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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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190 Yuri Krasin<br />

Es ist ein Weg konstruktiver Kooperation im Zuge einer evolutionären demokratischen<br />

Umgestaltung der wirklichen Gesellschaft, die wir haben.<br />

Der soziale Organismus in Rußland hat die Wundermittel der »Schocktherapie«<br />

wieder ausgeschieden. Das Ziel ist nun, die Wirtschaft zu stabilisieren und<br />

ihre Reform fortzuführen. Ein Rückzug wird ebensowenig zu einer Besserung<br />

führen wie ein rücksichtsloses Vorpreschen; beides wird nur zu Komplikationen<br />

führen und die Gesellschaft vermutlich spalten. Statt der »Schocktherapie« ist<br />

eine Politik gefragt, die mit mit einem Bündel therapeutischer Maßnahmen operiert,<br />

eine Therapie, deren Erfolg von der richtigen Auswahl der Prioritäten<br />

abhängt und vom schnellen Erzielen selbst kleiner Verbesserungen, auf die die<br />

Bevölkerung so sehr wartet. Einige der Prioritäten liegen auf der Hand. So ein<br />

Agrarprogramm, das sowohl die privaten wie die öffentlichen Unternehmensformen<br />

unterstützt: Entwicklung kleinerer und mittlerer Betriebe vor allem an<br />

der Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Fertigungsindustrie, um den Konsumentenmarkt<br />

zu beliefern; ein Maßnahmenpaket gegen die Inflation zur Vorbereitung<br />

einer Deflationspolitik, die den Rubel aufwerten und die marktorientierte<br />

Produktion stimulieren kann; die Korrektur des eingeschlagenen Privatisierungskurses<br />

mit der Verlagerung des Schwerpunkts auf die Privatisierung von<br />

Klein- und Mittelbetrieben und der Ausarbeitung eines langfristig angelegten<br />

Programms zur organischen Umwandlung der industriellen Großbetriebe in so<br />

etwas wie »gesellschaftliche Unternehmen« durch Ausgabe von Anteilen und die<br />

Entwicklung einer Selbstverwaltung; ein Vorgehen gegen Korruption und kriminelle<br />

Organisationen, das zu schnellen Resultaten führt und dem Staat wieder<br />

Geltung verschafft. Derartige Sofortmaßnahmen könnten die Lage stabilisieren<br />

und einen schrittweisen Reformprozeß in Gang bringen.<br />

Besichtigung der Kräfte, Kräfteverhältnisse und Machtfragen<br />

Die totalitäre Staatsmacht hatte ihre eigenen nationalen und historischen Wurzeln<br />

in Rußland. Und doch resultierte sie unmittelbar aus dem Versuch einer<br />

Umsetzung der marxistischen Vorstellung von einer Diktatur des Proletariats in<br />

ihrer linksradikalen Interpretation durch Lenin, die dieser erst in seinen letzten<br />

Jahren zu korrigieren versuchte. Die marxistische Vorstellung der »Diktatur des<br />

Proletariats« war innerhalb der westlich-demokratischen Strömung als Hebel<br />

der Veränderung der Produktionsverhältnisse und zwecks Kompensation der<br />

Mängel der bürgerlichen Demokratie ausgearbeitet worden und zielte auf eine<br />

höhere Demokratie. Diese von Lenin übernommene Idee traf nun auf die radikal-egalitären<br />

Traditionen der russischen Befreiungsbewegung: daher 1917 der<br />

Triumph und der Versuch, mittels politischer Macht ein gigantisches Experiment<br />

der Vereinigung von Freiheit und Gleichheit zu beginnen. Dies führte zur<br />

erweiterten Reproduktion eines Konfrontationstyps politischer Kultur und zum<br />

Einsatz der Gewalt <strong>für</strong> die Verwirklichung utopischer Pläne. Zuerst hielt man die<br />

revolutionäre Diktatur <strong>für</strong> kurzfristig. Die ökonomische Krise radikalisierte sie<br />

jedoch. Das demokratische Ziel wurde in eine unbestimmte Zukunft vertagt,<br />

während die Mittel des Zwangs und der Gewalt zu einem Ziel an sich wurden.<br />

Das unpersönliche Staatseigentum an den Produktionsmitteln destrukturierte<br />

DAS ARGUMENT 19811993 ©

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