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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Soziale Bewegungen und Politik 313<br />

Demokratisierung des Erziehungs- und Gesundheitswesens rechnet. Aber schon in<br />

der Einleitung macht er seinen (selbst-)<strong>kritische</strong>n Ausgangspunkt deutlich: Gerade<br />

die Verteidigung all dessen, was in den zehn Jahren geschehen sei, trage nicht dazu<br />

bei, Lösungen <strong>für</strong> die zukünftigen Aufgaben zu entwickeln und drohende Rückschritte<br />

zu verhindern.<br />

Seine Hauptthese ist, daß die Wahlniederlage der Sandinisten daraus resultiere.<br />

daß sie »der ökonomischen Zermürbung keine ausreichende Bedeutung beigemessen«<br />

hätten, was nicht nur Resultat des <strong>Krieg</strong>es sei, sondern auch daher rührt, daß<br />

ihr innerhalb des Sandinismus nur eine zweitrangige Bedeutung beigemessen wurde;<br />

die Auseinandersetzung um wirtschaftliche Konzeptionen habe dazu geführt, »daß in<br />

äußerst <strong>kritische</strong>n Momenten sehr viel an wertvoller Zeit verloren wurde, was die<br />

Integration Nicaraguas in die Weltwirtschaft behinderte« (35).<br />

Der Hauptteil des Buches, der aus einem Interview des früheren Mitarbeiters<br />

Roberto Pizarro mit dem Autor besteht, widmet sich ausführlich diesen Versäumnissen.<br />

Dabei schildert Cuenca die fehlenden ökonomischen Kenntnisse bei den plötzlich<br />

von der Guerilla in die Regierung gelangten und mit den Problemen des wirtschaftlichen<br />

Wiederaufbaus konfrontierten Sandinisten sowie die Konflikte zwischen<br />

der spärlich gesäten technischen Intelligenz und den Politkadern der FSLN,<br />

die ihre revolutionäre Gesinnung glaubten durch möglichst "orthodoxe« Positionen<br />

(etwa in der Frage der Verstaatlichung) beweisen zu müssen. Aber er zeigt auch, daß<br />

die »nationale« antisomozistische Bourgeoisie sich erst in dem Moment vom sandinistischen<br />

Projekt und der Nationalisierungspolitik abwandte. als die USA nach der<br />

Wahl Reagans 1981/82 auf direkten Konfrontationskurs gingen - eine in höchstem<br />

Maße ideologisch determinierte Entwicklung und Beleg da<strong>für</strong>, daß der FSLN die<br />

Alternative einer Politik der »nationalen Einheit« und einer stärkeren Abgrenzung<br />

vom »realen Sozialsmus« kaum noch möglich war.<br />

Eine Anekdote wirft Licht auf einen anderen Aspekt der jüngsten Geschichte<br />

Nicaraguas: Unmittelbar nach dem Sieg vom Juli 1979 hätten, so Cuenca, die Bauern<br />

und die Arbeiter vor allem auf dem Land erwartet, daß ihnen »die Revolution« eine<br />

plötzliche Verbesserung ihrer Situation quasi von oben »bringe«. Die Folge: Es wurden<br />

nur noch drei oder vier Stunden am Tag gearbeitet. Es habe die Sandinisten viel<br />

Mühe gekostet, diese - von alten Traditionen und Strukturen geprägte - Erwartungshaltung<br />

zu durchbrechen und die Bevölkerung von der Notwendigkeit erhöhter Produktionsanstrengungen<br />

zu überzeugen. Genau auf diesem Gebiet sieht der Autor<br />

auch den Hauptfehler der Sandinisten, nämlich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />

unterschätzt zu haben. So habe die Einschätzung existiert, Somoza sei (wirtschaftlicher)<br />

Herr über das ganze Land gewesen, und man habe die Illusion gehegt, mit<br />

seiner Enteigung werde der Staat allmächtig und könne die Wirtschaft ohne Hindernisse<br />

lenken. Der Somoza-Clan kontrollierte jedoch nur dreißig bis vierzig Prozent<br />

der Produktion und nur zwanzig Prozent des Landbesitzes. Ebenso sei die Macht der<br />

USA auf den militärischen Aspekt beschränkt gesehen worden, obwohl die US-Politik<br />

darüber hinausging: Der Sieg über die bewaffnete Konterrevolution kurz vor den<br />

Wahlen wurde folglich in seiner Bedeutung überschätzt.<br />

Schließlich weist der Autor darauf hin, daß die problematische Orientierung der<br />

sandinistischen (Wirtschafts-) Politik nicht etwa durch kubanische oder sowjetische<br />

Berater, sondern vor allem durch die zentralistische, staatsfixierte Konzeptionen von<br />

westeuropäischen Wissenschaftlern beeinflußt worden sei. Im Gegensatz zur Auffassung<br />

von Tomas Borges, die Entwicklung in Europa und das Ende des »realen<br />

Sozialismus« berührten die zentralamerikanische Linke nicht, vertritt Cuenca die<br />

Position: ,>Im Verlauf der achtziger Jahre basierte unsere Logik auf der Vision, daß<br />

DAS ARGUMENT 198/1993 ©

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