Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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302 Besprechungen<br />
gewährten die hellenistischen Könige diesen Städten gewöhnlich Steuerfreiheit oder<br />
mischten sich nicht in Fragen der inneren Organisation ein, aber das Münzrecht, das<br />
in der Vergangenheit die Freiheit einer Stadt anzeigte, gaben sie nicht ab. Die Allianz<br />
dieser Poleis mit den Königen gründete sich auf den Gegensatz zur orientalischen<br />
Bevölkerung, die einer »Fremdherrschaft« unterworfen wurde (296f.).<br />
Dahlheim bemüht sich (u.a. mit einem Glossar), einen Zugang zum System der<br />
altgriechischen Bezeichnungen <strong>für</strong> politische <strong>Institut</strong>ionen und Funktionen zu<br />
ermöglichen, ohne aber die Konsequenz zu ziehen und die fremde Ordnung dieser<br />
Gesellschaft hervortreten zu lassen. Auch wenn er einen dicht gefaßten, chronologischen<br />
Abriß der griechischen Antike bietet, stellt er keinen wirklichen Zusammenhang<br />
her, verfolgt insbesondere nicht die Transformation der Konzepte von<br />
»Herrschaft und Freiheit«, und eine Antwort auf die Frage, wie sich innenpolitische<br />
Rotation zwischen Herrschenden und Beherrschten, außenpolitische Autonomie und<br />
Unterwerfung der Fremden zusammendenken lassen, bleibt er schuldig.<br />
Thomas Schwarz (Berlin)<br />
Giardina, Andrea (Hrsg.): Der Mensch der römischen Antike. Campus Verlag,<br />
Frankfurt, New York, Paris 1992 (429 S., Ln., 48,- DM)<br />
Der Sammelband enthält nicht - wie der Titel nahelegen könnte - anthropologisch<br />
aufgeladene Ideen zur Beschreibung eines historischen Persönlichkeitstyps, sondern<br />
historisch-ethnographische Studien zu verschiedenen sozialen Gruppen der römischen<br />
Antike. Untersucht werden, immer in den Grenzen des vorhandenen Materials,<br />
insgesamt elf Gruppen: Bürger (civis romanus) , Politiker, Priester, Jurist, Soldat,<br />
Sklave, Freigelassener, Bauer, Handwerker, Kaufmann, Armer, Bandit. Hinzugefügt<br />
sind eine Einleitung von Giardina sowie ein Nachwort von Pau! Veyne über<br />
»Humanitas: Die Römer und die anderen«.<br />
Das Resultat ist eine Art sozialer Enzyklopädie der römischen Gesellschaft.<br />
Anspruch Giardinas ist es, gängige Gemeinplätze über den Römer aufzulösen und<br />
exaktes Wissen an ihre Stelle zu setzen. Er macht als Quelle dieser rassistischen, im<br />
Faschismus wieder zu Ehren gekommenen Vorstellungen, die ausgehende Antike aus.<br />
In ihr sei das Bild vom frommen und disziplinierten Römer, der zur Eroberung eines<br />
Weltreichs befähigt war, geprägt worden. Giardina stellt die Frage, ob es überhaupt<br />
sinnvoll sei, angesichts der räumlichen und zeitlichen Dimensionen der römischen<br />
Kultur von dem »Römer« zu sprechen. Er antwortet mit »Ja« und führt als wichtigstes<br />
Argument die relative Stabilität der römischen Gesellschaftsordnung ins Feld.<br />
In den meisten Studien des Bandes wird dagegen die Unterschiedlichkeit von<br />
sozialer Situation und sozialer Rolle der untersuchten Personengruppen betont. Der<br />
Zwang, fast 1000 Jahre Geschichte sozialer Gruppen zusammenzufassen, gelingt<br />
auch nur um den Preis essayistischer Verkürzung, selbst wenn die Schilderung des<br />
Wandels in den Vordergrund tritt. So deutet Claude Nicolet die enormen Veränderungen<br />
an, die der Begriff des civis romanus von der Zeit der Hannibal-<strong>Krieg</strong>e bis<br />
zur Kaiserzeit durchlief: Zu Beginn ein klar definierter juristischer Status, wurde er<br />
zu einer Art »Beruf«. Egalitär wirkte der Titel kaum, es blieb stets bei der Spaltung<br />
zwischen privilegiertem Staatsvolk und den übrigen Bewohnern des Reichs. Aus der<br />
militärischen und fiskalischen Einteilung der Bürger Roms rekrutierte sich außerdem<br />
eine politische Kaste. zwischen deren Parteiungen die politischen Kämpfe ausgetragen<br />
wurden - ohne daß je die gesellschaftliche Ordnung in Frage geslellt wurde.<br />
Nach John Scheid waren es ca. 400 Männer, davon 250 Priester, die um das Jahr<br />
Null herum ca. 4 Millionen männlichen Staatsbürgern als Staatsgewalt gegenüberstanden.<br />
Die Republik erscheint auch bei ihm als jene Phase, in der sich zwischen<br />
I1AS ARGUMENT 19811993 ©