Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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206 Joachim Hirsch<br />
prozesses einzuschätzen sind. Tatsächlich vergrößern die damit verbundenen Veränderungen<br />
in der Position der Nationalstaaten und in den Spielräumen nationaler<br />
Regulation die Notwendigkeit eines fester institutionalisierten internationalen<br />
Regulationszusammenhangs. Dem widerspricht allerdings, daß es eben die Globalisierung<br />
des Kapitalverhältnisses ist, die institutionalisierte Regulationszusammenhänge<br />
sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zunehmend<br />
unterminiert (McGrew u.a. 1992, 197ff.). Ob dagegen auf die Herausbildung<br />
einer »transnationalen Kapitalistenklasse«, bestehend aus staatlichen<br />
Repräsentanten, internationalen Organisationen, multinationalen Unternehmungen<br />
und multinationalen Banken« gebaut werden kann, »die vom gemeinsamen<br />
Interesse an der Internationalisierung der Produktion« geleitet werden, wie<br />
Robles meint (Robles 1992, 289; eigene Übers.), erscheint eher zweifelhaft. Die<br />
Internationalisierung des Kapitals ist selbst kein automatischer, einer reinen<br />
ökonomischen Logik folgender Prozeß, sondern wesentlich politisch, und das<br />
heißt, auch durch nationale Interessenformations- und Konkurrenzverhältnisse<br />
bestimmt.<br />
Die regulationstheoretische Konzeption des globalen Kapitalismus hat wichtige<br />
krisentheoretische Konsequenzen. Die »säkularen«, periodisch auftretenden<br />
Weltwirtschaftskrisen sind weder als Addition nationaler Krisenprozesse noch<br />
als einfacher Ausdruck einer sich global durchsetzenden allgemeinen Krisengesetzlichkeit<br />
zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um sich wechselseitig bedingende<br />
und verstärkende Störungen der nationalen wie internationalen Akkumulations-<br />
und Regulationszusammenhänge, die den darin ruhenden und spezifisch<br />
geformten ökonomisch-sozialen Prozessen geschuldet sind. Dies erklärt, weshalb<br />
globale Krisen einzelne Länder höchst unterschiedlich treffen und gegebenenfalls<br />
auch weitgehend unberührt lassen können. Sie sind zu unterscheiden<br />
von »Krisen der Wettbewerbsfähigkeit«, die einzelne nationale Kapitalismen<br />
betreffen können und entsprechende Anpassungsprozesse erzwingen (Mistral<br />
1986, 197). Die Krise einer nationalen Formation kann damit erklärt werden, daß<br />
die Dynamik des Akkumulationsprozesses im Rahmen eines Akkumulationsregimes<br />
(Veränderung der Kapitalzusammensetzung, der Branchenstruktur,<br />
Grenzen der Rationalisierung usw.) mit dem existierenden Regulationssystem<br />
und seinen politisch-sozialen Prozessen und Klassenkompromissen kollidiert<br />
und damit der Kapital verwertungsprozeß zu stocken beginnt. Je mehr ein historisches<br />
Akkumulations- und Regulationsmodell sich unter der Hegemonie eines<br />
dominanten Landes global durchsetzt, desto übergreifender und umfassender<br />
werden die in ihm angelegten Krisentendenzen zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig<br />
weist das internationale Regulationssystem eigene Instabilitätsmomente<br />
auf. Insbesondere kann die Position der hegemonialen Macht durch das Auftreten<br />
starker Konkurrenten untergraben werden. Diese sind in der Regel nicht<br />
deshalb erfolgreich, weil sie das dominante Wachstumsmodell einfach kopieren,<br />
sondern weil es ihnen ihre internen politisch-sozialen Strukturen erlauben,<br />
effektivere Alternativen zu entwickeln (»europäisches« oder »japanisches«<br />
Modell in Konkurrenz zur US-amerikanischen Form des Fordismus z. B.: vgl.<br />
dazu Boyer 1992; McGrew u.a. 1992, 174ff.). Die Erosion hegemonialer Positionen<br />
wird also durch sowohl interne wie externe Faktoren verursacht. Die davon<br />
DAS ARGUMENT 198/1993 ©