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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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290 Besprechungen<br />

zu Conrad Fiedlers antimimetischem, formalistisch-neukantianischem Kunstbegriff<br />

(l7ff.). Es folgt eine Studie zu Giovanni Morellis detektivisch-stil<strong>kritische</strong>r Methode<br />

der Attribution anonymer Kunstwerke (37ff.). Kultermann befaßt sich des weiteren<br />

mit Benedetto Croces Ästhetik, der eine »antihistorische«, dem künstlerischen Produktionsprozeß<br />

insofern besonders aufgeschlossene Form der Kunstbetrachtung<br />

zugrundeliege (57ff.). Die vierte Untersuchung ist Ernest Fenellosa gewidmet, der<br />

gegen die Verwestlichung der japanischen Kunst unter Hervorhebung ihrer besonderen<br />

kulturellen Leistung gekämpft habe (71ff.). Das eurozentrische Kunstverständnis<br />

sei auch von dem Völkerkundler Leo Frobenius relativiert worden (93ff.). Eine<br />

intensive Nähe zum Künstler, dessen Hervorbringungen er in ihrer Legitimität<br />

uneingeschränkt bejaht habe, kennzeichne die Position des Kunstkritikers Julius<br />

Meier-Gräfe (lllff.). John Dewey sei es darum gegangen, die Trennung von Kunst<br />

und Leben aufzuheben (131ff.). Die letzten drei Kapitel beschäftigen sich mit Martin<br />

Heideggers <strong>Theorie</strong> vom Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit im Kunstwerk (149ff.),<br />

mit der Methode des amerikanischen Kunsthistorikers Meyer Schapiro, die den<br />

schöpferischen Akt des Künstlers rekonstruiere (177ff), und dem »parasitären Diskurs«<br />

des ebenfalls den Künstlern und ihrer Praxis eng verbundenen Poststrukturalisten<br />

Jacques Derrida (191ff).<br />

Daß Kunst etwas mit Wirklichkeitserkenntnis zu tun habe, ist indessen keine neue<br />

These, wenn man etwa an Hegels <strong>Theorie</strong> vom sinnlichen Scheinen der Idee denkt.<br />

Auch die marxistische Ästhetik aller Varianten (von Lukacs bis Adorno), von denen<br />

keine in dem Band erörtert wird, hat diese Auffassung bekanntlich nachdrücklich<br />

vertreten. Doch offensichtlich geht es Kultermann nicht um epistemologische Probleme<br />

von Kunst im engeren Sinne, um das Problem von Mimesis und Wahrheit,<br />

denn er schließt sich (ohne nähere Begründung) Nietzsches Behauptung an, daß<br />

Kunst etwas Höheres sei als die Wahrheit. Worin nun aber der besondere Erkenntnisgewinn<br />

von Kunst konkret besteht, wird nirgends recht deutlich. Der Hinweis auf<br />

Croce, demzufolge sie auf das »Eigentliche« ziele, vermag nicht zu befriedigen,<br />

ebenso wie die sehr allgemeine Behauptung, sie eröffne eine neue Sicht auf die<br />

Dinge.<br />

Es ist zu vermuten, daß Kultermann erst nachträglich die Einleitung zu seinen Einzelstudien<br />

verfaßt hat. Er unternimmt hier den Versuch, die historisch zum Teil weit<br />

auseinanderliegenden und systematisch-ideologisch sehr heterogenen Positionen auf<br />

einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wie freilich, um nur einige Beispiele herauszugreifen,<br />

der Intuitionismus Croces mit Morellis stil<strong>kritische</strong>r Methode zusammengehen<br />

soll, die die Intuition zugunsten rational überprüfbarer Kriterien doch<br />

eher zurückdrängt, oder der Pragmatismus Deweys, der Kunst und Alltag versöhnen<br />

will, mit Fiedlers Ästhetizismus, der beide Bereiche gerade bewußt trennt und der<br />

Kunst ein Sonderrecht einräumt, bleibt rätselhaft. Norbert Schneider (Osnabrück)<br />

Marcus, Greil: Lipstick Traces. Von Dada bis Punk - Kulturelle Avantgarden und<br />

ihre Wege aus dem 20. Jahrhundert. Rogner & Bernhard Verlag, Hamburg 1992<br />

(510 S., br., 33,- DM)<br />

Selbstverständlich geht es nicht um die Wege aus dem Jahrhundert. Der Autor ist<br />

kein Kulturprophet, sondern ein amerikanischer Politologe, der den Versuch unternimmt,<br />

»eine Geheimgeschichte des 20. Jahrhunderts« zu schreiben, wie es der<br />

Untertitel der Originalausgabe (Cambridge 1989) verheißt. Den Schlüssel zum<br />

Geheimen findet Marcus im letzten Konzert der ersten Punkband. Bei diesem Konzert<br />

der Sex Pistols im Januar 1978 entdeckt er den »Wunsch, die Welt zu verändern<br />

.. , Dieser Wunsch beginnt mit dem Anspruch, nicht als Objekt, sondern als Subjekt<br />

DAS ARGUMENT 198/1993 ,:g

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