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Pinocchio Pinocchio - Mainzer Kinder- und Jugendtheater

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Italienische Märchenerzählung nach Carlo Collodi<br />

Einem Schreiner namens Meister Kirsche, der einen Tisch reparieren wollte, geriet zufällig<br />

ein sonderbares Stück Holz in die Hände. Als der Schreiner es gerade behauen wollte, hörte er<br />

einen Klagelaut. Erschrocken beschloss Meister Kirsche, es so schnell wie möglich<br />

loszuwerden <strong>und</strong> gab es einem Fre<strong>und</strong> namens Geppetto, der sich eine Marionette daraus<br />

schnitzen wollte.<br />

Geppetto, der von Beruf Flickschuster war, kehrte hocherfreut mit dem Stück Holz unter dem<br />

Arm heim. Unterwegs dachte er sich schon einen Namen für die Marionette aus: „Ich werde<br />

ihn <strong>Pinocchio</strong> nennen“, sagte er sich, „dieser Name wird ihm Glück bringen!“ Kaum in<br />

seinem armseligen Kellerraum angekommen, begann er zu schnitzen. Plötzlich hörte er eine<br />

Stimme: „Au! Du tust mir weh!“ Zu seiner Verblüffung war das Stück Holz lebendig. Der<br />

gute Mann fuhr aufgeregt mit seiner Arbeit fort. Er schnitzte den Kopf, machte ihm Haare <strong>und</strong><br />

Augen, die ihn sofort unverwandt anblickten. Und kaum hatte er die Nase geschnitzt, begann<br />

diese zu wachsen <strong>und</strong> so sehr er sie auch kürzte – sie blieb lang. Aber das war noch nicht<br />

alles: Eben hatte der Schuster der Marionette Hände verpasst, da zog sie ihm schon die<br />

Perücke vom Kopf <strong>und</strong> sobald sie Beine besaß, gab sie ihm einen Fußtritt. „Was für ein<br />

Taugenichts von einem Sohn! Du bist noch nicht einmal fertig <strong>und</strong> schon so respektlos!“<br />

Dann fasste er die Puppe an den Armen <strong>und</strong> versuchte, sie Schritt für Schritt das Gehen zu<br />

lehren. <strong>Pinocchio</strong> reckte sich <strong>und</strong> begann sofort flink durch das Zimmer zu laufen. Geppetto<br />

keuchte hinter ihm her, ohne ihn einholen zu können, bis der hölzerne Bengel durch die<br />

offene Tür ins Freie floh.<br />

Gepetto versuchte die Marionette einzuholen, aber <strong>Pinocchio</strong> war schneller <strong>und</strong> obwohl der<br />

arme Schuster rief: „Haltet ihn, haltet ihn!“, machte unter den Dorfbewohnern keiner<br />

Anstalten <strong>Pinocchio</strong> zu greifen. Zum Glück hatte der Schutzmann die Schreie gehört <strong>und</strong><br />

stellte sich breitbeinig mitten auf die Strasse, fasste den Flüchtigen <strong>und</strong> übergab ihn seinem<br />

Vater. „Ich werde dir die Ohren lang ziehen!“ drohte Geppetto, noch ganz außer Atem, dem<br />

hölzernen Buben. Er merkte aber sofort, dass er ihn auf diese Weise gar nicht bestrafen<br />

konnte, weil er in der Eile vergessen hatte, ihm Ohren zu schnitzen. <strong>Pinocchio</strong>, dem die<br />

riesigen Hände des Schutzmannes Furcht eingeflösst hatten, bat Geppetto um Entschuldigung<br />

für seine Flucht <strong>und</strong> dieser verzieh ihm. Und als sie nach Hause zurück kamen, machte er<br />

einen Anzug, ein Paar Schuhe <strong>und</strong> einen Hut. „Ich will ein braver Junge werden, zur Schule<br />

gehen <strong>und</strong> dir im Alter beistehen!“ rief <strong>Pinocchio</strong> glücklich. Geppetto war gerührt <strong>und</strong><br />

antwortete: „Ich danke dir für deine guten Vorsätze, aber wir haben noch nicht einmal das<br />

Geld um eine Fibel zu kaufen!“ Da wurde auch <strong>Pinocchio</strong> traurig. Doch Geppetto, der kurz<br />

nachgedacht hatte, sprang auf, zog seine alte Jacke an <strong>und</strong> lief aus dem Haus. Es dauerte nicht<br />

lange, da stand er wieder vor der Tür, mit einer Fibel, doch ohne Jacke. <strong>Pinocchio</strong> fiel<br />

Geppetto um den Hals <strong>und</strong> küsste seinen guten Vater.


