimmt.<br />
Bild 2 zeigt die berechnete Temperaturverteilung<br />
während eines Thermal<br />
Runaways in einer Klimakammer<br />
nach 0,5 s, 5 s und 10 s. Aufbauend auf<br />
den Ergebnissen dieser Analyse wurden<br />
entsprechende Konzepte erarbeitet.<br />
3 Sicherheitskonzept für die Prüfung<br />
von Lithium-Ionen-Batteriesystemen<br />
Bei der elektrischen Prüfung von Lithium-Ionen-Batterien<br />
werden verschiedene<br />
Prüfaufgaben unterschieden: einerseits<br />
Prüfaufgaben zur Parameterbestimmung<br />
und zur Charakterisierungen der Batte-<br />
Bild 3: Modulbaukasten<br />
Batterie-Prüfstandssysteme<br />
riesysteme sowie andererseits kalendarische<br />
und zyklische Alterungstests. Diese<br />
Prüfungen sind während der Entwicklung<br />
der verschiedenen Muster, für die<br />
Erprobung und Freigabe der Muster, sowie<br />
bei der Entwicklung und Parametrierung<br />
von Applikationen durchzuführen.<br />
Die Batterien werden als Zelle ohne Verbindung,<br />
als Modul (mehrere Zellen sind<br />
zu einer Einheit verbunden) und als komplettes<br />
Batteriesystem in Verbindung mit<br />
dem Batterie-Management-System (BMS)<br />
geprüft.<br />
Weiterhin müssen, wie in Kapitel 2<br />
dargestellt, die Sicherheitsanforderungen<br />
sowohl an die Reifegrade der Muster<br />
als auch an die Erfordernisse der Tests<br />
angepasst werden. Um diese verschiedenen<br />
Anforderungen mit einem Prüfstandssystem<br />
abdecken zu können, wurde<br />
ein modulares und skalierbares Konzept<br />
entwickelt, das im Folgenden beschrieben<br />
wird.<br />
3.1 Systemaufbau<br />
Das Prüfstandssystem ist in die Subsysteme<br />
Prüfraum, Prüfkammer, Batterietester,<br />
Sicherheitstechnik und Erweiterungen<br />
gegliedert. Für jedes Subsystem<br />
gibt es verschiedene Ausbaustufen. Aus<br />
dem so entstandenen Modulbaukasten<br />
wird das für den jeweiligen Anwendungsfall<br />
geeignete Gesamtsystem konfiguriert.<br />
Der prinzipielle Aufbau ist im Bild 3<br />
dargestellt. Durch die Modularisierung<br />
des Systemaufbaus wird erreicht und sichergestellt,<br />
dass jedes kundenspezifische<br />
Prüfsystem aus erprobten und stabilen<br />
Einzelmodulen aufgebaut wird. Mit<br />
dem vorhandenen Baukasten kann ein<br />
breites Anwendungsspektrum abgedeckt<br />
werden, Bild 4:
Bild 4: Anwendungsspektrum der Batterie-Prüfstandssysteme<br />
Bild 5: Systemaufbau bei Prüflingen gemäß Hazard-Level 4-7<br />
– Der Prüfraum kann in Form einer<br />
transportablen Safety-Box für die Außen-<br />
oder Innenaufstellung realisiert<br />
werden. Des Weiteren ist die Nutzung<br />
vorhandener Labor- und Testräume<br />
möglich.<br />
– Es stehen Prüf- und Temperaturkammern<br />
mit Prüfvolumen von 50 l bis zu<br />
5000 l zur Verfügung, jeweils mit unterschiedlichen<br />
Kühl- und Wärmeleistungen.<br />
Damit kann das gesamte<br />
Spektrum von Zellen bis zu kompletten<br />
Batteriesystemen, auch in<br />
Sonderbauformen und für Sonderanwendungen,<br />
abgedeckt werden.<br />
– Für den elektrischen Batterietest stehen<br />
Batterietester in verschiedenen<br />
Spannungs- und Leistungsklassen zur<br />
Verfügung. Die Batterietester sind<br />
