Produktivitätssprünge beim Räumen - Longlife Räumtechnik
Produktivitätssprünge beim Räumen - Longlife Räumtechnik
Produktivitätssprünge beim Räumen - Longlife Räumtechnik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Titel_SW.qxd 24.10.2003 6:46 Uhr Seite 1<br />
Sonderdruck aus der Fachzeitschrift ZWF 7-8/2003<br />
Hans Kurt Tönshoff, Eiken Lübbers, Hannover<br />
<strong>Produktivitätssprünge</strong><br />
<strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong><br />
STENHØJ HYDRAULIK<br />
DK-7150 Barrit<br />
Tel. +45 76 82 13 22<br />
Fax +45 76 82 13 00<br />
LLR GmbH<br />
LongLife <strong>Räumtechnik</strong><br />
Im Schnitthölzchen 35<br />
58802 Balve<br />
Tel. 02375 626<br />
Fax 02375 1378<br />
© Carl Hanser Verlag, München. 2003. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der photomechanischen<br />
Wiedergabe dieses Sonderdrucks und der Übersetzung behält sich der Verlag vor.<br />
Sonderdruck
<strong>Produktivitätssprünge</strong> <strong>beim</strong><br />
<strong>Räumen</strong><br />
Hans Kurt Tönshoff,<br />
Eiken Lübbers, Hannover<br />
Verfahrensmerkmale<br />
Das <strong>Räumen</strong> ist ein produktives spanendes<br />
Fertigungsverfahren. Funktionsflächen<br />
hoher Oberflächengüte bei hoher<br />
Maß- und Formgenauigkeit können<br />
durch einen einzigen Werkzeughub erzeugt<br />
werden. Das Verfahren zeichnet<br />
sich durch große Zerspanleistungen und<br />
hohe Qualität aus.<br />
Bild 1. Innenräumwerkzeug<br />
Ein Räumwerkzeug ist aus mehreren<br />
gestaffelt angeordneten Schneiden aufgebaut.<br />
Dadurch ist das <strong>Räumen</strong> das einzige<br />
spanende Verfahren, das nur eine<br />
Schnittbewegung und keine Vorschubbewegung<br />
kennt. Der Vorschub und damit<br />
der fortschreitende Schneideneingriff<br />
wird durch die Staffelung der Schneiden<br />
erreicht, die damit die Spanungsdicke<br />
bestimmt (Bild 1).<br />
Die Norm unterscheidet zwischen dem<br />
Innen- und Außenräumen und weiteren<br />
Das <strong>Räumen</strong> ist ein hochproduktives Verfahren der Serienfertigung.<br />
Maschinen- und Werkzeugauslegung sind dabei für die Qualität und<br />
Produktivität maßgebend. In diesem Beitrag wird ein neues Maschinenkonzept<br />
für das Innenräumen vorgestellt. Mit diesem Konzept<br />
läßt sich durch Zug- und Druckantrieb eine aktive, beidseitige Führung<br />
des Werkzeugs erreichen. Damit ist es möglich, die Vorteile beider<br />
Antriebsarten zu vereinen. Verbunden mit intensiver Kühlschmierung<br />
zeigt sich in Praxistests, verglichen mit konventionellen<br />
Maschinen, eine außerordentliche Standmengensteigerung.<br />
Varianten. Ein Räumwerkzeug ist meist<br />
aus einem Führungs-, Schrupp-, Schlichtund<br />
Kalibrierteil aufgebaut. Dadurch lassen<br />
sich mit einem Hub des Räumwerkzeugs<br />
Schrupp-, Schlicht- und Feinschlichtoperationen<br />
ausführen. Beim<br />
Innenräumen wird ein Räumwerkzeug<br />
durch eine vorgearbeitete, meist zylindrische,<br />
Bohrung hindurchgezogen oder<br />
gestoßen. Beim <strong>Räumen</strong> sind stets mehrere<br />
Schneiden im Eingriff. Deshalb und<br />
weil die Länge eines Räumwerkzeugs begrenzt<br />
sein muss [1], ist in der Schruppphase<br />
