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Friedrich-Verlag Schüler. Wissen für Lehrer GEWALT - Familientext

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sChüLer<br />

Bestell-Nr. 539018<br />

W i s s e n f ü r L e h r e r<br />

GeWALT<br />

+++ exklusiv <strong>für</strong> Abonnenten: das Magazin bildung+reisen +++


editorial<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012<br />

Handlungsmöglichkeiten entwickeln<br />

Gewalt, insbesondere in Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen, ist ein Thema,<br />

das seit Jahrzehnten aktuell ist. Gewalt beschäftigt nach wie vor die öffentliche und auch<br />

die pädagogische Diskussion. Sie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und wird von<br />

manchen Autoren als „soziale Krankheit“ beschrieben, die tief im Gewebe des sozialen<br />

Zusammenlebens verankert zu sein scheint.<br />

Gewalt geschieht in unterschiedlichen Ausprägungen und Erscheinungsformen an sozialen<br />

Orten – etwa wie Familien, Schulen oder anderen Institutionen. Unterschiedliche Arten<br />

von Gewalt werden unterschiedlich bewertet. Während die direkte, persönliche Gewalt<br />

negativ bewertet und sanktioniert wird, erscheint die institutionelle Gewalt – als Bezeichnung<br />

<strong>für</strong> öffentliche Macht zur Durchsetzung bestimmter Ordnungsvorstellungen –<br />

häufig als legitim.<br />

Schule ist sowohl ein Ort struktureller als auch individueller und kollektiver Gewalt. Sie<br />

kann sowohl von der <strong>Schüler</strong>­ als auch der <strong>Lehrer</strong>­ und Elternschaft ausgehen. Die Formen<br />

dieser Gewalt sind dabei vielfältig und reichen von herkömmlichen physischen und<br />

psychischen Ausprägungen wie Schlagen, Treten, Beschimpfen, Beleidigen und Ausgrenzen<br />

bis hin zu sexueller Gewalt, Morddrohungen und Amokläufen. Eine neuere Erscheinungsform<br />

ist das Cyber­Mobbing, das deshalb so belastend <strong>für</strong> die Betroffenen ist, weil<br />

es anonym geschieht und die Täter nur schwer zu fassen sind.<br />

Der Gewaltbegriff ist komplex und muss daher differenziert betrachtet werden. Zudem<br />

gilt es, die geschlechtsspezifischen Profile der Gewaltausprägung und den jeweiligen biografischen<br />

Hintergrund von Akteuren in Betracht zu ziehen. Rollenstereotype von Männlichkeit<br />

und Weiblichkeit spielen dabei ebenfalls eine Rolle. Zu bedenken ist auch: Täter<br />

sind nicht nur Täter, sondern oftmals auch Opfer, mitunter sogar zeitgleich. Und: Gewalt<br />

entsteht fast immer in einem Beziehungskontext.<br />

Ziel dieses Heftes ist, die empirisch belegbaren Fakten der Verbreitung von Gewalt in<br />

unserer Gesellschaft zu benennen und gleichzeitig die Bandbreite der Gewaltformen im<br />

sozialen Umfeld von <strong>Schüler</strong>n, <strong>Lehrer</strong>n und Eltern darzustellen. Schule ist nicht nur ein<br />

Ort der Gewaltaustragung, sondern auch ein Ort der Gewaltprävention. Unser Anliegen<br />

ist es deshalb auch, Ihnen Handlungsperspektiven aufzuzeigen, damit Gewalt gar nicht<br />

erst entsteht bzw. Sie sie stoppen können.<br />

Heidrun Bründel<br />

Christine Freitag<br />

Inge Michels<br />

Wilfried Schubarth<br />

Ludwig Stecher<br />

Klaus­Jürgen Tillmann<br />

1


<strong>Schüler</strong> 2012 Gewalt<br />

Lars OerteL, WOLfgang MeLzer<br />

4 Immer schlimmer, immer mehr?<br />

Wie viel und welche gewalt an schulen stattfindet<br />

KLaus-Jürgen tiLLMann<br />

8 Was verstehen wir unter Gewalt?<br />

Präzisierung eines schwierigen Begriffs<br />

Christine freitag<br />

14 „… dass sie mehr als Thier sind, welches man<br />

mit dem Stocke schlagen muß“<br />

zur langwierigen abkehr von schulzucht und<br />

-züchtigung<br />

1. KapITel: ScHIKane, MobbInG, ÜberGrIffe …<br />

forMen der GeWalT<br />

2<br />

CarL W. BOrgstedt, gaBrieLe KLeWin<br />

20 „Schwuler …, Wichser …, Hurensohn …“<br />

zwischen verbaler gewalt und alltäglichem umgang<br />

22 Zielscheibe kann jeder werden<br />

gesPräCh Mit saBine franKe<br />

über eine mobbingfreie schule<br />

JuLia rieBeL, reinhOLd s. Jäger, CharLOtte arndt<br />

24 Schikane und Spott virtuell<br />

Was ist neu an Cyberbullying?<br />

26 rechtliche bestimmungen gegen cybermobbing<br />

Jörg KnuPfer<br />

Kerstin WOhne<br />

28 angriffe auf den eigenen Körper<br />

Von selbstverletzungen bei Jugendlichen<br />

32 STarK oHne GeWalT – Streetlight<br />

saBine MasChKe<br />

36 Mit dem größten feind in einem raum<br />

sexuelle gewalt unter gleichaltrigen<br />

heidruM BründeL<br />

38 Übergriffe statt pädagogischer Zuwendung<br />

sexuelle gewalt an schulen<br />

Jürgen ManseL (†), WiLheLM heitMeyer<br />

40 Gewalt und Vorurteil<br />

eine analyse bei Jugendlichen mit und ohne<br />

Migrationshintergrund<br />

Kurt MöLLer<br />

46 rechts, links, islamistisch?<br />

zentrale aspekte politisch konturierter gewalt<br />

heidrun BründeL<br />

50 Wenn <strong>Schüler</strong> um sich schießen<br />

amok an schulen<br />

2. KapITel: TäTer, opfer, ZuScHauer …<br />

aKTeure der GeWalT<br />

inge MiCheLs, WiLfried sChuBarth<br />

54 Warum?<br />

theorien und erklärungsansätze zur entstehung von<br />

gewalt im Jugendalter<br />

heidrun BründeL, inge MiCheLs<br />

58 „Gucken Sie sich mal im Spiegel an!"<br />

Lehrkräfte als ziel von schüleraggressionen<br />

WiLfried sChuBarth, franK Winter<br />

60 Wann ist lehrerverhalten Gewalt?<br />

annäherung an ein tabuthema<br />

63 „und dann könnte ich …“<br />

herr t.<br />

Christine freitag<br />

64 „Wenn meine eltern nachts zanken, kann ich<br />

nicht schlafen“<br />

Kinder als Opfer von gewalt in der familie<br />

ingrid MöLLer, BarBara Krahé<br />

67 Von virtuellen und realen aggressionen<br />

zum Konsum gewalthaltiger Medien<br />

MirJa siLKenBeuMer<br />

70 Gewalt und Geschlecht in der Schule<br />

Keine einfache gleichung<br />

72 boXGIrlS – Sicherheit mit Mut<br />

Christiane MiCus-LOOs<br />

76 Mädchen sind gewaltig anders<br />

zur geschlechtsspezifik von aggressionen<br />

thOMas BerthOLd<br />

80 allein, fremd und traumatisiert<br />

Vom schicksal junger unbegleiteter flüchtlinge<br />

stePhan LüKe<br />

82 Zwischen Wahrheit, prügel und Statistik<br />

nachfragen zur Wahrnehmung und darstellung von<br />

Jugendgewalt<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012


3. KapITel: ScHocKIerT, proVoZIerT, GeforderT …<br />

leHrKräfTe und GeWalT<br />

Martina OVerWeg<br />

86 Gelassen bleiben, wenn’s knallt!<br />

durch emotionsmanagement zu professionellem<br />

<strong>Lehrer</strong>verhalten<br />

stePhanie MOLdenhauer, Beate WisCher<br />

88 Was ist „hausgemacht“?<br />

denkanstoß zu schulischen risikofaktoren von<br />

gewalt<br />

90 Verbale Gewalt wird unterschätzt<br />

gesPräCh Mit gunter a. PiLz<br />

über ringen und regeln<br />

COrduLa Lasner-tietze<br />

92 Warum hat denn keiner das „Veilchen“ gesehen?<br />

Wie Lehrkräfte bei Verdacht auf gewalt gegen Kinder<br />

vorgehen können<br />

günther gugeL<br />

94 auf die Haltung kommt es an<br />

denkanstoß zur schulischen gewaltprävention<br />

96 präsenz als Signal<br />

gesPräCh Mit adeLheid engst<br />

über „Lehr-Körper“ und aggression<br />

ViVienne aL dahOuK, MarC BöhMann<br />

98 Gemeinsam von amok, Mobbing und prügeln lesen<br />

Klassenlektüre als gewaltprävention<br />

OttO seydeL<br />

100 un-orte<br />

schularchitektur als aggressionsauslöser?<br />

rOLand reiChenBaCh<br />

102 Mit autorität gegen Gewalt?<br />

denkanstoß zu einer Beziehungsdimension<br />

4. KapITel: proGraMMe, KonZepTe, HIlfen …<br />

uMGanG MIT GeWalT<br />

inge MiCheLs, WiLfried sChuBarth<br />

106 prävention und Intervention<br />

eine übersicht<br />

109 besuch in einer berliner Sekundarschule<br />

preisgekrönte prävention<br />

inge MiCheLs<br />

110 die Trouble-Line gegen Gewalt: 0800 -110 22 22<br />

CarMen Lenzer, danieLa grauBner, WaLter höLzer,<br />

hartMut BaLser<br />

nadine ritzi, anne rOMund<br />

112 Konfliktbearbeitung lernen an Vorbildern<br />

impulse aus der friedenspädagogik<br />

BarBara sChraMKOWsKi<br />

114 „Ich verletzte niemanden im Herzen“<br />

Konflikt-Kultur, ein Präventionsprogramm<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2011<br />

