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Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Bodenmechanik/Hydromechanik<br />

Teil Bodenmechanik<br />

2./3. Semester (SS 2002/WS 2002/2003)<br />

- Geologische Grundlagen<br />

(Erdentstehung, Kreislauf der Stoffe)<br />

- Gesteinskunde/Petrographie<br />

- Kartenkunde/Erdgeschichte<br />

- Baugrundaufschluß-Technik<br />

- Bodenmechanische Klassifizierung<br />

- Druck-Setzungs-Verhalten<br />

- Scherfestigkeit<br />

Prof. Dr.-Ing. Matthias Pulsfort<br />

Prof. Dr.-Ing. Bernhard Walz


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

1 GEOLOGIE ALS NATURWISSENSCHAFT 1<br />

2 DIE ERDE 3<br />

2.1 ENTSTEHUNG 3<br />

2.2 DAS ALTER DER ERDE 4<br />

2.3 AUFBAU DER ERDE 5<br />

3 KREISLAUF DER GEOLOGISCHEN STOFFE 7<br />

3.1 EXOGENE DYNAMIK (SEDIMENTBILDUNG) 7<br />

3.1.1 PHYSIKALISCHE VERWITTERUNG 8<br />

3.1.2 CHEMISCHE VERWITTERUNG 9<br />

3.1.3 AUSWIRKUNGEN 13<br />

3.1.4 EROSION, TRANSPORT, SEDIMENTATION 13<br />

3.1.5 DIAGENESE 18<br />

3.2 ENDOGENE DYNAMIK 18<br />

3.2.1 TEKTONIK 18<br />

3.2.2 MAGMATISMUS 21<br />

3.2.3 METAMORPHOSE UND ANATEXIS 28<br />

3.3 STOFFKREISLAUF 29<br />

4 GESTEINSKUNDE 31<br />

4.1 MINERALBESTAND = MODUS 31<br />

4.1.1 ALLGEMEINES 31<br />

4.1.2 GESTEINSBILDENDE MINERALIEN 34<br />

4.1.2.1 Silikate 35<br />

4.1.2.2 Karbonate, Salze (nicht silikatische gesteinsbildende Mineralien) 36<br />

4.1.2.3 Nebengemengteile 37<br />

4.1.2.4 Akzessorische Gemengteile 38<br />

4.2 GEFÜGEBESCHREIBUNG 38<br />

4.3 MAGMATISCHE GESTEINE 39<br />

4.3.1 TIEFENGESTEINE 40<br />

4.3.2 GANGGESTEINE 42<br />

4.3.3 ERGUßGESTEINE (VULKANITE) 42<br />

4.4 SEDIMENTGESTEINE 44<br />

I


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

4.5 METAMORPHE GESTEINE 46<br />

4.6 KREISLAUF DER GESTEINE 49<br />

5 GEOLOGISCHE ZEITENFOLGE UND KARTENKUNDE 50<br />

5.1 KARTIERUNGEN 50<br />

5.2 ERDGESCHICHTE - ERDZEITALTER 51<br />

5.3 LITERATURHINWEISE ZU ABSCHNITT 1 - 5 55<br />

6 GEOTECHNISCHE UNTERSUCHUNGEN FÜR BAUTECHNISCHE ZWECKE 56<br />

6.1 ALLGEMEINES 56<br />

6.2 VERANLASSUNG UND DURCHFÜHRUNG GEOTECHNISCHER UNTERSUCHUNGEN 56<br />

6.3 DIE GEOTECHNISCHEN KATEGORIEN 57<br />

6.4 ARTEN DER GEOTECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN 58<br />

6.5 BEDEUTUNG VON GEOTECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN 59<br />

6.6 LITERATUR 60<br />

7 DIREKTE AUFSCHLÜSSE 61<br />

7.1 DEFINITION 61<br />

7.2 VORGEGEBENE UND EINSEHBARE AUFSCHLÜSSE 61<br />

7.3 SCHÜRFE, UNTERSUCHUNGSSCHÄCHTE UND -STOLLEN 61<br />

7.4 BOHRUNGEN 62<br />

7.4.1 DEFINITION 62<br />

7.4.2 ANORDNUNG UND TIEFE DER AUFSCHLUßBOHRUNGEN (SIEHE [1]) 62<br />

7.4.3 TECHNISCHE AUSFÜHRUNG VON BOHRUNGEN IN BÖDEN 64<br />

7.4.4 KLEINBOHRVERFAHREN IN BÖDEN 68<br />

7.4.5 KLEINSTBOHRUNGEN 69<br />

7.4.6 BOHRPROTOKOLL UND DARSTELLUNG DER BOHRERGEBNISSE 69<br />

7.4.7 ABSCHLIEßENDE BEMERKUNG 69<br />

7.5 PROBENGEWINNUNG 70<br />

7.6 ERKUNDUNG DES TRENNFLÄCHENGEFÜGES 74<br />

7.6.1 BEDEUTUNG DES TRENNFLÄCHENGEFÜGES 74<br />

7.6.2 STREICHEN UND FALLEN 74<br />

7.7 LITERATUR 75<br />

8 INDIREKTE AUFSCHLÜSSE 77<br />

8.1 ALLGEMEINES 77<br />

8.2 DRUCKSONDIERUNGEN (CPT = CONE PENETRATION TEST) 77<br />

8.3 BOHRLOCHRAMMSONDIERUNGEN – BDP (BOREHOLE DYNAMIK PROBING) 79<br />

8.4 RAMMSONDIERUNG 81<br />

8.5 FLÜGELSONDIERUNG (FLÜGELVERSUCHE) 81<br />

8.6 LITERATUR 83<br />

II


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9 LABORVERSUCHE ZUR KLASSIFIZIERUNG DES BODENS 84<br />

9.1 DER BODEN ALS DREIPHASENGEMISCH 84<br />

9.2 BESTIMMUNG DER KORNDICHTE ρS 85<br />

9.3 BESTIMMUNG DES WASSERGEHALTES 86<br />

9.4 BESCHREIBUNG DER FESTEN BESTANDTEILE 86<br />

9.4.1 ALLGEMEINES 86<br />

9.4.2 KORNGRÖßENVERTEILUNG UND DEREN BEDEUTUNG 87<br />

9.4.3 ERMITTLUNG DER KORNGRÖßENVERTEILUNG 89<br />

9.5 PORENRAUM 90<br />

9.5.1 ALLGEMEINES 90<br />

9.5.2 LAGERUNGSDICHTE D, BEZOGENE LAGERUNGSDICHTE ID<br />

91<br />

9.5.3 LOCKERSTE UND DICHTESTE VERSUCHSLAGERUNG 91<br />

9.5.4 MESSUNG DES PORENANTEILS N 92<br />

9.6 DIE PLASTISCHEN EIGENSCHAFTEN FEINKÖRNIGER BÖDEN 92<br />

9.6.1 ZUSTANDSGRENZEN NACH ATTERBERG 92<br />

9.6.2 ABGELEITETE KENNZAHLEN 93<br />

9.7 BESTIMMUNG VON BODENBEIMENGUNGEN 96<br />

9.7.1 GLÜHVERLUST 96<br />

9.7.2 KALKGEHALT 96<br />

9.8 SCHLUßBEMERKUNG 96<br />

9.9 LITERATURHINWEISE 97<br />

10 DRUCK- UND ZEITSETZUNGSVERHALTEN DES BODENS 98<br />

10.1 ALLGEMEINES 98<br />

10.2 DER EINDIMENSIONALE KOMPRESSIONSVERSUCH 98<br />

10.2.1 DEFINITION 98<br />

10.2.2 KOMPRESSIONSAPPARAT 98<br />

10.2.3 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG 99<br />

10.2.4 VERSUCHSAUSWERTUNG 101<br />

10.2.5 ENTLASTUNG UND WIEDERBELASTUNG 103<br />

10.2.6 ÜBERTRAGUNG DER VERSUCHSERGEBNISSE 105<br />

10.2.7 MÖGLICHE VERSUCHSFEHLER 105<br />

10.2.8 ERFAHRUNGSWERTE FÜR DEN STEIFEMODUL ES 106<br />

10.3 DAS ZEITSETZUNGSVERHALTEN 106<br />

10.3.1 DAS EINKAMMERSYSTEM 107<br />

10.3.2 DAS MEHRKAMMERSYSTEM 108<br />

10.3.3 ANALOGIE ZUM VERHALTEN EINES WASSERGESÄTTIGTEN, BINDIGEN BODENS 109<br />

10.3.4 DAS ZWEITE MODELLGESETZ DER BODENMECHANIK 111<br />

III


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

10.4 SCHLUßBEMERKUNG 112<br />

10.5 LITERATUR 112<br />

11 DIE SCHERFESTIGKEIT DES BODENS 114<br />

11.1 ALLGEMEINES 114<br />

11.2 DAS RAHMENSCHERGERÄT 115<br />

11.3 DAS SCHERGESETZ FÜR NICHTBINDIGEN BODEN 116<br />

11.3.1 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG BEI ROLLIGEM BODEN 116<br />

11.3.2 DAS SCHERWEGDIAGRAMM DES ROLLIGEN BODENS 116<br />

11.3.3 DAS SCHERGESETZ 117<br />

11.3.4 SCHEINBARE KOHÄSION BEI SAND 118<br />

11.4 SCHERGESETZ BEI BINDIGEM BODEN 118<br />

11.4.1 VORBEMERKUNG 118<br />

11.4.2 DIE KOHÄSION 118<br />

11.4.3 DER NORMALKONSOLIDIERTE VERSUCH 120<br />

11.4.4 DER ÜBERKONSOLIDIERTE SCHERVERSUCH 121<br />

11.4.5 SCHERWEGDIAGRAMM BINDIGER BÖDEN 123<br />

11.5 EINSATZBEREICH DES RAHMENSCHERGERÄTES 123<br />

11.6 ERFAHRUNGSWERTE FÜR DIE SCHERFESTIGKEIT 123<br />

11.7 LITERATUR 125<br />

12 DREIAXIALE VERSUCHSTECHNIK 126<br />

12.1 ALLGEMEINES 126<br />

12.2 DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS 126<br />

12.2.1 HERLEITUNG DER GLEICHUNGEN 126<br />

12.2.2 GRAPHISCHE LÖSUNG MIT HILFE DES MOHRSCHEN KREISES 127<br />

12.2.3 DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS UND DAS SCHERGESETZ 129<br />

12.2.4 DIE MOHR-COULOMBSCHE FLIEßBEDINGUNG 131<br />

12.3 AUSWIRKUNG DES KONSOLIDIERUNGSVERHALTENS EINES BINDIGEN BODENS<br />

AUF SEINE SCHERFESTIGKEIT 134<br />

12.4 BEISPIEL FÜR DIE ANWENDUNG DES ϕ U = 0, C U-FALLES 136<br />

12.5 DER DREIAXIALVERSUCH 137<br />

12.5.1 VERSUCHSGERÄT 137<br />

12.5.2 VERSUCHSPHASEN 139<br />

12.5.3 VERSUCHSTYPEN 139<br />

12.6 SCHLUßBEMERKUNG 142<br />

12.7 LITERATUR 142<br />

DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS BEI VORGABE EINES (EBENEN)<br />

NEBENSPANNUNGSZUSTANDES 143<br />

IV


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

1 Geologie als Naturwissenschaft<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Die Geologie als anwendungsbezogene Naturwissenschaft hat die Aufgabe, naturwissenschaftlich begründet<br />

die Geschichte der Erde und des Lebens auf der Erde zu beschreiben und zu erklären. Man unterscheidet dabei<br />

übergeordnet:<br />

− Allgemeine Geologie = Lehre vom Stoffbestand und Bauplan der Erde<br />

Vorgänge der Veränderungen<br />

− Historische Geologie = Lehre von der Geschichte der Erde anhand der Gesteine als Zeugnis des vor<br />

zeitlichen Geschehens.<br />

Für den Bauingenieur sind daraus besonders die Bereiche der Angewandten Geologie von Bedeutung:<br />

− Geophysik (Erdbeben, geophysikalische Erkundung)<br />

− Ingenieur<strong>geologie</strong><br />

− Hydro<strong>geologie</strong><br />

− Lagerstättenkunde.<br />

In der Ingenieur<strong>geologie</strong> berühren sich die Disziplinen Geologie und Geotechnik unmittelbar, was auch der<br />

Grund für die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Bauingenieuren und Geologen<br />

bei großen Ingenieurbauwerken ist, z. B. bei Talsperren, Tunneln, Felsböschungen etc.<br />

Abb. 1.1: Geologie - Spezialdisziplinen [3]<br />

1


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Nicht ausreichend berücksichtigte geologische Verhältnisse können möglicherweise verheerende Schäden<br />

nach sich ziehen, z. B. bei der Malpasset - Staumauer oder dem Vajont - Stausee (s. Abb. 2).<br />

Abb. 1.2: Vajont-Stausee: Felsgleitmasse und Gleitfläche [2]<br />

1 Malm, dünnbankige Kalkstein-Mergel-Tonsteinfolge<br />

2,3 Kreide, dickbankige Kalksteine (2) und Mergelkalkstein (3)<br />

4 Gleitfläche<br />

5 Oberfläche nach Felsgleitung<br />

6 Ursprüngliche Morphologie<br />

2


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2 Die Erde<br />

2.1 Entstehung<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Die Erde entstand im Zuge unseres Sonnensystems aus einer sich zusammenziehenden Wolke aus interstellarem<br />

Gas. Im Zentrum der Wolke stiegen Temperatur und Druck so an, daß die Atomkerne zusammengepreßt<br />

wurden, so daß es zu einer Kernfusion kam. Dadurch gab es eine nach außen gerichtete Kraft, die<br />

die Schwerkraft ausglich, so daß die Kontraktion zum Stillstand kam - die Sonne als Stern war geboren.<br />

Auf einer Scheibe rings um die Sonne sammelten sich Trümmer, deren Zentrifugalkräfte der Sonnenschwerkraft<br />

entgegenwirkten, so daß sie sich auf einer Umlaufbahn bewegten. Daraus entstanden die Planeten. Nah<br />

an der Sonne ist die Temperatur für Wasser und Methan zu hoch, als daß sich feste Brocken hätten bilden<br />

können. Dagegen konnten Materialien mit hohem Schmelzpunkt wie Eisen und Silizium hier in festem Zustand<br />

verharren. Die anwachsenden Körper saugten wiederum selbst Materie auf, mehr oder weniger zufällig<br />

- „Reich wird reicher und schluckt die Armen“ ist also sozusagen ein altes Naturgesetz.<br />

Die Erde entstand dabei in ca. 1496 Mill. km Entfernung von der Sonne. Die inneren, näher zur Sonne rotierenden<br />

Planeten sind klein und felsig, die äußeren dagegen groß und gasförmig (Methan, Ammoniak). Man<br />

unterscheidet dabei terristrische Planeten (erdähnlich) von sog. iuvianischen Planeten (jupiterähnlich).<br />

Durch den weiteren Meteoritenregen hat sich die Erde erwärmt, ebenso durch den Zerfall radioaktiver Kerne.<br />

Der Unterschied der Planeten entstand durch die Phase der Abkühlung, nachdem der Großteil der Materie<br />

aufgesaugt war. Die Erde konnte in dieser Phase weniger Wärme abstrahlen als z. B. Merkur, der im Ver-<br />

gleich zum Volumen eine größere Oberfläche aufweist (∅ Erde ∼ 13000 km, ∅ Merkur ∼ 5000 km). Dies<br />

weiß man aus Analogieschluß vom Mond, der bis ca. 160 km Tiefe geschmolzen war (APOLLO-<br />

Missionen); zunächst stieg in den kleineren Planeten wie beim Mond die Temperatur an der Oberfläche,<br />

wurde dann an das Weltall abgegeben und es bildete sich durch Abkühlung an der Oberfläche eine durchgehende<br />

LITHOSPHÄRISCHE PLATTE.<br />

Die Erde hat dagegen zunächst Energie aufgenommen und ist durchgeschmolzen (vor ca. 4,5 Milliarden Jahren).<br />

Dabei sind in der Schmelze schwere Mineralien abgesunken (eisenhaltig), leichte Mineralien aufge-<br />

stiegen (Silizium, Magnesium) - ähnlich wie in einer Öl-Wasser-Emulsion, d. h. es entstand eine Differenzierung.<br />

3


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Auch Mars und Venus sind durchgeschmolzen, jedoch anschließend - wie der viel kleinere Mond - oberflächlich<br />

abgekühlt, so daß darauf eine lithosphärische Platte als einhüllende Schale entstand.<br />

Die Erde - als größter terrestrischer Planet - konnte nicht genügend Wärme abstrahlen als daß sich eine<br />

durchgehende lithosphärische Schale hätte bilden können. Zusätzlich entstand in der Schmelze durch Konvektion,<br />

d.h. durch Bewegung der Flüssigkeit und Blasenbildung ein Kreislauf mit Aufsteigen und anschließendem<br />

Absinken nach Abkühlung. Deshalb ist die Oberfläche nie ganz erstarrt, so daß eine bis heute anhal-<br />

tende tektonische Aktivität der Platten die Folge war.<br />

Der Unterschied zwischen den verschiedenen Planeten und damit die Möglichkeit der Entwicklung von Leben<br />

auf der Erde ist demnach göttliche Vorsehung oder Zufall, denn der Erddurchmesser als Maß für die<br />

Wärmeabstrahlfähigkeit ist nur 5 % größer als Venus, die Erdmasse nur 15 % größer als bei der Venus.<br />

2.2 Das Alter der Erde<br />

Im 17. Jahrhundert hat ein englischer Bischof aus der Addition der Lebensalter der biblischen Geschlechter<br />

errechnet, die Erde sei Dienstag, den 26. Oktober 4004 vor Christi um 9.00 Uhr morgens erschaffen worden.<br />

Mit der Entwicklung der technischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden iost das Alter<br />

der Erde immer weiter zurückdatiert worden, analog zu dem Postulat, daß die Erde so alt sein muß wie das<br />

älteste Gestein auf ihrer Oberfläche. Die Entwicklung der Kenntnisse ist aus der nacshfolgenden Zusammenstellung<br />

abzulesen:<br />

• 1,46 Mrd. Jahre mit Uran-Blei-Datierung<br />

• 3,1 Mrd. Jahre (Zirkon aus USA)<br />

• 4,6 Mrd. Jahre (Gestein aus Grönland).<br />

Das Durchschmelzen der Erde hat alle geologischen Uhren auf 0 gestellt, so daß erst danach wieder Gestein<br />

durch Erstarrung von Schmelze entstanden sein kann. Auch Meteoriten vom Mond sind auf ca. 4,6 Mrd.<br />

Jahre Alter datiert worden.<br />

4


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Wuppertal<br />

2.3 Aufbau der Erde<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Die Erde hat einen Radius von ca. 6300 km und besteht<br />

aus mehr oder weniger konzentrischen Kugelschalen unterschiedlicher<br />

Dichte. Dabei unterscheidet man von innen<br />

nach außen:<br />

• Erdkern - fester innerer Kern,<br />

flüssiger außerer Kern,<br />

d = 3470 km<br />

• äußerer Erdmantel - leichter als Kern, flüssig,<br />

d = 2900 km<br />

• Erdkruste - feste äußere Schale =<br />

Lithosphäre, d = 35 km<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 2.1: Schnitt durch die Erdkugel [3]<br />

Die Dichteverteilung innerhalb der Erde nimmt von außen<br />

nach innen erheblich zu, beginnend in der sogenannten SiAl-Zonae (vorwiegend aus Silizium und Aluminium<br />

bestehend, meist Granodiorite als Gestein) mit 2,7 g/cm 3 über die sog.SiMa-Zone (vorwiegend Silizium<br />

und Magnesium, meist als Gabbro-Gestein) mit 3,0 g/cm 3 bis hin zur sog. NiFe-Zone im Erdkern (aus Nickel<br />

und Eisen) mit einer Dichte von 9 – 13 g/cm 3 (siehe Abb. 2.1).<br />

Die mit geologischen Methoden beschreibbare Zone ist nur die Erdkruste, d. h. die obersten 35 km. Selbst<br />

darin haben die tiefsten bisher ausgeführten Bohrungen (KTB – kontinentale Tiefbohrung bei Windisch-<br />

Eschenbach in Bayern sowie russische Bohrvorhaben) nur max. 10 – 12 km Tiefe erreicht. Die Vorstellung<br />

über den Erdmantel und Erdkern resultiert daher nur aus geophysikalischen Untersuchungsverfahren.<br />

5


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Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 2.2: Schematischer Schnitt durch die Erdemit Einteilung in Zonen [2]<br />

6


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Wuppertal<br />

3 Kreislauf der geologischen Stoffe<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Auf der Erdkruste treffen zwei Energie- bzw. Stoffströme aufeinander und wirken auf die Oberfläche ein.<br />

Beide bestimmen gemeinsam die Landschaftsgestaltung und stehen miteinander in unmittelbarer Wechselwirkung,<br />

nämlich die exogene und die endogene Dynamik. Daraus resultiert ein Kreislauf der geologischen<br />

Stoffe, in dem Gesteine entstehen und wieder eingeschmolzen werden.<br />

3.1 Exogene Dynamik (Sedimentbildung)<br />

Hierzu gehören alle Prozesse der Verwitterung von Gestein an bzw. in der Nähe der Erdoberfläche, aber<br />

auch Erosion, Transport, Sedimentation und Diagenese; alle üblicherweise als Boden bezeichneten Lockergesteine<br />

entstehen zunächst durch Verwitterung von Festgestein (Abb. 3.1).<br />

Abb. 3.1: Entstehung des Bodens durch Verwitterung des im Untergrund anstehenden Gesteins [1]<br />

• Verwitterung: Veränderung von Gestein im Kontakt mit der Hydrosphäre und der<br />

Atmosphäre<br />

• Ablauf der Verwitterung: durch physikalische und chemische Prozesse werden für die<br />

mineralischen Bestandteile neue Gleichgewichtszustände erreicht.<br />

7


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Zunächst entstehen durch die Verwitterung von Gestein Blöcke und Schutt mit größerer Oberfläche, die den<br />

Atmosphärilien den Verwitterungsangriff erleichtern. Man unterscheidet dabei:<br />

• Physikalische Verwitterung = mechanische Zerkleinerung<br />

• Chemische Verwitterung = Lösung von Gesteinsteilen im Wasser, das keineswegs rein ist,<br />

sondern Lösemittel enthalten kann.<br />

3.1.1 Physikalische Verwitterung<br />

Zur physikalischen Verwitterung sind die Einwirkungen Temperatur, Frost, Salzkristallwachstum und (physikalisch-biologisch)<br />

der Wachstumsdruck von Pflanzenwurzeln zu rechnen.<br />

* Temperaturverwitterung : durch Anisotropie der thermischen Ausdehnungskoeffizienten in den<br />

Mineralkörnern in verschiedenen Achsrichtungen (Ausdehnungskoeffizienten<br />

8 - 35 . 10 -6 /K)<br />

die durch den Temperaturgradienten besonnte Erdoberfläche dehnt sich<br />

ca. 1,5-2,5fach stärker als die Luft (tägliche Einwirktiefe: < 0,5 m, jährliche<br />

Einwirktiefe: < 20 m).<br />

Die zugehörigen zyklischen Volumenschwankungen können bei Überschreiten<br />

der Zugfestigkeit zu Zugrissen im Gestein führen und lockern<br />

das Gestein allmählich auf<br />

* Frostverwitterung: Wasser dehnt sich beim Phasenübergang flüssig/Eis um ca. 9 % seines<br />

Volumens aus. Die Sprengkraft aus dieser Volumenszunahme in Hohlräumen<br />

beträgt bis zu pmax = 210 MN/m 2 bei ca. -22 o C; aber durch allseitige<br />

Drucksteigerung wird auch der Gefrierpunkt abgesenkt. Auch Kapillarspannungen<br />

= Grenzflächenkräfte zwischen Wasser und Kornoberfläche<br />

senken den Gefrierpunkt, z.B. bei feinkörnigem Ton auf –3 bis –5°<br />

C.<br />

Auf angelegten Schwächezonen (Klüfte, Schichtungen, Risse durch<br />

Temperaturschwankungen) des Gesteins konzentriert sich der Frost-<br />

8


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

angriff, da hier das Porenvolumen größer und die Wasserfüllung stärker<br />

sind als in dichtem Gestein.<br />

Häufiges Gefrieren und Tauen im Gefolge der Temperaturschwankungen<br />

lockern den Verband des Gesteins. Die Frost-Eindringtiefe beträgt in<br />

Deutschland ca. 0,5 - 0,7 m, im arktischen Sibirien 6 - 7 m.<br />

* Salzverwitterung: Kristallisierende Salze, die bei Verdunstung von salzhaltigem Wasser in<br />

aridem (trockenem) Klima in Spalten des Gesteins anwachsen, erzeugen<br />

einen Kristallisationsdruck. Bei erneuter Durchfeuchtung werden manche<br />

Salze durch Wasseraufnahme zu Hydraten. Durch die Kristallisation<br />

können Spannungen von 10 - 100 kN/m 2 entstehen. Häufiger Wechsel im<br />

Klima „feucht - trocken“ lockert entsprechend wie Frost das Gefüge von<br />

Gestein.<br />

* Physikalisch-Biologische<br />

Verwitterung: In der Vegetationszone kann durch den Wachstumsdruck der Pflanzenwurzeln<br />

(> 1 MN/m 2 ) ebenfalls eine erhebliche Lockerung des Gesteinsverbandes<br />

auftreten.<br />

3.1.2 Chemische Verwitterung<br />

Tiere lockern dagegen den Boden in der Regel nur auf und brechen damit<br />

der weiteren Verwitterung durch Frost und Temperatur Bahn.<br />

Im Gegensatz zur physikalischen Verwitterung wird durch chemische Verwitterung eine völlige Auflösung<br />

oder Umsetzung der Mineralsubstanzen von Gesteinen mit Hilfe von Lösungsmitteln bewirkt. Als Lösungsmittel<br />

kommen vor allem Oberflächen- und Grundwasser einschl. darin enthaltener Stoffe, z. B. Kohlensäure,<br />

Salze, Natriumchlorid, Ammoniumchlorid, Huminsäuren, schwefeliger Säure vor.<br />

* Lösungsverwitterung: Direkte Lösung von bestimmten Mineralien durch Wasser, z.B. bei Salzen<br />

wie Karbonat oder Gips<br />

1 l Wasser löst bei 20° C z.B.: 360 g NaCl<br />

2,5 g Gips (CaSO4 2H2O)<br />

0,014 g Kalkspat CaCO3<br />

9


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Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Der Verlauf und das Ergebnis der Lösungsverwitterung hängt ab von:<br />

− klimatischen Bedingungen (Temperatur, Feuchte)<br />

− Ausgangsgestein (Mineralbestand)<br />

− Zeit<br />

− Relief (Tiefenreichweite, > 100 m).<br />

Nur wenige Minierale widerstehen der Lösungsverwitterung: z.B.<br />

Quarz (SiO2). Die gelösten Minerale werden weggeschwemmt, fallen<br />

wieder aus oder bilden neue unlösliche Verbindungen.<br />

* Kohlensäureverwitterung: Regenwasser enthält mehr oder weniger gelöstes Kohlenstoffdioxid<br />

CO2 (z.B. als „saurer“ Regen), besonders in der Bodenluft der nicht<br />

wassergesättigten Bodenzone ist die Konzentration an CO2 ca. 100<br />

mal höher als in der Außenluft. Auch die Verwesung organischer<br />

Substanz setzt CO2 frei; andererseits verbrauchen Pflanzen in der belebten<br />

Bodenzone durch Assimilation wiederum CO2. Die im Wasser<br />

gelöste Kohlensäure dissoziiert in Ionen:<br />

CO2 + H2O ⇒ H2CO3 ⇒ H + + HCO3 - ⇒ 2H ++ + CO3 --<br />

Reines Wasser löst z.B. nur wenig Kalkspat/Calzit CaCO3 (0,014 g/l),<br />

aber bei CO2-haltigem Wasser bildet sich Calziumbikarbonat (dissoziiertes<br />

Ca-Hydrogenkarbonat). Dieses ist sehr viel stärker löslich, abhängig<br />

vom CO2-Druck, so daß die Löslichkeit erheblich zunimmt:<br />

CaCO3 + H + + HCO3 - → Ca ++ + 2 HCO3 -- .<br />

Da in warmem Wasser weniger CO2 gelöst wird als in kaltem (analog<br />

auch bei sinkendem Druck weniger CO2), löst kühles Grundwasser<br />

erhebliche Mengen an Kalkspat, während bei Erwärmung bzw. bei<br />

Entspannung = Druckabfall die Kohlensäure-Konzentration absinkt<br />

und daher Kalkspat bzw. Aragonit wieder ausfällt (z.B. erkennbar an<br />

der Kesselsteinbildung in Kochtöpfen bei kalkhaltigem Wasser. ).<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Auch Dolomit [(CaMg) CO3] wird durch kohlensäurehaltiges Wasser<br />

gut gelöst und fällt bei Erwärmung als mehliger Rückstand von Dolomitkriställchen<br />

aus.<br />

Abb. 3.2 Löslichkeit von Kalkspat/Calciumkarbonat in Wasser [1]<br />

* Rauchgasverwitterung = industriell bedingte verstärkte Verwitterung durch anthropogen erhöhte<br />

Konzentration CO2 und SO2, die durch Verbrennung von Kohle<br />

und Erdöl in der Luft entstehen. Der Kohlensäure bzw. Schweflige<br />

Säure enthaltende Regen löst direkt Kalkstein oder kalkig gebundenen<br />

Sandstein. Er dringt jedoch auch in nicht lösliches Gestein ein, dort<br />

bilden sich Salze und führen zu physikalischer Verwitterung (z. B. am<br />

Kölner Dom).<br />

* Oxidationsverwitterung Eisenhaltige Mineralien werden durch in Wasser gelösten Luftsauerstoff<br />

oxidiert; betroffen sind im wesentlichen Fe-Oxide, Fe-Sulfide,<br />

z.B. Pyrit (FeS2), das in den Nebengesteinen des Steinkohlenbergbaus<br />

im Rheinischen Schiefergebirge vorkommt und durch seine Verwitterung<br />

diese „Waschberge“ sehr sauer macht:<br />

2 FeS2 + 7 O2 + H2O → Fe2(SO4)3 + H2SO4 ,<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Bei der Oxydationsverwitterung von eisenhaltigen Mineralien wird<br />

häufig zweiwertiges Eisen zu dreiwertigem Eisen oxidiert. Daraus<br />

entsteht ein Mineral namens GOETHIT (α FeOOH + H2O), das häu-<br />

fig darunter liegende Erzlagerstätten anzeigt.<br />

Brauneisenstein: Fe2O3 . H2O gelblich - rötlicher Farbumschlag<br />

Roteisenstein: Fe2O3 als Merkmal für den Beginn der<br />

chemischen Verwitterung.<br />

* Hydrolytische Verwitterung Silikate, d. h. die Salze der Kieselsäure werden vollständig gelöst und<br />

dann nicht - wie Carbonate und Salze - wieder ausgeschieden. In Wasser<br />

sind Silikate praktisch unlöslich.<br />

Kieselsäure/Alumo(Tonerde)-Kieselsäuren bilden Salze mit Alkalibzw.<br />

Erdalkali-Kationen: K, Na, Ca, Mg, Fl. Diese Salze setzen unter<br />

Druck-Temperatur-Beanspruchung bei Hydrolyse Molekül-Teile frei<br />

und finden neue stabile Verbindungen, so z.B.:<br />

4 K Al Si3O8 (Kalifeldspat = Orthoklas) + 4 H2O →<br />

Al4 (OH)8 Si4O10 (Kaolinit) + 2 K2O + 8 SiO2 (Quarz).<br />

Der Verwitterungsrückstand sind überwiegend Tonmineralien, d.h.<br />

Aluminiumhydrosilikate und Aluminiumhydrate. Alkalisalze K2O und<br />

Quarz werden fortgeführt (amorphe Gele), man spricht von Entkiese-<br />

lung<br />

oder z.B. Hydrolyse mit CO2-haltigem Wasser:<br />

2 K Al Si3O8 + 2 H2CO3 + H2O →<br />

Al2 OH4 Si2O5 (Kalolinit) + 4 SiO2 (Gel) + 2 K HCO3 (löslich).<br />

* Chem.-Biol. Verwitterung Mikro-Organismen, z.B. Bakterien und niedere Pilze, die auf Fels<br />

wachsen, scheiden Wasserstoff-Ionen H + aus. Das abgestorbene Ge-<br />

webe wird durch andere Kleinlebewesen im Boden in dunklen Hu-<br />

mus umgewandelt , d.h. hochmolekulare zyklische Huminsäuren.<br />

Diese leiten dann wieder eine chemische Verwitterung ein.<br />

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3.1.3 Auswirkungen<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Bodenkunde<br />

in Land- und Forstwirtschaft, betrachtet die Verwitterungszone als Kulturboden, d.h. als Nutzpflanzenstandort<br />

(kolloidale Anteile Ton + Humus).<br />

Bodenmechanik<br />

betrachtet das mechanische Verhalten der Verwitterungszone als Lockergestein.<br />

Technische Gesteinskunde<br />

betrachtet die Wetterbeständigkeit und Festigkeit von Gestein als Baustoff, die Werkstoffprüfung erfolgt<br />

z.T. unter künstlichen Verwitterungsbedingungen.<br />

3.1.4 Erosion, Transport, Sedimentation<br />

Die Verwitterungsprodukte werden am Ort ihrer Entstehung von verschiednenen Transportmedien abgetragen<br />

(erodiert) und wegtransportiert. Als Transportmedien kommen neben der Schwerkraft dazu in Frage:<br />

• aquatisch, d.h. durch Wasser - Erosion, Abrasion, Subrosion<br />

• glazial, d.h. durch Eis - Exaration<br />

• äolisch, d.h. durch Wind - Deflation<br />

Je nach der örtlich wirksamen Klimazone - nivale Zone (nivalis = Schnee, lat.), periglaziale Zone, humide<br />

Zone, aride Zone (aridus = trocken, lat.) - herrscht das eine oder andere Transportmedium vor, wobei sich<br />

die Klimabedingungen in geologischen Zeiträumen erheblich ändern können und geändert haben.<br />

Die Bewegung der Transportmedien wird durch die Sonne exogen gesteuert (d.h. durch Energiezufuhr), indem<br />

die kurzwelligen Lichtstrahlen am Boden in langwelligere Wärmestrahlen umgesetzt werden und die<br />

