bodenmechanik1-geologie
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Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Bodenmechanik/Hydromechanik<br />
Teil Bodenmechanik<br />
2./3. Semester (SS 2002/WS 2002/2003)<br />
- Geologische Grundlagen<br />
(Erdentstehung, Kreislauf der Stoffe)<br />
- Gesteinskunde/Petrographie<br />
- Kartenkunde/Erdgeschichte<br />
- Baugrundaufschluß-Technik<br />
- Bodenmechanische Klassifizierung<br />
- Druck-Setzungs-Verhalten<br />
- Scherfestigkeit<br />
Prof. Dr.-Ing. Matthias Pulsfort<br />
Prof. Dr.-Ing. Bernhard Walz
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
1 GEOLOGIE ALS NATURWISSENSCHAFT 1<br />
2 DIE ERDE 3<br />
2.1 ENTSTEHUNG 3<br />
2.2 DAS ALTER DER ERDE 4<br />
2.3 AUFBAU DER ERDE 5<br />
3 KREISLAUF DER GEOLOGISCHEN STOFFE 7<br />
3.1 EXOGENE DYNAMIK (SEDIMENTBILDUNG) 7<br />
3.1.1 PHYSIKALISCHE VERWITTERUNG 8<br />
3.1.2 CHEMISCHE VERWITTERUNG 9<br />
3.1.3 AUSWIRKUNGEN 13<br />
3.1.4 EROSION, TRANSPORT, SEDIMENTATION 13<br />
3.1.5 DIAGENESE 18<br />
3.2 ENDOGENE DYNAMIK 18<br />
3.2.1 TEKTONIK 18<br />
3.2.2 MAGMATISMUS 21<br />
3.2.3 METAMORPHOSE UND ANATEXIS 28<br />
3.3 STOFFKREISLAUF 29<br />
4 GESTEINSKUNDE 31<br />
4.1 MINERALBESTAND = MODUS 31<br />
4.1.1 ALLGEMEINES 31<br />
4.1.2 GESTEINSBILDENDE MINERALIEN 34<br />
4.1.2.1 Silikate 35<br />
4.1.2.2 Karbonate, Salze (nicht silikatische gesteinsbildende Mineralien) 36<br />
4.1.2.3 Nebengemengteile 37<br />
4.1.2.4 Akzessorische Gemengteile 38<br />
4.2 GEFÜGEBESCHREIBUNG 38<br />
4.3 MAGMATISCHE GESTEINE 39<br />
4.3.1 TIEFENGESTEINE 40<br />
4.3.2 GANGGESTEINE 42<br />
4.3.3 ERGUßGESTEINE (VULKANITE) 42<br />
4.4 SEDIMENTGESTEINE 44<br />
I
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
4.5 METAMORPHE GESTEINE 46<br />
4.6 KREISLAUF DER GESTEINE 49<br />
5 GEOLOGISCHE ZEITENFOLGE UND KARTENKUNDE 50<br />
5.1 KARTIERUNGEN 50<br />
5.2 ERDGESCHICHTE - ERDZEITALTER 51<br />
5.3 LITERATURHINWEISE ZU ABSCHNITT 1 - 5 55<br />
6 GEOTECHNISCHE UNTERSUCHUNGEN FÜR BAUTECHNISCHE ZWECKE 56<br />
6.1 ALLGEMEINES 56<br />
6.2 VERANLASSUNG UND DURCHFÜHRUNG GEOTECHNISCHER UNTERSUCHUNGEN 56<br />
6.3 DIE GEOTECHNISCHEN KATEGORIEN 57<br />
6.4 ARTEN DER GEOTECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN 58<br />
6.5 BEDEUTUNG VON GEOTECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN 59<br />
6.6 LITERATUR 60<br />
7 DIREKTE AUFSCHLÜSSE 61<br />
7.1 DEFINITION 61<br />
7.2 VORGEGEBENE UND EINSEHBARE AUFSCHLÜSSE 61<br />
7.3 SCHÜRFE, UNTERSUCHUNGSSCHÄCHTE UND -STOLLEN 61<br />
7.4 BOHRUNGEN 62<br />
7.4.1 DEFINITION 62<br />
7.4.2 ANORDNUNG UND TIEFE DER AUFSCHLUßBOHRUNGEN (SIEHE [1]) 62<br />
7.4.3 TECHNISCHE AUSFÜHRUNG VON BOHRUNGEN IN BÖDEN 64<br />
7.4.4 KLEINBOHRVERFAHREN IN BÖDEN 68<br />
7.4.5 KLEINSTBOHRUNGEN 69<br />
7.4.6 BOHRPROTOKOLL UND DARSTELLUNG DER BOHRERGEBNISSE 69<br />
7.4.7 ABSCHLIEßENDE BEMERKUNG 69<br />
7.5 PROBENGEWINNUNG 70<br />
7.6 ERKUNDUNG DES TRENNFLÄCHENGEFÜGES 74<br />
7.6.1 BEDEUTUNG DES TRENNFLÄCHENGEFÜGES 74<br />
7.6.2 STREICHEN UND FALLEN 74<br />
7.7 LITERATUR 75<br />
8 INDIREKTE AUFSCHLÜSSE 77<br />
8.1 ALLGEMEINES 77<br />
8.2 DRUCKSONDIERUNGEN (CPT = CONE PENETRATION TEST) 77<br />
8.3 BOHRLOCHRAMMSONDIERUNGEN – BDP (BOREHOLE DYNAMIK PROBING) 79<br />
8.4 RAMMSONDIERUNG 81<br />
8.5 FLÜGELSONDIERUNG (FLÜGELVERSUCHE) 81<br />
8.6 LITERATUR 83<br />
II
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
9 LABORVERSUCHE ZUR KLASSIFIZIERUNG DES BODENS 84<br />
9.1 DER BODEN ALS DREIPHASENGEMISCH 84<br />
9.2 BESTIMMUNG DER KORNDICHTE ρS 85<br />
9.3 BESTIMMUNG DES WASSERGEHALTES 86<br />
9.4 BESCHREIBUNG DER FESTEN BESTANDTEILE 86<br />
9.4.1 ALLGEMEINES 86<br />
9.4.2 KORNGRÖßENVERTEILUNG UND DEREN BEDEUTUNG 87<br />
9.4.3 ERMITTLUNG DER KORNGRÖßENVERTEILUNG 89<br />
9.5 PORENRAUM 90<br />
9.5.1 ALLGEMEINES 90<br />
9.5.2 LAGERUNGSDICHTE D, BEZOGENE LAGERUNGSDICHTE ID<br />
91<br />
9.5.3 LOCKERSTE UND DICHTESTE VERSUCHSLAGERUNG 91<br />
9.5.4 MESSUNG DES PORENANTEILS N 92<br />
9.6 DIE PLASTISCHEN EIGENSCHAFTEN FEINKÖRNIGER BÖDEN 92<br />
9.6.1 ZUSTANDSGRENZEN NACH ATTERBERG 92<br />
9.6.2 ABGELEITETE KENNZAHLEN 93<br />
9.7 BESTIMMUNG VON BODENBEIMENGUNGEN 96<br />
9.7.1 GLÜHVERLUST 96<br />
9.7.2 KALKGEHALT 96<br />
9.8 SCHLUßBEMERKUNG 96<br />
9.9 LITERATURHINWEISE 97<br />
10 DRUCK- UND ZEITSETZUNGSVERHALTEN DES BODENS 98<br />
10.1 ALLGEMEINES 98<br />
10.2 DER EINDIMENSIONALE KOMPRESSIONSVERSUCH 98<br />
10.2.1 DEFINITION 98<br />
10.2.2 KOMPRESSIONSAPPARAT 98<br />
10.2.3 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG 99<br />
10.2.4 VERSUCHSAUSWERTUNG 101<br />
10.2.5 ENTLASTUNG UND WIEDERBELASTUNG 103<br />
10.2.6 ÜBERTRAGUNG DER VERSUCHSERGEBNISSE 105<br />
10.2.7 MÖGLICHE VERSUCHSFEHLER 105<br />
10.2.8 ERFAHRUNGSWERTE FÜR DEN STEIFEMODUL ES 106<br />
10.3 DAS ZEITSETZUNGSVERHALTEN 106<br />
10.3.1 DAS EINKAMMERSYSTEM 107<br />
10.3.2 DAS MEHRKAMMERSYSTEM 108<br />
10.3.3 ANALOGIE ZUM VERHALTEN EINES WASSERGESÄTTIGTEN, BINDIGEN BODENS 109<br />
10.3.4 DAS ZWEITE MODELLGESETZ DER BODENMECHANIK 111<br />
III
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
10.4 SCHLUßBEMERKUNG 112<br />
10.5 LITERATUR 112<br />
11 DIE SCHERFESTIGKEIT DES BODENS 114<br />
11.1 ALLGEMEINES 114<br />
11.2 DAS RAHMENSCHERGERÄT 115<br />
11.3 DAS SCHERGESETZ FÜR NICHTBINDIGEN BODEN 116<br />
11.3.1 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG BEI ROLLIGEM BODEN 116<br />
11.3.2 DAS SCHERWEGDIAGRAMM DES ROLLIGEN BODENS 116<br />
11.3.3 DAS SCHERGESETZ 117<br />
11.3.4 SCHEINBARE KOHÄSION BEI SAND 118<br />
11.4 SCHERGESETZ BEI BINDIGEM BODEN 118<br />
11.4.1 VORBEMERKUNG 118<br />
11.4.2 DIE KOHÄSION 118<br />
11.4.3 DER NORMALKONSOLIDIERTE VERSUCH 120<br />
11.4.4 DER ÜBERKONSOLIDIERTE SCHERVERSUCH 121<br />
11.4.5 SCHERWEGDIAGRAMM BINDIGER BÖDEN 123<br />
11.5 EINSATZBEREICH DES RAHMENSCHERGERÄTES 123<br />
11.6 ERFAHRUNGSWERTE FÜR DIE SCHERFESTIGKEIT 123<br />
11.7 LITERATUR 125<br />
12 DREIAXIALE VERSUCHSTECHNIK 126<br />
12.1 ALLGEMEINES 126<br />
12.2 DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS 126<br />
12.2.1 HERLEITUNG DER GLEICHUNGEN 126<br />
12.2.2 GRAPHISCHE LÖSUNG MIT HILFE DES MOHRSCHEN KREISES 127<br />
12.2.3 DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS UND DAS SCHERGESETZ 129<br />
12.2.4 DIE MOHR-COULOMBSCHE FLIEßBEDINGUNG 131<br />
12.3 AUSWIRKUNG DES KONSOLIDIERUNGSVERHALTENS EINES BINDIGEN BODENS<br />
AUF SEINE SCHERFESTIGKEIT 134<br />
12.4 BEISPIEL FÜR DIE ANWENDUNG DES ϕ U = 0, C U-FALLES 136<br />
12.5 DER DREIAXIALVERSUCH 137<br />
12.5.1 VERSUCHSGERÄT 137<br />
12.5.2 VERSUCHSPHASEN 139<br />
12.5.3 VERSUCHSTYPEN 139<br />
12.6 SCHLUßBEMERKUNG 142<br />
12.7 LITERATUR 142<br />
DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS BEI VORGABE EINES (EBENEN)<br />
NEBENSPANNUNGSZUSTANDES 143<br />
IV
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
1 Geologie als Naturwissenschaft<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die Geologie als anwendungsbezogene Naturwissenschaft hat die Aufgabe, naturwissenschaftlich begründet<br />
die Geschichte der Erde und des Lebens auf der Erde zu beschreiben und zu erklären. Man unterscheidet dabei<br />
übergeordnet:<br />
− Allgemeine Geologie = Lehre vom Stoffbestand und Bauplan der Erde<br />
Vorgänge der Veränderungen<br />
− Historische Geologie = Lehre von der Geschichte der Erde anhand der Gesteine als Zeugnis des vor<br />
zeitlichen Geschehens.<br />
Für den Bauingenieur sind daraus besonders die Bereiche der Angewandten Geologie von Bedeutung:<br />
− Geophysik (Erdbeben, geophysikalische Erkundung)<br />
− Ingenieur<strong>geologie</strong><br />
− Hydro<strong>geologie</strong><br />
− Lagerstättenkunde.<br />
In der Ingenieur<strong>geologie</strong> berühren sich die Disziplinen Geologie und Geotechnik unmittelbar, was auch der<br />
Grund für die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Bauingenieuren und Geologen<br />
bei großen Ingenieurbauwerken ist, z. B. bei Talsperren, Tunneln, Felsböschungen etc.<br />
Abb. 1.1: Geologie - Spezialdisziplinen [3]<br />
1
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Nicht ausreichend berücksichtigte geologische Verhältnisse können möglicherweise verheerende Schäden<br />
nach sich ziehen, z. B. bei der Malpasset - Staumauer oder dem Vajont - Stausee (s. Abb. 2).<br />
Abb. 1.2: Vajont-Stausee: Felsgleitmasse und Gleitfläche [2]<br />
1 Malm, dünnbankige Kalkstein-Mergel-Tonsteinfolge<br />
2,3 Kreide, dickbankige Kalksteine (2) und Mergelkalkstein (3)<br />
4 Gleitfläche<br />
5 Oberfläche nach Felsgleitung<br />
6 Ursprüngliche Morphologie<br />
2
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
2 Die Erde<br />
2.1 Entstehung<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die Erde entstand im Zuge unseres Sonnensystems aus einer sich zusammenziehenden Wolke aus interstellarem<br />
Gas. Im Zentrum der Wolke stiegen Temperatur und Druck so an, daß die Atomkerne zusammengepreßt<br />
wurden, so daß es zu einer Kernfusion kam. Dadurch gab es eine nach außen gerichtete Kraft, die<br />
die Schwerkraft ausglich, so daß die Kontraktion zum Stillstand kam - die Sonne als Stern war geboren.<br />
Auf einer Scheibe rings um die Sonne sammelten sich Trümmer, deren Zentrifugalkräfte der Sonnenschwerkraft<br />
entgegenwirkten, so daß sie sich auf einer Umlaufbahn bewegten. Daraus entstanden die Planeten. Nah<br />
an der Sonne ist die Temperatur für Wasser und Methan zu hoch, als daß sich feste Brocken hätten bilden<br />
können. Dagegen konnten Materialien mit hohem Schmelzpunkt wie Eisen und Silizium hier in festem Zustand<br />
verharren. Die anwachsenden Körper saugten wiederum selbst Materie auf, mehr oder weniger zufällig<br />
- „Reich wird reicher und schluckt die Armen“ ist also sozusagen ein altes Naturgesetz.<br />
Die Erde entstand dabei in ca. 1496 Mill. km Entfernung von der Sonne. Die inneren, näher zur Sonne rotierenden<br />
Planeten sind klein und felsig, die äußeren dagegen groß und gasförmig (Methan, Ammoniak). Man<br />
unterscheidet dabei terristrische Planeten (erdähnlich) von sog. iuvianischen Planeten (jupiterähnlich).<br />
Durch den weiteren Meteoritenregen hat sich die Erde erwärmt, ebenso durch den Zerfall radioaktiver Kerne.<br />
Der Unterschied der Planeten entstand durch die Phase der Abkühlung, nachdem der Großteil der Materie<br />
aufgesaugt war. Die Erde konnte in dieser Phase weniger Wärme abstrahlen als z. B. Merkur, der im Ver-<br />
gleich zum Volumen eine größere Oberfläche aufweist (∅ Erde ∼ 13000 km, ∅ Merkur ∼ 5000 km). Dies<br />
weiß man aus Analogieschluß vom Mond, der bis ca. 160 km Tiefe geschmolzen war (APOLLO-<br />
Missionen); zunächst stieg in den kleineren Planeten wie beim Mond die Temperatur an der Oberfläche,<br />
wurde dann an das Weltall abgegeben und es bildete sich durch Abkühlung an der Oberfläche eine durchgehende<br />
LITHOSPHÄRISCHE PLATTE.<br />
Die Erde hat dagegen zunächst Energie aufgenommen und ist durchgeschmolzen (vor ca. 4,5 Milliarden Jahren).<br />
Dabei sind in der Schmelze schwere Mineralien abgesunken (eisenhaltig), leichte Mineralien aufge-<br />
stiegen (Silizium, Magnesium) - ähnlich wie in einer Öl-Wasser-Emulsion, d. h. es entstand eine Differenzierung.<br />
3
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Auch Mars und Venus sind durchgeschmolzen, jedoch anschließend - wie der viel kleinere Mond - oberflächlich<br />
abgekühlt, so daß darauf eine lithosphärische Platte als einhüllende Schale entstand.<br />
Die Erde - als größter terrestrischer Planet - konnte nicht genügend Wärme abstrahlen als daß sich eine<br />
durchgehende lithosphärische Schale hätte bilden können. Zusätzlich entstand in der Schmelze durch Konvektion,<br />
d.h. durch Bewegung der Flüssigkeit und Blasenbildung ein Kreislauf mit Aufsteigen und anschließendem<br />
Absinken nach Abkühlung. Deshalb ist die Oberfläche nie ganz erstarrt, so daß eine bis heute anhal-<br />
tende tektonische Aktivität der Platten die Folge war.<br />
Der Unterschied zwischen den verschiedenen Planeten und damit die Möglichkeit der Entwicklung von Leben<br />
auf der Erde ist demnach göttliche Vorsehung oder Zufall, denn der Erddurchmesser als Maß für die<br />
Wärmeabstrahlfähigkeit ist nur 5 % größer als Venus, die Erdmasse nur 15 % größer als bei der Venus.<br />
2.2 Das Alter der Erde<br />
Im 17. Jahrhundert hat ein englischer Bischof aus der Addition der Lebensalter der biblischen Geschlechter<br />
errechnet, die Erde sei Dienstag, den 26. Oktober 4004 vor Christi um 9.00 Uhr morgens erschaffen worden.<br />
Mit der Entwicklung der technischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden iost das Alter<br />
der Erde immer weiter zurückdatiert worden, analog zu dem Postulat, daß die Erde so alt sein muß wie das<br />
älteste Gestein auf ihrer Oberfläche. Die Entwicklung der Kenntnisse ist aus der nacshfolgenden Zusammenstellung<br />
abzulesen:<br />
• 1,46 Mrd. Jahre mit Uran-Blei-Datierung<br />
• 3,1 Mrd. Jahre (Zirkon aus USA)<br />
• 4,6 Mrd. Jahre (Gestein aus Grönland).<br />
Das Durchschmelzen der Erde hat alle geologischen Uhren auf 0 gestellt, so daß erst danach wieder Gestein<br />
durch Erstarrung von Schmelze entstanden sein kann. Auch Meteoriten vom Mond sind auf ca. 4,6 Mrd.<br />
Jahre Alter datiert worden.<br />
4
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
2.3 Aufbau der Erde<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Die Erde hat einen Radius von ca. 6300 km und besteht<br />
aus mehr oder weniger konzentrischen Kugelschalen unterschiedlicher<br />
Dichte. Dabei unterscheidet man von innen<br />
nach außen:<br />
• Erdkern - fester innerer Kern,<br />
flüssiger außerer Kern,<br />
d = 3470 km<br />
• äußerer Erdmantel - leichter als Kern, flüssig,<br />
d = 2900 km<br />
• Erdkruste - feste äußere Schale =<br />
Lithosphäre, d = 35 km<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 2.1: Schnitt durch die Erdkugel [3]<br />
Die Dichteverteilung innerhalb der Erde nimmt von außen<br />
nach innen erheblich zu, beginnend in der sogenannten SiAl-Zonae (vorwiegend aus Silizium und Aluminium<br />
bestehend, meist Granodiorite als Gestein) mit 2,7 g/cm 3 über die sog.SiMa-Zone (vorwiegend Silizium<br />
und Magnesium, meist als Gabbro-Gestein) mit 3,0 g/cm 3 bis hin zur sog. NiFe-Zone im Erdkern (aus Nickel<br />
und Eisen) mit einer Dichte von 9 – 13 g/cm 3 (siehe Abb. 2.1).<br />
Die mit geologischen Methoden beschreibbare Zone ist nur die Erdkruste, d. h. die obersten 35 km. Selbst<br />
darin haben die tiefsten bisher ausgeführten Bohrungen (KTB – kontinentale Tiefbohrung bei Windisch-<br />
Eschenbach in Bayern sowie russische Bohrvorhaben) nur max. 10 – 12 km Tiefe erreicht. Die Vorstellung<br />
über den Erdmantel und Erdkern resultiert daher nur aus geophysikalischen Untersuchungsverfahren.<br />
5
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 2.2: Schematischer Schnitt durch die Erdemit Einteilung in Zonen [2]<br />
6
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
3 Kreislauf der geologischen Stoffe<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Auf der Erdkruste treffen zwei Energie- bzw. Stoffströme aufeinander und wirken auf die Oberfläche ein.<br />
Beide bestimmen gemeinsam die Landschaftsgestaltung und stehen miteinander in unmittelbarer Wechselwirkung,<br />
nämlich die exogene und die endogene Dynamik. Daraus resultiert ein Kreislauf der geologischen<br />
Stoffe, in dem Gesteine entstehen und wieder eingeschmolzen werden.<br />
3.1 Exogene Dynamik (Sedimentbildung)<br />
Hierzu gehören alle Prozesse der Verwitterung von Gestein an bzw. in der Nähe der Erdoberfläche, aber<br />
auch Erosion, Transport, Sedimentation und Diagenese; alle üblicherweise als Boden bezeichneten Lockergesteine<br />
entstehen zunächst durch Verwitterung von Festgestein (Abb. 3.1).<br />
Abb. 3.1: Entstehung des Bodens durch Verwitterung des im Untergrund anstehenden Gesteins [1]<br />
• Verwitterung: Veränderung von Gestein im Kontakt mit der Hydrosphäre und der<br />
Atmosphäre<br />
• Ablauf der Verwitterung: durch physikalische und chemische Prozesse werden für die<br />
mineralischen Bestandteile neue Gleichgewichtszustände erreicht.<br />
7
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Zunächst entstehen durch die Verwitterung von Gestein Blöcke und Schutt mit größerer Oberfläche, die den<br />
Atmosphärilien den Verwitterungsangriff erleichtern. Man unterscheidet dabei:<br />
• Physikalische Verwitterung = mechanische Zerkleinerung<br />
• Chemische Verwitterung = Lösung von Gesteinsteilen im Wasser, das keineswegs rein ist,<br />
sondern Lösemittel enthalten kann.<br />
3.1.1 Physikalische Verwitterung<br />
Zur physikalischen Verwitterung sind die Einwirkungen Temperatur, Frost, Salzkristallwachstum und (physikalisch-biologisch)<br />
der Wachstumsdruck von Pflanzenwurzeln zu rechnen.<br />
* Temperaturverwitterung : durch Anisotropie der thermischen Ausdehnungskoeffizienten in den<br />
Mineralkörnern in verschiedenen Achsrichtungen (Ausdehnungskoeffizienten<br />
8 - 35 . 10 -6 /K)<br />
die durch den Temperaturgradienten besonnte Erdoberfläche dehnt sich<br />
ca. 1,5-2,5fach stärker als die Luft (tägliche Einwirktiefe: < 0,5 m, jährliche<br />
Einwirktiefe: < 20 m).<br />
Die zugehörigen zyklischen Volumenschwankungen können bei Überschreiten<br />
der Zugfestigkeit zu Zugrissen im Gestein führen und lockern<br />
das Gestein allmählich auf<br />
* Frostverwitterung: Wasser dehnt sich beim Phasenübergang flüssig/Eis um ca. 9 % seines<br />
Volumens aus. Die Sprengkraft aus dieser Volumenszunahme in Hohlräumen<br />
beträgt bis zu pmax = 210 MN/m 2 bei ca. -22 o C; aber durch allseitige<br />
Drucksteigerung wird auch der Gefrierpunkt abgesenkt. Auch Kapillarspannungen<br />
= Grenzflächenkräfte zwischen Wasser und Kornoberfläche<br />
senken den Gefrierpunkt, z.B. bei feinkörnigem Ton auf –3 bis –5°<br />
C.<br />
Auf angelegten Schwächezonen (Klüfte, Schichtungen, Risse durch<br />
Temperaturschwankungen) des Gesteins konzentriert sich der Frost-<br />
8
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
angriff, da hier das Porenvolumen größer und die Wasserfüllung stärker<br />
sind als in dichtem Gestein.<br />
Häufiges Gefrieren und Tauen im Gefolge der Temperaturschwankungen<br />
lockern den Verband des Gesteins. Die Frost-Eindringtiefe beträgt in<br />
Deutschland ca. 0,5 - 0,7 m, im arktischen Sibirien 6 - 7 m.<br />
* Salzverwitterung: Kristallisierende Salze, die bei Verdunstung von salzhaltigem Wasser in<br />
aridem (trockenem) Klima in Spalten des Gesteins anwachsen, erzeugen<br />
einen Kristallisationsdruck. Bei erneuter Durchfeuchtung werden manche<br />
Salze durch Wasseraufnahme zu Hydraten. Durch die Kristallisation<br />
können Spannungen von 10 - 100 kN/m 2 entstehen. Häufiger Wechsel im<br />
Klima „feucht - trocken“ lockert entsprechend wie Frost das Gefüge von<br />
Gestein.<br />
* Physikalisch-Biologische<br />
Verwitterung: In der Vegetationszone kann durch den Wachstumsdruck der Pflanzenwurzeln<br />
(> 1 MN/m 2 ) ebenfalls eine erhebliche Lockerung des Gesteinsverbandes<br />
auftreten.<br />
3.1.2 Chemische Verwitterung<br />
Tiere lockern dagegen den Boden in der Regel nur auf und brechen damit<br />
der weiteren Verwitterung durch Frost und Temperatur Bahn.<br />
Im Gegensatz zur physikalischen Verwitterung wird durch chemische Verwitterung eine völlige Auflösung<br />
oder Umsetzung der Mineralsubstanzen von Gesteinen mit Hilfe von Lösungsmitteln bewirkt. Als Lösungsmittel<br />
kommen vor allem Oberflächen- und Grundwasser einschl. darin enthaltener Stoffe, z. B. Kohlensäure,<br />
Salze, Natriumchlorid, Ammoniumchlorid, Huminsäuren, schwefeliger Säure vor.<br />
* Lösungsverwitterung: Direkte Lösung von bestimmten Mineralien durch Wasser, z.B. bei Salzen<br />
wie Karbonat oder Gips<br />
1 l Wasser löst bei 20° C z.B.: 360 g NaCl<br />
2,5 g Gips (CaSO4 2H2O)<br />
0,014 g Kalkspat CaCO3<br />
9
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Der Verlauf und das Ergebnis der Lösungsverwitterung hängt ab von:<br />
− klimatischen Bedingungen (Temperatur, Feuchte)<br />
− Ausgangsgestein (Mineralbestand)<br />
− Zeit<br />
− Relief (Tiefenreichweite, > 100 m).<br />
Nur wenige Minierale widerstehen der Lösungsverwitterung: z.B.<br />
Quarz (SiO2). Die gelösten Minerale werden weggeschwemmt, fallen<br />
wieder aus oder bilden neue unlösliche Verbindungen.<br />
* Kohlensäureverwitterung: Regenwasser enthält mehr oder weniger gelöstes Kohlenstoffdioxid<br />
CO2 (z.B. als „saurer“ Regen), besonders in der Bodenluft der nicht<br />
wassergesättigten Bodenzone ist die Konzentration an CO2 ca. 100<br />
mal höher als in der Außenluft. Auch die Verwesung organischer<br />
Substanz setzt CO2 frei; andererseits verbrauchen Pflanzen in der belebten<br />
Bodenzone durch Assimilation wiederum CO2. Die im Wasser<br />
gelöste Kohlensäure dissoziiert in Ionen:<br />
CO2 + H2O ⇒ H2CO3 ⇒ H + + HCO3 - ⇒ 2H ++ + CO3 --<br />
Reines Wasser löst z.B. nur wenig Kalkspat/Calzit CaCO3 (0,014 g/l),<br />
aber bei CO2-haltigem Wasser bildet sich Calziumbikarbonat (dissoziiertes<br />
Ca-Hydrogenkarbonat). Dieses ist sehr viel stärker löslich, abhängig<br />
vom CO2-Druck, so daß die Löslichkeit erheblich zunimmt:<br />
CaCO3 + H + + HCO3 - → Ca ++ + 2 HCO3 -- .<br />
Da in warmem Wasser weniger CO2 gelöst wird als in kaltem (analog<br />
auch bei sinkendem Druck weniger CO2), löst kühles Grundwasser<br />
erhebliche Mengen an Kalkspat, während bei Erwärmung bzw. bei<br />
Entspannung = Druckabfall die Kohlensäure-Konzentration absinkt<br />
und daher Kalkspat bzw. Aragonit wieder ausfällt (z.B. erkennbar an<br />
der Kesselsteinbildung in Kochtöpfen bei kalkhaltigem Wasser. ).<br />
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Auch Dolomit [(CaMg) CO3] wird durch kohlensäurehaltiges Wasser<br />
gut gelöst und fällt bei Erwärmung als mehliger Rückstand von Dolomitkriställchen<br />
aus.<br />
Abb. 3.2 Löslichkeit von Kalkspat/Calciumkarbonat in Wasser [1]<br />
* Rauchgasverwitterung = industriell bedingte verstärkte Verwitterung durch anthropogen erhöhte<br />
Konzentration CO2 und SO2, die durch Verbrennung von Kohle<br />
und Erdöl in der Luft entstehen. Der Kohlensäure bzw. Schweflige<br />
Säure enthaltende Regen löst direkt Kalkstein oder kalkig gebundenen<br />
Sandstein. Er dringt jedoch auch in nicht lösliches Gestein ein, dort<br />
bilden sich Salze und führen zu physikalischer Verwitterung (z. B. am<br />
Kölner Dom).<br />
* Oxidationsverwitterung Eisenhaltige Mineralien werden durch in Wasser gelösten Luftsauerstoff<br />
oxidiert; betroffen sind im wesentlichen Fe-Oxide, Fe-Sulfide,<br />
z.B. Pyrit (FeS2), das in den Nebengesteinen des Steinkohlenbergbaus<br />
im Rheinischen Schiefergebirge vorkommt und durch seine Verwitterung<br />
diese „Waschberge“ sehr sauer macht:<br />
2 FeS2 + 7 O2 + H2O → Fe2(SO4)3 + H2SO4 ,<br />
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Bei der Oxydationsverwitterung von eisenhaltigen Mineralien wird<br />
häufig zweiwertiges Eisen zu dreiwertigem Eisen oxidiert. Daraus<br />
entsteht ein Mineral namens GOETHIT (α FeOOH + H2O), das häu-<br />
fig darunter liegende Erzlagerstätten anzeigt.<br />
Brauneisenstein: Fe2O3 . H2O gelblich - rötlicher Farbumschlag<br />
Roteisenstein: Fe2O3 als Merkmal für den Beginn der<br />
chemischen Verwitterung.<br />
* Hydrolytische Verwitterung Silikate, d. h. die Salze der Kieselsäure werden vollständig gelöst und<br />
dann nicht - wie Carbonate und Salze - wieder ausgeschieden. In Wasser<br />
sind Silikate praktisch unlöslich.<br />
Kieselsäure/Alumo(Tonerde)-Kieselsäuren bilden Salze mit Alkalibzw.<br />
Erdalkali-Kationen: K, Na, Ca, Mg, Fl. Diese Salze setzen unter<br />
Druck-Temperatur-Beanspruchung bei Hydrolyse Molekül-Teile frei<br />
und finden neue stabile Verbindungen, so z.B.:<br />
4 K Al Si3O8 (Kalifeldspat = Orthoklas) + 4 H2O →<br />
Al4 (OH)8 Si4O10 (Kaolinit) + 2 K2O + 8 SiO2 (Quarz).<br />
Der Verwitterungsrückstand sind überwiegend Tonmineralien, d.h.<br />
Aluminiumhydrosilikate und Aluminiumhydrate. Alkalisalze K2O und<br />
Quarz werden fortgeführt (amorphe Gele), man spricht von Entkiese-<br />
lung<br />
oder z.B. Hydrolyse mit CO2-haltigem Wasser:<br />
2 K Al Si3O8 + 2 H2CO3 + H2O →<br />
Al2 OH4 Si2O5 (Kalolinit) + 4 SiO2 (Gel) + 2 K HCO3 (löslich).<br />
* Chem.-Biol. Verwitterung Mikro-Organismen, z.B. Bakterien und niedere Pilze, die auf Fels<br />
wachsen, scheiden Wasserstoff-Ionen H + aus. Das abgestorbene Ge-<br />
webe wird durch andere Kleinlebewesen im Boden in dunklen Hu-<br />
mus umgewandelt , d.h. hochmolekulare zyklische Huminsäuren.<br />
Diese leiten dann wieder eine chemische Verwitterung ein.<br />
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3.1.3 Auswirkungen<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
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Bodenmechanik 1<br />
Bodenkunde<br />
in Land- und Forstwirtschaft, betrachtet die Verwitterungszone als Kulturboden, d.h. als Nutzpflanzenstandort<br />
(kolloidale Anteile Ton + Humus).<br />
Bodenmechanik<br />
betrachtet das mechanische Verhalten der Verwitterungszone als Lockergestein.<br />
Technische Gesteinskunde<br />
betrachtet die Wetterbeständigkeit und Festigkeit von Gestein als Baustoff, die Werkstoffprüfung erfolgt<br />
z.T. unter künstlichen Verwitterungsbedingungen.<br />
3.1.4 Erosion, Transport, Sedimentation<br />
Die Verwitterungsprodukte werden am Ort ihrer Entstehung von verschiednenen Transportmedien abgetragen<br />
(erodiert) und wegtransportiert. Als Transportmedien kommen neben der Schwerkraft dazu in Frage:<br />
• aquatisch, d.h. durch Wasser - Erosion, Abrasion, Subrosion<br />
• glazial, d.h. durch Eis - Exaration<br />
• äolisch, d.h. durch Wind - Deflation<br />
Je nach der örtlich wirksamen Klimazone - nivale Zone (nivalis = Schnee, lat.), periglaziale Zone, humide<br />
Zone, aride Zone (aridus = trocken, lat.) - herrscht das eine oder andere Transportmedium vor, wobei sich<br />
die Klimabedingungen in geologischen Zeiträumen erheblich ändern können und geändert haben.<br />
Die Bewegung der Transportmedien wird durch die Sonne exogen gesteuert (d.h. durch Energiezufuhr), indem<br />
die kurzwelligen Lichtstrahlen am Boden in langwelligere Wärmestrahlen umgesetzt werden und die<br />
Luft erwärmen. Dadurch steigt (heutzutage) die Luft am Äquator auf und strömt zu den Polen hin ab. Dabei<br />
wird Wasserdampf mitgerissen, der beim Kondensieren wieder Niederschlag liefert. Die Meeresflächen verdunsten<br />
mehr Wasser als das umgebende Land, daher müssen zum Potentialausgleich pro Jahr ca. 27000<br />
km 3 Wasser vom Land in die Ozeane fließen, damit der Kreislauf geschlossen wird. Das Potential dieses<br />
Wassers steht für eine gewaltige geologische Arbeitsleistung zur Verfügung. Genauso werden durch die<br />
Sonneneinwirkung von außen her auch die Winde und die Bewegung der Gletscher gesteuert.<br />
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Transportmedium Wasser<br />
Der Transport des verwitterten Materials im Wasser erfolgt entweder in Lösung (bei chemischer Verwitterung)<br />
oder als Suspension (Schwebstoff-Fracht) mit diskreten Teilchen; beim Mitschleppen von größeren<br />
Teilchen spricht man von Geröllfracht bzw. Geschiebe. Bei ausreichender Fließgeschwindigkleit ist das<br />
Wasser in der Lage, Feststoffteile mitzureißen (s. Abb. 3.3).<br />
Abb. 3.3: Transport und Sedimentation durch Wasser, Wechselwirkung zwischen der Fließgeschwindigkeit<br />
und der Korngröße<br />
Geröllfracht - durch Schub des strömenden Wassers im Flußbett, Steine werden gerundet;<br />
je nach Härte des Gesteins benötigt die Rundung der Kiesel einen Transportweg<br />
von ca. 1 - 5 km für rel. weiche Ausgangsgesteine wie Kalkstein, Sandstein<br />
dagegen 10 - 20 km für härtere Ausgangsgesteine wie Quarzit oder Granit;<br />
eine Halbierung der Korngröße erfolgt nach 10 - 50 km Kalk, Sandstein<br />
100 - 300 km Quarzit, Granit;<br />
mit der Zerkleinerung ist eine Auslese des Härtesten verbunden (Gold, Diamant).<br />
Schwebfracht - feine Schwebstoffe werden durch Turbulenz in ganzem Wasser verteilt;<br />