mit ausreichend großer Staffelung<br />
oder großem Arbeitseingriff zu arbeiten.<br />
Dies hat zur Folge, dass Räummaschinen<br />
auf hohe Prozesskräfte ausgelegt sein<br />
müssen. Diese hohen Kräfte setzten Maschinenstrukturen<br />
voraus, die den Kraftfluss<br />
ohne unzulässige statische und dynamische<br />
Verformungen gewährleisten.<br />
Hierzu lassen sich grundsätzlich zwei<br />
Wege beschreiten: Entweder<br />
ist das Gestell einer Maschine<br />
so aufgebaut, dass die hohen<br />
Räumkräfte symmetrisch<br />
in die Struktur eingeleitet<br />
werden und somit keine<br />
Biegemomente durch exzentrischen<br />
Kraftangriff entstehen.<br />
Oder das Werkzeug<br />
wird asymmetrisch bzw. auskragend<br />
geführt. In diesem<br />
Fall müssen ausreichend<br />
kräftig dimensionierte, auf<br />
Biegung ausgelegte Ständer<br />
und Führungen vorgesehen<br />
werden.<br />
Kräfte <strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong><br />
Beim <strong>Räumen</strong> kommen nacheinander<br />
mehrere Schneiden in Eingriff. Entsprechend<br />
schwankt die Kraft zwischen<br />
Werkzeug und Werkstück. Dabei überlagern<br />
sich je nach Teilung des Räumwerkzeugs<br />
und Eingriffslänge des Werkstücks<br />
die an einzelnen Schneiden angreifenden<br />
Kräfte Fz. Sie ist die resultierende<br />
Kraft je Schneide. Fz lässt sich in die<br />
Schnittkraft Fc in Richtung der Schnittgeschwindigkeit,<br />
in die Vorschubkraft Ff<br />
normal zur erzeugten Fläche und die Passivkraft<br />
Fp senkrecht zu den vorgenannten<br />
Komponenten zerlegen (Bild 2). Letztere<br />
tritt nur bei einem Neigungswinkel<br />
λ≠0 auf, d.h. wenn die Schneiden gegen<br />
die Schnittrichtung geneigt sind. Die<br />
Vorschubkraft, die quer zur Schnittrichtung<br />
wirkt, hebt sich <strong>beim</strong> Innenräumen<br />
von symmetrischen Profilen aus Symme-<br />
Bild 2. Kräfte an der Schneide
triegründen auf und wirkt nicht nach außen;<br />
<strong>beim</strong> Außenräumen muss sie von<br />
den Führungen und vom Gestell der<br />
Räummaschine aufgenommen werden.<br />
Die Schnittkraft lässt sich nach der<br />
Kienzle-Formel aus der spezifischen<br />
Energie — die je abgespanter Volumeneinheit<br />
aufzubringende Energie ec —<br />
bestimmen. Es gilt<br />
(1)<br />
mit der Schnittleistung Pc und dem Zeitspanvolumen<br />
Qw, dem Hauptwert der<br />
spezifischen Schnittkraft kc1.1 und ihrem<br />
Anstiegswert mc. Darin sind kc1.1 und mc<br />
empirische, d.h. aus Versuchen gewonnene<br />
Konstanten. Die Spanungsdicke<br />
wird mit h bezeichnet und ho ist ihre Bezugsgröße,<br />
die i. a. zu ho = 1 mm gesetzt<br />
wird. Die Konstanten kc1.1 und mc sind Tabellen<br />
zu entnehmen [2].<br />
Aus (1) lässt sich die Räumkraft Fc berechnen.<br />
Sie ergibt sich zu<br />
(1a)<br />
worin b die Eingriffslänge der Schneide<br />
ist, h ist die Spanungsdicke, die sich hier<br />
aus der Staffelung ergibt, und z ist die<br />
Zahl der Schneiden, die sich am Werkstück<br />
im Eingriff befindet. z ergibt sich<br />
aus der Teilung ls und der Werkstückhöhe<br />
lw zu z =lw/ls.<br />
Die Teilung eines Räumwerkzeugs ls<br />
muss nach dem Raum, den die Späne im<br />
Vergleich zu dem massiven Volumen des<br />
