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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Wie befreiend war die DDR-Frauenfärderung ? 239<br />

konnten Frauen mit der Erwerbsarbeit ihre Existenz sichern, doch ihre ökonomische<br />

Unabhängigkeit ist in Relation zu der der Männer zu setzen. Wie bereits<br />

erwähnt, lag das durchschnittliche Einkommen von Frauen um 25 Prozent niedriger<br />

als bei Männern. Bezieht man die Zahl teilzeitbeschäftigter Frauen (1988:<br />

26,9 %, vgl. Schuldt 1990, 307) in die Rechnung ein, vergrößert sich der Abstand<br />

nochmals. Eine weitere Differenzierung in soziale Statusgruppen läßt auf eine<br />

prekäre finanzielle Situation schließen, beispielsweise alleinerziehender Frauen.<br />

Ihr Einkommen lag weit unter dem Durchschnitt der DDR im Familien- und Pro­<br />

Kopf-Einkommen (vgl. Winkler, 116). Öffentlich thematisiert wurden die Einkommenunterschiede<br />

in der DDR nicht. Bis heute steht eine differenzierte Darstellung<br />

der sozialen Situation von Frauen in der DDR aus. Das vorliegende<br />

Material läßt jedoch darauf schließen, daß verschiedene Gruppen der weiblichen<br />

Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebten (vgl. Mocker u.a. 1990,<br />

1702, und Winkler).<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Diskriminierung von Frauen unter<br />

den sozioökonomischen und politischen Bedingungen der DDR nicht aufgehoben<br />

wurde. Die DDR wies die gleichen Grundlagen patriarchaler Strukturen auf wie<br />

marktwirtschaftlich orientierte Industriegesellschaften : die Trennung zwischen<br />

gesellschaftlicher Produktion und privater Reproduktion, die unterschiedliche<br />

Wertigkeit der beiden Bereiche und die gesellschaftliche geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung. Das Verständnis von Gleichberechtigung beinhaltete keine<br />

Gleichwertigkeit, sondern die Anpassung der Frauen an eine patriarchale Wertehierarchie.<br />

Mit der Integration der Frauen in den männlich konzipierten<br />

Erwerbsbereich, die als wichtigster Indikator und eigentlicher Inhalt der Gleichberechtigung<br />

angesehen wurde, hatten Frauen auch den am männlichen Lebensentwurf<br />

orientierten Leistungskriterien zu genügen. Diese Form der Rechtsgleichheit<br />

zwischen Männern und Frauen negierte, daß die Geschlechter verschieden<br />

sind und auch unter formal gleichem Recht nicht identisch werden können.<br />

Anstelle eines »tertium comparationis« (vgl. Gerhard 1990), eines übergeordneten<br />

Gesichtspunktes als Maßstab von Gleichheit, war die männliche<br />

Norm der Maßstab <strong>für</strong> Frauen. Zugleich wurde mit dem Argument der Verschiedenheit<br />

der Geschlechter, die nicht nur biologische, sondern auch funktionale,<br />

d.h. arbeitsteilige Unterschiede beinhaltet, eine diskriminierende rechtliche<br />

Ungleichbehandlung begründet, die im Ergebnis die geschlechtsspezifische<br />

gesellschaftliche Arbeitsteilung fortschrieb.<br />

Die Tatsache, daß nach der Auflösung der DDR und dem Beitritt zur Bundesrepublik<br />

Frauen in weit größerem Umfang von Arbeitslosigkeit betroffen sind,<br />

ist nicht allein mit der Durchsetzung marktwirtschaftlicher Interessen zu erklären.<br />

Der marktwirtschaftliehe Umbau hat vielmehr auch deshalb vor allem <strong>für</strong><br />

Frauen negative Konsequenzen, weil er auf den in der DDR entwickelten patriarchalen<br />

Strukturen vollzogen wird. Die in der DDR schlecht bezahlte »Manövriermasse<br />

weibliche Arbeitskraft« wird unter den heutigen Umständen zur<br />

Arbeitskraftreserve. In der Folge treten eine Vielzahl sozialer Härtefälle ein, da<br />

das bundesdeutsche System der sozialen Absicherung nicht auf die DDR-spezifische<br />

Sozialstruktur der weiblichen Bevölkerung abgestimmt ist. In dieser Situation<br />

gilt es, frauenpolitische Forderungen verstärkt durchzusetzen. Frauenfragen<br />

DAS ARGUMENT 198/1993 ©

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