Luft erwärmen. Dadurch steigt (heutzutage) die Luft am Äquator auf und strömt zu den Polen hin ab. Dabei<br />

wird Wasserdampf mitgerissen, der beim Kondensieren wieder Niederschlag liefert. Die Meeresflächen verdunsten<br />

mehr Wasser als das umgebende Land, daher müssen zum Potentialausgleich pro Jahr ca. 27000<br />

km 3 Wasser vom Land in die Ozeane fließen, damit der Kreislauf geschlossen wird. Das Potential dieses<br />

Wassers steht für eine gewaltige geologische Arbeitsleistung zur Verfügung. Genauso werden durch die<br />

Sonneneinwirkung von außen her auch die Winde und die Bewegung der Gletscher gesteuert.<br />

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Transportmedium Wasser<br />

Der Transport des verwitterten Materials im Wasser erfolgt entweder in Lösung (bei chemischer Verwitterung)<br />

oder als Suspension (Schwebstoff-Fracht) mit diskreten Teilchen; beim Mitschleppen von größeren<br />

Teilchen spricht man von Geröllfracht bzw. Geschiebe. Bei ausreichender Fließgeschwindigkleit ist das<br />

Wasser in der Lage, Feststoffteile mitzureißen (s. Abb. 3.3).<br />

Abb. 3.3: Transport und Sedimentation durch Wasser, Wechselwirkung zwischen der Fließgeschwindigkeit<br />

und der Korngröße<br />

Geröllfracht - durch Schub des strömenden Wassers im Flußbett, Steine werden gerundet;<br />

je nach Härte des Gesteins benötigt die Rundung der Kiesel einen Transportweg<br />

von ca. 1 - 5 km für rel. weiche Ausgangsgesteine wie Kalkstein, Sandstein<br />

dagegen 10 - 20 km für härtere Ausgangsgesteine wie Quarzit oder Granit;<br />

eine Halbierung der Korngröße erfolgt nach 10 - 50 km Kalk, Sandstein<br />

100 - 300 km Quarzit, Granit;<br />

mit der Zerkleinerung ist eine Auslese des Härtesten verbunden (Gold, Diamant).<br />

Schwebfracht - feine Schwebstoffe werden durch Turbulenz in ganzem Wasser verteilt;<br />

Bergflüsse führen in der Regel mehr Geröll: z.B. der Inn: Schweb/Geröll = 2/1<br />

Flachlandströme führen mehr Schwebfracht: Wolga: Schweb/Geröll = 500/1.<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Lösungsfracht Im Wasser gelöste Mineralien treten überwiegend im Sickerwasseranteil von Bächen und<br />

Flüssen auf, d.h sind im Quellwasser vorhanden und werden weiter flußabwärts verdünnt;<br />

ihre Konzentration ist nicht von der Fließgeschwindigkeit abhängig.<br />

z. B. im Neckar Schwebfracht mg/l Lösungsfracht mg/l<br />

HW Frühjahr 380 760<br />

NW Herbst 20 690<br />

Akkumulation Bei Abnahme des Bach- bzw. Flußgefälles läßt die Fließgeschwindigkeit und damit die<br />

Schleppkraft des Wassers nach (s. Abb. 3.3), so daß fluviatile Sedimentablagerungen<br />

entstehen, zunächst die Geröllfracht (Terrassenschotter, Kies, Sand), bei weiterer Geschwindigkeitsabnahme<br />

auch die viel feinkörnigere Schwebfracht (Schluff, Ton, Schlick,<br />

Auelehm); dabei wird das mitgeführte Material nach der Korngröße sortiert und klassiert.<br />

In einem Flußdelta kann es dabei durch wechselnde Fließrichtungen und Fließgeschwindigkeiten<br />

eines Flusses zu ausgeprägten Schrägschichtungen kommen (s. Abb. 3.4). Auf<br />

diese Weise werden mit entsprechender Zeit die Geosynklinalen (d.h. tiefer gelegene<br />

Teile der Erdoberfläche, z.B. Becken) mit Sedimenten aufgefüllt.<br />

Abb. 3.4: Schrägschichtung und Kreuzschichtung in der Sedimentfolge eines Flußdeltas [1]<br />

Abrasion Bezeichnung für den Abtrag von Gestein durch Meeresbrandung an der Küste bzw. Litoralregion<br />

(lat. litus = Ufer); Gesteinsblöcke werden durch die Brandung gegen die Uferwand<br />

geworfen; dadurch entstehen Brandungshohlkehlen, deren lichte Höhe vom örtlichen<br />

Tidehub abhängt. Bei genügend tiefer Unterhöhlung brechen die überhängende<br />

Schichten nach (z.B. Helgoland oder Rügen, ähnlich im Lockergestein von Sylt). Die feineren<br />

Teilchen werden als Schwebstoff vom Meer hinausgetragen, die groben bleiben<br />

auf der Brandungsterrasse, werden aber nach der Größe sortiert.<br />

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Die dadurch hervorgerufene Verschiebung der Küste ins Binnenland nennt man<br />

Transgression des Meeres.<br />

Transportmedium Eis<br />

In den nivalen (kalt, schneereich) Klimazonen erfolgt der Transport von verwittertem Material überwiegend<br />

durch Exaration (exarare = lat. auspflügen) infolge von Gletschereis-Bewegungen. Gletscher entstehen<br />

durch „Verfirnung“ von Schnee unter Druck des Eigengewichtes. Durch die Verdichtung infolge Eigengewicht<br />

entstehen dichter gepackte Kristallkörner, die im Gletscher jahreszeitlich geschichtet abgelagert sind.<br />

Mit zunehmender Tiefe wird innerhalb eines Gletschers aus dem weißen lufthaltigen Eis tiefblaues, nahezu<br />

luftfreies Eis. Bei ausreichend hohem Druck infolge Eigengewichts beginnt an der Sohle eines Gletschers<br />

das Eis plastisch zu fließen (z.B. Eispanzer über Grönland heute d > 3 km), weil der Schmelzpunkt von<br />

Wasser infolge Drucks um ca. 0,007K/100 kN/m 2 absinkt. Infolge Gravitation beginnt der Gletscher auf dieser<br />

plastischen Zone talwärts zu fließen.<br />

Der dabei ablaufende Vorgang der Exaration durch Abfrieren von Gestein aus der Talsohle durch ausgepreßtes<br />

Schmelzwasser und durch Ausschleifen eines Talgrundes führt zur glazialen Überformung der<br />

Landschaft, d.h. V-förmige Täler werden zu U-förmigen Tälern umgeformt.<br />

Abb. 3.5: Prinzipschnitt durch einen Gletscher [1]<br />

Schuttfracht: Grundmoräne, am Gletscherfuß zusammengeschoben und transportiert; unsortiert<br />

Seitenmoränen, Zufuhr von Schutt von oben auf den Gletscher, z.B. durch Lawinen etc.;<br />

beim Schmelzen sinkt die mitgeführte Moräne als ungeschichteter Geschiebemergel zusammen;<br />

bei Stillstand = Gleichgewicht zwischen Nachschub und Abschmelzen bauen sich an der<br />

Gletscherzunge Endmoränen auf;<br />

vor dem Gletscher sortieren die Schmelzwässer das mitgeführten Material in Sandern,<br />

ähnlich wie in den Schüttfächern von Bächen/Flüssen.<br />

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In periglazialen Gebieten und im Permafrostgebiet erfolgt durch das Auffrieren in Eislinsen und Wiederauftauen<br />

ein hangparalleles Erdfließen, das man als Solifluktion bezeichnet. Auch durch diesen Frost-Tau-<br />

Wechselprozeß kann Schutt/Boden hangabwärts transportiert werden.<br />

Transportmedium Wind<br />

Bei großflächigen Vereisungen können herabwehende Fallwinde Gesteinstaub von der Gletscheroberfläche<br />

mit sich führen (Gletschertrübe) , jedoch auch vor der Gletscherzunge aus Sandern und Solifuktionsgebieten<br />

die feineren Körner herausreißen und fortwehen. Dieser Staub wird vor dem Eisrand durch Steppenpflanzen<br />

aufgefangen oder fällt in Lee hinter dem nächsten Hügelkamm durch Nachlassen der Windgeschwindigkeit<br />

wieder aus und bildet dann mehr oder weniger mächtige Löß-Ablagerungen als äolische Sedimente. Diese<br />

betragen in:<br />

• Deutschland 1 - 3 m (z.B. im Raum Heiligenhaus/Solingen vor der südlichen Vereisungsgrenze der<br />

nordeuropäischen Vereisung)<br />

• Rußland 15 m<br />

• China > 100 m.<br />

In ariden Gebieten (pflanzenarme Wüsten) mit einer Schuttdecke aus Temperaturverwitterung ist der Wind<br />

in der Lage, durch Deflation Feinbestandteile aus der Oberfläche zu lösen und damit in Form von<br />

Sandstürmen eine Korrasion = schleifende Wirkung von sandbeladenem Wind zu erzeugen (Monument Valley<br />

in USA). In Sandwüsten wird der Sand als DÜNE bewegt und wandert bis mehrere m/Monat leewärts.<br />

Bei jahreszeitlich wechselnden Winden können solche Dünen auch ortsfest bleiben.<br />

Ablagerung = Sedimentation<br />

Nach dem Ort und der Art der Ablagerung des mehr oder weniger sortierten Verwitterungsmaterials am Ende<br />

des Transportweges werden die Sedimente wie folgt unterschieden:<br />

Ort der Ablagerung Art der Ablagerung<br />

terrestrisch klastische Sedimente<br />

marin (im Meer) chemische Sedimente<br />

fluviatil (in Bächen oder Flüssen) organogene Sedimente<br />

limnisch (in Binnenseen)<br />

Schließlich unterschiedet man noch die klastischen Sedimente nach ihrer Korngöße in psephitische (griech.<br />

ψεϕos -Kiesel), psammitische (ψαµµos - Sand) und pelitische (πελos - Schlamm) Sedimente.<br />

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3.1.5 Diagenese<br />

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Mit Diagenese bezeichnet man die Verfestigung von als Lockergestein abgelagerten Sedimenten vom Zeitpunkt<br />

ihrer jeweiligen Ablagerung an. Dabei bleibt der Gefüge-, Stoff- und Mineralbestand des sedimentierten<br />

Materials im wesentlichen unverändert. Je nach stofflicher Zusammensetzung der Sedimente unterscheidet<br />

man:<br />

* synsedimentäre Diagenese: gleichzeitig mit der Sedimentation eintretende Verfestigung, zB.<br />

durchprimäre Kristallisation von Salzen oder Riffkalkzementation<br />

* postsedimentäre Diagenese: nach Abschluß der Sedimentation eintretende Verfestigung durch<br />

Druck- und Temperaturzunahme (< 300 o C), Kompaktion (vor allem<br />

bei Ton) durch steigende Überdeckung (räumliche Verdichtung),<br />

Wasseraustrieb, Umkristallisation, Kornzertrümmerung;<br />

nachträgliche Zementation (vor allem bei Sand), d.h. Verfestigung<br />

durch Ausfällung eines Bindemittels, z.B. Einkieselung durch Quarzlösung<br />

unter Druck oder durch Kalkzement als Bindemittel.<br />

3.2 Endogene Dynamik<br />

Plattentektonik, Vulkanismus und Erdbebenaktivität stehen in unmittelbarem Zusammenhang, wobei die<br />

heutige Vorstellung der Plattentektonik erst in den 60er Jahren entwickelt wurde. Die endogenen Kräfte -<br />

sichtbar an den Bewegungen der Erdkruste - sorgen immer wieder für frischen „Gebirgsnachschub“, an dem<br />

die exogenen Kräfte wieder ihre Verwitterungs- und Einebnungsarbeit verrichten können.<br />

3.2.1 Tektonik<br />

Die Tektonik beschreibt die Krustenbewegungen der Erde, auch die vorzeitlichen. Man unterscheidet dabei<br />

zwei Typen von Vorgängen:<br />

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* Epirogenese beständige, langsame und lange andauernde Hebungen bzw. Senkungen der<br />

Erdkruste (allerdings auch mitunter ruckartig konzentriert), daraus entstehen<br />

Schwellen = Geoantiklinen und Gräben = Geosynklinalen<br />

* Tektogenese (Orogenese) Gebirgsfaltung, ggf. mit plötzlichem Freiwerden von potentieller Energie in<br />

Bruchflächen, wobei die Gesteinsmassen in Ruhelage zurückschnellen → Erd-<br />

beben, Brüche und Falten.<br />

Die Plattentektonik wurde in den 60er Jahren durch Magnetfeld-Messungen auf dem Ozeanboden belegt.<br />

Vulkanische Gesteine (z.B. die SiO2-armen Basalte) enthalten Kristalle von ferromagnetischem Magnetit<br />

(Fe304), die beim Erstarren/Abkühlen das wirksame Erdmagnetfeld fixieren (unterhalb der Curietemperatur,<br />

bei der die Atome sich ausrichten, ca. 550 - 450 o C, d.h. das Gestein ist schon erstarrt, wenn es magnetisiert<br />

wird).<br />

Die Messungen am Meeresboden ergaben Gestein, das entgegengesetzt zum heutigen Magnetfeld magnetisiert<br />

war („Nordpol“ an der Antarktis); d.h. das Magnetfeld muß sich im Laufe geologischer Zeiträume geändert<br />

haben. Gemeinsam mit der Datierung des Gesteinsalters ergab sich weltweit ein einheitliches Gesamtmuster.<br />

Die einzelnen Gesteinslagen wechseln in der Magnetisierungsrichtung (Wechsel jeweils alle<br />

0,5 - 2 Mill. Jahre). Auf dem Meeresboden zeichnen sich dadurch Linien umgekehrter Magnetisierung parallel<br />

zu den vorhandenen Rückenstrukturen ab. Mit dem Gesteinsalter kann man daraus eine Umkehrzeit-<br />

Skala entwickeln, aus der auch die Driftgeschwindigkeit der Plattenränder ermittelt werden kann.<br />

Das ca. 30 km entfernt vom mittelatlantischen Rücken liegende Gestein (umgekehrt magnetisiert) war<br />

600.000 Jahre alt. Demnach dehnen sich die Ozeanischen Platten aus (s. Abb. 3.6, heute ca. 1 - 5 cm/Jahr, d.<br />

h. 2 km 2 neue Fläche/Jahr), dafür wird an den Plattenrändern älteres Plattenmaterial nach unten gedrückt<br />

(Subduktionszonen = Benioff-Zonen, in denen horizontale bzw. schräge Pressungen vorherrschen). Entsprechend<br />

gibt es 2 Typen von Rändern an den ozeanischen Platten:<br />

• Zerrungszonen nennt man „Sea floor spreading“ (z. B. im Mittelatlantischer Rücken)<br />

• Pressungszonen nennt man Benioff - Zonen (z.B. westlich von Chile ).<br />

Die Konvektion im Magma unter der Lithosphäre bewegt die Oberfläche (wie bei einem Ölfilm auf fast kochendem<br />

Wasser) und zerreißt sie in Platten, die sich auf der flüssigen Unterlage bewegen. Die Kontinente<br />

unterliegen in der Regel nicht der Unterschiebung (Subduktion, s. Abb. 3.6), daher sind sie durchweg älter<br />

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Bodenmechanik 1<br />

als die ozeanischen Platten. Eine Ausnahme ist der indische Subkontinent, der sich unter die asiatische Platte<br />

schiebt und dabei das Himalaya-Gebirge auffaltet.<br />

Abb. 3.6: Tektonik der ozeanischen Platten mit Subduktion an den kontinentalen Platten[1]<br />

Abb. 3.7: Rekonstruktion der Wanderung der Kontinente in der jüngeren Erdgeschichte[6]<br />

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Bodenmechanik 1<br />

In Europa sind in der erdgeschichtlich „jüngeren“ Vergangenheit (bis ca. 580 Mio Jahre vor unserer Zeit)<br />

i.w. 3 Gebirgsbildungsphasen mit unterschiedlichen Beanspruchungsrichtungen durch die Kontinentaldrift<br />

der afrikanischen Platte gegen die europäische bzw. laurasische Platte abgelaufen:<br />

• die kaledonische Faltung am Ende des Silur (vor ca. 400 - 500 Mio. Jahren)<br />

• die variskische Faltung am Ende des Paläozoikums (vor ca. 230 - 350 Mio. Jahren)<br />

• die alpidische Faltung im Jungmesozoikum/Känozoikum (Jura bis Tertiär, vor ca. 15 - 180 Mio. Jahren),<br />

die nacheinander einschließlich der folgenden Verwitterungsphasen die heutigen europäischen Landschaftsformen<br />

geprägt haben.<br />

3.2.2 Magmatismus<br />

Abb. 3.8: Tektonisch-Chronologische Gliederung von Europa [1]<br />

Besonders an den Pressungsrändern der Platten (s. Abb. 3.9) entstehen Schwächezonen mit Teilaufschmelzungen<br />

der Kruste, in denen Magmen bzw. Laven aufsteigen und dabei erkalten und erhärten können:<br />

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Bodenmechanik 1<br />

z.B. an den - Inselbögen an der Westküste des Pazifiks<br />

bzw. an den - aufgeschobene Kontinentränder wie Anden oder Rocky Mountains mit Vulkanismus.<br />

Abb 3.9: Gliederung der Erdkruste in lithosphärische Platten[6]<br />

Magma ist dabei die Bezeichnung für natürliche Gesteinsschmelzen, während als Lava nur freigesetztes<br />

Magma bezeichnet wird, welches durch Druckentspannung bereits entgast ist. Beim Zusammenstoß von 2<br />

kontinentalen Platten erfolgt die Subduktion nur unvollständig (Indien unter eurasische Platte), vielmehr<br />

werden dann Faltengebirge, z. B. der Himalaya, erzeugt. Man unterscheidet bei den magmatischen, d.h.<br />

durch Erkalten beim Aufstieg entstandenen Gesteinen folgende Grundtypen:<br />

• Tiefengesteine = Plutonite, in der Erdkruste erstarrtes Magma<br />

• Erstarrungsgesteine = Vulkanite, an der Erdoberfläche erstarrte Lava<br />

a) Vulkanismus<br />

Die Austrittsstellen des Magmas, das sich als Lava (1000 - 1100 o C heißer Schmelzfluß) an der Erdoberfläche<br />

ergießt, nennt man VULKANE (nach der Insel Vulcano nördlich Siziliens, im Äolischen Inselbogen,<br />

eine der liparischen Inseln). Insgesamt sind auf der Erde ca. 500 verschiedene, in geschichtlicher<br />

Zeit aktive Vulkane bekannt. Ihre Verbreitung orientiert sich ebenso wie die der Erdbeben häufig an<br />

jungen Faltengebirgen bzw. entlang größerer Brüche und der Plattenränder, dagegen kaum innerhalb von<br />

massiven Kontinentalplatten (Australien, Zentralasien, Nordamerika).<br />

Klassische berühmte Beispiele für Vulkane sind z.B.:<br />

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• Vesuv (79 n. Chr. ausgebrochen mit der berühmten Verschüttung von Pompeji und Herculaneum), s.<br />

Abb. 3.10)<br />

• Ätna auf Sizilien (Vulkangebirge mit einer Vielzahl von seitlichen Ausbruchstellen, sog. parasitären<br />

Kratern)<br />

• Stromboli nördl. von Sizilien, ständig rhythmisch tätig, kleine Eruptionen täglich<br />

• Krakatau (1883/1927) in Indonesien/Sundainseln<br />

• Santorini (Ägäis) mit einem vom Meer überfluteten Einbruchkessel = Caldera.<br />

Abb. 3.10: Übersicht des Vesuv mit halbseitig erodiertem Somma-Krater<br />

Man unterscheidet folgende Vulkantypen:<br />

Schildvulkane = reine Lavavulkane (Hawaii und Island), die gasarme und Si02-arme Laven mit<br />

niedriger Viskosität, d.h. sehr dünnflüssig, fördern<br />

(Hawaii = 18 km hoch, ∅ 400 km, Kegel mit nur 5 o Böschungsneigung gegen die<br />

Horizontale, gebildet aus 5 Schildvulkanen; davon ist z.B. der Kilauea heute noch<br />

aktiv)<br />

Schichtvulkane = Stratovulkane (z. B. Vesuv, Ätna) mit Förderung von sog. Tephra, d.h.<br />

einem Gemisch aus Lava und bereits vorher erkaltetem Tuff, solche Vulkane bilden<br />

unter ca. 30 o geböschte Kegel mit leicht konkaven Hängen.<br />

Häufig enthalten solche Vulkane Radialgänge an parasitären Kratern = seitl.<br />

Ausbrüche, dadurch kann die charakteristische Form verändert sein.<br />

Gasvulkane = Lockerstoffvulkane, fördern überwiegend mit Lockerstoffen beladene Gase,<br />

meist Nebengesteinstrümmer!<br />

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Die Baukörper dieser Vulkane heißen MAARE, d.h. ringförmige Wälle, die sich<br />

nach unten zu einem engem Spalt verengen (tektonische Kluft in der Kruste, die<br />

sozusagen von unten aufgeblasen wird).<br />

Vorkommen in Deutschland: Eifel, Schwäbische Alb, letzte Tätigkeit in der Eifel<br />

vor ca. 10.000 Jahren<br />

Subvulkane = Quellkuppen, d.h. in geringer Tiefe unter der Oberfläche erstarrte (meist Si02reiche)<br />

Lava, z. B. am Drachenfels; diese Vulkanform stellt den fließenden Übergang<br />

zur Erscheinung des sog. Lagerganges zwischen anderen Schichten (z.B.<br />

Diabasgänge) dar<br />

Submarine Vulkane = mit Unterwasserförderung liefern Pillow-Laven, die in großen Tropfen (∅ 0,2 - 2<br />

m) als plastische Kugeln übereinander geschichtet werden; dabei entsteht durch<br />

die schockartige Abkühlung häufig eine glasig abgeschreckte Haut, die durch das<br />

Weiterrollen zerbricht und wieder neu gebildet wird; solche Glassande nennt man<br />

Hyaloklastite = Glastuff, bei chemischer Reaktion mit dem Salzwasser und Bindung<br />

von tonigem Meeresbodensediement auch Palagonite.<br />

typische Förderprodukte der Vulkane<br />

vulkanische Gase - ursprünglich unter Druck in der Lava gelöst Gase, durch Entspannung<br />

und Abkühlung nahe der Oberfläche werden sie aus der Gesteinsschmelze<br />

gelöst, schäumen auf und bilden Blasen<br />

(überwiegend Wasserdampf, C02, S02)<br />

aufgeschäumte Lava wird leichter und dünnflüssiger, evtl. kann dadurch<br />

auch ein regelrechter Gasstrahl aus dem Schlot entstehen. In der Regel<br />

wird das Gas durch Viskosität der Schmelze zurückgehalten.<br />

Vulkanite = Ergußgesteine - silikatischer Schmelzfluß von 1000 - 1100 o C, der bei ca. 700 o C erstarrt.<br />

Si02-arme Schmelzen = dünnflüssig, liefern Lavadecken (Andesit)<br />

Si02-reiche Schmelzen = zähflüssig, liefern steile Staukuppen.<br />

Durch Schwindklüfte bei der Abkühlung und Volumenverminderung entstehen<br />

häufig sechsseitige Säulen (z.B. in Form der sog. Basaltorgeln).<br />

Vulkanische Kontaktmetamorphosen durch Wärmeabgabe an die benachbarten<br />

Gesteine neben dem Schlot sind typische Begleiterscheinungen.<br />

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und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Pyroklastika = vulkanische Lockerstoffe - beim Aufschäumen der Schmelze entstehen blasige Fetzen,<br />

die in der Luft beim Flug erkalten, die sog. Pyroklastika. Der Stoff dieser<br />

Pyroklastika ist vulkanischen Ursprungs, der Absetzvorgang sedimentär.<br />

Auch ältere Trümmer (Aschen, Lapilli) können dabei mitgerissen werden.<br />

Mit organogenen Beimengungen nennt man die Pyroklastika Tuffite.<br />

Als postvulkanische Prozesse in der Erkaltungsphase eines nicht mehr fördernden Vulkans (z.B. in Island<br />

oder den Rocky Mountains) können mit fallender Temperatur bzw. steigendem Alter folgende auftreten:<br />

• Fumarolen - heiße Exhalationen von ca. 200 - 800 o C, sondern Salz ab, kommen bis ca. 100 Jahre<br />

nach Erlöschen des Vulkans vor.<br />

• Solfaturen - Wasserdampf-Exhalationen von ca. 90 - 250 o , C02- und H2S-haltig, sondern häufig<br />

Schwefel ab<br />

• Mofetten - C02-Austritte mit unter 200 o C Temperatur.<br />

Wenn solche Gas-Exhalationen das Grundwasser berühren, wird dieses aufgeheizt und mit Gas beladen.<br />

Dann entstehen THERMEN oder GEYSIRE bzw. Mineralquellen. Die im Wasser gelösten Mineralien<br />

(kieselig, kalkig) schlagen sich in der Umgebung als Sinterkrusten nieder.<br />

Wenn der Lavastrom in einem Vulkan von unten nachläßt, bricht häufig das Dach der entleerten Magmakammer<br />

zusammen, es entsteht anstelle des ursprünglichen Kraters ein kesselförmiges Becken, die<br />

sog. CALDERA (s. z.B. die Insel Santorini in der Ägäis).<br />

Blasenreiche Glaslava = Bimsstein wird bei plötzlicher Entgasung zertrümmert und als Tephra gefördert<br />

(z.B. als Ascheregen beim Ausbruch des Pinatubo/Philippinen). Bims -kommt in Deutschland im<br />

Neuwieder Becken vor (Laacher See), wo seit dem Tertiär bis zuletzt vor ca. 11000 Jahren (Eiszeit) ca.<br />

16 km 3 Bims abgelagert wurden.<br />

b) Plutonismus (Pluto = Gott der Unterwelt und des Reichtums, Erze)<br />

Als Plutonite bezeichnete man Gesteinsmassen, die aus erstarrtem Magmaschmelzfluß unter der Erd-<br />

oberfläche entstanden sind, eine andere Bezeichnung ist Tiefengesteine. Das flüssige Magma kühlt bei<br />

dieser Erscheinung in unterirdischen Räumen aus, die in Tiefen > 1 km unter der ursprünglichen Oberfläche<br />

liegen.Die dabei entstehenden Plutone sind meist von bedeutender Ausdehnung bis in große Tiefen<br />

der Erdkruste; sie werden erst durch die spätere Verwitterung der darüber vorhandenen Schichten<br />

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Bodenmechanik 1<br />

freigelegt.Die Größe der Plutone kann sehr unterschiedlich bis hin zu ∅ 80 - 150 km sein (z.B. das Bro-<br />

ckenmassiv im Harz), bei großen Massen/Trichterplutonen spricht man von sog. Batholithen, während<br />

schlankere pilzförmige Stöcke als Lakkolithen bezeichnet werden. Auch kommen trichterförmig aufgeweitete<br />

Plutone (Ethmolithen) und<br />

gangförmige Spaltenformen (sog.<br />

Lopolithen) vor (s. Abb. 3.11).<br />

a) Batholith<br />

b) Trichterpluton<br />

c) Lakkolith<br />

d) Lopolith<br />

Abb. 3.11: Prinzipskizzen einiger Pluton-Formen<br />

Der chemische und physikalische Zustand des Magmas ändert sich bei der Platznahme und Auskristallisation<br />

ständig; flüssiges Magma wird zu zähem Kristallbrei in plastisch-strömender Bewegung. Dabei<br />

entsteht eine Zonenbildung, indem am Rand feinkörnige Abschreckzonen kristallisieren, während im Inneren<br />

gröbere Kristalle wachsen können, da hier der Erstarrungsvorgang langsamer abläuft (Erstarrungszeiten<br />

bis zu 8 Mio. Jahre). Durch den Magma-Druck von unten wölbt sich die bereits etwas abgekühlte<br />

Kappe auf und es kommt zu Zugrissen, sog. Querklüften. In diesen Klüften kann wiederum flüssiges<br />

Magma nachsteigen. Z.T. entstehen auch mehr oder weniger horizontale Lagerklüfte parallel zur Ober-<br />

fläche (= Schubrisse), die später zur charakteristischen Wollsack-Verwitterung führen.<br />

Abb 3.12: Kluftsystem eines großen Granitplutons [6]<br />

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Bodenmechanik 1<br />

In den Klüften der Plutone bilden sich häufig auch in nachträglichen Intrusionen sog. Ganggesteine (z.B.<br />

Quarzgänge oder Porphyrgänge) oder es entstehen durch hydrothermale Vorgänge bedeutende Erzlagerstätten<br />

(Harz, s. Abb. 3.13, auch Erzgebirge).<br />

Abb. 3.13: Brockenmassiv als Beispiel eines großen Plutons mit verschiedenen Intrusionsphasen [1]<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Das Neben- bzw. Deckgestein eines Plutons nahe der Intrusionszone wird durch die hohe Temperatur<br />

der Schmelze in Form einer Kontaktmetamorphose in Gefüge und Mineralbestand verändert. Je nach<br />

Temperatur reicht dieser Kontakthof von einigen Metern bis zu mehreren Kilometern Entfernung.<br />

3.2.3 Metamorphose und Anatexis<br />

Durch wesentliche Änderung von Druck oder Temperatur (erheblich höher als zum Zeitpunkt der Gesteinsbildung)<br />

können in den Gesteinen (Sedimente, Magmatite) Mineralumwandlungen und strukturelle Änderungen<br />

(z.B. in Form einer Schieferung = Ausrichtung von Kristallen in einer Richtung) auftreten. Diesen<br />

Vorgang nennt man Metamorphose (=Umwandlung). Man unterschiedet dabei folgende Erscheinungsformen:<br />

• Regionalmetamorphose - größere Bereiche der Erdkruste geraten unter Zwängungsdruck, z.B. bei<br />

der Gebirgsauffaltung, Bildung dichterer Mineralien<br />

• Kontaktmetamorphose - in der Nachbarschaft von intrudierten Magmenkörpern (s. 3.2.2) kommt es<br />

zu örtlichen Änderungen der Druck-Temperatur-Verhältnisse (erhöhte<br />

Temperatur > 300°C), Freisetzen leichtflüchtiger Bestandteile<br />

Dabei ist der Metamorphosegrad, also die Art und der Umfang der mineralischen bzw. strukturellen Umbildung<br />

sehr unterschiedlich. Bei sehr hohen Temperaturen über 700-800 °C beginnt die vollständige Wiederaufschmelzung<br />

des Gesteins, die man als Anatexis bezeichnet (s. Abb. 3.14).<br />

Abb 3.14: Abhängigkeit der Metamorphose-Typen von Temperatur und Druck [1]<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Im allgemeinen werden die Gesteine durch die Metamorphose etwas homogenisiert. Durch Gebirgsfaltungen<br />

entsteht allerdings häufig ein klar gerichteter Druck parallel zur Faltungsrichtung (horizontal oder schräg) in<br />

der Erdkruste, so daß im Zuge der Regionalmetamorphose sowohl magmatisch entstandene Gesteine als<br />

auch Sedimentgesteine eine Einregelung von Mineralien nach ihrer Kristallstruktur erfahren, wobei besonders<br />

plättchenförmige Mineralien (Glimmer, Graphit, Ton) dann eine ausgeprägt anisotrope Schieferung erhalten<br />

können. Auch durch eine starke Scherung von Gestein (Dynamometamorphose) in Zonen starker tektonischer<br />

Beanspruchung kann die Struktur des Ausgangsgesteins stark geschiefert werden.<br />

Bei der Kontaktmetamorphose nimmt der Grad der chemisch/mineralogischen Veränderung des Ausgangsgesteins<br />

mit dem Abstand von dem Hitzeherd nach außen hin ab.<br />

Verschiedene metamorphe Gesteine, z.B. Gneise, können sowohl aus magmatischen Ausgangsgesteinen<br />

(Granit - Orthogneis) als auch aus sandig-quarzitischen Sedimentgesteinen (Grauwacken - Paragneis) entstehen.<br />

3.3 Stoffkreislauf<br />

Die 3 von der Entstehung her beschriebenen Gesteinstypen Sedimentgestein, Magmatite und Meta-<br />

morphite sind innerhalb der Erdkruste über geologische Zeiträume(kleinste Einheit ca. 10.000 Jahre) immer<br />

in Bewegung und in den Kreislauf der Verwitterung, Tektonik, Aufschmelzung und Kristallisation eingebunden<br />

(s. Abb. 3.15).<br />

Auch die in der Regel als Lockergestein bezeichneten Böden unterschiedlicher Korngöße stellen nur einen<br />

Momentanzustand in diesem Kreislauf dar.<br />

Die Geologie geht davon aus, daß die Erkenntnisse über die endogene und exogene Dynamik über die gesamte<br />

Erdgeschichte hinweg Gültigkeit besaß und somit die großen regionalen Unterschiede der Landschaftsformen<br />

i.w. durch klimatische und tektonische Veränderungen bedingt sind.<br />

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Abb 3.15: Kreislauf der geologischen Stoffe und Gesteinsbildungsvorgänge<br />

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4 Gesteinskunde<br />

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Festgesteine der Erdkruste sind Mineralaggregate aus einer (monomineralisch) oder mehreren (polymineralisch)<br />

Mineralarten. Jedes Gestein läßt sich durch folgende Eigenschaften charakterisieren:<br />

• Mineralbestand Art der Mineralien und mengenmäßige Anteile, Modus<br />

• Gefüge - Struktur (Kornform/größe)<br />

- Textur (räumliche Anordnung und Orientierung der Mineralkörper)<br />

- innere Bindung (Kristallwuchs, Verkittung).<br />

Nach der Genese und den Umgebungsbedingungen beim Prozeß der Gesteinsbildung unterscheidet man<br />

grundsätzlich 3 verschiedene Gesteinsarten:<br />

• magmatische Gesteine (65 %) = Erstarrungsgesteine, entstanden durch<br />

Kristallisation einer aufsteigenden Schmelze<br />

• Sedimentgesteine (8 %) = Absetzgesteine, meist geschichtet, entstanden<br />

durch Absetzen von Verwitterungsprodukten anderer<br />

Gesteine, diagenetisch verfestigt<br />

• metamorphe Gesteine (27 %) = Umwandlungsgesteine, z.B. Schiefergesteine,<br />

entstanden aus anderen Ausgangsgesteinen<br />

durch Temperatur- und Druckänderung<br />

Die Ansprache von Gesteinen nach den nachstehend genannten Merkmalen wird als Petrographie bezeichnet.<br />