abgespanten Materials (Spanraumzahl<br />
RZ) einnehmen, nach dem Nachschliff<br />
und der minimalen Zahndicke bemessen<br />
werden. Eine empirische Faustformel<br />
ist nach [3]:<br />
(2)<br />
Spanraumzahlen für duktilen Stahl liegen<br />
nach der genannten Quelle zwischen<br />
5 und 16.<br />
Durch den periodischen Schneideneingriff<br />
<strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong> kommt es zur<br />
Schwingungsanregung der Maschine.<br />
Bild 3 zeigt den Schnittkraftverlauf, dessen<br />
Flankensteilheit vom Neigungswinkel<br />
λ abhängt. Für λ =0kommt die ganze<br />
Schneidenlinie gleichzeitig stoßartig<br />
zur Wirkung, der Kraftverlauf ist rechteckförmig.<br />
Für |λ|>0 kommt es zu sanfterem<br />
Schneideneingriff. Da nach einer<br />
Eintauchtiefe des Werkzeugs, die der<br />
Werkstückhöhe entspricht, ebenso viele<br />
Bild 3. Schnittkraftverlauf<br />
Schneiden einlaufen wie austreten,<br />
kommt es zu regelmäßigem, periodischem<br />
Kraftverlauf. Für den Fall, der im<br />
Bild 3 links dargestellt ist (gleichseitiges<br />
Trapez), ergibt eine Fourier-Zerlegung<br />
den dynamischen Anteil der Schnittkraft:<br />
mit der Zeit t und<br />
(3)<br />
Für den Fall λ =0 ist die Funktion<br />
nach Gleichung (3) nicht erklärt,<br />
da Zähler und Nenner gleichzeitig<br />
verschwinden. Mit der Regel von L’Hopital<br />
lässt sich ein Grenzwert FcRE angeben:<br />
(4)<br />
Man entnimmt Gleichung (3) , dass die<br />
Anregung mit der Grundfrequenz<br />
f1 =vc/ls dominant ist. Anders dagegen<br />
ist es bei steiler Eingriffsflanke FcRE: Zum<br />
einen ist das Amplitudenverhältnis (nur<br />
über das erste Glied der Reihe gerechnet)<br />
um den Faktor:<br />
(5)<br />
größer, zum anderen sind bei steiler<br />
Flanke die Folgeglieder der Reihe erheblich<br />
größer. Das bedeutet, dass die Anregung<br />
bei λ =0um ein Mehrfaches stärker<br />
ist – was nicht überrascht – dass<br />
aber auch höhere Eigenfrequenzen we-<br />
sentlich stärker angeregt<br />
werden als bei vorhandenem<br />
Neigungswinkel, d.h.<br />
bei |λ|>0. Wegen der Kosten<br />
für die Herstellung und<br />
das Nachschleifen der<br />
Räumwerkzeuge wird meist<br />
mit nicht geneigten Schneiden,<br />
d.h. mit λ =0gearbeitet.<br />
In diesem Fall ist das dynamische<br />
Verhalten der<br />
Räummaschine und insbesondere<br />
des Räumwerkzeugs<br />
mit seiner Einspannung besonders<br />
kritisch.<br />
Möglichkeiten des<br />
Werkzeugantriebs<br />
Räummaschinen werden hydraulisch<br />
oder mechanisch angetrieben. Hydraulische<br />
Antriebe werden als Kolben- und<br />
Zylinderanordnung ausgeführt. Mechanische<br />
Antriebe wandeln die rotierende<br />
Bewegung eines Motors über Getriebe<br />
und Kugelrollgetriebe in die geradlinige<br />
Bewegung um. Diese beiden Antriebsarten<br />
unterscheiden sich in der Steifigkeit<br />
erheblich. Für das hydraulische System<br />
ergibt sich die Federzahl khy im Wesentlichen<br />
aus der Kompressibilität der<br />
druckbeaufschlagten Ölsäulen V (Index<br />
1: Kolben/Zylinder, Index 2: Zuleitungen)<br />
mit dem Kompressionsmodul ß<br />
und dem Druck p. Die Volumenänderung<br />
durch Kompression ist<br />
