Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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208 Joachim Hirsch<br />
nicht unmittelbar dem Verwertungsprozeß unterworfener gesellschaftlicher<br />
Sektoren: auf kapitalistische Warenproduktion gestützter Massenkonsum, Industrialisierung<br />
der Haushalte und der Landwirtschaft, Kommerzialisierung von<br />
Dienstleistungen usw., von B. Lutz zutreffend als »innere Landnahme« bezeichnet<br />
(Lutz 1984). Dem Rückgang nicht- oder kleinwarenförmiger Subsistenzproduktion<br />
entsprach eine starke Zunahme der Lohnabhängigkeit und damit eine<br />
grundlegende Verschiebung der Klassenstrukturen. Als Folge dieser Binnenmarktorientierung<br />
sank die Exportabhängigkeit der Zentren. Handel und Investitionen<br />
konzentrierten sich stärker auf diese, und die Bedeutung der Peripherie<br />
<strong>für</strong> den metropolitanen Akkumulationsprozeß ging insgesamt zurück: sie<br />
geriet mehr und mehr in die Rolle einer bloßer Arbeitskraft- und Rohstofflieferantin.<br />
In dieser Phase und angesichts des Zusammenbruchs des Welthandels in<br />
den dreißiger Jahren versuchten einige periphere Länder, unter dem Schutz<br />
ho her Zollmauern einen Industrialisierungsprozeß einzuleiten, der im wesentlichen<br />
auf eine Kopie des fordistischen Akkumulationsmodells hinauslief (»Importsubstitutionspolitik«).<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die relative Stabilität<br />
der Weltwirtschaft durch die hegemoniale Position der USA, die Installierung<br />
des US-Dollar als »Weltgeld« und das mit dem Bretton-Woods-Abkommen<br />
geschaffene System internationaler <strong>Institut</strong>ionen (IWF, Weltbank, GATT) gewährleistet.<br />
Dieses »internationale Regime« ermöglichte unter den Bedingungen<br />
eines ausgebauten Staatsinterventionismus einen relativ hohen Grad nationalstaatlicher<br />
wirtschaftspolitischer Autonomie, was nicht nur eine Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> die periphere »Importsubstitutionspolitik« war, sondern zugleich eine globale<br />
Ausbreitung des fordistischen US-Modells ermöglichte. Die allmähliche Wiedererrichtung<br />
eines liberalisierten Weltmarkts war Grundlage einer fortschreitenden<br />
Internationalisierung des Kapitals und führte dazu, daß es insbesondere Japan<br />
und Westeuropa in relativ kurzer Zeit gelang, den technologischen Vorrang der<br />
USA in Frage zu stellen und deren Produktivitätsvorsprung einzuholen (Lipietz<br />
1987, 39ff.; Marmora und Messner 1989, 131ff.; Fröbel u.a. 1987, 92ff.).<br />
Die in den siebziger Jahren ausgebrochene Krise des Fordismus in den kapitalistischen<br />
Zentren war im Kern eine Krise der Profitabilität (Lipietz 1987, 29ff.).<br />
Die sich erschöpfenden Produktivitätsreserven des tayloristischen Massenproduktionsmodus<br />
kollidierten immer stärker mit der herrschenden keynesianischsozialstaatlichen<br />
Regulationsform, was zu einem deutlichen Rückgang der<br />
Profitraten führte. Zusätzlich verstärkte eine wachsende Konkurrenzfahigkeit<br />
einiger industrieller »Schwellenländer« die Kapitalverwertungsprobleme in den<br />
Zentren. Die unter dem Schirm der fordistischen internationalen Regulation<br />
durchgesetzte Internationalisierung des Kapitals wurde selbst zu einem Krisenfaktor<br />
(Robles 1992, 97ff.). Gemäß ihrer jeweiligen nationalen Wachstumsrnodelle<br />
traf die Krise die entwickelten kapitalistischen Länder in unterschiedlicher<br />
Weise, und in der Peripherie machten sich ihre Auswirkungen mit einer zeitlichen<br />
Verzögerung erst zu Beginn der achtziger Jahre manifest bemerkbar.<br />
Eine Folge der Krise bestand in einer forcierten technologischen Umwälzung<br />
der »fordistischen« Produktionsprozesse in den kapitalistischen Zentren, um<br />
neue Produktivitätsspielräume zu erschließen. Dazu gehört die Durchsetzung<br />
neuer Informations- und Kommunikationstechnologien mit der darauf gestützten<br />
DAS ARGUMENT 19811993 ©