4.1 Mineralbestand = Modus<br />

4.1.1 Allgemeines<br />

Die Erdkruste wird aus Mineralien gebildet, die in sich chemisch/stofflich einheitlich (homogen) zusammengesetzt<br />

sind und in festem Aggregatszustand, meist in kristalliner Form vorliegen (im Gegensatz zur kristallinen<br />

Erscheinungsform gibt es auch nichtkristalline = amorphe Mineralien, z.B. Opal = aus Silikatgel<br />

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entstandener wasserhaltiger Quarz oder Obsidian = Gesteinsglas). Überwiegend sind es anorganische Verbindungen,<br />

seltener auch chemisch reine Elemente. Reine Einzelkristalle sind eher selten, meist sind verschiedene<br />

Mineralien aus einer gemeinsamen Schmelze kristallisiert und dabei gegenseitig behindert bzw.<br />

unvollständig gewachsen.<br />

Auch die Mineralien können - wie die daraus zusammengesetzten Gesteine - auf verschiedene Arten entstehen,<br />

nämlich:<br />

• magmatisch durch Kristallisation aus einer Schmelze<br />

• sedimentär als Neubildung aus vorher vorhandenen gelösten oder festen Mineralien<br />

• metamorph als Umwandlung durch Änderung von Druck-/Temperaturbedingungen.<br />

Die Mineralogie unterscheidet die verschiedenen (ca. 3500 bekannten) Mineralien neben der chemischen<br />

Zusammensetzung nach folgenden physikalischen Kriterien:<br />

• Kristallform (mehr oder weniger regelmäßiger Raumgitterbau der Atome)<br />

• Optische Eigenschaften (Brechung/Beugung von Licht)<br />

• Spaltbarkeit und Bruchform<br />

• relative Härte (Ritzhärte auf der Mohs´schen Härteskala)<br />

• Färbung und Glanz (selektive Absorption, Reflexion und Refraktion von weißem Licht)<br />

• Strichfarbe auf Porzellan<br />

• Dichte ρ (g/cm³)<br />

• Schmelzpunkt, Wärmeleitfähigkeit, Wärmeausdehnung<br />

• Elektrisch/magnetische Eigenschaften (Leitfähigkeit, Piezoeffekte, Oberflächenaktivität).<br />

Unter Berücksichtigung des Chemismus werden die Mineralien in 9 Klassen aufgegliedert, die in Abb. 4.1<br />

dargestellt sind. Nach der typischen Form der Kristalle und des Kristallgitter-Aufbaus unterscheidet man 7<br />

Kristall-Systeme, wobei Verzerrungen von der idealen Geometrie des Kristallbaus berücksichtigt sind (s.<br />

Abb. 4.2).<br />

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Abb. 4.1: chemische Gliederung der Mineralien in 9 Klassen [6]<br />

Abb. 4.2: Gliederung der Kristallformen in 7 Kristall-Systeme [6]<br />

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4.1.2 Gesteinsbildende Mineralien<br />

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Im Mineralbestand eines Gesteins unterscheidet man zunächst Hauptgemengteile (>10 Vol. %), Nebengemengteile<br />

(< 10 Vol. %, z.B. Hornblende-Granit) und akzessorische Gemengteile (< 2 Vol. %). Die Bestimmung<br />

der Volumenanteile erfolgt durch Punktauszählung in einem durchleuchtbaren Dünnschliff unter<br />

dem Mikroskop, ggf. unter Einsatz von Polarisationsfiltern.<br />

Dabei läßt sich eine Farbzahl (C.I. = Colour Index = ΣV % aller Mineralarten mit Dichte > 2,8 g/cm 3 ) er-<br />

mitteln, da leichte Mineralien geringer Dichte sich im Dünnschliff farblos zeigen, während schwere Mineralien<br />

stärker farbig durchscheinen. Die verschiedenen Mineralien können diesbezüglich 3 unterschiedlichen<br />

Farbtypen zugeordnet werden:<br />

• felsische Mineralien = hell, farblos (leukokrat)<br />

• mafelsische Mineralien = mäßig farbig, durchscheinend (mesokrat)<br />

• mafische Mineralien = farbig, dunkel (melanokrat).<br />

Von den ca. 50 gesteinsbildenden Mineralien sind nur 25 verschiedene in der Erdkruste weit verbreitet; ihre<br />

volumenmäßige Verteilung zeigt Abb. 4.3. Man erkennt daran, daß die überwiegende Menge (87 %) sog.<br />

Silikate, d.h. Salze der Kieselsäure (immer mit Silizium- und Sauerstoffatomen) sind. Dadurch herrschen als<br />

chemische Elemente Sauerstoff und Silizium vor (94 % des Erdkrustenvolumens bestehen aus Sauerstoff).<br />

Durch die unterschiedliche Dichte der Elemente bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Verteilung<br />

der Gewichts- bzw. der Volumenanteile in der Erdkruste.<br />

Abb. 4.3: Volumen- bzw. Gewichtsanteile der gesteinsbildenden Mineralien/Elemente in der Erdkruste [7]<br />

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4.1.2.1 Silikate<br />

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Die ca. 1200 verschiedenen Silikat-Mineralien kommen in kaum übersehbarer Zahl von Ausbildungen vor,<br />

davon sind jedoch nur einige wenige für den Aufbau der Erdkruste maßgebend. (87 Vol. % der Erdkruste)<br />

Feldspäte<br />

Orthoklas K Al Si3O8 (gerade brechend)<br />

Plagioklas Albit - Ca Al Si2O8<br />

Anorthit - Na Al Si3O8 (schief brechend)<br />

Quarz (Si O2) = „Kieselsäure“, meist klar und durchsichtig, nahezu nicht verwitterbar, daher in<br />

fast allen Sediementgesteinen vertreten, daneben auch in vielen magmatischen/kristallinen<br />

Gesteinen als Gemengteil, meist zuletzt erhärtend und damit als Füller in den verbliebenen<br />

Räumen zwischen den anderen Mineralien<br />

Härte 7, Dichte ρ = 2,65 g/cm³<br />

Glimmer Muskovit = Hellglimmer (K Al3 (OH)2 Si2 O10), Härte 2-2,5, Dichte ρ = 2,85 g/cm³, guter<br />

Isolator, daher Verwendung als Wärmesisolator in Heizgeräten; ein Abart davon heißt<br />

Serizit, der Vorgang der Serizitisierung = Zersetzung von Albit in Glimmer.<br />

Biotit = dunkel, Eisenmagnesiaglimmer, Härte 2-2,5, Dichte ρ = 2,90 - 3,20 g/cm³.<br />

Beide feinschuppig/blättrige Form, ausgezeichnet spaltbar wegen ausgeprägtem<br />

Schichtgitteraufbau.<br />

Ähnlich dem Glimmer: Chlorit (grün, Verwitterungsprodukt des Biotit), Talk (fettig-weiß,<br />

Härte 1), Serpentin (faserig, Asbest, Verwitterungsprodukt des Olivin),<br />

Glaukonit (grün, aus Zersetzung in Meerwasser entstanden)<br />

Pyroxen Augit (Ca Mg Si2 O6 mit Al2O3 und Fe2O3), gehört zu den melanokraten Gemengteilen<br />

(feuerfremd) (glänzt schwarz, braun, grün), kommt vor in Eruptivgesteinen Basalt, Tuff<br />

Strich grünschwarz, Härte 5 - 6, Dichte ρ = 3,3 - 3,6 g/cm³<br />

Amphibole z.B. Hornblende, griech. für „zweideutig“, Mischung aus Ca Mg-Silikat und Ca Fe-Silikat,<br />

grün oder braunschwarz<br />

kommt vor in Magmatiten und Metamorphiten (kristallinen Schiefern),<br />

Strich: graugrün, Härte 5 - 6, Dichte ρ = 3,1 - 3,4 g/cm³<br />

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Olivin (Mg, Fe)2 [Si O4], grünlichgelb bis schwarz, Fe oxidiert bei Verwitterung und führt<br />

zu rostbrauner Färbung<br />

kommt vor in basischen (d.h. kieselsäurearmen) Eruptivgesteinen, z. B. Peridotiten<br />

Strich weiß, Härte 6,5 - 7, Dichte ρ = 3,1 - 3,4 g/cm³<br />

Tonminerale = Tonerdesilikate Al2O3 + SiO2 + Wasser, z.B. Kaolinit, Illit, Smektit/Montmorillonit<br />

4.1.2.2 Karbonate, Salze (nicht silikatische gesteinsbildende Mineralien)<br />

Kalkspat Calcit = Ca CO3 , formenreichstes Mineral<br />

weißlich-trüb, kaum von Milchquarz zu unterscheiden, bei HCl-Reaktionen schäumend.<br />

Kommt vor in Kalkstein, Marmor, auch in Tonmergel und Sandstein, ebenso<br />

als Gangmineral in Hohlräumen und Klüften, dann mit trigonaler Kristallform.<br />

Härte 3, Dichte ρ = 2,70 - 2,72 g/cm³<br />

Aragonit = Ca CO3 rhombisch-dipyramidal, leichter löslich als Kalkspat, unbeständig = metastabil,<br />

kristallisiert oberhalb 29 o C, weiß-grau, hellgrün; Strich weiß<br />

kommt vor in sinterartigen Krusten von Thermalquellen, Kesselstein, ebenso in<br />

Klüften basischer Ergußgesteine<br />

Härte 3,5 - 4, Dichte ρ = 2,95 g/cm³<br />

Dolomit = Ca Mg [CO3]2, grauweiß mit gelb-bräumlichem Ton (Fe)<br />

Löslichkeit: Kalkspat<br />

Dolomit<br />

Strich: weiß, Härte 3,5 - 4, γ = 2,85 - 2,95<br />

3<br />

= , Verwendung als feuerfestes Material<br />

1<br />

Siderit = Fe CO3 = Spateisenstein, Erscheinungsform ähnlich Dolomit<br />

Härte 4 - 4,5, Dichte ρ = 3,8 - 4,5 g/cm³<br />

Sulfate (Salze der Schwefelsäure)<br />

besser wasserlöslich als Karbonate und fällen daher in Meeresbecken erst nach der<br />

Karbonatfällung, so z.B.:<br />

Gips = Ca SO4 . 2H2O, klare, farblose Kristalle (Alabaster, Marienglas), schichtiger Aufbau,<br />

gut spaltbar, gut wasserlöslich, daher Erdfallgefahr; bei 107 - 110 o C entsteht durch chem.<br />

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Wasserverlust ein Halbhydrat: Ca SO4 . ½ H2O.<br />

Gipsrose = Sand mit Gips verfestigt<br />

Bodenmechanik 1<br />

Härte 2 (mit Fingernagel ritzbar), Dichte ρ = 2,3 - 2,4 g/cm³<br />

Anhydrit = Ca SO4, Primärausscheidung in der salinaren Abfolge<br />

leicht mit Kalkspat zu verwechseln (Säuretest, Kalkspat braust durch entweichendes CO2)<br />

Vergipsung = Hydratation durch Wasseraufnahme mit bis zu 62 % Volumenzunahme<br />

(Gipshüte auf den norddeutschen Salzstöcken)<br />

farblos, glasglänzend, trübe, weißer Strich, Härte 3 - 4, Dichte ρ = 2,9 - 3,0 g/cm³<br />

Steinsalz = NaCl (Halit) / KCl (Sylvin), stechend salzig, kristallisiert kubisch, farblos/grau-rötlich<br />

durch MgCl-Verunreinigungen, hygroskopisch, plastisch deformierbar, hohe<br />

Wärmeleitfähigkeit, Härte 2, Dichte ρ = 2,0 - 2,2 g/cm³<br />

4.1.2.3 Nebengemengteile<br />

Pyrit FeS2 = Schwefelkies (Katzengold), , kubische Kristalle, goldfarben,<br />

häufig in Buntmetallerzen, in Sedimenten auch als Knollen, in Kohle häufig in Knollen enthalten<br />

(Schwefelkohle), durch exotherme Verwitterung häufig Selbstentzündung von Kohlehalden<br />

Strich: grünschwarz , Härte 6 - 7, Dichte ρ = 4,8 - 5 g/cm³<br />

andere Sulfide z.B.: Kupferkies Cu Fe S2<br />

Magnet kies FeS<br />

Markasit FeS2<br />

Sulfide zersetzen sich an der Erdoberfläche exotherm, was sich in Zuschlägen für Beton und<br />

Schwarzdecken sehr schädlich auswirkt:<br />

FeS2 + 2,5 H2O + 7,5 O → 2H2 SO4 + Fe OOH<br />

Bleiglanz = (PbS) in hydrothermalen Erzgängen<br />

Schwefelsäure Limonit (Rost)<br />

metallischer Glanz, schwer, würfelig, Härte 2,5 - 3, Dichte ρ = 7,2 - 7,6 g/cm³<br />

Magnetit = (Fe3 O4) = Doppeloxid aus FeO und Fe2O3 in magmatischen Gesteinen, ferromagnetisch,<br />

schwarze kubische Kristalle verantwortlich für dunkelgraue Farbe von Basalt und Gabbro<br />

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Strichfarbe schwarz, Oberfläche blauschwarz, Härte 5,5, Dichte ρ = 5,2 g/cm 3<br />

wird bei Verwitterung zu Sanden in Schwermetallseifen angereichert; Vorkommen z.B. als<br />

schwedisches Eisenerz mit 72 % Fe<br />

Hämatit = Blutstein (Fe3O3), roter Glaskopf, traubenförmig, auch z. B. in rotem Sandstein, der durch<br />

Hämatithäutchen an den Quarzkörnern gefärbt wird; Farbe schwarzgrau, Strichfarbe kirschrot<br />

bis rot; wichtiges Eisenerz, Farbstoff, Polierrot<br />

Härte 5,5 - 6, Dichte ρ = 5,2 - 5,3 g/cm 3<br />

Limonit = Gelbeisenerz (Fe OOH), brauner Glaskopf, in Raseneisenerz<br />

Gemisch aus Goethit (Nadeleisenerz) und Lepidokrit (Rubinglimmer, β - Fe OOH)<br />

Endprodukt der oxidischen Eisenverwitterung, wird in Böden gelbbraun angereichert;<br />

Vorkommen hauptsächlich in Sedimenten; Härte 5 - 5,5, Dichte ρ = 3,5 - 4 g/cm³<br />

4.1.2.4 Akzessorische Gemengteile<br />

Zirkon = Zr SiO4 , habicht-farben: braun-grün, Strich: weiß<br />

als gelbrote Varietät auch: Hyazinth (Edelstein)<br />

enthält radioaktive Elemente, Vorkommen in sauren Eruptivgesteinen<br />

Härte 7,5, Dichte ρ = 3,9 - 4,8 g/cm³<br />

Apatit = Ca5 (PO4) F und Ca5 (PO4) Cl, Phosphoritknollen, kommen vor in Magmatiten und<br />

metamorphen Gesteinen, verwittert leicht und düngt den natürlichen Boden<br />

Titanit = (Ca Si TiO5) in Magmatiten, Granit, Trachyt<br />

Rutil = (TiO2) gelbbraun-rotschwarz, Strichfarbe gelb, kommt vor in metamorphem Gestein<br />

und Sedimenten<br />

4.2 Gefügebeschreibung<br />

Zur Beschreibung des Gefüges werden folgende Eigenschaften qualitativ und nach Möglichkeit auch<br />

quantitativ beschrieben:<br />

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• Raumerfüllungsgefüge dicht, schaumig, porös, blasig, kavernös<br />

• Struktur = Korngefüge der einzelnen Mineralkörner<br />

− nach dem Aggregatzustand holokristallin, glasig, hypokristallin<br />

Bodenmechanik 1<br />

− nach Gestalt der Gemengteile idiomorph (freies Wachstum der einzelnen Kristalle)<br />

xenomorph (behindertes Wachstum)<br />

hypidiomorph (Tiefengesteinsgemengteile)<br />

− nach der absoluten Größe makrokristallin (mit bloßem Auge erkennbar)<br />

mikrokristallin (nur unter dem Mikroskop erkennbar)<br />

kryptokristallin (auch unter Mikroskop nicht bestimmbar)<br />

− nach der relativen Größe körnig - alle Minerale etwa gleich groß<br />

porphyrisch - idiomorphe Einsprenglinge in feinkörniger<br />

Grundmasse, z.B. bei vulkanischen bzw.<br />

Ganggesteinen<br />

• Textur richtungslos (Tiefengesteine) isotrop<br />

Magmatite<br />

Fließtextur (parallel zur Fließrichtung) anisotrop<br />

Sedimente<br />

4.3 Magmatische Gesteine<br />

anisotrope Orientierung durch schichtigen Absetzvorgang<br />

wellig, scharig<br />

Metamorphite<br />

- Einregelung der Mineralien durch Schieferung (Bänderung)<br />

- stengelige Textur (Hornblende)<br />

- richtungslos - massig (unter Temperatureinfluß)<br />

Magmatische Gesteine - d. h. aus Erstarrung von silikatischen Schmelzen entstandene Gesteine - werden unterschieden<br />

nach dem Ort der Entstehung:<br />

a) Plutonite = Tiefengesteine, Batholith, Lakkolith (griech. λακκos = Lochzisterne)<br />

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b) Ganggesteine = in Gängen/Hohlräumen aufgestiegene, schneller erstarrte Tiefengesteine<br />

(Subvulkanite)<br />

c) Vulkanite = Ergußgesteine bzw. Effusivgesteine, die an der Erdoberfläche bzw. im Wasser<br />

sehr schnell erstarrt sind<br />

4.3.1 Tiefengesteine<br />

Das in die Erdkruste aufsteigende Magma erkaltet sehr langsam, wobei eine Magmendifferentiation eintritt<br />

(2 bis 6 km unter der Oberfläche). Der Gehalt an Kieselsäure (Si O2) im Magma bestimmt dessen Viskosität:<br />

• Si O2 - reich: saures Magma, zähflüssig; meist mit hellen Mineralien (Quarz, Orthoklas)<br />

• Si O2 - arm: basisches Magma, dünnflüssig; meist mit dunklen Mineralien (melanokrat).<br />

Die Magma hat eine Temperatur von ca. 1200 - 1300 o C; bei 1200 - 700 o C beginnt die Kristallisation. Die<br />

Tiefengesteine haben meist eine kristalline Struktur, da sie langen, bis 10.000 Jahre andauernden Abkühlzeiten<br />

unterliegen, so daß zuerst einzelne größere Kristalle wachsen können (1 - 10 mm groß). Quarzkristalle<br />

erstarren meist zuletzt und füllen damit die Hohlräume zwischen den Primärmineralien aus. Die zuerst erstarrenden<br />

Mineralien wachsen idiomorph, die restlichen nur noch hypidiomorph bzw. sogar xenomorph,<br />

d.h. mit Verwachsungen bzw. behindertem Wachstum. Man unterscheidet je nach Zusammensetzung der<br />

Schmelzen:<br />

− Granite und Granodiorite<br />

enthalten ca. 65 Gew.-% Kieselsäure, d.h. es sind „saure“ Gesteine<br />

normiert, d. h. Quarz, Alkalifeldspäte (Orthoklas, Albit) und Plagioklas gibt 100 %:<br />

dann: 20 - 60 % Quarz (Vol.)<br />

Granit meist mit Orthoklas als Feldspat<br />

Granodiorit meist mit Plagioklasen als Feldspat<br />

Färbung: grau, weiß, rötlich (Hämatit), gelblich (Oxidation)<br />

Leukogranit < 5 % mafische Gemengteile<br />

Melanogranit > 20 % mafische Gemengteile<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Struktur: grobkörnig, einzelne Mineralkomponenten sind mit dem bloßen Auge erkennbar;<br />

seltener porphyrisch, d.h. mit grobkristallinen Feldspäten von 1 - 15 cm ∅ (Kalifeld-<br />

Verwitterung:<br />

spat = Orthoklas)<br />

meist auf Klüften (Wollsackverwitterung), vorzugsweise die Feldspäte verwittern zu<br />

Tonmineralien<br />

Verwendung: als Werkstein oder Schotter, bei starker Klüftung auch als Brechkies/Splitt<br />

− Syenite und Monzonite (seltener, in Deutschland kaum vorkommend)<br />

ausgewogener mittlerer Kieselsäuregehalt, enthält kaum freie Quarzkristalle,<br />

Quarz < 20 Vol.-% normiert bzw.<br />

auf die Summe aus Quarz + Plagioklase + Alkalifeldspat bezogen: 52 - 65 Gew.-%<br />

Kieselsäure<br />

Syenit: enthält mehr Alkalifeldspat als Plagioklas<br />

Monzonit: enthält gleich viel Alkalifeldspat wie Plagioklas.<br />

Struktur: ähnlich Granit<br />

Färbung: lebhaft durch 10 - 35 % mafische Gemengteile<br />

− Diorite und Tonalite (selten, in Deutschland im Bayr. Wald/Fichtelgebirge)<br />

Modus: kaum Alkalifeldspäte (Orthoklas und Albit), überwiegend Plagioklas<br />

ca. 52 - 65 Gew.-% Quarz<br />

Diorit: 25 - 50 Vol. % mafische Gemengteile (Hornblende, Biotit)<br />

Tonalit: 10 - 40 Vol.% mafische Gemengteile<br />

Struktur: ähnlich Granit, meist mittel- bis feinkörnig<br />

Färbung: dunkel, grau oder schwarz - weiß gefleckt<br />

− Gabbros (häufig, in Deutschland überwiegend im Schwarzwald, Odenwald, Harz)<br />

basisches Gestein mit weniger als 52 Gew.-% SiO2, max. 10 Vol-% Quarz<br />

leukokrate Gemengteile (Ca-reich): überwiegend Plagioklas, > 50 Vol.-% Anorthit<br />

mafische Gemengteile: ∼ 50 Vol.-% Hornblende, Augit, Olivin<br />

Dichte: 3,0 g/cm 3 , zäh, d. h. schlagfest, schwarz/grün/braun<br />

weniger verwitterungsbeständig als Granit<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

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Bodenmechanik 1<br />

− Ultramafitite (Vorkommen in Harz, Odenwald, Erzgebirge)<br />

z. B. Peridotit mit mehr als 90 Vol.-% mafischen Gemengteilen = Olivin, Augit,<br />

4.3.2 Ganggesteine<br />

Hornblende, enthält keinen Quarz ⇒ ultrabasisch;<br />

meist dunkelgrün bis schwarz, häufig serpentinisiert (Olivin → Serpentin),<br />

Dichte 3,2 - 3,5 g/cm 3 , feinkörnig.<br />

Analog Granitmagma, jedoch mit porphyrischer Struktur, d. h. große idiomorphe Einsprenglinge in relativ<br />

feinkörniger Grundmasse. Einsprenglinge in der Tiefe kristallisiert und hochgetragen, der noch flüssige Rest<br />

ist schneller erkaltet.<br />

Granitporphyr = gleicher Mineralbestand wie Granit, große Kalifeldspäte (Orthoklase) und<br />

Quarze<br />

Granit-Aplit = Anreicherung der hellen Gemengteile Orthoklas, Albit, Quarz;<br />

kaum Glimmer, Gänge in Graniten<br />

Pegmatit = grobkörnig, Quarz und Orthoklas mit seltenen Mineralien Topas, Turmalin<br />

(faustgroße Kristalle), Glimmer<br />

Lamprophyre = Ganggestein von basischem Tiefengestein (Gabbro)<br />

(Spessartit) grünlichgrau (Hornblende, Augit, Olivin)<br />

4.3.3 Ergußgesteine (Vulkanite)<br />

Schnell erkaltetes Magma an der Erdoberfläche, daher in der Erscheinungsform meist nur mikrokristallin<br />

oder kryptokristallin. Man unterscheidet wieder nach der mineralischen Zusammensetzung der Schmelze -<br />

analog zu den Magmatiten (s. Abb. 4.4)<br />

Rhyolith = entspricht vom Mineralbestand dem Granit, meist durch Anatexis entstanden<br />

(in Deutschland selten)<br />

Quarzporphyr = feinkörnig, Einsprenglinge von Orthoklas und Quarz häufig mit Poren (dann<br />

nicht frostsicher)<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Färbung: rötlich hell bis weißgrau (Porphyr = Rote Schnecke → lat. Purpur)<br />

Liparit = jungvulkanische Rhyolithe und Bimsstein (schaumiges Glas, grauweiß, Dichte<br />

1 g/cm 3 ) mit Orthoklas-Einsprenglingen<br />

Obsidian = dunkle Gläser<br />

Perlite = perlig zerfallender Obsidian<br />

Trachyt = entspricht dem Mineralbestand von Syenit (wenig Quarz)<br />

Struktur: porphyrisch, porös<br />

Einsprenglinge aus Orthoklas, Hornblende, Plagioklas<br />

Textur: Flußbild zwischen den Einsprenglingen<br />

Färbung: grau bis gelblich<br />

Siebengebirge/Westerwald, als Keratophyr: Schwarzwald, Vogesen<br />

geringere Druckfestigkeit 70 - 150 MN/m 2<br />

Andesit = Ergußäquivalent zum Diorit, d. h. kaum Quarz<br />

Farbe: grau bis schwarz, porphyrisch, fluidale Textur, dunkle Einsprenglinge<br />

häufig im Siebengebirge/Eifel/Westerwald<br />

Porphyrit = altvulkanische Form des Andesit häufig grünlich durch Chloritisierung von Augit +<br />

Hornblende, kommt vor in Harz, Vogesen, Saar - Nahe<br />

Basalt = Ergußäquivalent zum Gabbro, quarzfrei, basisch; häufiges jungvulkanisches<br />

Ergußgestein, dunkel bis schwarz, weil nur melanokrate Gemengteile<br />

Struktur: dicht, nur undeutliche Einsprenglinge<br />

Dichte: 3,0 g/m 3 , Festigkeit: bis 350 MN/m 2<br />

Diabas: feinkörnige altere Basalte, altvulkanisch (gröber als dicht)<br />

alter Diabas = (Rhein. Schiefergebirge, Devonausbrüche)<br />

Melaphyr säulige Absonderung, blaugrau - schwarz<br />

Sonnenbrand ist eine besondere Basaltverwitterung, die die Verwendung als<br />

Baustoff gefährden kann; sie tritt ein, wenn Analzim (Na[Al Si2 O6]) aus Nephelin<br />

entsteht, dann erfolgt ca 5 % Volumenvergrößerung und entsprechende Sprengwirkung<br />

und Zerfall, sichtbar an grauen Flecken bis hin zu kirschgroßen Körnern.<br />

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Kurztest auf Sonnenbrandgefahr 10 min. Kochen in Salzsäure, wenn dann keine<br />

weißen Flecken auf dem Gestein auftreten→ keine Sonnenbrandgefahr<br />

Melabasalt = Pikrit = ultrabasisches Ergußgestein, vom Mineralbestand her dem Peridotit ähnlich;<br />

> 65 % mafische Gemengteile, altvulkanisch<br />

Phonolithische Tuffe = verfestigte vulkanische Aschen mit Einsprenglingen (Lapilli, Bomben)<br />

weiches, porenreiches Gestein mit Grob- und Feinbestandteilen, mitunter gut<br />

verfestigt, so daß daraus Werksteine gewonnen werden können (nicht frostsicher);<br />

Vorkommen z.B. in der Eifel (Laacher See) als weißgrauer feiner Tuff, der in<br />

gemahlener Form als Traß auch hydraulisch abbindet, ähnlich den bei den Römern<br />

verwendeten Puzzolanen.<br />

Abb. 4.4: Übersicht zu den Entstehungsbedingungen für magmatische Gesteine [7]<br />

4.4 Sedimentgesteine<br />

Die Sedimentgesteine entstehen durch Ablagerung von verwittertem, erodierten Material bzw. durch chemische<br />

oder organische Ausfällung. Aus dem so abgelagerten Lockergestein wird durch Diagenese (Verfestigung<br />

über lange Zeiträume durch Verdichtung, Erwärmung oder Kristallisation von Bindemitteln etc. ohne<br />

wesentliche Veränderung des Gefüges und des Mineralbestandes) dann ein Festgestein. Man unterscheidet:<br />

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• klastische Sedimente - nach der Größe sortierte Ablagerung je nach Schleppkraft der Transportmedien<br />

Wasser und Wind, z.B. Sandstein, Tonstein, Schluffstein, Grauwacke,<br />

Konglomerat, Brekzie (s. Abb. 4.5); das Transportmedium Eis erzeugt praktisch<br />

keine Sortierung<br />

• chemische Sedimente - Ausscheidungssedimente, transportiert in gelöster Form und abgelagert durch<br />

chemische Ausfällung, z.B. Kalkstein, Dolomit, Travertin (calzitisch gebunden),<br />

Flint/Feuerstein, Kieselgur, Kieselschiefer (kieselig gebunden),<br />

oder Eindampfungsgesteine (Evaporite) z.B. Steinsalz, Gips<br />

• organische Sedimente - unvollständig zersetzte organische Substanzen (Torf, Braunkohle, Steinkohle, Öl,<br />

Erdgas) oder Ausfällungen durch Einwirkung von Lebewesen (Riffkalke)<br />

Abb. 4.5: Erscheinungsform von Sedimentgesteinen (nach diagenetischer Verfestigung gefaltet)<br />

Abb. 4.6: Übersicht der Klastischen Sedimentgesteine (Trümmergesteine) nach [1]<br />

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Abb. 4.7: Übersicht der chemischen/biochemischen Sedimengesteine nach [1]<br />

4.5 Metamorphe Gesteine<br />

Metamorphe Gesteine sind durch Um- bzw. Neukristallisation aufgrund von Erhöhung der Druck- und<br />

Temperaturbedingungen aus bereits vorher vorhandenen Magmatiten oder Sedimentgesteinen entstanden;<br />

das Ausgangsgestein nennt man Protolith. Solche tiefgreifenden Änderungen der Randbedingungen können<br />

bei tektonischen Bewegungen in der Erdkruste (sog. Regionalmetamorphose, z.B. bei Gebirgsfaltungen) und<br />

damit verbundenen Drucksteigerungen und/oder beoi Temperatursteigerung in der Umgebung von aufsteigenden<br />

Plutoniten (sog. Kontaktmetamorphose) auftreten.Dann kann es zu einer teilweisen oder vollständigen<br />

Umwandlung der vorher vorhandenen Gesteine in ein kristallines Gefüge kommen. Oberhalb von ca.<br />

750 - 800 °C kann es sogar zur völligen Wiederaufschmelzung (Anatexis) der Ausgangsgesteine kommen.<br />

Abb. 4.8: Erscheinungsformen von Metamorphiten in der Nähe einer Gebirgsfaltung<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Abb. 4.9: Druck(°C)- und Temperatur-(kbar)-Bedingungen für unterschiedl. Metamorphosegrade<br />

Bei gerichtetem Druck regeln sich die Mineralien häufig quer zur Haupt-Druckrichtung lagenförmig ein<br />

bzw. das entstehende metamorphe Gestein erhält eine schiefrige Struktur (geschieferte Sedimente, kristalline<br />

Schiefer). Eine Übersicht über die Eintelung der metamorphen Gesteine gibt Abb. 4.10. Die häufigsten<br />

Vertreter sind:<br />

• Gneis mit demselben Mineralbestand wie Granit, aber in lagenförmiger Ausrichtung<br />

(Paralleltextur) der Mineralien. Sehr variantenreich bei unterschiedlichem Biotitund<br />

Hornblendeanteil, parallel zur Schieferung gut spaltbar (sehr häufig in Tessiner<br />

Alpen, Schwarzwald, Odenwald, Spessart, Bayr. Wald, Fichtelgebirge, Thür. Wald)<br />

• Tonschiefer dünnplattig teilbar durch engscharige Schieferung meist schräg zur Schichtung,<br />

entstanden aus Tonstein durch schwache Metamorphose, Mineralbestand meist<br />

feinstkörniger Quarz und Schichtsilikate (Illit bis Serizit), wenig Feldspatreste.<br />

Färbung schwarzgrau bis schwarz durch organische Substanzen. Falls Tonschiefer<br />

Pyrit enthält, ist er bautechnisch wegen der Pyritverwitterung praktisch unbrauchbar.<br />

• Phyllit mit Blättchenstruktur, Gemenge aus Quarz und schuppigem Glimmer (Sericit), völlig<br />

feldspatfrei. Je nach Härte als Talkschiefer (Speckstein) und Chloritschiefer, grünlich<br />

bis violett mit seidigem Glanz<br />

• Glimmerschiefer gröber als Phyllit, kristalliner Schiefer mit Blättchenstruktur, Quarzkristalle werden<br />

von blättrigen Glimmerlagen eingehüllt.<br />

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• Quarzit fast reiner Quarzbestand, kaum Glimmer, daher deutlich geschichtet, aber nur geringe<br />

Schieferstruktur.Meist sehr hart und verwitterungsbeständig.Vorkommen häufig in<br />

den Alpen und im Fichtelgebirge, entstanden aus Sandstein durch Verflüssigung und<br />

an schließende Wiederverfestigung des SiO2.<br />

• Marmor entstanden aus Kalk (durchweg Calcit), weiß oder verfärbt in allen Farbtönen durch<br />

Beimengungen. Grob kristallines, meist sehr homogenes Gefüge aus etwa gleichgroßen,<br />

polygonalen Kalkspatkristallen.Sowohl durch Reginalmetamorphose (z.B. Norditalien:<br />

Carrara-Marmor) als auch durch Kontaktmetamorphose (Odenwald, Spessart).<br />

Abb. 4.10: Übersicht über die Metamorphite in Abhängigkeit vom Protolith nach [8]<br />

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4.6 Kreislauf der Gesteine<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Die 3 Hauptklassen von Gestein - Magmatite, Sedeimentite und Metamorphite - unterliegen innerhalb der<br />

Erdkruste einem ständigen Wandel aus Verwitterung, Sedimentation, Druck- und Temperaturbeanspruchung<br />

bis hin zur Wiederaufschmelzung , so daß sich daraus ein regelrechter Kreislauf der Gesteine ergibt, in den<br />

auch die Existenz von Boden als sog. Lockergestein als vorübergehende Phase eingebunden ist (s. Abb.<br />

4.11).<br />

Abb. 4.11: Kreislauf der Gesteine [aus 8]<br />

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5 Geologische Zeitenfolge und Kartenkunde<br />

5.1 Kartierungen<br />

Bodenmechanik 1<br />

Durch die Wechselwirkung zwischen endogener und exogener Dynamik wird die Erdoberfläche - über geologische<br />

Zeiträume gesehen - laufend umgestaltet, d.h. die Landschaftsmorphologie wird permanent verändert.<br />

Dabei werden durch tektonische Beanspruchungen lithologische Platten gefaltet oder übereinander geschoben<br />