Daraus folgt für die Federzahl<br />
(6)<br />
(7)<br />
und mit der Annahme, dass A2/A1 klein<br />
ist gegen l1/l2 gilt<br />
(7a)<br />
Mit praxisüblichen Werten<br />
(A1 = 6,3 ·10 3 mm 2 , ß = 0,63· 10 -3 mm 2 /N,<br />
l1 =1000 mm) folgt daraus<br />
khy =10N/µm.<br />
Fundierte Messungen wurden in älteren<br />
Arbeiten vorgenommen, wobei Gesamtsteifigkeiten<br />
von nur 3 N/µm ermittelt<br />
wurden und mehr als 90 Prozent<br />
der gesamten statischen Auffederung<br />
durch den hydraulischen Antrieb bedingt<br />
war [3, 4]. Aus einer geringen stati-
schen Steifigkeit folgt prinzipiell eine<br />
niedrige erste Eigenfrequenz des Systems.<br />
In den genannten Quellen werden<br />
erste Eigenfrequenzen im Bereich von<br />
20 Hz aufwärts festgestellt. Bei einer<br />
Schnittgeschwindigkeit vc =8m/min<br />
und einer Teilung von ls =8mm ergibt<br />
sich beispielsweise für die Anregungsgrundfrequenz<br />
(8)<br />
Sie liegt also in der Nähe einer Resonanzfrequenz.<br />
Das kann zu erheblichen<br />
Schwingungsamplituden im Bereich<br />
mehrerer Millimeter und zu hohen dynamischen<br />
Kräften im System führen, sodass<br />
hydraulisch angetriebene Räummaschinen<br />
nicht selten auf Schwingelemente<br />
gesetzt werden, um Umgebungsbeeinflussungen<br />
zu mildern [5].<br />
Mechanisch angetriebene Räummaschinen<br />
haben eine höhere Gesamtsteifigkeit<br />
und damit auch höhere erste Eigenfrequenzen.<br />
Je nach Ausführung des<br />
Räumwerkzeugs kann dies das nachgiebigste<br />
Element im Kraftfluss sein. Man<br />
kann im mechanischen Sinne die kraftdurchflossenen<br />
Komponenten einer<br />
Räummaschine von der Wirkstelle, wo<br />
Werkzeug und Werkstück im Kontakt<br />
sind, über das Räumwerkzeug, den oder<br />
die Räumschlitten, das Gestell der Maschine<br />
bis zur Werkstückbrücke als eine<br />
Kette von in Reihe geschalteten Federn<br />
auffassen.<br />
Die Gesamtsteifigkeit kges ergibt sich<br />
zu<br />
(9)<br />
Das heißt, dass die Gesamtsteifigkeit<br />
immer geringer ist als die geringste Steifigkeit<br />
einer der Komponenten. Unter-<br />
Bild 4. Zug-Druck-Prinzip<br />
einer Räummaschine<br />
(Konzept LLR GmbH,<br />
LongLife-<strong>Räumtechnik</strong>)<br />
stellt man in der Nähe einer Eigenfrequenz<br />
das Verhalten eines Einmassenschwingers<br />
und eine gleiche Masse sowie<br />
Massenverteilung, so ist bei einer<br />
zehnfachen Steifigkeit der Räummaschine<br />
mit elektromechanischem Antrieb<br />
verglichen mit einem hydraulischen Antrieb<br />
die erste Eigenfrequenz um das 3,3fache<br />
größer.<br />
Ein Innenräumwerkzeug kann durch<br />
das Werkstück gezogen oder gestoßen<br />
werden. Ziehen hat den Vorteil, dass die<br />
Räumnadel nicht auf Knickung beansprucht<br />
wird, was insbesondere bei<br />
schlanken Werkzeugen von Bedeutung<br />
ist. Drücken oder Stoßen bieten gewisse<br />
Vorteile, da die Krafteinleitung in das<br />
Räumwerkzeug in der genauigkeitsgebenden<br />
Phase des Prozesses der Wirkstelle<br />
besonders nahe ist (s. Kapitel<br />
Knicksicherheit des Werkzeugs). Eine<br />
neuartige Maschine verknüpft beide Antriebsarten<br />
miteinander (Bild 4). Das<br />
Räumwerkzeug wird durch das Werkstück<br />
