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Produktivitätssprünge beim Räumen - Longlife Räumtechnik

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Titel_SW.qxd 24.10.2003 6:46 Uhr Seite 1<br />

Sonderdruck aus der Fachzeitschrift ZWF 7-8/2003<br />

Hans Kurt Tönshoff, Eiken Lübbers, Hannover<br />

<strong>Produktivitätssprünge</strong><br />

<strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong><br />

STENHØJ HYDRAULIK<br />

DK-7150 Barrit<br />

Tel. +45 76 82 13 22<br />

Fax +45 76 82 13 00<br />

LLR GmbH<br />

LongLife <strong>Räumtechnik</strong><br />

Im Schnitthölzchen 35<br />

58802 Balve<br />

Tel. 02375 626<br />

Fax 02375 1378<br />

© Carl Hanser Verlag, München. 2003. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der photomechanischen<br />

Wiedergabe dieses Sonderdrucks und der Übersetzung behält sich der Verlag vor.<br />

Sonderdruck


<strong>Produktivitätssprünge</strong> <strong>beim</strong><br />

<strong>Räumen</strong><br />

Hans Kurt Tönshoff,<br />

Eiken Lübbers, Hannover<br />

Verfahrensmerkmale<br />

Das <strong>Räumen</strong> ist ein produktives spanendes<br />

Fertigungsverfahren. Funktionsflächen<br />

hoher Oberflächengüte bei hoher<br />

Maß- und Formgenauigkeit können<br />

durch einen einzigen Werkzeughub erzeugt<br />

werden. Das Verfahren zeichnet<br />

sich durch große Zerspanleistungen und<br />

hohe Qualität aus.<br />

Bild 1. Innenräumwerkzeug<br />

Ein Räumwerkzeug ist aus mehreren<br />

gestaffelt angeordneten Schneiden aufgebaut.<br />

Dadurch ist das <strong>Räumen</strong> das einzige<br />

spanende Verfahren, das nur eine<br />

Schnittbewegung und keine Vorschubbewegung<br />

kennt. Der Vorschub und damit<br />

der fortschreitende Schneideneingriff<br />

wird durch die Staffelung der Schneiden<br />

erreicht, die damit die Spanungsdicke<br />

bestimmt (Bild 1).<br />

Die Norm unterscheidet zwischen dem<br />

Innen- und Außenräumen und weiteren<br />

Das <strong>Räumen</strong> ist ein hochproduktives Verfahren der Serienfertigung.<br />