rückspeisefähig und sicherheits- und<br />
softwaretechnisch in das Gesamtsystem<br />
integriert.<br />
– Die Sicherheitstechnik genügt allen<br />
Anforderungen bis Hazard-Level 4-7<br />
und schließt somit personengefährdende<br />
Risiken bei sachgemäßem Umgang<br />
aus. Die Sicherheitstechnik kann<br />
für Prüflinge mit Hazard-Level 0-3 reduziert<br />
werden.<br />
– Im Bereich der Prüfstandserweiterungen<br />
wurden verschiedene Lösungen realisiert,<br />
um einen sicheren und reproduzierbaren<br />
Betrieb der Prüfsysteme sicherzustellen,<br />
wie zum Beispiel spezielle<br />
Durchführungen und Kontaktierungen<br />
an den Prüfkammern, sowie kostengünstige<br />
Transport- und Hebevorrichtungen<br />
zum Be- und Entladen der Batteriesysteme.<br />
Weiterhin können die Prüfstandssysteme<br />
mit einem Thermomanage-<br />
ment ausgerüstet werden, welches dieselben<br />
thermischen Randbedingungen<br />
wie im Fahrzeug nachbildet.<br />
3.2 Sicherheitstechnik<br />
Für die in Kapitel 2 aufgeführten Gefährdungen<br />
und Risiken wurden entsprechende<br />
Sicherheitstechnologien realisiert<br />
und in einem Baukasten strukturiert.<br />
Durch Auswahl entsprechender Module<br />
der Sicherheitstechnik können die Prüfstandssysteme<br />
für die Hazard-Levels 0 bis 7<br />
ausgestattet werden. Für Prüfungen im<br />
Hazard-Level 0-3 sind Meldeleuchten, Sicherheitstürverriegelung<br />
und Sicherheitstrenneinrichtung<br />
notwendig. Die Steuerung<br />
der sicherheitstechnischen Signale<br />
und Abläufe wird bereits für diese Hazard-<br />
Levels durch eine Sicherheitssteuerung<br />
übernommen. Ab dem Hazard-Level 4 sind<br />
Sicherheits elemente gegen Abblasen, Feuer<br />
oder Flamme, Bersten und Explosion<br />
realisiert. Der Gesamtaufbau des Prüfstandssystem<br />
ist dazu mit einer Brandbarriere<br />
F30 ausgerüstet. Zur Detektion eines<br />
Bran des sind Gassensoren eingesetzt. Die<br />
Schwere eines Brandes wird durch eine<br />
Flüssiggasvereisung reduziert. Zur Vermeidung<br />
beziehungsweise Abschwächung einer<br />
Explosion ist eine geregelte Inertisierung<br />
eingesetzt. Ggf. auftreten der Überdruck<br />
wird über eine Berstscheibe und die<br />
Überdruckableitung abgeführt. Die Prüfkammer<br />
ist druckfest ausgeführt. Auftretende<br />
Reaktionsprodukte können durch<br />
die Gaswäsche im Prüf raum gebunden<br />
werden. In Bild 5 ist der prinzipielle Prüfaufbau<br />
mit einer für Hazard-Level 4-7 geeignete<br />
Sicherheitstechnik dargestellt. Gesteuert<br />
und überwacht wird die gesamte<br />
Prüfanlage durch eine Sicher heitssteuerung.<br />
Diese überwacht den Zustand<br />
der Anlage auf Basis der Sicherheitssensoren<br />
und Rückmeldungen von Prüfkammer<br />
und Tester und aktiviert bei auftretenden<br />
Gefährdungen die entsprechenden<br />
Sicherheitssysteme. Die Sicherheitssteuerung<br />
stellt weiterhin sicher, dass während<br />
dem regulären und störungsfreien Betrieb<br />
des Prüfsystems keine personengefährdende<br />
Betriebszustände auftreten können.<br />
Die Anbindung an ein übergeordnetes Meldesystem<br />
wird ebenfalls von der Sicherheitssteuerung<br />
übernommen. Eingesetzt<br />
