Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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198 loachim Hirsch<br />
»Logik« des Kapitals noch ein »reines« Wirken des Wertgesetzes. Diese sind vielmehr<br />
immer schon politisch, durch das - institutionell eingebundene - Handeln<br />
konfligierender Akteure modifiziert und geformt. Gleichzeitig unterliegt dieses<br />
Handeln strukturellen Zwängen und bleibt regelmäßig in die herrschenden sozialen<br />
Formen - gekennzeichnet etwa durch die von Klassenlage und Marktkonkurrenz<br />
widersprüchlich geprägte Interessenorganisierung oder durch die in den<br />
<strong>Institut</strong>ionen des politischen Systems sich ausdrückende Trennung von »Staat«<br />
und »Gesellschaft« - eingebunden. Deshalb ist es fehlleitend, den historischen<br />
Entwicklungsprozeß des Kapitalismus nur mit Hilfe allgemeiner und abstrakter<br />
ökonomischer Kategorien wie Wert, Geld oder Klassenkampf beschreiben zu<br />
wollen. Die in der kapitalistischen Vergesellschaftungsform begründeten Gesetzmäßigkeiten<br />
kommen immer nur in historisch bestimmter, durch soziale Kräfteverhältnisse,<br />
institutionelle Konfigurationen, kulturelle Bedingungen und die<br />
politisch-strategischen Orientierungen handelnder Akteure geprägter Form zum<br />
Ausdruck. Diese an sich nicht neue Erkenntnis wird an Hand eines gegenüber<br />
herkömmlichen Basis-Überbau- oder Instanzen-Schemata sehr viel entwickelteren<br />
und differenzierteren Gesellschaftsmodells konkretisiert. Die Regulationstheorie<br />
betont vor allem die Bedeutung der Politik und der handelnden Akteure.<br />
Ökonomische Strukturen sind zwar entscheidender Bedingungsfaktor, aber<br />
zugleich auch veränderbares Objekt eines sozialen Handeins, das mit Hilfe<br />
»struktureller« Kategorien nicht ausreichend erklärt werden kann.<br />
Nationale und internationale Regulation<br />
Eine ausgeführte regulationistische <strong>Theorie</strong> des internationalen kapitalistischen<br />
Systems und seiner Entwicklung liegt bislang nicht vor. Es ist aber möglich, die<br />
im Regulationsansatz enthaltenen und in einigen Länderstudien ausgeführten<br />
Elemente eines solchen Konzepts zu skizzieren.<br />
In regulationstheoretischer Sicht ist das globale kapitalistische System als<br />
komplexe Verbindung nationaler Reproduktionszusammenhänge mit je eigenen<br />
Akkumulationsmodi und Regulationsweisen zu begreifen. Die nationalen Formationen<br />
bilden einen wesentlichen Ausgangspunkt der Analyse, weil sich in<br />
ihrem institutionellen Gefüge die sozialen Beziehungen zwischen Individuen und<br />
Klassen in der Weise verdichten, daß gesellschaftliche Kompromißgleichgewichte<br />
und politische Entscheidungsstrukturen möglich werden, ohne die eine<br />
Reproduktion des Kapitals und der Klassenverhältnisse dauerhaft nicht gewährleistet<br />
wäre. Dies heißt nicht, daß der globale Kapitalismus als bloße Summe<br />
nationaler Formationen zu verstehen ist. Entscheidend ist vielmehr die Art und<br />
Weise ihrer Verbindung, die selbst wiederum und tendenziell immer stärker<br />
durch die Dynamik des globalen Akkumulationszusammenhangs bestimmt<br />
wird. Mit der Betonung der analytischen Priorität der nationalen Formationen<br />
und des Politischen steht die Regulationstheorie in deullichem Gegensalz ZU!<br />
Weltsystemtheorie und daran orientierten Konzepten (vgl. Wallerstein 1979 und<br />
1985): eine entscheidende Veränderungsdynamik der internationalen Beziehungen<br />
und Weltmarktrelationen geht von den politisch bestimmten Entwicklungsund<br />
Krisenprozessen nationaler Formationen aus (Mistral 1986, 170ff.).<br />
DAS ARGUMENT 198/1993 ©