Maschinen- und Werkzeugauslegung sind dabei für die Qualität und<br />

Produktivität maßgebend. In diesem Beitrag wird ein neues Maschinenkonzept<br />

für das Innenräumen vorgestellt. Mit diesem Konzept<br />

läßt sich durch Zug- und Druckantrieb eine aktive, beidseitige Führung<br />

des Werkzeugs erreichen. Damit ist es möglich, die Vorteile beider<br />

Antriebsarten zu vereinen. Verbunden mit intensiver Kühlschmierung<br />

zeigt sich in Praxistests, verglichen mit konventionellen<br />

Maschinen, eine außerordentliche Standmengensteigerung.<br />

Varianten. Ein Räumwerkzeug ist meist<br />

aus einem Führungs-, Schrupp-, Schlichtund<br />

Kalibrierteil aufgebaut. Dadurch lassen<br />

sich mit einem Hub des Räumwerkzeugs<br />

Schrupp-, Schlicht- und Feinschlichtoperationen<br />

ausführen. Beim<br />

Innenräumen wird ein Räumwerkzeug<br />

durch eine vorgearbeitete, meist zylindrische,<br />

Bohrung hindurchgezogen oder<br />

gestoßen. Beim <strong>Räumen</strong> sind stets mehrere<br />

Schneiden im Eingriff. Deshalb und<br />

weil die Länge eines Räumwerkzeugs begrenzt<br />

sein muss [1], ist in der Schruppphase<br />

mit ausreichend großer Staffelung<br />

oder großem Arbeitseingriff zu arbeiten.<br />

Dies hat zur Folge, dass Räummaschinen<br />

auf hohe Prozesskräfte ausgelegt sein<br />

müssen. Diese hohen Kräfte setzten Maschinenstrukturen<br />

voraus, die den Kraftfluss<br />

ohne unzulässige statische und dynamische<br />

Verformungen gewährleisten.<br />

Hierzu lassen sich grundsätzlich zwei<br />

Wege beschreiten: Entweder<br />

ist das Gestell einer Maschine<br />

so aufgebaut, dass die hohen<br />

Räumkräfte symmetrisch<br />

in die Struktur eingeleitet<br />

werden und somit keine<br />

Biegemomente durch exzentrischen<br />

Kraftangriff entstehen.<br />

Oder das Werkzeug<br />

wird asymmetrisch bzw. auskragend<br />

geführt. In diesem<br />

Fall müssen ausreichend<br />

kräftig dimensionierte, auf<br />

Biegung ausgelegte Ständer<br />

und Führungen vorgesehen<br />

werden.<br />

Kräfte <strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong><br />

Beim <strong>Räumen</strong> kommen nacheinander<br />

mehrere Schneiden in Eingriff. Entsprechend<br />

schwankt die Kraft zwischen<br />

Werkzeug und Werkstück. Dabei überlagern<br />

sich je nach Teilung des Räumwerkzeugs<br />

und Eingriffslänge des Werkstücks<br />

die an einzelnen Schneiden angreifenden<br />

Kräfte Fz. Sie ist die resultierende<br />

Kraft je Schneide. Fz lässt sich in die<br />

Schnittkraft Fc in Richtung der Schnittgeschwindigkeit,<br />

in die Vorschubkraft Ff<br />

normal zur erzeugten Fläche und die Passivkraft<br />

Fp senkrecht zu den vorgenannten<br />

Komponenten zerlegen (Bild 2). Letztere<br />

tritt nur bei einem Neigungswinkel<br />

λ≠0 auf, d.h. wenn die Schneiden gegen<br />

die Schnittrichtung geneigt sind. Die<br />

Vorschubkraft, die quer zur Schnittrichtung<br />

wirkt, hebt sich <strong>beim</strong> Innenräumen<br />

von symmetrischen Profilen aus Symme-<br />

Bild 2. Kräfte an der Schneide