gedrückt und gezogen. Dies wird<br />
dadurch erreicht, dass eine Zugbrücke<br />
(unten) und eine Druckbrücke (oben) bei<br />
Prozessbeginn miteinander gekoppelt<br />
werden, sodass das Räumwerkzeug oben<br />
und unten über Spannzangen fest eingespannt<br />
ist. Die Zug- und Druckbrücken<br />
werden durch einen gemeinsamen Antrieb<br />
gleichzeitig und gleichsinnig bewegt.<br />
Die Räumkraft teilt sich auf die beiden<br />
Spann- und Antriebselemente auf.<br />
Diese Anordnung hat den Vorteil,<br />
dass das Räumwerkzeug an seinen<br />
beiden Enden geführt wird [6]. Das<br />
statische und insbesondere das dynamische<br />
Verhalten der Maschine<br />
lässt sich so besonders günstig gestalten.<br />
Wie in Bild 4 zu erkennen<br />
ist, wird das Räumwerkzeug zwischen<br />
einer oberen und unteren<br />
Brücke eingespannt, nachdem es in<br />
das Werkstück eingeführt ist. Die beiden<br />
Brücken werden gleichlaufend über Kugelrollspindeln,<br />
d.h. mechanisch, vorgeschoben.<br />
Der Antrieb dieser Spindeln erfolgt<br />
durch einen gemeinsamen Servomotor<br />
über Zahnriemen.<br />
Kräftebilanz<br />
Zwischen Werkzeug und Werkstück<br />
wirkt die Räumkraft F. Diese Kraft ist<br />
durch den Zerspanprozess bestimmt (s.<br />
Kapitel Kräfte <strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong>). Die Räum-<br />
kraft wird einerseits von der Werkstückbrücke<br />
aufgenommen und andererseits<br />
(actio gleich reactio) von den beweglichen<br />
Schlitten, also der Druck- und<br />
Zugbrücke, in das Gestell der Maschine<br />
eingeleitet. Der bewegliche Teil wird<br />
durch das Räumwerkzeug, an dem die<br />
Räumkraft angreift, durch die symmetrisch<br />
angeordneten Kugelrollspindeln<br />
zu beiden Seiten des Räumwerkzeugs<br />
und durch die Stangen gebildet, die die<br />
Zug- und Druckbrücke verbinden. Das<br />
System ist daher vollständig symmetrisch<br />
aufgebaut. Es treten folglich auch<br />
keine Kipp- oder Biegemomente auf, die<br />
bei einer unsymmetrischen Anordnung<br />
entstehen und dort durch die Führungen<br />
des Räumschlittens gegenüber dem Maschinengestell<br />
aufgenommen werden<br />
müssen.<br />
Wie die Räumkraft über den beweglichen<br />
Teil in die angetriebene Druckbrücke<br />
eingeleitet wird, d.h. welche Zugund<br />
Druckkräfte im Räumwerkzeug entstehen,<br />
hängt von den Steifigkeiten der<br />
Übertragungselemente ab. Um die Kraftaufteilung<br />
zu bestimmen, wird das in<br />
Bild 4 dargestellte Ersatzfederbild genutzt.<br />
Die Federung der Druck- und Zugbrücke<br />
(Biegung) und der Kugelrollspindel<br />
sowie der Verbindungsstangen<br />
(Druck) wird durch die Federzahl ks<br />
wiedergegeben. Die Federung des oberen<br />
und unteren Teils des Räumwerkzeugs<br />
wird durch die Federzahlen ko (oberer<br />
Teil) und ku (unterer Teil) beschrieben.<br />
Auf das Federsystem wirken demnach<br />
von außen nur die Kräfte F und –F ein. Im<br />
Bild 5. Kräfte und Steifigkeiten
Innern des Systems wirken im Räumwerkzeug<br />
unten (unterer Teil) Fu und<br />
oben Fo. Über die Kugelgewindespindeln<br />
werden die Kräfte Fu auf die Druckbrücke<br />
(oben) übertragen. Folglich gilt:<br />
