Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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314 Besprechungen<br />
das Projekt des Volkes mit Waffen verteidigt werden müßte ... Ich glaube, daß die<br />
weltweiten Veränderungen uns andere Herausforderungen stellen werden, vor allem<br />
wenn der Frieden in unserer Region Wirklichkeit wird. In dem Maße, wie die USA<br />
bereit sind, eine konstruktive Rolle zu spielen und ihre militaristische Sicht der<br />
Dinge aufzugeben, ändern sich die politischen Perspektiven. In diesem Sinne denke<br />
ich, daß wir als FSLN vor einem großen Dilemma stehen. Das militärische Instrumentarium<br />
wird zunehmend von anderen Instrumenten ersetzt, wobei mir das wirtschaftliche<br />
das entscheidende zu sein scheint.« (157f.)<br />
Man muß nicht Cuencas Orientierung auf die FSLN als einer interklassistischen<br />
Partei und »eine aktive Rolle der Frente in der sozialistischen Internationale« (169)<br />
teilen; mit seiner Forderung nach der Entwicklung einer zivilen und demokratischen<br />
Opposition sowie einer neuen Entwicklungskonzeption auf der Basis von sozialer<br />
Gerechtigkeit und dem Prinzip der Selbstbestimmung hat er wichtige Diskussionspunkte<br />
angesprochen. Für die Sandinisten stellt sich vor allem das Problem, nach<br />
der Guerilla-Ära und nach den Regierungserfahrungen durch eine »zivile« Politik<br />
die politische und soziale Hegemonie zurückzugewinnen. Für eine Rückkehr zur<br />
Guerilla-Mentalität scheinen keine Voraussetzungen zu bestehen. Aber sozialdemokratischen<br />
Projekten fehlt vor allem in Nicaragua die notwendige soziale Basis, zu<br />
schwach sind die Mittelschichten, zu prekär ist die Lage der Arbeiter.<br />
Für die Diskussion der damit zusammenhängenden Fragestellungen bietet das<br />
Buch, das durch ein Sach- und Namensregister und eine ausführliche Chronologie<br />
von 1977 bis zum August 1990 ergänzt wird, interessantes Material.<br />
Werner Mackenbach (Frankfurt/M.)<br />
Avnery, Uri: Wir tragen das Nessos-Gewand. Israel und der Frieden im Nahen<br />
Osten. Verlag lH.W. Dietz Nachf., Bonn 1991 (128 S., br., 14,80 DM)<br />
Der israelische Publizist und Friedenspolitiker Uri Avnery nimmt das Ende des<br />
Golfkrieges zum Anlaß, dem deutschen Leser seine Sicht des Nahostkonflikts vorzustellen.<br />
Er resümiert die von Europa ausgehende Geschichte der zionistischen Bewegung<br />
und macht neben der geographischen Mittellage Palästinas die politisch-strategischen<br />
und wirtschaftlichen Faktoren namhaft, die dazu geführt haben, daß der<br />
israelisch-palästinensische Konflikt in den vergangen Jahrzehnten im Brennpunkt<br />
miteinander widerstreitender globaler Interessen stand. Nach dem Ende des Kalten<br />
<strong>Krieg</strong>es und zu Beginn der von ihm >>Vierter Weltkrieg« genannten Auseinandersetzung<br />
zwischen Nord und Süd, in der Saddam Hussein »unbewußt als ein Agent<br />
der Geschichte« (24) den ersten Schuß abgegeben habe, werde der Einfluß der einzig<br />
verbliebenen Großmacht in verstärkter Weise wirksam. Es erweise sich nun als<br />
besonders verhängnisvoll, daß die Vereinigten Staaten auf Grund des Profitstrebens<br />
ihres militärisch-industriellen Komplexes und aus übergeordneten machtpolitischen<br />
Erwägungen heraus kein Interesse an einem Frieden hätten und Israel zudem daran<br />
hinderten, im Einklang mit seinen wohlverstandenen eigenen Interessen den Anschluß<br />
an die Dritte Welt zu suchen und so in der Region erst wirklich heimisch zu<br />
werden. Die Annahme einer <strong>für</strong> die erstrebte »Pax Semitica« (40) konstitutiven<br />
grundsätzlich konvergierenden Interessenkonstellation der nahöstlichen Völker kollidiert<br />
freilich mit den von Avnery selbst immer wieder herausgestellten westlichkolonialistischen<br />
Ursprüngen und Grundmotiven des Zionismus und paßt auch nicht<br />
zu der Hoffnung auf einen von außen kommenden »Friedensdiktator« (62), die er<br />
trotz allem offensichtlich nicht aufgegeben hat.<br />
Manche Besonderheiten und Inkonsistenzen in der historischen Analyse sind vor<br />
dem Hintergrund des politischen und intellektuellen Werdegangs Avnerys zu sehen,<br />
DAS ARGUMENT 198/1993 ©