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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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316 Besprechungen<br />

demütigender Erfahrungen im kompromißlosen Kampf gegen den Staat Israel ist die<br />

Proklamation eines palästinensischen Kleinstaates an der Seite Israels Ausdruck verzweifelten<br />

palästinensischen Bemühens, sich mit Hilfe international anerkannter<br />

diplomatischer Strategien den (militär-) politischen , geographischen und ökonomischen<br />

Realitäten im Nahen Osten zu stellen.<br />

Die am Deutschen Orient-<strong>Institut</strong> in Hamburg tätige Orientalistin und Nahostexpertin<br />

präsentiert mit ihrer Untersuchung zum neueren palästinensischen Nationalismus<br />

den Ertrag fünfzehnjähriger Forschungsarbeiten. Mehrjährige Aufenthalte im<br />

Libanon dienten Baumgarten zur Aufnahme politischer und persönlicher Kontakte<br />

zu politisch organisierten Kreisen der arabisch-palästinensischen Gesellschaft. Die<br />

insofern aus der Binnenperspektive herrührende Kenntnis des palästinensischen<br />

Nationalismus, ein ungehinderter Zugang zu einschlägigen Forschungseinrichtungen<br />

und Bibliotheken insbesondere in Beirut sowie die Auswertung mehrstündig<br />

geführter Interviews mit Persönlichkeiten des palästinensischen »Widerstandes«<br />

(u.a. mit Abu Nidal) machen das Buch zu einer Fundgrube - <strong>für</strong> >>Spezialisten«<br />

ebenso wie <strong>für</strong> »Laien«. Leider muß man gelegentlich Einseitigkeiten bzw. Unstimmigkeiten<br />

in Kauf nehmen: Der Versuch einer Rehabilitierung des mit den Nazis<br />

kooperierenden Jerusalemer Muftis Hajj Amin (36) sowie die suggestive Behauptung<br />

einer angeblichen Friedfertigkeit des populistischen arabischen Führers Gamal<br />

Abdel Nasser im Vorfeld des Sechstagekrieges von 1967 (179) sind die peinlichsten<br />

Ausrutscher.<br />

Baumgarten ist um die historische Aufarbeitung der Entwicklungsstadien jener<br />

palästinensischen Nationalbewegung bemüht, deren spezifische Identität - Zweifel<br />

an der arabischen Solidarität, gepaart mit Haß auf den zionistischen Judenstaat -<br />

ohne die 1948 von Flucht und Vertreibung zahlloser Palästinenser begleitete Etablierung<br />

des Staates Israel nicht denkbar ist (28-65). An Hand dieser <strong>Katastrophen</strong>erfahrung<br />

(nakba) erläutert die Autorin, warum die palästinensische Nationalbewegung<br />

jahrzehntelang trotz ideologischer Rivalitäten und innerer Spaltungstendenzen<br />

in einer Frage Einigkeit bewies: in der bedingungslosen Ablehnung des Staates<br />

Israels, den es zu zerstören gelte.<br />

Baumgarten zeichnet die historischen Etappen nach, die von der »Bewegung der<br />

Arabischen Nationalisten« und der Gründung der »Fatah« zur Dachorganisation<br />

PLO führten. Angesichts der arabischen Niederlage im Juni-<strong>Krieg</strong> von 1967 sah sich<br />

die palästinensische Nationalbewegung auf ihre eigenen Potentiale zurückverwiesen.<br />

Die Ablösung des chauvinistisch-panarabisch orientierten PLO-Chefs Ahmad Shuquairi<br />

und die 1968 virulent werdende innerpalästinensische Vormachtstellung der<br />

auf den bewaffneten Kampf gegen Israel eingeschworenen Fatah von Yasir Arafat<br />

markiert die Emanzipation der Palästinenser von arabischer Bevormundung. Gewiß<br />

fungierte die partiell erfolgreiche Strategie des bewaffneten Kampfes als Motor <strong>für</strong><br />

die palästinensische Nationwerdung; Baumgarten führt jedoch den Nachweis, daß<br />

militante Aktionen wie etwa die mythenumwobene Schlacht von Karama 1968<br />

zugleich auch Voraussetzung <strong>für</strong> die zunehmende Bereitschaft der Palästinenser in<br />

der Diaspora und in »Palästina« zu einer politisch-diplomatischen Entschärfung des<br />

Konflikts gewesen sind (81-215). Der palästinensischen Linken wirft die Autorin<br />

nicht nur mangelnde Originalität, sondern auch eine verantwortungslose Fetischisierung<br />

der Gewaltoption zu einer Zeit vor, als Arafats Fatah längst ihren Aktionsschwerpunkt<br />

auf die politisch-diplomatische Arena verlegt hatte (219-237).<br />

Ob die PLO tatsächlich schon 1974 ein Programm verabschiedete, das »eindeutig die<br />

Idee eines palästinensischen Staates neben Israel in sich barg« (249), ist fraglich. Der<br />

erwähnte Beschluß kann allenfalls als Auftakt einer zunehmenden palästinensischen<br />

DAS ARGUMENt 19811993 ©

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