Unter dem Einfluss dieser Kräfte verschieben<br />
sich deren Angriffspunkte um<br />
die kleinen Wege x1 am Angriffspunkt<br />
der Räumkraft und xu an der Zugbrücke<br />
(unten).<br />
Daher gilt:<br />
und<br />
Da Fu außer in der Druckstange auch<br />
im unteren Teil des Räumwerkzeugs<br />
wirkt, gilt außerdem<br />
Die Federzahlen ks, ku und ko lassen<br />
sich aus den Abmessungen und den elastischen<br />
Eigenschaften der kraftdurchflossenen<br />
Komponenten errechnen. Die<br />
Räumkraft F wird durch den Prozess bestimmt.<br />
Dann sind aus den Gleichungen<br />
(10) bis (13) die Federwege x1 und xu und<br />
die Kräfte Fu und Fo ermittelbar:<br />
und durch Einsetzen in (14b)<br />
und somit<br />
(10)<br />
(11)<br />
(12)<br />
(13)<br />
(14 a)<br />
(14 b)<br />
(15)<br />
(16)<br />
(17)<br />
(18)<br />
Um den Rechengang zu vereinfachen,<br />
wird nun angenommen, dass ks sehr viel<br />
größer ist als ko und ku<br />
(19)<br />
Dann werden die Gleichungen (17) und<br />
(18) zu<br />
Diese Vereinfachung ist für den Rechengang<br />
nicht prinzipiell erforderlich.<br />
Am Ergebnis ändert sich nur Unwesentliches.<br />
Bild 6. Räummaschine nach dem LLR-Prinzip,<br />
Bauart: Stenhoj Hydraulik A/S<br />
Das Räumwerkzeug wird für eine elastische<br />
Rechnung als zylindrischer Stab<br />
aufgefasst. Weiterhin wird angenommen,<br />
dass die Steifigkeiten der Druck- und<br />
Zugbrücke unabhängig von der Antriebsart<br />
für einen Vergleich nicht relevant<br />
sind. (Gleichwohl sind sie auf Biegung<br />
beansprucht und tragen daher durchaus<br />
zur Gesamtnachgiebigkeit bei.)<br />
Mit dem E-Modul E, dem Querschnitt A<br />
und der Länge des Stabes l sind die Federzahlen<br />
ko und ku über dem Weg x variabel.<br />
Es gilt damit:<br />
Mit (20a) und (20b) folgt dann<br />
(20 a)<br />
(20 b)<br />
(21)<br />
(22)<br />
(23)<br />
(24)<br />
Der Kraftverlauf ist in Bild 5 dargestellt.<br />
Knicksicherheit des Werkzeugs<br />
Räumwerkzeuge, die durch Drücken<br />
durch ein Werkstück hindurch geführt<br />
werden, werden auf Knicken beansprucht.<br />
Je nach Räumkraft, nach der<br />
freien Knicklänge des Werkzeugs und<br />
seinem Querschnitt bzw. Trägheitsmoment<br />
kann <strong>beim</strong> <strong>Räumen</strong> eine Grenzlast<br />
erreicht werden, die bei Überschreiten<br />
zum Ausknicken des freien Werkzeugs<br />
führt. Damit ergeben sich zwei Fragen,<br />
nämlich: „Welche Räumkraft wirkt in<br />
dem auf Knickung beanspruchten<br />
Teil des Werkzeugs?“ und<br />
„Wie hoch ist die Grenzlast, die<br />
wegen der Knickgefahr nicht<br />
überschritten werden darf?“<br />
Nach Gleichung (1) und (1a)<br />
lässt sich die Räumkraft Fc berechnen.<br />
Im Kapitel Kräftebilanz<br />
wurde dargestellt, dass<br />
sich diese Kraft auf den oberen<br />
Teil des Werkzeugs als Druckkraft<br />
Fo und auf den unteren<br />
Teil als Zugkraft Fu aufteilt. Aus<br />
Bild 5 ist zu erkennen, dass der<br />
kritische Anteil Fo zu Beginn<br />
des Räumvorgangs gering ist,<br />
der größere Teil der Räumkraft<br />
wird durch Zug auf das Werkzeug<br />
aufgebracht. Der Anteil Fo<br />
steigt linear mit dem Räumweg.<br />
Diese Knicklast Fo muss nun mit der<br />
Grenzlast gegen Knickung verglichen<br />