wird eine durch TÜV, BG und UL zertifizierte<br />
Sicherheits-Steuerung nach EN 954-1<br />
Kategorie 4, ISO 13849-1, sowie IEC 62061<br />
SIL3. Die Realisierung des Steuerungspro-<br />
ATZelektronik 05I2009 Jahrgang 4 5
ENTWICKLUNGSPROZESSE<br />
Bild 6: Typischer Stromsprung des Batterietesters von -600 A auf 600 A<br />
grammes ist entsprechend diesen Anforderungen<br />
ausgeführt.<br />
3.3 Batterietester<br />
Eingebettet in die Sicherheitstechnik ermöglicht<br />
der Batterietester unter definierten<br />
Randbedingungen den Prüfling zu<br />
charakterisieren und für die vorgesehene<br />
Applikation zu evaluieren. Hierbei steht<br />
nicht nur die flexible und einfache Definition<br />
von Prüfabläufen zur Belastung der<br />
Batterie im Vordergrund, sondern ebenso<br />
die exakte messtechnische Erfassung von<br />
Kenngrößen. Diese müssen direkt im Testablauf<br />
mathematisch verarbeitet und im<br />
weiteren Verlauf verwendet werden können.<br />
Insbesondere für die zeitintensiven<br />
Langzeittests ist ein hoher Automatisierungsgrad,<br />
der alle externen Komponenten<br />
wie Temperaturkammer, Datalogger<br />
und Batteriemanagementsystem in den<br />
Testablauf integriert, für eine effektive Arbeitsweise<br />
notwendig. Realisiert wird dies<br />
6<br />
ATZelektronik 05I2009 Jahrgang 4<br />
Hochvolt-Sicherheitskonzepte<br />
durch eine robuste Leistungsendstufe, deren<br />
Ausgangssignale außergewöhnlich<br />
schnell veränderbar sind und gleichzeitig<br />
eine sehr hohe Güte aufweisen [1]. Ein<br />
typische Stromänderung von -600 A auf<br />
600 A ist in Bild 6 gezeigt. Durch eine integrierte<br />
Impedanzspektroskopie sind nicht<br />
nur Untersuchungen im Zeitbereich, sondern<br />
ebenso im Frequenzbereich möglich.<br />
Koordiniert wird dies durch eine echtzeitfähige,<br />
autonom arbeitende Steuerungseinheit,<br />
die auch die Schnittstelle zur übergeordneten<br />
Sicherheitssteuerung realisiert.<br />
4 Sicherheitskonzept für die Lagerung<br />
von Lithium-Ionen-Batterien<br />
Für die Lagerung von Li-Ionen-Batterien<br />
wird zwischen drei verschiedenen Batterielager<br />
für Zellen, Module und komplette<br />
Batteriesysteme unterschieden:<br />
– Lager Typ A: unbeschädigte, unbe-<br />
nutzte Zellen<br />
– Lager Typ B: benutzte Batterien (Zellen,<br />
Module, Batteriesysteme)<br />
– Lager Typ C: beschädigte Batterien<br />
(Zellen, Module, Batteriesysteme).<br />
Unbeschädigte und unbenutzte Batteriezellen<br />
kommen direkt aus der Lithium-Ionen-<br />
Zellproduktion und werden bis zur Weiterverwendung<br />
in der Prüfung oder im<br />
Musterbau im Lager A zwischengelagert.<br />
Benutze Batterien im Lager B sind Lithium-<br />
Ionen-Zellen, welche im Mus terbau zu Modulen<br />
oder kompletten Batteriesystemen<br />
zusammengebaut wurden sowie Batterien,<br />
an welchen Charakterisierungs- oder Alterungstests<br />
durchgeführt wurden, dabei<br />
aber innerhalb ihrer Spezifikation betrieben<br />
und nicht beschädigt wurden. Durch<br />
Alterungs- und andere elektrische Charakterisierungstests<br />
im frühen Musterstadium<br />
der Entwicklung ist es allerdings potenziell<br />
