als PDF - Fussball Oekonomie Aktuell
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Krise! Welche Krise?<br />
Fußballboom in Europa<br />
Von: Prof. Dr. Norbert Berthold, 24. Juli 2009<br />
Gastbeitrag, zuerst erschienen auf: www.wirtschaftlichefreiheit.de<br />
„Geld schießt keine Tore“ (Otto Rehhagel)<br />
Die Welt ist seit dem Fall von Lehman Brothers wirtschaftlich aus den Fugen geraten. Eine<br />
Branche nach der anderen kommt in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten. Trotz vielfältiger<br />
staatlicher Hilfe gehen Unternehmen reihenweise Pleite. Die Angst vor massenhafter<br />
Arbeitslosigkeit geht um. Spätestens nach den Bundestagswahlen wird sich zeigen, die Party<br />
ist endgültig vorbei. Nach jahrelangen Exzessen in der Finanzbranche herrscht nun reale<br />
Katerstimmung. Überall ist Krise, nur nicht im europäischen Fußball. Die Fans strömen<br />
weiter in Scharen in die Stadien, Vereine geben das Geld wie bisher mit vollen Händen aus,<br />
Transfersummen erreichen immer neue Rekordhöhen. Viele europäische Spitzenclubs drehen<br />
weiter ein großes finanzielles Rad. Die Partystimmung ist ungebrochen.<br />
Europa und die Königlichen<br />
Den Vogel abgeschossen hat wieder einmal Real Madrid. Es hat für die neue Saison keine<br />
Kosten gescheut, der vergangenen, titellosen Saison eine erfolgreichere folgen zu lassen.<br />
Zunächst wechselte der Brasilianer Kaká wechselte für 65 Mio. Euro vom AC Mailand zu den<br />
Königlichen. Wenige Tage später wurde der Portugiese Cristiano Ronaldo von Manchester<br />
United verpflichtet. 94 Mio. Euro wurden noch nie <strong>als</strong> Ablöse für einen Kicker gezahlt. Für<br />
35 Mio. Euro wechselte schließlich das französische Talent Karim Benzema von Olympique<br />
Lyon zu den Königlichen. Das ist möglicherweise noch nicht alles. Vielleicht nimmt Uli<br />
Hoeneß von den Bayern bei 80 Mio. Euro doch noch den Hörer ab, wenn Real Madrid wegen<br />
Frank Ribéry anruft.<br />
Der Eindruck, die Primera División sei das finanzielle und sportliche Nonplusultra der<br />
europäischen Spitzenligen, täuscht allerdings. In der Rangliste der Umsätze liegt die Premier<br />
League weiter deutlich vor der Bundesliga und der Primera División. Gemessen an den<br />
Marktwerten der Spieler dominiert die Premier League, vor der Primera División und der<br />
Serie A. Die deutsche Bundesliga folgt erst auf dem vierten Platz, knapp vor der Ligue 1. Ein<br />
Blick auf die Fünfjahreswertung der UEFA dokumentiert die sportlichen Machtverhältnisse in<br />
Europa. Die Vereine der Premier League dominieren, allerdings ist Spanien fast gleichauf.
Mit großem Abstand folgt die Serie A und die Bundesliga. Obwohl die Bundesliga zwar die<br />
profitabelste Liga in Europa ist, sportlich fehlt aber noch einiges zur europäischen Spitze.<br />
Party für wenige<br />
Die Party des europäischen Vereinsfußballs ist exklusiv. Stargäste sind Vereine der Premier<br />
League, der Primera División, der Serie A, der Bundesliga und der Ligue 1. Zaungäste sind<br />
die vielen kleinen Ligen in Europa. Deren Topvereine, wie etwa Ajax Amsterdam, der RSC<br />
Anderlecht oder Roter Stern Belgrad, die noch bis in die 90er Jahre in der europäischen<br />
Spitze mitspielten, sind finanziell und sportlich in der Versenkung verschwunden. Aber auch<br />
in den europäischen Spitzenligen profitieren nur einige wenige Clubs. In England und Italien<br />
sind es vier, in Spanien und Frankreich nur zwei Vereine, die alles dominieren. Die<br />
Bundesliga ist finanziell etwas ausgeglichener, trotz des FC Bayern. Auch ein VfL Wolfsburg<br />
kann schon mal deutscher Meister werden.<br />
Eine Antwort auf die Frage, warum die Bundesliga sportlich hinter den europäischen<br />
Spitzenligen herhinkt, ist nicht einfach. Zweifellos spielen hausgemachte Gründe eine<br />
wichtige Rolle. Ganz vorne auf der Liste der Verdächtigen stehen Zentralvermarktung und<br />
Finanzausgleich. Beide Institutionen sind für die Bundesliga im Wettbewerb der europäischen<br />
Ligen ein Klotz am Bein. Der Zielkonflikt zwischen internationaler Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Vereine und nationaler Solidarität zwischen den Vereinen wird hierzulande stärker <strong>als</strong> in<br />
anderen Ligen zugunsten der Solidarität entschieden. Zwar verteilen sich die Einkommen der<br />
Kicker in der Bundesliga gleichmäßiger <strong>als</strong> in England oder Spanien. Das Ziel der größeren<br />
sportlichen Ausgeglichenheit in der Liga wird allerdings trotzdem nicht erreicht. Auch die<br />