triegründen auf und wirkt nicht nach außen;<br />

<strong>beim</strong> Außenräumen muss sie von<br />

den Führungen und vom Gestell der<br />

Räummaschine aufgenommen werden.<br />

Die Schnittkraft lässt sich nach der<br />

Kienzle-Formel aus der spezifischen<br />

Energie — die je abgespanter Volumeneinheit<br />

aufzubringende Energie ec —<br />

bestimmen. Es gilt<br />

(1)<br />

mit der Schnittleistung Pc und dem Zeitspanvolumen<br />

Qw, dem Hauptwert der<br />

spezifischen Schnittkraft kc1.1 und ihrem<br />

Anstiegswert mc. Darin sind kc1.1 und mc<br />

empirische, d.h. aus Versuchen gewonnene<br />

Konstanten. Die Spanungsdicke<br />

wird mit h bezeichnet und ho ist ihre Bezugsgröße,<br />

die i. a. zu ho = 1 mm gesetzt<br />

wird. Die Konstanten kc1.1 und mc sind Tabellen<br />

zu entnehmen [2].<br />

Aus (1) lässt sich die Räumkraft Fc berechnen.<br />

Sie ergibt sich zu<br />

(1a)<br />

worin b die Eingriffslänge der Schneide<br />

ist, h ist die Spanungsdicke, die sich hier<br />

aus der Staffelung ergibt, und z ist die<br />

Zahl der Schneiden, die sich am Werkstück<br />

im Eingriff befindet. z ergibt sich<br />

aus der Teilung ls und der Werkstückhöhe<br />

lw zu z =lw/ls.<br />

Die Teilung eines Räumwerkzeugs ls<br />

muss nach dem Raum, den die Späne im<br />

Vergleich zu dem massiven Volumen des<br />

abgespanten Materials (Spanraumzahl<br />

RZ) einnehmen, nach dem Nachschliff<br />

und der minimalen Zahndicke bemessen<br />

werden. Eine empirische Faustformel<br />

ist nach [3]:<br />

(2)<br />

Spanraumzahlen für duktilen Stahl liegen<br />

nach der genannten Quelle zwischen<br />

5 und 16.<br />

Durch den periodischen Schneideneingriff<br />

<strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong> kommt es zur<br />

Schwingungsanregung der Maschine.<br />

Bild 3 zeigt den Schnittkraftverlauf, dessen<br />

Flankensteilheit vom Neigungswinkel<br />

λ abhängt. Für λ =0kommt die ganze<br />

Schneidenlinie gleichzeitig stoßartig<br />

zur Wirkung, der Kraftverlauf ist rechteckförmig.<br />

Für |λ|>0 kommt es zu sanfterem<br />

Schneideneingriff. Da nach einer<br />

Eintauchtiefe des Werkzeugs, die der<br />

Werkstückhöhe entspricht, ebenso viele<br />

Bild 3. Schnittkraftverlauf<br />

Schneiden einlaufen wie austreten,<br />

kommt es zu regelmäßigem, periodischem<br />

Kraftverlauf. Für den Fall, der im<br />

Bild 3 links dargestellt ist (gleichseitiges<br />

Trapez), ergibt eine Fourier-Zerlegung<br />

den dynamischen Anteil der Schnittkraft:<br />

mit der Zeit t und<br />

(3)<br />

Für den Fall λ =0 ist die Funktion<br />

nach Gleichung (3) nicht erklärt,<br />

da Zähler und Nenner gleichzeitig<br />

verschwinden. Mit der Regel von L’Hopital<br />

lässt sich ein Grenzwert FcRE angeben:<br />

(4)<br />

Man entnimmt Gleichung (3) , dass die<br />

Anregung mit der Grundfrequenz<br />

f1 =vc/ls dominant ist. Anders dagegen<br />

ist es bei steiler Eingriffsflanke FcRE: Zum<br />

einen ist das Amplitudenverhältnis (nur<br />

über das erste Glied der Reihe gerechnet)<br />

um den Faktor:<br />

