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Krieg! AIDS! Katastrophen! - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Philosophie 273<br />

Bande der Zuneigung und sexuelle Anziehung« gegeben habe (83), mag sich das<br />

gegen Foucault richten, der im Gebrauch der Lüste die Beziehung von Männern und<br />

Frauen im Kapitel über Ökonomie vorkommen läßt, während sich das Kapitel über<br />

Erotik mit Knabenliebe befaßt, eine Gewichtung, gegen die der gesunde Menschenverstand<br />

der Verfasserin, die von <strong>Theorie</strong> nicht viel zu halten scheint, allemal ein<br />

Moment von Richtigkeit hat. So ist das Buch, handelt es sich auch um eine eher konservative<br />

Gegenlektüre zur feministischen Lektüre, gleichwohl nützlich - und sei es<br />

nur, weil es zur Reflexion der Kriterien bei der Rezeption des Mythen-Materials<br />

anhält. Wolfgang Fritz Haug (Berlin)<br />

Cavarero, Adriana: Platon zum Trotz. Weibliche Gestalten der antiken Philosophie.<br />

Aus dem Italienischen von Gertraude Grassi. Rotbuch Verlag, Berlin 1992<br />

(207 S., br., 34,- DM).<br />

Angesichts der Entfremdung der Frauen in einer männlich dominierten symbolischen<br />

Ordnung setzt Cavarero sich das Ziel, die »Verschleppung des Weiblichen in<br />

das Geschick des Menschen« (11) mit einer Gegenentführung zu beantworten, die sie<br />

als einen kontextunbekümmerten »Diebstahl« weiblicher Gestalten der griechischen<br />

Mythologie ausspricht, die bis heute das »weitgefächerte Angebot der Tradition des<br />

Westens« entscheidend bestimmt (12ff.). Im antiken Übergang vom Mythos zum<br />

Logos sieht die Verfasserin zugleich »einen noch entscheidenderen Übergang von<br />

der Kultur der Großen Mutter zujener patriarchalischen symbolischen Ordnung, die<br />

bis in die Gegenwart reicht« (13). Von Bachofen unterscheidet sie sich mit der Berufung<br />

auf den Mythos der Großen Mutter (dem u.a. auch Gerhart Hauptmann Tribut<br />

gezollt hat) nach eigenem Bekunden nur dadurch. daß dieser den Übergang zum<br />

Patriarchat als Fortschritt faßt (vgl. 197. Anm.2). Die Zweifel der Forschung an der<br />

Annahme eines »ursprünglichen Matriarchats« und die Forderung nach »beweiskräftiger<br />

Dokumentation« weist sie mit dem Bekenntnis zu einer weiblichen Parteilichkeit<br />

zurück, die sie >,vor-Urteil« nennt: »denn die Suche geht aus von der Gegenwart<br />

eines weiblichen Denkens, das sich in der Gestalt der Mutter zu (be-) gründen unternimmt<br />

und darum Ausschau hält nach ihrer antiken Gestalt, umgeben von Töchtern<br />

und Schwestern« (14). Entsprechend behandelt sie vier Gestalten: Penelope, die in<br />

Abwesenheit von Odysseus ihre weibliche Autonomie gegen die »Freier« verteidigt;<br />

die thrakische Sklavin, deren Lachen über Thales, den ersten Philosophen, als dieser<br />

bei der Sternguckerei in einen Brunnen fiel, überliefert wird; Demeter, die Platon im<br />

Kratylos als didousa meter, als Nahrung gebende Mutter, artikuliert; schließlich die<br />

Gestalt der Diotima, von welcher der platonische Sokrates im Symposion sagt, sie<br />

sei seine Lehrerin gewesen.<br />

Es ist wahr. daß die Philosophie als explizit männlicher Diskurs gegründet wird<br />

und sich beim Umbruch ins Feudal-Klerikale als solcher erhält, um schließlich bei<br />

der Verwandlung ins Bürgerliche die Zentral begriffe manifest zu de-sexuieren auf<br />

latent nach wie vor patriarchalischer Grundlage. Dem Vorhaben Cavareros mangelt<br />

es also weder an Stoff noch an Notwendigkeit und Legitimität. Die ausgewählten<br />

Gestalten sind ergiebig, und Cavarero gewinnt ihnen manche Einsicht ab. So<br />

beleuchtet sie die männlich-homosexuelle Fundierung des Philosophierens bei Platon,<br />

der mit einem »Wortschatz ... , der auf der Mimesis von Mutterschaft beruht«<br />

(154) - und z.T. einer Frau (Diotima) in den Mund gelegt wird. die so den weiblichen<br />

Ausschluß aus der Philosophie legitimieren muß (148) -, die abstraktive Verjenseitigung<br />

des Wesens betreibt. Penelope, bei Mary Lefkowitz Archetyp der guten<br />

treuen Ehefrau, die »keinen Kontakt mit anderen Frauen pflegt (abgesehen von den<br />

sie umgebenden Sklavinnen)« CL 77), weder am Recht des nach 20 Jahren wieder-<br />

DAS ARGUMENT 198/1993 ©

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