Bergflüsse führen in der Regel mehr Geröll: z.B. der Inn: Schweb/Geröll = 2/1<br />
Flachlandströme führen mehr Schwebfracht: Wolga: Schweb/Geröll = 500/1.<br />
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Lösungsfracht Im Wasser gelöste Mineralien treten überwiegend im Sickerwasseranteil von Bächen und<br />
Flüssen auf, d.h sind im Quellwasser vorhanden und werden weiter flußabwärts verdünnt;<br />
ihre Konzentration ist nicht von der Fließgeschwindigkeit abhängig.<br />
z. B. im Neckar Schwebfracht mg/l Lösungsfracht mg/l<br />
HW Frühjahr 380 760<br />
NW Herbst 20 690<br />
Akkumulation Bei Abnahme des Bach- bzw. Flußgefälles läßt die Fließgeschwindigkeit und damit die<br />
Schleppkraft des Wassers nach (s. Abb. 3.3), so daß fluviatile Sedimentablagerungen<br />
entstehen, zunächst die Geröllfracht (Terrassenschotter, Kies, Sand), bei weiterer Geschwindigkeitsabnahme<br />
auch die viel feinkörnigere Schwebfracht (Schluff, Ton, Schlick,<br />
Auelehm); dabei wird das mitgeführte Material nach der Korngröße sortiert und klassiert.<br />
In einem Flußdelta kann es dabei durch wechselnde Fließrichtungen und Fließgeschwindigkeiten<br />
eines Flusses zu ausgeprägten Schrägschichtungen kommen (s. Abb. 3.4). Auf<br />
diese Weise werden mit entsprechender Zeit die Geosynklinalen (d.h. tiefer gelegene<br />
Teile der Erdoberfläche, z.B. Becken) mit Sedimenten aufgefüllt.<br />
Abb. 3.4: Schrägschichtung und Kreuzschichtung in der Sedimentfolge eines Flußdeltas [1]<br />
Abrasion Bezeichnung für den Abtrag von Gestein durch Meeresbrandung an der Küste bzw. Litoralregion<br />
(lat. litus = Ufer); Gesteinsblöcke werden durch die Brandung gegen die Uferwand<br />
geworfen; dadurch entstehen Brandungshohlkehlen, deren lichte Höhe vom örtlichen<br />
Tidehub abhängt. Bei genügend tiefer Unterhöhlung brechen die überhängende<br />
Schichten nach (z.B. Helgoland oder Rügen, ähnlich im Lockergestein von Sylt). Die feineren<br />
Teilchen werden als Schwebstoff vom Meer hinausgetragen, die groben bleiben<br />
auf der Brandungsterrasse, werden aber nach der Größe sortiert.<br />
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Die dadurch hervorgerufene Verschiebung der Küste ins Binnenland nennt man<br />
Transgression des Meeres.<br />
Transportmedium Eis<br />
In den nivalen (kalt, schneereich) Klimazonen erfolgt der Transport von verwittertem Material überwiegend<br />
durch Exaration (exarare = lat. auspflügen) infolge von Gletschereis-Bewegungen. Gletscher entstehen<br />
durch „Verfirnung“ von Schnee unter Druck des Eigengewichtes. Durch die Verdichtung infolge Eigengewicht<br />
entstehen dichter gepackte Kristallkörner, die im Gletscher jahreszeitlich geschichtet abgelagert sind.<br />
Mit zunehmender Tiefe wird innerhalb eines Gletschers aus dem weißen lufthaltigen Eis tiefblaues, nahezu<br />
luftfreies Eis. Bei ausreichend hohem Druck infolge Eigengewichts beginnt an der Sohle eines Gletschers<br />
das Eis plastisch zu fließen (z.B. Eispanzer über Grönland heute d > 3 km), weil der Schmelzpunkt von<br />
Wasser infolge Drucks um ca. 0,007K/100 kN/m 2 absinkt. Infolge Gravitation beginnt der Gletscher auf dieser<br />
plastischen Zone talwärts zu fließen.<br />
Der dabei ablaufende Vorgang der Exaration durch Abfrieren von Gestein aus der Talsohle durch ausgepreßtes<br />
Schmelzwasser und durch Ausschleifen eines Talgrundes führt zur glazialen Überformung der<br />
Landschaft, d.h. V-förmige Täler werden zu U-förmigen Tälern umgeformt.<br />
Abb. 3.5: Prinzipschnitt durch einen Gletscher [1]<br />
Schuttfracht: Grundmoräne, am Gletscherfuß zusammengeschoben und transportiert; unsortiert<br />
Seitenmoränen, Zufuhr von Schutt von oben auf den Gletscher, z.B. durch Lawinen etc.;<br />
beim Schmelzen sinkt die mitgeführte Moräne als ungeschichteter Geschiebemergel zusammen;<br />
bei Stillstand = Gleichgewicht zwischen Nachschub und Abschmelzen bauen sich an der<br />
Gletscherzunge Endmoränen auf;<br />
vor dem Gletscher sortieren die Schmelzwässer das mitgeführten Material in Sandern,<br />
ähnlich wie in den Schüttfächern von Bächen/Flüssen.<br />
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In periglazialen Gebieten und im Permafrostgebiet erfolgt durch das Auffrieren in Eislinsen und Wiederauftauen<br />
ein hangparalleles Erdfließen, das man als Solifluktion bezeichnet. Auch durch diesen Frost-Tau-<br />
Wechselprozeß kann Schutt/Boden hangabwärts transportiert werden.<br />
Transportmedium Wind<br />
Bei großflächigen Vereisungen können herabwehende Fallwinde Gesteinstaub von der Gletscheroberfläche<br />
mit sich führen (Gletschertrübe) , jedoch auch vor der Gletscherzunge aus Sandern und Solifuktionsgebieten<br />
die feineren Körner herausreißen und fortwehen. Dieser Staub wird vor dem Eisrand durch Steppenpflanzen<br />
aufgefangen oder fällt in Lee hinter dem nächsten Hügelkamm durch Nachlassen der Windgeschwindigkeit<br />
wieder aus und bildet dann mehr oder weniger mächtige Löß-Ablagerungen als äolische Sedimente. Diese<br />
betragen in:<br />
• Deutschland 1 - 3 m (z.B. im Raum Heiligenhaus/Solingen vor der südlichen Vereisungsgrenze der<br />
nordeuropäischen Vereisung)<br />
• Rußland 15 m<br />
• China > 100 m.<br />
In ariden Gebieten (pflanzenarme Wüsten) mit einer Schuttdecke aus Temperaturverwitterung ist der Wind<br />
in der Lage, durch Deflation Feinbestandteile aus der Oberfläche zu lösen und damit in Form von<br />
Sandstürmen eine Korrasion = schleifende Wirkung von sandbeladenem Wind zu erzeugen (Monument Valley<br />
in USA). In Sandwüsten wird der Sand als DÜNE bewegt und wandert bis mehrere m/Monat leewärts.<br />
Bei jahreszeitlich wechselnden Winden können solche Dünen auch ortsfest bleiben.<br />
Ablagerung = Sedimentation<br />
Nach dem Ort und der Art der Ablagerung des mehr oder weniger sortierten Verwitterungsmaterials am Ende<br />
des Transportweges werden die Sedimente wie folgt unterschieden:<br />
Ort der Ablagerung Art der Ablagerung<br />
terrestrisch klastische Sedimente<br />
marin (im Meer) chemische Sedimente<br />
fluviatil (in Bächen oder Flüssen) organogene Sedimente<br />
limnisch (in Binnenseen)<br />
Schließlich unterschiedet man noch die klastischen Sedimente nach ihrer Korngöße in psephitische (griech.<br />
ψεϕos -Kiesel), psammitische (ψαµµos - Sand) und pelitische (πελos - Schlamm) Sedimente.<br />
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3.1.5 Diagenese<br />
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Mit Diagenese bezeichnet man die Verfestigung von als Lockergestein abgelagerten Sedimenten vom Zeitpunkt<br />
ihrer jeweiligen Ablagerung an. Dabei bleibt der Gefüge-, Stoff- und Mineralbestand des sedimentierten<br />
Materials im wesentlichen unverändert. Je nach stofflicher Zusammensetzung der Sedimente unterscheidet<br />
man:<br />
* synsedimentäre Diagenese: gleichzeitig mit der Sedimentation eintretende Verfestigung, zB.<br />
durchprimäre Kristallisation von Salzen oder Riffkalkzementation<br />
* postsedimentäre Diagenese: nach Abschluß der Sedimentation eintretende Verfestigung durch<br />
Druck- und Temperaturzunahme (< 300 o C), Kompaktion (vor allem<br />
bei Ton) durch steigende Überdeckung (räumliche Verdichtung),<br />
Wasseraustrieb, Umkristallisation, Kornzertrümmerung;<br />
nachträgliche Zementation (vor allem bei Sand), d.h. Verfestigung<br />
durch Ausfällung eines Bindemittels, z.B. Einkieselung durch Quarzlösung<br />
unter Druck oder durch Kalkzement als Bindemittel.<br />
3.2 Endogene Dynamik<br />
Plattentektonik, Vulkanismus und Erdbebenaktivität stehen in unmittelbarem Zusammenhang, wobei die<br />
heutige Vorstellung der Plattentektonik erst in den 60er Jahren entwickelt wurde. Die endogenen Kräfte -<br />
sichtbar an den Bewegungen der Erdkruste - sorgen immer wieder für frischen „Gebirgsnachschub“, an dem<br />
die exogenen Kräfte wieder ihre Verwitterungs- und Einebnungsarbeit verrichten können.<br />
3.2.1 Tektonik<br />
Die Tektonik beschreibt die Krustenbewegungen der Erde, auch die vorzeitlichen. Man unterscheidet dabei<br />
zwei Typen von Vorgängen:<br />
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* Epirogenese beständige, langsame und lange andauernde Hebungen bzw. Senkungen der<br />
Erdkruste (allerdings auch mitunter ruckartig konzentriert), daraus entstehen<br />
Schwellen = Geoantiklinen und Gräben = Geosynklinalen<br />
* Tektogenese (Orogenese) Gebirgsfaltung, ggf. mit plötzlichem Freiwerden von potentieller Energie in<br />
Bruchflächen, wobei die Gesteinsmassen in Ruhelage zurückschnellen → Erd-<br />
beben, Brüche und Falten.<br />
Die Plattentektonik wurde in den 60er Jahren durch Magnetfeld-Messungen auf dem Ozeanboden belegt.<br />
Vulkanische Gesteine (z.B. die SiO2-armen Basalte) enthalten Kristalle von ferromagnetischem Magnetit<br />
(Fe304), die beim Erstarren/Abkühlen das wirksame Erdmagnetfeld fixieren (unterhalb der Curietemperatur,<br />
bei der die Atome sich ausrichten, ca. 550 - 450 o C, d.h. das Gestein ist schon erstarrt, wenn es magnetisiert<br />
wird).<br />
Die Messungen am Meeresboden ergaben Gestein, das entgegengesetzt zum heutigen Magnetfeld magnetisiert<br />
war („Nordpol“ an der Antarktis); d.h. das Magnetfeld muß sich im Laufe geologischer Zeiträume geändert<br />
haben. Gemeinsam mit der Datierung des Gesteinsalters ergab sich weltweit ein einheitliches Gesamtmuster.<br />
Die einzelnen Gesteinslagen wechseln in der Magnetisierungsrichtung (Wechsel jeweils alle<br />
0,5 - 2 Mill. Jahre). Auf dem Meeresboden zeichnen sich dadurch Linien umgekehrter Magnetisierung parallel<br />
zu den vorhandenen Rückenstrukturen ab. Mit dem Gesteinsalter kann man daraus eine Umkehrzeit-<br />
Skala entwickeln, aus der auch die Driftgeschwindigkeit der Plattenränder ermittelt werden kann.<br />
Das ca. 30 km entfernt vom mittelatlantischen Rücken liegende Gestein (umgekehrt magnetisiert) war<br />
600.000 Jahre alt. Demnach dehnen sich die Ozeanischen Platten aus (s. Abb. 3.6, heute ca. 1 - 5 cm/Jahr, d.<br />
h. 2 km 2 neue Fläche/Jahr), dafür wird an den Plattenrändern älteres Plattenmaterial nach unten gedrückt<br />
(Subduktionszonen = Benioff-Zonen, in denen horizontale bzw. schräge Pressungen vorherrschen). Entsprechend<br />
gibt es 2 Typen von Rändern an den ozeanischen Platten:<br />
• Zerrungszonen nennt man „Sea floor spreading“ (z. B. im Mittelatlantischer Rücken)<br />
• Pressungszonen nennt man Benioff - Zonen (z.B. westlich von Chile ).<br />
Die Konvektion im Magma unter der Lithosphäre bewegt die Oberfläche (wie bei einem Ölfilm auf fast kochendem<br />
Wasser) und zerreißt sie in Platten, die sich auf der flüssigen Unterlage bewegen. Die Kontinente<br />
unterliegen in der Regel nicht der Unterschiebung (Subduktion, s. Abb. 3.6), daher sind sie durchweg älter<br />
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Bodenmechanik 1<br />
als die ozeanischen Platten. Eine Ausnahme ist der indische Subkontinent, der sich unter die asiatische Platte<br />
schiebt und dabei das Himalaya-Gebirge auffaltet.<br />
Abb. 3.6: Tektonik der ozeanischen Platten mit Subduktion an den kontinentalen Platten[1]<br />
Abb. 3.7: Rekonstruktion der Wanderung der Kontinente in der jüngeren Erdgeschichte[6]<br />
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In Europa sind in der erdgeschichtlich „jüngeren“ Vergangenheit (bis ca. 580 Mio Jahre vor unserer Zeit)<br />
i.w. 3 Gebirgsbildungsphasen mit unterschiedlichen Beanspruchungsrichtungen durch die Kontinentaldrift<br />
der afrikanischen Platte gegen die europäische bzw. laurasische Platte abgelaufen:<br />
• die kaledonische Faltung am Ende des Silur (vor ca. 400 - 500 Mio. Jahren)<br />
• die variskische Faltung am Ende des Paläozoikums (vor ca. 230 - 350 Mio. Jahren)<br />
• die alpidische Faltung im Jungmesozoikum/Känozoikum (Jura bis Tertiär, vor ca. 15 - 180 Mio. Jahren),<br />
die nacheinander einschließlich der folgenden Verwitterungsphasen die heutigen europäischen Landschaftsformen<br />
geprägt haben.<br />
3.2.2 Magmatismus<br />
Abb. 3.8: Tektonisch-Chronologische Gliederung von Europa [1]<br />
Besonders an den Pressungsrändern der Platten (s. Abb. 3.9) entstehen Schwächezonen mit Teilaufschmelzungen<br />
der Kruste, in denen Magmen bzw. Laven aufsteigen und dabei erkalten und erhärten können:<br />
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z.B. an den - Inselbögen an der Westküste des Pazifiks<br />
bzw. an den - aufgeschobene Kontinentränder wie Anden oder Rocky Mountains mit Vulkanismus.<br />
Abb 3.9: Gliederung der Erdkruste in lithosphärische Platten[6]<br />
Magma ist dabei die Bezeichnung für natürliche Gesteinsschmelzen, während als Lava nur freigesetztes<br />
Magma bezeichnet wird, welches durch Druckentspannung bereits entgast ist. Beim Zusammenstoß von 2<br />
kontinentalen Platten erfolgt die Subduktion nur unvollständig (Indien unter eurasische Platte), vielmehr<br />
werden dann Faltengebirge, z. B. der Himalaya, erzeugt. Man unterscheidet bei den magmatischen, d.h.<br />
durch Erkalten beim Aufstieg entstandenen Gesteinen folgende Grundtypen:<br />
• Tiefengesteine = Plutonite, in der Erdkruste erstarrtes Magma<br />
• Erstarrungsgesteine = Vulkanite, an der Erdoberfläche erstarrte Lava<br />
a) Vulkanismus<br />
Die Austrittsstellen des Magmas, das sich als Lava (1000 - 1100 o C heißer Schmelzfluß) an der Erdoberfläche<br />
ergießt, nennt man VULKANE (nach der Insel Vulcano nördlich Siziliens, im Äolischen Inselbogen,<br />
eine der liparischen Inseln). Insgesamt sind auf der Erde ca. 500 verschiedene, in geschichtlicher<br />
Zeit aktive Vulkane bekannt. Ihre Verbreitung orientiert sich ebenso wie die der Erdbeben häufig an<br />
jungen Faltengebirgen bzw. entlang größerer Brüche und der Plattenränder, dagegen kaum innerhalb von<br />
massiven Kontinentalplatten (Australien, Zentralasien, Nordamerika).<br />
Klassische berühmte Beispiele für Vulkane sind z.B.:<br />
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• Vesuv (79 n. Chr. ausgebrochen mit der berühmten Verschüttung von Pompeji und Herculaneum), s.<br />
Abb. 3.10)<br />
• Ätna auf Sizilien (Vulkangebirge mit einer Vielzahl von seitlichen Ausbruchstellen, sog. parasitären<br />
Kratern)<br />
• Stromboli nördl. von Sizilien, ständig rhythmisch tätig, kleine Eruptionen täglich<br />
• Krakatau (1883/1927) in Indonesien/Sundainseln<br />
• Santorini (Ägäis) mit einem vom Meer überfluteten Einbruchkessel = Caldera.<br />
Abb. 3.10: Übersicht des Vesuv mit halbseitig erodiertem Somma-Krater<br />
Man unterscheidet folgende Vulkantypen:<br />
Schildvulkane = reine Lavavulkane (Hawaii und Island), die gasarme und Si02-arme Laven mit<br />
niedriger Viskosität, d.h. sehr dünnflüssig, fördern<br />
(Hawaii = 18 km hoch, ∅ 400 km, Kegel mit nur 5 o Böschungsneigung gegen die<br />
Horizontale, gebildet aus 5 Schildvulkanen; davon ist z.B. der Kilauea heute noch<br />
aktiv)<br />
Schichtvulkane = Stratovulkane (z. B. Vesuv, Ätna) mit Förderung von sog. Tephra, d.h.<br />
einem Gemisch aus Lava und bereits vorher erkaltetem Tuff, solche Vulkane bilden<br />
unter ca. 30 o geböschte Kegel mit leicht konkaven Hängen.<br />
Häufig enthalten solche Vulkane Radialgänge an parasitären Kratern = seitl.<br />
Ausbrüche, dadurch kann die charakteristische Form verändert sein.<br />
Gasvulkane = Lockerstoffvulkane, fördern überwiegend mit Lockerstoffen beladene Gase,<br />
meist Nebengesteinstrümmer!<br />
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Die Baukörper dieser Vulkane heißen MAARE, d.h. ringförmige Wälle, die sich<br />
nach unten zu einem engem Spalt verengen (tektonische Kluft in der Kruste, die<br />
sozusagen von unten aufgeblasen wird).<br />
Vorkommen in Deutschland: Eifel, Schwäbische Alb, letzte Tätigkeit in der Eifel<br />
vor ca. 10.000 Jahren<br />
Subvulkane = Quellkuppen, d.h. in geringer Tiefe unter der Oberfläche erstarrte (meist Si02reiche)<br />
Lava, z. B. am Drachenfels; diese Vulkanform stellt den fließenden Übergang<br />
zur Erscheinung des sog. Lagerganges zwischen anderen Schichten (z.B.<br />
Diabasgänge) dar<br />
Submarine Vulkane = mit Unterwasserförderung liefern Pillow-Laven, die in großen Tropfen (∅ 0,2 - 2<br />
m) als plastische Kugeln übereinander geschichtet werden; dabei entsteht durch<br />
die schockartige Abkühlung häufig eine glasig abgeschreckte Haut, die durch das<br />
Weiterrollen zerbricht und wieder neu gebildet wird; solche Glassande nennt man<br />
Hyaloklastite = Glastuff, bei chemischer Reaktion mit dem Salzwasser und Bindung<br />
von tonigem Meeresbodensediement auch Palagonite.<br />
typische Förderprodukte der Vulkane<br />
vulkanische Gase - ursprünglich unter Druck in der Lava gelöst Gase, durch Entspannung<br />
und Abkühlung nahe der Oberfläche werden sie aus der Gesteinsschmelze<br />
gelöst, schäumen auf und bilden Blasen<br />
(überwiegend Wasserdampf, C02, S02)<br />
aufgeschäumte Lava wird leichter und dünnflüssiger, evtl. kann dadurch<br />
auch ein regelrechter Gasstrahl aus dem Schlot entstehen. In der Regel<br />
wird das Gas durch Viskosität der Schmelze zurückgehalten.<br />
Vulkanite = Ergußgesteine - silikatischer Schmelzfluß von 1000 - 1100 o C, der bei ca. 700 o C erstarrt.<br />
Si02-arme Schmelzen = dünnflüssig, liefern Lavadecken (Andesit)<br />
Si02-reiche Schmelzen = zähflüssig, liefern steile Staukuppen.<br />
Durch Schwindklüfte bei der Abkühlung und Volumenverminderung entstehen<br />
häufig sechsseitige Säulen (z.B. in Form der sog. Basaltorgeln).<br />
Vulkanische Kontaktmetamorphosen durch Wärmeabgabe an die benachbarten<br />
Gesteine neben dem Schlot sind typische Begleiterscheinungen.<br />
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Pyroklastika = vulkanische Lockerstoffe - beim Aufschäumen der Schmelze entstehen blasige Fetzen,<br />
die in der Luft beim Flug erkalten, die sog. Pyroklastika. Der Stoff dieser<br />
Pyroklastika ist vulkanischen Ursprungs, der Absetzvorgang sedimentär.<br />
Auch ältere Trümmer (Aschen, Lapilli) können dabei mitgerissen werden.<br />
Mit organogenen Beimengungen nennt man die Pyroklastika Tuffite.<br />
Als postvulkanische Prozesse in der Erkaltungsphase eines nicht mehr fördernden Vulkans (z.B. in Island<br />
oder den Rocky Mountains) können mit fallender Temperatur bzw. steigendem Alter folgende auftreten:<br />
• Fumarolen - heiße Exhalationen von ca. 200 - 800 o C, sondern Salz ab, kommen bis ca. 100 Jahre<br />
nach Erlöschen des Vulkans vor.<br />
• Solfaturen - Wasserdampf-Exhalationen von ca. 90 - 250 o , C02- und H2S-haltig, sondern häufig<br />
Schwefel ab<br />
• Mofetten - C02-Austritte mit unter 200 o C Temperatur.<br />
Wenn solche Gas-Exhalationen das Grundwasser berühren, wird dieses aufgeheizt und mit Gas beladen.<br />
Dann entstehen THERMEN oder GEYSIRE bzw. Mineralquellen. Die im Wasser gelösten Mineralien<br />
(kieselig, kalkig) schlagen sich in der Umgebung als Sinterkrusten nieder.<br />
Wenn der Lavastrom in einem Vulkan von unten nachläßt, bricht häufig das Dach der entleerten Magmakammer<br />
zusammen, es entsteht anstelle des ursprünglichen Kraters ein kesselförmiges Becken, die<br />
sog. CALDERA (s. z.B. die Insel Santorini in der Ägäis).<br />
Blasenreiche Glaslava = Bimsstein wird bei plötzlicher Entgasung zertrümmert und als Tephra gefördert<br />
(z.B. als Ascheregen beim Ausbruch des Pinatubo/Philippinen). Bims -kommt in Deutschland im<br />
Neuwieder Becken vor (Laacher See), wo seit dem Tertiär bis zuletzt vor ca. 11000 Jahren (Eiszeit) ca.<br />
16 km 3 Bims abgelagert wurden.<br />
b) Plutonismus (Pluto = Gott der Unterwelt und des Reichtums, Erze)<br />
Als Plutonite bezeichnete man Gesteinsmassen, die aus erstarrtem Magmaschmelzfluß unter der Erd-<br />
oberfläche entstanden sind, eine andere Bezeichnung ist Tiefengesteine. Das flüssige Magma kühlt bei<br />
dieser Erscheinung in unterirdischen Räumen aus, die in Tiefen > 1 km unter der ursprünglichen Oberfläche<br />
liegen.Die dabei entstehenden Plutone sind meist von bedeutender Ausdehnung bis in große Tiefen<br />
der Erdkruste; sie werden erst durch die spätere Verwitterung der darüber vorhandenen Schichten<br />
25
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Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
freigelegt.Die Größe der Plutone kann sehr unterschiedlich bis hin zu ∅ 80 - 150 km sein (z.B. das Bro-<br />
ckenmassiv im Harz), bei großen Massen/Trichterplutonen spricht man von sog. Batholithen, während<br />
schlankere pilzförmige Stöcke als Lakkolithen bezeichnet werden. Auch kommen trichterförmig aufgeweitete<br />
Plutone (Ethmolithen) und<br />
gangförmige Spaltenformen (sog.<br />
Lopolithen) vor (s. Abb. 3.11).<br />
a) Batholith<br />
b) Trichterpluton<br />
c) Lakkolith<br />
d) Lopolith<br />
Abb. 3.11: Prinzipskizzen einiger Pluton-Formen<br />
Der chemische und physikalische Zustand des Magmas ändert sich bei der Platznahme und Auskristallisation<br />
ständig; flüssiges Magma wird zu zähem Kristallbrei in plastisch-strömender Bewegung. Dabei<br />
entsteht eine Zonenbildung, indem am Rand feinkörnige Abschreckzonen kristallisieren, während im Inneren<br />
gröbere Kristalle wachsen können, da hier der Erstarrungsvorgang langsamer abläuft (Erstarrungszeiten<br />
bis zu 8 Mio. Jahre). Durch den Magma-Druck von unten wölbt sich die bereits etwas abgekühlte<br />
Kappe auf und es kommt zu Zugrissen, sog. Querklüften. In diesen Klüften kann wiederum flüssiges<br />
Magma nachsteigen. Z.T. entstehen auch mehr oder weniger horizontale Lagerklüfte parallel zur Ober-<br />
fläche (= Schubrisse), die später zur charakteristischen Wollsack-Verwitterung führen.<br />
Abb 3.12: Kluftsystem eines großen Granitplutons [6]<br />
26
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
In den Klüften der Plutone bilden sich häufig auch in nachträglichen Intrusionen sog. Ganggesteine (z.B.<br />
Quarzgänge oder Porphyrgänge) oder es entstehen durch hydrothermale Vorgänge bedeutende Erzlagerstätten<br />
(Harz, s. Abb. 3.13, auch Erzgebirge).<br />
Abb. 3.13: Brockenmassiv als Beispiel eines großen Plutons mit verschiedenen Intrusionsphasen [1]<br />
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Das Neben- bzw. Deckgestein eines Plutons nahe der Intrusionszone wird durch die hohe Temperatur<br />
der Schmelze in Form einer Kontaktmetamorphose in Gefüge und Mineralbestand verändert. Je nach<br />
Temperatur reicht dieser Kontakthof von einigen Metern bis zu mehreren Kilometern Entfernung.<br />
3.2.3 Metamorphose und Anatexis<br />
Durch wesentliche Änderung von Druck oder Temperatur (erheblich höher als zum Zeitpunkt der Gesteinsbildung)<br />
können in den Gesteinen (Sedimente, Magmatite) Mineralumwandlungen und strukturelle Änderungen<br />
(z.B. in Form einer Schieferung = Ausrichtung von Kristallen in einer Richtung) auftreten. Diesen<br />
Vorgang nennt man Metamorphose (=Umwandlung). Man unterschiedet dabei folgende Erscheinungsformen:<br />
• Regionalmetamorphose - größere Bereiche der Erdkruste geraten unter Zwängungsdruck, z.B. bei<br />
der Gebirgsauffaltung, Bildung dichterer Mineralien<br />
• Kontaktmetamorphose - in der Nachbarschaft von intrudierten Magmenkörpern (s. 3.2.2) kommt es<br />
zu örtlichen Änderungen der Druck-Temperatur-Verhältnisse (erhöhte<br />
Temperatur > 300°C), Freisetzen leichtflüchtiger Bestandteile<br />
Dabei ist der Metamorphosegrad, also die Art und der Umfang der mineralischen bzw. strukturellen Umbildung<br />
sehr unterschiedlich. Bei sehr hohen Temperaturen über 700-800 °C beginnt die vollständige Wiederaufschmelzung<br />
des Gesteins, die man als Anatexis bezeichnet (s. Abb. 3.14).<br />
Abb 3.14: Abhängigkeit der Metamorphose-Typen von Temperatur und Druck [1]<br />
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Bodenmechanik 1<br />
Im allgemeinen werden die Gesteine durch die Metamorphose etwas homogenisiert. Durch Gebirgsfaltungen<br />
entsteht allerdings häufig ein klar gerichteter Druck parallel zur Faltungsrichtung (horizontal oder schräg) in<br />
der Erdkruste, so daß im Zuge der Regionalmetamorphose sowohl magmatisch entstandene Gesteine als<br />
auch Sedimentgesteine eine Einregelung von Mineralien nach ihrer Kristallstruktur erfahren, wobei besonders<br />
plättchenförmige Mineralien (Glimmer, Graphit, Ton) dann eine ausgeprägt anisotrope Schieferung erhalten<br />
können. Auch durch eine starke Scherung von Gestein (Dynamometamorphose) in Zonen starker tektonischer<br />
Beanspruchung kann die Struktur des Ausgangsgesteins stark geschiefert werden.<br />
Bei der Kontaktmetamorphose nimmt der Grad der chemisch/mineralogischen Veränderung des Ausgangsgesteins<br />
mit dem Abstand von dem Hitzeherd nach außen hin ab.<br />
Verschiedene metamorphe Gesteine, z.B. Gneise, können sowohl aus magmatischen Ausgangsgesteinen<br />
(Granit - Orthogneis) als auch aus sandig-quarzitischen Sedimentgesteinen (Grauwacken - Paragneis) entstehen.<br />
3.3 Stoffkreislauf<br />
Die 3 von der Entstehung her beschriebenen Gesteinstypen Sedimentgestein, Magmatite und Meta-<br />
morphite sind innerhalb der Erdkruste über geologische Zeiträume(kleinste Einheit ca. 10.000 Jahre) immer<br />
in Bewegung und in den Kreislauf der Verwitterung, Tektonik, Aufschmelzung und Kristallisation eingebunden<br />
(s. Abb. 3.15).<br />
Auch die in der Regel als Lockergestein bezeichneten Böden unterschiedlicher Korngöße stellen nur einen<br />
Momentanzustand in diesem Kreislauf dar.<br />
Die Geologie geht davon aus, daß die Erkenntnisse über die endogene und exogene Dynamik über die gesamte<br />
Erdgeschichte hinweg Gültigkeit besaß und somit die großen regionalen Unterschiede der Landschaftsformen<br />
i.w. durch klimatische und tektonische Veränderungen bedingt sind.<br />
29
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Bodenmechanik 1<br />
Abb 3.15: Kreislauf der geologischen Stoffe und Gesteinsbildungsvorgänge<br />
30
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4 Gesteinskunde<br />
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Bodenmechanik 1<br />
Festgesteine der Erdkruste sind Mineralaggregate aus einer (monomineralisch) oder mehreren (polymineralisch)<br />
Mineralarten. Jedes Gestein läßt sich durch folgende Eigenschaften charakterisieren:<br />
• Mineralbestand Art der Mineralien und mengenmäßige Anteile, Modus<br />
• Gefüge - Struktur (Kornform/größe)<br />
- Textur (räumliche Anordnung und Orientierung der Mineralkörper)<br />
- innere Bindung (Kristallwuchs, Verkittung).<br />
Nach der Genese und den Umgebungsbedingungen beim Prozeß der Gesteinsbildung unterscheidet man<br />
grundsätzlich 3 verschiedene Gesteinsarten:<br />
• magmatische Gesteine (65 %) = Erstarrungsgesteine, entstanden durch<br />
Kristallisation einer aufsteigenden Schmelze<br />
• Sedimentgesteine (8 %) = Absetzgesteine, meist geschichtet, entstanden<br />
durch Absetzen von Verwitterungsprodukten anderer<br />
Gesteine, diagenetisch verfestigt<br />
• metamorphe Gesteine (27 %) = Umwandlungsgesteine, z.B. Schiefergesteine,<br />
entstanden aus anderen Ausgangsgesteinen<br />
durch Temperatur- und Druckänderung<br />
Die Ansprache von Gesteinen nach den nachstehend genannten Merkmalen wird als Petrographie bezeichnet.<br />
4.1 Mineralbestand = Modus<br />
4.1.1 Allgemeines<br />
Die Erdkruste wird aus Mineralien gebildet, die in sich chemisch/stofflich einheitlich (homogen) zusammengesetzt<br />
sind und in festem Aggregatszustand, meist in kristalliner Form vorliegen (im Gegensatz zur kristallinen<br />
Erscheinungsform gibt es auch nichtkristalline = amorphe Mineralien, z.B. Opal = aus Silikatgel<br />
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
entstandener wasserhaltiger Quarz oder Obsidian = Gesteinsglas). Überwiegend sind es anorganische Verbindungen,<br />
seltener auch chemisch reine Elemente. Reine Einzelkristalle sind eher selten, meist sind verschiedene<br />
Mineralien aus einer gemeinsamen Schmelze kristallisiert und dabei gegenseitig behindert bzw.<br />
unvollständig gewachsen.<br />
Auch die Mineralien können - wie die daraus zusammengesetzten Gesteine - auf verschiedene Arten entstehen,<br />
nämlich:<br />
• magmatisch durch Kristallisation aus einer Schmelze<br />
• sedimentär als Neubildung aus vorher vorhandenen gelösten oder festen Mineralien<br />