(aktive Gebirgsfaltung, z.B. heute in noch jungen Gebirgen wie Himalaya, Anden und Alpen);<br />

durch Entlastung infolge Abschmelzung von Vereisungen können Hebungen auftreten (bzw. umgekehrt<br />

Senkungen durch Vergletscherung) usw. Dadurch ist das örtliche Gefüge im oberflächennahen Gebirge in<br />

der Regel gegenüber den Entstehungsbedingungen des entsprechenden Gesteines gestört, die Stellung im<br />

Raum kann durch Faltung verdreht und der Gebirgsverband durch die Beanspruchung in ein Trennflächengefüge<br />

zerlegt sein. Hinzu kommt die seit der Gesteinsentstehung eingetretene Verwitterung (die bereits<br />

während der Gebirgsauffaltung wirksam ist), die wie ein Mahlstrom an der Landschaft arbeitet und die härteren<br />

Gesteinsrippen herausformt, während die weicheren Partien abgetragen und dadurch Höhenunterschiede<br />

nivelliert werden. Das Ergebnis ist die jeweils aktuelle Morphologie, in der unterschiedliche Gesteinsformationen<br />

in örtlich stark wechselnden Lagerungsbedingungen an der Erdoberfläche ausstreichen<br />

bzw. in geringer Tiefe unter einer entsprechenden Verwitterungsdecke vorliegen. Diese Situation wird von<br />

Geologen örtlich erkundet, in den erdgeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet und schließlich in Kartierungen<br />

dargestellt, die einerseits die Art und geschichtliche Entstehung der vorhandenen Gesteine charakterisieren,<br />

aber auch die räumliche Orientierung des Trennflächengefüges (Schichtung, Klüftungen, Schieferung)<br />

und den gesamten Gebirgsbau (Sattel-/Muldenstruktur, Horst/Grabenstrukturen, Verwerfungen, Überschiebungen<br />

etc.) beschreiben.<br />

In Deutschland wurde bereits vom Land Preussen Ende des vergangenen Jahrhunderts mit einer geologischen<br />

Kartierung im Maßstab der Topographischen Karte M 1:25.000 begonnen, die noch heute den Rahmen<br />

der „Geologischen Karte GK 25“ darstellt; bisher sind jedoch noch nicht alle dieser Meßtischblätter für<br />

die Bundesrepublik Deutschland bearbeitet, wobei die Bearbeitung heute als Länderaufgabe durch die Geologischen<br />

Landesämter erfolgt. Daneben sind Übersichtskartierungen (GK von Nordrhein-Westfalen M<br />

1:100.000 und GK von Deutschland M 1:200.000) eingeführt (Gesamtübersicht für Deutschland s. Abb.<br />

5.1).<br />

Schließlich gibt es geologische Spezialkarten wie die Ingenieurgeologische Karte M 1:25.000 mit Darstellung<br />

der für das Bauwesen besonders interessanten oberflächennahen Verhältnisse bis ca. 5/10 m Tiefe,<br />

Hydrogeologische Karten M 1:25.000/1:50.000 mit Darstellung der Grundwasserverhältnisse etc. bis hin zu<br />

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Baugrundkarten M 1:5.000/10.000, die für einige Städte (z.B. Aachen) erarbeitet wurden. Für größere Projekte<br />

werden auch örtliche Spezialkartierungen angefertigt, die die speziellen geologischen Verhältnisse in<br />

der unmittelbaren Umgebung des entsprechenden Bauvorhabens darstellen.<br />

5.2 Erdgeschichte - Erdzeitalter<br />

Das derzeit bekannte Alter der Erde von ca. 4,8 Milliarden (4,8 * 10 9 ) Jahren ist bisher von der Geologie<br />

nur zu einem geringen Teil von der Stratigraphie (Beschreibung der Schichtenfolge) erforscht. Dabei unterscheidet<br />

man folgende Hauptperioden:<br />

• Präkambrium = Erdurzeit von ca. 3500 Millionen Jahren Dauer ohne größere Versteinerungen von<br />

Lebewesen<br />

• Paläozoikum = Erdaltertum von ca. 335 Mio Jahren Dauer mit einfachen Fossilien, Pflanzen,<br />

Reptilien<br />

• Mesozoikum = Erdmittelalter von ca. 160 Mio Jahren mit ersten Säugetieren, Sauriern, Vögeln etc.<br />

• Känozoikum = Erdneuzeitvon ca. 65 Mio. Jahren Dauer bis heute<br />

Das Präkambrium und damit die längste Zeit der Erdgeschichte liegt damit noch weitestgehend im Dunkeln;<br />

man faßt damit die Zeit der Entstehung des Grundgebirges in den lithologischen Platten zusammen. Erst gegen<br />

Ende dieser Phase hat sich eine Atmosphäre mit freiem Sauerstoff gebildet.<br />

Im Paläozoikum unterscheidet man folgende Einzelperioden (meist benannt nach Gegenden, in denen entsprechend<br />

datierte Sedimentgesteine vorgefunden wurden):<br />

• Kambrium (vor 570 - 500 Mio Jahren): Sedimentgesteine in Wales (röm. Cambrium) und Norwegen,<br />

erste Fossilien von niederen Pflanzen<br />

• Ordovizium (vor 500 - 440 Mio. Jahren)Baltischer Schild, Kaledonien/Schottland mit Auftreten erster<br />

Fische und früher Pflanzen<br />

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• Silur (vor 440 - 400 Mio. Jahren) fossilienreich von Pflanzen und Schalentieren, größere Panzerfische,<br />

Auffaltung des kaledonischen Gebirges mit Ausläufern bis nach Mitteleuropa innerhalb eines nordatlantischen<br />

Kontinents<br />

• Devon (vor 400 - 345 Mio. Jahren): es bilden sich mächtige Sedimentgesteine wie Schiefer, Sandstein,<br />

Grauwacken und Kalke, verbreitet tropisches Klima. Entwicklung erster Vierfüßler, erste Landflora.<br />

• Karbon (vor 345 - 280 Mio Jahren): Lebhafte Entfaltung der Pflanzenwelt in subtropisch-feuchtem Klima.<br />

Auffaltung u.a. des Rheinischen Schiefergebirges in der variskischen Gebirgsfaltung, die in Mitteleuropa<br />

als ca. 500 km breiter Faltengürtel das Meer zurückdrängte (Reste sind die heutigen Mittelgebirge);<br />

weltweite Bildung von Steinkohlenflözen, z.B. im Ruhrgebiet, Teutoburger Wald, Schlesien, Saarland,<br />

Belgien, England), aber auch anderer Sedimentgesteine wie Schiefer, Sandstein, Quarzite, Grauwacken.<br />

• Perm (vor 280 - 225 Mio. Jahren): anfangs Eiszeit-Klima, später Wüstenklima in Mitteleuropa. Bildung<br />

großer chemischer Sedimente (Steinsalz, Kalisalz, Gips) sowie Erdöl und Erdgas aus Faulschlamm.<br />

Die Sedimente des Mesozoikums sind in Deutschland noch vollständig vertreten. Hier differenziert man<br />

folgende Formationen:<br />

• Trias (vor 225 - 200 Mio. Jahren): germanische Trias, bestehend aus Buntsandstein (Hessen, Odenwald,<br />

Spessart, Weserbergland, meist Sandsteine) , Muschelkalk (Oberfranken und Thüringen, meist Kalke<br />

und Sandsteine) und Keuper (Thüringen, Franken Württemberg, meist Tone und Gips/Anhydrit); bis<br />

3000 m mächtige Sedimente im Alpenraum.<br />

• Jura (vor 200 Mio bis 145 Mio Jahren): Hochphase der Dinosaurierbesiedelung, erste Vögel. Lias/Schwarzjura<br />

(Tonsteine, Mergel), Dogger/Braunjura (Tone, Sandsteine, Eisenerze) und<br />

Malm/Weißjura (Kalkstein, Dolomit, z.B. Solnhofener Kalk = „Marmor“)<br />

• Kreide (vor 145 - 65 Mio. Jahren): weit verbreitete Meeresflächen (Transgression), Entstehung meist<br />

kalkiger Gesteine (Dover/England: Kreidecliffs; Rügen: Kreidefelsen, Nördl. Ruhrgebiet/Münsterländer<br />

Kreidebecken: sog. Emschermergel = toniger Kalkstein bzw. kalkig gebundener Tonstein, auch Essener<br />

Grünsand), aber auch Erze (Oberpfalz, Salzgitter). Beginn der Alpenauffaltung (alpidische Gebirgsbildung).<br />

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Bodenmechanik 1<br />

Die erdgeschichtlich jüngsten Sedimente des Känozoikums bilden heute in den Tälern und im Tiefland die<br />

aktuelle Landschaft:<br />

• Tertiär (vor 65 - 1,8 Mio. Jahren): mit den auf der jeweiligen Fauna basierenden Unterformationen Paläozän,<br />

Eozän, Oligizän sowie Miozän und Pliozän; Rückzug des Meeres, Ablagerung von bis heute meist<br />

noch unverfestigten Sedimenten (Ton, Feinsand, Kiessand), mächtigen Braunkohlenflözen (Rheinland<br />

und Mitteldeutschland), Ablagerung von Molasse und Flysch (klastische Sedimente) im Alpenvorland.<br />

Starke tektonische Beanspruchung in der Erdkruste mit weiterer Auffaltung der Alpen, Pyrenäen, Karpaten,<br />

Kaukasus, Himalaya, Rocky Mountains und Anden/Kordilleren, daher auch begleitet durch intensiven<br />

Vulkanismus, u.a. im heutigen Deutschland (Eifel, Kaiserstuhl, Vogelsberg/Rhön, Hegau). Weltweite<br />

Abkühlung und Rückzug der Riffkorallen in Richtung Äquator.<br />

• Quartär (vor 1,8 Mio Jahren bis heute): Pleistozän/Diluvium (Eiszeitalter) mit Wechsellagerung von<br />

glazialen/nicht-glazialen Sedimenten (infolge von zyklischen Kaltzeiten/Interglazialstadien) und<br />

schließlich das Holozän/Alluvium (Warmzeit, vor 10.000 Jahren bis zur Jetztzeit).<br />

Pleistozän: großflächige Vergletscherung in Nordeuropa/Nordeuropa mit unterschiedlich weit reichenden<br />

Eisvorstößen nach Süden, gleichzeitig Vergletscherung von den Alpen her nach Norden; in Mittelund<br />

Süddeutschland eisfreie Zonen mit periglazialen Sedimentbildungen (die Ursache der Klimaschwankungen<br />

ist noch nicht geklärt); die Kaltzeiten werden wie folgt bezeichnet:<br />

Gegend Phase vor ca. Jahren<br />

600.000 470.000 230.000 110.000<br />

Süddeutschland Günz Mindel Riß Würm<br />

Norddeutschland Elbe Elster Warthe/Saale Weichsel<br />

Das letzte Rückzugsstadium der Vereisung begann ca. 15.000 bis 8.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung,<br />

seitdem hebt sich der skandinavische Schild unter der Entlastung kontinuierlich heraus. Die von den<br />

Gletschern (Ausschürfung von U-Tälern, z.B. in den Alpen/Seetäler in Oberitalien) transportierten Verwitterungsprodukte<br />

wurden ungeordnet in Moränen oder durch das Schmelzwasser klassiert abgelagert.<br />

Eiszeitliche Sedimente kommen durchweg nur als Lockergesteine vor (Sande, Kiese, Geschiebemergel,<br />

Geschiebelehme, aber auch nicht vorbelastete Tone in den Voralpen/Südnorwegen)<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 5.1: Geologische Übersichtskarte von Deutschland [4]<br />

Bodenmechanik 1<br />

Das Holozän kann durchaus als Interglazialphase gedeutet werden, an die sich wieder eine Kaltzeit anschließen<br />

wird. In dieser Phase zieht sich das Meer im Ostseeraum durch Landhebung zurück (Regressi-<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

on), während im Nordseeraum eine Transgression (Niederlande, Deutsche Bucht) vonstatten geht. Typische<br />

holozäne Sedimente sind Auelehm und rezente Sande.<br />

5.3 Literaturhinweise zu Abschnitt 1 - 5<br />

[1] Brinkmann/Zeil: Abriß der Geologie. Erster Band - Allgemeine Geologie. Enke-Verlag, Stuttgart<br />

(1984).<br />

[2] Fecker/Reik: Bau<strong>geologie</strong>. Enke-Verlag, Stuttgart (1982).<br />

[3] Klengel/Wagenbreth: Ingenieur<strong>geologie</strong> für Bauingenieure, 2. Auflage.<br />

[4] Henningsen: Einführung in die Geologie für Bauingenieure. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg,<br />

New York (1982).<br />

[5] Henningsen/Katzung: Einführung in die Geologie Deutschlands, 4. Auflage. Deutscher Taschenbuch<br />

Verlag DTV/Enke-Verlag, Stuttgart (1992).<br />

[6] Reinsch: Natursteinkunde - eine Einführung für Bauingenieure, Architekten. Denkmalpfleger und<br />

Steinmetze. Enke-Verlag, Stuttgart (1992).<br />

[7] Steinbach/Medenbach: Gesteine. Mosaik-Verlag, München (1987).<br />

[8] Schumann: Der neue BLV Steine- und Mineralienführer. 3. Aufl., BLV-Verlagsgesellschaft München/Wien/Zürich<br />

(1991)<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

6 Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke<br />

6.1 Allgemeines<br />

Bodenmechanik 1<br />

Ein Bauwerk - Büro- oder Wohngebäude, Produktionshalle, Brücke, Tunnel, Turm usw. - soll gegründet<br />

werden. Es soll auch der Verfahrensablauf zur Herstellung der unterhalb der Geländeoberfläche befindlichen<br />

Bauwerksteile geklärt werden; gegebenenfalls sind Hilfsbauwerke, wie z. B. der Baugrubenverbau, zu<br />

konstruieren und zu bemessen. Für diese Bauaufgaben müssen<br />

• die Schichtung des Baugrundes (Ausdehnung, Tiefenlage, Mächtigkeit und Neigung der Schichten),<br />

• die Grundwasserverhältnisse (Tiefenlage des Grundwasserspiegels, Größe der Grundwasserschwankungen<br />

und des Grundwassergefälles) und<br />

• die bodenmechanischen Eigenschaften der einzelnen Bodenschichten (Zusammensetzung des Bodens,<br />

Festigkeit, Verformbarkeit, Durchlässigkeit)<br />

ausreichend bekannt sein, um insbesondere die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks<br />

sowie die Auswirkungen der Baumaßnahme sicher beurteilen zu können.<br />

Die Grundlagen der geotechnischen Untersuchungen für bautechnische Zwecke sind in der DIN 4020 [1]<br />

geregelt.<br />

6.2 Veranlassung und Durchführung geotechnischer Untersuchungen<br />

„Der Entwurfsverfasser hat den Bauherrn rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer geotechnischen Untersuchung<br />

hinzuweisen. Der Bauherr hat geotechnische Untersuchungen für den Entwurf rechtzeitig zu beauftragen<br />

und in der Regel einen Sachverständigen für Geotechnik zu beauftragen. Ergibt sich in der Ausführungsphase<br />

die Notwendigkeit, ergänzende geotechnische Untersuchungen auszuführen, so sind auch diese<br />

vom Bauherrn zu beauftragen.“ (Zitat aus [1])<br />

„Der Sachverständige für Geotechnik hat die erforderlichen Untersuchungen und Messungen zu planen, die<br />

fachgerechte Ausführung der Aufschlüsse sowie der Feld- und Laboruntersuchungen zu überwachen, die aus<br />

dem Aufschluß und Untersuchungsbefund sich ergebenden Folgerungen für Planung und Konstruktion zu<br />

ziehen und die Wechselwirkung zwischen den angetroffenen Baugrundverhältnissen einerseits und der Planung,<br />

Konstruktion und Bauausführung andererseits dem Bauherrn sowie ggf. dem Entwurfsverfasser und<br />

den Sachverständigen benachbarter Fachbereiche darzulegen. Er hat den geotechnischen Bericht zu erstel-<br />

56


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

len. Er muss fachkundig auf dem Gebiet der Geotechnik sein und Erfahrungen auf den jeweils angesprochenen<br />

Teilgebieten besitzen .“ (Zitat aus [1])<br />

„Der geotechnische Bericht ist die zusammenfassende Darstellung und Kommentierung der Ergebnisse aller<br />

geotechnischen Untersuchungen sowie der Folgerungen für das Bauwerk und für die Ausführung.“ (Zitat<br />

aus [1])<br />

Nach E DIN 4020 besteht eine gegenseitige Informationspflicht zwischen dem Entwurfsverfasser und dem<br />

Sachverständigen für Geotechnik.<br />

6.3 Die geotechnischen Kategorien<br />

Der Aufwand für die geotechnischen Untersuchungen ist je nach der Schwierigkeit von baulicher Anlage<br />

und Baugrund unter Berücksichtigung von sonstigen Randbedingungen festzulegen. Als Anhalt zur Beurteilung<br />

der „Schwierigkeit“ wird das Bauvorhaben einer der drei geotechnischen Kategorien zugeordnet, wobei<br />

sich aufgrund der nachfolgenden Untersuchungen ergeben kann, daß diese Einordnung berichtigt werden<br />

muß.<br />

Die geotechnischen Kategorien sind wie folgt definiert [1]:<br />

• Die geotechnische Kategorie 1 umfaßt einfache Bauwerke bei einfachen und übersichtlichen<br />

Baugrundverhältnissen, so daß die Standsicherheit aufgrund gesicherter Erfahrungen beurteilt werden<br />

kann.<br />

• Die geotechnische Kategorie 2 umfaßt Bauwerke und Baugrundverhältnisse mittleren Schwierigkeitsgrades,<br />

bei denen die Sicherheit zahlenmäßig nachgewiesen werden muß und die eine ingenieurmäßige<br />

Bearbeitung mit geotechnischen Kenntnissen und Erfahrungen verlangen.<br />

• Die geotechnische Kategorie 3 umfaßt Bauwerke oder Baugrundverhältnisse hohen Schwierigkeitsgrades,<br />

die zur Bearbeitung vertiefte geotechnische Kenntnisse und Erfahrungen auf dem jeweiligen Spezialgebiet<br />

der Geotechnik verlangen.<br />

Als Kriterien für diese Einstufung gelten [1]:<br />

• Art, Größe und Konstruktion der baulichen Anlage,<br />

• Geländeform und geologische Verhältnisse,<br />

• Grundwasser,<br />

57


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Wuppertal<br />

• Erdbebengefährdung,<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

• Einflüsse aus der Umgebung oder auf die Umgebung (z. B. Oberflächenwasser, offene Gewässer, Maßnahmen<br />

Dritter, Anschneiden eines Hanges).<br />

Die Einstufung richtet sich nach dem Kriterium, das den größen Schwierigkeitsgrad beschreibt. Die (vorläufige)<br />

Zuordnung des Bauvorhabens in eine der Kategorien nach den o. g. Kriterien erfolgt unter Hinzuziehen<br />

folgender Unterlagen:<br />

• Grundrisse und Schnitte des Bauwerks sowie Lastenpläne und Angaben zur Bauwerkskonstruktion.<br />

• Vorhadenes Kartenmaterial (geologische Karten, ingenieurgeologische Karten usw.) (siehe Kap. 5.1).<br />

• Ergebnisse einer Ortsbegehung des Standortes und seiner Umgebung.<br />

Beispiele für die o. g. Kriterien und der Zuordnung zu den Kategorien siehe Anhang A der E DIN 4020 [1].<br />

Bei der Festlegung von Art und Umfang der geotechnischen Untersuchungen des Baugrundes sind zusätzlich<br />

auch folgende Einflußmerkmale zu beachten:<br />

• Fragestellung (z. B. Voruntersuchung, Hauptuntersuchung siehe Kap. 6.4);<br />

• Möglichkeit der Baudurchführung (z. B. Baugrubenumschließung, Wasserhaltung; Zwischenlagerung<br />

von Aushub; Befahrbarkeit von Bau- und Zufahrtsstraßen);<br />

• Einschränkung technischer Untersuchungsmöglichkeiten;<br />

• Möglichkeit, während der Baudurchführung ergänzende geotechnische Untersuchungen durchzuführen<br />

bzw. Konstruktionsänderungen vorzunehmen.<br />

6.4 Arten der geotechnischen Untersuchungen<br />

Die geotechnischen Untersuchungen für Zwecke der Baustoffgewinnung und -verarbeitung (Boden als Baustoff<br />

für Dämme, Deiche, Dichtungen usw.) werden in der Vorlesung/Übung „Erdbau“ behandelt.<br />

• Voruntersuchung: geotechnische Untersuchungen von Boden und Fels für Standortwahl und Vorplanung<br />

eines Bauwerkes. Eine Voruntersuchung umfaßt:<br />

− die Sichtung und Bewertung vorhandener Unterlagen;<br />

− ein weitmaschiges Untersuchungsnetz;<br />

− die stichprobenhafte Feststellung von maßgebenden Baugrundkenngrößen und Eigenschaften.<br />

58


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Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

• Hauptuntersuchung: geotechnische Untersuchungen für Entwurf, Ausschreibung und Baudurchführung<br />

sowie für Schadensanalysen. Eine Hauptuntersuchung umfaßt für Verhältnisse der geotechnischen Kategroie<br />

2 und 3:<br />

− Sichtung und Bewertung vorhandener Unterlagen;<br />

− Erkundung der Konstruktionsmerkmale und Gründungsverhältnisse von im Einflußbereich der<br />

Baumaßnahme liegenden baulichen Anlagen;<br />

− geologische Beurteilung, ggf. bei schwierigen Objekten oder schwierigen Baugrundverhältnissen<br />

geologische Detailuntersuchung;<br />

− direkte und indirekte Aufschlüsse, Feldversuche, Laboruntersuchungen;<br />

− ggf. Untersuchungen auf umweltrelevante Stoffe (siehe LV „Grundbau 3“);<br />

− erforderlichenfalls Probebelastungen, in Einzelfällen Probeausführung von Bauteilen mit<br />

Funktionsprüfung (z. B. Proberammungen) (siehe LV „Grundbau 1“);<br />

− hydraulische Feldversuche; Dichtheitsprüfungen (siehe VL „Grundbau 2“);<br />

− Messung vorgegebener Abläufe, wie Grundwasserschwankungen, Hangbewegungen usw.<br />

• Baubegleitende Untersuchung: Prüfungen, Messungen und Versuche einschließlich der geotechnischen<br />

Dokumentation, die während der Bauausführung zur Ergänzung der Hauptuntersuchungen, zur Überprüfung<br />

der vorausgesetzten Verhältnisse, zur Beobachtung des Verhaltens von Baugrund, Grundwasser<br />

und Bauwerk und zur Überprüfung der Tragfähigkeit von Gründungselementen ausgeführt werden.<br />

Meßmethoden und Meßverfahren werden umfänglich in der LV „Messen in der Geotechnik“ behandelt.<br />

• Überwachung von Baugrund und Bauwerk nach der Bauausführung: Sie dient der Kontrolle der Entwurfsvoraussetzungen<br />

sowie der Sicherheit des Bauwerks und von baulichen Anlagen in der Umgebung<br />

(z. B. Überwachungsmessungen bei Staumauern und Staudämmen). Meßverfahren werden in der LV<br />

„Messen in der Geotechnik“ behandelt.<br />

6.5 Bedeutung von geotechnischen Untersuchungen<br />

Die Bedeutung von geotechnischen Untersuchungen wird aus dem „Merkblatt für eilige Leser“ (Abb. 6.1)<br />

deutlich, das den „Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen [2] (1937) entnommen ist.<br />

59


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Wuppertal<br />

6.6 Literatur<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 6.1: Merkblatt für eilige Leser (Quelle [2])<br />

Bodenmechanik 1<br />

[1] E DIN 4020 (August 2002): Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke.<br />

[2] Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen. Deutsche Gesellschaft für Bauwesen – Deutscher<br />

Ausschuß für Baugrundforschung. 2. erweiterte Auflage, 1937.<br />

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7 Direkte Aufschlüsse<br />

7.1 Definition<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Aufschlüsse allgemein sind Mittel und Maßnahmen zur Feststellung von Art, Aufbau und Verbreitung des<br />

anstehenden Bodens und Fels, der Grundwasserverhältnisse sowie des Verhaltens von Boden und Fels bei<br />

Durchströmung (nach E DIN 4020 [1]).<br />

Als direkter Aufschluß wird ein natürlicher oder künstlicher Aufschluß bezeichnet, der eine Besichtigung<br />

von Boden oder Fels, die Entnahme von Boden- oder Felsproben sowie die Durchführung von Feldversuchen<br />

ermöglicht.<br />

7.2 Vorgegebene und einsehbare Aufschlüsse<br />

Bei der Ortsbegehung ist festzustellen, ob im Baubereich oder in dessen näherer (und weiterer) Umgebung<br />

bereits Aufschlüsse vorhanden sind (z. B. Böschungen an Bächen oder Flüssen, Straßeneinschnitte usw.).<br />

Die dort angetroffenen Boden- und Felsarten sind entsprechend DIN 4022, Teil 1 bis Teil 3 anzugeben.<br />

7.3 Schürfe, Untersuchungsschächte und -stollen<br />

Nach [3] „ist der Schurf, Untersuchungsschacht, Untersuchungsstollen ein künstlich hergestellter Aufschluß<br />

zur Einsichtnahme in den Baugrund, zur Entnahme von Proben und zur Durchführung von Feldversuchen.“<br />

Schürfe sind von der Oberfläche aus mit Hand oder maschinell (Baggerschurf) ausgehobene Gruben, Schlitze<br />

oder Schächte, in denen der anstehende Boden direkt in Augenschein genommen werden kann. Wirtschaftlich<br />

ist eine Schürfgrube nur bis zum Grundwasser oder bis in eine Tiefe von 2,0 m bis 3,0 m. Die<br />

Mindestbreite zur Entnahme von Bodenproben beträgt 0,75 m. Bei tieferen Schürfgruben sind diese zu verbauen.<br />

Begehbare Schürfe gestatten ein sicheres Erkennen der Boden- und Felsarten, ihrer Zusammensetzung, ihrer<br />

Schichtung usw. Es ist eine leichte und zuverlässige Entnahme von Proben und eine unmittelbare Prüfung<br />

von Boden und Fels an den Wandungen und auf der Sohle möglich. Schürfe sind insbesondere im Übergangsbereich<br />

vom Boden zum Fels zweckmäßig.<br />

61


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Wuppertal<br />

7.4 Bohrungen<br />

7.4.1 Definition<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Nach [3] „ist die Bohrung ein Aufschluß, um Boden-, Fels- oder Wasserproben aus erreichbarer Tiefe zu<br />

entnehmen und um Untersuchungen im Bohrloch durchführen zu können bzw. sie zur Grundwassermeßstelle<br />

auszubauen.“ Das Bohrverfahren wird entsprechend den vermuteten Bodenverhältnissen und der für erforderlich<br />

gehaltenen Güteklasse der Bodenproben ausgewählt, wobei gegebenenfalls auch die im Bohrloch<br />

durchzuführenden Versuche berücksichtigt werden müssen.<br />

7.4.2 Anordnung und Tiefe der Aufschlußbohrungen (siehe [1])<br />

a) Art, Umfang und Anordnung der Aufschlüsse muß eine ausreichende Information über den räumlichen<br />

Verlauf der Schichten im Baugrund ermöglichen. Die Aufschlüsse werden im Raster oder in Schnitten<br />

angeordnet und häufig an Gebäudeecken und an Stellen hoher Bodenpressung durchgeführt. Bei Linienbauwerken<br />

(z. B. Straßendämme, Tunnel usw.) sind je nach Breite von Dammaufstandsflächen oder Einschnitten<br />

Aufschlüsse auch außerhalb der Bauwerksachse anzuordnen. Bei Baugruben sind Aufschlüsse<br />

auch außerhalb des Bauwerksgrundrisses vorzusehen.<br />

b) Als Richtwerte für die Abstände direkter Aufschlüsse können gelten (nach [1]):<br />

• bei einfachen Bauwerken und solchen mit kleiner Grundfläche verbunden mit einfachen<br />

Baugrundverhältnissen mindestens ein direkter Aufschluß;<br />

• bei Hoch- und Industriebauten ein Rasterabstand von 20 m bis 40 m;<br />

• bei großflächigen Bauwerken ein Rasterabstand von nicht mehr als 60 m;<br />

• bei Linienbauwerken (Landverkehrswege, Wasserstraßen, Leitungen, Deiche, Tunnel, Stützmauern)<br />

zwischen 50 m und 200 m;<br />

• bei Sonderbauwerken (z. B. Brückengründung, Schornsteinen, Maschinenfundamenten usw.) 2 bis 4<br />

Aufschlüsse je Fundament;<br />

• bei Staumauern, Staudämmen und Wehren Abstände zwischen 25 m bis 75 m in charakteristischen<br />

Schnitten.<br />

Bei schwierigen geologischen Verhältnissen oder zur Eingrenzung von Unregelmäßigkeiten sind geringere<br />

Abstände oder eine größere Anzahl von Aufschlüssen erforderlich. Dagegen darf bei sehr gleichförmigen<br />

geologischen Verhältnissen ein größerer Abstand oder eine geringere Anzahl von Aufschlüssen<br />

gewählt werden.<br />

62


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

c) Die Aufschlußtiefe za muß alle Schichten, die durch das Bauwerk beansprucht werden, erfassen. Für<br />

Baugruben im Grundwasser sowie bei Fragen der Wasserhaltung ist die Aufschlußtiefe außerdem auf<br />

die hydrologischen Verhältnisse abzustimmen. Die Ebene, ab der za gemessen wird, ist die Bauwerksoder<br />

Bauteilunterkante bzw. die Aushubsohle. Im Regelfall kann von folgenden Erkundungstiefen ausgegangen<br />

werden (bei Alternativen gilt der jeweils größere Wert):<br />

• bei Hochbauten und Ingenieurbauten gilt allgemein, daß za um so größer gewählt werden muß, je<br />

größer die Bodenpressung, je größer die Bauwerks- bzw. Fundamentbreite, je unregelmäßiger geschichtet<br />

und je zusammendrückbarer der Baugrund ist. Im übrigen kann konkret angenommen werden:<br />

z a<br />

F<br />

a<br />

≥ 3,<br />

0 ⋅ b und z ≥ 6,<br />

0m<br />

mit bF = kleinere Fundamentseitenlänge<br />

• bei Plattengründungen und bei Bauwerken mit mehreren Gründungskörpern, deren Einfluß sich in<br />

tieferen Schichten überlagert:<br />

z ⋅<br />

a ≥ 1,<br />

5 b B<br />

mit bB = kleinere Bauwerkseitenlänge<br />

• Erdbauwerke<br />

− Damm: 0, 8 h ≤ z a ≤1,<br />

2 ⋅ h<br />

⋅ und za ≥ 6 m<br />

h = maximale Dammhöhe<br />

− Einschnitt: za ≥ 2 m und z a ≥ 0,<br />

4 ⋅ h<br />

• Linienbauwerke:<br />

h = maximale Einschnitttiefe<br />

− Landverkehrsweg: za ≥ 2,0 m unter Aushubsohle<br />

− Kanal und Leitung: za ≥ 2,0 m unter Aushubsohle<br />

• Hohlraumbauten: 1, 0 b Ab < z a < 2,<br />

0 ⋅ b Ab<br />

• Baugruben<br />

und z a ≥ 1,<br />

5⋅<br />

b Ah<br />

(bAh = Aushubbreite)<br />

⋅ (bAb = Ausbruchbreite)<br />

− Grundwasserspiegel liegt unter der Baugrubensohle:<br />

z a<br />

z a<br />

≥ 0,<br />

4⋅<br />

h (h = Baugrubentiefe)<br />

≥ t + 2,<br />

0 (t = Einbindetiefe der Baugrubenwand unterhalb der Baugrubensohle)<br />

63


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

− Grundwasserspiegel liegt über der Baugrubensohle:<br />

z a<br />

≥ 1,<br />

0 ⋅ H + 2,<br />

0 m und ≥ t + 2,<br />

0 m<br />

z a<br />

wenn bis zu diesen Tiefen kein Grundwasserhemmer erreicht wird:<br />

≥ t + 5 m<br />

z a<br />

H = Höhe des Grundwasserspiegels über der Baugrubensohle<br />

t = Einbindetiefe der Baugrubenwand unterhalb der Baugrubensohle<br />

Bodenmechanik 1<br />

Weitere Angaben auch zu anderen Bauwerksarten siehe [1]. Bei ungünstigen geologischen Verhältnissen,<br />

wie bei tiefliegenden, wenig tragfähigen oder stark zusammendrückbaren Schichten, sind größere<br />

Untersuchungstiefen zu wählen. Bei Fels darf ggf. die Untersuchungstiefe bei Hochbauten, Erdbauwerken<br />

und Linienbauwerken auf za = 2 m ermäßigt werden (siehe [1]).<br />

Ein Teil der direkten Aufschlüsse darf durch indirekte Aufschlüsse (Kap. 8) ersetzt werden, wenn das<br />

für die indirekten Aufschlüsse gewählte Verfahren auch die erforderliche Aufschlußtiefe erreicht. Zusätzliche<br />

Aufschlüsse zur Verdichtung des Erkundungsnetzes dürfen auch geringere Tiefen aufweisen.<br />

7.4.3 Technische Ausführung von Bohrungen in Böden<br />

In [3] sind in einer Übersicht die Bohrverfahren für Lockerböden und im Fels zusammengestellt und ihre<br />

Eignung für verschiedene Boden- bzw. Felsarten und die erreichbare Güteklasse der Bodenprobe angegeben.<br />

Die Bohrlöcher sind im Lockergestein und im nachbrüchigen Fels fortlaufend zu verrohren, um zu verhindern,<br />

daß sie ganz oder auch nur teilweise zusammenfallen oder Boden aus der Bohrlochwand nachfällt.<br />

Beim Bohren im Grundwasser sind der Durchmesser der Verrohrung, der Durchmesser des Bohrwerkzeuges<br />

und der Wasserstand im Bohrrohr so einzustellen, daß kein Bodeneintrieb in das Bohrrohr auftritt. Nach<br />

Abschluß der Bohrung und aller Messungen sind die Bohrlöcher im Lockergestein gleichzeitig mit dem Ziehen<br />

der Verrohrung mit einem dem anstehenden Baugrund entsprechenden Material zu verfüllen (insbesondere<br />

müssen Grundwassersperrschichten wieder hergestellt werden).<br />

Das Verrohrungs-Rohr wird in den Boden eingedrückt und durch Hin- und Herdrehen nach unten gebracht.<br />

