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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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180 Andrzej Malkiewicz/Jerzy Palys<br />

Sozialleistungen und der Leistungen <strong>für</strong> die Gesellschaft. Diese Erscheinungen<br />

haben die Gesamtnachfrage gedrückt, aber entgegen allen Erwartungen nicht die<br />

Inflation beseitigt, die sich weiterhin auf einem Niveau von 60 Prozent im Jahresdurchschnitt<br />

bewegt. Sie wird stimuliert durch das Wachstum der Produktionskosten,<br />

das seinerseits aus der Unmöglichkeit zu investieren resultiert.<br />

Als Ergebnis trat <strong>für</strong> einen großen Teil der Bevölkerung eine Verschlechterung<br />

der Lebensbedingungen ein, die aus der Verringerung der Realeinkommen und<br />

der Arbeitslosigkeit folgt. Die Arbeitslosigkeit, die vor 1989 nicht bekannt war,<br />

erfaßt heute mehr als 2,5 Millionen Menschen, das sind 13 Prozent der inländischen<br />

Erwerbsbevölkerung. Die prozentuale Höhe der Reallöhne betrug 1989 im<br />

Vergleich zum Vorjahr 106,3; 199067,7; 1991 97,3. Die Arbeitseinkommen in den<br />

landwirtschaftlichen Individualbetrieben betrugen 1989 im Vergleich zum Vorjahr<br />

113,5 %; 199050,1 %; 1991 81,3 Prozent. All diese Indikatoren zeigen, daß<br />

der Balcerowicz-Plan, der oft als eine Art und Weise des Aufbaus des Kapitalismus<br />

in Polen wahrgenommen wird, allenfalls die Bedingungen <strong>für</strong> eine spätere<br />

Transformation schaffen konnte. Jedoch wurden sogar diese Ziele nur in geringem<br />

Ausmaß erfüllt: tiefe Deformationen des Wirtschaftslebens traten ein,<br />

wobei die Meinungen auseinandergehen, in welchem Grade der Plan selbst<br />

schuld ist bzw. die Schäden den unumgänglichen Preis der Transformation darstellen.<br />

Der Prozeß des Aufbaus des Kapitalismus in Polen vollzieht sich sehr verschieden<br />

im Vergleich mit dem auf dem Territorium der ehemaligen DDR. Einige<br />

Erscheinungen wie der Niedergang der Produktion und die Massenarbeitslosigkeit<br />

sind ähnlich. Jedoch vollzieht sich in der ehemaligen DDR die Verbindung<br />

des neuen Marktes mit einer hochentwickelten kapitalistischen Metropole. Die<br />

Umstrukturierung der Wirtschaft erfolgt mit ihrer Einbeziehung in ein komplettes<br />

funktionierendes Netz und in den leistungsfahigen Mechanismus des westlichen<br />

Landesteils. Polen durchlebt dagegen einen Prozeß, den man als »Drittweltisierung«<br />

bezeichnen kann: Es kommt im kapitalistischen Weltsystem an,<br />

indem es an dessen Peripherie landet. Und mehr noch, es wiederholt sich ein<br />

Mechanismus, der schon einmal die Geschichte Ost-Mitteleuropas gestaltet hat.<br />

Im 16. bis 17. Jahrhundert drückte sich der Fortschritt in einem Teil des Kontinents<br />

östlich der EIbe in der Wiederholung von Formen aus, die Westeuropa<br />

schon längst durchlebt hatte, nämlich in einer Refeudalisierung. Heute wird in<br />

Polen das Kapitalismus-Modell der Raubritter-Gründer-Prägung verwirklicht.<br />

Der erste Teil dieser Formel - Raubritter - betrifft die Mitglieder der alten und<br />

neuen politischen Eliten, die nach der Losung »Aufbau des Kapitalismus« gierig<br />

und räuberisch die Privatisierung und PartIkularisierung der gesellschaftlichen<br />

Werte betreiben. Formell waren das illegale Erscheinungen, die der deklarierten<br />

Regierungspolitik widersprachen; aber in Wirklichkeit stimmen sie mit dieser in<br />

ihrem Inhalt und Sinn überein. Befördert wurde dies durch die Schwäche der<br />

staatlichen Strukturen, die einer Vielzahl von Veränderungen unterworfen sind.<br />

Der Gründercharakter des neuen polnischen Kapitalismus wiederum erinnert an<br />

die Bedingungen, die den Deutschen als Prozeß der ursprünglichen Akkumulation<br />

des Kapitals bekannt sind. Es entstehen viele kleine Betriebe, oft Ein-Person-Betriebe,<br />

die zumeist mit Handel beschäftigt sind und in die man besonders<br />

DAS ARGUMENT 19811993 @

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