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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Soziale Bewegungen und Politik 315<br />

auf den zwar häufig angespielt, der aber nirgends expliziert wird. Im Anhang (126)<br />

wird kommentarlos und ungenau - nach seiner Autobiographie verließ der Autor die<br />

später von Menachem Begin geleitete Untergrundorganisation nicht erst 1942, sondern<br />

bereits im Jahr zuvor - auf die Phase seiner Mitgliedschaft in der revisionistischen<br />

»Irgun« hingewiesen. Doch wirkt diese Angabe <strong>für</strong> den uninformierten Leser<br />

eher verwirrend, weil die bleibende Bedeutung dieser radikalen Herkunft, die sich<br />

auf seinen Kampf gegen das politisch-religiöse Establishment auswirkte und in seinem<br />

Engagement in den kulturrevolution ären und radikal-säkularistischen Zirkeln<br />

der fünfziger und frühen sechziger Jahre zur Geltung kam, nicht deutlich wird.<br />

Avnery vertrat als Herausgeber des neonkonformistischen Wochenmagazins<br />

Haolam Hazeh die These, auf dem Territorium Palästinas sei auf der Basis der<br />

hebräischen Sprache und unter Rückbezug auf die klassische Zeit des biblischen<br />

Altertums eine neue »hebräische Nation« entstanden, die mehr Gemeinsamkeiten<br />

mit der nicht jüdischen Bevölkerung Palästinas als mit dem Diasporajudentum habe.<br />

Diese als »kanaanäische Option« bezeichnete Forderung nach einem Abschied vom<br />

Judentum gilt nach den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte - der Neuentdeckung<br />

der politischen Relevanz des Religiösen, der jüdischen Masseneinwanderung aus<br />

Äthiopien und der ehemaligen Sowjetunion und dem inzwischen unübersehbaren<br />

Wiederaufflammen des Antisemitismus in Europa usw. - im heutigen Israel als so<br />

desavouiert, daß Avnery sie nicht einmal mehr erwähnt. Untergründig ist sie in seinem<br />

Buch dennoch an zahlreichen Stellen präsent. Avnery besteht darauf. Tel Aviv,<br />

»diese israelischste aller Städte«, sei »weder jüdisch noch arabisch« (26); er kritisiert,<br />

daß Israel sich in seiner Unabhängigkeitserklärung als einen jüdischen Staat<br />

bezeichnet (93), und weist darauf hin, daß die »geistige Revolution« des Zionismus<br />

»in der Praxis« (116) eine »neue Nation« (122) geschaffen habe. Auch seine Kommentierung<br />

der Balfour-Erklärung (37), in der er, recht ungenau zitierend, die imperialistische<br />

Willkür der Briten herausstellt, sowie eine Bemerkung, in der er die Untergrundkämpfe<br />

der vierziger Jahre als Befreiungskampf gegen die Kolonialherren deutet<br />

(38), erinnern an das alte Postulat eines gemeinsamen »semitischen« Freiheitskampfes<br />

aller unterdrückten Völker der Region.<br />

Bei der Beschreibung der territorialpolitischen Ziele der verschiedenen Richtungen<br />

innerhalb des Zionismus (70ff.) schimmert neben der traditionellen Feindschaft<br />

gegenüber dem expansiven Frontiersozialismus Ben Gurions möglicherweise sogar<br />

noch einmal die alte Affinität zur revisionistischen Schule Wladimir Jabotinskys<br />

durch: Da die Golanhöhen nach der jüdischen Tradition nicht zum dem Volk Israel<br />

verheißenen Heiligen Land gehören, sei ein territorialer Komprorniß und Friedensschluß<br />

mit Syrien <strong>für</strong> die israelische Rechte auf Grund ihrer ideologischen Fixiertheit<br />

auf die Grenzen des biblischen Eretz Jisrael prinzipiell sogar leichter als <strong>für</strong> die<br />

Arbeiterpartei, <strong>für</strong> die die Grenzen dort liegen, »wo israelische Soldaten stehen und<br />

wo israelische Bauern den Boden bearbeiten« (72). Aber auch von den anderen<br />

besetzten Gebieten, die das Land nach dem Bild Avnerys wie das vergiftete Nessos­<br />

Gewand in der griechischen Sage fesseln, müsse sich Israel trennen und dort die Entstehung<br />

eines palästinensischen Staates ermöglichen.<br />

Matthias Morgenstern (Kusterdingen)<br />

Baumgarten, Helga: Palästina: Befreiung in den Staat. Suhrkamp Verlag. Frankfurt/Mo<br />

1991 (438 S., br., 22,- DM)<br />

»Befreiung in den Staat« ist seit der denkwürdigen Entschließung des Palästinensischen<br />

Nationalrates vom November 1988 das programmatische Ziel des Fatah-Mehrheitsflügels<br />

der PLO. Nach einer Kette verlustreicher Auseinandersetzungen und<br />

DAS ARGUMENT ln!l993 ©

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