möglich, dass sich durch irreversible Reaktionen<br />
von Zellkomponenten Gas in der<br />
Zelle entwickelt, das zu einem Öffnen des<br />
Überdruckventils der Lithium-Ionen-Zelle<br />
führen kann. Deshalb ist es erforderlich,<br />
vor der Lagerung von benutzten Batterien<br />
im Lager B eine Sicht- und Spannungskontrolle<br />
durchzuführen. Im Lager C werden<br />
beschädigte Batterien bis zur Entsorgung<br />
zwischengelagert.<br />
Für die Lagerung der Lithium-Ionen-<br />
Batterien in Lager A, B und C werden Gefahrgutschränke<br />
verwendet. Die Lagerschränke<br />
sind in der Feuerwiderstandsklasse<br />
nach DIN 4102 Teil 2 von 90 Minuten<br />
(F90/T90) ausgeführt und mit einer<br />
Überdruckentlastung sowie Branddetektoren<br />
ausgestattet, welche direkt mit der<br />
Brandmeldezentrale verbunden sind. In<br />
einem Brandfall verschweißen sich weiterhin<br />
die Türen der Lagerschränke selbstständig,<br />
so dass gewährleistet ist, dass ein<br />
potenzieller Brand auf das Innere der Lagerschränke<br />
beschränkt bleibt. Für Lager<br />
A und B sind die Lagerschränke klimatisiert<br />
und werden somit unter einer konstanten<br />
Temperatur und Luftfeuchtigkeit<br />
gehalten. Diese Lagerbedingungen ermöglichen<br />
die Einhaltung von konstanten<br />
Umweltbedingungen innerhalb der Spezifikation<br />
der Lithium-Ionen-Batterien,<br />
womit nahezu keine Alterung der Lithium-Ionen-Batterien<br />
während der Lagerung<br />
erfolgt und damit reproduzierbare<br />
Prüfbedingungen in der Entwicklung erzielt<br />
werden. Für Lager C ist keine Klimatisierung<br />
erforderlich.
5 Datenmanagement<br />
Der Entwicklungsprozess für Li-Ionen- Batterien<br />
basierend auf dem V-Modell ist im<br />
Bereich der Entwicklung von automobilen<br />
Komponenten ein wohldefinierter Standard.<br />
Der Entwicklungsprozess beinhaltet<br />
das Anforderungsmanagement, gefolgt von<br />
Design, Implementierung und Integration,<br />
sowie Verifikation und Validierung. Der<br />
Prozess ist sowohl auf Gesamtsystemniveau,<br />
als auch in einem top-down Ansatz für jedes<br />
Subsystem (Zelle, Modul, BMS-Hardware,<br />
BMS-Software) definiert. Die Entwicklung<br />
und Fer tigung der einzelnen Subsysteme<br />
des Lithium-Ionen-Batteriesystems<br />
sowie des gesamten Batteriesystems findet<br />
an örtlich verteilten Standorten statt. Zum<br />
Beispiel findet die Lithium-Ionen-Zellenentwicklung<br />
und -fertigung oft in Asien statt,<br />
die Batteriesystementwicklung und Batteriesystemfertigung<br />
in Europa oder USA. Für<br />
das Management der Entwicklungsdaten<br />
innerhalb des Entwicklungsprozesses bedeutet<br />
dies, dass ein durchgängiges Datenmanagement<br />
erforderlich ist, so dass die<br />
Nachverfolgbarkeit der Entwicklungsdaten<br />
sowohl innerhalb der einzelnen V-Modelle<br />
der Subsysteme und des Gesamtsystems, als<br />
auch über die Schnittstellen der Subsysteme<br />
und des Gesamtsystems gewährleistet<br />
ist. Für die Verifikations- und Validierungstests<br />
wurde ein Leitrechnerprinzip<br />
entwickelt, welches die Rückverfolgbarkeit<br />
der Messdaten gewährleistet und diese mit<br />
