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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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192 Yuri Krasin<br />

Reform der russischen Gesellschaft ist, wie sich der bürokratische Apparat des<br />

Totalitarismus abreißen läßt, ohne die Grundlagen der Staatlichkeit zu gefährden.<br />

Die Politik der Perestrojka wurde und wird kritisiert wegen Unentschiedenheit<br />

und Inkonsistenz hinsichtlich totalitarismus naher Machthebel. Im Rückblick<br />

fällt es nicht schwer, Beispiele <strong>für</strong> Verzögerungen oder mangelnden Radikalismus<br />

politischer Veränderungen zu finden. Doch beweisen die seitherigen<br />

Erfahrungen auch, daß es ernsthafte Gründe <strong>für</strong> ein vorsichtiges Herangehen<br />

gab, um nicht zusammen mit dem bürokratischen System die russische Staatlichkeit<br />

insgesamt einzureißen.<br />

Heute geht es um die Rekonstruktion des russischen Staates, zumal dieser eine<br />

entscheidende Rolle bei der Schlichtung der Nationalitätenprobleme spielen<br />

muß. Aber nicht auf der alten Einbahnstraße der Zentralisierung der Macht. Und<br />

schon gar nicht auf dem Weg einer Abschaffung der zeitraubenden Vermittlungsprozeduren,<br />

die der Parlamentarismus verlangt. Nicht Konzentration der Macht,<br />

sondern klare Gewaltenteilung und eine geduldige Arbeit an den Mechanismen<br />

und Verfahren einer demokratischen Entscheidungsbildung und an ihrer Implementierung<br />

sind gefragt. Gefahr droht heute auch von einem Elite-Avantgardismus<br />

neuen Typs. Wieder einmal heißt es, das russische Volk sei nicht reif <strong>für</strong><br />

Demokratie. Ein parabolschewistisches Politikmuster grassiert bei Marktanhängern<br />

und »Demokraten«. Eine weitere Falle stellt der antistaatliche Anarcholiberalismus.<br />

Adam Przeworsky (Democracy and the Market, New York 1991,<br />

39) hat recht, wenn er es <strong>für</strong> eine entscheidende Weichenstellung erklärt, ob die<br />

führenden politischen Gestalten demokratische <strong>Institut</strong>ionen akzeptieren werden,<br />

in denen der Konsens sich bilden kann. Dazu gehört die Entwicklung und<br />

allgemein-konsensuelle Durchsetzung von »Spielregeln« inmitten der Zerreißproben<br />

durch Krisen und Konflikte. Noch zeichnet sich der Weg in die Zukunft<br />

nicht klar ab, und das Land schlingert. Politische Verhältnisse und Strukturen<br />

sind amorph und dunkel. Die Gewohnheiten und Traditionen von gestern bestehen<br />

weiter. Das Tote greift nach dem Lebendigen. Neue <strong>Institut</strong>ionen und<br />

Lebensweisen werden von Leuten etabliert, die in der totalitären Gesellschaft<br />

großgezogen worden sind. Es gibt aber kein anderes Material als das von der<br />

Vergangenheit geerbte. Die Widersprüche der Reform, die Polarisierung der<br />

gesellschaftlichen Kräfte, das Erbe der Konfrontationskultur und das Übel ideologischer<br />

Intoleranz verdammen Rußland zur Perspektive »pulsierender Entwicklung

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