(5)<br />

größer, zum anderen sind bei steiler<br />

Flanke die Folgeglieder der Reihe erheblich<br />

größer. Das bedeutet, dass die Anregung<br />

bei λ =0um ein Mehrfaches stärker<br />

ist – was nicht überrascht – dass<br />

aber auch höhere Eigenfrequenzen we-<br />

sentlich stärker angeregt<br />

werden als bei vorhandenem<br />

Neigungswinkel, d.h.<br />

bei |λ|>0. Wegen der Kosten<br />

für die Herstellung und<br />

das Nachschleifen der<br />

Räumwerkzeuge wird meist<br />

mit nicht geneigten Schneiden,<br />

d.h. mit λ =0gearbeitet.<br />

In diesem Fall ist das dynamische<br />

Verhalten der<br />

Räummaschine und insbesondere<br />

des Räumwerkzeugs<br />

mit seiner Einspannung besonders<br />

kritisch.<br />

Möglichkeiten des<br />

Werkzeugantriebs<br />

Räummaschinen werden hydraulisch<br />

oder mechanisch angetrieben. Hydraulische<br />

Antriebe werden als Kolben- und<br />

Zylinderanordnung ausgeführt. Mechanische<br />

Antriebe wandeln die rotierende<br />

Bewegung eines Motors über Getriebe<br />

und Kugelrollgetriebe in die geradlinige<br />

Bewegung um. Diese beiden Antriebsarten<br />

unterscheiden sich in der Steifigkeit<br />

erheblich. Für das hydraulische System<br />

ergibt sich die Federzahl khy im Wesentlichen<br />

aus der Kompressibilität der<br />

druckbeaufschlagten Ölsäulen V (Index<br />

1: Kolben/Zylinder, Index 2: Zuleitungen)<br />

mit dem Kompressionsmodul ß<br />

und dem Druck p. Die Volumenänderung<br />

durch Kompression ist<br />

Daraus folgt für die Federzahl<br />

(6)<br />

(7)<br />

und mit der Annahme, dass A2/A1 klein<br />

ist gegen l1/l2 gilt<br />

(7a)<br />

Mit praxisüblichen Werten<br />

(A1 = 6,3 ·10 3 mm 2 , ß = 0,63· 10 -3 mm 2 /N,<br />

l1 =1000 mm) folgt daraus<br />

khy =10N/µm.<br />

Fundierte Messungen wurden in älteren<br />

Arbeiten vorgenommen, wobei Gesamtsteifigkeiten<br />

von nur 3 N/µm ermittelt<br />

wurden und mehr als 90 Prozent<br />

der gesamten statischen Auffederung<br />

durch den hydraulischen Antrieb bedingt<br />

war [3, 4]. Aus einer geringen stati-


schen Steifigkeit folgt prinzipiell eine<br />

niedrige erste Eigenfrequenz des Systems.<br />

In den genannten Quellen werden<br />

erste Eigenfrequenzen im Bereich von<br />

20 Hz aufwärts festgestellt. Bei einer<br />

Schnittgeschwindigkeit vc =8m/min<br />

und einer Teilung von ls =8mm ergibt<br />

sich beispielsweise für die Anregungsgrundfrequenz<br />

(8)<br />

Sie liegt also in der Nähe einer Resonanzfrequenz.<br />

Das kann zu erheblichen<br />

Schwingungsamplituden im Bereich<br />

mehrerer Millimeter und zu hohen dynamischen<br />

Kräften im System führen, sodass<br />

hydraulisch angetriebene Räummaschinen<br />

nicht selten auf Schwingelemente<br />

gesetzt werden, um Umgebungsbeeinflussungen<br />

zu mildern [5].<br />

Mechanisch angetriebene Räummaschinen<br />

haben eine höhere Gesamtsteifigkeit<br />

und damit auch höhere erste Eigenfrequenzen.<br />

Je nach Ausführung des<br />

Räumwerkzeugs kann dies das nachgiebigste<br />

Element im Kraftfluss sein. Man<br />