Bei großen Bohrtiefen sind teleskopierbare Rohre zu verwenden.<br />

Das Bohrgerät besteht aus Bohrgerüst, Seilwinde, Verrohrungsrohren, Bohrgestänge (sofern drehend gebohrt<br />

wird) bzw. Rammeinrichtung (sofern schlagend gebohrt wird) und dem eigentlichen Bohrwerkzeug<br />

64


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

sowie Hilfsgeräten. Das gesamte Bohrgerät ist meist auf einem LKW montiert bzw. mit einem Rad- oder<br />

Raupenfahrwerk versehen. Folgende Bohrverfahren sind zu unterscheiden:<br />

a) Verfahren mit durchgehender Gewinnung gekernter Proben:<br />

• Rotationskernbohrung:<br />

Das Bohrwerkzeug hat als Bohrkrone (Abb. 7.1) einen Zahn-, Hartmetall- oder Diamantkronenbesatz<br />

und bohrt drehend, meist mit Spülhilfe, einen (Boden- oder) Gesteinskern, der bei bestimmter Länge<br />

abgebrochen wird und im Kernrohr gefördert wird. Das Bohrgestänge (mit kleinerem Durchmesser)<br />

wird am Kopf des Kernrohres aufgeschraubt.<br />

Abb. 7.1: Bohrkronen und Kernrohrtypen für Rotations-Kernbohrungen (Quelle [8])<br />

a) Oberflächenbesetzte Diamantkrone<br />

b) Bohrkrone mit Hartmetallsplittern<br />

c) Bohrkrone mit Hartmetalleinsätzen<br />

d) Einfachkernrohr<br />

e) Doppelkernrohr mit mitdrehendem Innenrohr<br />

f) Doppelkernrohr mit feststehendem Innenrohr<br />

Bei einer „orientierten“ Bohrung wird eine Pilotbohrung mit kleinem Durchmesser vorab so ausgeführt,<br />

daß die Verbindungslinie des Mittelpunktes des Bohrkern mit der Pilotbohrung nach Norden<br />

65


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Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

zeigt. Hierdurch kann der gewonnene Gesteinsbohrkern in die geometrisch korrekte Lage ausgerichtet<br />

werden (wichtig für die Bestimmung der Streichrichtung von Trennflächen; siehe Kap. 7.6).<br />

• Seilkernbohrung:<br />

Das Außenrohr mit Bohrkrone geht mit konstantem Durchmesser<br />

bis zur Geländeoberfläche. Das (selbstständige)<br />

Kernrohr kann mit einem am Seil hängenden Fänger (ohne<br />

Ausbau des Außenrohres) geborgen werden.<br />

• Rammkernbohrungen:<br />

Bei bindigen Böden und rolligen Böden oberhalb des<br />

Grundwasserspiegels kann durch Schlagen (Rammen) oder<br />

Drücken ein „Kernrohr“ eingebracht werden, wodurch ein<br />

„durchgehender Bohrkern“ gewonnen wird. Durch das Einbringen<br />

des Kernrohres (Abb. 7.2) ist der Boden innerhalb<br />

des Kernrohres etwas gestaucht.<br />

b) Verfahren mit durchgehender Gewinnung nicht gekernter Proben:<br />

• Drehbohren mit Gestänge und Teller- oder Spiralbohrern<br />

oder mit Schappe (Abb. 7.3):<br />

Abb. 7.2: Rammkernbohrgerät<br />

Nach dem Eindrehen des Bohrers wird der Boden mit dem<br />

(Quelle [4])<br />

nicht drehenden Bohrgestänge herausgehoben. Der Boden<br />

wird hierbei, auf der Schneide liegend, gefördert. Anwendbar in rolligen Böden oberhalb des<br />

Grundwassers und bei bindigen Böden.<br />

• Schlagbohrung (Stauchbohrung):<br />

Der am Seil hängende Bohrer wird angehoben und fallengelassen, wodurch sich der Bohrer mit<br />

Bohrgut füllt. Das Bohrgerät ist ein Ventilbohrer (auch Schlamm- oder Kiesbüchse genannt) (Abb.<br />

7.4). Ventilbohrer werden bei Sand und Kies unterhalb des Grundwassers eingesetzt.<br />

• Greiferbohrung:<br />

Der an einem Seil hängende Zwei- oder Mehrschalenbohrlochgreifer löst und fördert das Bohrgut.<br />

66


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 7.3: Drehbohrgerät (Quelle [4])<br />

a) Tellerbohrer<br />

b) Spiralbohrer<br />

c) Schappe<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 2.5: Ventilbohrer (Quelle [4]) Abb. 2.6: Flachmeißel (Quelle [4])<br />

c) Bohrverfahren mit Gewinnung unvollständiger Bodenproben:<br />

• Rotationsspülbohrung (Rotary-Bohrung):<br />

Schneid- bzw. Rollenmeißel lösen das Material, das durch Spülung zutage gefördert wird. Es ist keine<br />

eindeutige Probengewinnung möglich, daher nicht für Baugrundaufschlüsse geeignet.<br />

• Meißelbohrung (Bohrhindernisbeseitung) mit Hilfsspülung:<br />

Harte Schichten und Steine können mit Hilfe eines Meißels (Abb. 7.5) zerkleinert und so durchörtert<br />

werden. Das zerkleinerte Material wird trocken gefördert oder auch ausgespült.<br />

67


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Wuppertal<br />

7.4.4 Kleinbohrverfahren in Böden<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Kleinbohrungen können mit geringem Geräteaufwand durchgeführt werden; sie liefern nur kleine Probenmengen,<br />

die zwar bei geeigneten Untergrundverhältnissen die Schichtenfolge erkennen lassen, für bodenmechanische<br />

Untersuchungen aber häufig unzureichend sind. Die Abb. 7.6 gibt eine Übersicht über diese<br />

Bohrverfahren.<br />

Abb. 7.6: Kleinbohrverfahren in Böden (Quelle [3])<br />

68


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Wuppertal<br />

7.4.5 Kleinstbohrungen<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Kleinstbohrungen sind Bohrungen, die mit einem Enddurchmesser ≤ 30 mm hergestellt werden.<br />

Ein Beispiel für ein Kleinstbohrgerät ist der Sondierbohrer. Der Sondierbohrer (Stahlstange mit Längsnut,<br />

auch Schlitzsonde genannt) wird mit einem Hammer oder kleinem Rammgerät in den Boden geschlagen;<br />

nach Herumdrehen wird die Sondierstange gezogen und der in der Nut befindliche Boden beurteilt.<br />

7.4.6 Bohrprotokoll und Darstellung der Bohrergebnisse<br />

Über die Bohrung ist nach DIN 4022 [2] ein Protokoll (Schichtenverzeichnis) zu führen, in das der Bohrmeister<br />

Tiefe und Mächtigkeit der Schichten, die Benennung (= Zuordnung eines Namens nach der jeweiligen<br />

stofflichen Zusammensetzung) und Beschreibung (Eigenschaften und Unterscheidungsmerkmale) der<br />

Schichten, die Entnahme von Bodenproben usw. einträgt. Die Methoden zur „Ansprache der Schichten“, d.<br />

h. die Methoden zum Erkennen der einzelnen Bodenarten, werden in DIN 4022, Teil 1, beschrieben. Näheres<br />

ist dort nachzulesen.<br />

Die Bohrprotokolle werden im Labor anhand der Bodenproben überprüft. Das Bohrergebnis wird zeichnerisch<br />

mit sog. Bohrprofilen dargestellt. Vereinbarung über Symbole, Farben, Zeichen usw. siehe DIN 4023<br />

[5].<br />

7.4.7 Abschließende Bemerkung<br />

Die Bohrungen sind im Gelände nach Lage und Höhe des Bohransatzpunktes sorgfältig zu vermessen.<br />

Bei den üblichen Aufschlußbohrungen nach Kap. 7.4.3 b) können die Schichtgrenzen mit einer Genauigkeit<br />

von etwa ± 10 cm bis ± 25 cm festgestellt werden. Feinschichtungen sind infolge des Bohrvorganges nicht<br />

feststellbar. Bei der Rammkernbohrung (nach Kap. 7.4.3 a)) ist die Genauigkeit größer, auch können Feinschichtungen<br />

erkannt werden, da die Rammkerne im Labor längs aufgeschnitten und ausgemessen werden<br />

können.<br />

Hinsichtlich der Beobachtung des Grundwassers in Aufschlußbohrungen und hinsichtlich des Ausbaus von<br />

Bohrungen zu Grundwassermeßstellen wird auf die Lehrveranstaltung „Grundbau 2“ verwiesen.<br />

69


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Wuppertal<br />

7.5 Probengewinnung<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Aus Schürfen und bei der Bohrung sind laufend Bodenproben zu nehmen. Je nach Art der Entnahme und des<br />

Zustandes der Proben unterscheidet man nach DIN 4021 [3] fünf Güteklassen (Abb. 7.7).<br />

Abb. 7.7: Güteklassen von Bodenproben (Quelle [3])<br />

70


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

a) Entnahme von Bodenproben aus einem Schurf:<br />

Aus der Sohle, der Abtreppung oder aus der Wand des Schurfes sind gestörte Proben (siehe b) oder Sonderproben<br />

(siehe d) mit dem Entnahmezylinder nach Abb. 7.8 zu entnehmen.<br />

Abb. 7.8: Entnahme von Sonderproben aus Schürfen mit dem Stechzylinder (Quelle [3])<br />

71


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

b) Gestörte Bodenproben (= Güteklasse 3 bis 5) werden aus dem Boden entnommen, der beim Bohrvorgang<br />

gewonnen wird. Die Proben sind mehr oder weniger durchgeknetet und vermischt. Sie gestatten eine<br />

geologische Beurteilung und Benennung der Bodenarten sowie die Ermittlung gewisser Kennzahlen<br />

(siehe Abb. 7.7).<br />

Probenzahl: Bei jedem Schichtwechsel, mindestens aber jedem Meter ist eine Probe zu entnehmen.<br />

Die Entnahmetiefe ist zu vermerken. Die Proben sind in luftdicht (Vermeidung von Wasserverdunstung)<br />

verschlossenen Behältern (meist Kunststoffdosen von 1 l Inhalt) aufzubewahren,<br />

eindeutig zu kennzeichnen und im bodenmechanischen Labor zu beurteilen.<br />

c) Bei Verfahren mit durchgehender Gewinnung gekernter Proben aus Boden oder Fels sind diese in ganzer<br />

Länge in Kernkisten zu lagern. Sofern die Kerne aus Böden nicht in Entnahmezylindern oder Schläuchen<br />

vor dem Austrocknen geschützt werden, sind aus ihnen Einzelproben auszuwählen und in luftdicht<br />

abschließbare Behälter zu füllen. Der anstehende Leerraum ist in der Kernkiste freizuhalten und ebenso<br />

wie die Einzelprobe zu kennzeichnen.<br />

d) Sonderproben (= ungestörte Proben = Güteklasse 1 und 2) sind Proben in natürlicher Lagerung und mit<br />

natürlichem Wassergehalt. Die Entnahme erfolgt mit besonderen Geräten (z. B. Abb. 7.9 und Abb.<br />

7.10), für deren Einsatz der Bohrvorgang unterbrochen wird. Sonderproben werden in der Regel aus<br />

bindigen oder organischen Schichten entnommen. Im allgemeinen ist die Entnahme mindestens einer<br />

Sonderprobe aus jeder bindigen Schicht je Bohrung angebracht. Die Entnahmegeräte für Sonderproben<br />

aus Bohrungen sind in [3] ausführlich beschrieben.<br />

Bei festen Böden und solchen mit gröberen Einschlüssen sind dickwandige, offene Entnahmegeräte<br />

einzusetzen. Bei breiigen und weichen, bindigen und organischen Böden sind dünnwandige<br />

Kolbenentnahmegeräte (Abb. 7.10) geeignet.<br />

Die Sonderprobe muß aus dem ungestörten Boden unterhalb der Verrohrung entnommen werden. Nach<br />

dem Säubern der Bohrlochsohle wird das Entnahmegerät eingedrückt oder eingerammt. Die Probe wird<br />

im Entnahmezylinder in das Labor gebracht, nachdem die Endflächen gegen Austrocknen, Auflockern<br />

oder Rutschen im Entnahmezylinder gesichert wurden.<br />

e) In der Regel sind aus den Bohrungen auch Grundwasserproben zu entnehmen, insbesondere zur Untersuchung<br />

auf betonangreifende Inhaltsstoffe. Näheres hierzu siehe [3] und [6].<br />

72


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 7.9: Dünnwandiges, offenes Entnahmegerät<br />

für Sonderproben aus Bohrlöchern (Quelle<br />

[3])<br />

Bodenmechanik 1<br />

73<br />

Abb. 7.10: Dünnwandiges Kolbenentnahmegerät zur<br />

Entnahme von Sonderproben aus Bohrlöchern<br />

bei weichen Böden (Quelle [3]


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

7.6 Erkundung des Trennflächengefüges<br />

7.6.1 Bedeutung des Trennflächengefüges<br />

Bodenmechanik 1<br />

Das mechanische Verhalten (Festigkeit, Verformbarkeit) von Festgestein (Bauen auf oder im Fels, z. B.<br />

Staumauer, Tunnel, Brückengründung usw.) wird nicht durch die Festigkeit des Gesteins (z. B. einaxiale<br />

Druckfestigkeit eines zylindrischen Sandstein-Probekörpers), sondern durch das (häufig systematisch angeordnete)<br />

„Trennflächengefüge“ bestimmt.<br />

Trennflächen sind (siehe Lehrveranstaltungsteil „Geologie“)<br />

• Schichtflächen in Sedimentgesteinen (Materialwechsel),<br />

• Kluftflächen (Trennflächen infolge Faltung, d. h. tektonische Beanspruchung oder infolge Abkühlung<br />

eines magmatischen Gesteins ohne wesentliche trennflächenparallele Relativverschiebungen) und<br />

• Störungen (Störflächen) mit gegenseitiger Relativverschiebung.<br />

Die (statistische) Erfassung des „Trennflächengefüges“ (insbesondere Kluftflächen treten häufig in zwei oder<br />

drei Richtungen systematisch auf) beinhaltet u. a.<br />

• die Bestimmung der geometrischen Lage der Trennflächen (Abb. 7.11) im Raum durch Messung<br />

− des Fallens (Fallwinkel β) und<br />

− des Streichens (Streichwinkel α oder Winkel der Einfallrichtung αF; letzteres ist heute üblich);<br />

• die Ermittlung des Kluft- bzw. Schichtflächenabstandes und des Durchtrennungsgrades,<br />

• die Feststellung der Beschaffenheit der Trennfläche, z. B. des Verwitterungsgrades, der Öffnungsweite<br />

der Trennfläche, der Oberflächenrauhigkeit sowie ggf. der Eigenschaften der Kluftfüllung.<br />

7.6.2 Streichen und Fallen<br />

Mit dem „Streichen und Fallen“ wird die Lage der als Ebene gedachten Trennfläche im Raum angegeben<br />

(siehe Abb. 7.11). Hierzu wird auf die Trennfläche (gedanklich) eine Höhenlinie (Gerade, da die Trennflä-<br />

che eine Ebene ist) und senkrecht hierzu eine Fall-Linie gezeichnet. Das „Streichen“ ist der Winkel α (0 ≤ α<br />

≤ 360°), den die Höhenlinie mit der Nord-Richtung bildet (daher wird zur Messung des Streichens ein Kom-<br />

paß verwendet). Heute wird vielfach statt α der Winkel der Einfallrichtung αF angegeben. Dieser gibt den<br />

Winkel zwischen der Nordrichtung und der in die Horizontale projezierten Fall-Linie an.<br />

Das „Fallen“ ist der Winkel β (0 ≤ β ≤ 90°), den die Fall-Linie mit der Horizontalen bildet.<br />

74


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 7.11: Definition von Streichen und Fallen sowie Einmessen einer Trennfläche mit dem Gefügekompaß<br />

(Quelle [8])<br />

Der Geologe (Ingenieurgeologe)mißt mit dem Gefügekompaß (nach Clar) in natürlichen oder künstlichen<br />

(Baggerschurf) Aufschlüssen, d. h. dort wo die Felsoberfläche sichtbar und zugänglich ist, an möglichst vielen<br />

Stellen das Streichen und Fallen und wertet die Meßergebnisse statistisch aus (z. B. mit dem Schmidtschen<br />

Netz, das hier nicht behandelt wird).<br />

Aus der geologischen Karte kann das Streichen und Fallen der wichtigsten Trennflächen entnommen werden,<br />

weil an einigen Stellen die in den Grundriß projizierte Höhen- und Fall-Linie eingezeichnet ist, wobei<br />

der Fallwinkel β angegeben ist.<br />

7.7 Literatur<br />

[1] DIN 4020 - Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke.<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

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Bodenmechanik 1<br />

[2] DIN 4022 - Benennen und Beschreiben von Boden und Fels.<br />

Teil 1: Schichtenverzeichnis für Bohrungen ohne durchgehende Gewinnung von gekernten Proben<br />

im Boden und im Fels;<br />

Teil 2: Schichtenverzeichnis für Bohrungen im Fels (Festgestein);<br />

Teil 3: Schichtenverzeichnis für Bohrungen mit durchgehender Gewinnung von gekernten Proben<br />

im Boden (Lockergestein);<br />

[3] DIN 4021 - Aufschluß durch Schürfe und Bohrungen sowie Entnahme von Proben.<br />

[4] Simmer: Grundbau 1. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />

[5] DIN 4023 - Baugrund und Wasserbohrungen. Zeichnerische Darstellung der Ergebnisse.<br />

[6] DIN 4030 - Beurteilung betonangreifender Wässer, Böden und Gase<br />

Teil 1: Grundlagen und Grenzwerte<br />

Teil 2: Entnahme und Analyse von Wasser- und Bodenproben.<br />

[7] Schlutze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. 2. Auflage. Springer Verlag.<br />

[8] Wittke, W. (1984): Felsmechanik. Springer Verlag, Berlin,Heidelberg, New York.<br />

[9] Möller, G. (1998): Geotechnik – Teil 1: Bodenmechanik. Werner Verlag, Düsseldorf.<br />

[10] Beuth-Kommentare (2001): Erkundung und Untersuchung des Baugrundes. Beuth Verlag GmbH,<br />

Berlin.<br />

76


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8 Indirekte Aufschlüsse<br />

8.1 Allgemeines<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Indirekte Aufschlüsse ermöglichen durch Korrelation zwischen physikalischen Meßgrößen und boden- bzw.<br />

felsmechanischen Kenngrößen Rückschlüsse auf den Baugrund. Hierunter fallen vor allem Sondierungen<br />

und geophysikalische Untersuchungen (letztere werden in der LV „Messen in der Geotechnik“ behandelt).<br />

Ramm- und Drucksondierungen geben Hinweise auf qualitative Eigenschaften wie Schichtgrenzen, Hindernisse<br />

und Hohlräume. Sondierergebnisse lassen andererseits Schlüsse auf die Lagerungsdichte nichtbindiger<br />

Böden und auf die Zustandsform bindiger Böden sowie in gewissem Umfang auf die Scherfestigkeit und die<br />

Zusammendrückbarkeit der Böden zu. Sondierungen, insbesondere Drucksondierungen, liefern Daten für die<br />

Abschätzung der Tragfähigkeit von Pfählen und von Flachgründungen.<br />

Sondierungen sind ausführlich in der DIN 4049, Teile 1 bis 4 ([2] bis [5]) geregelt.<br />

8.2 Drucksondierungen (CPT = Cone Penetration Test)<br />

Bei der Drucksondierung wird eine Sonde mit definierter Spitze (siehe DIN 4094 – Teil 1) mit gleichbleibender<br />

Geschwindigkeit in den Boden gedrückt, wobei der Spitzenwiderstand qc am Kegel der Meßspitze,<br />

die lokale Mantelreibung fs an einer Reibungshülse am Schaft der Meßspitze, die Abweichung der Spitze<br />

von der Lotrechten und die Sondiergeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Sondiertiefe gemessen wird.<br />

Das Drucksondiergerät besteht aus einer Sondenspitze (Abb. 8.1), dem Gestänge, einer Eindrückvorrichtung<br />

und dem Meß- und Registriergerät. Mit der Sondierspitze kann ggf. auch der Porenwasserdruck u gemessen<br />

werden.<br />

Die Ergebnisse können zur Feststellung der Schichtenfolge im Vergleich mit einer Schlüsselbohrung (Bohrung<br />

in unmittelbarer Nähe einer Sondierung), zur Beurteilung der anstehenden Bodenarten, zur Verdichtungskontrolle<br />

usw. verwendet werden.<br />

Folgende geotechnische Kenngrößen können aus einer Drucksondierung abgeleitet werden:<br />

• Lagerungdichte D bzw. ID;<br />

• Reibungswinkel ϕ nichtbindiger Böden;<br />

• Steifemodul Es;<br />

• undränierte Scherfestigkeit cu.<br />

77


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Im Anhang der DIN 4094-1 sind derartige Korrelationen als vorsichtig geschätzte Beziehungen angegeben;<br />

Beispiel siehe Abb. 8.2.<br />

Abb. 8.1: Schema einer Sondenspitze mit Porenwasserdruckmessung; Tabelle der Sondenarten (Quelle [2])<br />

78


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Bodenmechanik 1<br />

Abb. 8.2: Zusammenhang zwischen dem Spitzenwiderstand der Drucksonde und dem Reibungswinkel für<br />

enggestufte Sande (Quelle [2])<br />

8.3 Bohrlochrammsondierungen – BDP (Borehole dynamik probing)<br />

Es handelt sich um eine Sondierung im Bohrloch, die von der (momentan erreichten) Bohrlochsohle aus über<br />

eine definierte Eindringtiefe rammend durchgeführt wird. Dabei befindet sich die Schlagvorrichtung<br />

unmittelbar über der Sonde im Bohrloch (Abb. 8.3). Meßwert ist die Anzahl der Schläge N30, die erforderlich<br />

sind, um die Sonde von 15 cm Eindringtiefe auf 45 cm Eindringtiefe zu bringen.<br />

79


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 8.3: Gerät für die Bohrlochrammsondierung (Quelle [3])<br />

Bodenmechanik 1<br />

Nach dem Reinigen der Bohrlochsohle wird die Sonde auf der Bohrlochsohle aufgesetzt. Es wird die Anzahl<br />

der Schläge gezählt für eine Eindringung von 0 auf 15 cm, von 15 cm auf 30 cm und von 30 cm auf 45 cm.<br />

Die Summe der beiden letzten Schlagzahlen (d. h. für die Eindringung von 15 cm auf 45 cm) ist der Meßwert<br />

N30. Die Bohrlochrammsondierung dient einerseits zur Beurteilung der Gleichmäßigkeit bzw. Ungleichmäßigkeit<br />

des in der entsprechenden oder in anderen Bohrung angetroffenen Baugrundes. Andererseits<br />

können aus den Ergebnissen der Bohrlochrammsondierung geotechnische Kenngrößen als Berechnungsparameter<br />

für bautechnische Zwecke ( z. B. Gründungsbemessung) abgeleitet werden (wie bei der<br />

Drucksondierung). In der DIN 4094-2 [3] sind Korrelationsbeziehungen zwischen dem Ergebnis einer Bohrlochrammsondierung<br />

und einer Drucksondierung oder einer Rammsondierung angegeben.<br />

80


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8.4 Rammsondierung<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Eine Rammsonde mit definierter Spitze wird senkrecht in den Boden mit einem Rammbären bei gleich bleibender<br />

Fallhöhe eingerammt, wobei die Schlagzahl N10 für eine definierte Eindringtiefe (je 10 cm) ermittelt<br />

wird.<br />

Es werden unterschieden:<br />

• Leichte Rammsonde (Abb. 8.4) (DPL = Dynamik Probing Light):<br />

Spitzenquerschnitt 10 cm 2<br />

• Schwere Rammsonde (DPH = Dynamik Probing Heavy): Spitzenquerschnitt<br />

15 cm 2<br />

• Überschwere Rammsonde (DPG = Dynamic Probing Giant): Spitzenquerschnitt<br />

20 cm 2 .<br />

Eine qualitative Auswertung einer Rammsondierung gestattet<br />

• die Beurteilung der Gleichmäßigkeit bzw. Ungleichmäßigkeit des<br />

Baugrundes oder einer Schüttung;<br />

• die Erkundung besonders lockerer oder fester Zonen oder Schichten,<br />

z. B. Auffüllungsbereiche oder Felshorizonte;<br />

• die Beurteilung des Verdichtungserfolges durch Vergleich der Eindringwiderstände<br />

„vorher“ zu „nachher“ oder mit Vorgabe eines<br />

Sollwertes.<br />

Abb. 8.4: Leichte Rammsonde<br />

(Quelle [6])<br />

In kohäsionslosen Böden können geotechnische Kenngrößen als Berechnungsparameter für bautechnische<br />

Zwecke (z. B. Gründungsbemessung) aus den Ergebnissen von Rammsondierungen hergeleitet werden. Im<br />

Anhang zur DIN 4094-3 sind derartige Beziehungen, z. B. in der Form der Abb. 8.2, angegeben.<br />

8.5 Flügelsondierung (Flügelversuche)<br />

Das Flügelschergerät besteht aus dem Flügel (Abb. 8.5), dem Gestänge, einer Drehvorrichtung und aus einer<br />

Meßeinrichtung zur Erfassung des Drehmomentes und eventuell zusätzlich des Drehwinkels.<br />

81


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Abb. 8.5: Flügel (Quelle [5])<br />

Bodenmechanik 1<br />

Ausgehend von der Bohrlochsonde ist der Flügel bis zur vorgesehenen Untersuchungstiefe mit gleichmäßiger<br />

Geschwindigkeit (bis 2 cm/sec) in den Boden einzudrücken. Wegen möglicher Störungen muß die Oberkante<br />

des Flügels mindestens 0,3 m unter der Bohrlochsohle liegen. Der Flügel wird mit konstanter Drehgeschwindigkeit<br />

(ca. 0,1°/sec bis 0,5°/sec) bis zum Abscheren des zylindrischen Bodenkörpers gedreht. Das<br />

Drehmoment und ggf. der Drehwinkel werden gemessen. Danach wird der Flügel mit einer Geschwindigkeit<br />

von mindestens 10°/sec mindestens zehnmal gedreht. Dann wird in einer erneuten Messung die Restscherfestigkeit<br />

gemessen. Aus dem maximalen Drehmoment Mmax [kN . m] wird der maximale Scherwiderstand c<br />

[kN/m 2 ] gerechnet:<br />

max<br />

3 ( 7 ⋅ π D )<br />

c = M ⋅ 6 / ⋅<br />

(für H/D = 2 nach Abb. 8.5).<br />

Gegebenenfalls sind an die Scherfestigkeit c noch Korrekturfaktoren anzubringen (siehe DIN 4094-4).<br />

82


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8.6 Literatur<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

[1] Simmer: Grundbau 1. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />

[2] DIN 4094-1: Felduntersuchungen; Teil 1: Drucksondierungen.<br />

[3] DIN 4094-2: Felduntersuchungen; Teil 2: Bohrlochrammsondierung.<br />

[4] DIN 4094-3: Felduntersuchungen; Teil 3: Rammsondierungen.<br />

[5] DIN 4094-4: Felduntersuchungen; Teil 4: Flügelscherversuche.<br />

Bodenmechanik 1<br />

[6] Möller, G. (1998): Geotechnik – Teil 1: Bodenmechanik. Werner Verlag Düsseldorf.<br />

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9 Laborversuche zur Klassifizierung des Bodens<br />

9.1 Der Boden als Dreiphasengemisch<br />

Bodenmechanik 1<br />

Nachfolgende Überlegungen gelten nur für anorganische (mineralische) Böden und nicht für organische Böden<br />

(Faulschlamm und Torf), ebenso nicht für Fels. Es werden einige physikalische Eigenschaften des Bodens<br />

behandelt, die seiner Beschreibung dienen und die Rückschlüsse auf sein Verhalten zulassen, wenn in<br />

den Baugrund Lasten aus einem Bauwerk eingeleitet werden.<br />

Die für die Verwendung des Bodens als Baustoff (für Dämme, Abdichtungen usw.) maßgebenden<br />

Eigenschaften und die Versuche zur Bestimmung der zugehörigen Kennwerte werden in der<br />

Lehrveranstaltung „Erdbau“ behandelt.<br />

Ein Bodenvolumen V (Abb. 9.1) enthält feste Bestandteile und mit Luft und/oder mit Wasser gefüllte Poren.<br />

Der Boden ist ein „Dreiphasengemisch“. Zur besseren Beschreibung wird ein „Bodenmodell“ geschaffen<br />

(Abb. 9.1) in dem die einzelnen „Phasen“ gedanklich getrennt werden („Einschmelzen“ der festen Bestandteile<br />

zu Vk).<br />

Abb. 9.1: Modell des Dreiphasengemisches „Boden“<br />

Anhand der Abbildung 9.1 werden folgende Kennwerte definiert:<br />

• Porenanteil n = Vo/V (n = Porenvolumen/Gesamtvolumen) (0 ≤ n ≤ 1; Anhaltswert: 0,2 < n < 0,4) oder<br />

Porenzahl e = Vo/Vk (e = Porenvolumen/Kornvolumen) (0 ≤ e ≤ ∞; Anhaltswert 0,25 < e < 0,67)<br />

n ⋅ V = e ⋅ V folgt n = e/(1+e) oder e = n/(1-n)<br />

aus k<br />

• Wassergehalt: w = mw/mk<br />

Anmerkung: In der Bodenmechanik ist der Wassergehalt das Verhältnis von Wassermasse zu Feststoffmasse.<br />

In anderen Wissensgebieten (z. B. Agrartechnik) wird der Wassergehalt auch als Volumenverhältnis<br />

definiert.<br />

84


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

• Sättigung (Sättigungsgrad): Sr = Vw/Vo = nw/n = w/wmax<br />

Bodenmechanik 1<br />

Die spezifische Wichte bzw. die spezifische Dichte der am Dreiphasengemisch beteiligten Stoffe werden<br />

wie folgt angesetzt:<br />

• Wasser: γw = 10 kN/m 3 ; ρw = 1 g/cm 3<br />

• Luft: γL = 0 kN/m 3 ; ρL = 0 g/cm 3<br />

• Korn: 26,0 ≤ γs ≤ 27,0 kN/m 3 ; 2,6 ≤ ρs ≤ 2,7 g/cm 3<br />

Für die Gewichtskraft Gk bzw. die Masse mk des Korns wird auch Gd bzw. md geschrieben (d = dry). Mit obigen<br />

Definitionen und spezifischen Wichten bzw. spezifischen Dichten läßt sich die Wichte [kN/m 3 ] bzw.<br />

die Dichte [g/cm 3 ] des Bodens angeben (siehe Tabelle).<br />

Symbol Bezeichnung Formel Anhaltswerte<br />

γd Trockenwichte ⋅ ( 1 − n)<br />

ρd Trockenwichte ⋅ ( 1 − n)<br />

γ Wichte oder Feuchtwichte ⋅ ( 1 − n)<br />

⋅ ( 1 + w)<br />

γ 15 ÷ 18 kN/m s<br />

3<br />

ρ 1,5 ÷ 1,8 g/cm s<br />

3<br />

γ 18 ÷ 22 kN/m s<br />

3<br />

ρ Dichte oder Feuchtdichte ⋅ ( 1 − n)<br />

⋅ ( 1 + w)<br />

ρ 1,8 ÷ 2,2 g/cm s<br />

3<br />

γr Sättigungswichte γ ⋅( 1 − n) + n⋅γ<br />

22 ÷ 23 kN/m 3<br />

s w<br />

ρr Sättigungsdichte<br />

s ( ) w<br />

γ′ Wichte unter Auftrieb ( − γ ) ⋅ ( 1 − n)<br />

ρ′ Dichte unter Auftrieb ( − ρ ) ⋅ ( 1 − n)<br />

Der maximale Wassergehalt des Bodens berechnet sich zu:<br />

max<br />

w max<br />

k<br />

o<br />

w<br />

( γ s ⋅ Vk<br />

) = e ⋅ γ w / s<br />

w = G / G = V ⋅ γ /<br />

γ<br />

9.2 Bestimmung der Korndichte ρs<br />

ρ ⋅ 1 − n + n ⋅ γ 2,2 ÷ 2,3 g/cm 3<br />

γ 10 ÷ 12 kN/m s w<br />

3<br />

ρ 1,0 ÷ 1,2 g/cm s w<br />

3<br />

Die Korndichte ρs ist die Rohdichte der festen Einzelbestandteile (Körner) des Bodens. Sie wird bestimmt<br />

als das Verhältnis<br />

ρ s = m d / Vk<br />

[g/cm 3 ]<br />

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Bodenmechanik 1<br />

md = Trockenmasse der festen Einzelbestandteile des Bodens nach Trocknung bei 105°C<br />

Vk = Volumen der festen Einzelbestandteile<br />

Die Korndichte wird in der Regel mit dem Kapillarpyknometer bestimmt (siehe [2]).<br />

9.3 Bestimmung des Wassergehaltes<br />

Der Wassergehalt w einer Bodenprobe ist das Verhältnis der Masse des im Boden vorhandenen Wasser mw,<br />

das bei einer Temperatur von 105°C verdampft, zur Masse md der trockenen Probe: w = mw/md.<br />

( m f m d ) / m d<br />

w −<br />

= mit mf = Masse des feuchten Bodens.<br />

Die Bestimmung des Wassergehaltes erfolgt im Labor durch Ofentrocknung bei 105°C (DIN 18121-1) oder<br />

durch Schnellverfahren (Infrarotstrahler oder Mikrowelle oder Luftpyknometer usw. nach DIN 18121-2).<br />

Aus obiger Gleichung folgt md bei bekanntem Wassergehalt w zu<br />

m d f<br />

( 1 + w)<br />

= m / .<br />

9.4 Beschreibung der festen Bestandteile<br />

9.4.1 Allgemeines<br />

Die festen Bodenbestandteile sind entweder organischer (meist faserig) oder anorganischer (rund oder plättchenförmig)<br />

Natur. Nachfolgend werden nur anorganische Böden betrachtet. Die Benennung eines<br />

(anorganischen) Bodens erfolgt nach der „Korngrößenverteilung“ seiner festen Bestandteile.<br />

Bodenteilchen mit 0,002 mm ≤ d ≤ 60 mm werden als Körner angesprochen. Die Form und die Größe der<br />