fotos: andreas greiner-napp; yemaija – photocase.com<br />

saBine Behn<br />

116 Von streitenden und schlichtenden <strong>Schüler</strong>innen<br />

und <strong>Schüler</strong>n<br />

Konfliktbearbeitung und schulkultur<br />

eriKa siMOn<br />

118 <strong>für</strong> klare regeln und Selbstverantwortung<br />

die trainingsraum-Methode<br />

120 <strong>für</strong> und wider Konfrontative pädagogik<br />

gaBrieLa Kreter<br />

die anwenderin<br />

andré KiPPer<br />

der Kritiker<br />

stePhan LüKe<br />

123 Spotlight bringt Mobbing auf die bühne<br />

Bericht von einem besonderen theaterspiel<br />

Kerstin WOhne<br />

126 ratgeber, Informationsbroschüren und unterrichts-<br />

materialien<br />

Publikationen zum thema<br />

129 Impressum/Verzeichnis der autorinnen und autoren<br />

3


<strong>Schüler</strong>: Herr Pilz, wenn Sie <strong>für</strong><br />

einen Moment die Lehrpläne<br />

aller Schulen beeinflussen dürften,<br />

was würden Sie tun?<br />

Gunter A. Pilz: Nur <strong>für</strong> einen<br />

kurzen Moment? Schade! Also,<br />

dann würde ich Ringen als obligatorisch<br />

im Sportunterricht ab<br />

der Grundschule einführen. Bisher<br />

habe ich es nämlich lediglich<br />

geschafft, dass aus meinem Vorschlag<br />

ein Modellprojekt an den<br />

Schulen in Bayern geworden ist.<br />

Ringen? Das müssen Sie erklären!<br />

Ringen erfüllt wie kein anderer<br />

Sport die motorischen und taktilen<br />

Bedürfnisse von Kindern,<br />

es beansprucht Gehirn und Geist<br />

gleichermaßen und kann unabhängig<br />

vom Geschlecht ausgeübt<br />

werden. Mir geht es dabei um<br />

Folgendes: Kinder, die raufen,<br />

die miteinander rangeln, spüren<br />

sich und ihren Körper, spüren<br />

den anderen hautnah. Vor<br />

allem aber spüren sie, was richtig<br />

weh tut und wissen deshalb,<br />

was dem anderen weh tut. Kinder<br />

brauchen diese Erfahrung.<br />

Es geht um Körpernähe, Empathie,<br />

Fairness.<br />

90<br />

Gespräch mit Gunter A. pilz über ringen und regeln<br />

Was genau macht eigentlich<br />

den Reiz einer körperlichen Auseinandersetzung<br />

aus?<br />

Auch wenn es <strong>für</strong> akademisch<br />

geschulte Leser seltsam klingen<br />

mag: Eine Prügelei, meis tens ja<br />

unter Jungen, ist immer auch<br />

ein enormer emotionaler „Kick“.<br />

Gewalt setzt Endorphine frei, ist<br />

lustvoll. Gewalt geht unter die<br />

Haut, ist etwas sehr Ursprüngliches.<br />

Gerade die „Loser“, die<br />

sich in der Schule als Versager<br />

fühlen und mit wenigen gesellschaftlich<br />

anerkannten Erfolgserlebnissen<br />

auskommen müssen,<br />

brauchen ihren Körper, müssen<br />

sich spüren. Sonst haben sie ja<br />

nicht viel. Ihren Körper aber können<br />

sie stylen, über körperliche<br />

Gewalt können sie ein Selbstwertgefühl<br />

aufbauen.<br />

Die Klassenregel „Wir streiten<br />

uns mit Worten“ gibt diesen<br />

„Kick“ nicht …<br />

Sicher nicht. Aber jetzt müssen<br />

wir schon aufpassen: Es geht<br />

mir nicht um ein unkontrolliertes<br />

Losprügeln. Wir müssen knallharte<br />

Grenzen gegen Gewalt setzen,<br />

aber auf der anderen Seite<br />

trotzdem einen Spielraum<br />

<strong>für</strong> körperliches Kräftemessen<br />

lassen. Wir sollten nicht so<br />

hypersen sibel reagieren. Kör-<br />

Verbale Gewalt wird<br />

unterschätzt<br />

Gunter A. Pilz, seit 2010 emerit. Professor am Institut <strong>für</strong> Sportwissen -<br />

schaft der Universität Hannover, Honorarprofessor an der Fachhochschule<br />

Hannover. Bekannt wurde er vor allem als Gewalt- und Konfliktforscher<br />

und Kenner der Hooligan-Szene. Er engagiert sich gegen Gewalt unter<br />

anderem als Beauftragter des Deutschen Fußball-Bundes <strong>für</strong> Prävention<br />

und Anti-Diskriminierung, im Beirat der Koordinations stelle Fanprojekte<br />

und als Vorsitzender der AG Gewaltprävention im und durch Sport des<br />

MFKJKS des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

perliche Auseinandersetzungen<br />

müssen nach fairen Regeln verlaufen,<br />

das lernt man beim Ringen.<br />

Da hat man den Körperkontakt,<br />

die Anstrengung, den<br />

Schmerz, das Gefühl der Stärke<br />

ebenso wie das der Unterlegenheit<br />

– aber alles nach fairen<br />

Regeln.<br />

Soll man also auf die genannte<br />

Klassenregel verzichten?<br />

Auch nicht. Aber man sollte<br />

verstehen, dass das Argumentieren<br />

mit Worten eine andere<br />

Qualität hat als das Rangeln auf<br />

dem Schulhof. Beides ist wichtig,<br />

beides hat ihren Stellenwert.<br />

Die körperliche Form der Auseinandersetzung<br />

hat im Laufe der<br />

vergangenen Jahrzehnte ihren<br />

ganz selbstverständlichen Stellenwert<br />

verloren, gerade unter<br />

den Pädagogen. Damit sind bei<br />

vielen männlichen Jugendlichen<br />

auch bestimmte Selbstregulierungsmechanismen<br />

verkümmert.<br />

Heißt zum Beispiel: Auch wenn<br />

jemand auf dem Boden liegt,<br />

wird weiter getreten.<br />

Man könnte die Klassenregel<br />

ergänzen: „Wenn wir raufen, halten<br />

wir uns an folgende Regeln<br />

…“<br />

Wenn das von klein auf geübt<br />

wird, sehe ich Chancen, dass<br />

wir die Brutalität, die wir beobachten,<br />

vielleicht nach und<br />

nach zurückfahren können. Aber<br />

es geht ja nicht nur um solche<br />

Regeln. Ich bin überzeugt, dass<br />

80 % der Gewalt, die in Schulen<br />

passiert, von den Schulen selbst<br />

produziert wird.<br />

Eine provozierende These, die<br />

sich durch Studien nicht unbedingt<br />

untermauern lässt …<br />

Sicher. Aber ich bleibe dennoch<br />

dabei, denn sie ist doch nachvollziehbar!<br />

Einfach deswegen,<br />

weil sich weder <strong>Lehrer</strong> noch<br />

<strong>Schüler</strong> in diesen Gebäuden<br />

wohl fühlen – schauen Sie sich<br />

mal ein durchschnittliches <strong>Lehrer</strong>zimmer<br />

an! –, weil Kinder aussortiert<br />

werden, weil es viel zu<br />

wenig Bewegung gibt und sich<br />

dadurch natürlich Aggressionen<br />

anstauen. Wenn ich <strong>Schüler</strong> frage,<br />

was sie stört, dann nennen<br />

sie erstens das Schulgebäude,<br />

das zu unpersönlich ist, zweitens<br />

die öden Pausenhöfe, die<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012<br />