kann im mechanischen Sinne die kraftdurchflossenen<br />

Komponenten einer<br />

Räummaschine von der Wirkstelle, wo<br />

Werkzeug und Werkstück im Kontakt<br />

sind, über das Räumwerkzeug, den oder<br />

die Räumschlitten, das Gestell der Maschine<br />

bis zur Werkstückbrücke als eine<br />

Kette von in Reihe geschalteten Federn<br />

auffassen.<br />

Die Gesamtsteifigkeit kges ergibt sich<br />

zu<br />

(9)<br />

Das heißt, dass die Gesamtsteifigkeit<br />

immer geringer ist als die geringste Steifigkeit<br />

einer der Komponenten. Unter-<br />

Bild 4. Zug-Druck-Prinzip<br />

einer Räummaschine<br />

(Konzept LLR GmbH,<br />

LongLife-<strong>Räumtechnik</strong>)<br />

stellt man in der Nähe einer Eigenfrequenz<br />

das Verhalten eines Einmassenschwingers<br />

und eine gleiche Masse sowie<br />

Massenverteilung, so ist bei einer<br />

zehnfachen Steifigkeit der Räummaschine<br />

mit elektromechanischem Antrieb<br />

verglichen mit einem hydraulischen Antrieb<br />

die erste Eigenfrequenz um das 3,3fache<br />

größer.<br />

Ein Innenräumwerkzeug kann durch<br />

das Werkstück gezogen oder gestoßen<br />

werden. Ziehen hat den Vorteil, dass die<br />

Räumnadel nicht auf Knickung beansprucht<br />

wird, was insbesondere bei<br />

schlanken Werkzeugen von Bedeutung<br />

ist. Drücken oder Stoßen bieten gewisse<br />

Vorteile, da die Krafteinleitung in das<br />

Räumwerkzeug in der genauigkeitsgebenden<br />

Phase des Prozesses der Wirkstelle<br />

besonders nahe ist (s. Kapitel<br />

Knicksicherheit des Werkzeugs). Eine<br />

neuartige Maschine verknüpft beide Antriebsarten<br />

miteinander (Bild 4). Das<br />

Räumwerkzeug wird durch das Werkstück<br />

gedrückt und gezogen. Dies wird<br />

dadurch erreicht, dass eine Zugbrücke<br />

(unten) und eine Druckbrücke (oben) bei<br />

Prozessbeginn miteinander gekoppelt<br />

werden, sodass das Räumwerkzeug oben<br />

und unten über Spannzangen fest eingespannt<br />

ist. Die Zug- und Druckbrücken<br />

werden durch einen gemeinsamen Antrieb<br />

gleichzeitig und gleichsinnig bewegt.<br />

Die Räumkraft teilt sich auf die beiden<br />

Spann- und Antriebselemente auf.<br />

Diese Anordnung hat den Vorteil,<br />

dass das Räumwerkzeug an seinen<br />

beiden Enden geführt wird [6]. Das<br />

statische und insbesondere das dynamische<br />

Verhalten der Maschine<br />

lässt sich so besonders günstig gestalten.<br />

Wie in Bild 4 zu erkennen<br />

ist, wird das Räumwerkzeug zwischen<br />

einer oberen und unteren<br />

Brücke eingespannt, nachdem es in<br />

das Werkstück eingeführt ist. Die beiden<br />

Brücken werden gleichlaufend über Kugelrollspindeln,<br />

d.h. mechanisch, vorgeschoben.<br />

Der Antrieb dieser Spindeln erfolgt<br />

durch einen gemeinsamen Servomotor<br />

über Zahnriemen.<br />

Kräftebilanz<br />

Zwischen Werkzeug und Werkstück<br />

wirkt die Räumkraft F. Diese Kraft ist<br />

durch den Zerspanprozess bestimmt (s.<br />

Kapitel Kräfte <strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong>). Die Räum-<br />