werden. Dazu wird angenommen, dass<br />
das Räumwerkzeug dem Knickfall „fest<br />
eingespannt und frei gestützt“ (Knickfall<br />
3) entspricht. Für diesen Fall lässt<br />
sich die Grenzlast bei Euler-Knickung<br />
bestimmen zu<br />
(25)<br />
Darin ist Jy das axiale Trägheitsmoment<br />
des Stabes und lo die freie Knicklänge.<br />
Diese ist annähernd lo =x. Aus<br />
(25) folgt, dass die Grenzlast am höchsten<br />
ist, wenn x klein ist. Hier wird nun<br />
ein besonderer Vorteil der Zug-Druck-<br />
Anordnung des Werkzeugantriebes deutlich:<br />
Wo die Knicklast hoch ist, ist auch<br />
die Grenzlast groß und umgekehrt.<br />
Unterstellt man, dass die ungünstigste<br />
Schlittenstellung in der Mitte des Gesamthubes<br />
liegt, halbiert sich die Räumkraft,<br />
die als Knicklast ertragen werden<br />
muss, und zugleich halbiert sich die freie<br />
Knicklänge. Das bedeutet, dass die<br />
Knicksicherheit um das Achtfache<br />
steigt – vorausgesetzt, die Spannzeuge
Bild 7. Standmengenvergleich<br />
können die Zug- und Drucklasten voll<br />
aufnehmen.<br />
Betriebsverhalten einer Zug-<br />
Druck-Maschine<br />
Nach dem vorn beschriebenen Prinzip<br />
wurde die in Bild 6 dargestellte Maschine<br />
gebaut. Sie treibt das Räumwerkzeug<br />
über eine Druck- und eine Zugbrücke an.<br />
Das Werkzeug ist oben und unten gehalten.<br />
Es wird zunächst von oben in das<br />
Werkstück eingeführt. Dann wird das<br />
Werkzeug unten gespannt und beide<br />
Brücken werden gegeneinander mechanisch<br />
verriegelt, sodass sie mit den<br />
Druckstangen einen geschlossenen Rahmen<br />
bilden. Dieser wird über beidseitig<br />
symmetrische Kugelgewindetriebe angetrieben.<br />
Dabei wird die Räumkraft über<br />
die Zug- und die Druckbrücke in das<br />
Werkzeug eingeleitet. Für die Kraftaufteilung<br />
maßgebend sind die Federzahlen<br />
der kraftdurchflossenen Elemente. Diese<br />
sind prinzipbedingt von der Stellung des<br />
Rahmens gegenüber dem Werkstück abhängig.<br />
Die Maschine ist mit einer Hochdruckspüleinrichtung<br />
ausgestattet, die dafür<br />
sorgen muss, dass der Kühlschmierstoff<br />
möglichst bis an die Spanbildungszone<br />
gelangt und vor allem, dass das Werkzeug<br />
nach dem <strong>Räumen</strong> von anhaftenden<br />
Spänen gereinigt wird.<br />
Mit konventionellen Räummaschinen<br />
älterer Bauart und Zug-Druck-Maschinen<br />
nach dem neuen Prinzip wurden Betriebsuntersuchungen<br />
gemacht. Bearbei-<br />
tet wurden vergleichbare<br />
Werkstücke, die mit den<br />
durch <strong>Räumen</strong> hergestellten<br />
Flächen in Bild 7 dargestellt<br />
sind. Dabei ergaben sich erhebliche<br />
Verschleiß- und<br />
Standmengenunterschiede.<br />
Diese extremen Differenzen<br />
müssen eine oder mehrere<br />
Ursachen haben. Vergleicht<br />
man den konventionellen<br />
Prozess mit der neuen<br />
Anlage, so sind verschiedene<br />
Innovationen festzustellen:<br />
■ Ein elektromechanischer<br />
Antrieb ist elektrisch<br />
und mechanisch steif,<br />
was eine hohe erste Eigenfrequenz<br />
erwarten<br />
lässt, die von der Grundanregung<br />
durch den periodischenSchneideneingriff<br />
ausreichend weit entfernt liegt.<br />
