Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Erziehungswissenschaft 297<br />
in puncto Wertkonsens. 1. Maschelein, der existenzialistisch und postmodern philosophierend<br />
den bekannten »Wandel der Öffentlichkeit« mit dem »Problem der Identität«<br />
verbindet, die Pädagogen auf die ab avo gegebene und durch die Geburt manifeste<br />
Einzigartigkeit oder je individuelle Andersartigkeit menschlicher (i.e. auch<br />
kindlicher) Existenz verweist sowie den sozialen Ort von Öffentlichkeit (aufgefaßt<br />
als Versammlung individueller Existenzen) erörtert. H. Titze, der die historische<br />
Dynamik von Bildung und Modernisierung systemtheoretisch zu fassen sucht. H.-E.<br />
Tenorth, der die »Widerspruchsrhetorik« der modernen Pädagogik beleuchtet, um<br />
sie als analytisch, nicht als realistisch begründet zu durchschauen. H. Harten, der<br />
dem Zusammenhang von »Aufklärung, Öffentlichkeit und Terreur in der französischen<br />
Revolution« nachgeht (l35). F. Osterwald und L. Criblez schließlich tragen<br />
zum historischen Komplex 'Bildung und Öffentlichkeit' jeder ein Beispiel bei, nämlich<br />
Condorcet und den Kanton Bern, letzterer meines Wissens hierzulande noch<br />
unerforschtes Terrain in Sachen Pädagogik und Aufklärung.<br />
Wem nach soviel Gedankenarbeit und sekundärem Schreiben über Erziehung und<br />
Erziehungstheorie der Sinn danach steht, pädagogische Erkenntnis an den Quellen<br />
aufzusaugen oder die Autoren selbst zu lesen, die im derzeitigen pädagogischen Diskurs<br />
ständig beansprucht werden. dem sei die von Scheuerl besorgte Edition empfohlen.<br />
Sie enthält 72 (!) Quellenstücke, mit wenigen Ausnahmen alles Autorentexte<br />
(von Comenius [1657] bis A. Flitner [1983], vier ['] Frauen sind dabei) - sie enthält<br />
also eine kleine Bibliothek. Freilich kann sie eine solche nicht ersetzen, zu selektiv<br />
sind die Texte, zu kurz die Textauszüge; aber das will sie auch gar nicht. Sie will <strong>für</strong><br />
Pädagogik interessieren, in pädagogisches Sehen und Denken einführen und die<br />
»Lust« an (pädagogischer) Erkenntnis sowohl bedienen als auch schüren. Dies zu<br />
leisten ist der Band höchst geeignet. Er bringt eine so knappe wie instruktive Skizze<br />
zur Pädagogik in ihren Anfangen, Leistungen und Problemen, deskriptive Bemerkungen<br />
zu jeder der zwecks Einteilung gewählten historischen Epochen. biographische<br />
Hinweise zu jedem Autor, dazu weiterführende Literaturangaben nebst Anmerkungen<br />
und ist im übrigen mit einem vollständigen Namensregister erschlossen.<br />
Auch in formaler Hinsicht (Quellennachweis, Kennzeichnung, Zitierweise) finde ich<br />
an dem Band nichts zu pinseln. Zur Auswahl der Dokumente (Tcxte) hätte ich freilich<br />
die Anmerkung, daß materialistisches Denken über Erziehung kaum vertreten<br />
ist, empirische pädagogische Wissenschaft oder auch der Streit um sie nicht zu Wort<br />
kommen, daß »Pädagogik unterm Hakenkreuz« mit vier »Tätern«, aber nur einem<br />
»Opfer« dokumentiert wird (7), daß der »Blickwechsel« hinüber zu den Adressaten<br />
von Erziehung nur <strong>für</strong> eine Epoche vollzogen wird (6) - doch sei dies der unvermeidlichen<br />
»Willkür und Subjektivität« des Herausgebers zugestanden (19); es ist nämlich<br />
im Ergebnis unerheblich. Im Ergebnis führt der Band Pädagogik vor in ihrem historischen<br />
Hin und Her zwischen Allmacht und Ohnmacht, Pessimismus und Optimismus,<br />
Freiheit und Zwang, Erfolg und Versagen - woran schließlich ihr 'postmoderner'<br />
Diskurs auch nur ein Teil, vielleicht schon nicht mehr der jüngste, ist.<br />
Gisela Miller-Kipp (Hamburg)<br />
Müller, Klaus E., und Alfred K. Treml (Hrsg.): Ethnopädagogik. Sozialisation<br />
und Erziehung in traditionellen Gesellschaften. Eine Einführung. Dietrich Reimer<br />
Verlag, Berlin 1992 (260 S .. br., 34.- DM)<br />
Die Ausdifferenzierung in pädagogische Teildisziplinen scheint nicht enden zu<br />
wollen. Als neueste Abteilung ist von einem Kreis von WisenschaftlerInnen die Ethnopädagogik<br />
inauguriert worden. Der vorliegende Sammelband soll eine Einführung<br />
liefern. Ob es sich nur um einen neuen Namen <strong>für</strong> ein bekanntes Gebiet handelt<br />
DAS ARGUMENT 19R/1993 1')