kraft wird einerseits von der Werkstückbrücke<br />

aufgenommen und andererseits<br />

(actio gleich reactio) von den beweglichen<br />

Schlitten, also der Druck- und<br />

Zugbrücke, in das Gestell der Maschine<br />

eingeleitet. Der bewegliche Teil wird<br />

durch das Räumwerkzeug, an dem die<br />

Räumkraft angreift, durch die symmetrisch<br />

angeordneten Kugelrollspindeln<br />

zu beiden Seiten des Räumwerkzeugs<br />

und durch die Stangen gebildet, die die<br />

Zug- und Druckbrücke verbinden. Das<br />

System ist daher vollständig symmetrisch<br />

aufgebaut. Es treten folglich auch<br />

keine Kipp- oder Biegemomente auf, die<br />

bei einer unsymmetrischen Anordnung<br />

entstehen und dort durch die Führungen<br />

des Räumschlittens gegenüber dem Maschinengestell<br />

aufgenommen werden<br />

müssen.<br />

Wie die Räumkraft über den beweglichen<br />

Teil in die angetriebene Druckbrücke<br />

eingeleitet wird, d.h. welche Zugund<br />

Druckkräfte im Räumwerkzeug entstehen,<br />

hängt von den Steifigkeiten der<br />

Übertragungselemente ab. Um die Kraftaufteilung<br />

zu bestimmen, wird das in<br />

Bild 4 dargestellte Ersatzfederbild genutzt.<br />

Die Federung der Druck- und Zugbrücke<br />

(Biegung) und der Kugelrollspindel<br />

sowie der Verbindungsstangen<br />

(Druck) wird durch die Federzahl ks<br />

wiedergegeben. Die Federung des oberen<br />

und unteren Teils des Räumwerkzeugs<br />

wird durch die Federzahlen ko (oberer<br />

Teil) und ku (unterer Teil) beschrieben.<br />

Auf das Federsystem wirken demnach<br />

von außen nur die Kräfte F und –F ein. Im<br />

Bild 5. Kräfte und Steifigkeiten


Innern des Systems wirken im Räumwerkzeug<br />

unten (unterer Teil) Fu und<br />

oben Fo. Über die Kugelgewindespindeln<br />

werden die Kräfte Fu auf die Druckbrücke<br />

(oben) übertragen. Folglich gilt:<br />

Unter dem Einfluss dieser Kräfte verschieben<br />

sich deren Angriffspunkte um<br />

die kleinen Wege x1 am Angriffspunkt<br />

der Räumkraft und xu an der Zugbrücke<br />

(unten).<br />

Daher gilt:<br />

und<br />

Da Fu außer in der Druckstange auch<br />

im unteren Teil des Räumwerkzeugs<br />

wirkt, gilt außerdem<br />

Die Federzahlen ks, ku und ko lassen<br />

sich aus den Abmessungen und den elastischen<br />

Eigenschaften der kraftdurchflossenen<br />

Komponenten errechnen. Die<br />

Räumkraft F wird durch den Prozess bestimmt.<br />

Dann sind aus den Gleichungen<br />

(10) bis (13) die Federwege x1 und xu und<br />

die Kräfte Fu und Fo ermittelbar:<br />

und durch Einsetzen in (14b)<br />

und somit<br />

(10)<br />

(11)<br />

(12)<br />

(13)<br />

(14 a)<br />

(14 b)<br />

(15)<br />

(16)<br />

(17)<br />

(18)<br />

Um den Rechengang zu vereinfachen,<br />

wird nun angenommen, dass ks sehr viel<br />

größer ist als ko und ku<br />

(19)<br />

Dann werden die Gleichungen (17) und<br />

(18) zu<br />

Diese Vereinfachung ist für den Rechengang<br />

nicht prinzipiell erforderlich.<br />

Am Ergebnis ändert sich nur Unwesentliches.<br />

Bild 6. Räummaschine nach dem LLR-Prinzip,<br />

Bauart: Stenhoj Hydraulik A/S<br />

Das Räumwerkzeug wird für eine elastische<br />

Rechnung als zylindrischer Stab<br />

aufgefasst. Weiterhin wird angenommen,<br />

dass die Steifigkeiten der Druck- und<br />

Zugbrücke unabhängig von der Antriebsart<br />

für einen Vergleich nicht relevant<br />

sind. (Gleichwohl sind sie auf Biegung<br />

beansprucht und tragen daher durchaus<br />

zur Gesamtnachgiebigkeit bei.)<br />

Mit dem E-Modul E, dem Querschnitt A<br />

und der Länge des Stabes l sind die Federzahlen<br />

ko und ku über dem Weg x variabel.<br />

Es gilt damit:<br />

Mit (20a) und (20b) folgt dann<br />

(20 a)<br />

(20 b)<br />

(21)<br />

(22)<br />

(23)<br />

(24)<br />

Der Kraftverlauf ist in Bild 5 dargestellt.<br />

Knicksicherheit des Werkzeugs<br />

Räumwerkzeuge, die durch Drücken<br />

durch ein Werkstück hindurch geführt<br />

werden, werden auf Knicken beansprucht.<br />

Je nach Räumkraft, nach der<br />

freien Knicklänge des Werkzeugs und<br />

seinem Querschnitt bzw. Trägheitsmoment<br />

kann <strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong> eine Grenzlast<br />