Bundesliga ist zweigeteilt.<br />
Wettbewerbspolitische Defekte<br />
Dennoch: Den Trend zu einer Dreiklassengesellschaft im europäischen Fußball können<br />
Zentralvermarktung und Finanzausgleich allein nicht erklären. Die Topliga in Europa, die<br />
Premier League, vermarktet die Fernsehrechte ebenfalls zentral und verteilt die Erlöse<br />
zwischen den Vereinen um. Anders <strong>als</strong> in der Bundesliga existieren aber dort andere<br />
Eigentumsstrukturen in den Vereinen. Viele Fußballclubs sind börsennotiert. Das stärkt die<br />
Eigenkapitalbasis der Vereine. Ausländisches Kapital fließt in die Liga und stärkt die<br />
internationale Wettbewerbsfähigkeit der Vereine. Die Investoren abschreckende 50+1-Regel<br />
verhindert dies in Deutschland. Aber auch die Vorteile von Kapitalgesellschaften sind nur ein<br />
Mosaiksteinchen. Das zeigen die beiden erfolgreichsten spanischen Vereine, Real und Barca.<br />
Beide sind keine Kapitalgesellschaften.<br />
Vielleicht liegt der wichtigste Grund, weshalb europäischen Spitzenligen auseinander driften,<br />
im mangelnden Wettbewerb auf den Spiele-Märkten. Trotz europäischem Binnenmarkt sind<br />
nationale Ligen noch immer Monopolligen. Ein Wechsel der Vereine zwischen den Ligen ist<br />
nicht möglich. Der AS Monaco und der FC Vaduz sind Ausnahmen. Damit haben Vereine<br />
kleinerer Ligen einen natürlichen Wettbewerbsnachteil und ihre Fans das Nachsehen. Mit<br />
ihrer geringeren Inlandsnachfrage kommen sie nicht gegen die Größenvorteile ihrer<br />
Konkurrenten aus größeren europäischen Ländern an. Die UEFA öffnet zwar mit der<br />
Champions League die Monopolligen einen Spalt breit. Damit verzerrt sie aber den
europäischen Wettbewerb weiter und vergrößert die finanziellen Ungleichgewichte in den<br />
nationalen Ligen.<br />
Mehr Wettbewerb<br />
Das institutionelle Design im europäischen Fußball zeigt, es führen viele Wege nach Rom.<br />
Wer nach vorne kommen will, tut allerdings gut daran, auf mehr und nicht weniger<br />
Wettbewerb auf den Fußballmärkten zu setzen. Die Vorschläge, die Spieler-Märkte<br />
protektionistisch abzuschotten, kurieren allenfalls an Symptomen. Es bleibt zu hoffen, dass<br />
der EuGH alles tun wird, Eingriffe von der Qualität der 6+5-Regel zu unterbinden. Wer wie<br />
Franz Beckenbauer im Fußball an Gehaltsobergrenzen denkt, hat die Ökonomie von<br />
Höchstpreisen nicht verstanden. Sie sind weder zielführend noch gerecht. Auch auf den<br />
Fußballmärkten gilt: Protektionismus ist wie ein Heizlüfter im Iglu. Zunächst wird es<br />
angenehm warm, bald darauf bricht einem das Dach über dem Kopf zusammen.<br />
Trotz der Zeitenwende in der Ordnungspolitik gilt noch immer: Wettbewerbsfähig wird man<br />
im Wettbewerb. Das gilt auch für Fußballmärkte, auch sie müssen wettbewerblicher werden.<br />
Mehr Einzelvermarktung und weniger Finanzausgleich in nationalen Ligen stärken die<br />
internationale Wettbewerbsfähigkeit der Vereine. Aber auch eine stärkere Öffnung der<br />
Kapitalmärkte muss auf der Wettbewerbsagenda stehen. Die 50+1-Regel ist ein Relikt aus<br />
einer versunkenen Welt. Offenere Fußballkapitalmärkte machen die Bundesliga für<br />
internationales Kapital attraktiver, die sportliche Qualität der Liga steigt. Schließlich führt<br />
kein Weg an einer Öffnung der nationalen Monopolligen vorbei. Eine offene europäische,<br />
keine geschlossene amerikanische Europaliga muss das Ziel sein, immer vorausgesetzt, die<br />
Fans ziehen mit. Die jüngsten Äußerungen von Florentino Pérez zeigen, die großen Vereine<br />
haben dieses Ziel nie aus dem Auge verloren. Anders rechnen sich die enormen Transfers<br />
nicht.<br />
Fazit<br />
Wer nicht will, dass der europäische Fußball an finanziellen und sportlichen<br />
Ungleichgewichten zerbricht, muss für mehr Wettbewerb auf den Fußballmärkten sorgen.<br />
Offene Spiele-, Spieler- und Kapitalmärkte helfen, überlebensfähige Strukturen im Fußball zu<br />
installieren. Gefährliche strukturkonservierende Entwicklungen werden so verhindert, der<br />
Bildung finanzieller Blasen wird vorgebeugt. Vereine sind nicht „too big to fail“, auch die<br />
Königlichen nicht. Einige der allenfalls mittelständischen Vereine werden deshalb im<br />
Wettbewerb nicht überleben. Auch wenn die Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“ vor den<br />
gefährlichen Folgen von Pleiten im Fußball warnt, ökonomisch ist das kein Beinbruch.<br />
Systemrelevant sind Fußballvereine nicht und werden es auch nie werden.<br />
Zuerst erschienen auf: www.wirtschaftlichefreiheit.de – Ordnungspolitischer Blog