Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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278 Besprechungen<br />
sich das Verhältnis von Subjekt und Objekt eigentümlich verschiebt. Die Objekte<br />
werden tätig, sie zeigen sich dem Subjekt, das damit in die Situation des Erleidenden<br />
gerät. Der Betrachter und das Betrachtete tauschen die Rollen, ein Subjektwechsel<br />
findet statt, das Ergebnis ist Offenbarung. Heidegger interessiert »die Offenbarkeit<br />
des Seienden, und im besonderen die Wahrgenommenheit der Dinge - dieses, daß<br />
sie sich uns zeigen in ihrer Farbigkeit, in ihren Tönen« (Vorlesung, 196).<br />
Hüni, der diese Vorlesung 1981 als 33. Band der Heidegger-Gesamtausgabe ediert<br />
hat, knüpft hier an. Wahrnehmen wird zum »Geschehen«, zum medialen Ereignis, in<br />
dem sich eine große vereinigende Macht zeigt, die Kultur und Natur wieder verbinden,<br />
Gemeinschaft herstellen und der Kunst Geltung verschaffen, sie »vorbildhaftig«<br />
machen soll (12). Aristoteles, dessen Philosophie Heidegger als "Phänomenologie<br />
der Anwesenheit« (ebd.) bezeichnet habe, gerät zum Kronzeugen gegen die Aneignungsfunktion<br />
des Erkennens. Das Wahrnehmen der Wirklichkeit wird gegenüber<br />
der Aneignung einzelner hergestellter Gegenstände wie gegenüber dem Akt des Herstellens<br />
selbst (Arbeit) zum eigentlichen Ziel (96).<br />
Hüni will jenseits der Vorstellung von Wahrheit als der Angemessenheit der Aussage<br />
in bezug auf den Gegenstand (22) einen Bereich von Wahrheit finden, der unabhängig<br />
von der Aktivität des Beurteilens ist. Er sucht ihn im »Wahrnehmungswesen«<br />
der »gemeinschaftlichen Wirklichkeit« von »Erscheinung« und »Gesagtem« (25f.).<br />
Die »Unterscheidung« von Subjekt und Objekt, die in der Wahrnehmung stattfindet,<br />
wird reduziert auf einen notwendigen Schritt hin zur Erkenntnis des »Wesens« als des<br />
»Einheitlichen schlechthin« (90). Hüni will zeigen, daß Wirklichkeit vor allem Bewegung<br />
ist, ob als Wahrnehmung, als Fortbewegung (»Selbstbewegung«; 53) oder<br />
als Hervorbringung von »Werken« (95f.). All diese Vorgänge oder Handlungen sind<br />
ihm nur analoge Beispiele, um den Blick auf das »schon in sich vollendete Wirklichkeitsgeschehen«<br />
(96) zu lenken. Als »Aufgabe einer Phänomenologie« entpuppt sich<br />
das »Zusammensehen« des Analogen (84f.): »Das 'Einzelne' ist ein 'Analoges'. Denn<br />
was immer es ist, es ist dies nur, indem das Verhältnis Wirklichkeit-Möglichkeit in<br />
ihm verkörpert ist.« (86) Stefanie Haacke (Berlin)<br />
Sprach- und Literaturwissenschaft<br />
P.arr, Rolf: »Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust!« Strukturen und Funktionen<br />
der Mythisierung Bismarcks. Wilhelm Fink Verlag, München 1992<br />
(247 S., br., 88,- DM)<br />
»Du bist dir nur des einen Triebs bewußt/O lerne nie den andern kennen!/Zwei<br />
Seelen wohnen, ach! in meiner Brust/Die eine will sich von der andern trennen; IDie<br />
eine hält, in derber Liebeslust/Sich an die Welt mit klammernden Organen;!Die<br />
andre hebt gewaltsam sich vom Dust/Zu den Gefilden hoher Ahnen.« Soweit Faust,<br />
dessen Brustkorb als Gefäß <strong>für</strong>s Trieb- und <strong>für</strong>s Strebhafte, <strong>für</strong>s Niedere und Hohe,<br />
<strong>für</strong> Nullen und Einsen eine Art Vermittlungsorgan seelischer Dichotomien, eine<br />
archaische Hardware zur Verarbeitung binärer Codes darstellt und damit zugleich<br />
der Illustration des Funktionsprinzips mythischen Denkens dienen kann, das nach<br />
Claude Levi-Strauss immer ein Denken in Gegensätzen ist. Mythen sind demnach<br />
komplexe und höchst subtile Vermittlungssysteme des »als Gegensatz begriffenen<br />
Anderen« (20) - etwa zwischen der Natur und der Kultur. Rolf Parr indessen geht<br />
es um eine diskurstheoretische Erweiterung der strukturalen Mythostheorie. Er<br />
fragt, ob »an die Stelle des 'großen' Gegensatzpaars von Levi-Strauss nicht die konkrete<br />
historische Analyse moderner Gesellschaften und der arbeitsteilig von diesen<br />
"A< A RGIl MENT 19811993 ©