Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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308 Besprechungen<br />
junge Perser griechisch zu erziehen, um sie als Verwaltungsbeamte und Militärs ausbilden<br />
zu können (94), Methoden, die man auch im 20. Jahrhundert kennt. Ein anderes<br />
Detail zeigt, wie interessant auch die anderen Aufsätze hätten sein können.<br />
Franke zitiert Valerius Maximus, der angibt, weshalb Römer einem Griechen nur<br />
auf Latein antworten sollen, auch wenn sie griechisch sprechen: »Den großen Vorteil,<br />
welcher ihnen die Geschmeidigkeit ihrer Sprache gewährte. entwand man<br />
ihnen. indem man sie nötigte, sich der Hilfe eines Dolmetscher zu bedienen. (. .. )<br />
Nach ihrer Ansicht hätten sie unwürdig gehandelt, wenn sie die Würde und das<br />
Ansehen der Regierung den Reizen ... einer Sprache geopfert hätten ... « (94f.)<br />
Christoph Kniest (Berlin)<br />
Will, Wolfgang: Julius Caesar - Eine Bilanz (Urban-Taschenbücher; Bd. 448).<br />
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln 1992 (318 S., br., 30,- DM)<br />
Bilanz wird von Will in doppeltem Sinn gezogen: Er resümiert die Quellenlage,<br />
gibt - auch auf Kosten der Anschaulichkeit - zusammenfassend das antike Material<br />
pur und verfolgt dabei, einer Anregung Brechts folgend. mit überraschendem Sucherfolg<br />
die Geschäfte Caesars. Brecht hatte moniert: »Über die Eigenschaften des<br />
großen Caesar finden wir in der römischen Geschichte des berühmten Mommsen,<br />
die 21 Kapitel umfaßt, ein ganzes Kapitel. aber nicht eine Zeile über sein Einkommen.«<br />
Will nimmt das als Motto und beweist, daß sich mehr als eine Zeile zu dem<br />
Thema sagen läßt. Das Resultat ist keine Zahlenschinderei mit Buchhalterperspektive,<br />
auch kein Vulgär-HistMat. vielmehr besteht das Buch aus dem Kondensat der<br />
tatsächlich vorliegenden Quellen mit lakonischen Anmerkungen zu den daraus erschließ<br />
baren Handlungsmotiven.<br />
Es ist unspekulativ, aber nicht positivistisch erbsenzählend; die Diktion ist unspektakulär,<br />
aber nicht witzlos; die Wirkung ist Entheroisierung. Seit zu Bismarcks<br />
Zeiten das Thema »Caesar« plus andere »Männer-die-Geschichte-machten« deutsche<br />
Historiker-Mode wurde, leiden Darstellungen des Helden an einer Art Elephantiasis,<br />
soweit es um dessen Charakter und Gemüt geht. Will schließt sich dem Trip ins<br />
Innere nicht an, macht Caesar aber auch nicht zum bloßen Querschnitt der Verhältnisse.<br />
Im Gegenteil: Die Virtuosität des Politikers und Feldherrn wird eher noch<br />
erstaunlicher angesichts der Summen von Verlust - er hatte meistens Schulden - und<br />
Gewinn, die Will nennt und belegt, und vor allem angesichts der Zahlen an Menschen,<br />
die in beiden Fällen - beim Verlustemachen wie beim Gewinnen - totgeschlagen<br />
oder lebendig verkauft werden mußten. Es handelte sich jeweils um Tausende,<br />
sogar Hunderttausende wie im Gallischen <strong>Krieg</strong>, und enorme Leistungen dieser Art<br />
inspirieren selbstredend auch noch bundesrepublikanische Historiker zu der Sentenz:<br />
Der Mann hatte Charakter!<br />
Beispiel: Die berühmte Piratenepisode. Auf der Reise von Rom nach Rhodos wird<br />
das Schiff des 25jährigen Caesar gekapert. Die Räuber verlangen 20 Talente Lösegeld,<br />
Caesar lacht sie aus, weil sie nicht wissen, welchen Fang sie gemacht haben,<br />
und verspricht, 50 Talente abzuliefern. In den 38 Tagen der Gefangenschaft benimmt<br />
er sich nicht wie ein Gefangener, sondern kehrt den Weltmann heraus - turnt, dichtet,<br />
hält Reden - und kündigt an, er werde alle seine Entführer aufhängen. Genau das<br />
macht er dann auch und beweist seine später sprichwörtliche Milde dadurch, daß er<br />
die Gefangenen erdrosseln läßt. bevor sie ans Kreuz geschlagen werden. Kommentar<br />
von Christian Meier 1982 in seiner Caesar-Biographie: »Solche Selbständigkeit,<br />
Selbstherrlichkeit. solch entschiedenes Handeln im Namen, jedenfalls im Sinne der<br />
römischen Herrschaft. im Sinne durchschlagender Effizienz, einer Demonstration<br />
der Macht; und mit solcher Energie!« Oppermann vermutet 1968, daß der »Zauber,<br />
DAS ARGUMENT 19R/1993 ©