■ Die Zug-Druck-Einspannung des<br />
■<br />
Räumwerkzeugs sorgt für eine Aufteilung<br />
der Räumkraft und damit nach<br />
dem Prinzip paralleler Federn für eine<br />
Versteifung des Systems.<br />
Der Zug-Druck-Antrieb des Räumwerkzeugs<br />
besorgt durch die aktive<br />
Einspannung eine gute Führung des<br />
sich sonst leicht zu Biegeschwingungen<br />
neigenden Werkzeugs.<br />
■ Der Druckantrieb des Werkzeugs<br />
bringt die Gefahr des Ausknickens<br />
mit sich. Durch die Kraftaufteilung<br />
wird jedoch sichergestellt, dass die<br />
Knicklast bei großer freier Knicklänge<br />
gering ist und erst bei unkritischer<br />
Länge ihren Maximalwert erreicht.<br />
Summary<br />
■ Die Hochdruckspülung auf der Werkzeugaustrittsseite<br />
zusammen mit der<br />
Überflutungskühlschmierung sorgt<br />
für gute Schmierverhältnisse und für<br />
eine sichere Säuberung des Werkzeugs<br />
von Spänen.<br />
Welche der Innovationen für die extreme<br />
Verbesserung des Verschleißverhaltens<br />
der Räumwerkzeuge maßgeblich ist,<br />
konnte in den bisherigen Untersuchungen<br />
nicht eindeutig geklärt werden.<br />
Wahrscheinlich wirken hier mehrere<br />
günstige Faktoren zusammen.<br />
Literatur<br />
1 Tönshoff, H. K.: Spanen Grundlagen. Springer-Verlag,<br />
Berlin, Heidelberg 1995<br />
2 Beitz, W.; Grothe, K.-H.: Dubbel, Taschenbuch<br />
für den Maschinenbau 20. Auflage,<br />
Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2002<br />
3 Schweitzer, K: Räumpraxis. K. Hoffmann<br />
Eigenverlag, Pforzheim 1976<br />
4 Schweitzer, K.: Dynamische Untersuchungen<br />
<strong>beim</strong> Innenräumen. Dissertation, Universität<br />
Karlsruhe, 1971<br />
5 Persönliche Mitteilung eines Betreibers<br />
6 LongLife <strong>Räumtechnik</strong> GmbH (LLR): Firmendruckschrift,<br />
Balve<br />
Die Autoren dieses Beitrags<br />
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. mult. Hans Kurt<br />
Tönshoff, geb. 1934, war nach seiner Promotion<br />
an der TH Hannover in leitenden Positionen<br />
des Werkzeugmaschinenbaus tätig. 1970 wurde<br />
er auf den Lehrstuhl für Fertigungstechnik der<br />
Universität Hannover (IFW) berufen und Ende<br />
2002 emeritiert. Seine Arbeitsgebiete sind<br />
Technologie der Fertigungsverfahren, Werkzeugmaschinen<br />
und Fabrikorganisation.<br />
Dipl.-Ing. Eiken Lübbers, geb. 1973, studierte<br />
an der TU Clausthal Elektrotechnik. Derzeit ist<br />
er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFW<br />
tätig.<br />
Boosted productivity in the broaching process. Broaching<br />
is a highly productive process in mass production, and the<br />
configuration of the relevant machinery and tools is decisive<br />
where quality and productivity are concerned. This article introduces<br />
a new machinery concept for internal broaching, in<br />
which active, double-sided guidance of the tool is achieved by<br />
way of push and pull drive, thereby making use of the advantages<br />
of both types of drive. As a comparison with conventional<br />
machines shows, the new concept linked with intensive<br />
cooling lubrication shows exceptional production volume<br />
gains when tested under realistic operational conditions.