Es hatte aufgehört zu schneien <strong>und</strong> <strong>Pinocchio</strong> machte sich mit der Fibel unter dem Arm <strong>und</strong><br />

voll guter Vorsätze auf den Weg zur Schule. „Heute will ich gleich lesen lernen, morgen<br />

schreiben <strong>und</strong> übermorgen rechnen. Dann werde ich Geld verdienen <strong>und</strong> Geppetto eine neue<br />

Jacke kaufen. Er hat sie verdient, denn…“ Seine Grübeleien wurden durch den Klang einer<br />

Kapelle unterbrochen <strong>und</strong> <strong>Pinocchio</strong>, der die Schule sogleich vergaß, stand plötzlich mitten<br />

auf einem Platz voller Schaulustiger, die sich um eine farbenfrohe Marionettentheaterbude<br />

drängten.<br />

„Was kostet der Eintritt?“ fragte <strong>Pinocchio</strong>. „Vier Groschen!“ antwortete ein Junge. „Wer<br />

gibt mir vier Groschen für dieses schöne neue Buch?“ rief <strong>Pinocchio</strong> laut. Ein Trödler, der<br />

gerade in der Nähe war, kaufte die Fibel <strong>und</strong> <strong>Pinocchio</strong> wurde in das Theater gelassen. Kaum<br />

hatte er das Theater betreten, als eine der Marionetten auf der Bühne auch schon seine<br />

Anwesenheit bemerkt hatte <strong>und</strong> laut ausrief: „<strong>Pinocchio</strong>! <strong>Pinocchio</strong> ist da! Komm her! Komm<br />

zu uns!“ riefen alle im Chor. <strong>Pinocchio</strong> stieg auf die Bühne zu den neuen Fre<strong>und</strong>en. Da kam<br />

der Puppenspieler namens Feuerfresser auf die Bühne. Der Riese, mit seinen<br />

blutunterlaufenen Augen, dessen Anblick Furcht einflösste, schrie: „Was ist hier los? Schluss<br />

mit dem Geschrei! Heute Abend werde ich mit euch abrechnen!“<br />

Am Abend setzte sich Feuerfresser zu Tisch. Und als er bemerkte, dass ihm Brennholz fehlte<br />

um sein schönes Stück Hammel zu braten, erinnerte er sich des Eindringlings. „Komm her,<br />

<strong>Pinocchio</strong>! Ich kann Brennholz brauchen!“ <strong>Pinocchio</strong> begann zu weinen <strong>und</strong> zu betteln:<br />

„Papa! Papa! Rette mich, ich will nicht sterben!“ Der Puppenspieler Feuerfresser vernahm das<br />

Flehen <strong>und</strong> fragte verblüfft: „Du hast Eltern?“ „Einen Vater ja, meine Mutter habe ich nie<br />

gekannt!“ antwortete <strong>Pinocchio</strong> mit zitternder Stimme. Der Riese bekam Mitleid: „Gewiss<br />

würde ich deinem Vater großen Kummer bereiten, wenn ich dich ins Feuer würfe… Aber ich<br />

will meinen Hammel fertig braten! Also muss ich eine andere Marionette verbrennen!<br />

Gendarmen! Fesselt den Harlekin <strong>und</strong> bring ihn mir!“ „Nein! Ich bitte um Gnade für den<br />

armen Harlekin! Dann verbrennt doch lieber mich, denn es ist nicht Recht, dass der Harlekin<br />

an meiner Stelle sterben soll!“ Feuerfresser traute seinen Ohren kaum <strong>und</strong> beschloss sein<br />

Fleisch diesmal noch halb roh zu essen, denn solch eine heldenhafte Marionette hatte er noch<br />

nie gesehen. Die Marionetten feierten erleichtert die Gnade, die ihnen zuteil geworden war.<br />

Feuerfresser ließ sich <strong>Pinocchio</strong>s Geschichte erzählen <strong>und</strong> schenkte ihm dann, gerührt von<br />

Geppettos Güte, fünf Goldmünzen. „Bring sie deinem Vater! Sag ihm, er soll sich eine neue<br />

Jacke kaufen.“<br />

<strong>Pinocchio</strong> verließ überglücklich das Marionettentheater, nicht ohne Feuerfresser für seine<br />

Großzügigkeit gedankt zu haben. Auf dem Weg nach Hause zu seinem Vater traf <strong>Pinocchio</strong><br />

eine halbblinde Katze <strong>und</strong> einen lahmen Fuchs. Er konnte nicht umhin, ihnen sein Glück<br />

mitzuteilen <strong>und</strong> ihnen die Münzen zu zeigen. Die beiden heckten beim Anblick der<br />

Goldmünzen sogleich einen Plan aus <strong>und</strong> redeten ihm Folgendes ein: „Wenn du deinen Vater<br />

wirklich glücklich machen willst, musst du noch viel mehr Goldmünzen mitbringen. Wir<br />

kennen einen W<strong>und</strong>eracker, wo du sie säen <strong>und</strong> am nächsten Tag mehr als zehnmal so viel<br />

ernten kannst!“ <strong>Pinocchio</strong> ließ sich arglos von den beiden falschen Fre<strong>und</strong>en überzeugen. Um<br />