erreicht werden, die bei Überschreiten<br />

zum Ausknicken des freien Werkzeugs<br />

führt. Damit ergeben sich zwei Fragen,<br />

nämlich: „Welche Räumkraft wirkt in<br />

dem auf Knickung beanspruchten<br />

Teil des Werkzeugs?“ und<br />

„Wie hoch ist die Grenzlast, die<br />

wegen der Knickgefahr nicht<br />

überschritten werden darf?“<br />

Nach Gleichung (1) und (1a)<br />

lässt sich die Räumkraft Fc berechnen.<br />

Im Kapitel Kräftebilanz<br />

wurde dargestellt, dass<br />

sich diese Kraft auf den oberen<br />

Teil des Werkzeugs als Druckkraft<br />

Fo und auf den unteren<br />

Teil als Zugkraft Fu aufteilt. Aus<br />

Bild 5 ist zu erkennen, dass der<br />

kritische Anteil Fo zu Beginn<br />

des Räumvorgangs gering ist,<br />

der größere Teil der Räumkraft<br />

wird durch Zug auf das Werkzeug<br />

aufgebracht. Der Anteil Fo<br />

steigt linear mit dem Räumweg.<br />

Diese Knicklast Fo muss nun mit der<br />

Grenzlast gegen Knickung verglichen<br />

werden. Dazu wird angenommen, dass<br />

das Räumwerkzeug dem Knickfall „fest<br />

eingespannt und frei gestützt“ (Knickfall<br />

3) entspricht. Für diesen Fall lässt<br />

sich die Grenzlast bei Euler-Knickung<br />

bestimmen zu<br />

(25)<br />

Darin ist Jy das axiale Trägheitsmoment<br />

des Stabes und lo die freie Knicklänge.<br />

Diese ist annähernd lo =x. Aus<br />

(25) folgt, dass die Grenzlast am höchsten<br />

ist, wenn x klein ist. Hier wird nun<br />

ein besonderer Vorteil der Zug-Druck-<br />

Anordnung des Werkzeugantriebes deutlich:<br />

Wo die Knicklast hoch ist, ist auch<br />

die Grenzlast groß und umgekehrt.<br />

Unterstellt man, dass die ungünstigste<br />

Schlittenstellung in der Mitte des Gesamthubes<br />

liegt, halbiert sich die Räumkraft,<br />

die als Knicklast ertragen werden<br />

muss, und zugleich halbiert sich die freie<br />

Knicklänge. Das bedeutet, dass die<br />

Knicksicherheit um das Achtfache<br />

steigt – vorausgesetzt, die Spannzeuge


Bild 7. Standmengenvergleich<br />

können die Zug- und Drucklasten voll<br />

aufnehmen.<br />

Betriebsverhalten einer Zug-<br />

Druck-Maschine<br />

Nach dem vorn beschriebenen Prinzip<br />

wurde die in Bild 6 dargestellte Maschine<br />

gebaut. Sie treibt das Räumwerkzeug<br />

über eine Druck- und eine Zugbrücke an.<br />

Das Werkzeug ist oben und unten gehalten.<br />

Es wird zunächst von oben in das<br />

Werkstück eingeführt. Dann wird das<br />

Werkzeug unten gespannt und beide<br />

Brücken werden gegeneinander mechanisch<br />

verriegelt, sodass sie mit den<br />

Druckstangen einen geschlossenen Rahmen<br />

bilden. Dieser wird über beidseitig<br />

symmetrische Kugelgewindetriebe angetrieben.<br />

Dabei wird die Räumkraft über<br />

die Zug- und die Druckbrücke in das<br />

Werkzeug eingeleitet. Für die Kraftaufteilung<br />

maßgebend sind die Federzahlen<br />

der kraftdurchflossenen Elemente. Diese<br />

sind prinzipbedingt von der Stellung des<br />

Rahmens gegenüber dem Werkstück abhängig.<br />

Die Maschine ist mit einer Hochdruckspüleinrichtung<br />

ausgestattet, die dafür<br />

sorgen muss, dass der Kühlschmierstoff<br />

möglichst bis an die Spanbildungszone<br />

gelangt und vor allem, dass das Werkzeug<br />

nach dem <strong>Räumen</strong> von anhaftenden<br />

Spänen gereinigt wird.<br />

Mit konventionellen Räummaschinen<br />

älterer Bauart und Zug-Druck-Maschinen<br />

nach dem neuen Prinzip wurden Betriebsuntersuchungen<br />

gemacht. Bearbei-<br />

tet wurden vergleichbare<br />

Werkstücke, die mit den<br />

durch <strong>Räumen</strong> hergestellten<br />

Flächen in Bild 7 dargestellt<br />

sind. Dabei ergaben sich erhebliche<br />

Verschleiß- und<br />

Standmengenunterschiede.<br />

Diese extremen Differenzen<br />

