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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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238 Ingrid Arbeitlang<br />

vor allen die einjährige Freistellung nach der Geburt eines Kindes (Babyjahr)<br />

heraus. Das Babyjahr wurde zu einer Zäsur, die nicht nur den beruflichen Aufstieg<br />

erschwerte, sondern meist auch zu einer Dequalifizierung bei der Wiederaufnahme<br />

der Erwerbstätigkeit führte (vgl. Trostmann 1989, 27ff.). Außerdem<br />

kalkulierten die Betriebe die Ausfallzeiten bei Frauen bereits dahingehend ein,<br />

daß sie junge Frauen <strong>für</strong> Qualifizierungsmaßnahmen und Leitungstätigkeiten gar<br />

nicht erst in Erwägung zogen: »Ein relativ hoher Anteil weiblicher Hoch- und<br />

Fachschulkader wird - häufig bereits in der Voraussicht, daß durch Geburten<br />

und Krankheiten der Kinder Ausfalle zu erwarten sind - an weniger verantwortlichen<br />

Positionen in den Betrieben eingesetzt.« (Gantz; Schlegel 1985, zit. in:<br />

Röth 1989, 112)<br />

In den dargestellten Zusammenhängen wird deutlich, daß quantitative Angaben<br />

über den Anteil erwerbstätiger Frauen kein aussagekräftiger Indikator <strong>für</strong> eine<br />

Gleichberechtigung der Geschlechter ist. Gleiches gilt in bezug auf den Vergleich<br />

des Ausbildungsniveaus von Männern und Frauen. Ausbildungsabschlüsse<br />

sind formale Kriterien, die wenig über das Sozialprestige der anschließend<br />

ausgeübten Erwerbstätigkeit aussagen. Krankenschwestern wurden beispielsweise<br />

seit 1982 an Fachschulen ausgebildet, sie waren in den sozialen Hierarchie<br />

allerdings im unteren Bereich angesiedelt. In der Konsequenz bedeutete die<br />

geschlechtsspezifische horizontale und vertikale Segregation des Erwerbsbereichs<br />

nicht allein eine benachteiligte Position von Frauen im Sozialprestige,<br />

sondern auch gravierende materielle Nachteile. Das Einkommen von Frauen lag<br />

durchschnittlich um 25 Prozent niedriger als das von Männern (vgl. Ochs 1990,<br />

292f.). Die wichtigsten Gründe <strong>für</strong> die Einkommensdifferenz sind: 1. Die unterschiedlichen<br />

Löhne in den »weiblichen« und »männlichen« Erwerbsbereichen.<br />

2. Der Anteil von Männern und Frauen in den Lohngruppen. In den bei den<br />

unteren Lohngruppen 4 und 5 arbeiteten 56,7 Prozent der Frauen, aber nur 21,7<br />

Prozent der Männer. Umgekehrt waren 13,8 Prozent der Frauen und 43 Prozent<br />

der Männer in den oberen Lohngruppen 7 und 8 eingestuft (vgl. ebd., 294). Eine<br />

hohe berufliche Qualifikation war keine Garantie <strong>für</strong> einen Arbeitsplatz in einer<br />

oberen Lohngruppe. Eine Untersuchung über Einkommensstrukturen kam 1989<br />

zu dem Ergebnis, daß ein Mann, der die Polytechnische Oberschule nach der<br />

8. Klasse verlassen und einen »Teilberuf« erlernt hatte, durchschnittlich mehr<br />

verdiente als Frauen mit Abiturabschluß (vgl. Röth 1989, 150). 3. Männer und<br />

Frauen hatten unterschiedliche Möglichkeiten, nach dem Leistungsprinzip<br />

Zuschläge zu erhalten. Sie wurden Z.B. <strong>für</strong> Überstunden, Nacht- und Schichtarbeit<br />

gezahlt. Da Frauen primär verantwortlich <strong>für</strong> die familiären Aufgaben<br />

waren, konnten sie seltener die zusätzlichen Arbeitsleistungen erbringen.<br />

Das von der Regierung der DDR erklärte Ziel, durch das Erwerbseinkommen<br />

die soziale Stellung der Geschlechter anzugleichen, wurde unter diesen Voraussetzungen<br />

nicht erreicht. Das Geschlecht blieb auch in der DDR eine soziale<br />

Strukturkategone. Die gesellschaftliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung<br />

reproduzierte sich mit der Geschlechterpolarisierung im Erwerbsbereich und<br />

hatte auch hier den gleichen Nutzen <strong>für</strong> die ökonomische Entwicklung: Die gesellschaftlich<br />

notwendige Reproduktionsarbeit wurde von Frauen geleistet,<br />

unentgeltlich in der Familie und schlecht bezahlt in der Erwerbsarbeit. Zwar<br />

DAS ARGUMENT 198/1993 ©

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