• metamorph als Umwandlung durch Änderung von Druck-/Temperaturbedingungen.<br />
Die Mineralogie unterscheidet die verschiedenen (ca. 3500 bekannten) Mineralien neben der chemischen<br />
Zusammensetzung nach folgenden physikalischen Kriterien:<br />
• Kristallform (mehr oder weniger regelmäßiger Raumgitterbau der Atome)<br />
• Optische Eigenschaften (Brechung/Beugung von Licht)<br />
• Spaltbarkeit und Bruchform<br />
• relative Härte (Ritzhärte auf der Mohs´schen Härteskala)<br />
• Färbung und Glanz (selektive Absorption, Reflexion und Refraktion von weißem Licht)<br />
• Strichfarbe auf Porzellan<br />
• Dichte ρ (g/cm³)<br />
• Schmelzpunkt, Wärmeleitfähigkeit, Wärmeausdehnung<br />
• Elektrisch/magnetische Eigenschaften (Leitfähigkeit, Piezoeffekte, Oberflächenaktivität).<br />
Unter Berücksichtigung des Chemismus werden die Mineralien in 9 Klassen aufgegliedert, die in Abb. 4.1<br />
dargestellt sind. Nach der typischen Form der Kristalle und des Kristallgitter-Aufbaus unterscheidet man 7<br />
Kristall-Systeme, wobei Verzerrungen von der idealen Geometrie des Kristallbaus berücksichtigt sind (s.<br />
Abb. 4.2).<br />
32
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 4.1: chemische Gliederung der Mineralien in 9 Klassen [6]<br />
Abb. 4.2: Gliederung der Kristallformen in 7 Kristall-Systeme [6]<br />
33
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4.1.2 Gesteinsbildende Mineralien<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Im Mineralbestand eines Gesteins unterscheidet man zunächst Hauptgemengteile (>10 Vol. %), Nebengemengteile<br />
(< 10 Vol. %, z.B. Hornblende-Granit) und akzessorische Gemengteile (< 2 Vol. %). Die Bestimmung<br />
der Volumenanteile erfolgt durch Punktauszählung in einem durchleuchtbaren Dünnschliff unter<br />
dem Mikroskop, ggf. unter Einsatz von Polarisationsfiltern.<br />
Dabei läßt sich eine Farbzahl (C.I. = Colour Index = ΣV % aller Mineralarten mit Dichte > 2,8 g/cm 3 ) er-<br />
mitteln, da leichte Mineralien geringer Dichte sich im Dünnschliff farblos zeigen, während schwere Mineralien<br />
stärker farbig durchscheinen. Die verschiedenen Mineralien können diesbezüglich 3 unterschiedlichen<br />
Farbtypen zugeordnet werden:<br />
• felsische Mineralien = hell, farblos (leukokrat)<br />
• mafelsische Mineralien = mäßig farbig, durchscheinend (mesokrat)<br />
• mafische Mineralien = farbig, dunkel (melanokrat).<br />
Von den ca. 50 gesteinsbildenden Mineralien sind nur 25 verschiedene in der Erdkruste weit verbreitet; ihre<br />
volumenmäßige Verteilung zeigt Abb. 4.3. Man erkennt daran, daß die überwiegende Menge (87 %) sog.<br />
Silikate, d.h. Salze der Kieselsäure (immer mit Silizium- und Sauerstoffatomen) sind. Dadurch herrschen als<br />
chemische Elemente Sauerstoff und Silizium vor (94 % des Erdkrustenvolumens bestehen aus Sauerstoff).<br />
Durch die unterschiedliche Dichte der Elemente bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Verteilung<br />
der Gewichts- bzw. der Volumenanteile in der Erdkruste.<br />
Abb. 4.3: Volumen- bzw. Gewichtsanteile der gesteinsbildenden Mineralien/Elemente in der Erdkruste [7]<br />
34
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4.1.2.1 Silikate<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die ca. 1200 verschiedenen Silikat-Mineralien kommen in kaum übersehbarer Zahl von Ausbildungen vor,<br />
davon sind jedoch nur einige wenige für den Aufbau der Erdkruste maßgebend. (87 Vol. % der Erdkruste)<br />
Feldspäte<br />
Orthoklas K Al Si3O8 (gerade brechend)<br />
Plagioklas Albit - Ca Al Si2O8<br />
Anorthit - Na Al Si3O8 (schief brechend)<br />
Quarz (Si O2) = „Kieselsäure“, meist klar und durchsichtig, nahezu nicht verwitterbar, daher in<br />
fast allen Sediementgesteinen vertreten, daneben auch in vielen magmatischen/kristallinen<br />
Gesteinen als Gemengteil, meist zuletzt erhärtend und damit als Füller in den verbliebenen<br />
Räumen zwischen den anderen Mineralien<br />
Härte 7, Dichte ρ = 2,65 g/cm³<br />
Glimmer Muskovit = Hellglimmer (K Al3 (OH)2 Si2 O10), Härte 2-2,5, Dichte ρ = 2,85 g/cm³, guter<br />
Isolator, daher Verwendung als Wärmesisolator in Heizgeräten; ein Abart davon heißt<br />
Serizit, der Vorgang der Serizitisierung = Zersetzung von Albit in Glimmer.<br />
Biotit = dunkel, Eisenmagnesiaglimmer, Härte 2-2,5, Dichte ρ = 2,90 - 3,20 g/cm³.<br />
Beide feinschuppig/blättrige Form, ausgezeichnet spaltbar wegen ausgeprägtem<br />
Schichtgitteraufbau.<br />
Ähnlich dem Glimmer: Chlorit (grün, Verwitterungsprodukt des Biotit), Talk (fettig-weiß,<br />
Härte 1), Serpentin (faserig, Asbest, Verwitterungsprodukt des Olivin),<br />
Glaukonit (grün, aus Zersetzung in Meerwasser entstanden)<br />
Pyroxen Augit (Ca Mg Si2 O6 mit Al2O3 und Fe2O3), gehört zu den melanokraten Gemengteilen<br />
(feuerfremd) (glänzt schwarz, braun, grün), kommt vor in Eruptivgesteinen Basalt, Tuff<br />
Strich grünschwarz, Härte 5 - 6, Dichte ρ = 3,3 - 3,6 g/cm³<br />
Amphibole z.B. Hornblende, griech. für „zweideutig“, Mischung aus Ca Mg-Silikat und Ca Fe-Silikat,<br />
grün oder braunschwarz<br />
kommt vor in Magmatiten und Metamorphiten (kristallinen Schiefern),<br />
Strich: graugrün, Härte 5 - 6, Dichte ρ = 3,1 - 3,4 g/cm³<br />
35
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Bodenmechanik 1<br />
Olivin (Mg, Fe)2 [Si O4], grünlichgelb bis schwarz, Fe oxidiert bei Verwitterung und führt<br />
zu rostbrauner Färbung<br />
kommt vor in basischen (d.h. kieselsäurearmen) Eruptivgesteinen, z. B. Peridotiten<br />
Strich weiß, Härte 6,5 - 7, Dichte ρ = 3,1 - 3,4 g/cm³<br />
Tonminerale = Tonerdesilikate Al2O3 + SiO2 + Wasser, z.B. Kaolinit, Illit, Smektit/Montmorillonit<br />
4.1.2.2 Karbonate, Salze (nicht silikatische gesteinsbildende Mineralien)<br />
Kalkspat Calcit = Ca CO3 , formenreichstes Mineral<br />
weißlich-trüb, kaum von Milchquarz zu unterscheiden, bei HCl-Reaktionen schäumend.<br />
Kommt vor in Kalkstein, Marmor, auch in Tonmergel und Sandstein, ebenso<br />
als Gangmineral in Hohlräumen und Klüften, dann mit trigonaler Kristallform.<br />
Härte 3, Dichte ρ = 2,70 - 2,72 g/cm³<br />
Aragonit = Ca CO3 rhombisch-dipyramidal, leichter löslich als Kalkspat, unbeständig = metastabil,<br />
kristallisiert oberhalb 29 o C, weiß-grau, hellgrün; Strich weiß<br />
kommt vor in sinterartigen Krusten von Thermalquellen, Kesselstein, ebenso in<br />
Klüften basischer Ergußgesteine<br />
Härte 3,5 - 4, Dichte ρ = 2,95 g/cm³<br />
Dolomit = Ca Mg [CO3]2, grauweiß mit gelb-bräumlichem Ton (Fe)<br />
Löslichkeit: Kalkspat<br />
Dolomit<br />
Strich: weiß, Härte 3,5 - 4, γ = 2,85 - 2,95<br />
3<br />
= , Verwendung als feuerfestes Material<br />
1<br />
Siderit = Fe CO3 = Spateisenstein, Erscheinungsform ähnlich Dolomit<br />
Härte 4 - 4,5, Dichte ρ = 3,8 - 4,5 g/cm³<br />
Sulfate (Salze der Schwefelsäure)<br />
besser wasserlöslich als Karbonate und fällen daher in Meeresbecken erst nach der<br />
Karbonatfällung, so z.B.:<br />
Gips = Ca SO4 . 2H2O, klare, farblose Kristalle (Alabaster, Marienglas), schichtiger Aufbau,<br />
gut spaltbar, gut wasserlöslich, daher Erdfallgefahr; bei 107 - 110 o C entsteht durch chem.<br />
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Wasserverlust ein Halbhydrat: Ca SO4 . ½ H2O.<br />
Gipsrose = Sand mit Gips verfestigt<br />
Bodenmechanik 1<br />
Härte 2 (mit Fingernagel ritzbar), Dichte ρ = 2,3 - 2,4 g/cm³<br />
Anhydrit = Ca SO4, Primärausscheidung in der salinaren Abfolge<br />
leicht mit Kalkspat zu verwechseln (Säuretest, Kalkspat braust durch entweichendes CO2)<br />
Vergipsung = Hydratation durch Wasseraufnahme mit bis zu 62 % Volumenzunahme<br />
(Gipshüte auf den norddeutschen Salzstöcken)<br />
farblos, glasglänzend, trübe, weißer Strich, Härte 3 - 4, Dichte ρ = 2,9 - 3,0 g/cm³<br />
Steinsalz = NaCl (Halit) / KCl (Sylvin), stechend salzig, kristallisiert kubisch, farblos/grau-rötlich<br />
durch MgCl-Verunreinigungen, hygroskopisch, plastisch deformierbar, hohe<br />
Wärmeleitfähigkeit, Härte 2, Dichte ρ = 2,0 - 2,2 g/cm³<br />
4.1.2.3 Nebengemengteile<br />
Pyrit FeS2 = Schwefelkies (Katzengold), , kubische Kristalle, goldfarben,<br />
häufig in Buntmetallerzen, in Sedimenten auch als Knollen, in Kohle häufig in Knollen enthalten<br />
(Schwefelkohle), durch exotherme Verwitterung häufig Selbstentzündung von Kohlehalden<br />
Strich: grünschwarz , Härte 6 - 7, Dichte ρ = 4,8 - 5 g/cm³<br />
andere Sulfide z.B.: Kupferkies Cu Fe S2<br />
Magnet kies FeS<br />
Markasit FeS2<br />
Sulfide zersetzen sich an der Erdoberfläche exotherm, was sich in Zuschlägen für Beton und<br />
Schwarzdecken sehr schädlich auswirkt:<br />
FeS2 + 2,5 H2O + 7,5 O → 2H2 SO4 + Fe OOH<br />
Bleiglanz = (PbS) in hydrothermalen Erzgängen<br />
Schwefelsäure Limonit (Rost)<br />
metallischer Glanz, schwer, würfelig, Härte 2,5 - 3, Dichte ρ = 7,2 - 7,6 g/cm³<br />
Magnetit = (Fe3 O4) = Doppeloxid aus FeO und Fe2O3 in magmatischen Gesteinen, ferromagnetisch,<br />
schwarze kubische Kristalle verantwortlich für dunkelgraue Farbe von Basalt und Gabbro<br />
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Strichfarbe schwarz, Oberfläche blauschwarz, Härte 5,5, Dichte ρ = 5,2 g/cm 3<br />
wird bei Verwitterung zu Sanden in Schwermetallseifen angereichert; Vorkommen z.B. als<br />
schwedisches Eisenerz mit 72 % Fe<br />
Hämatit = Blutstein (Fe3O3), roter Glaskopf, traubenförmig, auch z. B. in rotem Sandstein, der durch<br />
Hämatithäutchen an den Quarzkörnern gefärbt wird; Farbe schwarzgrau, Strichfarbe kirschrot<br />
bis rot; wichtiges Eisenerz, Farbstoff, Polierrot<br />
Härte 5,5 - 6, Dichte ρ = 5,2 - 5,3 g/cm 3<br />
Limonit = Gelbeisenerz (Fe OOH), brauner Glaskopf, in Raseneisenerz<br />
Gemisch aus Goethit (Nadeleisenerz) und Lepidokrit (Rubinglimmer, β - Fe OOH)<br />
Endprodukt der oxidischen Eisenverwitterung, wird in Böden gelbbraun angereichert;<br />
Vorkommen hauptsächlich in Sedimenten; Härte 5 - 5,5, Dichte ρ = 3,5 - 4 g/cm³<br />
4.1.2.4 Akzessorische Gemengteile<br />
Zirkon = Zr SiO4 , habicht-farben: braun-grün, Strich: weiß<br />
als gelbrote Varietät auch: Hyazinth (Edelstein)<br />
enthält radioaktive Elemente, Vorkommen in sauren Eruptivgesteinen<br />
Härte 7,5, Dichte ρ = 3,9 - 4,8 g/cm³<br />
Apatit = Ca5 (PO4) F und Ca5 (PO4) Cl, Phosphoritknollen, kommen vor in Magmatiten und<br />
metamorphen Gesteinen, verwittert leicht und düngt den natürlichen Boden<br />
Titanit = (Ca Si TiO5) in Magmatiten, Granit, Trachyt<br />
Rutil = (TiO2) gelbbraun-rotschwarz, Strichfarbe gelb, kommt vor in metamorphem Gestein<br />
und Sedimenten<br />
4.2 Gefügebeschreibung<br />
Zur Beschreibung des Gefüges werden folgende Eigenschaften qualitativ und nach Möglichkeit auch<br />
quantitativ beschrieben:<br />
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
• Raumerfüllungsgefüge dicht, schaumig, porös, blasig, kavernös<br />
• Struktur = Korngefüge der einzelnen Mineralkörner<br />
− nach dem Aggregatzustand holokristallin, glasig, hypokristallin<br />
Bodenmechanik 1<br />
− nach Gestalt der Gemengteile idiomorph (freies Wachstum der einzelnen Kristalle)<br />
xenomorph (behindertes Wachstum)<br />
hypidiomorph (Tiefengesteinsgemengteile)<br />
− nach der absoluten Größe makrokristallin (mit bloßem Auge erkennbar)<br />
mikrokristallin (nur unter dem Mikroskop erkennbar)<br />
kryptokristallin (auch unter Mikroskop nicht bestimmbar)<br />
− nach der relativen Größe körnig - alle Minerale etwa gleich groß<br />
porphyrisch - idiomorphe Einsprenglinge in feinkörniger<br />
Grundmasse, z.B. bei vulkanischen bzw.<br />
Ganggesteinen<br />
• Textur richtungslos (Tiefengesteine) isotrop<br />
Magmatite<br />
Fließtextur (parallel zur Fließrichtung) anisotrop<br />
Sedimente<br />
4.3 Magmatische Gesteine<br />
anisotrope Orientierung durch schichtigen Absetzvorgang<br />
wellig, scharig<br />
Metamorphite<br />
- Einregelung der Mineralien durch Schieferung (Bänderung)<br />
- stengelige Textur (Hornblende)<br />
- richtungslos - massig (unter Temperatureinfluß)<br />
Magmatische Gesteine - d. h. aus Erstarrung von silikatischen Schmelzen entstandene Gesteine - werden unterschieden<br />
nach dem Ort der Entstehung:<br />
a) Plutonite = Tiefengesteine, Batholith, Lakkolith (griech. λακκos = Lochzisterne)<br />
39
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
b) Ganggesteine = in Gängen/Hohlräumen aufgestiegene, schneller erstarrte Tiefengesteine<br />
(Subvulkanite)<br />
c) Vulkanite = Ergußgesteine bzw. Effusivgesteine, die an der Erdoberfläche bzw. im Wasser<br />
sehr schnell erstarrt sind<br />
4.3.1 Tiefengesteine<br />
Das in die Erdkruste aufsteigende Magma erkaltet sehr langsam, wobei eine Magmendifferentiation eintritt<br />
(2 bis 6 km unter der Oberfläche). Der Gehalt an Kieselsäure (Si O2) im Magma bestimmt dessen Viskosität:<br />
• Si O2 - reich: saures Magma, zähflüssig; meist mit hellen Mineralien (Quarz, Orthoklas)<br />
• Si O2 - arm: basisches Magma, dünnflüssig; meist mit dunklen Mineralien (melanokrat).<br />
Die Magma hat eine Temperatur von ca. 1200 - 1300 o C; bei 1200 - 700 o C beginnt die Kristallisation. Die<br />
Tiefengesteine haben meist eine kristalline Struktur, da sie langen, bis 10.000 Jahre andauernden Abkühlzeiten<br />
unterliegen, so daß zuerst einzelne größere Kristalle wachsen können (1 - 10 mm groß). Quarzkristalle<br />
erstarren meist zuletzt und füllen damit die Hohlräume zwischen den Primärmineralien aus. Die zuerst erstarrenden<br />
Mineralien wachsen idiomorph, die restlichen nur noch hypidiomorph bzw. sogar xenomorph,<br />
d.h. mit Verwachsungen bzw. behindertem Wachstum. Man unterscheidet je nach Zusammensetzung der<br />
Schmelzen:<br />
− Granite und Granodiorite<br />
enthalten ca. 65 Gew.-% Kieselsäure, d.h. es sind „saure“ Gesteine<br />
normiert, d. h. Quarz, Alkalifeldspäte (Orthoklas, Albit) und Plagioklas gibt 100 %:<br />
dann: 20 - 60 % Quarz (Vol.)<br />
Granit meist mit Orthoklas als Feldspat<br />
Granodiorit meist mit Plagioklasen als Feldspat<br />
Färbung: grau, weiß, rötlich (Hämatit), gelblich (Oxidation)<br />
Leukogranit < 5 % mafische Gemengteile<br />
Melanogranit > 20 % mafische Gemengteile<br />
40
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Struktur: grobkörnig, einzelne Mineralkomponenten sind mit dem bloßen Auge erkennbar;<br />
seltener porphyrisch, d.h. mit grobkristallinen Feldspäten von 1 - 15 cm ∅ (Kalifeld-<br />
Verwitterung:<br />
spat = Orthoklas)<br />
meist auf Klüften (Wollsackverwitterung), vorzugsweise die Feldspäte verwittern zu<br />
Tonmineralien<br />
Verwendung: als Werkstein oder Schotter, bei starker Klüftung auch als Brechkies/Splitt<br />
− Syenite und Monzonite (seltener, in Deutschland kaum vorkommend)<br />
ausgewogener mittlerer Kieselsäuregehalt, enthält kaum freie Quarzkristalle,<br />
Quarz < 20 Vol.-% normiert bzw.<br />
auf die Summe aus Quarz + Plagioklase + Alkalifeldspat bezogen: 52 - 65 Gew.-%<br />
Kieselsäure<br />
Syenit: enthält mehr Alkalifeldspat als Plagioklas<br />
Monzonit: enthält gleich viel Alkalifeldspat wie Plagioklas.<br />
Struktur: ähnlich Granit<br />
Färbung: lebhaft durch 10 - 35 % mafische Gemengteile<br />
− Diorite und Tonalite (selten, in Deutschland im Bayr. Wald/Fichtelgebirge)<br />
Modus: kaum Alkalifeldspäte (Orthoklas und Albit), überwiegend Plagioklas<br />
ca. 52 - 65 Gew.-% Quarz<br />
Diorit: 25 - 50 Vol. % mafische Gemengteile (Hornblende, Biotit)<br />
Tonalit: 10 - 40 Vol.% mafische Gemengteile<br />
Struktur: ähnlich Granit, meist mittel- bis feinkörnig<br />
Färbung: dunkel, grau oder schwarz - weiß gefleckt<br />
− Gabbros (häufig, in Deutschland überwiegend im Schwarzwald, Odenwald, Harz)<br />
basisches Gestein mit weniger als 52 Gew.-% SiO2, max. 10 Vol-% Quarz<br />
leukokrate Gemengteile (Ca-reich): überwiegend Plagioklas, > 50 Vol.-% Anorthit<br />
mafische Gemengteile: ∼ 50 Vol.-% Hornblende, Augit, Olivin<br />
Dichte: 3,0 g/cm 3 , zäh, d. h. schlagfest, schwarz/grün/braun<br />
weniger verwitterungsbeständig als Granit<br />
41
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
− Ultramafitite (Vorkommen in Harz, Odenwald, Erzgebirge)<br />
z. B. Peridotit mit mehr als 90 Vol.-% mafischen Gemengteilen = Olivin, Augit,<br />
4.3.2 Ganggesteine<br />
Hornblende, enthält keinen Quarz ⇒ ultrabasisch;<br />
meist dunkelgrün bis schwarz, häufig serpentinisiert (Olivin → Serpentin),<br />
Dichte 3,2 - 3,5 g/cm 3 , feinkörnig.<br />
Analog Granitmagma, jedoch mit porphyrischer Struktur, d. h. große idiomorphe Einsprenglinge in relativ<br />
feinkörniger Grundmasse. Einsprenglinge in der Tiefe kristallisiert und hochgetragen, der noch flüssige Rest<br />
ist schneller erkaltet.<br />
Granitporphyr = gleicher Mineralbestand wie Granit, große Kalifeldspäte (Orthoklase) und<br />
Quarze<br />
Granit-Aplit = Anreicherung der hellen Gemengteile Orthoklas, Albit, Quarz;<br />
kaum Glimmer, Gänge in Graniten<br />
Pegmatit = grobkörnig, Quarz und Orthoklas mit seltenen Mineralien Topas, Turmalin<br />
(faustgroße Kristalle), Glimmer<br />
Lamprophyre = Ganggestein von basischem Tiefengestein (Gabbro)<br />
(Spessartit) grünlichgrau (Hornblende, Augit, Olivin)<br />
4.3.3 Ergußgesteine (Vulkanite)<br />
Schnell erkaltetes Magma an der Erdoberfläche, daher in der Erscheinungsform meist nur mikrokristallin<br />
oder kryptokristallin. Man unterscheidet wieder nach der mineralischen Zusammensetzung der Schmelze -<br />
analog zu den Magmatiten (s. Abb. 4.4)<br />
Rhyolith = entspricht vom Mineralbestand dem Granit, meist durch Anatexis entstanden<br />
(in Deutschland selten)<br />
Quarzporphyr = feinkörnig, Einsprenglinge von Orthoklas und Quarz häufig mit Poren (dann<br />
nicht frostsicher)<br />
42
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Färbung: rötlich hell bis weißgrau (Porphyr = Rote Schnecke → lat. Purpur)<br />
Liparit = jungvulkanische Rhyolithe und Bimsstein (schaumiges Glas, grauweiß, Dichte<br />
1 g/cm 3 ) mit Orthoklas-Einsprenglingen<br />
Obsidian = dunkle Gläser<br />
Perlite = perlig zerfallender Obsidian<br />
Trachyt = entspricht dem Mineralbestand von Syenit (wenig Quarz)<br />
Struktur: porphyrisch, porös<br />
Einsprenglinge aus Orthoklas, Hornblende, Plagioklas<br />
Textur: Flußbild zwischen den Einsprenglingen<br />
Färbung: grau bis gelblich<br />
Siebengebirge/Westerwald, als Keratophyr: Schwarzwald, Vogesen<br />
geringere Druckfestigkeit 70 - 150 MN/m 2<br />
Andesit = Ergußäquivalent zum Diorit, d. h. kaum Quarz<br />
Farbe: grau bis schwarz, porphyrisch, fluidale Textur, dunkle Einsprenglinge<br />
häufig im Siebengebirge/Eifel/Westerwald<br />
Porphyrit = altvulkanische Form des Andesit häufig grünlich durch Chloritisierung von Augit +<br />
Hornblende, kommt vor in Harz, Vogesen, Saar - Nahe<br />
Basalt = Ergußäquivalent zum Gabbro, quarzfrei, basisch; häufiges jungvulkanisches<br />
Ergußgestein, dunkel bis schwarz, weil nur melanokrate Gemengteile<br />
Struktur: dicht, nur undeutliche Einsprenglinge<br />
Dichte: 3,0 g/m 3 , Festigkeit: bis 350 MN/m 2<br />
Diabas: feinkörnige altere Basalte, altvulkanisch (gröber als dicht)<br />
alter Diabas = (Rhein. Schiefergebirge, Devonausbrüche)<br />
Melaphyr säulige Absonderung, blaugrau - schwarz<br />
Sonnenbrand ist eine besondere Basaltverwitterung, die die Verwendung als<br />
Baustoff gefährden kann; sie tritt ein, wenn Analzim (Na[Al Si2 O6]) aus Nephelin<br />
entsteht, dann erfolgt ca 5 % Volumenvergrößerung und entsprechende Sprengwirkung<br />
und Zerfall, sichtbar an grauen Flecken bis hin zu kirschgroßen Körnern.<br />
43
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Kurztest auf Sonnenbrandgefahr 10 min. Kochen in Salzsäure, wenn dann keine<br />
weißen Flecken auf dem Gestein auftreten→ keine Sonnenbrandgefahr<br />
Melabasalt = Pikrit = ultrabasisches Ergußgestein, vom Mineralbestand her dem Peridotit ähnlich;<br />
> 65 % mafische Gemengteile, altvulkanisch<br />
Phonolithische Tuffe = verfestigte vulkanische Aschen mit Einsprenglingen (Lapilli, Bomben)<br />
weiches, porenreiches Gestein mit Grob- und Feinbestandteilen, mitunter gut<br />
verfestigt, so daß daraus Werksteine gewonnen werden können (nicht frostsicher);<br />
Vorkommen z.B. in der Eifel (Laacher See) als weißgrauer feiner Tuff, der in<br />
gemahlener Form als Traß auch hydraulisch abbindet, ähnlich den bei den Römern<br />
verwendeten Puzzolanen.<br />
Abb. 4.4: Übersicht zu den Entstehungsbedingungen für magmatische Gesteine [7]<br />
4.4 Sedimentgesteine<br />
Die Sedimentgesteine entstehen durch Ablagerung von verwittertem, erodierten Material bzw. durch chemische<br />
oder organische Ausfällung. Aus dem so abgelagerten Lockergestein wird durch Diagenese (Verfestigung<br />
über lange Zeiträume durch Verdichtung, Erwärmung oder Kristallisation von Bindemitteln etc. ohne<br />
wesentliche Veränderung des Gefüges und des Mineralbestandes) dann ein Festgestein. Man unterscheidet:<br />
44
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• klastische Sedimente - nach der Größe sortierte Ablagerung je nach Schleppkraft der Transportmedien<br />
Wasser und Wind, z.B. Sandstein, Tonstein, Schluffstein, Grauwacke,<br />
Konglomerat, Brekzie (s. Abb. 4.5); das Transportmedium Eis erzeugt praktisch<br />
keine Sortierung<br />
• chemische Sedimente - Ausscheidungssedimente, transportiert in gelöster Form und abgelagert durch<br />
chemische Ausfällung, z.B. Kalkstein, Dolomit, Travertin (calzitisch gebunden),<br />
Flint/Feuerstein, Kieselgur, Kieselschiefer (kieselig gebunden),<br />
oder Eindampfungsgesteine (Evaporite) z.B. Steinsalz, Gips<br />
• organische Sedimente - unvollständig zersetzte organische Substanzen (Torf, Braunkohle, Steinkohle, Öl,<br />
Erdgas) oder Ausfällungen durch Einwirkung von Lebewesen (Riffkalke)<br />
Abb. 4.5: Erscheinungsform von Sedimentgesteinen (nach diagenetischer Verfestigung gefaltet)<br />
Abb. 4.6: Übersicht der Klastischen Sedimentgesteine (Trümmergesteine) nach [1]<br />
45
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 4.7: Übersicht der chemischen/biochemischen Sedimengesteine nach [1]<br />
4.5 Metamorphe Gesteine<br />
Metamorphe Gesteine sind durch Um- bzw. Neukristallisation aufgrund von Erhöhung der Druck- und<br />
Temperaturbedingungen aus bereits vorher vorhandenen Magmatiten oder Sedimentgesteinen entstanden;<br />
das Ausgangsgestein nennt man Protolith. Solche tiefgreifenden Änderungen der Randbedingungen können<br />
bei tektonischen Bewegungen in der Erdkruste (sog. Regionalmetamorphose, z.B. bei Gebirgsfaltungen) und<br />
damit verbundenen Drucksteigerungen und/oder beoi Temperatursteigerung in der Umgebung von aufsteigenden<br />
Plutoniten (sog. Kontaktmetamorphose) auftreten.Dann kann es zu einer teilweisen oder vollständigen<br />
Umwandlung der vorher vorhandenen Gesteine in ein kristallines Gefüge kommen. Oberhalb von ca.<br />
750 - 800 °C kann es sogar zur völligen Wiederaufschmelzung (Anatexis) der Ausgangsgesteine kommen.<br />
Abb. 4.8: Erscheinungsformen von Metamorphiten in der Nähe einer Gebirgsfaltung<br />
46
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 4.9: Druck(°C)- und Temperatur-(kbar)-Bedingungen für unterschiedl. Metamorphosegrade<br />
Bei gerichtetem Druck regeln sich die Mineralien häufig quer zur Haupt-Druckrichtung lagenförmig ein<br />
bzw. das entstehende metamorphe Gestein erhält eine schiefrige Struktur (geschieferte Sedimente, kristalline<br />
Schiefer). Eine Übersicht über die Eintelung der metamorphen Gesteine gibt Abb. 4.10. Die häufigsten<br />
Vertreter sind:<br />
• Gneis mit demselben Mineralbestand wie Granit, aber in lagenförmiger Ausrichtung<br />
(Paralleltextur) der Mineralien. Sehr variantenreich bei unterschiedlichem Biotitund<br />
Hornblendeanteil, parallel zur Schieferung gut spaltbar (sehr häufig in Tessiner<br />
Alpen, Schwarzwald, Odenwald, Spessart, Bayr. Wald, Fichtelgebirge, Thür. Wald)<br />
• Tonschiefer dünnplattig teilbar durch engscharige Schieferung meist schräg zur Schichtung,<br />
entstanden aus Tonstein durch schwache Metamorphose, Mineralbestand meist<br />
feinstkörniger Quarz und Schichtsilikate (Illit bis Serizit), wenig Feldspatreste.<br />
Färbung schwarzgrau bis schwarz durch organische Substanzen. Falls Tonschiefer<br />
Pyrit enthält, ist er bautechnisch wegen der Pyritverwitterung praktisch unbrauchbar.<br />
• Phyllit mit Blättchenstruktur, Gemenge aus Quarz und schuppigem Glimmer (Sericit), völlig<br />
feldspatfrei. Je nach Härte als Talkschiefer (Speckstein) und Chloritschiefer, grünlich<br />
bis violett mit seidigem Glanz<br />
• Glimmerschiefer gröber als Phyllit, kristalliner Schiefer mit Blättchenstruktur, Quarzkristalle werden<br />
von blättrigen Glimmerlagen eingehüllt.<br />
47
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• Quarzit fast reiner Quarzbestand, kaum Glimmer, daher deutlich geschichtet, aber nur geringe<br />
Schieferstruktur.Meist sehr hart und verwitterungsbeständig.Vorkommen häufig in<br />
den Alpen und im Fichtelgebirge, entstanden aus Sandstein durch Verflüssigung und<br />
an schließende Wiederverfestigung des SiO2.<br />
• Marmor entstanden aus Kalk (durchweg Calcit), weiß oder verfärbt in allen Farbtönen durch<br />
Beimengungen. Grob kristallines, meist sehr homogenes Gefüge aus etwa gleichgroßen,<br />
polygonalen Kalkspatkristallen.Sowohl durch Reginalmetamorphose (z.B. Norditalien:<br />
Carrara-Marmor) als auch durch Kontaktmetamorphose (Odenwald, Spessart).<br />
Abb. 4.10: Übersicht über die Metamorphite in Abhängigkeit vom Protolith nach [8]<br />
48
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4.6 Kreislauf der Gesteine<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die 3 Hauptklassen von Gestein - Magmatite, Sedeimentite und Metamorphite - unterliegen innerhalb der<br />
Erdkruste einem ständigen Wandel aus Verwitterung, Sedimentation, Druck- und Temperaturbeanspruchung<br />
bis hin zur Wiederaufschmelzung , so daß sich daraus ein regelrechter Kreislauf der Gesteine ergibt, in den<br />
auch die Existenz von Boden als sog. Lockergestein als vorübergehende Phase eingebunden ist (s. Abb.<br />
4.11).<br />
Abb. 4.11: Kreislauf der Gesteine [aus 8]<br />
49
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
5 Geologische Zeitenfolge und Kartenkunde<br />
5.1 Kartierungen<br />
Bodenmechanik 1<br />
Durch die Wechselwirkung zwischen endogener und exogener Dynamik wird die Erdoberfläche - über geologische<br />
Zeiträume gesehen - laufend umgestaltet, d.h. die Landschaftsmorphologie wird permanent verändert.<br />
Dabei werden durch tektonische Beanspruchungen lithologische Platten gefaltet oder übereinander geschoben<br />
(aktive Gebirgsfaltung, z.B. heute in noch jungen Gebirgen wie Himalaya, Anden und Alpen);<br />
durch Entlastung infolge Abschmelzung von Vereisungen können Hebungen auftreten (bzw. umgekehrt<br />
Senkungen durch Vergletscherung) usw. Dadurch ist das örtliche Gefüge im oberflächennahen Gebirge in<br />
der Regel gegenüber den Entstehungsbedingungen des entsprechenden Gesteines gestört, die Stellung im<br />
Raum kann durch Faltung verdreht und der Gebirgsverband durch die Beanspruchung in ein Trennflächengefüge<br />
zerlegt sein. Hinzu kommt die seit der Gesteinsentstehung eingetretene Verwitterung (die bereits<br />
während der Gebirgsauffaltung wirksam ist), die wie ein Mahlstrom an der Landschaft arbeitet und die härteren<br />
Gesteinsrippen herausformt, während die weicheren Partien abgetragen und dadurch Höhenunterschiede<br />
nivelliert werden. Das Ergebnis ist die jeweils aktuelle Morphologie, in der unterschiedliche Gesteinsformationen<br />
in örtlich stark wechselnden Lagerungsbedingungen an der Erdoberfläche ausstreichen<br />
bzw. in geringer Tiefe unter einer entsprechenden Verwitterungsdecke vorliegen. Diese Situation wird von<br />
Geologen örtlich erkundet, in den erdgeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet und schließlich in Kartierungen<br />
dargestellt, die einerseits die Art und geschichtliche Entstehung der vorhandenen Gesteine charakterisieren,<br />
aber auch die räumliche Orientierung des Trennflächengefüges (Schichtung, Klüftungen, Schieferung)<br />
und den gesamten Gebirgsbau (Sattel-/Muldenstruktur, Horst/Grabenstrukturen, Verwerfungen, Überschiebungen<br />
etc.) beschreiben.<br />
In Deutschland wurde bereits vom Land Preussen Ende des vergangenen Jahrhunderts mit einer geologischen<br />