müssen eine oder mehrere<br />

Ursachen haben. Vergleicht<br />

man den konventionellen<br />

Prozess mit der neuen<br />

Anlage, so sind verschiedene<br />

Innovationen festzustellen:<br />

■ Ein elektromechanischer<br />

Antrieb ist elektrisch<br />

und mechanisch steif,<br />

was eine hohe erste Eigenfrequenz<br />

erwarten<br />

lässt, die von der Grundanregung<br />

durch den periodischenSchneideneingriff<br />

ausreichend weit entfernt liegt.<br />

■ Die Zug-Druck-Einspannung des<br />

■<br />

Räumwerkzeugs sorgt für eine Aufteilung<br />

der Räumkraft und damit nach<br />

dem Prinzip paralleler Federn für eine<br />

Versteifung des Systems.<br />

Der Zug-Druck-Antrieb des Räumwerkzeugs<br />

besorgt durch die aktive<br />

Einspannung eine gute Führung des<br />

sich sonst leicht zu Biegeschwingungen<br />

neigenden Werkzeugs.<br />

■ Der Druckantrieb des Werkzeugs<br />

bringt die Gefahr des Ausknickens<br />

mit sich. Durch die Kraftaufteilung<br />

wird jedoch sichergestellt, dass die<br />

Knicklast bei großer freier Knicklänge<br />

gering ist und erst bei unkritischer<br />

Länge ihren Maximalwert erreicht.<br />

Summary<br />

■ Die Hochdruckspülung auf der Werkzeugaustrittsseite<br />

zusammen mit der<br />

Überflutungskühlschmierung sorgt<br />

für gute Schmierverhältnisse und für<br />

eine sichere Säuberung des Werkzeugs<br />

von Spänen.<br />

Welche der Innovationen für die extreme<br />

Verbesserung des Verschleißverhaltens<br />

der Räumwerkzeuge maßgeblich ist,<br />

konnte in den bisherigen Untersuchungen<br />

nicht eindeutig geklärt werden.<br />

Wahrscheinlich wirken hier mehrere<br />

günstige Faktoren zusammen.<br />

Literatur<br />

1 Tönshoff, H. K.: Spanen Grundlagen. Springer-Verlag,<br />

Berlin, Heidelberg 1995<br />

2 Beitz, W.; Grothe, K.-H.: Dubbel, Taschenbuch<br />

für den Maschinenbau 20. Auflage,<br />

Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2002<br />

3 Schweitzer, K: Räumpraxis. K. Hoffmann<br />

Eigenverlag, Pforzheim 1976<br />

4 Schweitzer, K.: Dynamische Untersuchungen<br />

<strong>beim</strong> Innenräumen. Dissertation, Universität<br />

Karlsruhe, 1971<br />

5 Persönliche Mitteilung eines Betreibers<br />

6 LongLife <strong>Räumtechnik</strong> GmbH (LLR): Firmendruckschrift,<br />

Balve<br />

Die Autoren dieses Beitrags<br />

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. mult. Hans Kurt<br />

Tönshoff, geb. 1934, war nach seiner Promotion<br />

an der TH Hannover in leitenden Positionen<br />

des Werkzeugmaschinenbaus tätig. 1970 wurde<br />

er auf den Lehrstuhl für Fertigungstechnik der<br />

Universität Hannover (IFW) berufen und Ende<br />

2002 emeritiert. Seine Arbeitsgebiete sind<br />

Technologie der Fertigungsverfahren, Werkzeugmaschinen<br />

und Fabrikorganisation.<br />

Dipl.-Ing. Eiken Lübbers, geb. 1973, studierte<br />

an der TU Clausthal Elektrotechnik. Derzeit ist<br />

er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFW<br />

tätig.<br />

Boosted productivity in the broaching process. Broaching<br />

is a highly productive process in mass production, and the<br />

configuration of the relevant machinery and tools is decisive<br />

where quality and productivity are concerned. This article introduces<br />

a new machinery concept for internal broaching, in<br />

which active, double-sided guidance of the tool is achieved by<br />

way of push and pull drive, thereby making use of the advantages<br />

of both types of drive. As a comparison with conventional<br />

machines shows, the new concept linked with intensive<br />

cooling lubrication shows exceptional production volume<br />

gains when tested under realistic operational conditions.

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