Foto: privat


wenig Bewegungsanreize geben,<br />

drittens die unwohnlichen Klassenzimmer<br />

und dann jene <strong>Lehrer</strong>,<br />

die täglich mit unbedachten<br />

Äußerungen verbale Gewalt aussenden<br />

oder sich einfach abweisend<br />

verhalten.<br />

Die Schule ist schuld? Da wird<br />

mancher <strong>Lehrer</strong> gar nicht mehr<br />

weiter lesen wollen …<br />

Es geht nicht um Schuld. Wir<br />

müssen aber doch sensibel sein<br />

<strong>für</strong> die Gewalt, die wir oder auch<br />

Strukturen, ohne dass es gewollt<br />

ist, tagtäglich aussenden. Gewalt<br />

ist immer ein gesellschaftliches<br />

Phänomen und eines, das mit<br />

Kommunikation zu tun hat, und<br />

somit sind viele Akteure am Entstehen<br />

beteiligt, mehr oder weniger<br />

offensichtlich.<br />

Bitte ein Beispiel!<br />

Denken wir nur an das zwangsverordnete<br />

Stillsitzen. Oder<br />

an die unbewussten erniedrigenden<br />

Bemerkungen und ironischen<br />

Entmutigungen: „Stell<br />

dich nicht so an!", „Ich geb´s<br />

auf!“, „Du brauchst dich gar<br />

nicht erst anzustrengen, es hat<br />

eh keinen Zweck!“. Oder die<br />

Motivationskiller: „Wie oft habe<br />

ich dir schon gesagt, dass ...“,<br />

„Wann hörst du endlich?“, „Was<br />

soll der Unsinn?“, „Das ist mir<br />

unbegreiflich!“ und so weiter.<br />

Da kommt im Laufe eines <strong>Schüler</strong>lebens<br />

viel zusammen.<br />

Diese Sätze kennt man ja auch<br />

aus Elternhäusern. Wirken solche<br />

verbalen „Schläge“ oder<br />

Herabsetzungen länger als physische?<br />

Eindeutig ja. Verbale Gewalt<br />

wird vielfach unterschätzt. Für<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012<br />

viele Jugendliche ist sie oft<br />

viel verletzender als körperliche<br />

Gewalt: Ein Junge sagte mir<br />

mal: „Ich denk, mit Worten tut<br />

man den meis ten Leuten mehr<br />

weh als mit Fäusten. Das geht<br />

nach innen, tut innerlich weh.<br />

Und nicht von außen, von außen<br />

heilt schnell.“ Und ich hatte<br />

mal einen Skinhead bei mir, der<br />

war ganz stolz, der sagte sinngemäß:<br />

„Ich bin keine<br />

solche Dumm-Glatze,<br />

die den Leuten nur in<br />

die Fresse haut. Jetzt<br />

mache ich die Leute<br />

mit Worten fertig. So<br />

was steckst du nämlich<br />

nicht so schnell weg.“<br />

Ähnliches habe ich einmal<br />

von einem Jungen<br />

gehört, der – das<br />

ist wirklich bizarr – an<br />

einem Anti-Aggressivitätstrainingteilgenommen<br />

hatte. Er sagte<br />

mir, dass er gar nicht<br />

gedacht hätte, dass man<br />

jemanden mit Worten<br />

so schön fertig machen<br />

kann. Das fand er cool.<br />

Sie haben noch einmal<br />

drei Wünsche frei: Was<br />

sollte sich an Schulen<br />

ändern?<br />

Nicht nur an Schulen,<br />

deshalb: Erstens sollen<br />

Eltern den Kindern die<br />

Freude an Bewegung<br />

und Anstrengung nicht<br />

austreiben, indem sie<br />

sofort auf Leistung setzen<br />

und Wettkampferfolge<br />

einfordern, sobald<br />

sie glauben, eine Begabung<br />

zu erkennen, egal<br />

ob beim Fußball oder<br />

beim Tanzen. Zweitens sollen<br />

Eltern und Pädagogen körperliche<br />

Auseinandersetzungen<br />

nicht tabuisieren. Kräftemessen<br />

ist okay! Drittens sollte sich jede<br />

Schule zur Auflage machen,<br />

dass jede und jeder einzelne<br />

ihrer <strong>Schüler</strong>innen und <strong>Schüler</strong><br />

echte, spürbare, mit Wertschätzung<br />

verbundene Erfolgserlebnisse<br />

sammeln kann. Das<br />

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wiederum geht relativ einfach,<br />

