Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Ökonomie 317<br />
Bereitschaft zu schrittweisen Lösungen auf dem Wege zur vollständigen »Befreiung«<br />
Palästinas gedeutet werden. Erst die sich zuspitzenden Existenzbedrohungen durch<br />
die Übermacht arabischer und israelischer Angriffe in Jordanien und im Libanon in<br />
den siebziger und achtziger Jahren führte den meisten Palästinensern das Scheitern<br />
gewalttormiger Optionen vor Augen. Um noch in einem letzten Zipfel Palästinas ihr<br />
Recht auf nationale Selbstbestimmung verwirklichen zu können, mußte die PLO<br />
ihre politischen und organisatorischen Anstrengungen auf die Westbank und den<br />
Gaza-Streifen konzentrieren. Das seit Ende 1987 andauernde breite Aufbegehren<br />
(Intifada) gegen die israelische Besatzung (270-305) sowie die palästinensische Friedensinitiative<br />
von 1988 (305-310) können als logische Konsequenz dieser Entwicklung<br />
begriffen werden.<br />
Nur sehr verhalten fallt Baumgartens Kritik an der palästinensischen Parteinahme<br />
<strong>für</strong> Saddam Hussein im Golfkrieg von 1991 aus. Ihr Bemühen, Verständnis <strong>für</strong> die<br />
Sehnsucht nach jenem irakischen »deus ex machina« (333) zu wecken, der zeitweise<br />
einen monströsen »Ausweg« aus der Sackgasse des nahöstlichen Streites anpeilte,<br />
lassen bei ihr keine Zweifel an der Friedensfähigkeit der Palästinenser aufkommen.<br />
Nicht nur »die Palästinenser«, wie Baumgarten bilanziert, »brauchen und wollen«<br />
Frieden (339) - auch der israelischen Seite kann die Sehnsucht nach einer friedlichen<br />
Lösung des Konflikts getrost unterstellt werden. Doch das historische Trauma<br />
der Juden wiegt schwer. Der »Fortschritt« gleicht einer Schnecke, die sich gelegentlich<br />
auch im Rückwärtsgang bewegt. Wenn sich heute trotz der im Golfkrieg neu aufgebrochenen<br />
Vertrauenskrise erstmals Israelis und Palästinenser am Verhandlungstisch<br />
gegenübersitzen, darf daraus vorsichtige Hoffnung geschöpft werden.<br />
Martin Kloke (Bonn)<br />
Ökonomie<br />
Aulenbacher, Brigitte: Arbeit - Technik - Geschlecht. Industriesoziologische<br />
Frauenforschung am Beispiel der Bekleidungsindustrie. Campus Verlag, Frankfurt/Mo<br />
1991 (299 S., br., 58,- DM)<br />
Es gibt nur wenige empirische Untersuchungen, in denen das Wechselverhältnis<br />
von hierarchischen Geschlechterverhältnissen und Organisation von Industriearbeit<br />
analysiert wird. Meist werden männliche Arbeitsbiographien und von Männern<br />
dominierte Arbeitsbereiche unhinterfragt <strong>für</strong> das Ganze genommen, so etwa in der<br />
Debatte um die »Krise der Arbeitsgesellschaft« oder um die Umstrukturierung von<br />
Industriearbeit durch >Nerschlankung der Produktion« (Automobilindustrie). Aulenbacher<br />
hilft diese Lücke zu füllen. Sie will am Beispiel der »Frauenbranche« Bekleidung<br />
und Textil zeigen, wie die »geschlechtshierarchische Arbeitsteilung bzw. (das)<br />
Geschlecht« (10) Arbeitsorganisation, Entlohnung und Technikeinsatz konkret mitbestimmen.<br />
In enger Kooperation mit der Gewerkschaft Textil und Bekleidung<br />
(GTB) will sie ein Beteiligungskonzept erarbeiten, mit dem das hierarchische Verhältnis<br />
zwischen den Geschlechtern nicht blind reproduziert wird, sondern Frauen<br />
bewußt gefOrdert werden.<br />
In einer ausführlichen Darlegung ihrer theoretischen Grundlagen (17-81) geht sie<br />
dcr Fragc nach dcm Zusammenhang zwischen Kapital- und Geschlechterverhältnis<br />
nach. Sie bezieht sich auf Ursula Beers These, daß die Lohnarbeitskraft immer<br />
geschlechtsspezifisch vergesellschaftet wird (vgl. 38). Das Konzept des »weiblichen<br />
Arbeitsvermögens« (I. Ostner und E. Beck-Gernsheim) kritisiert sie als reduktionistisch,<br />
weil es nahelege, das Erwerbsverhalten der Frauen letztlich als Folge der<br />
DAS ARGUMENT 19811993 ©