Kartierung im Maßstab der Topographischen Karte M 1:25.000 begonnen, die noch heute den Rahmen<br />
der „Geologischen Karte GK 25“ darstellt; bisher sind jedoch noch nicht alle dieser Meßtischblätter für<br />
die Bundesrepublik Deutschland bearbeitet, wobei die Bearbeitung heute als Länderaufgabe durch die Geologischen<br />
Landesämter erfolgt. Daneben sind Übersichtskartierungen (GK von Nordrhein-Westfalen M<br />
1:100.000 und GK von Deutschland M 1:200.000) eingeführt (Gesamtübersicht für Deutschland s. Abb.<br />
5.1).<br />
Schließlich gibt es geologische Spezialkarten wie die Ingenieurgeologische Karte M 1:25.000 mit Darstellung<br />
der für das Bauwesen besonders interessanten oberflächennahen Verhältnisse bis ca. 5/10 m Tiefe,<br />
Hydrogeologische Karten M 1:25.000/1:50.000 mit Darstellung der Grundwasserverhältnisse etc. bis hin zu<br />
50
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Baugrundkarten M 1:5.000/10.000, die für einige Städte (z.B. Aachen) erarbeitet wurden. Für größere Projekte<br />
werden auch örtliche Spezialkartierungen angefertigt, die die speziellen geologischen Verhältnisse in<br />
der unmittelbaren Umgebung des entsprechenden Bauvorhabens darstellen.<br />
5.2 Erdgeschichte - Erdzeitalter<br />
Das derzeit bekannte Alter der Erde von ca. 4,8 Milliarden (4,8 * 10 9 ) Jahren ist bisher von der Geologie<br />
nur zu einem geringen Teil von der Stratigraphie (Beschreibung der Schichtenfolge) erforscht. Dabei unterscheidet<br />
man folgende Hauptperioden:<br />
• Präkambrium = Erdurzeit von ca. 3500 Millionen Jahren Dauer ohne größere Versteinerungen von<br />
Lebewesen<br />
• Paläozoikum = Erdaltertum von ca. 335 Mio Jahren Dauer mit einfachen Fossilien, Pflanzen,<br />
Reptilien<br />
• Mesozoikum = Erdmittelalter von ca. 160 Mio Jahren mit ersten Säugetieren, Sauriern, Vögeln etc.<br />
• Känozoikum = Erdneuzeitvon ca. 65 Mio. Jahren Dauer bis heute<br />
Das Präkambrium und damit die längste Zeit der Erdgeschichte liegt damit noch weitestgehend im Dunkeln;<br />
man faßt damit die Zeit der Entstehung des Grundgebirges in den lithologischen Platten zusammen. Erst gegen<br />
Ende dieser Phase hat sich eine Atmosphäre mit freiem Sauerstoff gebildet.<br />
Im Paläozoikum unterscheidet man folgende Einzelperioden (meist benannt nach Gegenden, in denen entsprechend<br />
datierte Sedimentgesteine vorgefunden wurden):<br />
• Kambrium (vor 570 - 500 Mio Jahren): Sedimentgesteine in Wales (röm. Cambrium) und Norwegen,<br />
erste Fossilien von niederen Pflanzen<br />
• Ordovizium (vor 500 - 440 Mio. Jahren)Baltischer Schild, Kaledonien/Schottland mit Auftreten erster<br />
Fische und früher Pflanzen<br />
51
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• Silur (vor 440 - 400 Mio. Jahren) fossilienreich von Pflanzen und Schalentieren, größere Panzerfische,<br />
Auffaltung des kaledonischen Gebirges mit Ausläufern bis nach Mitteleuropa innerhalb eines nordatlantischen<br />
Kontinents<br />
• Devon (vor 400 - 345 Mio. Jahren): es bilden sich mächtige Sedimentgesteine wie Schiefer, Sandstein,<br />
Grauwacken und Kalke, verbreitet tropisches Klima. Entwicklung erster Vierfüßler, erste Landflora.<br />
• Karbon (vor 345 - 280 Mio Jahren): Lebhafte Entfaltung der Pflanzenwelt in subtropisch-feuchtem Klima.<br />
Auffaltung u.a. des Rheinischen Schiefergebirges in der variskischen Gebirgsfaltung, die in Mitteleuropa<br />
als ca. 500 km breiter Faltengürtel das Meer zurückdrängte (Reste sind die heutigen Mittelgebirge);<br />
weltweite Bildung von Steinkohlenflözen, z.B. im Ruhrgebiet, Teutoburger Wald, Schlesien, Saarland,<br />
Belgien, England), aber auch anderer Sedimentgesteine wie Schiefer, Sandstein, Quarzite, Grauwacken.<br />
• Perm (vor 280 - 225 Mio. Jahren): anfangs Eiszeit-Klima, später Wüstenklima in Mitteleuropa. Bildung<br />
großer chemischer Sedimente (Steinsalz, Kalisalz, Gips) sowie Erdöl und Erdgas aus Faulschlamm.<br />
Die Sedimente des Mesozoikums sind in Deutschland noch vollständig vertreten. Hier differenziert man<br />
folgende Formationen:<br />
• Trias (vor 225 - 200 Mio. Jahren): germanische Trias, bestehend aus Buntsandstein (Hessen, Odenwald,<br />
Spessart, Weserbergland, meist Sandsteine) , Muschelkalk (Oberfranken und Thüringen, meist Kalke<br />
und Sandsteine) und Keuper (Thüringen, Franken Württemberg, meist Tone und Gips/Anhydrit); bis<br />
3000 m mächtige Sedimente im Alpenraum.<br />
• Jura (vor 200 Mio bis 145 Mio Jahren): Hochphase der Dinosaurierbesiedelung, erste Vögel. Lias/Schwarzjura<br />
(Tonsteine, Mergel), Dogger/Braunjura (Tone, Sandsteine, Eisenerze) und<br />
Malm/Weißjura (Kalkstein, Dolomit, z.B. Solnhofener Kalk = „Marmor“)<br />
• Kreide (vor 145 - 65 Mio. Jahren): weit verbreitete Meeresflächen (Transgression), Entstehung meist<br />
kalkiger Gesteine (Dover/England: Kreidecliffs; Rügen: Kreidefelsen, Nördl. Ruhrgebiet/Münsterländer<br />
Kreidebecken: sog. Emschermergel = toniger Kalkstein bzw. kalkig gebundener Tonstein, auch Essener<br />
Grünsand), aber auch Erze (Oberpfalz, Salzgitter). Beginn der Alpenauffaltung (alpidische Gebirgsbildung).<br />
52
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die erdgeschichtlich jüngsten Sedimente des Känozoikums bilden heute in den Tälern und im Tiefland die<br />
aktuelle Landschaft:<br />
• Tertiär (vor 65 - 1,8 Mio. Jahren): mit den auf der jeweiligen Fauna basierenden Unterformationen Paläozän,<br />
Eozän, Oligizän sowie Miozän und Pliozän; Rückzug des Meeres, Ablagerung von bis heute meist<br />
noch unverfestigten Sedimenten (Ton, Feinsand, Kiessand), mächtigen Braunkohlenflözen (Rheinland<br />
und Mitteldeutschland), Ablagerung von Molasse und Flysch (klastische Sedimente) im Alpenvorland.<br />
Starke tektonische Beanspruchung in der Erdkruste mit weiterer Auffaltung der Alpen, Pyrenäen, Karpaten,<br />
Kaukasus, Himalaya, Rocky Mountains und Anden/Kordilleren, daher auch begleitet durch intensiven<br />
Vulkanismus, u.a. im heutigen Deutschland (Eifel, Kaiserstuhl, Vogelsberg/Rhön, Hegau). Weltweite<br />
Abkühlung und Rückzug der Riffkorallen in Richtung Äquator.<br />
• Quartär (vor 1,8 Mio Jahren bis heute): Pleistozän/Diluvium (Eiszeitalter) mit Wechsellagerung von<br />
glazialen/nicht-glazialen Sedimenten (infolge von zyklischen Kaltzeiten/Interglazialstadien) und<br />
schließlich das Holozän/Alluvium (Warmzeit, vor 10.000 Jahren bis zur Jetztzeit).<br />
Pleistozän: großflächige Vergletscherung in Nordeuropa/Nordeuropa mit unterschiedlich weit reichenden<br />
Eisvorstößen nach Süden, gleichzeitig Vergletscherung von den Alpen her nach Norden; in Mittelund<br />
Süddeutschland eisfreie Zonen mit periglazialen Sedimentbildungen (die Ursache der Klimaschwankungen<br />
ist noch nicht geklärt); die Kaltzeiten werden wie folgt bezeichnet:<br />
Gegend Phase vor ca. Jahren<br />
600.000 470.000 230.000 110.000<br />
Süddeutschland Günz Mindel Riß Würm<br />
Norddeutschland Elbe Elster Warthe/Saale Weichsel<br />
Das letzte Rückzugsstadium der Vereisung begann ca. 15.000 bis 8.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung,<br />
seitdem hebt sich der skandinavische Schild unter der Entlastung kontinuierlich heraus. Die von den<br />
Gletschern (Ausschürfung von U-Tälern, z.B. in den Alpen/Seetäler in Oberitalien) transportierten Verwitterungsprodukte<br />
wurden ungeordnet in Moränen oder durch das Schmelzwasser klassiert abgelagert.<br />
Eiszeitliche Sedimente kommen durchweg nur als Lockergesteine vor (Sande, Kiese, Geschiebemergel,<br />
Geschiebelehme, aber auch nicht vorbelastete Tone in den Voralpen/Südnorwegen)<br />
53
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 5.1: Geologische Übersichtskarte von Deutschland [4]<br />
Bodenmechanik 1<br />
Das Holozän kann durchaus als Interglazialphase gedeutet werden, an die sich wieder eine Kaltzeit anschließen<br />
wird. In dieser Phase zieht sich das Meer im Ostseeraum durch Landhebung zurück (Regressi-<br />
54
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
on), während im Nordseeraum eine Transgression (Niederlande, Deutsche Bucht) vonstatten geht. Typische<br />
holozäne Sedimente sind Auelehm und rezente Sande.<br />
5.3 Literaturhinweise zu Abschnitt 1 - 5<br />
[1] Brinkmann/Zeil: Abriß der Geologie. Erster Band - Allgemeine Geologie. Enke-Verlag, Stuttgart<br />
(1984).<br />
[2] Fecker/Reik: Bau<strong>geologie</strong>. Enke-Verlag, Stuttgart (1982).<br />
[3] Klengel/Wagenbreth: Ingenieur<strong>geologie</strong> für Bauingenieure, 2. Auflage.<br />
[4] Henningsen: Einführung in die Geologie für Bauingenieure. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg,<br />
New York (1982).<br />
[5] Henningsen/Katzung: Einführung in die Geologie Deutschlands, 4. Auflage. Deutscher Taschenbuch<br />
Verlag DTV/Enke-Verlag, Stuttgart (1992).<br />
[6] Reinsch: Natursteinkunde - eine Einführung für Bauingenieure, Architekten. Denkmalpfleger und<br />
Steinmetze. Enke-Verlag, Stuttgart (1992).<br />
[7] Steinbach/Medenbach: Gesteine. Mosaik-Verlag, München (1987).<br />
[8] Schumann: Der neue BLV Steine- und Mineralienführer. 3. Aufl., BLV-Verlagsgesellschaft München/Wien/Zürich<br />
(1991)<br />
55
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
6 Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke<br />
6.1 Allgemeines<br />
Bodenmechanik 1<br />
Ein Bauwerk - Büro- oder Wohngebäude, Produktionshalle, Brücke, Tunnel, Turm usw. - soll gegründet<br />
werden. Es soll auch der Verfahrensablauf zur Herstellung der unterhalb der Geländeoberfläche befindlichen<br />
Bauwerksteile geklärt werden; gegebenenfalls sind Hilfsbauwerke, wie z. B. der Baugrubenverbau, zu<br />
konstruieren und zu bemessen. Für diese Bauaufgaben müssen<br />
• die Schichtung des Baugrundes (Ausdehnung, Tiefenlage, Mächtigkeit und Neigung der Schichten),<br />
• die Grundwasserverhältnisse (Tiefenlage des Grundwasserspiegels, Größe der Grundwasserschwankungen<br />
und des Grundwassergefälles) und<br />
• die bodenmechanischen Eigenschaften der einzelnen Bodenschichten (Zusammensetzung des Bodens,<br />
Festigkeit, Verformbarkeit, Durchlässigkeit)<br />
ausreichend bekannt sein, um insbesondere die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks<br />
sowie die Auswirkungen der Baumaßnahme sicher beurteilen zu können.<br />
Die Grundlagen der geotechnischen Untersuchungen für bautechnische Zwecke sind in der DIN 4020 [1]<br />
geregelt.<br />
6.2 Veranlassung und Durchführung geotechnischer Untersuchungen<br />
„Der Entwurfsverfasser hat den Bauherrn rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer geotechnischen Untersuchung<br />
hinzuweisen. Der Bauherr hat geotechnische Untersuchungen für den Entwurf rechtzeitig zu beauftragen<br />
und in der Regel einen Sachverständigen für Geotechnik zu beauftragen. Ergibt sich in der Ausführungsphase<br />
die Notwendigkeit, ergänzende geotechnische Untersuchungen auszuführen, so sind auch diese<br />
vom Bauherrn zu beauftragen.“ (Zitat aus [1])<br />
„Der Sachverständige für Geotechnik hat die erforderlichen Untersuchungen und Messungen zu planen, die<br />
fachgerechte Ausführung der Aufschlüsse sowie der Feld- und Laboruntersuchungen zu überwachen, die aus<br />
dem Aufschluß und Untersuchungsbefund sich ergebenden Folgerungen für Planung und Konstruktion zu<br />
ziehen und die Wechselwirkung zwischen den angetroffenen Baugrundverhältnissen einerseits und der Planung,<br />
Konstruktion und Bauausführung andererseits dem Bauherrn sowie ggf. dem Entwurfsverfasser und<br />
den Sachverständigen benachbarter Fachbereiche darzulegen. Er hat den geotechnischen Bericht zu erstel-<br />
56
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
len. Er muss fachkundig auf dem Gebiet der Geotechnik sein und Erfahrungen auf den jeweils angesprochenen<br />
Teilgebieten besitzen .“ (Zitat aus [1])<br />
„Der geotechnische Bericht ist die zusammenfassende Darstellung und Kommentierung der Ergebnisse aller<br />
geotechnischen Untersuchungen sowie der Folgerungen für das Bauwerk und für die Ausführung.“ (Zitat<br />
aus [1])<br />
Nach E DIN 4020 besteht eine gegenseitige Informationspflicht zwischen dem Entwurfsverfasser und dem<br />
Sachverständigen für Geotechnik.<br />
6.3 Die geotechnischen Kategorien<br />
Der Aufwand für die geotechnischen Untersuchungen ist je nach der Schwierigkeit von baulicher Anlage<br />
und Baugrund unter Berücksichtigung von sonstigen Randbedingungen festzulegen. Als Anhalt zur Beurteilung<br />
der „Schwierigkeit“ wird das Bauvorhaben einer der drei geotechnischen Kategorien zugeordnet, wobei<br />
sich aufgrund der nachfolgenden Untersuchungen ergeben kann, daß diese Einordnung berichtigt werden<br />
muß.<br />
Die geotechnischen Kategorien sind wie folgt definiert [1]:<br />
• Die geotechnische Kategorie 1 umfaßt einfache Bauwerke bei einfachen und übersichtlichen<br />
Baugrundverhältnissen, so daß die Standsicherheit aufgrund gesicherter Erfahrungen beurteilt werden<br />
kann.<br />
• Die geotechnische Kategorie 2 umfaßt Bauwerke und Baugrundverhältnisse mittleren Schwierigkeitsgrades,<br />
bei denen die Sicherheit zahlenmäßig nachgewiesen werden muß und die eine ingenieurmäßige<br />
Bearbeitung mit geotechnischen Kenntnissen und Erfahrungen verlangen.<br />
• Die geotechnische Kategorie 3 umfaßt Bauwerke oder Baugrundverhältnisse hohen Schwierigkeitsgrades,<br />
die zur Bearbeitung vertiefte geotechnische Kenntnisse und Erfahrungen auf dem jeweiligen Spezialgebiet<br />
der Geotechnik verlangen.<br />
Als Kriterien für diese Einstufung gelten [1]:<br />
• Art, Größe und Konstruktion der baulichen Anlage,<br />
• Geländeform und geologische Verhältnisse,<br />
• Grundwasser,<br />
57
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
• Erdbebengefährdung,<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• Einflüsse aus der Umgebung oder auf die Umgebung (z. B. Oberflächenwasser, offene Gewässer, Maßnahmen<br />
Dritter, Anschneiden eines Hanges).<br />
Die Einstufung richtet sich nach dem Kriterium, das den größen Schwierigkeitsgrad beschreibt. Die (vorläufige)<br />
Zuordnung des Bauvorhabens in eine der Kategorien nach den o. g. Kriterien erfolgt unter Hinzuziehen<br />
folgender Unterlagen:<br />
• Grundrisse und Schnitte des Bauwerks sowie Lastenpläne und Angaben zur Bauwerkskonstruktion.<br />
• Vorhadenes Kartenmaterial (geologische Karten, ingenieurgeologische Karten usw.) (siehe Kap. 5.1).<br />
• Ergebnisse einer Ortsbegehung des Standortes und seiner Umgebung.<br />
Beispiele für die o. g. Kriterien und der Zuordnung zu den Kategorien siehe Anhang A der E DIN 4020 [1].<br />
Bei der Festlegung von Art und Umfang der geotechnischen Untersuchungen des Baugrundes sind zusätzlich<br />
auch folgende Einflußmerkmale zu beachten:<br />
• Fragestellung (z. B. Voruntersuchung, Hauptuntersuchung siehe Kap. 6.4);<br />
• Möglichkeit der Baudurchführung (z. B. Baugrubenumschließung, Wasserhaltung; Zwischenlagerung<br />
von Aushub; Befahrbarkeit von Bau- und Zufahrtsstraßen);<br />
• Einschränkung technischer Untersuchungsmöglichkeiten;<br />
• Möglichkeit, während der Baudurchführung ergänzende geotechnische Untersuchungen durchzuführen<br />
bzw. Konstruktionsänderungen vorzunehmen.<br />
6.4 Arten der geotechnischen Untersuchungen<br />
Die geotechnischen Untersuchungen für Zwecke der Baustoffgewinnung und -verarbeitung (Boden als Baustoff<br />
für Dämme, Deiche, Dichtungen usw.) werden in der Vorlesung/Übung „Erdbau“ behandelt.<br />
• Voruntersuchung: geotechnische Untersuchungen von Boden und Fels für Standortwahl und Vorplanung<br />
eines Bauwerkes. Eine Voruntersuchung umfaßt:<br />
− die Sichtung und Bewertung vorhandener Unterlagen;<br />
− ein weitmaschiges Untersuchungsnetz;<br />
− die stichprobenhafte Feststellung von maßgebenden Baugrundkenngrößen und Eigenschaften.<br />
58
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• Hauptuntersuchung: geotechnische Untersuchungen für Entwurf, Ausschreibung und Baudurchführung<br />
sowie für Schadensanalysen. Eine Hauptuntersuchung umfaßt für Verhältnisse der geotechnischen Kategroie<br />
2 und 3:<br />
− Sichtung und Bewertung vorhandener Unterlagen;<br />
− Erkundung der Konstruktionsmerkmale und Gründungsverhältnisse von im Einflußbereich der<br />
Baumaßnahme liegenden baulichen Anlagen;<br />
− geologische Beurteilung, ggf. bei schwierigen Objekten oder schwierigen Baugrundverhältnissen<br />
geologische Detailuntersuchung;<br />
− direkte und indirekte Aufschlüsse, Feldversuche, Laboruntersuchungen;<br />
− ggf. Untersuchungen auf umweltrelevante Stoffe (siehe LV „Grundbau 3“);<br />
− erforderlichenfalls Probebelastungen, in Einzelfällen Probeausführung von Bauteilen mit<br />
Funktionsprüfung (z. B. Proberammungen) (siehe LV „Grundbau 1“);<br />
− hydraulische Feldversuche; Dichtheitsprüfungen (siehe VL „Grundbau 2“);<br />
− Messung vorgegebener Abläufe, wie Grundwasserschwankungen, Hangbewegungen usw.<br />
• Baubegleitende Untersuchung: Prüfungen, Messungen und Versuche einschließlich der geotechnischen<br />
Dokumentation, die während der Bauausführung zur Ergänzung der Hauptuntersuchungen, zur Überprüfung<br />
der vorausgesetzten Verhältnisse, zur Beobachtung des Verhaltens von Baugrund, Grundwasser<br />
und Bauwerk und zur Überprüfung der Tragfähigkeit von Gründungselementen ausgeführt werden.<br />
Meßmethoden und Meßverfahren werden umfänglich in der LV „Messen in der Geotechnik“ behandelt.<br />
• Überwachung von Baugrund und Bauwerk nach der Bauausführung: Sie dient der Kontrolle der Entwurfsvoraussetzungen<br />
sowie der Sicherheit des Bauwerks und von baulichen Anlagen in der Umgebung<br />
(z. B. Überwachungsmessungen bei Staumauern und Staudämmen). Meßverfahren werden in der LV<br />
„Messen in der Geotechnik“ behandelt.<br />
6.5 Bedeutung von geotechnischen Untersuchungen<br />
Die Bedeutung von geotechnischen Untersuchungen wird aus dem „Merkblatt für eilige Leser“ (Abb. 6.1)<br />
deutlich, das den „Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen [2] (1937) entnommen ist.<br />
59
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
6.6 Literatur<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 6.1: Merkblatt für eilige Leser (Quelle [2])<br />
Bodenmechanik 1<br />
[1] E DIN 4020 (August 2002): Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke.<br />
[2] Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen. Deutsche Gesellschaft für Bauwesen – Deutscher<br />
Ausschuß für Baugrundforschung. 2. erweiterte Auflage, 1937.<br />
60
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
7 Direkte Aufschlüsse<br />
7.1 Definition<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Aufschlüsse allgemein sind Mittel und Maßnahmen zur Feststellung von Art, Aufbau und Verbreitung des<br />
anstehenden Bodens und Fels, der Grundwasserverhältnisse sowie des Verhaltens von Boden und Fels bei<br />
Durchströmung (nach E DIN 4020 [1]).<br />
Als direkter Aufschluß wird ein natürlicher oder künstlicher Aufschluß bezeichnet, der eine Besichtigung<br />
von Boden oder Fels, die Entnahme von Boden- oder Felsproben sowie die Durchführung von Feldversuchen<br />
ermöglicht.<br />
7.2 Vorgegebene und einsehbare Aufschlüsse<br />
Bei der Ortsbegehung ist festzustellen, ob im Baubereich oder in dessen näherer (und weiterer) Umgebung<br />
bereits Aufschlüsse vorhanden sind (z. B. Böschungen an Bächen oder Flüssen, Straßeneinschnitte usw.).<br />
Die dort angetroffenen Boden- und Felsarten sind entsprechend DIN 4022, Teil 1 bis Teil 3 anzugeben.<br />
7.3 Schürfe, Untersuchungsschächte und -stollen<br />
Nach [3] „ist der Schurf, Untersuchungsschacht, Untersuchungsstollen ein künstlich hergestellter Aufschluß<br />
zur Einsichtnahme in den Baugrund, zur Entnahme von Proben und zur Durchführung von Feldversuchen.“<br />
Schürfe sind von der Oberfläche aus mit Hand oder maschinell (Baggerschurf) ausgehobene Gruben, Schlitze<br />
oder Schächte, in denen der anstehende Boden direkt in Augenschein genommen werden kann. Wirtschaftlich<br />
ist eine Schürfgrube nur bis zum Grundwasser oder bis in eine Tiefe von 2,0 m bis 3,0 m. Die<br />
Mindestbreite zur Entnahme von Bodenproben beträgt 0,75 m. Bei tieferen Schürfgruben sind diese zu verbauen.<br />
Begehbare Schürfe gestatten ein sicheres Erkennen der Boden- und Felsarten, ihrer Zusammensetzung, ihrer<br />
Schichtung usw. Es ist eine leichte und zuverlässige Entnahme von Proben und eine unmittelbare Prüfung<br />
von Boden und Fels an den Wandungen und auf der Sohle möglich. Schürfe sind insbesondere im Übergangsbereich<br />
vom Boden zum Fels zweckmäßig.<br />
61
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
7.4 Bohrungen<br />
7.4.1 Definition<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Nach [3] „ist die Bohrung ein Aufschluß, um Boden-, Fels- oder Wasserproben aus erreichbarer Tiefe zu<br />
entnehmen und um Untersuchungen im Bohrloch durchführen zu können bzw. sie zur Grundwassermeßstelle<br />
auszubauen.“ Das Bohrverfahren wird entsprechend den vermuteten Bodenverhältnissen und der für erforderlich<br />
gehaltenen Güteklasse der Bodenproben ausgewählt, wobei gegebenenfalls auch die im Bohrloch<br />
durchzuführenden Versuche berücksichtigt werden müssen.<br />
7.4.2 Anordnung und Tiefe der Aufschlußbohrungen (siehe [1])<br />
a) Art, Umfang und Anordnung der Aufschlüsse muß eine ausreichende Information über den räumlichen<br />
Verlauf der Schichten im Baugrund ermöglichen. Die Aufschlüsse werden im Raster oder in Schnitten<br />
angeordnet und häufig an Gebäudeecken und an Stellen hoher Bodenpressung durchgeführt. Bei Linienbauwerken<br />
(z. B. Straßendämme, Tunnel usw.) sind je nach Breite von Dammaufstandsflächen oder Einschnitten<br />
Aufschlüsse auch außerhalb der Bauwerksachse anzuordnen. Bei Baugruben sind Aufschlüsse<br />
auch außerhalb des Bauwerksgrundrisses vorzusehen.<br />
b) Als Richtwerte für die Abstände direkter Aufschlüsse können gelten (nach [1]):<br />
• bei einfachen Bauwerken und solchen mit kleiner Grundfläche verbunden mit einfachen<br />
Baugrundverhältnissen mindestens ein direkter Aufschluß;<br />
• bei Hoch- und Industriebauten ein Rasterabstand von 20 m bis 40 m;<br />
• bei großflächigen Bauwerken ein Rasterabstand von nicht mehr als 60 m;<br />
• bei Linienbauwerken (Landverkehrswege, Wasserstraßen, Leitungen, Deiche, Tunnel, Stützmauern)<br />
zwischen 50 m und 200 m;<br />
• bei Sonderbauwerken (z. B. Brückengründung, Schornsteinen, Maschinenfundamenten usw.) 2 bis 4<br />
Aufschlüsse je Fundament;<br />
• bei Staumauern, Staudämmen und Wehren Abstände zwischen 25 m bis 75 m in charakteristischen<br />
Schnitten.<br />
Bei schwierigen geologischen Verhältnissen oder zur Eingrenzung von Unregelmäßigkeiten sind geringere<br />
Abstände oder eine größere Anzahl von Aufschlüssen erforderlich. Dagegen darf bei sehr gleichförmigen<br />
geologischen Verhältnissen ein größerer Abstand oder eine geringere Anzahl von Aufschlüssen<br />
gewählt werden.<br />
62
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
c) Die Aufschlußtiefe za muß alle Schichten, die durch das Bauwerk beansprucht werden, erfassen. Für<br />
Baugruben im Grundwasser sowie bei Fragen der Wasserhaltung ist die Aufschlußtiefe außerdem auf<br />
die hydrologischen Verhältnisse abzustimmen. Die Ebene, ab der za gemessen wird, ist die Bauwerksoder<br />
Bauteilunterkante bzw. die Aushubsohle. Im Regelfall kann von folgenden Erkundungstiefen ausgegangen<br />
werden (bei Alternativen gilt der jeweils größere Wert):<br />
• bei Hochbauten und Ingenieurbauten gilt allgemein, daß za um so größer gewählt werden muß, je<br />
größer die Bodenpressung, je größer die Bauwerks- bzw. Fundamentbreite, je unregelmäßiger geschichtet<br />
und je zusammendrückbarer der Baugrund ist. Im übrigen kann konkret angenommen werden:<br />
z a<br />
F<br />
a<br />
≥ 3,<br />
0 ⋅ b und z ≥ 6,<br />
0m<br />
mit bF = kleinere Fundamentseitenlänge<br />
• bei Plattengründungen und bei Bauwerken mit mehreren Gründungskörpern, deren Einfluß sich in<br />
tieferen Schichten überlagert:<br />
z ⋅<br />
a ≥ 1,<br />
5 b B<br />
mit bB = kleinere Bauwerkseitenlänge<br />
• Erdbauwerke<br />
− Damm: 0, 8 h ≤ z a ≤1,<br />
2 ⋅ h<br />
⋅ und za ≥ 6 m<br />
h = maximale Dammhöhe<br />
− Einschnitt: za ≥ 2 m und z a ≥ 0,<br />
4 ⋅ h<br />
• Linienbauwerke:<br />
h = maximale Einschnitttiefe<br />
− Landverkehrsweg: za ≥ 2,0 m unter Aushubsohle<br />
− Kanal und Leitung: za ≥ 2,0 m unter Aushubsohle<br />
• Hohlraumbauten: 1, 0 b Ab < z a < 2,<br />
0 ⋅ b Ab<br />
• Baugruben<br />
und z a ≥ 1,<br />
5⋅<br />
b Ah<br />
(bAh = Aushubbreite)<br />
⋅ (bAb = Ausbruchbreite)<br />
− Grundwasserspiegel liegt unter der Baugrubensohle:<br />
z a<br />
z a<br />
≥ 0,<br />
4⋅<br />
h (h = Baugrubentiefe)<br />
≥ t + 2,<br />
0 (t = Einbindetiefe der Baugrubenwand unterhalb der Baugrubensohle)<br />
63
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
− Grundwasserspiegel liegt über der Baugrubensohle:<br />
z a<br />
≥ 1,<br />
0 ⋅ H + 2,<br />
0 m und ≥ t + 2,<br />
0 m<br />
z a<br />
wenn bis zu diesen Tiefen kein Grundwasserhemmer erreicht wird:<br />
≥ t + 5 m<br />
z a<br />
H = Höhe des Grundwasserspiegels über der Baugrubensohle<br />
t = Einbindetiefe der Baugrubenwand unterhalb der Baugrubensohle<br />
Bodenmechanik 1<br />
Weitere Angaben auch zu anderen Bauwerksarten siehe [1]. Bei ungünstigen geologischen Verhältnissen,<br />
wie bei tiefliegenden, wenig tragfähigen oder stark zusammendrückbaren Schichten, sind größere<br />
Untersuchungstiefen zu wählen. Bei Fels darf ggf. die Untersuchungstiefe bei Hochbauten, Erdbauwerken<br />
und Linienbauwerken auf za = 2 m ermäßigt werden (siehe [1]).<br />
Ein Teil der direkten Aufschlüsse darf durch indirekte Aufschlüsse (Kap. 8) ersetzt werden, wenn das<br />
für die indirekten Aufschlüsse gewählte Verfahren auch die erforderliche Aufschlußtiefe erreicht. Zusätzliche<br />
Aufschlüsse zur Verdichtung des Erkundungsnetzes dürfen auch geringere Tiefen aufweisen.<br />
7.4.3 Technische Ausführung von Bohrungen in Böden<br />
In [3] sind in einer Übersicht die Bohrverfahren für Lockerböden und im Fels zusammengestellt und ihre<br />
Eignung für verschiedene Boden- bzw. Felsarten und die erreichbare Güteklasse der Bodenprobe angegeben.<br />
Die Bohrlöcher sind im Lockergestein und im nachbrüchigen Fels fortlaufend zu verrohren, um zu verhindern,<br />
daß sie ganz oder auch nur teilweise zusammenfallen oder Boden aus der Bohrlochwand nachfällt.<br />
Beim Bohren im Grundwasser sind der Durchmesser der Verrohrung, der Durchmesser des Bohrwerkzeuges<br />
und der Wasserstand im Bohrrohr so einzustellen, daß kein Bodeneintrieb in das Bohrrohr auftritt. Nach<br />
Abschluß der Bohrung und aller Messungen sind die Bohrlöcher im Lockergestein gleichzeitig mit dem Ziehen<br />
der Verrohrung mit einem dem anstehenden Baugrund entsprechenden Material zu verfüllen (insbesondere<br />
müssen Grundwassersperrschichten wieder hergestellt werden).<br />
Das Verrohrungs-Rohr wird in den Boden eingedrückt und durch Hin- und Herdrehen nach unten gebracht.<br />
Bei großen Bohrtiefen sind teleskopierbare Rohre zu verwenden.<br />
Das Bohrgerät besteht aus Bohrgerüst, Seilwinde, Verrohrungsrohren, Bohrgestänge (sofern drehend gebohrt<br />
wird) bzw. Rammeinrichtung (sofern schlagend gebohrt wird) und dem eigentlichen Bohrwerkzeug<br />
64
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
sowie Hilfsgeräten. Das gesamte Bohrgerät ist meist auf einem LKW montiert bzw. mit einem Rad- oder<br />
Raupenfahrwerk versehen. Folgende Bohrverfahren sind zu unterscheiden:<br />
a) Verfahren mit durchgehender Gewinnung gekernter Proben:<br />
• Rotationskernbohrung:<br />
Das Bohrwerkzeug hat als Bohrkrone (Abb. 7.1) einen Zahn-, Hartmetall- oder Diamantkronenbesatz<br />
und bohrt drehend, meist mit Spülhilfe, einen (Boden- oder) Gesteinskern, der bei bestimmter Länge<br />
abgebrochen wird und im Kernrohr gefördert wird. Das Bohrgestänge (mit kleinerem Durchmesser)<br />
wird am Kopf des Kernrohres aufgeschraubt.<br />
Abb. 7.1: Bohrkronen und Kernrohrtypen für Rotations-Kernbohrungen (Quelle [8])<br />
a) Oberflächenbesetzte Diamantkrone<br />
b) Bohrkrone mit Hartmetallsplittern<br />