wenn individuelle Fortschritte<br />

gesehen und bewertet werden,<br />

wenn auch außerunterrichtliche<br />

Stärken und Fähigkeiten<br />

bemerkt, geschätzt und in das<br />

Schulleben sichtbar eingebunden<br />

werden.<br />

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91


96<br />

GEspräch mit Adelheid Engst über „Lehr-Körper“ und Aggression<br />

Adelheid Engst lebt in Frankfurt<br />

am Main und arbeitet freiberuflich<br />

als Theaterschauspielerin,<br />

Regisseurin und Coach.<br />

<strong>Schüler</strong>: Frau Engst, wenn Sie<br />

als Trainerin in Schulen unterwegs<br />

sind, könnte folgende<br />

Situation eintreten: Große Pause,<br />

Gedränge in den Gängen.<br />

Sie gehen eine Treppe hoch, da<br />

kommt Ihnen eine Gruppe von<br />

Jugendlichen entgegen. Die<br />

Jungen machen sich breit, grinsen<br />

Sie an und signalisieren:<br />

„Mach Platz!“ Was tun Sie?<br />

Adelheid Engst: In einem solchen<br />

Fall, wo jemand so offensichtlich<br />

seine Dominanz zur<br />

Schau stellt, rücke ich sicher<br />

nicht zur Seite. Stattdessen<br />

mache ich mich innerlich groß,<br />

entfalte meine Präsenz und<br />

nehme einen Raum ein, der<br />

gut über meine 1,62 m hinausreicht.<br />

Ich bin ziemlich sicher,<br />

dass die Gruppe dann zusammenrückt.<br />

1,62 m ist allerdings nicht<br />

groß …<br />

Nein, und das ist ja gerade das<br />

Interessante: Bei dieser Szene<br />

geht es nicht um die physische<br />

Präsenz als Signal<br />

Größe. Es geht nicht darum,<br />

wirklich groß zu sein, sondern<br />

sich groß zu fühlen und dies<br />

auszustrahlen. Noch bevor ein<br />

einziges Wort gesprochen wird,<br />

klärt sich manches Machtverhältnis<br />

– zumindest <strong>für</strong><br />

den Moment. Gewalt hat eine<br />

Geschichte von Sekundengeschehnissen.<br />

Das Wort, dem wir<br />

so viel Bedeutung zumessen, ist<br />

dabei nur der Schluss der Kommunikationskette.<br />

Der eigenen<br />

körperlichen Präsenz, wie auch<br />

immer die ist, sollte sich deshalb<br />

jeder <strong>Lehrer</strong>, jede <strong>Lehrer</strong>in<br />

bewusst sein.<br />

Und das kann man lernen?<br />

Da<strong>für</strong> werde ich geholt, daran<br />

arbeite ich mit Lehrkräften.<br />

Eine beliebte Übungssequenz<br />

in meinen Seminaren heißt „der<br />

gefeierte Torwart“. Ein erfolgreicher<br />

Keeper beherrscht den<br />

Raum zwischen den Pfosten.<br />

Er hält Kontakt zur Mannschaft<br />

und bleibt mit seiner ganzen<br />

Aufmerksamkeit mitten im<br />

Spiel, ganz unbeeindruckt von<br />

vielleicht 60.000 Menschen<br />

im Stadion um ihn herum. Die<br />

Übung erreicht, dass Lehrkräfte<br />

Freude verspüren, im Zentrum<br />

der Aufmerksamkeit zu stehen,<br />

sich der daraus resultierenden<br />

Verantwortung zu stellen und<br />

trotzdem bei sich zu sein.<br />

Der Raum zwischen den Pfosten<br />

– da könnte man sich auch<br />

die Tafel im Klassenzimmer<br />

vorstellen, vor der ein <strong>Lehrer</strong><br />

zumindest beim Frontalunterricht<br />

immer noch steht. Viel<br />

Platz ist da nicht, verglichen<br />

mit einem Torraum.<br />

Das ist das Problem, und zwar<br />

in mehrfacher Hinsicht. Zum<br />

einen sind die <strong>Lehrer</strong> und <strong>Lehrer</strong>innen<br />

in Deutschland dazu<br />

erzogen, sich selbst zurückzunehmen,<br />

wenig Raum zu<br />

beanspruchen und die Kinder<br />

in den Vordergrund zu stellen.<br />

Zum anderen haben Lehrkräfte<br />

wirklich wenig Raum, sich<br />

vor ihrer Klasse und zwischen<br />

ihr ausdrucksvoll zu bewegen,<br />

ihre Persönlichkeit auch durch<br />

körperliche Präsenz zu zeigen.<br />

Und zum Dritten: Autorität zu<br />

haben ist bei uns und vor allem<br />

in pädagogischen Bereichen leider<br />

negativ belegt. Es wird verwechselt<br />

mit „Autorität ausnutzen“.<br />

Aber darum geht es nicht.<br />

Lehrkräfte, insbesondere Schulleiter,<br />

haben nun mal Autorität<br />

und damit in bestimmter Weise<br />

Macht. Sie zu leugnen, sich<br />

klein zu machen, sich anzubiedern,<br />

das ist fatal. Das tut keiner<br />

Schulgemeinschaft gut.<br />

Wenn nun ein <strong>Lehrer</strong> erlebt hat,<br />

wie es ist, als Torwart dazustehen,<br />

kann er dann dieses gute<br />

Gefühl mit in seinen Unterricht<br />

nehmen? Und was hat er<br />

davon?<br />

Genau darum geht es uns Theater<br />

leuten, um die Möglichkeit,<br />

dieses gute Gefühl abrufen zu<br />

können, darum, das Körpergedächtnis,<br />

wie es in der Schauspieltechnik<br />

heißt, zu schulen.<br />

Die <strong>Lehrer</strong>innen und <strong>Lehrer</strong><br />

sollen dieses starke, belebende<br />

Körpergefühl „Torwart“ spüren<br />

können, wann immer es<br />

sie danach verlangt. Sobald<br />

ein <strong>Lehrer</strong> dieses Gefühl wieder<br />

intensiv wahrnimmt, richtet<br />

sich sein Körper danach aus. In<br />

dem Augenblick erfährt er seinen<br />

Körper als größer, seinen<br />

Machtraum als weiter, auch seinen<br />

Atem als kraftvoller, seine<br />

Präsenz weitet sich aus. Auch<br />

seine Worte klingen, kommen<br />

an, reichen weit.<br />

Halten wir uns die Szene vom<br />

Beginn unseres Gespräches<br />

noch einmal vor Augen und<br />

malen uns das Gehabe der<br />

Jugendlichen aus. Beginnt mit<br />

dieser körperlichen Machtdemonstration<br />

schon Gewalt?<br />

Ja, Gewalt fängt damit an, wie<br />

sich jemand oder wie sich eine<br />

Gruppe Raum nimmt. Das kennt<br />

jeder, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

unterwegs ist. Die<br />

Präsenz einer gewaltbereiten<br />

Gruppe spüren wir ganz intuitiv<br />

und reagieren körperlich; und<br />

zwar bereits in dem Moment, wo<br />

sie einsteigt. Wenn <strong>Lehrer</strong>innen<br />

und <strong>Lehrer</strong> an ihrer Schule diese<br />

ersten Signale nicht erkennen<br />

oder nicht wahrhaben wollen,<br />

dann vergeuden sie wertvolle<br />

Zeit. Wenn verbale Gewalt z. B.<br />

gegen sie selbst gerichtet ist<br />

und sie sagen irgendwann später<br />

„Das lasse ich mir von dir<br />

nicht länger gefallen!“, dann<br />

machen sie sich häufig vor den<br />

<strong>Schüler</strong>n lächerlich. Am Anfang<br />

hat noch jeder die Möglichkeit,<br />

sich zu entscheiden.<br />

Wenn ich das richtig verstehe,<br />

dann beginnt zumindest<br />

am Anfang das Gegenhalten,<br />

das Zurückweisen von Gewalt<br />

durch meine eigene körperliche<br />

Präsenz?<br />

Wir können sogar noch weiter<br />

gehen und sagen: Selbst die<br />

Prävention von Gewalt in der<br />

Schule beginnt mit der selbstbewussten<br />

Präsenz und der<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012


Fotos: privat; Hervé Maillet<br />

Kommunikation des „Lehr­Körpers“,<br />

genau in diesem doppel ­<br />

deutigen Sinne. Für uns Theater­<br />

menschen ist jede Kommunikation<br />

wie ein Tanz, wie ein<br />

Tango. Zwei Menschen teilen<br />

sich den Raum, der eine geht<br />

vor, dann weicht der andere<br />

zurück. Der eine dreht den Partner,<br />

der andere lässt es zu. Das<br />

geschieht ohne Worte. Auch<br />

Gewalt ist eine Form von Kommunikation.<br />

Sie durfte sich<br />

irgendwann einmal zu einem<br />

sehr frühen Zeitpunkt ungehindert<br />

entfalten.<br />

Wenn eine <strong>Lehrer</strong>in Ihre Worte<br />

liest und sich fragt, wie wirke<br />

ich denn wohl, wenn ich<br />

zum Beispiel den Klassenraum<br />

betrete …<br />

… dann ist sie auf einem guten<br />

Weg! Der Umgang mit Gewalt<br />

beginnt mit einer Reise zu sich<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012<br />

selbst. Das klingt jetzt vielleicht<br />

ein wenig dramatisch.<br />

Doch nur dann, wenn ich verstehe,<br />

wie ich wirke und was<br />

ich fühle, wenn eine Situation<br />

unangenehm wird, kann ich<br />

gegensteuern. Atem, Kinnlade,<br />

Mundwinkel, Nacken, Bauch,<br />

Körperspannung – all dies<br />

signalisiert meinem Gegenüber,<br />

ob ich entspannt, souverän,<br />

entschlossen bin oder ängstlich,<br />

ausweichend, unterwürfig.<br />

Kommunikation ist ein Kräftespiel.<br />

Wer dessen Regeln kennt<br />

und beherrscht, kann anderen<br />

Schutz bieten.<br />

Noch kurz zu einem weit verbreitetem<br />

Gewalt­Phänomen:<br />

Wie nehmen Sie an Schulen<br />

Mobbing wahr?<br />

Mobbing ist ein Problem mangelnder<br />

Empathie. Wenn mich<br />

Schulen engagieren, um mit<br />

<strong>Schüler</strong>n ein Thea terprojekt<br />

zu Mobbing zu machen, dann<br />

geht es mir vor allem darum,<br />

die emotionale Fantasie der<br />

Jugendlichen anzuregen. Die<br />

Jugendlichen wollen ja vor<br />

allem cool sein. Darin liegt die<br />

Gefahr, dass das Zeigen von<br />

Gefühlen tabuisiert wird. Die<br />

entscheidenden Fragen sind<br />

deshalb: Wie fühlt ihr euch?<br />

Wie könnt ihr das zeigen? Wie<br />

fühlt sich der andere? Ist es<br />

okay, zu zeigen, was du fühlst?<br />

Und: Versuche mit deinem<br />

Köper auszudrücken, wie sich<br />

der andere fühlt! Hier geht es<br />

um die inneren Räume in einem<br />

Menschen und darum, Worte<br />

und eine Körpersprache da<strong>für</strong><br />

zu finden. Deshalb arbeite ich<br />

z. B. mit Situationen, in denen<br />

die Rollen getauscht werden;<br />

etwa in der Szene „Umkleideraum<br />

der Sporthalle“. Mal wird<br />

lehrkräfte<br />

der eine von der ganzen Gruppe<br />

gemobbt, mal gehört er selber<br />

zu denen, die mobben. Nach<br />

meiner Beob achtung nimmt<br />

die emotio nale Fantasie bei<br />

Jugendlichen ab und Sprachlosigkeit<br />

über das Innerste, was<br />

sie bewegt, nimmt zu. Theater<br />

zu spielen wirkt <strong>für</strong> sie befreiend.<br />

Katharsis haben das die<br />

alten Griechen genannt. ■<br />

literatur<br />

Engst, A., Walther, I. (2006): Das große Spiel des<br />

Lebens in: Wielens, H., Kohtes, P. J. (Hg.) (2006):<br />

Raus aus der Führungskrise. Innovative Konzepte<br />

integraler Führung. Bielefeld.<br />

Kosinár, J.:, Körperkompetenzen und Interaktion in<br />

pädagogischen Berufen: Konzepte – Training –<br />

Praxis. Bad Heilbrunn.<br />

Nitsche, P. (2009): Nonverbales Klassenzimmermanagement.<br />

Untermeitingen.<br />

Die Fragen stellte Inge Michels.<br />

In Seminaren, wie sie u. a. Adelheid engst anbietet, kann man lernen,<br />

körperliche Präsenz zu signalisieren<br />

97


Eine Übersicht<br />

Inge MIchelS, WIlfrIed SchubArth<br />

Prävention und Intervention<br />

Was haben Mitternachtssport, Deeskalation und Coolnesstraining gemeinsam? Sie sind<br />

Programme gegen Gewalt, drei aus unzählig vielen. Aus dem unüberschaubaren Angebot<br />

eine passende Auswahl <strong>für</strong> die eigene Schule und deren spezifische Probleme zu treffen ist<br />

schwierig. Es hilft zu wissen, worauf einzelne Programme abzielen, wo ihre Stärken und<br />