Mitternacht wollten sich die drei wieder treffen um den W<strong>und</strong>eracker aufzusuchen. Als sich<br />

<strong>Pinocchio</strong> auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt machte, tauchten plötzlich zwei<br />

schwarz vermummte Halunken auf. „Her mit dem Geld!“ befahlen sie. <strong>Pinocchio</strong>, der die<br />

Münzen unter der Zunge verborgen hielt, antwortete nicht. Alle Versuche der beiden zu<br />

erfahren, wo das Geld war, blieben vergeblich. Schließlich banden die verärgerten Halunken<br />

ein Seil um den Hals des hölzernen Jungen, das immer enger wurde. „Papa, hilf mir doch!“<br />

war <strong>Pinocchio</strong>s letzter Gedanke. Der Fuchs <strong>und</strong> die Katze – sie waren nämlich die beiden


Vermummten – hängten ihn an einen Baum <strong>und</strong> entfernten sich drohend: „Du wirst solange<br />

hängen, bis du uns sagst wo du das Gold hast. Wir kommen gleich wieder <strong>und</strong> werden sehen,<br />

ob du es dir überlegt hast!“<br />

Doch eine Fee, die in der Nähe wohnte, hörte sein Flehen. Sie klatschte dreimal in die Hände,<br />

wodurch auf w<strong>und</strong>ersame Weise ein Falke <strong>und</strong> ein H<strong>und</strong> erschienen. Der Falke hackte mit<br />

seinem Schnabel das Seil durch, an dem <strong>Pinocchio</strong> hing <strong>und</strong> der H<strong>und</strong> brachte den<br />

verängstigten kleinen Kerl zu dem Schloss der guten Fee. Dort fand sich <strong>Pinocchio</strong> in einem<br />

weichen Bett wieder, während sich der Rabe, die Eule <strong>und</strong> die Grille, drei berühmte Ärzte, um<br />

ihn kümmerten. Die Fee streichelte ihn <strong>und</strong> bat ihn, ihr seine Geschichte zu erzählen.<br />

<strong>Pinocchio</strong> erzählte ihr alles. Allerdings lies er den Verkauf der Fibel aus. Als seine<br />

Wohltäterin ihn fragte, wo die Goldmünzen geblieben seien, antwortete er, er habe sie<br />

verloren, wohl wissend, dass er sie in der Zwischenzeit in der Tasche versteckt hatte. Sogleich<br />

fing seine Nase an zu wachsen. Die Fee lachte <strong>und</strong> sagte: „Du hast gelogen, das kann ich<br />

sofort an deiner Nase erkennen, sie wird immer länger!“ <strong>Pinocchio</strong> wurde rot vor Scham <strong>und</strong><br />

wusste nicht wohin mit seiner langen Nase. Schließlich begann er zu weinen, so dass sich die<br />

Fee seiner erbarmte <strong>und</strong> seine Nase wieder schrumpfen ließ. „Denk daran, dass du keine<br />

Lügen erzählen darfst!“ ermahnte sie ihn, sonst wird deine Nase wieder länger. Nun geh zu<br />

deinem Vater <strong>und</strong> bring ihm die Münzen!“ <strong>Pinocchio</strong> umarmte sie dankbar <strong>und</strong> lief nach<br />

Hause. Aber im Wald traf er den Fuchs <strong>und</strong> die Katze wieder <strong>und</strong> ohne an sein Versprechen<br />

zu denken ließ er sich, arglos wie er war, erneut dazu überreden, die Münzen auf dem<br />

W<strong>und</strong>eracker zu vergraben. Am nächsten Tag kehrte er zuversichtlich dorthin zurück – aber<br />

ach, die Münzen waren verschw<strong>und</strong>en! <strong>Pinocchio</strong> kehrte betrübt <strong>und</strong> ohne Münzen zurück.<br />

Sein Vater schalt ihn, weil er solange weg gewesen war, verzieh ihm jedoch schließlich. Auch<br />

in der Schule wurde <strong>Pinocchio</strong> wieder aufgenommen, schien er doch endlich Vernunft<br />

angenommen zu haben.<br />

Bald darauf hatte <strong>Pinocchio</strong> einen w<strong>und</strong>erschönen Traum. Die Fee erschien ihm <strong>und</strong> als er<br />

am nächsten Morgen in den Spiegel schaute, blickte ihm ein anderer entgegen: ein hübscher<br />

Junge mit braunen Haaren <strong>und</strong> blauen Augen. Geppetto umarmte ihn überglücklich. „Und wo<br />

ist der alte hölzerne Bengel geblieben?“ fragte ihn der Junge entgeistert. „Da sitzt er!“<br />

antwortete Geppetto <strong>und</strong> zeigte auf den Stuhl. „Wenn aus bösen <strong>Kinder</strong>n gute werden, ändert<br />

sich sogar ihr Aussehen!“<br />

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