c) Bohrkrone mit Hartmetalleinsätzen<br />
d) Einfachkernrohr<br />
e) Doppelkernrohr mit mitdrehendem Innenrohr<br />
f) Doppelkernrohr mit feststehendem Innenrohr<br />
Bei einer „orientierten“ Bohrung wird eine Pilotbohrung mit kleinem Durchmesser vorab so ausgeführt,<br />
daß die Verbindungslinie des Mittelpunktes des Bohrkern mit der Pilotbohrung nach Norden<br />
65
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
zeigt. Hierdurch kann der gewonnene Gesteinsbohrkern in die geometrisch korrekte Lage ausgerichtet<br />
werden (wichtig für die Bestimmung der Streichrichtung von Trennflächen; siehe Kap. 7.6).<br />
• Seilkernbohrung:<br />
Das Außenrohr mit Bohrkrone geht mit konstantem Durchmesser<br />
bis zur Geländeoberfläche. Das (selbstständige)<br />
Kernrohr kann mit einem am Seil hängenden Fänger (ohne<br />
Ausbau des Außenrohres) geborgen werden.<br />
• Rammkernbohrungen:<br />
Bei bindigen Böden und rolligen Böden oberhalb des<br />
Grundwasserspiegels kann durch Schlagen (Rammen) oder<br />
Drücken ein „Kernrohr“ eingebracht werden, wodurch ein<br />
„durchgehender Bohrkern“ gewonnen wird. Durch das Einbringen<br />
des Kernrohres (Abb. 7.2) ist der Boden innerhalb<br />
des Kernrohres etwas gestaucht.<br />
b) Verfahren mit durchgehender Gewinnung nicht gekernter Proben:<br />
• Drehbohren mit Gestänge und Teller- oder Spiralbohrern<br />
oder mit Schappe (Abb. 7.3):<br />
Abb. 7.2: Rammkernbohrgerät<br />
Nach dem Eindrehen des Bohrers wird der Boden mit dem<br />
(Quelle [4])<br />
nicht drehenden Bohrgestänge herausgehoben. Der Boden<br />
wird hierbei, auf der Schneide liegend, gefördert. Anwendbar in rolligen Böden oberhalb des<br />
Grundwassers und bei bindigen Böden.<br />
• Schlagbohrung (Stauchbohrung):<br />
Der am Seil hängende Bohrer wird angehoben und fallengelassen, wodurch sich der Bohrer mit<br />
Bohrgut füllt. Das Bohrgerät ist ein Ventilbohrer (auch Schlamm- oder Kiesbüchse genannt) (Abb.<br />
7.4). Ventilbohrer werden bei Sand und Kies unterhalb des Grundwassers eingesetzt.<br />
• Greiferbohrung:<br />
Der an einem Seil hängende Zwei- oder Mehrschalenbohrlochgreifer löst und fördert das Bohrgut.<br />
66
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 7.3: Drehbohrgerät (Quelle [4])<br />
a) Tellerbohrer<br />
b) Spiralbohrer<br />
c) Schappe<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 2.5: Ventilbohrer (Quelle [4]) Abb. 2.6: Flachmeißel (Quelle [4])<br />
c) Bohrverfahren mit Gewinnung unvollständiger Bodenproben:<br />
• Rotationsspülbohrung (Rotary-Bohrung):<br />
Schneid- bzw. Rollenmeißel lösen das Material, das durch Spülung zutage gefördert wird. Es ist keine<br />
eindeutige Probengewinnung möglich, daher nicht für Baugrundaufschlüsse geeignet.<br />
• Meißelbohrung (Bohrhindernisbeseitung) mit Hilfsspülung:<br />
Harte Schichten und Steine können mit Hilfe eines Meißels (Abb. 7.5) zerkleinert und so durchörtert<br />
werden. Das zerkleinerte Material wird trocken gefördert oder auch ausgespült.<br />
67
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
7.4.4 Kleinbohrverfahren in Böden<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Kleinbohrungen können mit geringem Geräteaufwand durchgeführt werden; sie liefern nur kleine Probenmengen,<br />
die zwar bei geeigneten Untergrundverhältnissen die Schichtenfolge erkennen lassen, für bodenmechanische<br />
Untersuchungen aber häufig unzureichend sind. Die Abb. 7.6 gibt eine Übersicht über diese<br />
Bohrverfahren.<br />
Abb. 7.6: Kleinbohrverfahren in Böden (Quelle [3])<br />
68
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
7.4.5 Kleinstbohrungen<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Kleinstbohrungen sind Bohrungen, die mit einem Enddurchmesser ≤ 30 mm hergestellt werden.<br />
Ein Beispiel für ein Kleinstbohrgerät ist der Sondierbohrer. Der Sondierbohrer (Stahlstange mit Längsnut,<br />
auch Schlitzsonde genannt) wird mit einem Hammer oder kleinem Rammgerät in den Boden geschlagen;<br />
nach Herumdrehen wird die Sondierstange gezogen und der in der Nut befindliche Boden beurteilt.<br />
7.4.6 Bohrprotokoll und Darstellung der Bohrergebnisse<br />
Über die Bohrung ist nach DIN 4022 [2] ein Protokoll (Schichtenverzeichnis) zu führen, in das der Bohrmeister<br />
Tiefe und Mächtigkeit der Schichten, die Benennung (= Zuordnung eines Namens nach der jeweiligen<br />
stofflichen Zusammensetzung) und Beschreibung (Eigenschaften und Unterscheidungsmerkmale) der<br />
Schichten, die Entnahme von Bodenproben usw. einträgt. Die Methoden zur „Ansprache der Schichten“, d.<br />
h. die Methoden zum Erkennen der einzelnen Bodenarten, werden in DIN 4022, Teil 1, beschrieben. Näheres<br />
ist dort nachzulesen.<br />
Die Bohrprotokolle werden im Labor anhand der Bodenproben überprüft. Das Bohrergebnis wird zeichnerisch<br />
mit sog. Bohrprofilen dargestellt. Vereinbarung über Symbole, Farben, Zeichen usw. siehe DIN 4023<br />
[5].<br />
7.4.7 Abschließende Bemerkung<br />
Die Bohrungen sind im Gelände nach Lage und Höhe des Bohransatzpunktes sorgfältig zu vermessen.<br />
Bei den üblichen Aufschlußbohrungen nach Kap. 7.4.3 b) können die Schichtgrenzen mit einer Genauigkeit<br />
von etwa ± 10 cm bis ± 25 cm festgestellt werden. Feinschichtungen sind infolge des Bohrvorganges nicht<br />
feststellbar. Bei der Rammkernbohrung (nach Kap. 7.4.3 a)) ist die Genauigkeit größer, auch können Feinschichtungen<br />
erkannt werden, da die Rammkerne im Labor längs aufgeschnitten und ausgemessen werden<br />
können.<br />
Hinsichtlich der Beobachtung des Grundwassers in Aufschlußbohrungen und hinsichtlich des Ausbaus von<br />
Bohrungen zu Grundwassermeßstellen wird auf die Lehrveranstaltung „Grundbau 2“ verwiesen.<br />
69
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
7.5 Probengewinnung<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Aus Schürfen und bei der Bohrung sind laufend Bodenproben zu nehmen. Je nach Art der Entnahme und des<br />
Zustandes der Proben unterscheidet man nach DIN 4021 [3] fünf Güteklassen (Abb. 7.7).<br />
Abb. 7.7: Güteklassen von Bodenproben (Quelle [3])<br />
70
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
a) Entnahme von Bodenproben aus einem Schurf:<br />
Aus der Sohle, der Abtreppung oder aus der Wand des Schurfes sind gestörte Proben (siehe b) oder Sonderproben<br />
(siehe d) mit dem Entnahmezylinder nach Abb. 7.8 zu entnehmen.<br />
Abb. 7.8: Entnahme von Sonderproben aus Schürfen mit dem Stechzylinder (Quelle [3])<br />
71
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
b) Gestörte Bodenproben (= Güteklasse 3 bis 5) werden aus dem Boden entnommen, der beim Bohrvorgang<br />
gewonnen wird. Die Proben sind mehr oder weniger durchgeknetet und vermischt. Sie gestatten eine<br />
geologische Beurteilung und Benennung der Bodenarten sowie die Ermittlung gewisser Kennzahlen<br />
(siehe Abb. 7.7).<br />
Probenzahl: Bei jedem Schichtwechsel, mindestens aber jedem Meter ist eine Probe zu entnehmen.<br />
Die Entnahmetiefe ist zu vermerken. Die Proben sind in luftdicht (Vermeidung von Wasserverdunstung)<br />
verschlossenen Behältern (meist Kunststoffdosen von 1 l Inhalt) aufzubewahren,<br />
eindeutig zu kennzeichnen und im bodenmechanischen Labor zu beurteilen.<br />
c) Bei Verfahren mit durchgehender Gewinnung gekernter Proben aus Boden oder Fels sind diese in ganzer<br />
Länge in Kernkisten zu lagern. Sofern die Kerne aus Böden nicht in Entnahmezylindern oder Schläuchen<br />
vor dem Austrocknen geschützt werden, sind aus ihnen Einzelproben auszuwählen und in luftdicht<br />
abschließbare Behälter zu füllen. Der anstehende Leerraum ist in der Kernkiste freizuhalten und ebenso<br />
wie die Einzelprobe zu kennzeichnen.<br />
d) Sonderproben (= ungestörte Proben = Güteklasse 1 und 2) sind Proben in natürlicher Lagerung und mit<br />
natürlichem Wassergehalt. Die Entnahme erfolgt mit besonderen Geräten (z. B. Abb. 7.9 und Abb.<br />
7.10), für deren Einsatz der Bohrvorgang unterbrochen wird. Sonderproben werden in der Regel aus<br />
bindigen oder organischen Schichten entnommen. Im allgemeinen ist die Entnahme mindestens einer<br />
Sonderprobe aus jeder bindigen Schicht je Bohrung angebracht. Die Entnahmegeräte für Sonderproben<br />
aus Bohrungen sind in [3] ausführlich beschrieben.<br />
Bei festen Böden und solchen mit gröberen Einschlüssen sind dickwandige, offene Entnahmegeräte<br />
einzusetzen. Bei breiigen und weichen, bindigen und organischen Böden sind dünnwandige<br />
Kolbenentnahmegeräte (Abb. 7.10) geeignet.<br />
Die Sonderprobe muß aus dem ungestörten Boden unterhalb der Verrohrung entnommen werden. Nach<br />
dem Säubern der Bohrlochsohle wird das Entnahmegerät eingedrückt oder eingerammt. Die Probe wird<br />
im Entnahmezylinder in das Labor gebracht, nachdem die Endflächen gegen Austrocknen, Auflockern<br />
oder Rutschen im Entnahmezylinder gesichert wurden.<br />
e) In der Regel sind aus den Bohrungen auch Grundwasserproben zu entnehmen, insbesondere zur Untersuchung<br />
auf betonangreifende Inhaltsstoffe. Näheres hierzu siehe [3] und [6].<br />
72
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 7.9: Dünnwandiges, offenes Entnahmegerät<br />
für Sonderproben aus Bohrlöchern (Quelle<br />
[3])<br />
Bodenmechanik 1<br />
73<br />
Abb. 7.10: Dünnwandiges Kolbenentnahmegerät zur<br />
Entnahme von Sonderproben aus Bohrlöchern<br />
bei weichen Böden (Quelle [3]
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
7.6 Erkundung des Trennflächengefüges<br />
7.6.1 Bedeutung des Trennflächengefüges<br />
Bodenmechanik 1<br />
Das mechanische Verhalten (Festigkeit, Verformbarkeit) von Festgestein (Bauen auf oder im Fels, z. B.<br />
Staumauer, Tunnel, Brückengründung usw.) wird nicht durch die Festigkeit des Gesteins (z. B. einaxiale<br />
Druckfestigkeit eines zylindrischen Sandstein-Probekörpers), sondern durch das (häufig systematisch angeordnete)<br />
„Trennflächengefüge“ bestimmt.<br />
Trennflächen sind (siehe Lehrveranstaltungsteil „Geologie“)<br />
• Schichtflächen in Sedimentgesteinen (Materialwechsel),<br />
• Kluftflächen (Trennflächen infolge Faltung, d. h. tektonische Beanspruchung oder infolge Abkühlung<br />
eines magmatischen Gesteins ohne wesentliche trennflächenparallele Relativverschiebungen) und<br />
• Störungen (Störflächen) mit gegenseitiger Relativverschiebung.<br />
Die (statistische) Erfassung des „Trennflächengefüges“ (insbesondere Kluftflächen treten häufig in zwei oder<br />
drei Richtungen systematisch auf) beinhaltet u. a.<br />
• die Bestimmung der geometrischen Lage der Trennflächen (Abb. 7.11) im Raum durch Messung<br />
− des Fallens (Fallwinkel β) und<br />
− des Streichens (Streichwinkel α oder Winkel der Einfallrichtung αF; letzteres ist heute üblich);<br />
• die Ermittlung des Kluft- bzw. Schichtflächenabstandes und des Durchtrennungsgrades,<br />
• die Feststellung der Beschaffenheit der Trennfläche, z. B. des Verwitterungsgrades, der Öffnungsweite<br />
der Trennfläche, der Oberflächenrauhigkeit sowie ggf. der Eigenschaften der Kluftfüllung.<br />
7.6.2 Streichen und Fallen<br />
Mit dem „Streichen und Fallen“ wird die Lage der als Ebene gedachten Trennfläche im Raum angegeben<br />
(siehe Abb. 7.11). Hierzu wird auf die Trennfläche (gedanklich) eine Höhenlinie (Gerade, da die Trennflä-<br />
che eine Ebene ist) und senkrecht hierzu eine Fall-Linie gezeichnet. Das „Streichen“ ist der Winkel α (0 ≤ α<br />
≤ 360°), den die Höhenlinie mit der Nord-Richtung bildet (daher wird zur Messung des Streichens ein Kom-<br />
paß verwendet). Heute wird vielfach statt α der Winkel der Einfallrichtung αF angegeben. Dieser gibt den<br />
Winkel zwischen der Nordrichtung und der in die Horizontale projezierten Fall-Linie an.<br />
Das „Fallen“ ist der Winkel β (0 ≤ β ≤ 90°), den die Fall-Linie mit der Horizontalen bildet.<br />
74
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 7.11: Definition von Streichen und Fallen sowie Einmessen einer Trennfläche mit dem Gefügekompaß<br />
(Quelle [8])<br />
Der Geologe (Ingenieurgeologe)mißt mit dem Gefügekompaß (nach Clar) in natürlichen oder künstlichen<br />
(Baggerschurf) Aufschlüssen, d. h. dort wo die Felsoberfläche sichtbar und zugänglich ist, an möglichst vielen<br />
Stellen das Streichen und Fallen und wertet die Meßergebnisse statistisch aus (z. B. mit dem Schmidtschen<br />
Netz, das hier nicht behandelt wird).<br />
Aus der geologischen Karte kann das Streichen und Fallen der wichtigsten Trennflächen entnommen werden,<br />
weil an einigen Stellen die in den Grundriß projizierte Höhen- und Fall-Linie eingezeichnet ist, wobei<br />
der Fallwinkel β angegeben ist.<br />
7.7 Literatur<br />
[1] DIN 4020 - Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke.<br />
75
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
[2] DIN 4022 - Benennen und Beschreiben von Boden und Fels.<br />
Teil 1: Schichtenverzeichnis für Bohrungen ohne durchgehende Gewinnung von gekernten Proben<br />
im Boden und im Fels;<br />
Teil 2: Schichtenverzeichnis für Bohrungen im Fels (Festgestein);<br />
Teil 3: Schichtenverzeichnis für Bohrungen mit durchgehender Gewinnung von gekernten Proben<br />
im Boden (Lockergestein);<br />
[3] DIN 4021 - Aufschluß durch Schürfe und Bohrungen sowie Entnahme von Proben.<br />
[4] Simmer: Grundbau 1. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />
[5] DIN 4023 - Baugrund und Wasserbohrungen. Zeichnerische Darstellung der Ergebnisse.<br />
[6] DIN 4030 - Beurteilung betonangreifender Wässer, Böden und Gase<br />
Teil 1: Grundlagen und Grenzwerte<br />
Teil 2: Entnahme und Analyse von Wasser- und Bodenproben.<br />
[7] Schlutze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. 2. Auflage. Springer Verlag.<br />
[8] Wittke, W. (1984): Felsmechanik. Springer Verlag, Berlin,Heidelberg, New York.<br />
[9] Möller, G. (1998): Geotechnik – Teil 1: Bodenmechanik. Werner Verlag, Düsseldorf.<br />
[10] Beuth-Kommentare (2001): Erkundung und Untersuchung des Baugrundes. Beuth Verlag GmbH,<br />
Berlin.<br />
76
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
8 Indirekte Aufschlüsse<br />
8.1 Allgemeines<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Indirekte Aufschlüsse ermöglichen durch Korrelation zwischen physikalischen Meßgrößen und boden- bzw.<br />
felsmechanischen Kenngrößen Rückschlüsse auf den Baugrund. Hierunter fallen vor allem Sondierungen<br />
und geophysikalische Untersuchungen (letztere werden in der LV „Messen in der Geotechnik“ behandelt).<br />
Ramm- und Drucksondierungen geben Hinweise auf qualitative Eigenschaften wie Schichtgrenzen, Hindernisse<br />
und Hohlräume. Sondierergebnisse lassen andererseits Schlüsse auf die Lagerungsdichte nichtbindiger<br />
Böden und auf die Zustandsform bindiger Böden sowie in gewissem Umfang auf die Scherfestigkeit und die<br />
Zusammendrückbarkeit der Böden zu. Sondierungen, insbesondere Drucksondierungen, liefern Daten für die<br />
Abschätzung der Tragfähigkeit von Pfählen und von Flachgründungen.<br />
Sondierungen sind ausführlich in der DIN 4049, Teile 1 bis 4 ([2] bis [5]) geregelt.<br />
8.2 Drucksondierungen (CPT = Cone Penetration Test)<br />
Bei der Drucksondierung wird eine Sonde mit definierter Spitze (siehe DIN 4094 – Teil 1) mit gleichbleibender<br />
Geschwindigkeit in den Boden gedrückt, wobei der Spitzenwiderstand qc am Kegel der Meßspitze,<br />
die lokale Mantelreibung fs an einer Reibungshülse am Schaft der Meßspitze, die Abweichung der Spitze<br />
von der Lotrechten und die Sondiergeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Sondiertiefe gemessen wird.<br />
Das Drucksondiergerät besteht aus einer Sondenspitze (Abb. 8.1), dem Gestänge, einer Eindrückvorrichtung<br />
und dem Meß- und Registriergerät. Mit der Sondierspitze kann ggf. auch der Porenwasserdruck u gemessen<br />
werden.<br />
Die Ergebnisse können zur Feststellung der Schichtenfolge im Vergleich mit einer Schlüsselbohrung (Bohrung<br />
in unmittelbarer Nähe einer Sondierung), zur Beurteilung der anstehenden Bodenarten, zur Verdichtungskontrolle<br />
usw. verwendet werden.<br />
Folgende geotechnische Kenngrößen können aus einer Drucksondierung abgeleitet werden:<br />
• Lagerungdichte D bzw. ID;<br />
• Reibungswinkel ϕ nichtbindiger Böden;<br />
• Steifemodul Es;<br />
• undränierte Scherfestigkeit cu.<br />
77
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Im Anhang der DIN 4094-1 sind derartige Korrelationen als vorsichtig geschätzte Beziehungen angegeben;<br />
Beispiel siehe Abb. 8.2.<br />
Abb. 8.1: Schema einer Sondenspitze mit Porenwasserdruckmessung; Tabelle der Sondenarten (Quelle [2])<br />
78
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 8.2: Zusammenhang zwischen dem Spitzenwiderstand der Drucksonde und dem Reibungswinkel für<br />
enggestufte Sande (Quelle [2])<br />
8.3 Bohrlochrammsondierungen – BDP (Borehole dynamik probing)<br />
Es handelt sich um eine Sondierung im Bohrloch, die von der (momentan erreichten) Bohrlochsohle aus über<br />
eine definierte Eindringtiefe rammend durchgeführt wird. Dabei befindet sich die Schlagvorrichtung<br />
unmittelbar über der Sonde im Bohrloch (Abb. 8.3). Meßwert ist die Anzahl der Schläge N30, die erforderlich<br />
sind, um die Sonde von 15 cm Eindringtiefe auf 45 cm Eindringtiefe zu bringen.<br />
79
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 8.3: Gerät für die Bohrlochrammsondierung (Quelle [3])<br />
Bodenmechanik 1<br />
Nach dem Reinigen der Bohrlochsohle wird die Sonde auf der Bohrlochsohle aufgesetzt. Es wird die Anzahl<br />
der Schläge gezählt für eine Eindringung von 0 auf 15 cm, von 15 cm auf 30 cm und von 30 cm auf 45 cm.<br />
Die Summe der beiden letzten Schlagzahlen (d. h. für die Eindringung von 15 cm auf 45 cm) ist der Meßwert<br />
N30. Die Bohrlochrammsondierung dient einerseits zur Beurteilung der Gleichmäßigkeit bzw. Ungleichmäßigkeit<br />
des in der entsprechenden oder in anderen Bohrung angetroffenen Baugrundes. Andererseits<br />
können aus den Ergebnissen der Bohrlochrammsondierung geotechnische Kenngrößen als Berechnungsparameter<br />
für bautechnische Zwecke ( z. B. Gründungsbemessung) abgeleitet werden (wie bei der<br />
Drucksondierung). In der DIN 4094-2 [3] sind Korrelationsbeziehungen zwischen dem Ergebnis einer Bohrlochrammsondierung<br />
und einer Drucksondierung oder einer Rammsondierung angegeben.<br />
80
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
8.4 Rammsondierung<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Eine Rammsonde mit definierter Spitze wird senkrecht in den Boden mit einem Rammbären bei gleich bleibender<br />
Fallhöhe eingerammt, wobei die Schlagzahl N10 für eine definierte Eindringtiefe (je 10 cm) ermittelt<br />
wird.<br />
Es werden unterschieden:<br />
• Leichte Rammsonde (Abb. 8.4) (DPL = Dynamik Probing Light):<br />
Spitzenquerschnitt 10 cm 2<br />
• Schwere Rammsonde (DPH = Dynamik Probing Heavy): Spitzenquerschnitt<br />
15 cm 2<br />
• Überschwere Rammsonde (DPG = Dynamic Probing Giant): Spitzenquerschnitt<br />
20 cm 2 .<br />
Eine qualitative Auswertung einer Rammsondierung gestattet<br />
• die Beurteilung der Gleichmäßigkeit bzw. Ungleichmäßigkeit des<br />
Baugrundes oder einer Schüttung;<br />
• die Erkundung besonders lockerer oder fester Zonen oder Schichten,<br />
z. B. Auffüllungsbereiche oder Felshorizonte;<br />
• die Beurteilung des Verdichtungserfolges durch Vergleich der Eindringwiderstände<br />
„vorher“ zu „nachher“ oder mit Vorgabe eines<br />
Sollwertes.<br />
Abb. 8.4: Leichte Rammsonde<br />
(Quelle [6])<br />
In kohäsionslosen Böden können geotechnische Kenngrößen als Berechnungsparameter für bautechnische<br />
Zwecke (z. B. Gründungsbemessung) aus den Ergebnissen von Rammsondierungen hergeleitet werden. Im<br />
Anhang zur DIN 4094-3 sind derartige Beziehungen, z. B. in der Form der Abb. 8.2, angegeben.<br />
8.5 Flügelsondierung (Flügelversuche)<br />
Das Flügelschergerät besteht aus dem Flügel (Abb. 8.5), dem Gestänge, einer Drehvorrichtung und aus einer<br />
Meßeinrichtung zur Erfassung des Drehmomentes und eventuell zusätzlich des Drehwinkels.<br />
81
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 8.5: Flügel (Quelle [5])<br />
Bodenmechanik 1<br />
Ausgehend von der Bohrlochsonde ist der Flügel bis zur vorgesehenen Untersuchungstiefe mit gleichmäßiger<br />
Geschwindigkeit (bis 2 cm/sec) in den Boden einzudrücken. Wegen möglicher Störungen muß die Oberkante<br />
des Flügels mindestens 0,3 m unter der Bohrlochsohle liegen. Der Flügel wird mit konstanter Drehgeschwindigkeit<br />
(ca. 0,1°/sec bis 0,5°/sec) bis zum Abscheren des zylindrischen Bodenkörpers gedreht. Das<br />
Drehmoment und ggf. der Drehwinkel werden gemessen. Danach wird der Flügel mit einer Geschwindigkeit<br />
von mindestens 10°/sec mindestens zehnmal gedreht. Dann wird in einer erneuten Messung die Restscherfestigkeit<br />
gemessen. Aus dem maximalen Drehmoment Mmax [kN . m] wird der maximale Scherwiderstand c<br />
[kN/m 2 ] gerechnet:<br />
max<br />
3 ( 7 ⋅ π D )<br />
c = M ⋅ 6 / ⋅<br />
(für H/D = 2 nach Abb. 8.5).<br />
Gegebenenfalls sind an die Scherfestigkeit c noch Korrekturfaktoren anzubringen (siehe DIN 4094-4).<br />
82
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
8.6 Literatur<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
[1] Simmer: Grundbau 1. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />
[2] DIN 4094-1: Felduntersuchungen; Teil 1: Drucksondierungen.<br />
[3] DIN 4094-2: Felduntersuchungen; Teil 2: Bohrlochrammsondierung.<br />
[4] DIN 4094-3: Felduntersuchungen; Teil 3: Rammsondierungen.<br />
[5] DIN 4094-4: Felduntersuchungen; Teil 4: Flügelscherversuche.<br />
Bodenmechanik 1<br />
[6] Möller, G. (1998): Geotechnik – Teil 1: Bodenmechanik. Werner Verlag Düsseldorf.<br />
83
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
9 Laborversuche zur Klassifizierung des Bodens<br />
9.1 Der Boden als Dreiphasengemisch<br />
Bodenmechanik 1<br />
Nachfolgende Überlegungen gelten nur für anorganische (mineralische) Böden und nicht für organische Böden<br />
(Faulschlamm und Torf), ebenso nicht für Fels. Es werden einige physikalische Eigenschaften des Bodens<br />
behandelt, die seiner Beschreibung dienen und die Rückschlüsse auf sein Verhalten zulassen, wenn in<br />
den Baugrund Lasten aus einem Bauwerk eingeleitet werden.<br />
Die für die Verwendung des Bodens als Baustoff (für Dämme, Abdichtungen usw.) maßgebenden<br />
Eigenschaften und die Versuche zur Bestimmung der zugehörigen Kennwerte werden in der<br />
Lehrveranstaltung „Erdbau“ behandelt.<br />
Ein Bodenvolumen V (Abb. 9.1) enthält feste Bestandteile und mit Luft und/oder mit Wasser gefüllte Poren.<br />
Der Boden ist ein „Dreiphasengemisch“. Zur besseren Beschreibung wird ein „Bodenmodell“ geschaffen<br />
(Abb. 9.1) in dem die einzelnen „Phasen“ gedanklich getrennt werden („Einschmelzen“ der festen Bestandteile<br />
zu Vk).<br />
Abb. 9.1: Modell des Dreiphasengemisches „Boden“<br />
Anhand der Abbildung 9.1 werden folgende Kennwerte definiert:<br />
• Porenanteil n = Vo/V (n = Porenvolumen/Gesamtvolumen) (0 ≤ n ≤ 1; Anhaltswert: 0,2 < n < 0,4) oder<br />
Porenzahl e = Vo/Vk (e = Porenvolumen/Kornvolumen) (0 ≤ e ≤ ∞; Anhaltswert 0,25 < e < 0,67)<br />
n ⋅ V = e ⋅ V folgt n = e/(1+e) oder e = n/(1-n)<br />
aus k<br />
• Wassergehalt: w = mw/mk<br />
Anmerkung: In der Bodenmechanik ist der Wassergehalt das Verhältnis von Wassermasse zu Feststoffmasse.<br />
In anderen Wissensgebieten (z. B. Agrartechnik) wird der Wassergehalt auch als Volumenverhältnis<br />
definiert.<br />
84
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
• Sättigung (Sättigungsgrad): Sr = Vw/Vo = nw/n = w/wmax<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die spezifische Wichte bzw. die spezifische Dichte der am Dreiphasengemisch beteiligten Stoffe werden<br />
wie folgt angesetzt:<br />
• Wasser: γw = 10 kN/m 3 ; ρw = 1 g/cm 3<br />
• Luft: γL = 0 kN/m 3 ; ρL = 0 g/cm 3<br />
• Korn: 26,0 ≤ γs ≤ 27,0 kN/m 3 ; 2,6 ≤ ρs ≤ 2,7 g/cm 3<br />
Für die Gewichtskraft Gk bzw. die Masse mk des Korns wird auch Gd bzw. md geschrieben (d = dry). Mit obigen<br />
Definitionen und spezifischen Wichten bzw. spezifischen Dichten läßt sich die Wichte [kN/m 3 ] bzw.<br />
die Dichte [g/cm 3 ] des Bodens angeben (siehe Tabelle).<br />
Symbol Bezeichnung Formel Anhaltswerte<br />
γd Trockenwichte ⋅ ( 1 − n)<br />
ρd Trockenwichte ⋅ ( 1 − n)<br />
γ Wichte oder Feuchtwichte ⋅ ( 1 − n)<br />
⋅ ( 1 + w)<br />
γ 15 ÷ 18 kN/m s<br />
3<br />
ρ 1,5 ÷ 1,8 g/cm s<br />
3<br />
γ 18 ÷ 22 kN/m s<br />
3<br />
ρ Dichte oder Feuchtdichte ⋅ ( 1 − n)<br />
⋅ ( 1 + w)<br />
ρ 1,8 ÷ 2,2 g/cm s<br />
3<br />
γr Sättigungswichte γ ⋅( 1 − n) + n⋅γ<br />
22 ÷ 23 kN/m 3<br />
s w<br />
ρr Sättigungsdichte<br />
s ( ) w<br />
γ′ Wichte unter Auftrieb ( − γ ) ⋅ ( 1 − n)<br />
ρ′ Dichte unter Auftrieb ( − ρ ) ⋅ ( 1 − n)<br />
Der maximale Wassergehalt des Bodens berechnet sich zu:<br />
max<br />
w max<br />
k<br />
o<br />
w<br />
( γ s ⋅ Vk<br />
) = e ⋅ γ w / s<br />
w = G / G = V ⋅ γ /<br />
γ<br />
9.2 Bestimmung der Korndichte ρs<br />
ρ ⋅ 1 − n + n ⋅ γ 2,2 ÷ 2,3 g/cm 3<br />
γ 10 ÷ 12 kN/m s w<br />
3<br />
ρ 1,0 ÷ 1,2 g/cm s w<br />
3<br />
Die Korndichte ρs ist die Rohdichte der festen Einzelbestandteile (Körner) des Bodens. Sie wird bestimmt<br />
als das Verhältnis<br />
ρ s = m d / Vk<br />
[g/cm 3 ]<br />
85
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
md = Trockenmasse der festen Einzelbestandteile des Bodens nach Trocknung bei 105°C<br />
Vk = Volumen der festen Einzelbestandteile<br />
Die Korndichte wird in der Regel mit dem Kapillarpyknometer bestimmt (siehe [2]).<br />
9.3 Bestimmung des Wassergehaltes<br />
Der Wassergehalt w einer Bodenprobe ist das Verhältnis der Masse des im Boden vorhandenen Wasser mw,<br />
das bei einer Temperatur von 105°C verdampft, zur Masse md der trockenen Probe: w = mw/md.<br />
( m f m d ) / m d<br />
w −<br />
= mit mf = Masse des feuchten Bodens.<br />
Die Bestimmung des Wassergehaltes erfolgt im Labor durch Ofentrocknung bei 105°C (DIN 18121-1) oder<br />
durch Schnellverfahren (Infrarotstrahler oder Mikrowelle oder Luftpyknometer usw. nach DIN 18121-2).<br />
Aus obiger Gleichung folgt md bei bekanntem Wassergehalt w zu<br />
m d f<br />
( 1 + w)<br />
= m / .<br />
9.4 Beschreibung der festen Bestandteile<br />
9.4.1 Allgemeines<br />
Die festen Bodenbestandteile sind entweder organischer (meist faserig) oder anorganischer (rund oder plättchenförmig)<br />
Natur. Nachfolgend werden nur anorganische Böden betrachtet. Die Benennung eines<br />
(anorganischen) Bodens erfolgt nach der „Korngrößenverteilung“ seiner festen Bestandteile.<br />
Bodenteilchen mit 0,002 mm ≤ d ≤ 60 mm werden als Körner angesprochen. Die Form und die Größe der<br />
Körner wird bestimmt durch den Mineraltyp und die geologische Geschichte. Für bodenmechanische Zwecke<br />
erfolgt zunächst eine Klassifikation nach der Korngröße.<br />
Vor allem die festen Bestandteile von Ton (d ≤ 0,002 mm; d ≤ 2 µm) haben plättchenförmige Struktur. Die<br />
Feldspäte zerfallen bei der Verwitterung in winzig kleine, polygonal berandete Scheiben. Typische Tonminerale<br />
sind Kaolinit, Montmorillonit und Illit.<br />
86
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
9.4.2 Korngrößenverteilung und deren Bedeutung<br />
a) Definition der Korngrößenverteilung<br />
Ein Punkt der Körnungslinie bzw. Sieblinie (Abb. 9.2) gibt an:<br />
Bodenmechanik 1<br />
• wieviel Gewichtsprozent der festen Bestandteile eines Bodens so groß sind, daß sie nicht durch ein<br />
Sieb bestimmter Maschenweite bzw. mit bestimmtem Lochdurchmesser hindurchgehen (% Siebrückstand)<br />
bzw.<br />
• wieviel Gewichtsprozent der festen Bestandteile eines Bodens so klein sind, daß sie durch ein Sieb<br />
bestimmter Maschenweite bzw. mit bestimmtem Lochdurchmesser hindurchfallen (% Siebdurchgang).<br />
Abb. 9.2: Kornverteilung<br />
Die betreffende Maschenweite bzw. der Lochdurchmesser wird dem Korndurchmesser (Korngröße d<br />
[mm]) der festen Bestandteile gleichgesetzt.<br />
b) Einteilung der Lockergesteine<br />
Die nachfolgend verwendete Einteilung der Lockergesteine in nichtbindige (rollige) und bindige Böden<br />
dient der einfachen Unterscheidung in der Baupraxis. Soweit eine genauere Einteilung erforderlich ist, z.<br />
87