Schwächen liegen und wie sie in der Schule eingeführt werden können.<br />

Kennen Sie das? Sie streifen durch einen<br />

großen gut sortierten Supermarkt und möchten<br />

einen neuen Joghurt kaufen. Die Auswahl<br />

erschlägt sie. Und statt eines bestimmten Joghurts<br />

landet schließlich – nichts im Einkaufskorb.<br />

Eine gar nicht seltene Reaktion auf ein<br />

allzu vielfältiges Angebot. Die andere Variante,<br />

je nach Konsumenten-Typ: Weil Sie sich<br />

nicht entscheiden können, legen Sie von jeder<br />

Joghurt-Sorte einen Becher in den Einkaufswagen.<br />

Zuhause probieren Sie einen<br />

nach dem anderen aus, um herauszufinden,<br />

welcher Ihnen am besten schmeckt. Am Ende<br />

haben sie leider vergessen, wie der ers te<br />

Joghurt schmeckte. Eine Kriterienliste hatten<br />

Sie natürlich nicht angelegt …<br />

Der Vergleich mag gewagt sein, aber angesichts<br />

der Fülle von Präventions- und Interventionsprogrammen<br />

gegen schulische Ge-<br />

Auswahl von Präventionsprogrammen<br />

walt ergeht es dem engagierten Pädagogen<br />

häufig so wie dem überforderten Konsumenten.<br />

Auch er fragt sich: Welches Pogramm<br />

passt zu mir und meiner Schule? Welches hat<br />

bei uns die besten Erfolgsaussichten? Welches<br />

ist aufwendig, welches nicht? Welches können<br />

wir finanzieren? Welches überzeugt meine<br />

Kollegen? Bei welchem können meine<br />

<strong>Schüler</strong> in welcher Weise mitmachen? Was<br />

sind die Vorteile, aber auch die Nachteile<br />

jedes einzelnen Programms?<br />

Peer Kaeding arbeitet am Hamburger<br />

Landesinstitut <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong>bildung und Schulentwicklung<br />

in der Beratungsstelle Gewaltprävention<br />

und kennt aus täglicher Praxis<br />

die Schwierigkeiten von Schulen, sich in der<br />

Vielfalt von Programmen gegen schulische<br />

Gewalt zu orientieren. Dort beobachtet er,<br />

dass es gerade die Gewaltvorfälle entweder<br />

Phasen Praktische umsetzung (beispiele)<br />

1. Einstiegsphase Information und Diskussion im Kollegium, mit <strong>Schüler</strong>n,<br />

Eltern, Schulaufsicht, Pädagogischer Tag, SchiLF<br />

2. Analyse- und Diagnosephase Ist-Analyse durch AG, Befragung unter <strong>Schüler</strong>n, <strong>Lehrer</strong>n,<br />

Eltern, Auswertung, Feedback, Pädagogische<br />

Konferenz<br />

3. Zielklärung Leitziel (pädagogisches Ethos), Mittlerziel (Vermittlungsposition),<br />

Handlungsziel (konkret, messbar, realistisch,<br />

terminiert)<br />

4. Maßnahmeplanung Projektterminplan (Aufgaben, Verantwortlichkeiten,<br />

Beteiligte) Termine (Infrastruktur, Steuergruppe u. Ä.)<br />

5. Durchführung Implementation konkreter Maßnahmen, z. B. Streitschlichterprogramm,<br />

Anti-Mobbing-Programm u. a.<br />

6. Evaluation Rückmeldungen, Zwischenbilanzen, weitere Planung<br />

an der eigenen Schule oder die medial verbreiteten<br />

sind, die Eltern und <strong>Lehrer</strong> aufschrecken<br />

und den Ruf nach Gegenmaßnahmen<br />

laut werden lassen.<br />

Peer Kaeding: „Heutzutage geht es weniger<br />

darum, die schulischen Akteure von der<br />

Sinnhaftigkeit von Präventionsmaßnahmen<br />

zu überzeugen. Die Herausforderung besteht<br />

vielmehr darin, das <strong>für</strong> die Schule passende<br />

Programm zu finden. Da die meisten Schulen<br />

ohnehin Ziel- und Leis tungsvereinbarungen<br />

mit der Schulaufsicht abschließen müssen,<br />

liegt hierin eine Chance, auch das Thema Prävention<br />

in die Planung der kommenden Jahre<br />

einzubeziehen und mit ausreichenden Ressourcen<br />

auszustatten. Es geht also darum, die<br />

Planungen zielorientiert, belastbar und nachprüfbar<br />

zu gestalten.“ Der Fachmann kennt<br />

aber auch Schulen, die sehr aktiv in Sachen<br />

Prävention und Intervention sind. „Hier muss<br />

es erst einmal darum gehen, einen Überblick<br />

zu gewinnen und Maßnahmen auf ein Ziel hin<br />

zu fokussieren. In einer großen Berufsschule<br />

z. B. wurde ein Planungsstab eingerichtet, der<br />

zunächst allein damit beschäftigt war, zu sammeln<br />

und zu sortieren, was es alles schon an<br />

Maßnahmen und Programmen gab.“<br />

Auswahl in sechs Schritten<br />

Schulen, die <strong>für</strong> sich das passende Programm<br />

suchen, sei idealtypisch ein Vorgehen nach<br />

den folgenden sechs Phasen empfohlen (vgl.<br />

Schubarth 2010, S. 189 ff., Melzer, Schubarth,<br />

Ehninger 2011):<br />

In Phase 1 geht es vor allem um die Frage,<br />

ob Gewalt an der betreffenden Schule ein<br />

106 <strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012


Foto: Sicher-Stark-Team<br />

(vgl. Schubarth 2010, S. 114)<br />

Kinder selbstsicher zu machen, damit sie gewalt nicht zum Opfer fallen, ist das Ziel vieler Programme und<br />

Initiativen – wie des teams „Sicher Stark“, das in grundschulen akiv ist<br />

Problem ist und die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen<br />

als sinnvoll eingeschätzt<br />

wird. Das Kollegium wird zunächst darüber<br />

informiert, dass an einem bestimmten<br />

Tag eine Pädagogische Konferenz zu Ge-<br />

Ausgewählte schulische Programme gegen Gewalt und Mobbing<br />

Adressat/Zielgruppe beispiele<br />

Programme <strong>für</strong> alle <strong>Schüler</strong> Streitschlichterprogramme (Peer Mediation)<br />

Coolness-Training<br />

Trainingsraum-Methode<br />

Buddy-Projekt<br />

Sozialtraining in der Schule<br />

Trainingsprogramm <strong>für</strong> aggressive Kinder<br />

Berner Anti-Mobbing-Programm<br />

No Blame-Approach (Anti-Mobbing-Programm)<br />

Programme <strong>für</strong> jüngere <strong>Schüler</strong> Programm „Faustlos“<br />

Verhaltenstraining <strong>für</strong> Schulanfänger<br />

Komm, wir finden eine Lösung<br />

Programm „Eigenständig werden“<br />

Prävention im Team (PIT)<br />

Programme <strong>für</strong> ältere <strong>Schüler</strong> Programm „Fit for Life“<br />

Lions-Quest-Programm „Erwachsen werden“<br />

Programm „Soziales Lernen“<br />

Training mit Jugendlichen<br />

<strong>Lehrer</strong>programme Konstanzer Trainingsmodell (KTM)<br />

Schulinterne <strong>Lehrer</strong>fortbildung „Gewaltprävention“<br />

(SchiLF)<br />

Schulumfassende Programme Anti-Bullying-Interventionsprogramm<br />

Interventionsprogramm an Hauptschulen<br />

Konzept „Erziehende Schule“<br />

Konzept „Lebenswelt Schule“<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012<br />

