Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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234 Ingrid Arbeitlang<br />
die Diskriminierung von Frauen nicht immer mit Privilegien <strong>für</strong> Männer verbunden<br />
ist. Die Alleinzuständigkeit der Frauen <strong>für</strong> die Kindererziehung ist ein<br />
elementarer Aspekt einer patriarchalen Familienordnung.<br />
Die exemplarische Analyse der gesetzlichen Grundlagen der DDR läßt drei<br />
Dimensionen patriarchaler Strukturen erkennen: 1. Das Verhältnis der Geschlechter<br />
konnte sich durch das Fortschreiben traditioneller Sozialrollen nicht grundlegend<br />
verändern. Die individuelle Entscheidung von Männern und Frauen, bei<br />
der Kindererziehung und Haushaltsführung eine andere als die traditionelle<br />
Arbeitsteilung vorzunehmen, wurde durch die gesetzlichen Regelungen erschwert.<br />
Die Regelungsmuster des Arbeitsgesetzbuches waren ein zweischneidiges<br />
Schwert. Die Frauenförderung, besser: Mütterförderung, in Form von positiver<br />
Diskriminierung bedeutete zwar Unterstützung, aber sie schrieb die traditionellen<br />
Geschlechterrollen fest. 2. Als Maßstab <strong>für</strong> Frauenförderungsmaßnahmen<br />
fungierte die männliche Erwerbsbiographie - bei der Kindererziehung und<br />
Hausarbeit nicht vorgesehen sind - ebenso wie die männliche Arbeitskraft. Dadurch<br />
erscheint die mehrfache Leistung von Frauen in Form von gleichzeitiger<br />
Reproduktionsarbeit und Erwerbstätigkeit ebenso als ein Defizit wie ihre biologische<br />
Konstitution. 3. Die Tatsache, daß Frauenförderung vor allem Mütterförderung<br />
war, hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf das Herausbilden<br />
einer weiblichen Identität. Das Wort »Frau« wurde zum Synonym <strong>für</strong><br />
»Mutter«, wie auch das Schlagwort von der »Muttipolitik« zeigt, mit dem die<br />
Durchführungsbestimmungen zum Arbeitsgesetzbuch charakterisiert wurden.<br />
Was in den rechtlichen Rahmenbedingungen an struktureller Diskriminierung<br />
verankert war, fand seine Entsprechung in der Frauenerwerbspolitik der DDR,<br />
wie sie seit Anfang der siebziger Jahre betrieben wurde. Ihre Analyse steht unter<br />
der Fragestellung, ob die Erwerbsarbeit von Frauen zu vergleichbaren Einkommens-<br />
und Statusverhältnissen führte wie bei Männern. Bei der Betrachtung aller<br />
Erwerbszweige in der DDR wird eine horizontale Segregation, d.h. geschlechtsspezifische<br />
Aufteilung deutlich. Sie entspricht der Trennung, die in der Volkswirtschaftslehre<br />
zwischen dem nichtproduzierenden und produzierenden Bereich,<br />
d.h. zwischen dem Dienstleistungsbereich und der industriellen Produktion vorgenommen<br />
wurde. Frauen arbeiteten überwiegend im Dienstleistungsbereich,<br />
also dort, wo nach der Arbeitswertlehre der DDR keine wertschöpfenden Leistungen<br />
erbracht wurden. Ende der achtziger Jahre betrug der Anteil der Frauen<br />
an der Gesamtzahl der Beschäftigten im Sozialwesen 91,8, Gesundheitswesen<br />
83,3, Bildungswesen 77, Post- und Fernmeldewesen 68,9, Handel und in anderen<br />
Dienstleistungseinrichtungen sowie in der Verwaltung 72,7 Prozent (vgl. Nickel<br />
1989a, 11, und 1990, 40). Eine weitere Trennungslinie verlief in der Industrie<br />
zwischen Produktionsberufen und »anderen Berufen«. Die Arbeitslöhne und<br />
Zusatzzahlungen (z.B. Prämien, Zuschläge <strong>für</strong> Schichtarbeit) in Produktionsberufen<br />
bildeten den Maßstab <strong>für</strong> das durchschnittliche Arbeitseinkommen. Dagegen<br />
waren ArbeiterInnen »in anderen Berufen« unterdurchschnittlich bezahlt.<br />
Im Jahr 1981 arbeiteten von den insgesamt 48,7 Prozent Arbeiterinnen nur 18<br />
Prozent in Produktionsberufen, und zwar vor allem in der Textil- und Bekleidungsindustrie,<br />
in der Elektronischen, Elektrotechnischen und Leichtindustrie.<br />
Diese nach Geschlechtern polarisierte horizontale Segregation in der Erwerbs-<br />
DAS ARGUMENT 19811993 ©