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
B. bei der Festlegung von Bodenkenngrößen, ist die Bodenklassifikation nach DIN 18196 [5] (siehe LV<br />
„Erdbau“) in Verbindung mit den Angaben in DIN 4022 [4] maßgebend.<br />
• Böden wie Sand, Kies und Steine und ihre Mischungen werden als nichtbindig (rollig) bezeichnet,<br />
wenn der Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm weniger als 5 % beträgt. Dem<br />
entsprechen die grobkörnigen Böden nach DIN 18196.<br />
• Zu den nichtbindigen Böden zählen in der Regel auch gemischtkörnige Böden mit einem<br />
Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm von 5% bis 15 %. Die gemischtkörnigen<br />
Böden werden den nichtbindigen Böden zugeordnet, wenn der Feinkorn-Massenanteil das plastische<br />
Verhalten des Bodens (siehe Kap. 9.6) nicht bestimmt.<br />
• Tone, tonige Schluffe und Schluffe sowie ihre Mischungen mit nichtbindigen Böden werden als<br />
bindig bezeichnet, wenn der Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm größer ist als<br />
40 %. Dem entsprechen die feinkörnigen Böden nach DIN 18196.<br />
• Zu den bindigen Böden zählen in der Regel auch gemischtkörnige Böden mit einem Massenanteil<br />
der Bestandteile mit Korngrößen unter 0,06 mm von 15 % bis 40 %. Die gemischtkörnigen Böden<br />
werden den bindigen Böden zugeordnet, wenn der Feinkorn-Massenanteil das plastische Verhalten<br />
des Bodens (siehe Kap. 9.6) bestimmt.<br />
c) Bezeichnung des Bodens in Bohrprofilen<br />
Die meisten grobkörnigen Böden sind ein Gemisch verschiedener Korngrößenbereiche. Dann wird der<br />
Hauptbestandteil mit einem Hauptwort bzw. mit einem der Bodenart entsprechenden Großbuchstaben<br />
bezeichnet. Nebenbestandteile werden durch nachgestellte Eigenschaftswörter, z. B. „Feinkies, mittelsandig,<br />
schwach grobsandig“ bzw. entsprechenden Kleinbuchstaben: fG, ms, gs gekennzeichnet.<br />
Die Einteilung der Böden nach den Gesichtspunkten der Lösbarkeit und Verarbeitbarkeit wird in der LV<br />
„Erdbau“ besprochen.<br />
d) Kennzahlen der Korngrößenverteilung:<br />
Ungleichförmigkeitsgrad U = d60/d10:<br />
U < 5: gleichförmiger Boden<br />
5 ≤ U ≤ 15: ungleichförmiger Boden<br />
U > 15: sehr ungleichförmiger Boden<br />
Der Ungleichförmigkeitsgrad beschreibt die Steilheit der Kornverteilungskurve.<br />
88
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und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• Sieblinienkrümmung Cc = d 2 30/(d60 . d10): Die Sieblinienkrümmung wird in DIN 18196 als Krümmungszahl<br />
Cc bezeichnet. Mit U1 und Cc werden die grobkörnigen Böden nach DIN 18196 weiter<br />
unterteilt (siehe nachfolgende Tabelle):<br />
Benennung Kurzzeichen U Cc<br />
eng gestuft E < 6 beliebig<br />
weit gestuft W ≥ 6 1 bis 3<br />
intermittierend gestuft I ≥ 6 < 1 oder > 3<br />
• Wirksame oder maßgebende Korngröße: Einige Eigenschaften des Bodens (z. B. Durchlässigkeit,<br />
Filterfestigkeit usw.) lassen sich mit einem kennzeichnenden (wirksamen) Korndurchmesser in Verbindung<br />
bringen, z. B. d10 = Korndurchmesser bei 10 Gew. % Siebdurchgang ist für die Durchlässigkeit<br />
des Bodens maßgebend.<br />
e) Zweck der Korngrößenverteilung:<br />
1. Benennung der Bodenarten, um die Identität oder Verschiedenartigkeit von Böden festzustellen<br />
(Übertragung von Erfahrungen).<br />
2. Häufig ist ein Rückschluß aus der Kornverteilung auf verschiedene Eigenschaften des Bodens möglich,<br />
z. B.: auf die Wasserdurchlässigkeit, die Filterfestigkeit, die Frostgefährdung, die Verdichtbarkeit,<br />
die Injektionsfähigkeit, die Scherfestigkeit, die Zusammendrückbarkeit usw.<br />
9.4.3 Ermittlung der Korngrößenverteilung<br />
a) Für Böden mit d ≥ 0,063 mm: Siebanalyse einer bei 105 o C getrockneten Bodenprobe (siehe DIN 18123<br />
[6]). Enthält der Boden auch Anteile von Korngrößen d < 0,063 mm, wird die Korngrößenverteilung der<br />
groben Bestandteile durch Siebung nach nassem Abtrennen der Feinteile ermittelt.<br />
b) Für Böden mit 0,001 < d < 0,125 mm: Bestimmung der Korngrößenverteilung durch Sedimentation<br />
(Schlämmanalyse) (siehe DIN 18123 [6]). Die Grundlagen der Schlämmanalyse sind:<br />
• das Stokesche Gesetz, das angibt, mit welcher Geschwindigkeit Kugeln mit der Wichte γs und dem<br />
Durchmesser d in einer Flüssigkeit mit der Viskosität η absinken (γw = Wichte der Flüssigkeit):<br />
89
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
v =<br />
( γ γ )<br />
− ⋅d<br />
18⋅<br />
η<br />
s w<br />
2<br />
;<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• die Gleichung zur Ermittlung der Wichte einer Suspension: eine Flüssigkeit, in der feste Partikel der<br />
Wichte γs mit dem Gesamtgewicht Gk aufgeschlämmt werden (Suspension) hat die Wichte:<br />
( V − G / γ )<br />
G k + G w G k +<br />
k s ⋅ γ w<br />
γ sus = =<br />
→<br />
V<br />
V<br />
G<br />
k<br />
V ⋅<br />
=<br />
1 − γ<br />
( γ − γ )<br />
• die Wichte der Suspension kann mit einem Aräometer über den von der Suspension bewirkten Auftrieb<br />
gemessen werden. Der Meßwert des Aräometers wird der Wichte der Suspension an der Stelle<br />
des Auftriebsschwerpunktes des Aräometers zugeordnet;<br />
• die Voraussetzung, daß die festen Bestandteile (Bodenkörner) im Ausgangszustand, d. h. zu Beginn<br />
der Aräometeranalyse, völlig gleichmäßig in der Suspension verteilt sind.<br />
c) Die Bodenprobe wird mit Wasser zu einer gleichmäßigen Suspension aufgerührt und diese in einem<br />
Standzylinder sich selbst überlassen. Je nach Korngröße sinken die Körper unterschiedlich schnell ab.<br />
Hierdurch verändert sich im Laufe der Zeit die Verteilung der Korngröße in der Suspension und damit<br />
auch deren Wichte über die Höhe des Standzylinders. Die Wichte wird nach festgelegten Zeiten mit dem<br />
Aräometer gemessen und hieraus auf die Massenanteile der verschiedenen Korngrößen geschlossen.<br />
Durchführung der Schlämmanalyse und Auswertung siehe [6].<br />
9.5 Porenraum<br />
9.5.1 Allgemeines<br />
Die Größe des Porenraumes eines nichtbindigen Bodens hat maßgeblichen Einfluß auf einige Eigenschaften<br />
des Bodens. Je größer der Porenraum des Bodens, um so<br />
− größer ist die Zusammendrückbarkeit (kleine Steifeziffer) des Bodens,<br />
− kleiner ist die Scherfestigkeit (kleiner Reibungswinkel) des Bodens,<br />
− größer ist der Verschiebungsweg zur Erzeugung des Erdwiderstandes,<br />
− größer ist die Durchlässigkeit des Bodens gegenüber Wasser.<br />
sus<br />
w<br />
/ γ<br />
s<br />
w<br />
90
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
9.5.2 Lagerungsdichte D, bezogene Lagerungsdichte ID<br />
Bodenmechanik 1<br />
Nach DIN 18126 [7] wird der Porenanteil n eines nichtbindigen Bodens in Beziehung zu den Porenanteilen<br />
max n bei lockerster und min n bei dichtester Versuchslagerung dieses Bodens gesetzt:<br />
max n−n Lagerungsdichte: D =<br />
max n−min n<br />
Wird mit der Porenzahl e gearbeitet, gilt entsprechend:<br />
bezogene Lagerungsdichte: I<br />
D =<br />
max e−e maxe−min e<br />
Die Zahlenwerte von D und ID stimmen nur für die Grenzwerte 0 und 1 überein.<br />
Verdichtungsfähigkeit: If = (max e - min e)/min e<br />
D < 0,15: sehr lockere Lagerung<br />
0,15 < D < 0,30: lockere Lagerung<br />
0,30 < D < 0,50: mitteldichte Lagerung<br />
D > 0,50: dichte Lagerung.<br />
9.5.3 Lockerste und dichteste Versuchslagerung<br />
Die Zustände der sog. lockersten und dichtesten Versuchslagerung sind keine physikalisch definierten<br />
Zustände. Sie werden vielmehr durch eine genormte Vorgehensweise nach DIN 18126 [7] erhalten. Die<br />
Dichte (Porenanteil min n) bei dichtester (Versuchs-) Lagerung wird in einem Versuchszylinder bestimmt,<br />
in dem die ofentrockene Probe unter festgelegter Belastung auf einem Rütteltisch bei einer bestimmten<br />
Frequenz und Amplitude eingerüttelt wird. Das Einrütteln kann bei reinem, nicht zu feinkörnigem Sand auch<br />
mit einer Schlaggabel vorgenommen werden, mit der durch Schlagen an der Außenwand eines<br />
Versuchszylinders die lagenweise eingebaute Probe unter Wasser verdichtet wird. Für die Bestimmung der<br />
Dichte (Porenanteil max n) bei lockerster (Versuchs-) Lagerung wird die ofentrockene Probe bei<br />
feinkörnigem Boden mit einem Trichter, bei gröberen Körnungen mit einer Kelle oder Handschaufel so<br />
locker wie möglich in einen Versuchszylinder eingebaut.<br />
91
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
9.5.4 Messung des Porenanteils n<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Zur Berechnung der Lagerungsdichte muß neben max n und min n auch der im nichtbindigen Boden am betrachteten<br />
Untersuchungspunkt vorhandene Porenanteil n bekannt sein. Hierzu wird am Untersuchungspunkt<br />
eine Probe entnommen. Bestimmt werden hierbei:<br />
• Volumen der Probe (Ausstechzylinder oder Ersatzmethoden (siehe LV „Erdbau“)),<br />
• Feuchtmasse der Probe mf,<br />
• Trockenmasse der Probe md nach Ofentrocknung.<br />
Bekannt ist das Volumen der Bodenprobe V (z. B. das Volumen des Entnahmezylinders). Hieraus ergibt<br />
sich:<br />
V0<br />
V−<br />
V<br />
n = =<br />
V V<br />
ρs = Korndichte<br />
k<br />
V − m<br />
=<br />
V<br />
d<br />
/ ρ<br />
s<br />
Die Ermittlung der Lagerungsdichte ist auch mit indirekten Aufschlüssen (Sondierungen) möglich.<br />
9.6 Die plastischen Eigenschaften feinkörniger Böden<br />
9.6.1 Zustandsgrenzen nach Atterberg<br />
a) Definition<br />
Wird einer festen Probe bindigen Erdstoffes (geringer Wassergehalt) Wasser zugegeben, das durch<br />
Knetarbeit in den Boden eingearbeitet wird, so geht die Probe mit steigendem Wassergehalt vom festen<br />
in den halbfesten, dann in den plastischen und schließlich in den flüssigen Zustand („Konsistenz“) über.<br />
Es werden Grenzen zwischen den Zuständen („Konsistenzgrenzen“) definiert, wobei als Maßzahl für<br />
diese Grenzen der Wassergehalt dient, bei dem die Bodenprobe eine ganz bestimmte (definierte) Eigenschaft<br />
hat:<br />
steif<br />
fest halbfest plastisch (bildsam) weich flüssig<br />
breiig<br />
Schrumpf- Ausroll- Fließ-<br />
grenze ws grenze wp grenze wL<br />
92
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
b) Bestimmung des Wassergehaltes an der Fließgrenze<br />
Der Wassergehalt wL an der Fließgrenze wird meist mit dem Gerät nach A. Casagrande bestimmt (Abb.<br />
9.3) (DIN 18122, Blatt 1 [8]):<br />
Ein Boden befindet sich an der Fließgrenze, wenn sich die mit einem definierten Spatel (in dem in die<br />
Schale eingebauten Boden) gezogene Furche nach 25maligem Fallenlassen der Schale aus 10 mm Höhe<br />
auf einer Länge von 10 mm wieder geschlossen hat.<br />
c) Bestimmung des Wassergehaltes an der Ausrollgrenze<br />
Der Wassergehalt wp an der Ausrollgrenze ist erreicht, wenn der Boden beim Ausrollen zu 3 mm dicken<br />
Walzen zu zerbröckeln beginnt. Der Boden ist dann nicht mehr plastisch (knetbar) (siehe DIN 18122,<br />
Blatt 1).<br />
d) Bestimmung der Schrumpfgrenze<br />
Wird ein bindiger Boden mit hohem Wassergehalt getrocknet, so vermindert sich sein Volumen weitgehend<br />
linear mit dem Wassergehalt (der Boden schrumpft). Hat der Wassergehalt die Schrumpfgrenze<br />
(ws) erreicht, hört die Volumenverminderung auf. An der Schrumpfgrenze tritt bei vielen Böden ein<br />
Farbumschlag vom Dunklen zum Hellen auf (siehe DIN 18122, Blatt 2).<br />
9.6.2 Abgeleitete Kennzahlen<br />
Die Plastizitätszahl Ip ist der Unterschied zwischen Fließ- und Ausrollgrenze:<br />
Ip = wL - wp<br />
Konsistenz-Zahl: I<br />
c<br />
wL−w wL−w = =<br />
w − w I<br />
L p<br />
Die Liquiditätszahl ist = − = ( − )<br />
I 1 I w w / I<br />
L c p p<br />
Der Bereich zwischen wL und wp wird unterteilt in:<br />
p<br />
Ic von 0 bis 0,5 von 0,5 bis 0,75 von 0,75 bis 1,0<br />
Zustandsform breiig weich steif<br />
IL von 1,0 bis 0,5 von 0,5 bis 0,25 von 0,25 bis 0<br />
93
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 9.3: Gerät zur Bestimmung der Fließgrenze (Quelle [7])<br />
94
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
In der DIN 1054 (Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau) ist für bindige Böden der aufnehmbare Sohldruck<br />
unter Streifenfundamenten in Abhängigkeit von der Gründungstiefe, der Fundamentbreite und der<br />
Konsistenz (steif, halbfest und fest) des Bodens angegeben.<br />
Als Orientierungswerte für die Größenordnung von wL und wp mögen folgende Angaben dienen:<br />
Erdstoff wL [%] wp [%] Ip [%] Bereich von Ip [%]<br />
Schluff/Löss 25 20 5 2 ÷ 10<br />
Lehm/magerer Ton 40 25 15 10 ÷ 25<br />
fetter Ton 80 30 50 25 ÷ 75<br />
org. Böden 250 150 100 -<br />
Bei der Bodenklassifikation feinkörniger Böden werden die „plastischen Eigenschaften“ anhand der Fließgrenze<br />
wL und der Plastitzitätszahl Ip = wL - wp mit der sog. „A-Linie“ des Plastizitätsdiagramms (Abb. 9.4)<br />
beschrieben. Hiernach werden Tone und Schluffe unterschieden in:<br />
Benennung Kurzzeichen wL [%]<br />
leicht plastisch L kleiner 35 %<br />
mittelplastisch M 35 % bis 50 %<br />
ausgeprägt plastisch A über 50 %<br />
Abb. 9.4: Plastizitätsdiagramm zum Benennen von Bodenarten (Quelle [5])<br />
95
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
9.7 Bestimmung von Bodenbeimengungen<br />
9.7.1 Glühverlust<br />
Bodenmechanik 1<br />
Als Glühverlust wird der prozentuale Gewichtsverlust einer trockenen Probe beim Glühen bezeichnet. Der<br />
Glühverlust gibt näherungsweise den Anteil an organischen Substanzen an. Ein Erdstoff mit einem Glühverlust,<br />
der die mechanischen Eigenschaften beeinflußt, heißt organisch. Organische Bodenarten sind z. B.:<br />
− Torf: Pflanzenreste mit Schluff bzw. Sand; Glühverlust > 20 %<br />
− Faulschlamm: Rest von Tieren mit Schluff oder Sand; Glühverlust > 20 %<br />
− Klei: Ton oder Schluff und/oder Sand mit Pflanzen oder Tierresten; Glühverlust > 5 %.<br />
Die Bestimmung der Glühverlust ist in der DIN 18128 [9] geregelt.<br />
9.7.2 Kalkgehalt<br />
Der Kalkgehalt ist das Gewicht des im Boden enthaltenen Kalziumcarbonats, bezogen auf das Feststoffgewicht<br />
der Bodenprobe. Man stellt den Kalkgehalt qualitativ durch Beträufeln der Probe mit verdünnter Salzsäure<br />
fest:<br />
− kein Aufbrausen: ≤ 1 %<br />
− schwaches Aufbrausen: ca. 1 % bis 2 %<br />
− deutliches Aufbrausen: ca. 2 % bis 4 %<br />
− starkes Aufbrausen: über ca. 5 %.<br />
Eine quantitative Bestimmung des Kalkgehaltes kann mit dem Apparat von Scheibler (Gasometer) erfolgen.<br />
Dieser Versuch wird hier nicht erläutert. Der Kalkgehalt erleichtert die geologische Zuordnung eines zu<br />
untersuchenden Bodens. Die Bestimmung des Kalkgehaltes ist in der DIN 18129 [10] beschrieben.<br />
9.8 Schlußbemerkung<br />
Für die Verwendung eines Bodens als Baustoff ist der Proctorversuch bedeutsam. Er wird in der Lehrveranstaltung<br />
„Erdbau“ ausführlich erläutert. Ein weiterer wichtiger bodenmechanischer Kennwert ist der Was-<br />
96
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
serdurchlässigkeitskoeffizient. Auf seine Bestimmung in Labor- und Feldversuchen wird in der Lehrveranstaltung<br />
„Grundbau 2“ eingegangen.<br />
9.9 Literaturhinweise<br />
[1] Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. Zweite Auflage. Springer Verlag.<br />
[2] DIN 18124: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Korndichte.<br />
[3] DIN 18121: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben.<br />
Wassergehalt: Teil 1: Bestimmung durch Ofentrocknung.<br />
Teil 2: Bestimmung durch Schnellverfahren.<br />
[4] DIN 4022: Benennung und Beschreibung von Boden und Fels.<br />
[5] DIN 18196: Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke.<br />
[6] DIN 18123: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Korngrößenverteilung.<br />
[7] DIN 18126: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Dichte nichtbindiger Böden<br />
bei lockerster und dichtester Lagerung.<br />
[8] DIN 18122: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben.<br />
Zustandsgrenzen: Teil 1: Bestimmung der Fließ- und Ausrollgrenze.<br />
Teil 2: Bestimmung der Schrumpfgrenze.<br />
[9] DIN 18128: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung des Glühverlustes.<br />
[10] DIN 18129: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Kalkgehaltsbestimmung.<br />
97
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
10 Druck- und Zeitsetzungsverhalten des Bodens<br />
10.1 Allgemeines<br />
Bodenmechanik<br />
Die ständigen und nicht ständigen Lasten eines neu errichteten Bauwerks belasten den Baugrund zusätzlich<br />
gegenüber dem bisherigen Spannungszustand. Da der Boden je nach seiner Beschaffenheit mehr oder weniger<br />
zusammendrückbar ist, wird das Bauwerk Setzungen erfahren. Grundlage zur Berechnung (besser Schätzung)<br />
der voraussichtlichen Setzungen (Setzungs-Prognose) ist die Kenntnis des Drucksetzungsverhaltens<br />
des Bodens.<br />
10.2 Der eindimensionale Kompressionsversuch<br />
10.2.1 Definition<br />
Im eindimensionalen Kompressionsversuch (Oedometer-Versuch) wird eine zylindrische Probe in Richtung<br />
ihrer Achse stufenweise belastet und entlastet. Die axialen Verformungen werden dabei beobachtet; radiale<br />
Verformungen werden durch einen starren Ring verhindert.<br />
10.2.2 Kompressionsapparat<br />
Ein Bodenelement ist im Untergrund durch seine Nachbarelemente mehr oder weniger unnachgiebig gestützt.<br />
Um diese Verhältnisse im Laborversuch in etwa zu simulieren, wird eine seitliche Dehnung der Bo-<br />
denprobe durch einen (starren) Stahlring (siehe Abb. 10.1) unterbunden (εx = εy = 0).<br />
Ursache für die Zusammendrückbarkeit des Bodens ist eine Verminderung des Porenvolumens, da die festen<br />
Bestandteile (Körner) durch die beim Versuch aufgebrachten Spannungen ihr Volumen nicht vermindern.<br />
Luft bzw. Wasser, das in den Poren ist, muß in dem Umfang entweichen können, wie sich das Porenvolumen<br />
vermindert. Die Probe wird daher auf der oberen und unteren Fläche durch eine luft- und wasserdurchlässige<br />
„Filterplatte“ abgeschlossen (Filterstein). Zur Vermeidung einer Schrumpfung der Probe durch Austrocknung<br />
wird sie während des Versuches unter Wasser gesetzt.<br />
98
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
Abb. 10.1: Schematische Darstellung des Kompressionsapparaters(Quelle [3])<br />
a) schwebend angeordneter Ring<br />
b) feststehend angeordneter Ring<br />
10.2.3 Versuchsdurchführung<br />
Obwohl für die Druck-Setzungsversuche „ungestörte“ Bodenproben (Bodenprobe der Güteklasse 1) verwendet<br />
werden, wird hier zunächst der Versuchsablauf an einer durchgekneteten bindigen Bodenprobe erläutert,<br />
deren Wassergehalt eine weiche Konsistenz bewirkt. Nach dem Aufbringen einer ersten Laststufe<br />
wird die Probe zusammengedrückt, wobei die Zusammendrückung zeitlich verzögert abläuft. Die Geschwindigkeit<br />
der Zusammendrückung nimmt ab, bis sie langsam gegen Null geht (Abb. 10.2), d. h. die Zusammendrückung<br />
(Setzung) erreicht einen Endwert unter dieser Laststufe. Die Endsetzung wird theoretisch<br />
nach unendlich langer Zeit, im Labor praktisch nach etwa 24 Stunden, erreicht.<br />
99
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 10.2: Zeit-Setzungs-Verlauf<br />
Bodenmechanik<br />
Würde der gleiche Versuch mit einem nichtbindigen (rolligen) Boden durchgeführt, würden nach Abb. 10.3<br />
folgende Unterschiede festgestellt:<br />
Endsetzungsmaß<br />
Setzungsverlauf<br />
nichtbindig bindig<br />
kleine Setzung<br />
große Setzung<br />
Setzung tritt sofort bei Setzung tritt zeitlich ver-<br />
Lastaufbringung ein zögert ein<br />
Abb. 10.3: Vergleich des Setzungsverhaltens eines nichtbindigen und eines bindigen Erdstoffes<br />
100
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
Nachfolgend wird nur noch das Last- und Zeitsetzungsverhalten bindiger Bodenarten behandelt. Nach Erreichen<br />
der Endsetzung (z. B. nach ca. 24 Stunden) wird eine neue Laststufe aufgebracht und wieder der zeitliche<br />
Verlauf der Setzung gemessen (Abb. 10.4).<br />
Beobachtung: Wird die Last in konstanten Laststufen gesteigert, nimmt das Endsetzungsmaß pro Laststufe<br />
mit größer werdender Last ab, der Boden wird mit steigender Last steifer (Abb. 10.4). Daher<br />
werden die Laststufen nach einer geometrischen Reihe gewählt, z. B. 16,25 kN/m 2 / 32,50 /<br />
65,0 / 130,0 / 260,0 / 520,0 kN/m 2 .<br />
Abb. 10.4: Zeitlicher Verlauf der Setzung bei mehreren konstanten Laststufen<br />
10.2.4 Versuchsauswertung<br />
Die bei einer bestimmten Belastung (z. B. bei σ3) insgesamt gemessene Endsetzung (z. B. s3) wird auf die<br />
ursprüngliche Probenhöhe h bezogen: ε3 = s3/h und diese Stauchung in Form des Druck-<br />
Setzungsdiagrammes in Abhängigkeit von der Belastung aufgetragen (Abb. 10.5).<br />
Es wird ein Steifemodul Es definiert als Es = ∆σ/∆ε [kN/m 2 ]. Dieser Steifemodul Es (an anderer Stelle auch<br />
als Steifeziffer oder Steifezahl bezeichnet)wird mit steigender Normalspannung größer: Es = f (σ) (siehe<br />
Abb. 10.5).<br />
101
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 10.5: Drucksetzungs-Diagramm<br />
Bodenmechanik<br />
Bei halblogarithmischer Auftragung [ε = f (ln σ/σ0)] ergibt die Druck-Setzungslinie bereichsweise eine Ge-<br />
rade, so daß aus Abb. 10.6 deutlich wird, daß für diesen Bereich der Steifemodul mit der wirkenden Normalspannung<br />
zunimmt.<br />
Anmerkungen:<br />
Abb. 10.6: Drucksetzungs-Diagramm in halblogarithmischer Auftragung<br />
• Im Entwurf der DIN 18135 [3] wird bei der Berechnung der Steifeziffer die Setzung ∆si-1.i, die bei der<br />
Zunahme der Vertikalspannung von σi-1 auf σi entsteht, auf die bei der Spannung σi-1 (noch) vorhandene<br />
Probenhöhe hi-1 bezogen:<br />
102
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
( 1 − ε )<br />
h i−1<br />
= h − ε i−1<br />
⋅ h = h ⋅ i−1<br />
∆ ε<br />
∗<br />
i−1,<br />
i<br />
∆s<br />
=<br />
h<br />
i−1,<br />
i<br />
i−1<br />
∆s<br />
=<br />
h<br />
i−1,<br />
i<br />
Mit i−1, i i i−1<br />
⋅<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
1<br />
i−1,<br />
i<br />
( 1 − ε ) ( 1 − ε )<br />
i−1<br />
∆ σ = σ − σ ergibt sich:<br />
∆σ<br />
∆σ<br />
( 1 − ε )<br />
i−1,<br />
i i−1,<br />
i<br />
E s,<br />
i−1,<br />
i = = ⋅<br />
∗<br />
i−1<br />
∆ε<br />
i−1,<br />
i ∆ε<br />
i−1,<br />
i<br />
= ∆ε<br />
⋅<br />
1<br />
i−1<br />
Bodenmechanik<br />
• Ferner wird das Druck-Stauchungs- (bzw. Druck-Setzungs-) diagramm im Entwurf der DIN 18135 auch<br />
als Druck-Porenzifferdiagramm (σ-e-Diagramm) dargestellt. Dieses ist insbesondere bei der Formulie-<br />
rung von Stoffgesetzen für Finite-Elemente-Berechnungen und bei der Bestimmung von Stoffparametern<br />
für diese Stoffgesetze von Vorteil. Diese Darstellungsart wird hier nicht näher erläutert.<br />
10.2.5 Entlastung und Wiederbelastung<br />
Nach Erreichen einer bestimmten Laststufe wird die Probe wieder schrittweise entlastet. Es stellt sich eine<br />
flach verlaufende Entlastungskurve (Abb. 10.7) ein, die auf der Stauchungsachse eine bleibende und eine<br />
elastische Stauchung angibt.<br />
Bei Wiederbelastung liegt die Setzungslinie fast auf der Entlastungslinie und schwenkt mit einem mehr oder<br />
weniger ausgeprägten Knick in den ursprünglichen Erstbelastungs- (Weiterbelastungs-) ast ein, wenn die<br />
Größe der Maximalbelastung des ersten Belastungszyklus überschritten wird. Der Boden hat ein „Gedächtnis“.<br />
Er „merkt“ sich seine Belastungsgeschichte solange er nicht zerstört wird. Der Steifemodul ist also da-<br />
von abhängig, ob sich die Spannungen im Wiederbelastungsbereich (σ < σv; Es groß) oder im Erstbelas-<br />
tungsbereich (σ > σv; Es klein) befinden.<br />
σv ist die sog. „Vorbelastung“. Für bindige Böden ist die Steifeziffer des Wiederbelastungsastes und der<br />
Entlastung um ein Mehrfaches (4 bis 10 mal) größer als diejenige der Erstbelastung.<br />
103
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 10.7: Drucksetzungsdiagramm mit Vorbelastungsknick<br />
Gewöhnlich ist die Größe der Vorbelastung infolge<br />
• ehemaliger Bebauung (bereits beseitigt)<br />
• ehemaliger Überschüttung (beseitigt oder natürlich abgetragen)<br />
• eiszeitlicher Vorbelastung usw.<br />
Bodenmechanik<br />
unbekannt. Soll die Zusammendrückbarkeit eines Bodens im Drucksetzungsversuch gemessen werden, wobei<br />
auch die (unbekannte) Vorbelastung mit erfaßt werden soll, muß eine ungestörte Bodenprobe gewonnen<br />
werden (Beispiel Abb. 10.7). Zur Erläuterung möge beispielsweise folgende „Belastungsgeschichte“ einer<br />
ungestörten Bodenprobe dienen:<br />
Das Bodenelement wird in einem Flußlauf abgelagert und durch anderen Boden überschüttet (belastet) und<br />
zusätzlich durch hohe Eisauflast zusammengepreßt. Es entsteht die Last-Setzungskurve im σ / ε -<br />
Koordinatensystem bis zum Punkt C. Die Eisauflast verschwindet, die Überschüttung bleibt: Punkt A des<br />
Entlastungsastes. Nun wird die Bodenprobe, z. B. bei einer Erkundungsbohrung, „ungestört“entnommen,<br />
wobei sie in vertikaler Richtung völlig entlastet wird (Punkt B des Entlastungsastes). Nach Einbau der Probe<br />
in das Drucksetzungsgerät wird sie erneut belastet. Da die Größe von εb1 unbekannt ist, wird die im Druck-<br />
setzungsversuch bei Belastung der Probe gemessene Stauchung in das σ1/ε1-Koordinatensystem eingetragen.<br />
Der Knick gibt die Größe von σv an. Steifemoduln Es können für σ < σv und σ > σv getrennt aus dem Dia-<br />
gramm abgegriffen werden.<br />
104
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
10.2.6 Übertragung der Versuchsergebnisse<br />
Bodenmechanik<br />
Eine Bodenschicht der Dicke H drückt sich bei Zuwachs der Spannungen von σ1 auf σ2 (siehe Abb. 10.8)<br />
um den gleichen Prozentsatz zusammen wie ein Element dieses Bodens (Bodenprobe) von der Höhe h im<br />
Drucksetzungsversuch, wenn dort die Vertikalspannung ebenfalls von σ1 auf σ2 gesteigert wird. Dies ist das<br />
sog. 1. Modellgesetz der Bodenmechanik:<br />
s<br />
h<br />
S<br />
= ε = = ε → ε = ε<br />
H<br />
Labor Natur Labor Natur<br />
10.2.7 Mögliche Versuchsfehler<br />
Abb. 10.8: 1. Modellgesetz der Bodenmechanik<br />
• Die (absolut) starre, seitliche Stützung der Probe durch den Stahlring im Laborversuch ist in der Natur<br />
nicht vorhanden (siehe Abb. 10.8): Der Laborversuch ergibt zu große Steifigkeiten.<br />
• Die Probe wird bei Entnahme und Einbau ins Laborgerät mehr oder weniger stark gestört: Der Laborversuch<br />
ergibt zu kleine Steifigkeiten.<br />
• Die Filtersteine liegen bei Versuchsbeginn nicht satt auf. Bei der ersten Laststufe werden zu große<br />
Setzungen (Anliegesetzungen) gemessen. Diese werden durch eine kleine Anfangsspannung, deren<br />
Setzung nicht beachtet wird, eliminiert.<br />
• Man geht davon aus, daß in jedem horizontalen Schnitt durch die Probe die Spannung σz gleich der auf-<br />
gebrachten Spannung ist. Durch die Zusammendrückung der Probe entstehen am feststehend angeordne-<br />
105
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
ten Ring (siehe Abb. 10.1) Schubspannungen, die vom Ring als Normalkraft in die Bodenplatte geleitet<br />
werden, so daß die vertikalen Spannungen in der Bodenprobe etwas abgemindert werden. Der Boden<br />
scheint hierdurch steifer zu sein. Dieser Fehler ist bei den üblichen Verhältnissen von Probendurchmesser<br />
zu Probenhöhe im Rahmen der übrigen Aussagekraft des Versuches vernachlässigbar klein.<br />
10.2.8 Erfahrungswerte für den Steifemodul Es<br />
Für überschlägliche Vorabschätzungen von Bauwerkssetzungen kann von folgenden Anhaltswerten für den<br />
Steifemodul Es ausgegangen werden (aus „Empfehlungen des Arbeitsausschusses Ufereinfassungen EAU<br />
1980“):<br />
Bodenart Es [MN/m 2 ] Bodenart Es [MN/m 2 ]<br />
Sand, locker, rund 20 - 50 Ton, halbfest 5 - 10<br />
Sand, locker, eckig 40 - 80 Ton, schwer knetbar, steif 2,5 - 5<br />
Sand, mitteldicht, rund 50 - 100 Ton, leicht knetbar, weich 1 - 2,5<br />
Sand, mitteldicht, eckig 80 - 150 Geschiebemergel, fest 30 - 100<br />
Kies ohne Sand 100 - 200 Lehm, halbfest 5 - 20<br />
Sand, dicht, eckig 150 - 250 Lehm, weich 4 - 8<br />
Schluff 3 - 10 Klei, org., tonarm, weich<br />
2 - 5<br />
Torf<br />
0,4 - 1<br />
10.3 Das Zeitsetzungsverhalten<br />
In den Abb. 10.2 bis 10.4 kommt zum Ausdruck, daß die Setzung bei (wassergesättigten) bindigen Böden<br />