walt und Gewaltprävention stattfindet. Im<br />

Vorfeld könnten Literatur und Arbeitsaufgaben<br />

verteilt werden. Es ist zu klären, wer<br />

die Moderation übernimmt, z. B. Schulleitung,<br />

einzelne <strong>Lehrer</strong> oder die Steuergrup-<br />

uMgAng<br />

pe. Eine systematische und <strong>für</strong> alle transparente<br />

Vorgehensweise ist dabei wichtig. In<br />

Phase 2 folgt die Datensammlung und Diagnose.<br />

Phase 3 dient der Ziel- und Prioritätensetzung.<br />

Ein Ziel sollte möglichst<br />

konkret formuliert, messbar sowie zugleich<br />

realistisch und planbar sein (Ressourcencheck<br />

durchführen). In Phase 4 gilt es zu<br />

klären, was genau die jeweilige Schule wie<br />

realisieren will, wer die Akteure sind, wie<br />

die Zusammenarbeit aussehen soll und<br />

welche Aufgaben verteilt werden sollen.<br />

Meist kommt es im Projektverlauf zu Abweichungen<br />

zwischen dem realen Projektablauf<br />

„IST“ und der Planung „SOLL“.<br />

Bei der Projektsteuerung (Phase 5)<br />

wird „Geplantes“ mit „Tatsächlichem“ verglichen.<br />

Phase 6 beschließt den Prozess<br />

mit einer Evaluation, um die Fortschritte<br />

fundiert einschätzen zu können und ggf.<br />

nachzusteuern.<br />

Ein solchermaßen strukturiertes Vorgehen<br />

empfiehlt sich vor allem deshalb, weil<br />

es nicht die eine Präventionsstrategie gibt.<br />

Stattdessen geht es um eine komplexe, multidimensionale<br />

Strategie. Diese sollte in einen<br />

kontinuierlichen Prozess der Schulentwicklung<br />

eingebettet sein und Folgendes<br />

berücksichtigen:<br />

• die unterschiedlichen Phänomene von Gewalt<br />

und Mobbing;<br />

• die verschiedenen Ebenen (System, Einzelschule,<br />

Klasse, <strong>Schüler</strong>) und<br />

• die unterschiedlichen Handlungsbereiche<br />

(Schule, Familie, Jugendhilfe).<br />

107


Zusammenarbeit mit der Polizei ist bestandteil<br />

vieler Initiativen zur gewaltprävention<br />

Coolness-Training<br />

Foto: Markus Kirchgessner<br />

Sich intensiv damit auseinanderzusetzen,<br />

welches Programm zu welcher Schule<br />

passt und deren Arbeit gut ergänzt, hilft<br />

zudem, die Vor- und Nachteile, die jedes<br />

Programm hat, vor dem eigenen Hintergrund<br />

zu betrachten und daraufhin die<br />

Eignung eines Modells zu bewerten. Wie<br />

notwendig ein solches Abwägen ist, zeigt<br />

sich beispielsweise am Coolness-Training,<br />

einem Interventionsprogramm, welches<br />

starke Be<strong>für</strong>worter und Gegner hat. Wir<br />

werfen einen kurzen Blick darauf (vgl.<br />

auch G. Kreter, A. Kipper, S. 120 ff.).<br />

coolness-training: konfrontativ<br />

Das Coolness-Training gehört zu den<br />

relativ neuen Interventionskonzepten:<br />

Es ist ein Konzept der konfrontativen<br />

Pädagogik, worunter ein pädagogischer<br />

Handlungsstil verstanden wird, der die<br />

Selbstverantwortung der <strong>Schüler</strong> in den<br />

Mittelpunkt seiner Methodik stellen will.<br />

Die Be<strong>für</strong>worter des Trainings setzen darauf,<br />

dass in der Gleichaltrigengruppe<br />

der eigentliche Erziehungsfaktor zu sehen<br />

ist. So basiert das Coolness-Training<br />

auf dem Prinzip, dass niemand das Recht<br />

hat, andere zu beleidigen, zu verletzen<br />

oder auszugrenzen – geschieht das dennoch,<br />

erfolgt Konfrontation (vgl. Gall<br />

2011).<br />

lernziele lerninhalte Methoden/Medien<br />

1. Wahrnehmung der aggressiven Gefühle Aggression als natürlicher Persönlichkeitsanteil<br />

2. sinnliche Wahrnehmung von<br />

Anstrengung/Körperlichkeit<br />

3. Erkennen eigener Befindlichkeiten<br />

im Konflikt<br />

4. Erkennen eigener Stärken und<br />

Schwächen<br />

Stärken und Schwächen von Coolness-Training<br />

körperbetonte, sportliche Spiele, kämpfen<br />

nach Regeln, Stunts<br />

Faszination von Gewalt, Gewalt ist „geil“ Kämpfen als „pädagogische Disziplin“<br />

Selbstexploration als Täter und Opfer Fragebogen, Rollenspiele, Interaktionsübungen,<br />

Interviews, Täter-Opfer-Statue,<br />

Stunts<br />

eigene positive und negative Persönlichkeitsanteile<br />

Stärken Schwächen / Probleme<br />

• Interventionskonzept <strong>für</strong> gewaltauffällige <strong>Schüler</strong><br />

• Klare, ritualisierte Grenzziehung und Normverdeutlichung<br />

• intensive pädagogische Arbeit mit gewaltauffälligen <strong>Schüler</strong>n<br />

• breites Methodenrepertoire<br />

• erziehungswirksam, insbesondere Sensibilisierung der Täter,<br />

verbesserte kommunikative, soziale Fähigkeiten<br />

Ein Training umfasst zehn bis zwölf Termine<br />

im Umfang von jeweils zwei bis drei<br />

Schulstunden pro Woche, die größtenteils<br />

in der Schule stattfinden. Das Curriculum<br />

beinhaltet 13 Bausteine mit den jeweiligen<br />

Zielen, Inhalten und Methoden (ebd.,<br />

S. 132 ff.). Ein Ausschnitt findet sich im Kasten<br />

zum Coolness-Training (s.u.).<br />

Erste Untersuchungen belegen, dass das<br />

Training durchaus zur Grenzziehung und<br />

Normverdeutlichung in den Klassen geeignet<br />

ist. Der Erfolg des Programms hängt jedoch<br />

wesentlich davon ab, wie professionell<br />

das Training durchgeführt wird und wie tragfähig<br />

bzw. belastbar die Rahmenbedingungen<br />

sind (z. B. Klassen- und Schulklima). Kritiker<br />

beanstanden den tribunalartigen Charakter<br />

des „Heißen Stuhls“ (s.o.) und bewerten den<br />

Ansatz insgesamt als defizit orientiert, autoritär,<br />

repressiv oder gar als Unterwerfung. Interessierte<br />

Schulen sollten somit abwägen.<br />

Streitschlichter: der „Königsweg“?<br />

Im Unterschied zum Coolness-Training sind<br />

Streitschlichter-Programme (s. auch S. Behn,<br />

S. 116 f.) nicht umstritten. Vielmehr avancierte<br />

Streitschlichtung in Form von Peer-<br />

Mediation schnell zu einer Art „Königs -<br />

weg“ schulischer Gewaltprävention – wohl<br />

auch deshalb, weil man sich rasche Hilfe<br />

in typischen Konfliktsitua tionen verspricht.<br />

Partnerinterviews, Konfrontation auf dem<br />

„Heißen Stuhl“, Rollenspiel<br />

• relativ eng begrenzte, kontextlose Bearbeitung von Gewalt verhalten<br />

• Gefahr der Defizitorientierung sowie der Bedrängung und<br />

Ausgrenzung<br />

• meist fehlende Nachbetreuung<br />

• Gefahr einer „bloßen Technik“<br />

• Gefahr von „Kurzzeitpädagogik“<br />

• Außerachtlassen gesellschaftlicher Ursachen<br />

108 <strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012


Foto: Theodor Barth / Der Deutsche Schulpreis<br />

Besuch in einer Berliner Sekundarschule: Preisgekrönte Prävention<br />

„Dein Ohr leih jedem, wenigen deine Stimme.“ Dieses Zitat<br />

aus Hamlet ist sorgfältig von <strong>Schüler</strong>hand an eine Wand der<br />

Heinz-Brandt-Schule in Berlin geschrieben. Ausgesucht wurde<br />

der Spruch wohl kaum, um auf die Ambitionen der Schule<br />

hinzuweisen, Gewalt konsequent entgegenzutreten. Dennoch<br />

passt das Zitat, wie Schulleiterin Miriam Pech deutlich macht.<br />

Sie erinnert an die Zeit, als es an der (jetzt auslaufenden)<br />

Hauptschule darum ging, gegen rechtsextremes Gedankengut<br />

vorzugehen. „Wir waren eine Hauptschule mit ganz typischen<br />

Problemen. Leider gehörte bei uns auch Rechtsextremismus<br />

dazu, mit den typischen Mitläufern. Manche waren anfällig <strong>für</strong><br />

rechtsextreme Parteien, die bei uns auf Stimmenfang gingen.“<br />

Das war vor über zehn Jahren. Damals holte sich die Schule<br />

Hilfe von der RAA (Regio nale Arbeitsstellen <strong>für</strong> Bildung, Integration<br />

und Demokratie e. V.). Sehr schnell ging es dann auch<br />

darum, sich von martia lischer Kleidung und rechtsextremen<br />

Symbolen zu verabschieden. Springerstiefel etwa sind seitdem<br />

verboten. „Das war eine heftige Diskussion, Tenor: ‚Ich bestimme,<br />

was ich anziehe!‘. Selbst manche aufgebrachten Eltern<br />

mussten wir erst davon überzeugen, dass man mit Kleidung<br />

eine politische Haltung ausdrücken kann“, berichtet Pech.<br />

name als Signal<br />

Dabei signalisiert schon der Name der Schule ihre Ausrichtung:<br />

Heinz Brandt war kommunis tischer Widerstandskämpfer<br />

im „Dritten Reich“, der Auschwitz überlebte, in der DDR zu<br />

13 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde und sich später in der<br />

Friedensbewegung engagierte.<br />

Seit den Problemen mit Rechtsradikalismus hat sich einiges<br />

geändert: 2011 erhielt die ganztägige Sekundarschule den<br />

Deutschen Schulpreis. In der Laudatio wurden die „gute<br />

Arbeitshaltung und der aggressionsfreie Umgang“ der <strong>Schüler</strong>innen<br />

und <strong>Schüler</strong> gelobt. Laut Schulleiterin Pech bilden Hintergrundwissen,<br />

Verständnis, Respekt und ein vertrauensvolles<br />

Klima die Basis der Gewaltprävention. Dazu tragen verschiedene<br />

Projekte bei, z. B. Gesicht zeigen! des Vereins Für ein<br />

weltoffenes Deutschland e. V., vor allem aber ein kohärentes<br />

Sys tem aus gegenseitiger Wertschätzung, einem freundlichen<br />

Umgangston (der auch eingefordert wird) und prompter, konsequenter<br />

Reaktion auf ungewünschte Verhaltensweisen.<br />

Venetzt und stets am ball<br />

Jeden Mittwoch um 10 Uhr kommt der Präventionsbeamte der<br />

Polizei zu einer Sprechstunde in die Heinz-Brandt-Schule. Einmal<br />

im Monat tagt die große Koordinierungsrunde. Zu dieser<br />

gehören Vertreter der Polizei, des Jugendamtes, des schulpsychologischen<br />

Dienstes, Sozialarbeiterinnen der Schule sowie<br />

die Schulleitung. Regelmäßig sind <strong>Lehrer</strong> auf Fortbildung und<br />

qualifizieren sich etwa bei ETEP, einem pädagogischen Programm<br />

zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensproblemen,<br />

und generell zur präventiven Arbeit beim<br />

Aufbau von Verhaltenskompetenzen.<br />

„Wir profitieren noch vom Hauptschul-Bonus und vom Berliner<br />

Rütli-Schock“, gesteht die Schulleiterin. Deshalb gibt<br />

es an der Schule drei Sozialpädagoginnen, die in der umgestalteten<br />

Hausmeisterwohnung eine helle, freundliche Schulstation<br />

mit <strong>Schüler</strong>club eingerichtet haben. Hier darf jeder<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012<br />

uMgAng<br />

vorbeikommen, der eine Schulter zum Ausweinen, ein gutes<br />

Gespräch oder nur eine Tasse Tee braucht. <strong>Schüler</strong>, die den<br />

