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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Diskursive Widersprüche 261<br />

Irritation, der Infragestellung der staatlichen und seiner Meinung nach unmarxistischen<br />

Kulturpolitik festzuhalten.<br />

Wer von diesem Buch Bekenntnisse zur endlich errungenen westlichen Freiheit,<br />

zu Demokratie. Selbstrealisierung oder Konsumerfüllung erwartet, wird<br />

also notwendig enttäuscht sein. Hier spricht nicht einer, der sich dem kapitalistischen<br />

Westen anbiedert oder gar andienert, sondern einer, der nach wie vor auf<br />

einer extremen Außenseiterposition beharrt, die er mit einem besseren Marxismus<br />

als dem unter Stalin, Breschnew. Ulbricht und Honecker gleichsetzt. Der<br />

Westen, obwohl er in Müllers Autobiographie eine zwar ständig präsente, aber<br />

marginale Rolle spielt. kommt daher in vielem nicht besser weg als der Osten,<br />

und zwar auf allen Ebenen: der politischen, sozialen und kulturellen. So findet<br />

Müller einen Politiker wie Adenauer keineswegs besser als Ulbricht, sondern<br />

letztlich ebenso »finster« (136). Den 17. Juni 1953 glorifiziert er nicht als Volksaufstand,<br />

sondern hebt nachdrücklich die Beteiligung von »Jugendlichen aus<br />

Westberlin« an diesen Unruhen hervor (132). Außerdem schreibt er, daß Ulbricht<br />

der DDR-Polizei an diesem Tag ein eindeutiges »Schießverbot« erteilt habe und<br />

auch die Russen »nicht gern« in das Ganze eingegriffen hätten (134). Wahrscheinlich<br />

habe sogar die CIA »mitgemischt«, die schon vorher in der DDR »Sabotageakte«<br />

veranlaßt und im Sinne einer psychologischen <strong>Krieg</strong>sführung eine »riesige<br />

Propagandamaschine« gegen die DDR in Gang gesetzt habe (66). Noch eindeutiger<br />

stellt Müller die Beseitigung Allendes in Chile als einen »CIA-Putsch« hin<br />

(323). Und auch <strong>für</strong> viele der heutigen <strong>Krieg</strong>e, die als <strong>Krieg</strong>e »zur Bekämpfung<br />

der Arbeitslosigkeit durch Schaffung von Arbeitsplätzen und Vernichtung von<br />

Arbeitsplätzen« geführt würden (347). macht Müller eindeutig den Westen verantwortlich.<br />

Ein Leben im Westen, erklärt er, habe ihn daher nie besonders gereizt. Schon<br />

in jungen Jahren, als es die Mauer noch nicht gab, sei er lediglich nach Westberlin<br />

gefahren, um dort »ins Kino zu gehen oder Zigaretten zu kaufen« (62). Überhaupt<br />

habe er in der Bundesrepublik nie etwas Besseres als in der DDR gesehen.<br />

Schließlich sei »der Terror in einer schwäbischen Kleinstadt nur anders schlimm<br />

als der Terror in Strausberg« im Brandenburgischen (360). Ja, noch heute neige<br />

er, wenn er durch die Kölner Fußgängerzone mit all ihren Kauf-Kauf-Läden<br />

gehe, zu wahren »Wutanfällen gegen das Geschmeiß. das seine Scheiße in die<br />

Dritte Welt karrt im Tausch gegen ihre Produkte« (322). Und auch die USA<br />

hätten ihn nur im Hinblick auf die noch zum Teil unzerstörten Landschaften<br />

fasziniert, während er durch die dortigen Städte, also die »kapitalistischen USA«.<br />

lediglich in seinem »Marxismus« bestärkt worden sei (300). In all diesen Ländern,<br />

wo die Großindustrie, d.h. der Dollar und die »Deutschmark« regierten,<br />

werde das Individuum immer stärker zum »Verschwinden« gebracht (347).<br />

Daher habe er im Spätherbst 1989, während der Wende-Zeit, bei einer »Hamlet«-Inszenierung<br />

im Deutschen Theater in Berlin da<strong>für</strong> gesorgt, daß aus »Stalins<br />

Geist, der in der ersten Stunde auftrat«, in »dcr letzten Stundc die Deutsche<br />

Bank« wurde (353).<br />

Nicht viel besser kommt die westliche Kulturpolitik bei ihm weg. Schon in den<br />

frühen achtziger Jahren hat Müller in Gesprächen wiederholt erklärt, daß es in<br />

der DDR auf Grund ihrer marxistisch geweckten Erwartungen, aber falschen,<br />

DAS ARGU\1ENT 19811993 ©

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