zeitlich verzögert eintritt. Nachfolgend wird dieses Verhalten mit dem sog. „grobmechanischen Topfmodell“<br />
von Terzaghi veranschaulicht.<br />
106
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
10.3.1 Das Einkammersystem<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
Die Abb. 10.9 zeigt einen Zylinder der Grundrißfläche A, der bis zur Höhe h mit Wasser gefüllt ist. Auf dem<br />
Wasserspiegel befindet sich ein Kolben. Hat der Kolben keine Löcher, entsteht bei Aufbringen der Last P<br />
auf den Kolben ein Wasserdruck u und es gilt:<br />
P/ A = σ = u<br />
mit σ = aufgebrachte Spannung.<br />
Es tritt keine Bewegung des Kolbens auf, da Wasser als inkompressibel gilt. Hat der Kolben mehrere<br />
Bohrungen größeren Durchmessers, so fließt das Wasser aus dem Zylinder nach dem Aufbringen von P<br />
durch die Bohrungen ab, der Kolben sinkt mit konstanter, recht großer Geschwindigkeit nach unten, bis er<br />
auf dem Boden des Zylinders aufliegt (Abb. 10.9c, Gerade 1). Haben die wenigen Bohrungen im Zylinder<br />
nur einen kleinen Durchmesser, ist die Absinkgeschwindigkeit des Kolbens im Zylinder klein (Abb. 10.9c,<br />
Gerade 2). Während des Absinkens des Kolbens gilt: σ = u.<br />
Nach Abb. 10.9 befindet sich beim Federtopfmodell im Zylinder eine Feder der Steifigkeit c [kN/m]. Die<br />
Last P erzeugt zunächst wieder die Wasserdruckspannung u = σ = P/A.<br />
Abb. 10.9: Federtopfmodell nach Terzaghi, Einkammersystem<br />
a) Zylinder mit Kolben ohne Feder<br />
b) Federtopfmodell<br />
c) Zeit-Weg-Diagramm<br />
Durch das Abströmen von Wasser aus dem Zylinderraum bewegt sich der Kolben etwas nach unten, die Fe-<br />
der wird etwas zusammengedrückt und es gilt mit ΣV = 0:<br />
P = F() t + u(t) ⋅A<br />
mit F = Kraft in der Feder<br />
107
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
P/ A = σ= σ '( t) + u(t)<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
mit σ‘ = F/A = „effektive“, in der Feder wirkender Spannungsteil (auf die Fläche A verschmierte Feder-<br />
kraft).<br />
Da also bei konstanter Last P eine Umlagerung vom Wasserdruck auf die Feder stattfindet, wird der Wasserdruck<br />
im Laufe der Zeit kleiner, die Kraft in der Feder aber größer. Die Bewegung des Kolbens verläuft<br />
verzögert (Kurve 3 der Abb. 10.9c) und kommt zum Stillstand, wenn die ganze aufgebrachte Last P voll von<br />
der Feder getragen wird. Während in diesem Zustand der Wasserdruck Null ist, hat sich die Feder um den<br />
Betrag ∆ = P/C (oder ∆ = σ/C , wobei C [kN/m 3 ] der sog. Bettungsmodul ist) zusammengedrückt.<br />
10.3.2 Das Mehrkammersystem<br />
Die Abb. 10.10 zeigt das Mehrkammer-Federtopfmodell. An den Standröhrchen kann man den Druck des<br />
Wassers in den einzelnen Kammern ablesen. Wird eine Last P auf das Modell aufgebracht, steigt in allen<br />
Kammern der Wasserdruck im Moment der Lastaufbringung auf u = P/A an.<br />
Abb. 10.10: Federtopfmodell nach Terzaghi, Mehrkammersystem<br />
Aus der obersten Kammer fließt etwas Wasser ab, der Druck fällt dort etwas ab, da die Federn infolge Zusammendrückung<br />
einen Lastanteil tragen. Hierdurch besteht ein Druckunterschied zwischen der obersten<br />
108
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
und der zweiten Kammer, so daß auch in der zweiten Kammer der Vorgang des Abströmens von Wasser<br />
einsetzt usw. In jeder einzelnen Kammer wiederholt sich also der Vorgang, der für das Einkammersystem<br />
beschrieben wurde, wobei ein Gefälle im Wasserdruck von der untersten zur obersten Kammer zu beobachten<br />
ist.<br />
Hinsichtlich der Aufteilung der aufgebrachten Spannung σ in Wasserdruck u und Federspannung σ‘ gilt<br />
wieder: σ = σ‘(t) + u(t). Für eine beliebige Kammer ist diese Gleichung in Abb. 10.11 graphisch dargestellt.<br />
Abb. 10.11: Totale Spannungen (σ), effektive Spannungen (σ‘) und neutrale (Porenwasserdruck-)<br />
Es gilt also: t = 0: σ = 0 + u(t)<br />
Spannungen (u) als Funktion der Konsolidierungszeit<br />
t = ti: σ = σ‘(ti) + u(ti)<br />
t = ∞: σ = σ‘(∞) + 0.<br />
10.3.3 Analogie zum Verhalten eines wassergesättigten, bindigen Bodens<br />
Gemäß nachstehender tabellarischer Gegenüberstellung ist der Federtopf nach Terzaghi ein mechanisches<br />
Modell für den wassergesättigten, bindigen Boden, mit dem das Zeitsetzungsverhalten und Scherfestigkeitsverhalten<br />
des wassergesättigten bindigen Bodens veranschaulicht wird.<br />
Dieses Modell gilt allerdings nur für die Belastung eines bindigen Bodens und nicht für die Entlastung, da<br />
die Deformationen des mechanischen Topfmodelles voll zurückgehen (elastische Federn), nicht aber die des<br />
109
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
bindigen Bodens. Außerdem hat der Federtopf ein lineares Spannungs-Deformationsverhalten, der bindige<br />
Boden aber ein nicht-lineares.<br />
Federtopf-Modell wassergesättigter, bindiger Boden<br />
wassergefüllte Kammern wassergefüllte Bodenporen<br />
Bohrungen in den Kolbenplatten<br />
große Bohrungen<br />
kleine Bohrungen<br />
Durchlässigkeit k des Bodens<br />
große Durchlässigkeit (Sand)<br />
kleine Durchlässigkeit (Ton)<br />
Kräfte in den Federn Kontaktkräfte zwischen den Bodenkörpern<br />
Σ Federkräfte/Querschnittsfläche des Topfes effektive (Korn- zu Korn-) Spannungen σ‘<br />
Federsteifigkeit (= Zusammendrückbarkeit der Federn) Steifemodul Es des Korngerüstes (= Zusammendrückbarkeit<br />
des Korngerüstes)<br />
Druck des Wasser in den Kammern u Porenwasserdruck u<br />
aufgebrachte Spannung σ totale Spannung σ<br />
Hiernach gilt auch für den bindigen Boden (Abb. 10.11):<br />
σ= σ'(<br />
t) + u(t )<br />
σ = insgesamt auf das Bodenelement aufgebrachte Spannung (totale Spannung)<br />
u = Druck des Wassers in den Bodenproben<br />
σ‘= σeff = vom Korngerüst aufgenommene, sog. „effektive“ Spannungen (auch Korn- oder Kontaktspan-<br />
nungen genannt)<br />
σ‘ heißt „effektive Spannung“, da sie<br />
− Scherfestigkeit im Boden durch Reibung bewirkt und<br />
− Setzungen des Bodens durch Zusammendrückung des Korngerüstes hervorruft.<br />
Der beschriebene Vorgang, d. h. die Umlagerung der Gesamtspannung vom Porenwasser auf das Korngerüst<br />
und die dadurch hervorgerufene Zusammendrückung des Bodens (Setzung) wird als Konsolidierung<br />
bezeichnet, da hiermit gleichzeitig eine Erhöhung der Festigkeit des bindigen Bodens einhergeht. Die<br />
Setzung des Bodens verläuft proportional zur Abnahme des Porenwasserdruckes im Porenraum. Die Setzung<br />
verläuft um so weniger zeitlich verzögert, je durchlässiger und je weniger zusammendrückbar der Boden ist.<br />
Die Setzung wird um so länger dauern (und um so größer sein), je höher der Federtopf, d. h. je dicker die<br />
bindige, zusammendrückbare Schicht ist.<br />
110
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
10.3.4 Das zweite Modellgesetz der Bodenmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
Das für eine Laststufe (z. B. bei Steigerung der Last von σ1 auf σ2) erhaltene Zeitsetzungsdiagramm der<br />
Abb. 10.4 wird auf die hierdurch hervorgerufene Endsetzung (s∞ = s2 - s1) bezogen. Hieraus ergibt sich Abb.<br />
10.12, in der mit µ = st/s∞ der sog. „Konsolidierungsgrad“ oder „Verfestigungsgrad“ definiert ist.<br />
Abb. 10.12: Zeitsetzungsdiagramm für die auf st=∞ bezogene Setzung st für eine Laststufe<br />
Zur Übertragung des zeitlichen Verlaufes der Setzung im Labor auf die geometrischen Verhältnisse in der<br />
Natur wird das zweite Modellgesetz der Bodenmechanik herangezogen, das aus der (hier nicht erläuterten)<br />
Konsolidierungstheorie von Terzaghi stammt und die Zeitachse des Laborversuches verzerrt:<br />
Bei gleichem Verfestigungsgrad im Laborversuch (µL = st/s∞) und in der Natur (µN = ST/S∞), d. h. bei µL =<br />
µN gilt:<br />
T t ( D d) n<br />
/ = / .<br />
Hierin bedeuten: T = Setzungszeit in der Natur<br />
t = Setzungszeit der Laborprobe<br />
D = ungünstigster Entwässerungsweg in der Natur (siehe Abb. 10.13)<br />
d = ungünstigster Entwässerungsweg der Laborprobe (siehe Abb. 10.13)<br />
n = 2 bei bindigem Boden<br />
n = 1 bei organischem Boden.<br />
111
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
Mit Hilfe eines im Labor gewonnenen Zeitsetzungsdiagrammes und des 2. Modellgesetzes ist es möglich,<br />
die Setzungsdauer eines Bauwerkes grob abzuschätzen (siehe hierzu LV „Bodenmechanik 2“).<br />
Abb. 10.13: Entwässerungswege im Laborversuch und bei der Großausführung (Natur)<br />
10.4 Schlußbemerkung<br />
Die Abb. 10.14 zeigt in einer Gegenüberstellung das Spannungs-Deformations-Verhalten des „idealen“<br />
Werkstoffes Stahl und des „Werkstoffes“ Boden. Die einzelnen Werkstoffeigenschaften sind in der Darstellung<br />
nur pauschal wiedergegeben.<br />
10.5 Literatur<br />
[1] Simmer : Grundbau, Teil 1. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />
[2] Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. Zweite Auflage. Springer Verlag.<br />
[3] DIN 18135: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Eindimensionaler Kompressionsversuch.<br />
112
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik<br />
Abb. 10.14: Gegenüberstellung der Werkstoffe „Stahl“ und „Boden“ hinsichtlich ihres Spannungs-<br />
Verformungsverhaltens<br />
113
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
11 Die Scherfestigkeit des Bodens<br />
11.1 Allgemeines<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Wird ein auf dicht gelagertem Sand gegründetes Fundament von bekannten Abmessungen (Grundrißfläche<br />
a/b, Gründungstiefe t) durch eine zunehmende Last P belastet, wird es bei einer bestimmten „Bruchlast“ im<br />
Boden „versinken“, da der Boden unter dem und seitlich des Fundamentes „zu Bruch geht“ (Grundbruch,<br />
Abb. 11.1).<br />
Die Beobachtung dieses „Bruchvorganges“ im Boden zeigt das Entstehen einer in Abb. 11.1 qualitativ dargestellten<br />
„Scherfuge“, auf der ein mit dem Fundament verbundener, in sich nur gering verformter Bodenbereich<br />
gegenüber dem unterhalb der Scherfuge stehenbleibenden Bodenbereich „scherend“ verschoben wird.<br />
Abb. 11.1: Scherfuge beim Grundbruch<br />
Der scherenden Verschiebung des oberen Bodenbereiches (incl. eingebettetes Fundament) längs der Scher-<br />
fuge wirkt die Scherfestigkeit des Bodens entgegen. Die Größe des Widerstandes des Bodens gegen das<br />
Auftreten des „Grundbruches“ unter dem Fundament („Grundbruchwiderstand“) wird u. a. wesentlich von<br />
der Größe der Scherfestigkeit des Bodens in der Scherfuge abhängig sein. (Der Widerstand eines Stabes<br />
gegen eine Zugbeanspruchung ist von der Zugfestigkeit des Materials und von den Querschnittswerten des<br />
Stabes abhängig.) Daher muß zur Berechnung des Widerstandes des Bodens gegen Grundbruch unter einem<br />
Fundament die Scherfestigkeit des Bodens bekannt sein. Ein Fundament ist gegenüber dem denkbaren Versagen<br />
durch Grundbruch dann (rechnerisch) standsicher, wenn die mit einem Teilsicherheitsbeiwert vergrößerte,<br />
auf das Fundament einwirkende Last noch kleiner ist als der mit einem (anderen) Teilsicherheitsbeiwert<br />
verkleinerte Widerstand des Bodens gegen den Grundbruch (Grundbruchwiderstand).<br />
Weitere Beispiele für ein „Scherbruchversagen“ des Bodens siehe Abb. 11.2.<br />
114
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Abb. 11.2: Beispiele für Scherbruchversagen im Boden<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die Scherfestigkeit zwischen zwei Körpern ist entweder eine innere Verklebung der Körper (Kohäsion) oder<br />
eine Reibungsfestigkeit, die entsteht, wenn die Körper durch die Normalspannung σ aufeinander gepreßt<br />
werden. Die Reibungsfestigkeit ist proportional zur Normalkraft (Normalspannung), wobei µ = Reibungs-<br />
beiwert der Proportionalitätsfaktor ist. In der Bodenmechanik wird statt µ der Tangens des Reibungswinkels<br />
ϕ: tan ϕ verwendet.<br />
11.2 Das Rahmenschergerät<br />
Zur Messung der Scherfestigkeit wird eine Bodenprobe unter Einwirkung einer Normalspannung horizontal<br />
bis zum Abscheren belastet. Hierzu dient das Rahmenschergerät (Abb. 11.3).<br />
Abb. 11.3: Rahmenschergerät nach Krey<br />
115
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
11.3 Das Schergesetz für nichtbindigen Boden<br />
11.3.1 Versuchsdurchführung bei rolligem Boden<br />
Bodenmechanik 1<br />
Ein trockener, rolliger Boden wird mit vorgegebener Lagerungsdichte in das Rahmenschergerät eingebaut.<br />
Nach Aufsetzen des Belastungsstempels wird eine Normalkraft N aufgebracht und anschließend die Scherkraft<br />
S langsam gesteigert, wobei die horizontale Verschiebung s und die vertikale Hebung bzw. Senkung<br />
des Laststempels sv gemessen werden (lastgesteuerter Versuch). Der Versuch wird bei gleicher Lagerungsdichte<br />
mit anderen Normalkräften N wiederholt.<br />
11.3.2 Das Scherwegdiagramm des rolligen Bodens<br />
Für jeden Einzelversuch wird die aufgebrachte Schubspannung τ = S/A (A = Querschnittsfläche der Probe)<br />
in Abhängigkeit von der gemessenen Horizontalverschiebung s aufgetragen (Abb. 11.4) (kraftgesteuerter<br />
Versuch). Wird der horizontale Weg eingeprägt (Motor mit Spindeltrieb) und die hierzu erforderliche<br />
Schubkraft S gemessen, spricht man von einem weggesteuerten Versuch. Die Schubspannung τ steigt ge-<br />
mäß Abb. 11.4 bei lockerer Einbau-Lagerungsdichte mit zunehmendem Weg s auf einen Maximalwert τf1 an.<br />
Bei großer Einbau-Lagerungsdichte wird schon bei kleinem Weg ein höherer Wert τf2 erreicht, der dann<br />
wieder abfällt und bei größerem s mit der Scherfestigkeit τf1 des lockeren Bodens nahezu übereinstimmt.<br />
Abb. 11.4: Scher-Weg-Diagramm des Rahmenscherversuches<br />
Aus der Vertikaldeformation der Kopfplatte sv (Abb. 11.4) läßt sich schließen, daß der ursprünglich locker<br />
eingebaute Boden während des Abscherens verdichtet wird und der ursprünglich dicht eingebaute Boden<br />
116
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
nach kleiner Zusatzverdichtung anschließend aufgelockert wird. Entsprechend nimmt beim ursprünglich locker<br />
eingebauten Boden der Porenanteil n während des Schervorganges ab und beim ursprünglich dicht eingebauten<br />
Boden zu. Im Bruchzustand (bei großen Scherwegen) wird sowohl beim ursprünglich dicht als<br />
auch beim locker eingebauten Boden der gleiche Porenanteil erreicht, der als kritischer Porenanteil nkr be-<br />
zeichnet wird. Der kritische Porenanteil nkr ist von der Normalspannung σ abhängig.<br />
11.3.3 Das Schergesetz<br />
Werden die für unterschiedliche Normalspannungen σ = N/A erreichten maximalen Schubspannungen, d. h.<br />
die sog. Scherfestigkeit τf, gegen die Spannung σ aufgetragen, ergibt sich gemäß Abb. 11.5 eine Gerade, so<br />
daß das Scherfestigkeitsgesetz (Schergesetz) für rolligen Boden lautet:<br />
τf = σ⋅tan ϕ.<br />
Der Reibungswinkel ϕ eines rolligen, dicht gelagerten Bodens ist größer als der eines locker gelagerten.<br />
Dies kann auf einen inneren Strukturwiderstand zurückgeführt werden: Weil die einzelnen Bodenkörper bei<br />
dichter Lagerung während des Schervorganges übereinander wegbewegt werden, müssen sie aus ihrer dichten<br />
Lagerung erst „herausgehoben“ werden, was einen erhöhten Scherwiderstand infolge von Dilatanz bedeutet.<br />
Es gibt verschiedene Ansätze, die den Zusammenhang zwischen Reibungswinkel und Lagerungsdichte<br />
des Bodens beschreiben, die hier aber nicht wiedergegeben werden sollen.<br />
Abb. 11.5: Scherfestigkeitsdiagramm für rolligen Boden<br />
117
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
11.3.4 Scheinbare Kohäsion bei Sand<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Ein feuchter, rolliger Boden weist beim Scherversuch eine geringe Kohäsion auf. Diese wird durch Wasserhäutchen<br />
(Abb. 11.6) verursacht, die die Sandkörner wie mit einer unter Spannung stehenden Gummihaut<br />
überziehen, da die Wasserhaut unter der Oberflächenspannung<br />
des Wassers steht. Die Oberflächenspannung bewirkt<br />
eine Normalkraft N zwischen den Körnern (Abb. 11.6),<br />
wodurch über die Rauhigkeit der Sandkörner eine Reibung<br />
entsteht. Die scheinbare Kohäsion verschwindet bei Überfluten<br />
oder Austrocknen. Effekte der scheinbaren Kohäsion<br />
sind z. B.: Sandburgen bauen; im feuchten Sand sind<br />
steile Böschungen möglich, die beim Austrocknen oder bei<br />
Abb. 11.6: Erklärung der scheinbaren Kohäsion bei<br />
Wassersättigung einstürzen.<br />
Sand<br />
11.4 Schergesetz bei bindigem Boden<br />
11.4.1 Vorbemerkung<br />
Die Ausführungen des Kap. 11.4 gelten unter der Voraussetzung, daß beim Abscheren der Bodenprobe kein<br />
Porenwasserüberdruck oder -unterdruck vorhanden ist bzw. durch den Abschervorgang entsteht. Letztgenannte<br />
Voraussetzung hat zur Folge, daß das Abscheren bei wassergesättigtem, bindigen Boden langsam erfolgen<br />
muß.<br />
11.4.2 Die Kohäsion<br />
Bei bindigem Boden wirkt neben der Reibung zusätzlich eine Kohäsion. Unter Kohäsion ist formal zunächst<br />
die Scherfestigkeit des Bodens bei der Normalspannung σ = 0 zu verstehen. Die Scherfestigkeit aus Kohäsi-<br />
on kann bei bindigen Böden größer sein als die Reibungsfestigkeit. Die Kohäsion kann wie eine „innere<br />
Klebekraft“ zwischen den Bodenteilchen gedeutet werden.<br />
Die Kohäsion beruht auf der Wirkung von (elektrostatischen) Oberflächenkräften der sehr feinen Tonbestandteile,<br />
die mit einer Wasserhülle umgeben sind. Im Grunde haften über diese Oberflächenkräfte die einzelnen<br />
Bodenteilchen um so mehr aneinander (Adhäsion), je kleiner der Abstand der Tonminerale ist. Die<br />
Adhäsionskräfte machen sich für das Bodenelement als eine Kohäsion bemerkbar.<br />
118
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Die historisch älteste Formulierung eines Schergesetzes für bindigen Boden stammt von COULOMB:<br />
τ = c + σ⋅tan ϕ,<br />
f<br />
worin c eine Konstante - die sog. Kohäsion - ist.<br />
Nun ist aber die Kohäsion vor allem vom Wassergehalt w eines bindigen Bodens abhängig. In der breiigen<br />
Zustandsform befindet sich zwischen den Tonteilchen so viel Wasser, daß die Oberflächenkräfte im baupraktischen<br />
Sinn vernachlässigbar klein sind, d. h. c = 0. Durch Aufbringen von Belastung und Konsolidieren<br />
des Bodens wird der Wassergehalt kleiner, der Abstand der Tonteilchen verringert sich, so daß die Ko-<br />
häsion anwächst. Wird mit σv die konsolidierte Normalspannung bezeichnet, kann ein linearer Zusammen-<br />
hang zwischen σv und c festgestellt werden, der durch die Beziehung<br />
c = σ ϕ<br />
v ⋅ tan<br />
c<br />
wiedergegeben wird (Abb. 11.7), worin tan ϕc eine bodenabhängige Proportionalitätskonstante ist. Da der<br />
Boden bei Entlastung (fast) kein Wasser aufnimmt (siehe Entlastungsast des Drucksetzungsversuches) bleibt<br />
die Kohäsion nach Belastung und Konsolidierung mit σv bei Entlastung (fast) konstant (Abb. 11.7).<br />
Abb. 11.7: Kohäsion als Funktion der (konsolidierten) Normalspannung<br />
Erst wenn durch erneute Belastung die Größe von σv überschritten wird und der Boden unter diesen größe-<br />
ren Spannungen konsolidiert ist, steigt die Kohäsion weiter an. Die Vorbelastung σv im Sinne des Scherge-<br />
setzes ist also die höchste Normalspannung, die den betrachteten Boden bis zu seiner Konsolidierung belastet<br />
hat. Der Boden darf danach nicht wieder gestört worden sein (im Sinne von Durchkneten, weil da-<br />
119
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
durch die Kohäsion verloren geht). Das so erweiterte, vollständige Schergesetz (von Krey-Tiedemann) lautet<br />
also:<br />
τ = σ ⋅ tanϕ + σ⋅tan ϕ.<br />
f v c<br />
11.4.3 Der normalkonsolidierte Versuch<br />
Ein Scherversuch im Rahmenschergerät mit einer gestörten, bis zum breiigen Zustand aufbereiteten, bindigen<br />
Bodenprobe besteht aus zwei Versuchsabschnitten:<br />
• Aufbringen einer Normalspannung σv, unter der die Bodenprobe konsolidieren kann;<br />
• Aufbringen der Scherkraft T bei konstanter Normalspannung σ, die sich aber von der Spannung σv des<br />
ersten Versuchsabschnittes unterscheiden kann.<br />
Der Versuchsablauf für den sog. normalkonsolidierten Versuch, bei dem die Normalspannung in beiden<br />
Versuchsabschnitten gleich ist (σ = σv), gestaltet sich wie folgt:<br />
Eine völlig durchgearbeitete, bindige Bodenprobe von breiiger Konsistenz (c = 0) wird in das<br />
Rahmenschergerät eingebaut und mit σ1 belastet. Nach der Konsolidation unter der Spannung σ1 beträgt σv<br />
= σ1 (Konsolidierungsphase). Wird anschließend unter Beibehaltung von σ1 die Scherbeanspruchung<br />
(Abscherphase) aufgebracht und langsam abgeschert (es soll dabei kein Porenwasserüberdruck oder -<br />
unterdruck in der Probe entstehen), wird eine Scherfestigkeit gemessen von<br />
( )<br />
τ = σ ⋅ tanϕ + σ ⋅ tanϕ= σ ⋅ tanϕ + tanϕ = σ ⋅tan<br />
ϕ .<br />
f1 1 c 1 1 c 1 g<br />
Beim zweiten Versuch (und auch den folgenden) wird wieder die zunächst breiig aufbereitete Bodenprobe<br />
(c = 0) in das Rahmenschergerät eingebaut, mit σ2 (σ3, σ4 usw.) belastet und der Versuch wie bei der Belas-<br />
tung mit σ1, d. h. unter Aufrechterhaltung von σ2 (σ3, σ4 usw.) bis zur Konsolidierung und während des Ab-<br />
scherens, durchgeführt. Es gilt also:<br />
( )<br />
τ = σ ⋅ tanϕ + σ ⋅ tanϕ= σ ⋅ tanϕ + tan ϕ<br />
f2 2 c 2 2 c<br />
oder allgemein<br />
( )<br />
τ = σ⋅ tanϕ + tanϕ = σ⋅tan ϕ .<br />
f c g<br />
120
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Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
ϕg ist der Winkel der Gesamtscherfestigkeit (siehe Abb. 11.8). Dieses ist ein sog. normalkonsolidierter Ver-<br />
such, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Normalspannung σ während des Abscherens gleich der (die<br />
Kohäsion bewirkenden) Vorbelastung σv während der Konsolidierungsphase ist.<br />
Man mißt hierbei den Winkel der sog. Gesamtscherfestigkeit ϕg, für den gilt<br />
tanϕ = tanϕ + tan ϕ.<br />
g c<br />
Abb. 11.8: Scherfestigkeitsdiagramm für einen normalkonsolidierten Versuch mit bindigem Boden<br />
11.4.4 Der überkonsolidierte Scherversuch<br />
Der Versuchsablauf im sog. überkonsolidierten Versuch, bei dem die Spannung σ während des Abscherens<br />
(2. Versuchsphase) kleiner ist als die Konsolidierungsspannung σv (1. Versuchsphase), gestaltet sich wie<br />
folgt:<br />
Eine bindige Bodenprobe mit breiiger Konsistenz wird in das Rahmenschergerät eingebaut und mit σv be-<br />
lastet. Nach der Konsolidation unter dieser Last hat die Probe eine Kohäsion von c = σv . tan ϕc. Die Auf-<br />
lastspannung wird dann auf σ1 vermindert und nach dem Ausgleich eines Porenwasserunterdruckes unter σ1<br />
so langsam abgeschert, daß keine Änderung des Porenwasserdruckes eintritt. Die gemessene Scherfestigkeit<br />
beträgt:<br />
τ = σ ⋅ tanϕ + σ ⋅ tanϕ = + σ ⋅tan<br />
ϕ.<br />
f1 v c 1 c 1<br />
Die Scherfestigkeit aus Reibung ( σ ⋅ tan ϕ)<br />
1 wird nur von der aktuellen, während des Abscherens vorhandenen<br />
Normalspannung bewirkt. Der Versuch wird in gleicher Weise mit einer ursprünglich breiigen Probe<br />
121
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
wiederholt, wobei sie unter der gleichen Vorbelastung σv konsolidiert, aber vor dem Abscheren auf σ2 ent-<br />
lastet wird; hierdurch hat die Probe die gleiche Kohäsion c = σv . tan ϕc und die Scherfestigkeit:<br />
τ = σ ⋅ ϕ + σ ⋅ tan ϕ = c + σ ⋅ tan ϕ .<br />
f 2<br />
v<br />
tan c 2<br />
2<br />
Durch weitere Versuche mit den Spannungen σ3 und σ4 beim Abscheren erhält man das Scherfestigkeitsdia-<br />
gramm der Abb. 11.9. Mit einem überkonsolidierten Scherversuch können die Scherparameter ϕ und c ge-<br />
trennt ermittelt werden. Ebenso gilt:<br />
c = σ ϕ ,<br />
v ⋅ tan<br />
c<br />
so daß mit c und bekanntem σv auch tan ϕc berechnet werden kann.<br />
Der überkonsolidierte Versuch ist also dadurch gekennzeichnet, daß die Normalspannung beim Abscheren<br />
immer kleiner ist als die Spannung σv, unter der die Probe konsolidiert ist und eine Kohäsion gewonnen hat.<br />
An der Stelle σ = σv geht der überkonsolidierte in den normalkonsolidierten Versuch über (siehe Abb. 11.9).<br />
Auf der σ-Achse des Normalspannungs-Scherfestigkeitsdiagrammes werden die Normalspannungen der Ab-<br />
scherphase (und nicht die der Konsolidierungsphase) des Versuches aufgetragen.<br />
Abb. 11.9: Scherfestigkeitsdiagramm für einen überkonsolidierten Versuch mit bindigem Boden<br />
122
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
11.4.5 Scherwegdiagramm bindiger Böden<br />
Bodenmechanik 1<br />
Vorbelastete, bindige Böden haben ein Scher-Weg-Diagramm ähnlich dem von dichtgelagerten, rolligen<br />
Böden. Weiche, bindige Böden entsprechen in ihrem Scher-Weg-Diagramm eher lockeren, rolligen Böden.<br />
11.5 Einsatzbereich des Rahmenschergerätes<br />
Im Rahmenschergerät können praktisch nur gestörte Bodenproben untersucht werden (keine ungestörte Proben).<br />
Das Rahmenschergerät ist gut geeignet zur Bestimmung der Scherfestigkeit rolliger Böden. Das<br />
Verhältnis von Einzelkorndurchmesser zu Probenhöhe soll kleiner als 1/10 sein, d. h. bei einer<br />
Probenhöhe ca. 2 cm beträgt der maximale Korndurchmesser des zu untersuchenden Bodens 2 mm. Zur<br />
Untersuchung der Scherfestigkeit von Kiesen sind normale Rahmenschergeräte wegen der Korngröße nicht<br />
mehr geeignet. Hierfür gibt es Großrahmenschergeräte, bei denen die Rahmenabmessungen 30 cm x 30<br />
cm oder sogar 50 cm x 50 cm betragen.<br />
Im Rahmenschergerät wird eine Scherfuge erzwungen. Im Dreiaxialgerät (siehe Kap. 12) kann sich diese<br />
dagegen (mehr oder weniger) frei ausbilden. Die Spannungen in der Probe des Rahmenschergerätes sind<br />
nicht gleichmäßig verteilt, da die Scherkraft S nicht nur über die gezahnten Filterplatten, sondern auch über<br />
die Rückwand des Rahmens eingeleitet wird. Es ist nicht möglich, undränierte Versuche zu fahren oder auch<br />
einen über die Probenhöhe konstanten Porenwasserdruck zu erhalten. Ferner ist die Messung des Porenwasserdruckes<br />
problematisch, d.h. der Rahmenscherversuch ist vor allem für dränierte, langsam abgescherte<br />
Versuche mit gestört eingebauten, rolligen und auch gestört eingebauten, bindigen Böden (dann mit besonders<br />
geringen Abschergeschwindigkeiten) geeignet.<br />
11.6 Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit<br />
In der E-DIN 1054 (November 2000) sind im Anhang Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit angegeben.<br />
Der Index k deutet an, daß es sich um charakteristische Werte handelt. Die Tabellen werden in den Abb.<br />
11.10 und 11.11 wiedergegeben, um hieraus eine gewisse Vorstellung der Größe von Reibungswinkel und<br />
Kohäsion zu erhalten. Für konkrete Bauwerks-/Baugrundverhältnisse sind die Scherfestigkeitskennwerte für<br />
die erforderlichen Standsicherheitsnachweise durch einen Sachverständigen für Geotechnik festzulegen.<br />
123
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 11.10: Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit nichtbindiger Böden (Quelle [4])<br />
Abb. 11.11: Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit bindiger Böden (Quelle [4])<br />
124
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
11.7 Literatur<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
[1] DIN 18137: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Scherfestigkeit.<br />
Teil 1: Begriffe und grundsätzliche Versuchsbedingungen.<br />
[2] Simmer: Grundbau, Teil 1. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />
[3] Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. 2. Auflage. Springer Verlag.<br />
[4] E DIN 1054: Sicherheitsnachweis im Erd- und Grundbau.<br />
[5] DIN 18137: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Scherfestigkeit.<br />
Teil 3: Direkter Scherversuch.<br />
125
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
12 Dreiaxiale Versuchstechnik<br />
12.1 Allgemeines<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Zum Verständnis des Triaxial- oder Dreiaxial-Versuches - insbesondere der unentwässerten Versuche - sind<br />
folgende Kenntnisse erforderlich:<br />
• der Mohrsche Spannungskreis und seine Verbindung mit dem Coulombschen Schergesetz<br />
τf = c + σ . tan ϕ,<br />
• das Verhalten wassergesättigten, bindigen Bodens hinsichtlich der totalen, effektiven und neutralen<br />