Eindruck machen, dass ihnen eine Aufmunterung gut tut, etwa<br />

weil es zu Hause Stress gibt, werden von <strong>Lehrer</strong>n auch gezielt<br />

hierhin geschickt.<br />

„Wir gehen selber wirklich gern in unsere Schule und hören<br />

das auch immer wieder von unseren <strong>Schüler</strong>innen und <strong>Schüler</strong>n“,<br />

sagt Miriam Pech. „Trotzdem haben wir ein neues Problem,<br />

das wir noch nicht lösen können: Mobbing in sozialen<br />

Netzwerken.“ Noch versuchen die Lehrkräfte, das Thema<br />

selbst aufzugreifen und sich darüber schlau zu machen. Aber<br />

eigentlich, sagt die Schulleiterin, brauchten sie dringend das<br />

Schulfach Medienkompetenz.<br />

elemente der gewalt prävention an der heinz-brandt-Schule:<br />

• Kleiderordnung: keine Gewalt verherrlichende Kleidung oder<br />

„Dekoration“;<br />

• Sprachregelung: freundliche Begrüßung, aggressionsfreie<br />

Sprache, re spektvoller Umgang:<br />

• Kooperation mit der RAA;<br />

• Antigewalttraining durch die Polizei;<br />

• Sozialpädagoginnen als Mitglieder des pädagogischen<br />

Teams;<br />

• Diskussion über Lernatmosphäre im <strong>Schüler</strong>parlament;<br />

• Lernen und Leistung: Sorgfältige Diagnostik, Honorierung<br />

auch kleiner individueller Fortschritte, persönliche Zuwendung;<br />

• vertrauensvolles Klima als Teil der ständigen Schulentwicklung.<br />

Mehr Infos<br />

www.heinz-brandt-schule.cidsnet.de<br />

www.bag-raa.de<br />

www.gesichtzeigen.de<br />

www.etep.org<br />

An dieser Schule akzeptiert und hilft man einander. das finden nicht nur<br />

lernende und lehrkräfte, sondern auch die Jury des deutschen Schulpreises.<br />

darum wurde der Schule 2011 dieser Preis verliehen<br />

109


Schauen wir uns einmal einen typischen<br />

Pausenkonflikt an: Ein Junge beschimpft einen<br />

anderen mit obszönen Sprüchen. Der<br />

Beschimpfte seinerseits ist beleidigt und reagiert<br />

mit demselben vulgären Vokabular. Die<br />

Situation eskaliert und geht rasch in Rangelei<br />

und Rauferei über. Andere <strong>Schüler</strong> der<br />

Klasse sehen zu oder ergreifen Partei. Dies<br />

geht so lange, bis der <strong>Lehrer</strong> eingreift und<br />

Stärken und Schwächen von Streitschlichterprogrammen<br />

den Streit mittels eines Machtwortes beendet.<br />

Doch ist der Streit damit wirklich beendet?<br />

Ist der als „Schuldige“ identifizierte<br />

<strong>Schüler</strong> wirklich der alleinige Urheber des<br />

Streits? Und was haben die <strong>Schüler</strong> aus diesem<br />

Konflikt und dessen „Lösung“ gelernt?<br />

Noch immer werden Konflikte offenbar<br />

meist auf traditionelle Art und Weise, d. h.<br />

mittels Macht von „oben“ gelöst. Hier<br />

Stärken Schwächen / Probleme<br />

• einfaches, praktikables und attraktives Konzept<br />

• fördert kommunikative und soziale Fähigkeiten,<br />

vor allem der Mediatoren<br />

• überträgt <strong>Schüler</strong>n Verantwortung<br />

• Alternative zum Strafen<br />

• demokratischer und partizipatorischer Ansatz<br />

• fördert konstruktive Konfliktkultur<br />

• gewaltpräventive Wirkungen<br />

• Entlastungen der Lehrkräfte<br />

Die Trouble-Line gegen Gewalt: 0800 - 110 22 22<br />

Wer in Hessen die 0800-110 22 22 wählt, wird automatisch zum<br />

nächstgelegenen Polizeipräsidium geleitet und trifft dort z. B. auf<br />

Michael Schmidt im Polizeipräsidium Mittelhessen. Der Polizeibeamte<br />

gehört zu AGGAS und ist im Lahn-Dill-Kreis u. a. verantwortlich<br />

<strong>für</strong> die Trouble-Line. Hinter der Abkürzung AGGAS verbirgt<br />

sich die Arbeitsgruppe Gewalt an Schulen. Die dazugehörende<br />

Trouble-Line ist so etwas wie das Sorgentelefon <strong>für</strong> Schulen in Hessen,<br />

sowohl bei akuten Gewaltvorfällen als auch bei der Be<strong>für</strong>chtung<br />

von Übergriffen oder Gewalttaten. Beide sind ein Baustein<br />

aus dem Baukasten der Gewaltprävention.<br />

Im Jahr 2005 führte die hessische Landesregierung landesweit<br />

die aus einer Initiative im Lahn-Dill-Kreis entstandene Trouble-Line<br />

ein und bietet seitdem hilfesuchenden Kindern und Jugendlichen,<br />

Lehrkräften und Eltern den direkten Draht zu fachkompetenten Polizeibeamten.<br />

2007 bekam das Projekt den Deutschen Förderpreis <strong>für</strong><br />

Kriminalprävention verliehen. Michael Schmidt hat sich aus Verantwortungsgefühl<br />

und persönlichem Engagement <strong>für</strong> den „Dienst am<br />

Sorgentelefon“ und allem, was dazu gehört – Besuche der Schulen,<br />

Teilnahme an Elternabenden, Beratungsgespräche, Info-Veranstaltungen<br />

–, fortbilden lassen. Er ist bereits seit 1996 dabei. Damals<br />

wurde bei der Polizeistation Wetzlar eine entsprechende Arbeitsgruppe<br />

gegründet, um dem hohen Gewaltaufkommen an Schulen<br />

im Kreis koordiniert entgegenzutreten und dem Wunsch der Schulen<br />

nach zügigem Handeln und einem direkten Draht zur Polizei zu<br />

entsprechen. Entwickelt wurde das Modell dann im Rahmen eines<br />

Modellversuches Gewaltprävention der Bund-Länder-Kommission.<br />

„Bei uns gehen ein bis zwei Anrufe pro Tag ein, meistens von<br />

<strong>Lehrer</strong>n oder Schulleitern“, sagt Michael Schmidt mit Blick auf<br />

das eigens da<strong>für</strong> aufgestellte Telefon auf seinem Schreibtisch.<br />

„Vorhin sind zwei Kollegen zu einer Schule gefahren. Der Schulleiter<br />

hatte angerufen. Es gab eine Schlägerei und bei einem Jungen<br />

wurde ein Messer entdeckt. Wir werden wohl ein Verfahren einleiten,<br />

denn das Messer verstößt gegen das Waffengesetz.“<br />

setzt das Konzept der Peer-Mediation an,<br />

das die Verantwortung <strong>für</strong> die Beilegung<br />

des Konflikts deshalb bei den Konfliktpartnern<br />

belassen will (vgl. z. B. Kaeding u. a.<br />

2005, Rademacher 2007, Schubarth 2010).<br />

Die Wirksamkeit von Peer-Mediation hängt<br />

entscheidend davon ab, wie es gelingt, das<br />

Mediationskonzept als Teil des gesamten<br />

Schulentwicklungsprozesses zu verankern<br />

• Implementation und Etablierung aufwändig und voraussetzungsreich<br />

• Beteiligung vieler Schulakteure nötig<br />

• Erfolge erst längerfristig sichtbar<br />

• häufig mangelnde Akzeptanz<br />

• Prinzip der Freiwilligkeit schwer umzusetzen<br />

• Mediatoren als Ordnungsschüler „missbraucht“<br />

• Zeitrhythmus der Schule als Problem<br />

• Mediation auf <strong>Schüler</strong> begrenzt, <strong>Lehrer</strong> bleiben meist außen vor<br />

