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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Internationale Regulation 219<br />

Demokratisierungsprozesse kaum eine Chance haben. Wenn die bedingungslose<br />

Unterwerfung unter die Dynamik des globalen Akkumulationsprozesses vermieden<br />

und eigene, auf den jeweiligen natürlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten<br />

aufbauende Entwicklungsmuster realisiert werden sollen, bedarf es<br />

einer demokratischen Mobilisierung der gesamten Bevölkerung, umfassender<br />

sozialer Kompromisse und der Freisetzung gesellschaftlicher Innovationsfahigkeit<br />

und Kreativität, die ohne ein hohes Maß an Pluralismus und Demokratie und<br />

ohne ein entsprechendes gesellschaftliches <strong>Institut</strong>ionensystem kaum denkbar<br />

sind (Hurtienne 1987, 144ff.). Es bedarf vor allem der Umwälzung bestehender<br />

gesellschaftliche\" Machtstrukturen und Klassenverhältnisse. Dies setzt »revolutionäre«<br />

Prozesse national-popularen Charakters voraus, die sich von den vielfach<br />

gescheiterten Strategien einer etatistischen »Reform« oder »Revolution« von<br />

oben grundlegend unterscheiden müssen (Dabat 1991, 25ff.; Messner/Stamer<br />

1992; Robles 1992, 115ff.; Amin 1992, 63ff.). Zugleich kann als sicher gelten,<br />

daß sich »Demokratie« in peripheren Ländern auch unter der Annahme universell<br />

geltender Menschenrechte nicht einfach an den <strong>für</strong> die entwickelten kapitalistischen<br />

Metropolen geltenden Normen und Kriterien orientieren kann, sondern<br />

an die jeweils gegebenen gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen und<br />

Traditionen gebunden bleiben muß (vgl. dazu Tetzlaff 1991).<br />

Damit ist freilich zunächst einmal kein kohärentes Konzept, sondern eher ein<br />

Widerspruch benannt. Deutlich wird dies daran, wie in der entwicklungspolitischen<br />

Diskussion mit dem jüngst in Mode gekommenen Begriff der »demokratischen<br />

Zivilgesellschaft« umgegangen wird. Ist dessen Verwendung schon im<br />

Zusammenhang mit den entwickelten, demokratisch-kapitalistischen Gesellschaften<br />

extrem ideologisch aufgeladen (vgl. Hirsch 1992b), so gilt dies um so<br />

mehr, wenn er auf abhängig-periphere Länder ohne starke bürgerlich-demokratische<br />

Traditionen projeziert wird. Richtig ist, daß Demokratie davon abhängt,<br />

daß neben dem formellen politischen Apparat des bürgerlichen Repräsentativsystems<br />

eine umfassende, institutionell entwickelte und gefestigte Sphäre gesellschaftlicher<br />

Selbsttätigkeit und Selbstorganisation als Grundlage öffentlicher<br />

lnformations-, Diskussions- und Konsensfindungsprozesse besteht. Ebenso richtig<br />

ist auch, daß die Labilität und das Scheitern vieler peripherer Demokratien<br />

mit der Unausgebildetheit dieser gesellschaftlichen Sphäre zu tun hat. Berücksichtigt<br />

man aber andererseits, daß die Entstehung der immer noch höchst<br />

bescheidenen »zivilgesellschaftlichen« Strukturen in den entwickelten kapitalistischen<br />

Ländern nicht nur sehr lange gedauert hat, sondern auch deren ökonomische<br />

Überlegenheit, deren Reichtum und deren relative Unabhängigkeit zur<br />

Voraussetzung hatte, so stehen die Chancen <strong>für</strong> die heutige Peripherie mehr als<br />

schlecht. Wenn die klassisch modernisierungstheoretische Annahme falsch ist,<br />

daß sich demokratische politische Verhältnisse im Gefolge des ökonomischen<br />

Wachstums quasi von selbst herausbilden und diese unter den Bedingungen globaler<br />

Abhängigkeitsstrukturen vielmehr Voraussetzung einer eigenständigen<br />

ökonomischen Entwicklung sind, dann besteht ein zunächst einmal unauflöslich<br />

erscheinender Zirkel. Der in der jüngsten »Zivilgesellschafts«-Diskussion<br />

höchst selten benannte Widerspruch besteht darin, daß die liberale Marktökonomie,<br />

insofern sie auf Konkurrenz, Besitzindividualismus und Trennung von Staat<br />

DAS ARGUMENT 19811993 ©

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