Körner wird bestimmt durch den Mineraltyp und die geologische Geschichte. Für bodenmechanische Zwecke<br />

erfolgt zunächst eine Klassifikation nach der Korngröße.<br />

Vor allem die festen Bestandteile von Ton (d ≤ 0,002 mm; d ≤ 2 µm) haben plättchenförmige Struktur. Die<br />

Feldspäte zerfallen bei der Verwitterung in winzig kleine, polygonal berandete Scheiben. Typische Tonminerale<br />

sind Kaolinit, Montmorillonit und Illit.<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

9.4.2 Korngrößenverteilung und deren Bedeutung<br />

a) Definition der Korngrößenverteilung<br />

Ein Punkt der Körnungslinie bzw. Sieblinie (Abb. 9.2) gibt an:<br />

Bodenmechanik 1<br />

• wieviel Gewichtsprozent der festen Bestandteile eines Bodens so groß sind, daß sie nicht durch ein<br />

Sieb bestimmter Maschenweite bzw. mit bestimmtem Lochdurchmesser hindurchgehen (% Siebrückstand)<br />

bzw.<br />

• wieviel Gewichtsprozent der festen Bestandteile eines Bodens so klein sind, daß sie durch ein Sieb<br />

bestimmter Maschenweite bzw. mit bestimmtem Lochdurchmesser hindurchfallen (% Siebdurchgang).<br />

Abb. 9.2: Kornverteilung<br />

Die betreffende Maschenweite bzw. der Lochdurchmesser wird dem Korndurchmesser (Korngröße d<br />

[mm]) der festen Bestandteile gleichgesetzt.<br />

b) Einteilung der Lockergesteine<br />

Die nachfolgend verwendete Einteilung der Lockergesteine in nichtbindige (rollige) und bindige Böden<br />

dient der einfachen Unterscheidung in der Baupraxis. Soweit eine genauere Einteilung erforderlich ist, z.<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

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Bodenmechanik 1<br />

B. bei der Festlegung von Bodenkenngrößen, ist die Bodenklassifikation nach DIN 18196 [5] (siehe LV<br />

„Erdbau“) in Verbindung mit den Angaben in DIN 4022 [4] maßgebend.<br />

• Böden wie Sand, Kies und Steine und ihre Mischungen werden als nichtbindig (rollig) bezeichnet,<br />

wenn der Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm weniger als 5 % beträgt. Dem<br />

entsprechen die grobkörnigen Böden nach DIN 18196.<br />

• Zu den nichtbindigen Böden zählen in der Regel auch gemischtkörnige Böden mit einem<br />

Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm von 5% bis 15 %. Die gemischtkörnigen<br />

Böden werden den nichtbindigen Böden zugeordnet, wenn der Feinkorn-Massenanteil das plastische<br />

Verhalten des Bodens (siehe Kap. 9.6) nicht bestimmt.<br />

• Tone, tonige Schluffe und Schluffe sowie ihre Mischungen mit nichtbindigen Böden werden als<br />

bindig bezeichnet, wenn der Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm größer ist als<br />

40 %. Dem entsprechen die feinkörnigen Böden nach DIN 18196.<br />

• Zu den bindigen Böden zählen in der Regel auch gemischtkörnige Böden mit einem Massenanteil<br />

der Bestandteile mit Korngrößen unter 0,06 mm von 15 % bis 40 %. Die gemischtkörnigen Böden<br />

werden den bindigen Böden zugeordnet, wenn der Feinkorn-Massenanteil das plastische Verhalten<br />

des Bodens (siehe Kap. 9.6) bestimmt.<br />

c) Bezeichnung des Bodens in Bohrprofilen<br />

Die meisten grobkörnigen Böden sind ein Gemisch verschiedener Korngrößenbereiche. Dann wird der<br />

Hauptbestandteil mit einem Hauptwort bzw. mit einem der Bodenart entsprechenden Großbuchstaben<br />

bezeichnet. Nebenbestandteile werden durch nachgestellte Eigenschaftswörter, z. B. „Feinkies, mittelsandig,<br />

schwach grobsandig“ bzw. entsprechenden Kleinbuchstaben: fG, ms, gs gekennzeichnet.<br />

Die Einteilung der Böden nach den Gesichtspunkten der Lösbarkeit und Verarbeitbarkeit wird in der LV<br />

„Erdbau“ besprochen.<br />

d) Kennzahlen der Korngrößenverteilung:<br />

Ungleichförmigkeitsgrad U = d60/d10:<br />

U < 5: gleichförmiger Boden<br />

5 ≤ U ≤ 15: ungleichförmiger Boden<br />

U > 15: sehr ungleichförmiger Boden<br />

Der Ungleichförmigkeitsgrad beschreibt die Steilheit der Kornverteilungskurve.<br />

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Bodenmechanik 1<br />

• Sieblinienkrümmung Cc = d 2 30/(d60 . d10): Die Sieblinienkrümmung wird in DIN 18196 als Krümmungszahl<br />

Cc bezeichnet. Mit U1 und Cc werden die grobkörnigen Böden nach DIN 18196 weiter<br />

unterteilt (siehe nachfolgende Tabelle):<br />

Benennung Kurzzeichen U Cc<br />

eng gestuft E < 6 beliebig<br />

weit gestuft W ≥ 6 1 bis 3<br />

intermittierend gestuft I ≥ 6 < 1 oder > 3<br />

• Wirksame oder maßgebende Korngröße: Einige Eigenschaften des Bodens (z. B. Durchlässigkeit,<br />

Filterfestigkeit usw.) lassen sich mit einem kennzeichnenden (wirksamen) Korndurchmesser in Verbindung<br />

bringen, z. B. d10 = Korndurchmesser bei 10 Gew. % Siebdurchgang ist für die Durchlässigkeit<br />

des Bodens maßgebend.<br />

e) Zweck der Korngrößenverteilung:<br />

1. Benennung der Bodenarten, um die Identität oder Verschiedenartigkeit von Böden festzustellen<br />

(Übertragung von Erfahrungen).<br />

2. Häufig ist ein Rückschluß aus der Kornverteilung auf verschiedene Eigenschaften des Bodens möglich,<br />

z. B.: auf die Wasserdurchlässigkeit, die Filterfestigkeit, die Frostgefährdung, die Verdichtbarkeit,<br />

die Injektionsfähigkeit, die Scherfestigkeit, die Zusammendrückbarkeit usw.<br />

9.4.3 Ermittlung der Korngrößenverteilung<br />

a) Für Böden mit d ≥ 0,063 mm: Siebanalyse einer bei 105 o C getrockneten Bodenprobe (siehe DIN 18123<br />

[6]). Enthält der Boden auch Anteile von Korngrößen d < 0,063 mm, wird die Korngrößenverteilung der<br />

groben Bestandteile durch Siebung nach nassem Abtrennen der Feinteile ermittelt.<br />

b) Für Böden mit 0,001 < d < 0,125 mm: Bestimmung der Korngrößenverteilung durch Sedimentation<br />

(Schlämmanalyse) (siehe DIN 18123 [6]). Die Grundlagen der Schlämmanalyse sind:<br />

• das Stokesche Gesetz, das angibt, mit welcher Geschwindigkeit Kugeln mit der Wichte γs und dem<br />

Durchmesser d in einer Flüssigkeit mit der Viskosität η absinken (γw = Wichte der Flüssigkeit):<br />

89


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

v =<br />

( γ γ )<br />

− ⋅d<br />

18⋅<br />

η<br />

s w<br />

2<br />

;<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

• die Gleichung zur Ermittlung der Wichte einer Suspension: eine Flüssigkeit, in der feste Partikel der<br />

Wichte γs mit dem Gesamtgewicht Gk aufgeschlämmt werden (Suspension) hat die Wichte:<br />

( V − G / γ )<br />

G k + G w G k +<br />

k s ⋅ γ w<br />

γ sus = =<br />

→<br />

V<br />

V<br />

G<br />

k<br />

V ⋅<br />

=<br />

1 − γ<br />

( γ − γ )<br />

• die Wichte der Suspension kann mit einem Aräometer über den von der Suspension bewirkten Auftrieb<br />

gemessen werden. Der Meßwert des Aräometers wird der Wichte der Suspension an der Stelle<br />

des Auftriebsschwerpunktes des Aräometers zugeordnet;<br />

• die Voraussetzung, daß die festen Bestandteile (Bodenkörner) im Ausgangszustand, d. h. zu Beginn<br />

der Aräometeranalyse, völlig gleichmäßig in der Suspension verteilt sind.<br />

c) Die Bodenprobe wird mit Wasser zu einer gleichmäßigen Suspension aufgerührt und diese in einem<br />

Standzylinder sich selbst überlassen. Je nach Korngröße sinken die Körper unterschiedlich schnell ab.<br />

Hierdurch verändert sich im Laufe der Zeit die Verteilung der Korngröße in der Suspension und damit<br />

auch deren Wichte über die Höhe des Standzylinders. Die Wichte wird nach festgelegten Zeiten mit dem<br />

Aräometer gemessen und hieraus auf die Massenanteile der verschiedenen Korngrößen geschlossen.<br />

Durchführung der Schlämmanalyse und Auswertung siehe [6].<br />

9.5 Porenraum<br />

9.5.1 Allgemeines<br />

Die Größe des Porenraumes eines nichtbindigen Bodens hat maßgeblichen Einfluß auf einige Eigenschaften<br />

des Bodens. Je größer der Porenraum des Bodens, um so<br />

− größer ist die Zusammendrückbarkeit (kleine Steifeziffer) des Bodens,<br />

− kleiner ist die Scherfestigkeit (kleiner Reibungswinkel) des Bodens,<br />

− größer ist der Verschiebungsweg zur Erzeugung des Erdwiderstandes,<br />

− größer ist die Durchlässigkeit des Bodens gegenüber Wasser.<br />

sus<br />

w<br />

/ γ<br />

s<br />

w<br />

90


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

9.5.2 Lagerungsdichte D, bezogene Lagerungsdichte ID<br />

Bodenmechanik 1<br />

Nach DIN 18126 [7] wird der Porenanteil n eines nichtbindigen Bodens in Beziehung zu den Porenanteilen<br />

max n bei lockerster und min n bei dichtester Versuchslagerung dieses Bodens gesetzt:<br />

max n−n Lagerungsdichte: D =<br />

max n−min n<br />

Wird mit der Porenzahl e gearbeitet, gilt entsprechend:<br />

bezogene Lagerungsdichte: I<br />

D =<br />

max e−e maxe−min e<br />

Die Zahlenwerte von D und ID stimmen nur für die Grenzwerte 0 und 1 überein.<br />

Verdichtungsfähigkeit: If = (max e - min e)/min e<br />

D < 0,15: sehr lockere Lagerung<br />

0,15 < D < 0,30: lockere Lagerung<br />

0,30 < D < 0,50: mitteldichte Lagerung<br />

D > 0,50: dichte Lagerung.<br />

9.5.3 Lockerste und dichteste Versuchslagerung<br />

Die Zustände der sog. lockersten und dichtesten Versuchslagerung sind keine physikalisch definierten<br />

Zustände. Sie werden vielmehr durch eine genormte Vorgehensweise nach DIN 18126 [7] erhalten. Die<br />

Dichte (Porenanteil min n) bei dichtester (Versuchs-) Lagerung wird in einem Versuchszylinder bestimmt,<br />

in dem die ofentrockene Probe unter festgelegter Belastung auf einem Rütteltisch bei einer bestimmten<br />

Frequenz und Amplitude eingerüttelt wird. Das Einrütteln kann bei reinem, nicht zu feinkörnigem Sand auch<br />

mit einer Schlaggabel vorgenommen werden, mit der durch Schlagen an der Außenwand eines<br />

Versuchszylinders die lagenweise eingebaute Probe unter Wasser verdichtet wird. Für die Bestimmung der<br />

Dichte (Porenanteil max n) bei lockerster (Versuchs-) Lagerung wird die ofentrockene Probe bei<br />

feinkörnigem Boden mit einem Trichter, bei gröberen Körnungen mit einer Kelle oder Handschaufel so<br />

locker wie möglich in einen Versuchszylinder eingebaut.<br />

91


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Wuppertal<br />

9.5.4 Messung des Porenanteils n<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Zur Berechnung der Lagerungsdichte muß neben max n und min n auch der im nichtbindigen Boden am betrachteten<br />

Untersuchungspunkt vorhandene Porenanteil n bekannt sein. Hierzu wird am Untersuchungspunkt<br />

eine Probe entnommen. Bestimmt werden hierbei:<br />

• Volumen der Probe (Ausstechzylinder oder Ersatzmethoden (siehe LV „Erdbau“)),<br />

• Feuchtmasse der Probe mf,<br />

• Trockenmasse der Probe md nach Ofentrocknung.<br />

Bekannt ist das Volumen der Bodenprobe V (z. B. das Volumen des Entnahmezylinders). Hieraus ergibt<br />

sich:<br />

V0<br />

V−<br />

V<br />

n = =<br />

V V<br />

ρs = Korndichte<br />

k<br />

V − m<br />

=<br />

V<br />

d<br />

/ ρ<br />

s<br />

Die Ermittlung der Lagerungsdichte ist auch mit indirekten Aufschlüssen (Sondierungen) möglich.<br />

9.6 Die plastischen Eigenschaften feinkörniger Böden<br />

9.6.1 Zustandsgrenzen nach Atterberg<br />

a) Definition<br />

Wird einer festen Probe bindigen Erdstoffes (geringer Wassergehalt) Wasser zugegeben, das durch<br />

Knetarbeit in den Boden eingearbeitet wird, so geht die Probe mit steigendem Wassergehalt vom festen<br />

in den halbfesten, dann in den plastischen und schließlich in den flüssigen Zustand („Konsistenz“) über.<br />

Es werden Grenzen zwischen den Zuständen („Konsistenzgrenzen“) definiert, wobei als Maßzahl für<br />

diese Grenzen der Wassergehalt dient, bei dem die Bodenprobe eine ganz bestimmte (definierte) Eigenschaft<br />

hat:<br />

steif<br />

fest halbfest plastisch (bildsam) weich flüssig<br />

breiig<br />

Schrumpf- Ausroll- Fließ-<br />

grenze ws grenze wp grenze wL<br />

92


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

b) Bestimmung des Wassergehaltes an der Fließgrenze<br />

Der Wassergehalt wL an der Fließgrenze wird meist mit dem Gerät nach A. Casagrande bestimmt (Abb.<br />

9.3) (DIN 18122, Blatt 1 [8]):<br />

Ein Boden befindet sich an der Fließgrenze, wenn sich die mit einem definierten Spatel (in dem in die<br />

Schale eingebauten Boden) gezogene Furche nach 25maligem Fallenlassen der Schale aus 10 mm Höhe<br />

auf einer Länge von 10 mm wieder geschlossen hat.<br />

c) Bestimmung des Wassergehaltes an der Ausrollgrenze<br />

Der Wassergehalt wp an der Ausrollgrenze ist erreicht, wenn der Boden beim Ausrollen zu 3 mm dicken<br />

Walzen zu zerbröckeln beginnt. Der Boden ist dann nicht mehr plastisch (knetbar) (siehe DIN 18122,<br />

Blatt 1).<br />

d) Bestimmung der Schrumpfgrenze<br />

Wird ein bindiger Boden mit hohem Wassergehalt getrocknet, so vermindert sich sein Volumen weitgehend<br />

linear mit dem Wassergehalt (der Boden schrumpft). Hat der Wassergehalt die Schrumpfgrenze<br />

(ws) erreicht, hört die Volumenverminderung auf. An der Schrumpfgrenze tritt bei vielen Böden ein<br />

Farbumschlag vom Dunklen zum Hellen auf (siehe DIN 18122, Blatt 2).<br />

9.6.2 Abgeleitete Kennzahlen<br />

Die Plastizitätszahl Ip ist der Unterschied zwischen Fließ- und Ausrollgrenze:<br />

Ip = wL - wp<br />

Konsistenz-Zahl: I<br />

c<br />

wL−w wL−w = =<br />

w − w I<br />

L p<br />

Die Liquiditätszahl ist = − = ( − )<br />

I 1 I w w / I<br />

L c p p<br />

Der Bereich zwischen wL und wp wird unterteilt in:<br />

p<br />

Ic von 0 bis 0,5 von 0,5 bis 0,75 von 0,75 bis 1,0<br />

Zustandsform breiig weich steif<br />

IL von 1,0 bis 0,5 von 0,5 bis 0,25 von 0,25 bis 0<br />

93


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 9.3: Gerät zur Bestimmung der Fließgrenze (Quelle [7])<br />

94


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

In der DIN 1054 (Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau) ist für bindige Böden der aufnehmbare Sohldruck<br />

unter Streifenfundamenten in Abhängigkeit von der Gründungstiefe, der Fundamentbreite und der<br />

Konsistenz (steif, halbfest und fest) des Bodens angegeben.<br />

Als Orientierungswerte für die Größenordnung von wL und wp mögen folgende Angaben dienen:<br />

Erdstoff wL [%] wp [%] Ip [%] Bereich von Ip [%]<br />

Schluff/Löss 25 20 5 2 ÷ 10<br />

Lehm/magerer Ton 40 25 15 10 ÷ 25<br />

fetter Ton 80 30 50 25 ÷ 75<br />

org. Böden 250 150 100 -<br />

Bei der Bodenklassifikation feinkörniger Böden werden die „plastischen Eigenschaften“ anhand der Fließgrenze<br />

wL und der Plastitzitätszahl Ip = wL - wp mit der sog. „A-Linie“ des Plastizitätsdiagramms (Abb. 9.4)<br />

beschrieben. Hiernach werden Tone und Schluffe unterschieden in:<br />

Benennung Kurzzeichen wL [%]<br />

leicht plastisch L kleiner 35 %<br />

mittelplastisch M 35 % bis 50 %<br />

ausgeprägt plastisch A über 50 %<br />

Abb. 9.4: Plastizitätsdiagramm zum Benennen von Bodenarten (Quelle [5])<br />

95


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

9.7 Bestimmung von Bodenbeimengungen<br />

9.7.1 Glühverlust<br />

Bodenmechanik 1<br />

Als Glühverlust wird der prozentuale Gewichtsverlust einer trockenen Probe beim Glühen bezeichnet. Der<br />

Glühverlust gibt näherungsweise den Anteil an organischen Substanzen an. Ein Erdstoff mit einem Glühverlust,<br />

der die mechanischen Eigenschaften beeinflußt, heißt organisch. Organische Bodenarten sind z. B.:<br />

− Torf: Pflanzenreste mit Schluff bzw. Sand; Glühverlust > 20 %<br />

− Faulschlamm: Rest von Tieren mit Schluff oder Sand; Glühverlust > 20 %<br />

− Klei: Ton oder Schluff und/oder Sand mit Pflanzen oder Tierresten; Glühverlust > 5 %.<br />

Die Bestimmung der Glühverlust ist in der DIN 18128 [9] geregelt.<br />

9.7.2 Kalkgehalt<br />

Der Kalkgehalt ist das Gewicht des im Boden enthaltenen Kalziumcarbonats, bezogen auf das Feststoffgewicht<br />

der Bodenprobe. Man stellt den Kalkgehalt qualitativ durch Beträufeln der Probe mit verdünnter Salzsäure<br />

fest:<br />

− kein Aufbrausen: ≤ 1 %<br />

− schwaches Aufbrausen: ca. 1 % bis 2 %<br />

− deutliches Aufbrausen: ca. 2 % bis 4 %<br />

− starkes Aufbrausen: über ca. 5 %.<br />

Eine quantitative Bestimmung des Kalkgehaltes kann mit dem Apparat von Scheibler (Gasometer) erfolgen.<br />

Dieser Versuch wird hier nicht erläutert. Der Kalkgehalt erleichtert die geologische Zuordnung eines zu<br />

untersuchenden Bodens. Die Bestimmung des Kalkgehaltes ist in der DIN 18129 [10] beschrieben.<br />

9.8 Schlußbemerkung<br />

Für die Verwendung eines Bodens als Baustoff ist der Proctorversuch bedeutsam. Er wird in der Lehrveranstaltung<br />

„Erdbau“ ausführlich erläutert. Ein weiterer wichtiger bodenmechanischer Kennwert ist der Was-<br />

96


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

serdurchlässigkeitskoeffizient. Auf seine Bestimmung in Labor- und Feldversuchen wird in der Lehrveranstaltung<br />

„Grundbau 2“ eingegangen.<br />

9.9 Literaturhinweise<br />

[1] Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. Zweite Auflage. Springer Verlag.<br />

[2] DIN 18124: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Korndichte.<br />

[3] DIN 18121: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben.<br />

Wassergehalt: Teil 1: Bestimmung durch Ofentrocknung.<br />

Teil 2: Bestimmung durch Schnellverfahren.<br />

[4] DIN 4022: Benennung und Beschreibung von Boden und Fels.<br />

[5] DIN 18196: Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke.<br />

[6] DIN 18123: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Korngrößenverteilung.<br />

[7] DIN 18126: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Dichte nichtbindiger Böden<br />

bei lockerster und dichtester Lagerung.<br />

[8] DIN 18122: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben.<br />

Zustandsgrenzen: Teil 1: Bestimmung der Fließ- und Ausrollgrenze.<br />

Teil 2: Bestimmung der Schrumpfgrenze.<br />

[9] DIN 18128: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung des Glühverlustes.<br />

[10] DIN 18129: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Kalkgehaltsbestimmung.<br />

97


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

10 Druck- und Zeitsetzungsverhalten des Bodens<br />

10.1 Allgemeines<br />

Bodenmechanik<br />

Die ständigen und nicht ständigen Lasten eines neu errichteten Bauwerks belasten den Baugrund zusätzlich<br />

gegenüber dem bisherigen Spannungszustand. Da der Boden je nach seiner Beschaffenheit mehr oder weniger<br />

zusammendrückbar ist, wird das Bauwerk Setzungen erfahren. Grundlage zur Berechnung (besser Schätzung)<br />

der voraussichtlichen Setzungen (Setzungs-Prognose) ist die Kenntnis des Drucksetzungsverhaltens<br />

des Bodens.<br />

10.2 Der eindimensionale Kompressionsversuch<br />

10.2.1 Definition<br />

Im eindimensionalen Kompressionsversuch (Oedometer-Versuch) wird eine zylindrische Probe in Richtung<br />

ihrer Achse stufenweise belastet und entlastet. Die axialen Verformungen werden dabei beobachtet; radiale<br />

Verformungen werden durch einen starren Ring verhindert.<br />

10.2.2 Kompressionsapparat<br />

Ein Bodenelement ist im Untergrund durch seine Nachbarelemente mehr oder weniger unnachgiebig gestützt.<br />

Um diese Verhältnisse im Laborversuch in etwa zu simulieren, wird eine seitliche Dehnung der Bo-<br />

denprobe durch einen (starren) Stahlring (siehe Abb. 10.1) unterbunden (εx = εy = 0).<br />

Ursache für die Zusammendrückbarkeit des Bodens ist eine Verminderung des Porenvolumens, da die festen<br />

Bestandteile (Körner) durch die beim Versuch aufgebrachten Spannungen ihr Volumen nicht vermindern.<br />

Luft bzw. Wasser, das in den Poren ist, muß in dem Umfang entweichen können, wie sich das Porenvolumen<br />

vermindert. Die Probe wird daher auf der oberen und unteren Fläche durch eine luft- und wasserdurchlässige<br />

„Filterplatte“ abgeschlossen (Filterstein). Zur Vermeidung einer Schrumpfung der Probe durch Austrocknung<br />

wird sie während des Versuches unter Wasser gesetzt.<br />

98


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik<br />

Abb. 10.1: Schematische Darstellung des Kompressionsapparaters(Quelle [3])<br />

a) schwebend angeordneter Ring<br />

b) feststehend angeordneter Ring<br />

10.2.3 Versuchsdurchführung<br />

Obwohl für die Druck-Setzungsversuche „ungestörte“ Bodenproben (Bodenprobe der Güteklasse 1) verwendet<br />

werden, wird hier zunächst der Versuchsablauf an einer durchgekneteten bindigen Bodenprobe erläutert,<br />

deren Wassergehalt eine weiche Konsistenz bewirkt. Nach dem Aufbringen einer ersten Laststufe<br />

wird die Probe zusammengedrückt, wobei die Zusammendrückung zeitlich verzögert abläuft. Die Geschwindigkeit<br />

der Zusammendrückung nimmt ab, bis sie langsam gegen Null geht (Abb. 10.2), d. h. die Zusammendrückung<br />

(Setzung) erreicht einen Endwert unter dieser Laststufe. Die Endsetzung wird theoretisch<br />

nach unendlich langer Zeit, im Labor praktisch nach etwa 24 Stunden, erreicht.<br />

99


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 10.2: Zeit-Setzungs-Verlauf<br />

Bodenmechanik<br />

Würde der gleiche Versuch mit einem nichtbindigen (rolligen) Boden durchgeführt, würden nach Abb. 10.3<br />

folgende Unterschiede festgestellt:<br />

Endsetzungsmaß<br />

Setzungsverlauf<br />

nichtbindig bindig<br />

kleine Setzung<br />

große Setzung<br />

Setzung tritt sofort bei Setzung tritt zeitlich ver-<br />

Lastaufbringung ein zögert ein<br />

Abb. 10.3: Vergleich des Setzungsverhaltens eines nichtbindigen und eines bindigen Erdstoffes<br />

100


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik<br />

Nachfolgend wird nur noch das Last- und Zeitsetzungsverhalten bindiger Bodenarten behandelt. Nach Erreichen<br />

der Endsetzung (z. B. nach ca. 24 Stunden) wird eine neue Laststufe aufgebracht und wieder der zeitliche<br />

Verlauf der Setzung gemessen (Abb. 10.4).<br />

Beobachtung: Wird die Last in konstanten Laststufen gesteigert, nimmt das Endsetzungsmaß pro Laststufe<br />

mit größer werdender Last ab, der Boden wird mit steigender Last steifer (Abb. 10.4). Daher<br />

werden die Laststufen nach einer geometrischen Reihe gewählt, z. B. 16,25 kN/m 2 / 32,50 /<br />

65,0 / 130,0 / 260,0 / 520,0 kN/m 2 .<br />

Abb. 10.4: Zeitlicher Verlauf der Setzung bei mehreren konstanten Laststufen<br />

10.2.4 Versuchsauswertung<br />

Die bei einer bestimmten Belastung (z. B. bei σ3) insgesamt gemessene Endsetzung (z. B. s3) wird auf die<br />

ursprüngliche Probenhöhe h bezogen: ε3 = s3/h und diese Stauchung in Form des Druck-<br />

Setzungsdiagrammes in Abhängigkeit von der Belastung aufgetragen (Abb. 10.5).<br />

Es wird ein Steifemodul Es definiert als Es = ∆σ/∆ε [kN/m 2 ]. Dieser Steifemodul Es (an anderer Stelle auch<br />

als Steifeziffer oder Steifezahl bezeichnet)wird mit steigender Normalspannung größer: Es = f (σ) (siehe<br />

Abb. 10.5).<br />

101


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 10.5: Drucksetzungs-Diagramm<br />

Bodenmechanik<br />

Bei halblogarithmischer Auftragung [ε = f (ln σ/σ0)] ergibt die Druck-Setzungslinie bereichsweise eine Ge-<br />

rade, so daß aus Abb. 10.6 deutlich wird, daß für diesen Bereich der Steifemodul mit der wirkenden Normalspannung<br />

zunimmt.<br />

Anmerkungen:<br />

Abb. 10.6: Drucksetzungs-Diagramm in halblogarithmischer Auftragung<br />

• Im Entwurf der DIN 18135 [3] wird bei der Berechnung der Steifeziffer die Setzung ∆si-1.i, die bei der<br />

Zunahme der Vertikalspannung von σi-1 auf σi entsteht, auf die bei der Spannung σi-1 (noch) vorhandene<br />

Probenhöhe hi-1 bezogen:<br />

102


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

( 1 − ε )<br />

h i−1<br />

= h − ε i−1<br />

⋅ h = h ⋅ i−1<br />

∆ ε<br />

∗<br />

i−1,<br />

i<br />

∆s<br />

=<br />

h<br />

i−1,<br />

i<br />

i−1<br />

∆s<br />

=<br />

h<br />

i−1,<br />

i<br />

Mit i−1, i i i−1<br />

⋅<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

1<br />

i−1,<br />

i<br />

( 1 − ε ) ( 1 − ε )<br />

i−1<br />

∆ σ = σ − σ ergibt sich:<br />

∆σ<br />

∆σ<br />

( 1 − ε )<br />

i−1,<br />

i i−1,<br />

i<br />

E s,<br />

i−1,<br />

i = = ⋅<br />

∗<br />

i−1<br />

∆ε<br />

i−1,<br />

i ∆ε<br />

i−1,<br />

i<br />

= ∆ε<br />

⋅<br />

1<br />

i−1<br />

Bodenmechanik<br />

• Ferner wird das Druck-Stauchungs- (bzw. Druck-Setzungs-) diagramm im Entwurf der DIN 18135 auch<br />

als Druck-Porenzifferdiagramm (σ-e-Diagramm) dargestellt. Dieses ist insbesondere bei der Formulie-<br />

rung von Stoffgesetzen für Finite-Elemente-Berechnungen und bei der Bestimmung von Stoffparametern<br />

für diese Stoffgesetze von Vorteil. Diese Darstellungsart wird hier nicht näher erläutert.<br />

10.2.5 Entlastung und Wiederbelastung<br />

Nach Erreichen einer bestimmten Laststufe wird die Probe wieder schrittweise entlastet. Es stellt sich eine<br />

flach verlaufende Entlastungskurve (Abb. 10.7) ein, die auf der Stauchungsachse eine bleibende und eine<br />

elastische Stauchung angibt.<br />

Bei Wiederbelastung liegt die Setzungslinie fast auf der Entlastungslinie und schwenkt mit einem mehr oder<br />

weniger ausgeprägten Knick in den ursprünglichen Erstbelastungs- (Weiterbelastungs-) ast ein, wenn die<br />

Größe der Maximalbelastung des ersten Belastungszyklus überschritten wird. Der Boden hat ein „Gedächtnis“.<br />

Er „merkt“ sich seine Belastungsgeschichte solange er nicht zerstört wird. Der Steifemodul ist also da-<br />

von abhängig, ob sich die Spannungen im Wiederbelastungsbereich (σ < σv; Es groß) oder im Erstbelas-<br />

tungsbereich (σ > σv; Es klein) befinden.<br />

σv ist die sog. „Vorbelastung“. Für bindige Böden ist die Steifeziffer des Wiederbelastungsastes und der<br />

Entlastung um ein Mehrfaches (4 bis 10 mal) größer als diejenige der Erstbelastung.<br />

103


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 10.7: Drucksetzungsdiagramm mit Vorbelastungsknick<br />

Gewöhnlich ist die Größe der Vorbelastung infolge<br />

• ehemaliger Bebauung (bereits beseitigt)<br />

• ehemaliger Überschüttung (beseitigt oder natürlich abgetragen)<br />

• eiszeitlicher Vorbelastung usw.<br />

Bodenmechanik<br />

unbekannt. Soll die Zusammendrückbarkeit eines Bodens im Drucksetzungsversuch gemessen werden, wobei<br />

auch die (unbekannte) Vorbelastung mit erfaßt werden soll, muß eine ungestörte Bodenprobe gewonnen<br />

werden (Beispiel Abb. 10.7). Zur Erläuterung möge beispielsweise folgende „Belastungsgeschichte“ einer<br />

ungestörten Bodenprobe dienen:<br />

Das Bodenelement wird in einem Flußlauf abgelagert und durch anderen Boden überschüttet (belastet) und<br />

zusätzlich durch hohe Eisauflast zusammengepreßt. Es entsteht die Last-Setzungskurve im σ / ε -<br />

Koordinatensystem bis zum Punkt C. Die Eisauflast verschwindet, die Überschüttung bleibt: Punkt A des<br />

Entlastungsastes. Nun wird die Bodenprobe, z. B. bei einer Erkundungsbohrung, „ungestört“entnommen,<br />

wobei sie in vertikaler Richtung völlig entlastet wird (Punkt B des Entlastungsastes). Nach Einbau der Probe<br />

in das Drucksetzungsgerät wird sie erneut belastet. Da die Größe von εb1 unbekannt ist, wird die im Druck-<br />

setzungsversuch bei Belastung der Probe gemessene Stauchung in das σ1/ε1-Koordinatensystem eingetragen.<br />

Der Knick gibt die Größe von σv an. Steifemoduln Es können für σ < σv und σ > σv getrennt aus dem Dia-<br />

gramm abgegriffen werden.<br />

104


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

10.2.6 Übertragung der Versuchsergebnisse<br />

Bodenmechanik<br />

Eine Bodenschicht der Dicke H drückt sich bei Zuwachs der Spannungen von σ1 auf σ2 (siehe Abb. 10.8)<br />

um den gleichen Prozentsatz zusammen wie ein Element dieses Bodens (Bodenprobe) von der Höhe h im<br />

Drucksetzungsversuch, wenn dort die Vertikalspannung ebenfalls von σ1 auf σ2 gesteigert wird. Dies ist das<br />

sog. 1. Modellgesetz der Bodenmechanik:<br />

s<br />

h<br />

S<br />

= ε = = ε → ε = ε<br />

H<br />

Labor Natur Labor Natur<br />

10.2.7 Mögliche Versuchsfehler<br />

Abb. 10.8: 1. Modellgesetz der Bodenmechanik<br />

• Die (absolut) starre, seitliche Stützung der Probe durch den Stahlring im Laborversuch ist in der Natur<br />

nicht vorhanden (siehe Abb. 10.8): Der Laborversuch ergibt zu große Steifigkeiten.<br />

• Die Probe wird bei Entnahme und Einbau ins Laborgerät mehr oder weniger stark gestört: Der Laborversuch<br />

ergibt zu kleine Steifigkeiten.<br />

• Die Filtersteine liegen bei Versuchsbeginn nicht satt auf. Bei der ersten Laststufe werden zu große<br />

Setzungen (Anliegesetzungen) gemessen. Diese werden durch eine kleine Anfangsspannung, deren<br />

Setzung nicht beachtet wird, eliminiert.<br />

• Man geht davon aus, daß in jedem horizontalen Schnitt durch die Probe die Spannung σz gleich der auf-<br />

gebrachten Spannung ist. Durch die Zusammendrückung der Probe entstehen am feststehend angeordne-<br />

105


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik<br />

ten Ring (siehe Abb. 10.1) Schubspannungen, die vom Ring als Normalkraft in die Bodenplatte geleitet<br />

werden, so daß die vertikalen Spannungen in der Bodenprobe etwas abgemindert werden. Der Boden<br />

scheint hierdurch steifer zu sein. Dieser Fehler ist bei den üblichen Verhältnissen von Probendurchmesser<br />

zu Probenhöhe im Rahmen der übrigen Aussagekraft des Versuches vernachlässigbar klein.<br />