Spannungen (siehe Kap. 10.3) und deren Rückwirkung auf die Scherfestigkeit,<br />
• praktische Auswirkungen des vorgenannten Zusammenhanges für Standsicherheitsuntersuchungen,<br />
• Aufbau des Dreiaxialgerätes und Versuchstypen.<br />
12.2 Der Mohrsche Spannungskreis<br />
12.2.1 Herleitung der Gleichungen<br />
Die Herleitung des Mohrschen Spannungskreises für einen Nebenspannungszustand und die hierfür geltenden<br />
Regeln zum Zeichnen des Spannungskreises sind im Anhang zu finden. Nachfolgend wird ein<br />
Hauptspannungszustand betrachtet, da dieser für den Dreiaxialversuch maßgebend ist.<br />
Betrachtet wird ein Bodenelement, das durch die Hauptspannung σ1 und σ3 (siehe Abb. 12.1) beansprucht<br />
wird (ebener Spannungszustand). Gesucht sind die Spannungen σ und τ auf einer Fläche, die unter dem<br />
Winkel α das Element schneidet.<br />
Σ Kräfte in Richtung von τ:<br />
τ ⋅ / cos α = σ ⋅ cos α ⋅ dz ⋅ tan α − σ ⋅ dz ⋅ sin α<br />
dz 1<br />
3<br />
( σ − σ ) ⋅ sin α ⋅ α<br />
τ =<br />
cos<br />
1<br />
σ1<br />
− σ3<br />
τ = ⋅ sin 2α<br />
2<br />
3<br />
(1)<br />
126
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Σ Kräfte in Richtung von σ:<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
σ ⋅ / cos α = σ ⋅ dz ⋅ tan α ⋅ sin α + σ ⋅ dz ⋅ cos α<br />
dz 1<br />
3<br />
σ = σ<br />
1<br />
⋅ sin<br />
2<br />
α + σ<br />
3<br />
⋅ cos<br />
σ1<br />
+ σ3<br />
σ1<br />
− σ3<br />
σ = − ⋅ cos 2α<br />
2 2<br />
2<br />
α<br />
Abb. 12.1: Element und Spannungen<br />
12.2.2 Graphische Lösung mit Hilfe des Mohrschen Kreises<br />
Bodenmechanik 1<br />
Aus den Gleichungen (1) und (2) wird der Winkel α dadurch eliminiert, daß beide Gleichungen für sich<br />
quadriert und anschließend addiert werden:<br />
τ<br />
2<br />
⎛ σ1<br />
− σ<br />
= ⎜<br />
⎝ 2<br />
⎛ σ1<br />
+ σ<br />
⎜σ<br />
−<br />
⎝ 2<br />
3<br />
3<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
⋅<br />
( ) 2<br />
sin 2α<br />
⎛ σ1<br />
− σ<br />
= ⎜<br />
⎝ 2<br />
3<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
⋅<br />
( ) 2<br />
cos 2α<br />
(2)<br />
127
→<br />
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
⎛ σ1<br />
+ σ<br />
⎜σ<br />
−<br />
⎝ 2<br />
3<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
+ τ<br />
2<br />
⎛ σ1<br />
− σ<br />
= ⎜<br />
⎝ 2<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Dies ist die Gleichung eines Kreises, dessen Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt:<br />
( σ σ ) ( τ τ )<br />
σ<br />
2 2<br />
2<br />
M M R<br />
− + − =<br />
M<br />
σ<br />
=<br />
1<br />
+ σ<br />
2<br />
3<br />
;<br />
τ<br />
M<br />
=<br />
0;<br />
σ<br />
R =<br />
1<br />
3<br />
2<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
− σ<br />
3<br />
.<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 12.2: Mohrscher Spannungskreis für die Hauptspannungen σ1 und σ3<br />
Regeln für das Zeichen des Mohrschen Kreises:<br />
a) Die auf eine Fläche des Elementes wirkende Normal- und Schubspannung (z. B. σx und τxz oder σ und τ<br />
oder σz und τzx oder σ1 und τ1 = 0 bzw. σ3 und τ3 = 0) bilden gemeinsam einen Punkt des Spannungskrei-<br />
ses (Abb. 12.2).<br />
b) Normalspannungen werden als Druckspannungen nach rechts positiv gezeichnet.<br />
128
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
c) Die am Element (Drehachse in der Mitte, senkrecht zur Zeichenebene) gegen den Uhrzeigersinn (links<br />
herum) drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach oben aufgetragen. Die am Element<br />
nach rechts drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach unten aufgetragen. (Nicht zu<br />
verwechseln mit der Vorzeichendefinition der Schubspannungen.) Die Einhaltung der obigen Regelung<br />
ist wichtig für die nachfolgende Polkonstruktion.<br />
d) Mit der Kenntnis, daß der Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt, läßt sich der Spannungskreis aus zwei be-<br />
kannten Punkten (z. B. σ1/0 und σ3/0, σx/τxz und σz/τzx) zeichnen (Abb. 12.2).<br />
e) Zeichnet man durch einen beliebigen bekannten Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B.<br />
σ1/0 oder allgemein σx/τxz) eine Gerade parallel zu der Richtung der Fläche auf der σ und τ wirken, er-<br />
hält man im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Flächenpol (FP).<br />
f) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B. σ1/0 oder all-<br />
gemein σx, τxz) eine Gerade parallel zur Richtung der Normalspannung σ (z. B. parallel zu σ1), erhält<br />
man im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Spannungspol (SP).<br />
Ist der Mohrsche Spannungskreis aus den bekannten Spannungspunkten σ1/0 bzw. σx/τxz und σ3/0 bzw. σz/τzx<br />
gezeichnet und der Flächenpol FP konstruiert, zieht man durch den Flächenpol eine Gerade parallel zu der<br />
das Element unter dem Winkel α schneidenden Fläche und findet im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem<br />
Kreis den gesuchten Spannungspunkt σ/τ (siehe Abb. 12.2).<br />
12.2.3 Der Mohrsche Spannungskreis und das Schergesetz<br />
Zu unterscheiden sind:<br />
a) Diagramm zur Darstellung der Normal- und Schubspannungen in einem Element (Mohrscher Span-<br />
nungskreis) (τ-σ-Koordinaten) (Abb. 12.3a). Der Spannungskreis stellt die Beanspruchung eines Boden-<br />
elementes durch Normal- und Schubspannungen dar.<br />
b) Diagramm zur Darstellung der Abhängigkeit von Scherfestigkeit und Normalspannung: Coulombsches<br />
Schergesetz (Abb. 12.3b; τf-σ-Koordinaten)<br />
τ = c + σ⋅tan ϕ<br />
f<br />
129
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Werden beide Diagramme ineinander gezeichnet (Abb. 12.3c), kann leicht beurteilt werden, ob auf irgendeiner<br />
Fläche durch das Element die auftretenden Schubspannungen (Beanspruchung) größer, kleiner oder<br />
gleich der vorhandenen Scherfestigkeit sind:<br />
• Die Schubspannungen auf allen Schnittflächen durch das Element sind kleiner als die Scherfestigkeit:<br />
Der Schubspannungskreis liegt unterhalb der Scherfestigkeitsgeraden (Kreis A, Abb. 12.3c).<br />
• Die Schubspannung auf einer Fläche im Element ist gerade gleich der Scherfestigkeit: Der Spannungskreis<br />
berührt die Scherfestigkeitsgeraden: Grenzspannungszustand (Kreis B in Abb. 12.3c).<br />
• Die Schubspannungen auf mehreren Schnittflächen sind größer als die Scherfestigkeit: Der<br />
Spannungszustand ist nicht mit der Materialfestigkeit (Scherfestigkeit des Bodens) verträglich (Kreis C<br />
in Abb. 12.3c) und daher nicht möglich.<br />
Abb. 12.3: Mohrscher Spannungskreis und Schergesetz<br />
a) Mohrscher Spannungskreis aus Hauptspannungen<br />
b) Graphische Darstellung des Coulombschen Schergesetzes<br />
c) Spannungszustand im Vergleich zur Scherfestigkeit<br />
130
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
12.2.4 Die Mohr-Coulombsche Fließbedingung<br />
Bodenmechanik 1<br />
Wird gemäß Abb. 12.4 die Spannung σ3 (Hauptspannung) von einem Ausgangswert (Kreis A) verkleinert,<br />
bläht sich der Kreis nach links auf, bis er die Scherfestigkeitsgeraden tangiert (Kreis C). Bei diesem „Grenzspannungszustand“<br />
wird gerade auf einer Flächenrichtung die Schubspannung genau so groß wie die Scherfestigkeit.<br />
Abb. 12.4: Mohrscher Spannungskreis im Grenzspannungszustand<br />
• Aus der Abb. 12.4 läßt sich die Bedingung für diesen Grenzspannungszustand (Mohr-Coulombsche<br />
Fließbedingung) ablesen:<br />
f f f f<br />
σ1 − σ ⎡<br />
3 σ1 + σ ⎤ 3<br />
= sin ϕ⋅ + σc<br />
2<br />
⎢<br />
⎣ 2<br />
⎥<br />
⎦<br />
σ = c ⋅cot<br />
ϕ<br />
c<br />
131
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Index f = failure = Versagen<br />
Hieraus durch Auflösen nach σ f 3:<br />
σ<br />
f<br />
3<br />
= σ<br />
f<br />
1<br />
1−<br />
sin ϕ cos ϕ<br />
⋅ − 2⋅<br />
c⋅<br />
.<br />
1+<br />
sin ϕ 1+<br />
sin ϕ<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Nach Anwendung von Additionstheoremen ergibt sich hieraus:<br />
o<br />
o<br />
( 45 − ϕ / 2)<br />
− 2 ⋅ c ⋅ tan(<br />
45 − ϕ / 2)<br />
Bodenmechanik 1<br />
f f 2<br />
σ = σ ⋅ tan<br />
(4a)<br />
3<br />
1<br />
oder mit tan 2 (45 o - ϕ/2) = Ka (Ka für α = β = δ = 0)<br />
σ = σ ⋅ K − 2 ⋅ c ⋅ K<br />
(4b).<br />
f<br />
3<br />
f<br />
1<br />
a<br />
a<br />
Ist der Spannungszustand durch die „Nebenspannungen“ σx, σz und τzx gegeben, lautet die Mohrsche<br />
Fließbedingung:<br />
z x<br />
z x<br />
( c cot ϕ)<br />
+ ⋅ sin ϕ = ⎜ ⎟ + τ zx<br />
2<br />
σ + σ ⎛ σ − σ ⎞<br />
⋅ (4c)<br />
2<br />
⎝ 2 ⎠<br />
• Die Richtung der Fläche auf der τ = τf wird, läßt sich in Abb. 12.4 wie folgt konstruieren:<br />
− Aufsuchen des Flächenpols (hier mit σ3 zusammenfallend);<br />
− Verbinden von Flächenpol mit den Tangentenpunkten von Spannungskreis C mit der Scherfestigkeitsgeraden.<br />
• Ist die Fließbedingung erfüllt, findet in Richtung der Gleitflächen ein Abschervorgang statt. Denkt man<br />
sich gemäß Abb. 12.5 durch das Element mehrere Schnitte parallel zur Gleitflächenrichtung α - α gelegt<br />
und findet auf jeder dieser Flächen eine gleiche Scherdeformation statt, so erhält das Element nach Abschluß<br />
der Scherdeformation die Gestalt der Abb. 12.5a.<br />
Findet der gleiche Vorgang parallel zur Richtung β - β statt, kommt das Element in die Gestalt der Abb.<br />
12.5b.<br />
Finden beide Scherdeformationen gleichzeitig statt, wird das Element gemäß Abb. 12.5c „plastisch<br />
breitgedrückt“. (In Abb. 12.5c ist das Ergebnis beider Scherdeformationen vektoriell aufaddiert worden.)<br />
132
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 12.5: Deformation eines ursprünglich quadratischen Elementes infolge plastischen Fließens, wenn Volumenkonstanz<br />
vorausgesetzt wird<br />
133
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• Satz: Befindet sich ein Bodenelement im „Fließzustand“ (Zustand des plastischen Fließens), so<br />
− tangiert der Spannungskreis, der den Spannungszustand dieses Elementes beschreibt, die Scherfestigkeitsgeraden.<br />
Dieser Zustand wird mathematisch durch die sog. Mohr-Coulombsche Fließbedingung<br />
(Gleichungen 4a, 4b oder 4c) beschrieben.<br />
− wird das Element „plastisch deformiert“, wobei sein Volumen unverändert bleibt, sofern vorausgesetzt<br />
wird, daß durch den Schervorgang selbst keine Volumenveränderung (Dilatation oder Kompression)<br />
des Bodens eintritt. Letztere Voraussetzung ist im allgemeinen nicht erfüllt, da sich ein dicht<br />
gelagerter Boden beim Schervorgang auflockert und ein lockerer Boden verdichtet.<br />
12.3 Auswirkung des Konsolidierungsverhaltens eines bindigen Bodens auf seine<br />
Scherfestigkeit<br />
Das Konsolidierungsverhalten eines wassergesättigten, bindigen Bodens wurde in Kap. 10.3 anhand des<br />
grobmechanischen Modells von Terzaghi beschrieben. Da nur effektive Spannungen σ‘ (Kornspannungen)<br />
Scherfestigkeit infolge Reibung bewirken können, muß das Schergesetz von Krey-Tiedemann (Kap. 11.4.2)<br />
genauer geschrieben werden als:<br />
τ = σ ⋅ ϕ + σ'<br />
⋅ tan ϕ = c + σ'<br />
⋅ tan ϕ<br />
f<br />
v<br />
tan c<br />
σv = Vorbelastung: maximale, im Verlauf der Belastungsgeschichte konsolidierte Spannungen; da-<br />
nach darf die Probe nicht wieder gestört worden sein<br />
σ‘ = effektive Spannung<br />
ϕ = Reibungswinkel des Bodens<br />
tanϕc = Proportionalitätsfaktor für die Kohäsion.<br />
Im mechanischen Topfmodell des Mehrkammersystems kann hinsichtlich der Kohäsion noch folgende<br />
Analogie aufgebaut werden: Je kleiner der Abstand der Kolbenplatten untereinander ist, um so größer ist die<br />
Kohäsion (je stärker der Boden zusammengedrückt ist, um so größer ist die Kohäsion). Da die Kohäsion bei<br />
Entlastung erhalten bleibt (und nur bei einer Störung infolge Durchknetens verschwindet) wird deutlich, daß<br />
das Federtopf-Modell für die Entlastung nicht funktioniert, da die Federn unter Ansaugen von Wasser die<br />
Kolbenplatte in die ursprüngliche Lage zurückdrücken werden.<br />
134
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Wird ein völlig gestörter (c = 0) wassergesättigter, bindiger Boden zum Zeitpunkt t = 0 plötzlich mit einer<br />
Spannung σ1 belastet, so gilt mit<br />
σ = σ'<br />
+ u bei<br />
1<br />
t = 0: σv = 0 σ‘ = 0 τf = 0<br />
Im Laufe der Konsolidierungszeit wächst σv auf σ1 und auch σ‘ auf σ1 an:<br />
( ) ( )<br />
τ = σ ⋅ tanϕ+ σ ⋅ tanϕ= σ ⋅ tanϕ + tan ϕ =∞<br />
f 1 1 1 c t<br />
(normalkonsolidierter Boden bzw. normalkonsolidierter Versuch siehe Kap. 11.4.3)<br />
Werden in diesem Zustand beim Topfmodell die Bohrungen in der obersten Kolbenplatte verschlossen und<br />
eine zusätzliche Spannung ∆σ aufgebracht, kann sich weder der Kohäsionsanteil noch der Reibungsanteil<br />
erhöhen, da ein Abfließen von Porenwasser nicht auftreten kann. Bei einem derart „geschlossenen“ System<br />
bleibt also die Scherfestigkeit unabhängig von der Größe der aufgebrachten Spannung ∆σ konstant. Die<br />
Scherfestigkeitsgerade verläuft parallel zur σ-Achse (Abb. 12.6).<br />
Abb. 12.6: Scherfestigkeitsgerade beim geschlossenen System für volle und für teilweise Wassersättigung<br />
Da sich der Boden im geschlossenen System wie ein Stoff mit c ≠ 0 und ϕ = 0 verhält - real aber Kohäsion<br />
und Reibung an der Scherfestigkeit beteiligt sind - nennt man diese Kohäsion „scheinbar“ und bezeichnet sie<br />
mit cu (bei ϕu = 0). Der Wert cu wird als „Scherfestigkeit“ (Kohäsion) des undränierten Bodens bezeichnet.<br />
Der Wert cu kann in wassergesättigten, bindigen Böden mit einer Flügelsondierung (siehe Kap. 8.5) bestimmt<br />
werden..<br />
135
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Ist der Boden nicht wassergesättigt, können sich – auch beim geschlossenen System – die Luftporen infolge<br />
der aufgebrachten Spannung etwas zusammendrücken, d. h. das Volumen wird etwas kleiner, die Kohäsion<br />
und die Reibungsfestigkeit steigen an (cu bei ϕu > 0). Je größer ∆σ, um so mehr geht das geschlossene Sys-<br />
tem zur vollen Sättigung über (da die Luftporen immer mehr zusammengedrückt werden), weswegen die<br />
Scherfestigkeitskurve gekrümmt in Richtung auf eine horizontale Asymptote verläuft (Abb. 12.6).<br />
Bei einem offenen System konsolidiert der Boden nach Aufbringen einer Belastung ∆σ, so daß sowohl Ko-<br />
häsion als auch Reibungsfestigkeit ansteigen.<br />
12.4 Beispiel für die Anwendung des ϕu = 0, cu-Falles<br />
Wird gemäß Abb. 12.7 ein Tank oder ein Silo auf einem wassergesättigten, bindigen Boden errichtet, ergibt<br />
sich folgende Situation:<br />
Abb. 12.7: Beispiel für den ϕu = 0, cu-Fall<br />
• das Element A ist unter der Spannung σ1 aus dem überlagernden Boden konsolidiert:<br />
τ<br />
f<br />
= σ<br />
1<br />
⋅ tan ϕ + σ ⋅ tan ϕ ≈ c<br />
c<br />
1<br />
u<br />
136
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• die Last aus dem leeren Bauwerk (Tank incl. Gründung) sei für das Element A unbedeutend, da das<br />
Bauwerksgewicht gering ist;<br />
• die Füllung des Tanks bedeutet für das Element A eine „schnelle“ Lastaufbringung, wobei „schnell“ das<br />
Verhältnis zwischen der Zeitdauer der Lastaufbringung und der Zeit zur Konsolidierung (abhängig von<br />
der Länge des Entwässerungsweges für das Element, siehe Kap. 10.3.4) zum Ausdruck bringen soll;<br />
• weil also die Lastaufbringung (im Vergleich zur Konsolidierungszeit) „schlagartig“ erfolgt, gewinnt das<br />
Element A aus der neuen Belastung infolge Tankfüllung keine Scherfestigkeit - das Element verhält sich<br />
also wie ein Stoff mit konstanter Scherfestigkeit (cu ≠ 0; aber ϕu = 0); aber es wird von abscherenden<br />
Schubspannungen aus der Tankfüllung beansprucht;<br />
− der Nachweis der Sicherheit gegen das Auftreten eines Grundbruches wird für den schnell gefüllten Tank<br />
für den (ungünstigen) Anfangszustand mit den Scherparametern ϕu = 0 und cu ≈ τf1 > 0 geführt; außerdem<br />
ist auch der Endzustand nach Abschluß der Konsolidierung unter der Gesamtlast zu betrachten;<br />
• zur Ermittlung von cu dient der nachfolgend erläuterte Dreiaxialversuch;<br />
• cu kann auch im Feld mit der sog. Drehflügelsonde bestimmt werden.<br />
12.5 Der Dreiaxialversuch<br />
12.5.1 Versuchsgerät<br />
Nach DIN 18137 - Teil 2 [1] ist „der Dreiaxialversuch ein zylinder- und axialsymmetrischer Druckversuch<br />
an homogenen kreiszylinderischen Probekörpern. Im Regelfall ist die axiale Hauptspannung σ1 auch be-<br />
tragsmäßig größere Hauptspannung und die radialen Hauptspannungen σ2 und σ3 sind gleich“.<br />
Das Kernstück eines Dreiaxialgerätes ist die Druckzelle (Abb. 12.8):<br />
Die zylindrische Bodenprobe ist mit einer Gummihülle umgeben, die einerseits den Zelldruck (σ2 = σ3) auf<br />
die Probe überträgt und andererseits einen wasserdichten Abschluß der Bodenprobe gewährleistet. Die Probe<br />
befindet sich in einer Zelle, deren Wandung meist aus Plexiglas, deren Boden und Deckel dagegen aus<br />
Stahl gefertigt sind. Die Zellflüssigkeit (meist Wasser) kann über die Zuleitung (13) oder über einen beson-<br />
deren Druckluftanschluß unter Druck (σ2 = σ3) gesetzt werden. Die Kopffläche der Probe wird durch einen<br />
137
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Belastungsstempel abgeschlossen. Da dieser Stempel voll in der Zelle liegt, wirkt der Zelldruck bei der in<br />
der Abb. 12.8 dargestellten Ausführung auch vertikal auf die Probe.<br />
Abb. 12.8: Schema einer dreiaxialen Druckzelle (Quelle [1])<br />
Die untere Probenfläche liegt auf einem Filterstein, der an die Entwässerungsleitung (14) (Abb. 12.8) angeschlossen<br />
ist. Ist der Hahn (15) an der Entwässerungsleitung während des Versuches geschlossen, befindet<br />
sich die Probe in einem geschlossenen System, d. h. es kann während des Versuches kein Porenwasser aus<br />
der Probe austreten (unentwässertes, undräniertes System).<br />
Über den Stempel (2) (Abb. 12.8) wird während der zweiten Versuchsphase (siehe 12.5.2) eine zusätzliche<br />
vertikale Last aufgebracht.<br />
Zum Versuchsgerät gehören ferner diverse Meßgeräte (Weg- und Kraftmessung; Messung des Porenwasserdrucks<br />
bzw. der Menge des ausgepreßten Porenwasser usw.) und die Einrichtungen zur Erzeugung des Zelldruckes<br />
und der Vertikallast. Näheres hierzu siehe [1] und Spezialliteratur.<br />
138
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
12.5.2 Versuchsphasen<br />
Der Dreiaxialversuch hat zwei Versuchsphasen:<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
• Konsolidierungsphase: Die Probe wird einem Zelldruck (σ2 = σ3 = σ1) ausgesetzt und kann bei offenem<br />
Hahn (15) konsolidieren. Bei dem sog. UU-Versuch (siehe Kap. 12.5.3) werden ungestörte Proben verwendet,<br />
so daß die Konsolidierungsphase entfällt.<br />
• Belastungs- und Abscherphase: Durch eine mit konstanter Verformungsgeschwindigkeit erzeugte axiale<br />
Stauchung der Probe wird der „Bruch“ herbeigeführt. Bei dieser Versuchsphase kann eine Entwässerung<br />
der Probe zugelassen (offenes System) oder verhindert (geschlossenes System) werden.<br />
12.5.3 Versuchstypen<br />
a) Der unkonsolidierte, undränierte Versuch (UU-Versuch): Wird vor der Errichtung des Bauwerkes, z.<br />
B. des Tanks, in Abb. 12.7 das Element A „ungestört“ entnommen und schnell in das Dreiaxialgerät<br />
eingebaut, der Hahn (15) geschlossen und nach Aufbringen eines beliebig großen Zelldruckes (z. B. σ3I<br />
in der Abb. 12.9) die Belastung σ1 gesteigert, so bläht sich der Spannungskreis in der Richtung der σ-<br />
Achse auf, bis er die cu-Gerade tangiert (Abb. 12.9). Hierbei ist cu die „scheinbare Kohäsion“ oder die<br />
„Anfangsscherfestigkeit“, die die Probe im Boden infolge der Spannungen aus der Überlagerung erhalten<br />
hat (siehe Kap. 12.4).<br />
Abb. 12.9: Spannungskreise beim UU-Versuch<br />
Die Größe des aufgebrachten Zelldruckes ist beliebig (z. B. σ3II in der Abb. 12.9), da der Versuch im ge-<br />
schlossenen System durchgeführt wird und die Probe daher nicht entwässern kann, also nach den Überlegungen<br />
des Kap. 12.3 wegen der Wassersättigung und der verhinderten Wasserabgabe während der<br />
Steigerung der Belastung keine Scherfestigkeit hinzugewinnen kann.<br />
139
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Mit dem UU-Versuch kann also der cu-Wert ungestörter, wassergesättigter Proben bestimmt werden,<br />
wobei allerdings die Versuchsfehler recht groß sind. Besser kann cu im Feld mit der Flügelsonde ermittelt<br />
werden.<br />
b) Der konsolidierte, undränierte Versuch (CU-Versuch). Da es fast unmöglich ist, Proben im Sinne des<br />
UU-Versuches „ungestört“ zu gewinnen und im Versuchsgerät einzubauen, arbeitet man im CU-Versuch<br />
mit einer gestörten (gegebenenfalls wassergesättigten) Probe. Nach dem Einbau wird eine sog.<br />
Konsolidierungsspannung, im Normalfall nur als Zelldruck (σ3 = σ2 = σ1), aufgebracht. Bei geöffnetem<br />
Hahn (15) läßt man die Probe unter diesen Spannungen konsolidieren. Man versetzt also die gestörte<br />
Probe hinsichtlich ihrer Scherfestigkeit in den „ungestörten Zustand“.<br />
Anschließend wird der Hahn (15) geschlossen und nun wie bei UU-Versuch die Belastungs- und<br />
Abscherphase durchgeführt. Das Versuchsergebnis sieht wie Abb. 12.9 aus. Man kann mit<br />
verschiedenen Versuchen die Abhängigkeit des cu-Wertes von der Größe des Zelldruckes (der<br />
Konsolidierungsspannung) während der Konsolidierungsphase feststellen.<br />
c) Der konsolidierte, entwässerte Versuch (D-Versuch): Nach der Konsolidierungsphase, die wie beim<br />
CU-Versuche abläuft, wird die Belastungs- und Abscherphase beim offenen System so langsam durchgeführt,<br />
daß die Probe bei jeder Belastung voll konsolidiert. Dieser Versuch entspricht dem langsamen<br />
Rahmenscherversuch (siehe Kap. 11.4.3 und 11.4.4). Durch mehrere Versuche kann man die Scherpa-<br />
rameter ϕ und c ermitteln. Hierfür sind zwei Darstellungsarten gebräuchlich:<br />
• Nach Abb. 12.10 werden die Spannungskreise beim Bruch der Proben in ein σ-τ-Koordinatensystem<br />
gezeichnet und aus der gemeinsamen Tangente ϕ und c entnommen (das Beispiel der Abb. 12.10 ist<br />
ein überkonsolidierter Versuch).<br />
Abb. 12.10: Spannungskreise beim D-Versuch (Quelle [1])<br />
140
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. 12.11: Ergebnis eines Dreiaxialversuches, dargestellt im (σ1 - σ3)/2 - (σ1 + σ3)/2-Diagramm (p-q-<br />
Diagramm) (Quelle [1])<br />
• Nach Abb. 12.11a) gilt in einem Bruchkreis für den Tangentenpunkt zwischen Spannungskreis und<br />
Scherfestigkeitsgerade (überkonsolidierter Versuch)<br />
σ1+ σ3<br />
σ1−σ3 1<br />
c + ⋅ tanϕ<br />
= ⋅<br />
2 2 cosϕ<br />
σ<br />
− σ<br />
1<br />
2<br />
3<br />
σ<br />
= c ⋅ cos ϕ + sin ϕ ⋅<br />
1<br />
+ σ<br />
2<br />
3<br />
141
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Mit den Abkürzungen<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
1 3<br />
q<br />
2<br />
σ − σ<br />
1<br />
= ; n = c ⋅ cos ϕ;<br />
m = sin ϕ und p<br />
2<br />
σ + σ<br />
=<br />
ergibt sich in der sog. p-q-Darstellung im Bruchzustand eine Geradengleichung:<br />
q = n + m ⋅ p .<br />
Im Bruchzustand erhält man also mit dem bekannten Zelldruck σ3 und der gemessenen vertikalen<br />
Bruchspannung σ1, d. h. mit max σ1 : p = (max σ1 + σ3)/2 und q = (max σ1 - σ3)/2 einen Punkt dieser<br />
Geraden. Durch mehrere Dreiaxialversuche werden mehrere Geradenpunkte ermittelt. Für die (ausgleichende)<br />
Gerade gelten weiter die Beziehungen der Abb. 12.11:<br />
c = n/cos ϕ und sin ϕ = tan α = m.<br />
Vor Beginn der Belastungsphase ist σ1 = σ3, d.h. der Belastungsbeginn wird dargestellt als ein Punkt<br />
auf der (σ1 + σ3)/2 - Achse. Mit wachsender Vertikalspannung σ1 entwickeln sich die Spannungen<br />
auf dem sog. Spannungspfad (Gbb. 12.11c), dessen Endpunkt der Bruchspannungszustand auf der<br />
o. g. Grenzzustands-Geraden (Abb. 12.11b)) ist. Bei dieser Darstellungsart schrumpft jeder während<br />
der Steigerung von σ1 entstehende Spannungskreis zu einem Punkt des Spannungspfades zusammen.<br />
12.6 Schlußbemerkung<br />
Der Dreiaxialversuch kann hier nur in den Grundzügen dargestellt werden. Die Durchführung des Versuches<br />
erfordert eine intensive Beschäftigung mit der Theorie und auch mit der praktischen Gerätetechnik.<br />
12.7 Literatur<br />
[1] DIN 18137: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben Bestimmung der Scherfestigkeit.<br />
Teil 2: Triaxialversuch;<br />
3<br />
142
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Anhang<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Der Mohrsche Spannungskreis bei Vorgabe eines (ebenen) Nebenspannungszustandes<br />
a) Herleitung der Gleichungen<br />
Betrachtet wird ein Element im Boden, das durch die Spannungen σx, τxz = τzx und σz beansprucht ist.<br />
Sind τzx = τxz = 0, sind σx und σz Hauptspannungen.<br />
Gesucht sind die Spannungen σ und τ auf einer Fläche, die unter dem Winkel α das Element schneidet.<br />
Gemäß Abb. A.1 werden die Kraftgleichgewichtsbedingungen am abgeschnittenen dreieckförmigen Elementteil<br />
erfüllt. Mit den in der Abbildung dargestellten, aus den Kraftgleichgewichtsbedingungen hergeleiteten<br />
Gleichungen (1) und (2) können die gesuchten Spannungen berechnet werden.<br />
b) Graphische Lösung mit Hilfe des Mohrschen Kreises<br />
Aus den Gleichungen (1) und (2) – siehe Abb. A.1 – wird der Winkel α dadurch eliminiert, daß beide<br />
Gleichungen für sich quadriert werden. Anschließend werden die beiden Gleichungen addiert. Es ergibt<br />
sich:<br />
⎛ σ x + σ<br />
⎜σ<br />
−<br />
⎝ 2<br />
z<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
+ τ<br />
2<br />
⎛ σ x − σ<br />
= ⎜<br />
⎝ 2<br />
z<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
+ τ<br />
Gleichung (3) ist die Gleichung eines Kreises im σ/τ-Koordinaten-System:<br />
2<br />
2 2<br />
( − σ ) + ( τ − τ ) = R<br />
M<br />
M<br />
2<br />
xz<br />
σ (3)<br />
mit<br />
σ x + σ z<br />
σ M = ; τ M = 0 und<br />
2<br />
2<br />
⎛ σ x − σ z ⎞ 2<br />
R =<br />
⎜ ⎟ + τ xz<br />
⎝<br />
2<br />
⎠<br />
143
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
Abb. A.1: Berechnung der Normalspannungen σ und der Schubspannung τ, die auf der Fläche unter dem<br />
Winkel α wirken<br />
Regeln für das Zeichen des Mohrschen Kreises:<br />
a) Die auf eine Fläche des Elementes wirkende Normal- und Schubspannung (z. B. σx und τxz oder σ und τ<br />
oder σz und τzx) bilden gemeinsam einen Punkt des Spannungskreises (Abb. A.2).<br />
b) Normalspannungen werden als Druckspannungen nach rechts positiv gezeichnet.<br />
c) Die am Element (Drehachse in der Mitte, senkrecht zur Zeichenebene) gegen den Uhrzeigersinn (links<br />
herum) drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach oben aufgetragen. Die das Element<br />
144
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
nach rechts drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach unten aufgetragen. (Nicht zu<br />
verwechseln mit der Vorzeichendefinition der Schubspannungen.) Die Einhaltung der obigen Regelung<br />
ist wichtig für die nachfolgende Polkonstruktion.<br />
Abb. A.2: Mohrscher Spannungskreis mit Nebenspannungszustand<br />
d) Mit der Kenntnis, daß der Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt, läßt sich der Spannungskreis aus zwei be-<br />
kannten Punkten (z. B. σx/τxz und σz/τzx) zeichnen (Abb. A.2).<br />
e) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B. σx/τxz) eine<br />
Gerade parallel zu der Richtung der Fläche auf der σ und τ wirken, erhält man im Schnittpunkt dieser<br />
Geraden mit dem Spannungskreis den Flächenpol (FP).<br />
145
Bergische Universität<br />
Wuppertal<br />
Grundbau, Bodenmechanik<br />
und Felsmechanik<br />
Bodenmechanik 1<br />
f) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Morhschen Spannungskreises (z. B. σx,τxz) eine<br />
Gerade parallel zur Richtung der Normalspannung σ (z. B. parallel zu σx), erhält man im Schnittpunkt<br />
dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Spannungspol (SP).<br />
Ist der Mohrsche Spannungskreis aus den bekannten Spannungspunkten σx/τxz und σz/τzx gezeichnet und der<br />
Flächenpol FP konstruiert, zieht man durch den Flächenpol eine Gerade parallel zu der das Element unter<br />
dem Winkel α schneidenden Fläche und findet im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Kreis den gesuchten<br />
Spannungspunkt σ/τ.<br />
146