dem restlichen Entwicklungsprozess verknüpft<br />
und damit die Anforderungen der<br />
ISO 26262 erfüllt. Der Leitrechner erfüllt<br />
die folgenden Anforderungen:<br />
– Generierung von einer Kennung (Datamatrix-Code/<br />
Bar-Code) für jede indi-<br />
viduelle Komponente (Zelle, Modul,<br />
BMS-HW, et cetera) beziehungsweise<br />
für jedes komplette Batteriesystem<br />
– Zuordnung der verbauten einzelnen<br />
Komponenten zum gesamten Batteriesystem<br />
– Warenbestands- und Warenflussverwaltung<br />
(an welchem Ort befindet sich<br />
welche Komponente/welches System)<br />
– zentrale Versionsverwaltung von Prüfprogrammen<br />
und Prüfaufträgen<br />
– Verwaltung und Auswertung von Messdaten.<br />
6 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Durch ihre hohen Energie- und Leistungsdichten<br />
haben Lithium-Ionen-Batterien<br />
das Potenzial, der Elektrifizierung des Antriebsstranges<br />
zum Durchbruch zu verhelfen.<br />
Das vorgestellte modulare und skalierbare<br />
Sicherheitskonzept für die Prüfung<br />
von Lithium-Ionen-Batteriesystemen berücksichtigt,<br />
dass zum einen während der<br />
Entwicklung die Entwicklungsmuster in<br />
unterschiedlichen Reifegraden vorliegen,<br />
zum anderen Tests innerhalb der Spezifikation<br />
als auch außerhalb der Spezifikation<br />
der Batterien durchgeführt werden. Je<br />
nach Anforderung kann das Prüfstandskonzept<br />
für unterschiedliche Gefährdungspotenziale<br />
(EUCAR Hazard level 0-7) ausgelegt<br />
werden. Damit können für das Testen<br />
von Lithium-Ionen-Batteriesystemen flexible<br />
kundenspezifische Prüfsysteme realisiert<br />
werden, die genau den Kundenanforderungen<br />
genügen und dennoch auf bewährte<br />
und erprobte Einzellösungen zurückgreifen.<br />
Das entwickelte Sicherheits-<br />
und Prüfstandskonzept wird für Prüfstän-<br />
de für die Umwelterprobung erweitert<br />
werden. Weiterhin ist eine Weiterentwicklung<br />
der Prüftechnik zum Einsatz bei der<br />
Musterbau- und Serienfertigung geplant.<br />
Die Sicherheitstechnik wurde für Batteriesysteme<br />
für automobile Anwendungen<br />
entwickelt, kann jedoch analog auch als<br />
Basis für Prüfsysteme in andere Anwendungsfelder,<br />
zum Beispiel für Powertools<br />
und Energietechnik eingesetzt werden.<br />
Literaturhinweise<br />
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Pankiewitz, Ch.: SB LiMotive: Battery System Development.<br />
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Fachtagung: Neue Batterietechnologien für das Automobil<br />
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Batterieentwicklung für Hybrid- und Elektrofahrzeuge.<br />
In: ATZelektronik 02|2009 Jahrgang 4, S. 16-23<br />
ATZelektronik 05I2009 Jahrgang 4 7
Scienlab electronic systems GmbH<br />
Lise-Meitner-Allee 27 · D-44801 Bochum<br />
Tel. +49 (0)234 41 75 78 0<br />
E-Mail: info@scienlab.de<br />
www.scienlab.de<br />
SB LiMotive Germany GmbH<br />
Kruppstr. 20 · 70469 Stuttgart<br />
Tel. +49 (0)711 55 320 0<br />
E-Mail: info@de.sblimotive.com<br />
www.sblimotive.com<br />
Moehwald GmbH<br />
Michelinstr. 21 · D-66424 Homburg<br />
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