10.2.8 Erfahrungswerte für den Steifemodul Es<br />

Für überschlägliche Vorabschätzungen von Bauwerkssetzungen kann von folgenden Anhaltswerten für den<br />

Steifemodul Es ausgegangen werden (aus „Empfehlungen des Arbeitsausschusses Ufereinfassungen EAU<br />

1980“):<br />

Bodenart Es [MN/m 2 ] Bodenart Es [MN/m 2 ]<br />

Sand, locker, rund 20 - 50 Ton, halbfest 5 - 10<br />

Sand, locker, eckig 40 - 80 Ton, schwer knetbar, steif 2,5 - 5<br />

Sand, mitteldicht, rund 50 - 100 Ton, leicht knetbar, weich 1 - 2,5<br />

Sand, mitteldicht, eckig 80 - 150 Geschiebemergel, fest 30 - 100<br />

Kies ohne Sand 100 - 200 Lehm, halbfest 5 - 20<br />

Sand, dicht, eckig 150 - 250 Lehm, weich 4 - 8<br />

Schluff 3 - 10 Klei, org., tonarm, weich<br />

2 - 5<br />

Torf<br />

0,4 - 1<br />

10.3 Das Zeitsetzungsverhalten<br />

In den Abb. 10.2 bis 10.4 kommt zum Ausdruck, daß die Setzung bei (wassergesättigten) bindigen Böden<br />

zeitlich verzögert eintritt. Nachfolgend wird dieses Verhalten mit dem sog. „grobmechanischen Topfmodell“<br />

von Terzaghi veranschaulicht.<br />

106


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10.3.1 Das Einkammersystem<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik<br />

Die Abb. 10.9 zeigt einen Zylinder der Grundrißfläche A, der bis zur Höhe h mit Wasser gefüllt ist. Auf dem<br />

Wasserspiegel befindet sich ein Kolben. Hat der Kolben keine Löcher, entsteht bei Aufbringen der Last P<br />

auf den Kolben ein Wasserdruck u und es gilt:<br />

P/ A = σ = u<br />

mit σ = aufgebrachte Spannung.<br />

Es tritt keine Bewegung des Kolbens auf, da Wasser als inkompressibel gilt. Hat der Kolben mehrere<br />

Bohrungen größeren Durchmessers, so fließt das Wasser aus dem Zylinder nach dem Aufbringen von P<br />

durch die Bohrungen ab, der Kolben sinkt mit konstanter, recht großer Geschwindigkeit nach unten, bis er<br />

auf dem Boden des Zylinders aufliegt (Abb. 10.9c, Gerade 1). Haben die wenigen Bohrungen im Zylinder<br />

nur einen kleinen Durchmesser, ist die Absinkgeschwindigkeit des Kolbens im Zylinder klein (Abb. 10.9c,<br />

Gerade 2). Während des Absinkens des Kolbens gilt: σ = u.<br />

Nach Abb. 10.9 befindet sich beim Federtopfmodell im Zylinder eine Feder der Steifigkeit c [kN/m]. Die<br />

Last P erzeugt zunächst wieder die Wasserdruckspannung u = σ = P/A.<br />

Abb. 10.9: Federtopfmodell nach Terzaghi, Einkammersystem<br />

a) Zylinder mit Kolben ohne Feder<br />

b) Federtopfmodell<br />

c) Zeit-Weg-Diagramm<br />

Durch das Abströmen von Wasser aus dem Zylinderraum bewegt sich der Kolben etwas nach unten, die Fe-<br />

der wird etwas zusammengedrückt und es gilt mit ΣV = 0:<br />

P = F() t + u(t) ⋅A<br />

mit F = Kraft in der Feder<br />

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P/ A = σ= σ '( t) + u(t)<br />

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Bodenmechanik<br />

mit σ‘ = F/A = „effektive“, in der Feder wirkender Spannungsteil (auf die Fläche A verschmierte Feder-<br />

kraft).<br />

Da also bei konstanter Last P eine Umlagerung vom Wasserdruck auf die Feder stattfindet, wird der Wasserdruck<br />

im Laufe der Zeit kleiner, die Kraft in der Feder aber größer. Die Bewegung des Kolbens verläuft<br />

verzögert (Kurve 3 der Abb. 10.9c) und kommt zum Stillstand, wenn die ganze aufgebrachte Last P voll von<br />

der Feder getragen wird. Während in diesem Zustand der Wasserdruck Null ist, hat sich die Feder um den<br />

Betrag ∆ = P/C (oder ∆ = σ/C , wobei C [kN/m 3 ] der sog. Bettungsmodul ist) zusammengedrückt.<br />

10.3.2 Das Mehrkammersystem<br />

Die Abb. 10.10 zeigt das Mehrkammer-Federtopfmodell. An den Standröhrchen kann man den Druck des<br />

Wassers in den einzelnen Kammern ablesen. Wird eine Last P auf das Modell aufgebracht, steigt in allen<br />

Kammern der Wasserdruck im Moment der Lastaufbringung auf u = P/A an.<br />

Abb. 10.10: Federtopfmodell nach Terzaghi, Mehrkammersystem<br />

Aus der obersten Kammer fließt etwas Wasser ab, der Druck fällt dort etwas ab, da die Federn infolge Zusammendrückung<br />

einen Lastanteil tragen. Hierdurch besteht ein Druckunterschied zwischen der obersten<br />

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Bodenmechanik<br />

und der zweiten Kammer, so daß auch in der zweiten Kammer der Vorgang des Abströmens von Wasser<br />

einsetzt usw. In jeder einzelnen Kammer wiederholt sich also der Vorgang, der für das Einkammersystem<br />

beschrieben wurde, wobei ein Gefälle im Wasserdruck von der untersten zur obersten Kammer zu beobachten<br />

ist.<br />

Hinsichtlich der Aufteilung der aufgebrachten Spannung σ in Wasserdruck u und Federspannung σ‘ gilt<br />

wieder: σ = σ‘(t) + u(t). Für eine beliebige Kammer ist diese Gleichung in Abb. 10.11 graphisch dargestellt.<br />

Abb. 10.11: Totale Spannungen (σ), effektive Spannungen (σ‘) und neutrale (Porenwasserdruck-)<br />

Es gilt also: t = 0: σ = 0 + u(t)<br />

Spannungen (u) als Funktion der Konsolidierungszeit<br />

t = ti: σ = σ‘(ti) + u(ti)<br />

t = ∞: σ = σ‘(∞) + 0.<br />

10.3.3 Analogie zum Verhalten eines wassergesättigten, bindigen Bodens<br />

Gemäß nachstehender tabellarischer Gegenüberstellung ist der Federtopf nach Terzaghi ein mechanisches<br />

Modell für den wassergesättigten, bindigen Boden, mit dem das Zeitsetzungsverhalten und Scherfestigkeitsverhalten<br />

des wassergesättigten bindigen Bodens veranschaulicht wird.<br />

Dieses Modell gilt allerdings nur für die Belastung eines bindigen Bodens und nicht für die Entlastung, da<br />

die Deformationen des mechanischen Topfmodelles voll zurückgehen (elastische Federn), nicht aber die des<br />

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Bodenmechanik<br />

bindigen Bodens. Außerdem hat der Federtopf ein lineares Spannungs-Deformationsverhalten, der bindige<br />

Boden aber ein nicht-lineares.<br />

Federtopf-Modell wassergesättigter, bindiger Boden<br />

wassergefüllte Kammern wassergefüllte Bodenporen<br />

Bohrungen in den Kolbenplatten<br />

große Bohrungen<br />

kleine Bohrungen<br />

Durchlässigkeit k des Bodens<br />

große Durchlässigkeit (Sand)<br />

kleine Durchlässigkeit (Ton)<br />

Kräfte in den Federn Kontaktkräfte zwischen den Bodenkörpern<br />

Σ Federkräfte/Querschnittsfläche des Topfes effektive (Korn- zu Korn-) Spannungen σ‘<br />

Federsteifigkeit (= Zusammendrückbarkeit der Federn) Steifemodul Es des Korngerüstes (= Zusammendrückbarkeit<br />

des Korngerüstes)<br />

Druck des Wasser in den Kammern u Porenwasserdruck u<br />

aufgebrachte Spannung σ totale Spannung σ<br />

Hiernach gilt auch für den bindigen Boden (Abb. 10.11):<br />

σ= σ'(<br />

t) + u(t )<br />

σ = insgesamt auf das Bodenelement aufgebrachte Spannung (totale Spannung)<br />

u = Druck des Wassers in den Bodenproben<br />

σ‘= σeff = vom Korngerüst aufgenommene, sog. „effektive“ Spannungen (auch Korn- oder Kontaktspan-<br />

nungen genannt)<br />

σ‘ heißt „effektive Spannung“, da sie<br />

− Scherfestigkeit im Boden durch Reibung bewirkt und<br />

− Setzungen des Bodens durch Zusammendrückung des Korngerüstes hervorruft.<br />

Der beschriebene Vorgang, d. h. die Umlagerung der Gesamtspannung vom Porenwasser auf das Korngerüst<br />

und die dadurch hervorgerufene Zusammendrückung des Bodens (Setzung) wird als Konsolidierung<br />

bezeichnet, da hiermit gleichzeitig eine Erhöhung der Festigkeit des bindigen Bodens einhergeht. Die<br />

Setzung des Bodens verläuft proportional zur Abnahme des Porenwasserdruckes im Porenraum. Die Setzung<br />

verläuft um so weniger zeitlich verzögert, je durchlässiger und je weniger zusammendrückbar der Boden ist.<br />

Die Setzung wird um so länger dauern (und um so größer sein), je höher der Federtopf, d. h. je dicker die<br />

bindige, zusammendrückbare Schicht ist.<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

10.3.4 Das zweite Modellgesetz der Bodenmechanik<br />

Bodenmechanik<br />

Das für eine Laststufe (z. B. bei Steigerung der Last von σ1 auf σ2) erhaltene Zeitsetzungsdiagramm der<br />

Abb. 10.4 wird auf die hierdurch hervorgerufene Endsetzung (s∞ = s2 - s1) bezogen. Hieraus ergibt sich Abb.<br />

10.12, in der mit µ = st/s∞ der sog. „Konsolidierungsgrad“ oder „Verfestigungsgrad“ definiert ist.<br />

Abb. 10.12: Zeitsetzungsdiagramm für die auf st=∞ bezogene Setzung st für eine Laststufe<br />

Zur Übertragung des zeitlichen Verlaufes der Setzung im Labor auf die geometrischen Verhältnisse in der<br />

Natur wird das zweite Modellgesetz der Bodenmechanik herangezogen, das aus der (hier nicht erläuterten)<br />

Konsolidierungstheorie von Terzaghi stammt und die Zeitachse des Laborversuches verzerrt:<br />

Bei gleichem Verfestigungsgrad im Laborversuch (µL = st/s∞) und in der Natur (µN = ST/S∞), d. h. bei µL =<br />

µN gilt:<br />

T t ( D d) n<br />

/ = / .<br />

Hierin bedeuten: T = Setzungszeit in der Natur<br />

t = Setzungszeit der Laborprobe<br />

D = ungünstigster Entwässerungsweg in der Natur (siehe Abb. 10.13)<br />

d = ungünstigster Entwässerungsweg der Laborprobe (siehe Abb. 10.13)<br />

n = 2 bei bindigem Boden<br />

n = 1 bei organischem Boden.<br />

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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik<br />

Mit Hilfe eines im Labor gewonnenen Zeitsetzungsdiagrammes und des 2. Modellgesetzes ist es möglich,<br />

die Setzungsdauer eines Bauwerkes grob abzuschätzen (siehe hierzu LV „Bodenmechanik 2“).<br />

Abb. 10.13: Entwässerungswege im Laborversuch und bei der Großausführung (Natur)<br />

10.4 Schlußbemerkung<br />

Die Abb. 10.14 zeigt in einer Gegenüberstellung das Spannungs-Deformations-Verhalten des „idealen“<br />

Werkstoffes Stahl und des „Werkstoffes“ Boden. Die einzelnen Werkstoffeigenschaften sind in der Darstellung<br />

nur pauschal wiedergegeben.<br />

10.5 Literatur<br />

[1] Simmer : Grundbau, Teil 1. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />

[2] Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. Zweite Auflage. Springer Verlag.<br />

[3] DIN 18135: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Eindimensionaler Kompressionsversuch.<br />

112


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik<br />

Abb. 10.14: Gegenüberstellung der Werkstoffe „Stahl“ und „Boden“ hinsichtlich ihres Spannungs-<br />

Verformungsverhaltens<br />

113


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11 Die Scherfestigkeit des Bodens<br />

11.1 Allgemeines<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Wird ein auf dicht gelagertem Sand gegründetes Fundament von bekannten Abmessungen (Grundrißfläche<br />

a/b, Gründungstiefe t) durch eine zunehmende Last P belastet, wird es bei einer bestimmten „Bruchlast“ im<br />

Boden „versinken“, da der Boden unter dem und seitlich des Fundamentes „zu Bruch geht“ (Grundbruch,<br />

Abb. 11.1).<br />

Die Beobachtung dieses „Bruchvorganges“ im Boden zeigt das Entstehen einer in Abb. 11.1 qualitativ dargestellten<br />

„Scherfuge“, auf der ein mit dem Fundament verbundener, in sich nur gering verformter Bodenbereich<br />

gegenüber dem unterhalb der Scherfuge stehenbleibenden Bodenbereich „scherend“ verschoben wird.<br />

Abb. 11.1: Scherfuge beim Grundbruch<br />

Der scherenden Verschiebung des oberen Bodenbereiches (incl. eingebettetes Fundament) längs der Scher-<br />

fuge wirkt die Scherfestigkeit des Bodens entgegen. Die Größe des Widerstandes des Bodens gegen das<br />

Auftreten des „Grundbruches“ unter dem Fundament („Grundbruchwiderstand“) wird u. a. wesentlich von<br />

der Größe der Scherfestigkeit des Bodens in der Scherfuge abhängig sein. (Der Widerstand eines Stabes<br />

gegen eine Zugbeanspruchung ist von der Zugfestigkeit des Materials und von den Querschnittswerten des<br />

Stabes abhängig.) Daher muß zur Berechnung des Widerstandes des Bodens gegen Grundbruch unter einem<br />

Fundament die Scherfestigkeit des Bodens bekannt sein. Ein Fundament ist gegenüber dem denkbaren Versagen<br />

durch Grundbruch dann (rechnerisch) standsicher, wenn die mit einem Teilsicherheitsbeiwert vergrößerte,<br />

auf das Fundament einwirkende Last noch kleiner ist als der mit einem (anderen) Teilsicherheitsbeiwert<br />

verkleinerte Widerstand des Bodens gegen den Grundbruch (Grundbruchwiderstand).<br />

Weitere Beispiele für ein „Scherbruchversagen“ des Bodens siehe Abb. 11.2.<br />

114


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Abb. 11.2: Beispiele für Scherbruchversagen im Boden<br />

Bodenmechanik 1<br />

Die Scherfestigkeit zwischen zwei Körpern ist entweder eine innere Verklebung der Körper (Kohäsion) oder<br />

eine Reibungsfestigkeit, die entsteht, wenn die Körper durch die Normalspannung σ aufeinander gepreßt<br />

werden. Die Reibungsfestigkeit ist proportional zur Normalkraft (Normalspannung), wobei µ = Reibungs-<br />

beiwert der Proportionalitätsfaktor ist. In der Bodenmechanik wird statt µ der Tangens des Reibungswinkels<br />

ϕ: tan ϕ verwendet.<br />

11.2 Das Rahmenschergerät<br />

Zur Messung der Scherfestigkeit wird eine Bodenprobe unter Einwirkung einer Normalspannung horizontal<br />

bis zum Abscheren belastet. Hierzu dient das Rahmenschergerät (Abb. 11.3).<br />

Abb. 11.3: Rahmenschergerät nach Krey<br />

115


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

11.3 Das Schergesetz für nichtbindigen Boden<br />

11.3.1 Versuchsdurchführung bei rolligem Boden<br />

Bodenmechanik 1<br />

Ein trockener, rolliger Boden wird mit vorgegebener Lagerungsdichte in das Rahmenschergerät eingebaut.<br />

Nach Aufsetzen des Belastungsstempels wird eine Normalkraft N aufgebracht und anschließend die Scherkraft<br />

S langsam gesteigert, wobei die horizontale Verschiebung s und die vertikale Hebung bzw. Senkung<br />

des Laststempels sv gemessen werden (lastgesteuerter Versuch). Der Versuch wird bei gleicher Lagerungsdichte<br />

mit anderen Normalkräften N wiederholt.<br />

11.3.2 Das Scherwegdiagramm des rolligen Bodens<br />

Für jeden Einzelversuch wird die aufgebrachte Schubspannung τ = S/A (A = Querschnittsfläche der Probe)<br />

in Abhängigkeit von der gemessenen Horizontalverschiebung s aufgetragen (Abb. 11.4) (kraftgesteuerter<br />

Versuch). Wird der horizontale Weg eingeprägt (Motor mit Spindeltrieb) und die hierzu erforderliche<br />

Schubkraft S gemessen, spricht man von einem weggesteuerten Versuch. Die Schubspannung τ steigt ge-<br />

mäß Abb. 11.4 bei lockerer Einbau-Lagerungsdichte mit zunehmendem Weg s auf einen Maximalwert τf1 an.<br />

Bei großer Einbau-Lagerungsdichte wird schon bei kleinem Weg ein höherer Wert τf2 erreicht, der dann<br />

wieder abfällt und bei größerem s mit der Scherfestigkeit τf1 des lockeren Bodens nahezu übereinstimmt.<br />

Abb. 11.4: Scher-Weg-Diagramm des Rahmenscherversuches<br />

Aus der Vertikaldeformation der Kopfplatte sv (Abb. 11.4) läßt sich schließen, daß der ursprünglich locker<br />

eingebaute Boden während des Abscherens verdichtet wird und der ursprünglich dicht eingebaute Boden<br />

116


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

nach kleiner Zusatzverdichtung anschließend aufgelockert wird. Entsprechend nimmt beim ursprünglich locker<br />

eingebauten Boden der Porenanteil n während des Schervorganges ab und beim ursprünglich dicht eingebauten<br />

Boden zu. Im Bruchzustand (bei großen Scherwegen) wird sowohl beim ursprünglich dicht als<br />

auch beim locker eingebauten Boden der gleiche Porenanteil erreicht, der als kritischer Porenanteil nkr be-<br />

zeichnet wird. Der kritische Porenanteil nkr ist von der Normalspannung σ abhängig.<br />

11.3.3 Das Schergesetz<br />

Werden die für unterschiedliche Normalspannungen σ = N/A erreichten maximalen Schubspannungen, d. h.<br />

die sog. Scherfestigkeit τf, gegen die Spannung σ aufgetragen, ergibt sich gemäß Abb. 11.5 eine Gerade, so<br />

daß das Scherfestigkeitsgesetz (Schergesetz) für rolligen Boden lautet:<br />

τf = σ⋅tan ϕ.<br />

Der Reibungswinkel ϕ eines rolligen, dicht gelagerten Bodens ist größer als der eines locker gelagerten.<br />

Dies kann auf einen inneren Strukturwiderstand zurückgeführt werden: Weil die einzelnen Bodenkörper bei<br />

dichter Lagerung während des Schervorganges übereinander wegbewegt werden, müssen sie aus ihrer dichten<br />

Lagerung erst „herausgehoben“ werden, was einen erhöhten Scherwiderstand infolge von Dilatanz bedeutet.<br />

Es gibt verschiedene Ansätze, die den Zusammenhang zwischen Reibungswinkel und Lagerungsdichte<br />

des Bodens beschreiben, die hier aber nicht wiedergegeben werden sollen.<br />

Abb. 11.5: Scherfestigkeitsdiagramm für rolligen Boden<br />

117


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11.3.4 Scheinbare Kohäsion bei Sand<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Ein feuchter, rolliger Boden weist beim Scherversuch eine geringe Kohäsion auf. Diese wird durch Wasserhäutchen<br />

(Abb. 11.6) verursacht, die die Sandkörner wie mit einer unter Spannung stehenden Gummihaut<br />

überziehen, da die Wasserhaut unter der Oberflächenspannung<br />

des Wassers steht. Die Oberflächenspannung bewirkt<br />

eine Normalkraft N zwischen den Körnern (Abb. 11.6),<br />

wodurch über die Rauhigkeit der Sandkörner eine Reibung<br />

entsteht. Die scheinbare Kohäsion verschwindet bei Überfluten<br />

oder Austrocknen. Effekte der scheinbaren Kohäsion<br />

sind z. B.: Sandburgen bauen; im feuchten Sand sind<br />

steile Böschungen möglich, die beim Austrocknen oder bei<br />

Abb. 11.6: Erklärung der scheinbaren Kohäsion bei<br />

Wassersättigung einstürzen.<br />

Sand<br />

11.4 Schergesetz bei bindigem Boden<br />

11.4.1 Vorbemerkung<br />

Die Ausführungen des Kap. 11.4 gelten unter der Voraussetzung, daß beim Abscheren der Bodenprobe kein<br />

Porenwasserüberdruck oder -unterdruck vorhanden ist bzw. durch den Abschervorgang entsteht. Letztgenannte<br />

Voraussetzung hat zur Folge, daß das Abscheren bei wassergesättigtem, bindigen Boden langsam erfolgen<br />

muß.<br />

11.4.2 Die Kohäsion<br />

Bei bindigem Boden wirkt neben der Reibung zusätzlich eine Kohäsion. Unter Kohäsion ist formal zunächst<br />

die Scherfestigkeit des Bodens bei der Normalspannung σ = 0 zu verstehen. Die Scherfestigkeit aus Kohäsi-<br />

on kann bei bindigen Böden größer sein als die Reibungsfestigkeit. Die Kohäsion kann wie eine „innere<br />

Klebekraft“ zwischen den Bodenteilchen gedeutet werden.<br />

Die Kohäsion beruht auf der Wirkung von (elektrostatischen) Oberflächenkräften der sehr feinen Tonbestandteile,<br />

die mit einer Wasserhülle umgeben sind. Im Grunde haften über diese Oberflächenkräfte die einzelnen<br />

Bodenteilchen um so mehr aneinander (Adhäsion), je kleiner der Abstand der Tonminerale ist. Die<br />

Adhäsionskräfte machen sich für das Bodenelement als eine Kohäsion bemerkbar.<br />

118


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Die historisch älteste Formulierung eines Schergesetzes für bindigen Boden stammt von COULOMB:<br />

τ = c + σ⋅tan ϕ,<br />

f<br />

worin c eine Konstante - die sog. Kohäsion - ist.<br />

Nun ist aber die Kohäsion vor allem vom Wassergehalt w eines bindigen Bodens abhängig. In der breiigen<br />

Zustandsform befindet sich zwischen den Tonteilchen so viel Wasser, daß die Oberflächenkräfte im baupraktischen<br />

Sinn vernachlässigbar klein sind, d. h. c = 0. Durch Aufbringen von Belastung und Konsolidieren<br />

des Bodens wird der Wassergehalt kleiner, der Abstand der Tonteilchen verringert sich, so daß die Ko-<br />

häsion anwächst. Wird mit σv die konsolidierte Normalspannung bezeichnet, kann ein linearer Zusammen-<br />

hang zwischen σv und c festgestellt werden, der durch die Beziehung<br />

c = σ ϕ<br />

v ⋅ tan<br />

c<br />

wiedergegeben wird (Abb. 11.7), worin tan ϕc eine bodenabhängige Proportionalitätskonstante ist. Da der<br />

Boden bei Entlastung (fast) kein Wasser aufnimmt (siehe Entlastungsast des Drucksetzungsversuches) bleibt<br />

die Kohäsion nach Belastung und Konsolidierung mit σv bei Entlastung (fast) konstant (Abb. 11.7).<br />

Abb. 11.7: Kohäsion als Funktion der (konsolidierten) Normalspannung<br />

Erst wenn durch erneute Belastung die Größe von σv überschritten wird und der Boden unter diesen größe-<br />

ren Spannungen konsolidiert ist, steigt die Kohäsion weiter an. Die Vorbelastung σv im Sinne des Scherge-<br />

setzes ist also die höchste Normalspannung, die den betrachteten Boden bis zu seiner Konsolidierung belastet<br />

hat. Der Boden darf danach nicht wieder gestört worden sein (im Sinne von Durchkneten, weil da-<br />

119


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und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

durch die Kohäsion verloren geht). Das so erweiterte, vollständige Schergesetz (von Krey-Tiedemann) lautet<br />

also:<br />

τ = σ ⋅ tanϕ + σ⋅tan ϕ.<br />

f v c<br />

11.4.3 Der normalkonsolidierte Versuch<br />

Ein Scherversuch im Rahmenschergerät mit einer gestörten, bis zum breiigen Zustand aufbereiteten, bindigen<br />

Bodenprobe besteht aus zwei Versuchsabschnitten:<br />

• Aufbringen einer Normalspannung σv, unter der die Bodenprobe konsolidieren kann;<br />

• Aufbringen der Scherkraft T bei konstanter Normalspannung σ, die sich aber von der Spannung σv des<br />

ersten Versuchsabschnittes unterscheiden kann.<br />

Der Versuchsablauf für den sog. normalkonsolidierten Versuch, bei dem die Normalspannung in beiden<br />

Versuchsabschnitten gleich ist (σ = σv), gestaltet sich wie folgt:<br />

Eine völlig durchgearbeitete, bindige Bodenprobe von breiiger Konsistenz (c = 0) wird in das<br />

Rahmenschergerät eingebaut und mit σ1 belastet. Nach der Konsolidation unter der Spannung σ1 beträgt σv<br />

= σ1 (Konsolidierungsphase). Wird anschließend unter Beibehaltung von σ1 die Scherbeanspruchung<br />

(Abscherphase) aufgebracht und langsam abgeschert (es soll dabei kein Porenwasserüberdruck oder -<br />

unterdruck in der Probe entstehen), wird eine Scherfestigkeit gemessen von<br />

( )<br />

τ = σ ⋅ tanϕ + σ ⋅ tanϕ= σ ⋅ tanϕ + tanϕ = σ ⋅tan<br />

ϕ .<br />

f1 1 c 1 1 c 1 g<br />

Beim zweiten Versuch (und auch den folgenden) wird wieder die zunächst breiig aufbereitete Bodenprobe<br />

(c = 0) in das Rahmenschergerät eingebaut, mit σ2 (σ3, σ4 usw.) belastet und der Versuch wie bei der Belas-<br />

tung mit σ1, d. h. unter Aufrechterhaltung von σ2 (σ3, σ4 usw.) bis zur Konsolidierung und während des Ab-<br />

scherens, durchgeführt. Es gilt also:<br />

( )<br />

τ = σ ⋅ tanϕ + σ ⋅ tanϕ= σ ⋅ tanϕ + tan ϕ<br />

f2 2 c 2 2 c<br />

oder allgemein<br />

( )<br />

τ = σ⋅ tanϕ + tanϕ = σ⋅tan ϕ .<br />

f c g<br />

120


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Bodenmechanik 1<br />

ϕg ist der Winkel der Gesamtscherfestigkeit (siehe Abb. 11.8). Dieses ist ein sog. normalkonsolidierter Ver-<br />

such, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Normalspannung σ während des Abscherens gleich der (die<br />

Kohäsion bewirkenden) Vorbelastung σv während der Konsolidierungsphase ist.<br />

Man mißt hierbei den Winkel der sog. Gesamtscherfestigkeit ϕg, für den gilt<br />

tanϕ = tanϕ + tan ϕ.<br />

g c<br />

Abb. 11.8: Scherfestigkeitsdiagramm für einen normalkonsolidierten Versuch mit bindigem Boden<br />

11.4.4 Der überkonsolidierte Scherversuch<br />

Der Versuchsablauf im sog. überkonsolidierten Versuch, bei dem die Spannung σ während des Abscherens<br />

(2. Versuchsphase) kleiner ist als die Konsolidierungsspannung σv (1. Versuchsphase), gestaltet sich wie<br />

folgt:<br />

Eine bindige Bodenprobe mit breiiger Konsistenz wird in das Rahmenschergerät eingebaut und mit σv be-<br />

lastet. Nach der Konsolidation unter dieser Last hat die Probe eine Kohäsion von c = σv . tan ϕc. Die Auf-<br />

lastspannung wird dann auf σ1 vermindert und nach dem Ausgleich eines Porenwasserunterdruckes unter σ1<br />

so langsam abgeschert, daß keine Änderung des Porenwasserdruckes eintritt. Die gemessene Scherfestigkeit<br />

beträgt:<br />

τ = σ ⋅ tanϕ + σ ⋅ tanϕ = + σ ⋅tan<br />

ϕ.<br />

f1 v c 1 c 1<br />

Die Scherfestigkeit aus Reibung ( σ ⋅ tan ϕ)<br />

1 wird nur von der aktuellen, während des Abscherens vorhandenen<br />

Normalspannung bewirkt. Der Versuch wird in gleicher Weise mit einer ursprünglich breiigen Probe<br />

121


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

wiederholt, wobei sie unter der gleichen Vorbelastung σv konsolidiert, aber vor dem Abscheren auf σ2 ent-<br />

lastet wird; hierdurch hat die Probe die gleiche Kohäsion c = σv . tan ϕc und die Scherfestigkeit:<br />

τ = σ ⋅ ϕ + σ ⋅ tan ϕ = c + σ ⋅ tan ϕ .<br />

f 2<br />

v<br />

tan c 2<br />

2<br />

Durch weitere Versuche mit den Spannungen σ3 und σ4 beim Abscheren erhält man das Scherfestigkeitsdia-<br />

gramm der Abb. 11.9. Mit einem überkonsolidierten Scherversuch können die Scherparameter ϕ und c ge-<br />

trennt ermittelt werden. Ebenso gilt:<br />

c = σ ϕ ,<br />

v ⋅ tan<br />

c<br />

so daß mit c und bekanntem σv auch tan ϕc berechnet werden kann.<br />

Der überkonsolidierte Versuch ist also dadurch gekennzeichnet, daß die Normalspannung beim Abscheren<br />

immer kleiner ist als die Spannung σv, unter der die Probe konsolidiert ist und eine Kohäsion gewonnen hat.<br />

An der Stelle σ = σv geht der überkonsolidierte in den normalkonsolidierten Versuch über (siehe Abb. 11.9).<br />

Auf der σ-Achse des Normalspannungs-Scherfestigkeitsdiagrammes werden die Normalspannungen der Ab-<br />

scherphase (und nicht die der Konsolidierungsphase) des Versuches aufgetragen.<br />

Abb. 11.9: Scherfestigkeitsdiagramm für einen überkonsolidierten Versuch mit bindigem Boden<br />

122


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

11.4.5 Scherwegdiagramm bindiger Böden<br />

Bodenmechanik 1<br />

Vorbelastete, bindige Böden haben ein Scher-Weg-Diagramm ähnlich dem von dichtgelagerten, rolligen<br />

Böden. Weiche, bindige Böden entsprechen in ihrem Scher-Weg-Diagramm eher lockeren, rolligen Böden.<br />

11.5 Einsatzbereich des Rahmenschergerätes<br />

Im Rahmenschergerät können praktisch nur gestörte Bodenproben untersucht werden (keine ungestörte Proben).<br />

Das Rahmenschergerät ist gut geeignet zur Bestimmung der Scherfestigkeit rolliger Böden. Das<br />

Verhältnis von Einzelkorndurchmesser zu Probenhöhe soll kleiner als 1/10 sein, d. h. bei einer<br />

Probenhöhe ca. 2 cm beträgt der maximale Korndurchmesser des zu untersuchenden Bodens 2 mm. Zur<br />

Untersuchung der Scherfestigkeit von Kiesen sind normale Rahmenschergeräte wegen der Korngröße nicht<br />

mehr geeignet. Hierfür gibt es Großrahmenschergeräte, bei denen die Rahmenabmessungen 30 cm x 30<br />

cm oder sogar 50 cm x 50 cm betragen.<br />

Im Rahmenschergerät wird eine Scherfuge erzwungen. Im Dreiaxialgerät (siehe Kap. 12) kann sich diese<br />

dagegen (mehr oder weniger) frei ausbilden. Die Spannungen in der Probe des Rahmenschergerätes sind<br />

nicht gleichmäßig verteilt, da die Scherkraft S nicht nur über die gezahnten Filterplatten, sondern auch über<br />

die Rückwand des Rahmens eingeleitet wird. Es ist nicht möglich, undränierte Versuche zu fahren oder auch<br />

einen über die Probenhöhe konstanten Porenwasserdruck zu erhalten. Ferner ist die Messung des Porenwasserdruckes<br />

problematisch, d.h. der Rahmenscherversuch ist vor allem für dränierte, langsam abgescherte<br />

Versuche mit gestört eingebauten, rolligen und auch gestört eingebauten, bindigen Böden (dann mit besonders<br />

geringen Abschergeschwindigkeiten) geeignet.<br />

11.6 Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit<br />

In der E-DIN 1054 (November 2000) sind im Anhang Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit angegeben.<br />

Der Index k deutet an, daß es sich um charakteristische Werte handelt. Die Tabellen werden in den Abb.<br />

11.10 und 11.11 wiedergegeben, um hieraus eine gewisse Vorstellung der Größe von Reibungswinkel und<br />

Kohäsion zu erhalten. Für konkrete Bauwerks-/Baugrundverhältnisse sind die Scherfestigkeitskennwerte für<br />

die erforderlichen Standsicherheitsnachweise durch einen Sachverständigen für Geotechnik festzulegen.<br />

123


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 11.10: Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit nichtbindiger Böden (Quelle [4])<br />

Abb. 11.11: Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit bindiger Böden (Quelle [4])<br />

124


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Wuppertal<br />

11.7 Literatur<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

[1] DIN 18137: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Scherfestigkeit.<br />

Teil 1: Begriffe und grundsätzliche Versuchsbedingungen.<br />

[2] Simmer: Grundbau, Teil 1. Teubner Verlag, Stuttgart.<br />

[3] Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. 2. Auflage. Springer Verlag.<br />

[4] E DIN 1054: Sicherheitsnachweis im Erd- und Grundbau.<br />

[5] DIN 18137: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Scherfestigkeit.<br />

