Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Joachim Hirsch<br />
Internationale Regulation<br />
Bedingungen von Dominanz, Abhängigkeit und Entwicklung<br />
im globalen Kapitalismus<br />
Das Konzept der Regulationstheorie<br />
Die Krise der siebziger und achtziger Jahre hat auch die Erklärungskraft der<br />
herrschenden <strong>Theorie</strong>n über den globalen Kapitalismus und seine Entwicklung<br />
in Frage gestellt. Angesichts der sich durchsetzenden Neustrukturierung der<br />
internationalen Dominanz- und Abhängigkeitsverhältnisse und vor allem sehr<br />
ungleicher Entwicklungen innerhalb des »Zentrums« und der »Peripherie«, nicht<br />
zuletzt des Niedergangs der US-Hegemonie und des Aufstiegs einiger »newly<br />
industrializing countries«, wuchsen die Zweifel an der Tragfähigkeit nicht nur<br />
der etablierten Modernisierungskonzepte, sondern auch der Dependenztheorie<br />
in ihren verschiedenen Varianten. Die diesen Ansätzen im Prinzip zugrundeliegende<br />
Annahme eines zeitlich und räumlich homogenen, von allgemeinen<br />
ökonomischen Gesetzmäßigkeiten bestimmten kapitalistischen Weltsystems ist<br />
offensichtlich so nicht haltbar. Tatsächlich nimmt der globale Kapitalismus im<br />
Laufe der historischen Entwicklung sehr unterschiedliche Gestalten an, Art und<br />
Verteilung der internationalen Dominanz- und Abhängigkeitsverhältnisse verändern<br />
sich und die Beziehungen zwischen Weltmarkt und nationalen Formationen<br />
sind erheblich komplexer, als in der Regel unterstellt wurde. Es ist offensichtlich,<br />
daß die Annahme zeitlich und räumlich universell gültiger ökonomischer<br />
Gesetzmäßigkeiten zur Erklärung der realen Entwicklung des Kapitalismus<br />
nicht ausreicht und daß die damit verbundenen ökonomistischen und funktionalistischen<br />
Erklärungsvarianten unhaltbar sind (Lipietz 1987, Marmora und<br />
Messner 1989 und 1991, Hettne 1990, Hurtienne 1992, Menzel 1992, Boeckh<br />
1992). Seither ist der Streit der theoretischen Schulen erheblich abgeebbt. Ob es<br />
freilich angemessen ist, nach dem Scheitern einiger »großer« <strong>Theorie</strong>n« auf die<br />
Formulierung allgemeinerer theoretischer Erklärungsansätze überhaupt zu verzichten<br />
(so Z.B. Menze1 1992), darf indessen bezweifelt werden.<br />
Die Entwicklung der »<strong>Theorie</strong> der Regulation« (Aglietta 1976, Boyer 1986a,<br />
Lipietz 1985 und 1987, Hübner 1989, Jessop 1990a, Hirsch 1990) ist als Reaktion<br />
auf diese Krise und die in ihrem Gefolge durchgesetzten weltweiten Restrukturierungsprozesse<br />
zu verstehen. Sie konzentriert sich auf die räumliche und<br />
zeitliche Diskontinuität der kapitalistischen Entwicklung, die es notwendig<br />
macht, sich mit den Bedingungen der Herausbildung von Gesellschaftsformationen<br />
zu beschäftigen, die in ihren ökonomischen, sozialen und politischen Strukturell<br />
höchst ullterschieulich SillU. Eille Grulluiilllliihllle ue! Reguliitiullstheurie<br />
ist, daß die konkrete Entwicklung des Kapitalismus keiner vorausbestimmten<br />
Logik gehorcht, sondern ganz wesentlich durch politisch-soziale Auseinandersetzungen<br />
und Kräfteverhältnisse bestimmt wird, die sich in historisch spezifischen<br />
institutionellen und normativen Konfigurationen verdichten und in einem<br />
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DAS ARGUMENT 198/1993 ©