Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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196 Joachim Hirsch<br />
komplexen Wechselverhältnis zu dem jeweiligen Typus von Kapitalverwertung<br />
und -akkumulation stehen. Diese raum-zeitlich bestimmten kapitalistischen Formationen<br />
werden mit den Begriffen »Akkumulationsregime« und »Regulationsweise«<br />
beschrieben. Diese kennzeichnen die je besonderen Formen der Kapitalverwertung,<br />
der Klassenverhältnisse, der politisch-sozialen <strong>Institut</strong>ionen und<br />
Prozesse, die den jeweiligen Gesellschaftsformationen ihren spezifischen<br />
Charakter verleihen und zugleich eigene Entwicklungs- und Krisendynamiken<br />
beinhalten.<br />
Das Gesamtkonzept des Regulationsansatzes kann hier nicht dargestellt werden.<br />
und ebenso wenig ist es möglich, auf die Problematiken und Defizite seiner<br />
verschiedenen Varianten einzugehen (vgl. v.a. Hirsch 1985, Häusler/Hirsch<br />
1987, Hübner 1989, Jessop 1990a und b, Hirsch 1990, 1992a, Robles 1992). Ich<br />
beschränke mich daher auf die Skizze einiger wichtiger Begriffe und Grundannahmen.<br />
Lipietz bezeichnet als Akkumulationsregime den »Modus der systematischen<br />
Verteilung und Reallokation des gesellschaftlichen Produkts, der über<br />
eine längere Periode hinweg ein bestimmtes Entsprechungsverhältnis zwischen<br />
den Veränderungen der Produktionsbedingungen (dem Volumen des eingesetzten<br />
Kapitals, der Distribution zwischen den Branchen und dem Produktionsniveau)<br />
und den Veränderungen in den Bedingungen des Endverbrauchs (Konsumnormen<br />
der Lohnabhängigen und anderer sozialer Klassen, Kollektivausgaben<br />
usw.) herstellt« (Lipietz 1985, 120). Mit Regulationsweise hingegen wird »die<br />
Gesamtheit institutioneller Formen, Netze, expliziter oder impliziter Normen«<br />
bezeichnet, »die die Vereinbarkeit von Verhaltensweisen im Rahmen eines Akkumulationsregimes<br />
sichern, und zwar sowohl entsprechend dem Zustand der<br />
gesellschaftlichen Verhältnisse als auch über deren konfliktorische Eigenschaften<br />
hinaus« (ebd., 121). Der Staat - dem in den vorliegenden regulationstheoretischen<br />
Ansätzen indessen ein eigentümlich geringes Interesse entgegengebracht<br />
wird - kann insofern als Zentrum regulativer <strong>Institut</strong>ionengefüge und Prozesse<br />
betrachtet werden, als sich in ihm die sozialen Kräfteverhältnisse und Klassenbeziehungen<br />
institutionell verdichten und soziale Kompromisse kodifiziert und<br />
gewaltsam stabilisiert werden. Der Staat ist indessen nicht als autonomer Akteur<br />
zu verstehen, sondern als ein Feld, auf dem sich Klassenbeziehungen institutionell<br />
materialisieren (so v.a. Poulantzas 1978). Die konkrete Gestalt und Funktionsweise<br />
der staatlichen Apparatur ist Bestandteil des jeweiligen Akkumulations-<br />
und Regulationsmodus und verändert sich mit diesem.<br />
Im Kern richtet sich die Fragestellung der Regulationstheorie darauf, wie eine<br />
auf Privatproduktion und Warentausch beruhende kapitalistische Klassengesellschaft<br />
überhaupt bestandsfahig sein kann. d.h. wie ihre Reproduktion trotz<br />
struktureller Antagonismen und Konflikte möglich ist. Dies kann nicht ausschließlich<br />
mit dem Wirken stummer ökonomischer Mechanismen erklärt werden.<br />
Auch das Wertgesetz, das im Zentrum der Marxschen Analyse steht, liefert<br />
da<strong>für</strong> keine hinreichende Begründung. Vielmehr benötigt jedc kapitalistische<br />
Gesellschaft ein institutionell-normatives Netzwerk, das die divergierenden<br />
Strategien und Handlungen konkurrierender und miteinander kämpfender Individuen,<br />
Gruppen und Klassen in einer mit den Bedingungen der Kapitalakkumulation<br />
vereinbaren Weise aufeinander zu beziehen vermag. Wie die <strong>für</strong> den<br />
DAS ARGUMENT 19811993 ©