Teil 3: Direkter Scherversuch.<br />

125


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

12 Dreiaxiale Versuchstechnik<br />

12.1 Allgemeines<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Zum Verständnis des Triaxial- oder Dreiaxial-Versuches - insbesondere der unentwässerten Versuche - sind<br />

folgende Kenntnisse erforderlich:<br />

• der Mohrsche Spannungskreis und seine Verbindung mit dem Coulombschen Schergesetz<br />

τf = c + σ . tan ϕ,<br />

• das Verhalten wassergesättigten, bindigen Bodens hinsichtlich der totalen, effektiven und neutralen<br />

Spannungen (siehe Kap. 10.3) und deren Rückwirkung auf die Scherfestigkeit,<br />

• praktische Auswirkungen des vorgenannten Zusammenhanges für Standsicherheitsuntersuchungen,<br />

• Aufbau des Dreiaxialgerätes und Versuchstypen.<br />

12.2 Der Mohrsche Spannungskreis<br />

12.2.1 Herleitung der Gleichungen<br />

Die Herleitung des Mohrschen Spannungskreises für einen Nebenspannungszustand und die hierfür geltenden<br />

Regeln zum Zeichnen des Spannungskreises sind im Anhang zu finden. Nachfolgend wird ein<br />

Hauptspannungszustand betrachtet, da dieser für den Dreiaxialversuch maßgebend ist.<br />

Betrachtet wird ein Bodenelement, das durch die Hauptspannung σ1 und σ3 (siehe Abb. 12.1) beansprucht<br />

wird (ebener Spannungszustand). Gesucht sind die Spannungen σ und τ auf einer Fläche, die unter dem<br />

Winkel α das Element schneidet.<br />

Σ Kräfte in Richtung von τ:<br />

τ ⋅ / cos α = σ ⋅ cos α ⋅ dz ⋅ tan α − σ ⋅ dz ⋅ sin α<br />

dz 1<br />

3<br />

( σ − σ ) ⋅ sin α ⋅ α<br />

τ =<br />

cos<br />

1<br />

σ1<br />

− σ3<br />

τ = ⋅ sin 2α<br />

2<br />

3<br />

(1)<br />

126


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Wuppertal<br />

Σ Kräfte in Richtung von σ:<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

σ ⋅ / cos α = σ ⋅ dz ⋅ tan α ⋅ sin α + σ ⋅ dz ⋅ cos α<br />

dz 1<br />

3<br />

σ = σ<br />

1<br />

⋅ sin<br />

2<br />

α + σ<br />

3<br />

⋅ cos<br />

σ1<br />

+ σ3<br />

σ1<br />

− σ3<br />

σ = − ⋅ cos 2α<br />

2 2<br />

2<br />

α<br />

Abb. 12.1: Element und Spannungen<br />

12.2.2 Graphische Lösung mit Hilfe des Mohrschen Kreises<br />

Bodenmechanik 1<br />

Aus den Gleichungen (1) und (2) wird der Winkel α dadurch eliminiert, daß beide Gleichungen für sich<br />

quadriert und anschließend addiert werden:<br />

τ<br />

2<br />

⎛ σ1<br />

− σ<br />

= ⎜<br />

⎝ 2<br />

⎛ σ1<br />

+ σ<br />

⎜σ<br />

−<br />

⎝ 2<br />

3<br />

3<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

⋅<br />

( ) 2<br />

sin 2α<br />

⎛ σ1<br />

− σ<br />

= ⎜<br />

⎝ 2<br />

3<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

⋅<br />

( ) 2<br />

cos 2α<br />

(2)<br />

127


→<br />

Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

⎛ σ1<br />

+ σ<br />

⎜σ<br />

−<br />

⎝ 2<br />

3<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

+ τ<br />

2<br />

⎛ σ1<br />

− σ<br />

= ⎜<br />

⎝ 2<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Dies ist die Gleichung eines Kreises, dessen Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt:<br />

( σ σ ) ( τ τ )<br />

σ<br />

2 2<br />

2<br />

M M R<br />

− + − =<br />

M<br />

σ<br />

=<br />

1<br />

+ σ<br />

2<br />

3<br />

;<br />

τ<br />

M<br />

=<br />

0;<br />

σ<br />

R =<br />

1<br />

3<br />

2<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

− σ<br />

3<br />

.<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 12.2: Mohrscher Spannungskreis für die Hauptspannungen σ1 und σ3<br />

Regeln für das Zeichen des Mohrschen Kreises:<br />

a) Die auf eine Fläche des Elementes wirkende Normal- und Schubspannung (z. B. σx und τxz oder σ und τ<br />

oder σz und τzx oder σ1 und τ1 = 0 bzw. σ3 und τ3 = 0) bilden gemeinsam einen Punkt des Spannungskrei-<br />

ses (Abb. 12.2).<br />

b) Normalspannungen werden als Druckspannungen nach rechts positiv gezeichnet.<br />

128


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

c) Die am Element (Drehachse in der Mitte, senkrecht zur Zeichenebene) gegen den Uhrzeigersinn (links<br />

herum) drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach oben aufgetragen. Die am Element<br />

nach rechts drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach unten aufgetragen. (Nicht zu<br />

verwechseln mit der Vorzeichendefinition der Schubspannungen.) Die Einhaltung der obigen Regelung<br />

ist wichtig für die nachfolgende Polkonstruktion.<br />

d) Mit der Kenntnis, daß der Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt, läßt sich der Spannungskreis aus zwei be-<br />

kannten Punkten (z. B. σ1/0 und σ3/0, σx/τxz und σz/τzx) zeichnen (Abb. 12.2).<br />

e) Zeichnet man durch einen beliebigen bekannten Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B.<br />

σ1/0 oder allgemein σx/τxz) eine Gerade parallel zu der Richtung der Fläche auf der σ und τ wirken, er-<br />

hält man im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Flächenpol (FP).<br />

f) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B. σ1/0 oder all-<br />

gemein σx, τxz) eine Gerade parallel zur Richtung der Normalspannung σ (z. B. parallel zu σ1), erhält<br />

man im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Spannungspol (SP).<br />

Ist der Mohrsche Spannungskreis aus den bekannten Spannungspunkten σ1/0 bzw. σx/τxz und σ3/0 bzw. σz/τzx<br />

gezeichnet und der Flächenpol FP konstruiert, zieht man durch den Flächenpol eine Gerade parallel zu der<br />

das Element unter dem Winkel α schneidenden Fläche und findet im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem<br />

Kreis den gesuchten Spannungspunkt σ/τ (siehe Abb. 12.2).<br />

12.2.3 Der Mohrsche Spannungskreis und das Schergesetz<br />

Zu unterscheiden sind:<br />

a) Diagramm zur Darstellung der Normal- und Schubspannungen in einem Element (Mohrscher Span-<br />

nungskreis) (τ-σ-Koordinaten) (Abb. 12.3a). Der Spannungskreis stellt die Beanspruchung eines Boden-<br />

elementes durch Normal- und Schubspannungen dar.<br />

b) Diagramm zur Darstellung der Abhängigkeit von Scherfestigkeit und Normalspannung: Coulombsches<br />

Schergesetz (Abb. 12.3b; τf-σ-Koordinaten)<br />

τ = c + σ⋅tan ϕ<br />

f<br />

129


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Werden beide Diagramme ineinander gezeichnet (Abb. 12.3c), kann leicht beurteilt werden, ob auf irgendeiner<br />

Fläche durch das Element die auftretenden Schubspannungen (Beanspruchung) größer, kleiner oder<br />

gleich der vorhandenen Scherfestigkeit sind:<br />

• Die Schubspannungen auf allen Schnittflächen durch das Element sind kleiner als die Scherfestigkeit:<br />

Der Schubspannungskreis liegt unterhalb der Scherfestigkeitsgeraden (Kreis A, Abb. 12.3c).<br />

• Die Schubspannung auf einer Fläche im Element ist gerade gleich der Scherfestigkeit: Der Spannungskreis<br />

berührt die Scherfestigkeitsgeraden: Grenzspannungszustand (Kreis B in Abb. 12.3c).<br />

• Die Schubspannungen auf mehreren Schnittflächen sind größer als die Scherfestigkeit: Der<br />

Spannungszustand ist nicht mit der Materialfestigkeit (Scherfestigkeit des Bodens) verträglich (Kreis C<br />

in Abb. 12.3c) und daher nicht möglich.<br />

Abb. 12.3: Mohrscher Spannungskreis und Schergesetz<br />

a) Mohrscher Spannungskreis aus Hauptspannungen<br />

b) Graphische Darstellung des Coulombschen Schergesetzes<br />

c) Spannungszustand im Vergleich zur Scherfestigkeit<br />

130


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

12.2.4 Die Mohr-Coulombsche Fließbedingung<br />

Bodenmechanik 1<br />

Wird gemäß Abb. 12.4 die Spannung σ3 (Hauptspannung) von einem Ausgangswert (Kreis A) verkleinert,<br />

bläht sich der Kreis nach links auf, bis er die Scherfestigkeitsgeraden tangiert (Kreis C). Bei diesem „Grenzspannungszustand“<br />

wird gerade auf einer Flächenrichtung die Schubspannung genau so groß wie die Scherfestigkeit.<br />

Abb. 12.4: Mohrscher Spannungskreis im Grenzspannungszustand<br />

• Aus der Abb. 12.4 läßt sich die Bedingung für diesen Grenzspannungszustand (Mohr-Coulombsche<br />

Fließbedingung) ablesen:<br />

f f f f<br />

σ1 − σ ⎡<br />

3 σ1 + σ ⎤ 3<br />

= sin ϕ⋅ + σc<br />

2<br />

⎢<br />

⎣ 2<br />

⎥<br />

⎦<br />

σ = c ⋅cot<br />

ϕ<br />

c<br />

131


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Wuppertal<br />

Index f = failure = Versagen<br />

Hieraus durch Auflösen nach σ f 3:<br />

σ<br />

f<br />

3<br />

= σ<br />

f<br />

1<br />

1−<br />

sin ϕ cos ϕ<br />

⋅ − 2⋅<br />

c⋅<br />

.<br />

1+<br />

sin ϕ 1+<br />

sin ϕ<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Nach Anwendung von Additionstheoremen ergibt sich hieraus:<br />

o<br />

o<br />

( 45 − ϕ / 2)<br />

− 2 ⋅ c ⋅ tan(<br />

45 − ϕ / 2)<br />

Bodenmechanik 1<br />

f f 2<br />

σ = σ ⋅ tan<br />

(4a)<br />

3<br />

1<br />

oder mit tan 2 (45 o - ϕ/2) = Ka (Ka für α = β = δ = 0)<br />

σ = σ ⋅ K − 2 ⋅ c ⋅ K<br />

(4b).<br />

f<br />

3<br />

f<br />

1<br />

a<br />

a<br />

Ist der Spannungszustand durch die „Nebenspannungen“ σx, σz und τzx gegeben, lautet die Mohrsche<br />

Fließbedingung:<br />

z x<br />

z x<br />

( c cot ϕ)<br />

+ ⋅ sin ϕ = ⎜ ⎟ + τ zx<br />

2<br />

σ + σ ⎛ σ − σ ⎞<br />

⋅ (4c)<br />

2<br />

⎝ 2 ⎠<br />

• Die Richtung der Fläche auf der τ = τf wird, läßt sich in Abb. 12.4 wie folgt konstruieren:<br />

− Aufsuchen des Flächenpols (hier mit σ3 zusammenfallend);<br />

− Verbinden von Flächenpol mit den Tangentenpunkten von Spannungskreis C mit der Scherfestigkeitsgeraden.<br />

• Ist die Fließbedingung erfüllt, findet in Richtung der Gleitflächen ein Abschervorgang statt. Denkt man<br />

sich gemäß Abb. 12.5 durch das Element mehrere Schnitte parallel zur Gleitflächenrichtung α - α gelegt<br />

und findet auf jeder dieser Flächen eine gleiche Scherdeformation statt, so erhält das Element nach Abschluß<br />

der Scherdeformation die Gestalt der Abb. 12.5a.<br />

Findet der gleiche Vorgang parallel zur Richtung β - β statt, kommt das Element in die Gestalt der Abb.<br />

12.5b.<br />

Finden beide Scherdeformationen gleichzeitig statt, wird das Element gemäß Abb. 12.5c „plastisch<br />

breitgedrückt“. (In Abb. 12.5c ist das Ergebnis beider Scherdeformationen vektoriell aufaddiert worden.)<br />

132


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 12.5: Deformation eines ursprünglich quadratischen Elementes infolge plastischen Fließens, wenn Volumenkonstanz<br />

vorausgesetzt wird<br />

133


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

• Satz: Befindet sich ein Bodenelement im „Fließzustand“ (Zustand des plastischen Fließens), so<br />

− tangiert der Spannungskreis, der den Spannungszustand dieses Elementes beschreibt, die Scherfestigkeitsgeraden.<br />

Dieser Zustand wird mathematisch durch die sog. Mohr-Coulombsche Fließbedingung<br />

(Gleichungen 4a, 4b oder 4c) beschrieben.<br />

− wird das Element „plastisch deformiert“, wobei sein Volumen unverändert bleibt, sofern vorausgesetzt<br />

wird, daß durch den Schervorgang selbst keine Volumenveränderung (Dilatation oder Kompression)<br />

des Bodens eintritt. Letztere Voraussetzung ist im allgemeinen nicht erfüllt, da sich ein dicht<br />

gelagerter Boden beim Schervorgang auflockert und ein lockerer Boden verdichtet.<br />

12.3 Auswirkung des Konsolidierungsverhaltens eines bindigen Bodens auf seine<br />

Scherfestigkeit<br />

Das Konsolidierungsverhalten eines wassergesättigten, bindigen Bodens wurde in Kap. 10.3 anhand des<br />

grobmechanischen Modells von Terzaghi beschrieben. Da nur effektive Spannungen σ‘ (Kornspannungen)<br />

Scherfestigkeit infolge Reibung bewirken können, muß das Schergesetz von Krey-Tiedemann (Kap. 11.4.2)<br />

genauer geschrieben werden als:<br />

τ = σ ⋅ ϕ + σ'<br />

⋅ tan ϕ = c + σ'<br />

⋅ tan ϕ<br />

f<br />

v<br />

tan c<br />

σv = Vorbelastung: maximale, im Verlauf der Belastungsgeschichte konsolidierte Spannungen; da-<br />

nach darf die Probe nicht wieder gestört worden sein<br />

σ‘ = effektive Spannung<br />

ϕ = Reibungswinkel des Bodens<br />

tanϕc = Proportionalitätsfaktor für die Kohäsion.<br />

Im mechanischen Topfmodell des Mehrkammersystems kann hinsichtlich der Kohäsion noch folgende<br />

Analogie aufgebaut werden: Je kleiner der Abstand der Kolbenplatten untereinander ist, um so größer ist die<br />

Kohäsion (je stärker der Boden zusammengedrückt ist, um so größer ist die Kohäsion). Da die Kohäsion bei<br />

Entlastung erhalten bleibt (und nur bei einer Störung infolge Durchknetens verschwindet) wird deutlich, daß<br />

das Federtopf-Modell für die Entlastung nicht funktioniert, da die Federn unter Ansaugen von Wasser die<br />

Kolbenplatte in die ursprüngliche Lage zurückdrücken werden.<br />

134


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Wird ein völlig gestörter (c = 0) wassergesättigter, bindiger Boden zum Zeitpunkt t = 0 plötzlich mit einer<br />

Spannung σ1 belastet, so gilt mit<br />

σ = σ'<br />

+ u bei<br />

1<br />

t = 0: σv = 0 σ‘ = 0 τf = 0<br />

Im Laufe der Konsolidierungszeit wächst σv auf σ1 und auch σ‘ auf σ1 an:<br />

( ) ( )<br />

τ = σ ⋅ tanϕ+ σ ⋅ tanϕ= σ ⋅ tanϕ + tan ϕ =∞<br />

f 1 1 1 c t<br />

(normalkonsolidierter Boden bzw. normalkonsolidierter Versuch siehe Kap. 11.4.3)<br />

Werden in diesem Zustand beim Topfmodell die Bohrungen in der obersten Kolbenplatte verschlossen und<br />

eine zusätzliche Spannung ∆σ aufgebracht, kann sich weder der Kohäsionsanteil noch der Reibungsanteil<br />

erhöhen, da ein Abfließen von Porenwasser nicht auftreten kann. Bei einem derart „geschlossenen“ System<br />

bleibt also die Scherfestigkeit unabhängig von der Größe der aufgebrachten Spannung ∆σ konstant. Die<br />

Scherfestigkeitsgerade verläuft parallel zur σ-Achse (Abb. 12.6).<br />

Abb. 12.6: Scherfestigkeitsgerade beim geschlossenen System für volle und für teilweise Wassersättigung<br />

Da sich der Boden im geschlossenen System wie ein Stoff mit c ≠ 0 und ϕ = 0 verhält - real aber Kohäsion<br />

und Reibung an der Scherfestigkeit beteiligt sind - nennt man diese Kohäsion „scheinbar“ und bezeichnet sie<br />

mit cu (bei ϕu = 0). Der Wert cu wird als „Scherfestigkeit“ (Kohäsion) des undränierten Bodens bezeichnet.<br />

Der Wert cu kann in wassergesättigten, bindigen Böden mit einer Flügelsondierung (siehe Kap. 8.5) bestimmt<br />

werden..<br />

135


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Ist der Boden nicht wassergesättigt, können sich – auch beim geschlossenen System – die Luftporen infolge<br />

der aufgebrachten Spannung etwas zusammendrücken, d. h. das Volumen wird etwas kleiner, die Kohäsion<br />

und die Reibungsfestigkeit steigen an (cu bei ϕu > 0). Je größer ∆σ, um so mehr geht das geschlossene Sys-<br />

tem zur vollen Sättigung über (da die Luftporen immer mehr zusammengedrückt werden), weswegen die<br />

Scherfestigkeitskurve gekrümmt in Richtung auf eine horizontale Asymptote verläuft (Abb. 12.6).<br />

Bei einem offenen System konsolidiert der Boden nach Aufbringen einer Belastung ∆σ, so daß sowohl Ko-<br />

häsion als auch Reibungsfestigkeit ansteigen.<br />

12.4 Beispiel für die Anwendung des ϕu = 0, cu-Falles<br />

Wird gemäß Abb. 12.7 ein Tank oder ein Silo auf einem wassergesättigten, bindigen Boden errichtet, ergibt<br />

sich folgende Situation:<br />

Abb. 12.7: Beispiel für den ϕu = 0, cu-Fall<br />

• das Element A ist unter der Spannung σ1 aus dem überlagernden Boden konsolidiert:<br />

τ<br />

f<br />

= σ<br />

1<br />

⋅ tan ϕ + σ ⋅ tan ϕ ≈ c<br />

c<br />

1<br />

u<br />

136


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

• die Last aus dem leeren Bauwerk (Tank incl. Gründung) sei für das Element A unbedeutend, da das<br />

Bauwerksgewicht gering ist;<br />

• die Füllung des Tanks bedeutet für das Element A eine „schnelle“ Lastaufbringung, wobei „schnell“ das<br />

Verhältnis zwischen der Zeitdauer der Lastaufbringung und der Zeit zur Konsolidierung (abhängig von<br />

der Länge des Entwässerungsweges für das Element, siehe Kap. 10.3.4) zum Ausdruck bringen soll;<br />

• weil also die Lastaufbringung (im Vergleich zur Konsolidierungszeit) „schlagartig“ erfolgt, gewinnt das<br />

Element A aus der neuen Belastung infolge Tankfüllung keine Scherfestigkeit - das Element verhält sich<br />

also wie ein Stoff mit konstanter Scherfestigkeit (cu ≠ 0; aber ϕu = 0); aber es wird von abscherenden<br />

Schubspannungen aus der Tankfüllung beansprucht;<br />

− der Nachweis der Sicherheit gegen das Auftreten eines Grundbruches wird für den schnell gefüllten Tank<br />

für den (ungünstigen) Anfangszustand mit den Scherparametern ϕu = 0 und cu ≈ τf1 > 0 geführt; außerdem<br />

ist auch der Endzustand nach Abschluß der Konsolidierung unter der Gesamtlast zu betrachten;<br />

• zur Ermittlung von cu dient der nachfolgend erläuterte Dreiaxialversuch;<br />

• cu kann auch im Feld mit der sog. Drehflügelsonde bestimmt werden.<br />

12.5 Der Dreiaxialversuch<br />

12.5.1 Versuchsgerät<br />

Nach DIN 18137 - Teil 2 [1] ist „der Dreiaxialversuch ein zylinder- und axialsymmetrischer Druckversuch<br />

an homogenen kreiszylinderischen Probekörpern. Im Regelfall ist die axiale Hauptspannung σ1 auch be-<br />

tragsmäßig größere Hauptspannung und die radialen Hauptspannungen σ2 und σ3 sind gleich“.<br />

Das Kernstück eines Dreiaxialgerätes ist die Druckzelle (Abb. 12.8):<br />

Die zylindrische Bodenprobe ist mit einer Gummihülle umgeben, die einerseits den Zelldruck (σ2 = σ3) auf<br />

die Probe überträgt und andererseits einen wasserdichten Abschluß der Bodenprobe gewährleistet. Die Probe<br />

befindet sich in einer Zelle, deren Wandung meist aus Plexiglas, deren Boden und Deckel dagegen aus<br />

Stahl gefertigt sind. Die Zellflüssigkeit (meist Wasser) kann über die Zuleitung (13) oder über einen beson-<br />

deren Druckluftanschluß unter Druck (σ2 = σ3) gesetzt werden. Die Kopffläche der Probe wird durch einen<br />

137


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Belastungsstempel abgeschlossen. Da dieser Stempel voll in der Zelle liegt, wirkt der Zelldruck bei der in<br />

der Abb. 12.8 dargestellten Ausführung auch vertikal auf die Probe.<br />

Abb. 12.8: Schema einer dreiaxialen Druckzelle (Quelle [1])<br />

Die untere Probenfläche liegt auf einem Filterstein, der an die Entwässerungsleitung (14) (Abb. 12.8) angeschlossen<br />

ist. Ist der Hahn (15) an der Entwässerungsleitung während des Versuches geschlossen, befindet<br />

sich die Probe in einem geschlossenen System, d. h. es kann während des Versuches kein Porenwasser aus<br />

der Probe austreten (unentwässertes, undräniertes System).<br />

Über den Stempel (2) (Abb. 12.8) wird während der zweiten Versuchsphase (siehe 12.5.2) eine zusätzliche<br />

vertikale Last aufgebracht.<br />

Zum Versuchsgerät gehören ferner diverse Meßgeräte (Weg- und Kraftmessung; Messung des Porenwasserdrucks<br />

bzw. der Menge des ausgepreßten Porenwasser usw.) und die Einrichtungen zur Erzeugung des Zelldruckes<br />

und der Vertikallast. Näheres hierzu siehe [1] und Spezialliteratur.<br />

138


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

12.5.2 Versuchsphasen<br />

Der Dreiaxialversuch hat zwei Versuchsphasen:<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

• Konsolidierungsphase: Die Probe wird einem Zelldruck (σ2 = σ3 = σ1) ausgesetzt und kann bei offenem<br />

Hahn (15) konsolidieren. Bei dem sog. UU-Versuch (siehe Kap. 12.5.3) werden ungestörte Proben verwendet,<br />

so daß die Konsolidierungsphase entfällt.<br />

• Belastungs- und Abscherphase: Durch eine mit konstanter Verformungsgeschwindigkeit erzeugte axiale<br />

Stauchung der Probe wird der „Bruch“ herbeigeführt. Bei dieser Versuchsphase kann eine Entwässerung<br />

der Probe zugelassen (offenes System) oder verhindert (geschlossenes System) werden.<br />

12.5.3 Versuchstypen<br />

a) Der unkonsolidierte, undränierte Versuch (UU-Versuch): Wird vor der Errichtung des Bauwerkes, z.<br />

B. des Tanks, in Abb. 12.7 das Element A „ungestört“ entnommen und schnell in das Dreiaxialgerät<br />

eingebaut, der Hahn (15) geschlossen und nach Aufbringen eines beliebig großen Zelldruckes (z. B. σ3I<br />

in der Abb. 12.9) die Belastung σ1 gesteigert, so bläht sich der Spannungskreis in der Richtung der σ-<br />

Achse auf, bis er die cu-Gerade tangiert (Abb. 12.9). Hierbei ist cu die „scheinbare Kohäsion“ oder die<br />

„Anfangsscherfestigkeit“, die die Probe im Boden infolge der Spannungen aus der Überlagerung erhalten<br />

hat (siehe Kap. 12.4).<br />

Abb. 12.9: Spannungskreise beim UU-Versuch<br />

Die Größe des aufgebrachten Zelldruckes ist beliebig (z. B. σ3II in der Abb. 12.9), da der Versuch im ge-<br />

schlossenen System durchgeführt wird und die Probe daher nicht entwässern kann, also nach den Überlegungen<br />

des Kap. 12.3 wegen der Wassersättigung und der verhinderten Wasserabgabe während der<br />

Steigerung der Belastung keine Scherfestigkeit hinzugewinnen kann.<br />

139


Bergische Universität<br />

Wuppertal<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Mit dem UU-Versuch kann also der cu-Wert ungestörter, wassergesättigter Proben bestimmt werden,<br />

wobei allerdings die Versuchsfehler recht groß sind. Besser kann cu im Feld mit der Flügelsonde ermittelt<br />

werden.<br />

b) Der konsolidierte, undränierte Versuch (CU-Versuch). Da es fast unmöglich ist, Proben im Sinne des<br />

UU-Versuches „ungestört“ zu gewinnen und im Versuchsgerät einzubauen, arbeitet man im CU-Versuch<br />

mit einer gestörten (gegebenenfalls wassergesättigten) Probe. Nach dem Einbau wird eine sog.<br />

Konsolidierungsspannung, im Normalfall nur als Zelldruck (σ3 = σ2 = σ1), aufgebracht. Bei geöffnetem<br />

Hahn (15) läßt man die Probe unter diesen Spannungen konsolidieren. Man versetzt also die gestörte<br />

Probe hinsichtlich ihrer Scherfestigkeit in den „ungestörten Zustand“.<br />

Anschließend wird der Hahn (15) geschlossen und nun wie bei UU-Versuch die Belastungs- und<br />

Abscherphase durchgeführt. Das Versuchsergebnis sieht wie Abb. 12.9 aus. Man kann mit<br />

verschiedenen Versuchen die Abhängigkeit des cu-Wertes von der Größe des Zelldruckes (der<br />

Konsolidierungsspannung) während der Konsolidierungsphase feststellen.<br />

c) Der konsolidierte, entwässerte Versuch (D-Versuch): Nach der Konsolidierungsphase, die wie beim<br />

CU-Versuche abläuft, wird die Belastungs- und Abscherphase beim offenen System so langsam durchgeführt,<br />

daß die Probe bei jeder Belastung voll konsolidiert. Dieser Versuch entspricht dem langsamen<br />

Rahmenscherversuch (siehe Kap. 11.4.3 und 11.4.4). Durch mehrere Versuche kann man die Scherpa-<br />

rameter ϕ und c ermitteln. Hierfür sind zwei Darstellungsarten gebräuchlich:<br />

• Nach Abb. 12.10 werden die Spannungskreise beim Bruch der Proben in ein σ-τ-Koordinatensystem<br />

gezeichnet und aus der gemeinsamen Tangente ϕ und c entnommen (das Beispiel der Abb. 12.10 ist<br />

ein überkonsolidierter Versuch).<br />

Abb. 12.10: Spannungskreise beim D-Versuch (Quelle [1])<br />

140


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. 12.11: Ergebnis eines Dreiaxialversuches, dargestellt im (σ1 - σ3)/2 - (σ1 + σ3)/2-Diagramm (p-q-<br />

Diagramm) (Quelle [1])<br />

• Nach Abb. 12.11a) gilt in einem Bruchkreis für den Tangentenpunkt zwischen Spannungskreis und<br />

Scherfestigkeitsgerade (überkonsolidierter Versuch)<br />

σ1+ σ3<br />

σ1−σ3 1<br />

c + ⋅ tanϕ<br />

= ⋅<br />

2 2 cosϕ<br />

σ<br />

− σ<br />

1<br />

2<br />

3<br />

σ<br />

= c ⋅ cos ϕ + sin ϕ ⋅<br />

1<br />

+ σ<br />

2<br />

3<br />

141


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Wuppertal<br />

Mit den Abkürzungen<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

1 3<br />

q<br />

2<br />

σ − σ<br />

1<br />

= ; n = c ⋅ cos ϕ;<br />

m = sin ϕ und p<br />

2<br />

σ + σ<br />

=<br />

ergibt sich in der sog. p-q-Darstellung im Bruchzustand eine Geradengleichung:<br />

q = n + m ⋅ p .<br />

Im Bruchzustand erhält man also mit dem bekannten Zelldruck σ3 und der gemessenen vertikalen<br />

Bruchspannung σ1, d. h. mit max σ1 : p = (max σ1 + σ3)/2 und q = (max σ1 - σ3)/2 einen Punkt dieser<br />

Geraden. Durch mehrere Dreiaxialversuche werden mehrere Geradenpunkte ermittelt. Für die (ausgleichende)<br />

Gerade gelten weiter die Beziehungen der Abb. 12.11:<br />

c = n/cos ϕ und sin ϕ = tan α = m.<br />

Vor Beginn der Belastungsphase ist σ1 = σ3, d.h. der Belastungsbeginn wird dargestellt als ein Punkt<br />

auf der (σ1 + σ3)/2 - Achse. Mit wachsender Vertikalspannung σ1 entwickeln sich die Spannungen<br />

auf dem sog. Spannungspfad (Gbb. 12.11c), dessen Endpunkt der Bruchspannungszustand auf der<br />

o. g. Grenzzustands-Geraden (Abb. 12.11b)) ist. Bei dieser Darstellungsart schrumpft jeder während<br />

der Steigerung von σ1 entstehende Spannungskreis zu einem Punkt des Spannungspfades zusammen.<br />

12.6 Schlußbemerkung<br />

Der Dreiaxialversuch kann hier nur in den Grundzügen dargestellt werden. Die Durchführung des Versuches<br />

erfordert eine intensive Beschäftigung mit der Theorie und auch mit der praktischen Gerätetechnik.<br />

12.7 Literatur<br />

[1] DIN 18137: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben Bestimmung der Scherfestigkeit.<br />

Teil 2: Triaxialversuch;<br />

3<br />

142


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Anhang<br />

Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Der Mohrsche Spannungskreis bei Vorgabe eines (ebenen) Nebenspannungszustandes<br />

a) Herleitung der Gleichungen<br />

Betrachtet wird ein Element im Boden, das durch die Spannungen σx, τxz = τzx und σz beansprucht ist.<br />

Sind τzx = τxz = 0, sind σx und σz Hauptspannungen.<br />

Gesucht sind die Spannungen σ und τ auf einer Fläche, die unter dem Winkel α das Element schneidet.<br />

Gemäß Abb. A.1 werden die Kraftgleichgewichtsbedingungen am abgeschnittenen dreieckförmigen Elementteil<br />

erfüllt. Mit den in der Abbildung dargestellten, aus den Kraftgleichgewichtsbedingungen hergeleiteten<br />

Gleichungen (1) und (2) können die gesuchten Spannungen berechnet werden.<br />

b) Graphische Lösung mit Hilfe des Mohrschen Kreises<br />

Aus den Gleichungen (1) und (2) – siehe Abb. A.1 – wird der Winkel α dadurch eliminiert, daß beide<br />

Gleichungen für sich quadriert werden. Anschließend werden die beiden Gleichungen addiert. Es ergibt<br />

sich:<br />

⎛ σ x + σ<br />

⎜σ<br />

−<br />

⎝ 2<br />

z<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

+ τ<br />

2<br />

⎛ σ x − σ<br />

= ⎜<br />

⎝ 2<br />

z<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

+ τ<br />

Gleichung (3) ist die Gleichung eines Kreises im σ/τ-Koordinaten-System:<br />

2<br />

2 2<br />

( − σ ) + ( τ − τ ) = R<br />

M<br />

M<br />

2<br />

xz<br />

σ (3)<br />

mit<br />

σ x + σ z<br />

σ M = ; τ M = 0 und<br />

2<br />

2<br />

⎛ σ x − σ z ⎞ 2<br />

R =<br />

⎜ ⎟ + τ xz<br />

⎝<br />

2<br />

⎠<br />

143


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

Abb. A.1: Berechnung der Normalspannungen σ und der Schubspannung τ, die auf der Fläche unter dem<br />

Winkel α wirken<br />

Regeln für das Zeichen des Mohrschen Kreises:<br />

a) Die auf eine Fläche des Elementes wirkende Normal- und Schubspannung (z. B. σx und τxz oder σ und τ<br />

oder σz und τzx) bilden gemeinsam einen Punkt des Spannungskreises (Abb. A.2).<br />

b) Normalspannungen werden als Druckspannungen nach rechts positiv gezeichnet.<br />

c) Die am Element (Drehachse in der Mitte, senkrecht zur Zeichenebene) gegen den Uhrzeigersinn (links<br />

herum) drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach oben aufgetragen. Die das Element<br />

144


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

nach rechts drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach unten aufgetragen. (Nicht zu<br />

verwechseln mit der Vorzeichendefinition der Schubspannungen.) Die Einhaltung der obigen Regelung<br />

ist wichtig für die nachfolgende Polkonstruktion.<br />

Abb. A.2: Mohrscher Spannungskreis mit Nebenspannungszustand<br />

d) Mit der Kenntnis, daß der Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt, läßt sich der Spannungskreis aus zwei be-<br />

kannten Punkten (z. B. σx/τxz und σz/τzx) zeichnen (Abb. A.2).<br />

e) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B. σx/τxz) eine<br />

Gerade parallel zu der Richtung der Fläche auf der σ und τ wirken, erhält man im Schnittpunkt dieser<br />

Geraden mit dem Spannungskreis den Flächenpol (FP).<br />

145


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Grundbau, Bodenmechanik<br />

und Felsmechanik<br />

Bodenmechanik 1<br />

f) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Morhschen Spannungskreises (z. B. σx,τxz) eine<br />

Gerade parallel zur Richtung der Normalspannung σ (z. B. parallel zu σx), erhält man im Schnittpunkt<br />

dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Spannungspol (SP).<br />

Ist der Mohrsche Spannungskreis aus den bekannten Spannungspunkten σx/τxz und σz/τzx gezeichnet und der<br />

Flächenpol FP konstruiert, zieht man durch den Flächenpol eine Gerade parallel zu der das Element unter<br />

dem Winkel α schneidenden Fläche und findet im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Kreis den gesuchten<br />

Spannungspunkt σ/τ.<br />

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