gegen gewalt mit einem baukasten-System<br />

Die hessische Koordinierungsstelle Gewaltprävention, der Verein<br />

Verantwortung statt Gewalt und die gleichnamige Stiftung<br />

arbeiten seit über 20 Jahren erfolgreich mit der Universität Gießen<br />

zusammen. Sieben deutsche bzw. europäische Modellversuche<br />

zur Gewaltprävention wurden unter wissenschaftlicher<br />

Begleitung der Universität durchgeführt. Die erfolgreichen Konzepte<br />

und Strategien sind im 12-Punkte-Programm festgehalten:<br />

1. Das Präventionsnetz der Schule entwickeln<br />

2. Auf dem Weg zur Schulgemeinde: Eltern einbeziehen!<br />

3. Studentenpatenschaften: Coaching <strong>für</strong> Kinder und<br />

Jugendliche<br />

4. Wahrnehmung und Bewegung fördern<br />

5. Verbesserung des Klassen- und Schulklimas<br />

6. Schule gestalten – Gesundheit fördern<br />

7. Trouble-Line und AGGAS<br />

8. Konflikte konstruktiv lösen<br />

9. Den bewussten Umgang mit den Neuen Medien lernen<br />

10. Gemeinsam statt einsam: Migration ist Chance<br />

11. Mobbingprävention<br />

12. Extremismus: Inklusion statt Exklusion.<br />

Zu jedem Baustein sind Praxisfilme, Praxisanleitungen, Projektbeschreibungen<br />

oder ein Lernspiel entwickelt worden. Infos<br />

unter: www.verantwortung.de oder www.verantwortung-stattgewalt.de.<br />

Jeder der 12 Bausteine bildet ein in sich geschlossenes,<br />

ganzheitliches Konzept. Der ganze Baukasten folgt dem<br />

systemischen Konzept der Gewaltprävention. Berücksichtigung<br />

finden demzufolge gleichzeitig<br />

• primäre Prävention (positive Entwicklungen verstärken);<br />

• sekundäre Prävention (Maßnahmen bei leichten Störungen);<br />

• tertiäre Prävention (Maßnahmen bei Gewalt mit dem Charakter<br />

von Gesetzesverstößen).<br />

110 <strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012


und ob ihm Zeit gegeben wird, seine Wirkung<br />

zu entfalten. Das kann mehrere Jahre<br />

dauern. Viele Schulen mussten die Erfahrung<br />

machen, dass nach der Ausbildung<br />

von Streitschlichtern die Schlichtung nicht<br />

wie von selbst läuft. Empirische Studien<br />

zeichnen denn auch ein ambivalentes Bild<br />

von deren Wirksamkeit. Einerseits bestätigen<br />

die Studien das große Potenzial der<br />

Modelle zur Entwicklung von Kommunikations-<br />

und Konfliktlösungskompetenzen unter<br />

der <strong>Schüler</strong>schaft, insbesondere bei den<br />

Mediatoren selbst. Andererseits verweisen<br />

sie auf Akzeptanzprobleme, sowohl unter<br />

der <strong>Schüler</strong>- als auch der <strong>Lehrer</strong>schaft.<br />

Insgesamt aber ist die Peer Mediation aufgrund<br />

ihrer nachgewiesenen sozialpräventiven<br />

Wirkungen allen Schulen, unabhängig<br />

von der Schulform, sehr zu empfehlen.<br />

Betrachtet man die Merkmale schulischer<br />

Prävention ganz grundsätzlich – dazu<br />

gehört u. a. die Stärkung der sozialen Dimensionen<br />

von Schule, die Förderung der<br />

Koordination: systematisch und abgestimmt<br />

AGGAS (Baustein 7) beruht auf einem Kooperationsmodell zwischen<br />

Schule, Polizei, Eltern, Richtern, Staatsanwaltschaft,<br />

Jugendamt, Sozial pädagogen u. a. Heute arbeitet im Lahn-Dill-<br />

Kreis jede Schule systematisch und unabhängig von einzelnen<br />

Vorfällen mit der Polizei zusammen. Landesweit sieht die Kooperation<br />

ähnlich, wenn auch nicht identisch aus.<br />

Dieses Kooperationsmodell besteht aus drei Aktivitätsbereichen,<br />

die in enger Verbindung und unter unterschiedlicher<br />

Leitungsverantwortung stehen:<br />

• Leitung Koordinierungsstelle Gewaltprävention: Ständiger<br />

Austausch zum Thema Gewaltprävention und -intervention;<br />

Ko operations- und Arbeitskreis von Behörden und Schulen.<br />

Regelmäßiges Arbeitstreffen der beteiligten Institutionen:<br />

Eltern, <strong>Lehrer</strong>, Schulleiter, Polizisten, Vertreter der Jugendämter,<br />

Staatsanwälte, Schulaufsichtsbeamte und Schulpsychologen,<br />

Jugend- und Familienrichter tauschen ihre Erfahrungen<br />

in Arbeitskreisen aus, um gemeinsam Prävention- und<br />

Interventionsmaßnahmen abzustimmen – die sich insbesondere<br />

auf die Anrufe bei der Trouble Line beziehen.<br />

• Leitung Polizei: <strong>Schüler</strong>-, Eltern- und <strong>Lehrer</strong>telefon <strong>für</strong> die<br />

Region wird betreut von den Jugendpolizisten der AGGAS.<br />

• Leitung Koordinierungsstelle Gewaltprävention im Staatlichen<br />

Schulamt: Entwicklungseinrichtung von Präventionsprojekten,<br />

Modellversuchen, Kooperationen und Fortbildungen. Landesweite<br />

Publikation der Arbeitsergebnisse. Entwicklung von<br />

Medien zur Gewaltprävention.<br />

erfolg misst sich nicht nur in Zahlen<br />

Auf die Frage nach den Erfolgen von AGGAS und Trouble-Line<br />

nennt Michael Schmidt <strong>für</strong> den Lahn-Dill-Kreis zunächst Zahlen:<br />

„Bei 102 Schulen und 50.000 <strong>Schüler</strong> nur rund 500 Straftaten<br />

an den Schulen pro Jahr; also wenig, wenn auch <strong>für</strong> jeden ein-<br />

<strong>Schüler</strong> <strong>Wissen</strong> <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong> 2012<br />

Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung<br />

von Kindern und Jugendlichen –, so ist augenfällig,<br />

dass dies genau dieselben Merkmale<br />

sind, die eine „gute Schule“ bzw. eine<br />

„gute Schulqualität“ ausmachen. Deshalb<br />

lautet auch die wichtigste Botschaft der<br />

Präventionsforschung: Gewalt und Mobbing<br />

vorzubeugen heißt vor allem Schulentwicklung<br />

zu betreiben.<br />

Prävention: mehr als nur ein Programm<br />

Mit anderen Worten: Auch wenn außerschulische<br />

Einflüsse auf die Entstehung<br />

von Aggression und Gewalt recht groß sind<br />

(s. dazu auch S. Moldenhauer, B. Wischer,<br />

S. 88 f.): Die Schulen sind diesen Phänomenen<br />

nicht hilflos ausgeliefert. Schulleiter,<br />

<strong>Lehrer</strong>, Schulsozial arbeiter, Eltern<br />

usw. haben vielmehr selbst Möglichkeiten,<br />

die Entwicklung von Gewalt und Mobbing<br />

zu beeinflussen, indem sie ihre Schule be-<br />

uMgAng<br />

cArMen lenZer, dAnIelA grAubner, WAlter hölZer, hArtMut bAlSer*<br />

zelnen Betroffenen ein Fall zu viel.“ Zu den weiteren Erfolgen<br />

zählen er und alle Beteiligten auch, dass sich die Institutionen,<br />

die im Kreis <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche zuständig sind, vernetzt<br />

haben und dass Polizei und Schulen vertrauensvoll und im<br />

Bedarfsfall sehr schnell kooperieren.<br />

Erfolge sind aufgrund der guten und etablierten Zusammenarbeit<br />

auch darin zu sehen, dass es kaum noch anonyme<br />

Mitteilungen oder Anrufe gibt; ein Hinweis darauf, dass auch<br />

die Dunkelziffer geringer geworden ist. Die Resonanz auf<br />

Präventions veranstaltungen ist groß, der Zulauf zu Schulungen<br />

<strong>für</strong> Lehrkräfte oder Fortbildung <strong>für</strong> Lehramtsanwärter (z. B. Verhalten<br />

im Konfliktfall) ebenfalls. „Man kennt uns und vertraut<br />

uns“, sagt Schmidt. „Das ist beste Prävention. An vielen Schulen<br />

werden unsere Visitenkarten an <strong>Schüler</strong> und <strong>Lehrer</strong> verteilt.<br />

Und so können wir oft bereits im Vorfeld aktiv werden, so dass<br />

es erst gar nicht zu Gewalt kommt.“ Er nennt ein Beispiel: „Wir<br />

wurden vor kurzem von einer <strong>Schüler</strong>in angerufen, die in ihrem<br />

sozialen Netzwerk im Internet, mitbekommen hatte, dass sich<br />

zwei Banden zu einer Schlägerei verabredet hatten. Wir fuhren<br />

dahin, konnten mit den Jugendlichen reden und auch deutlich<br />

machen, was Körperverletzung <strong>für</strong> Konsequenzen <strong>für</strong> sie haben<br />

kann. Passiert ist dann nichts mehr.“<br />

Anmerkung<br />

*unter Mitarbeit von Inge Michels<br />

wusst und systematisch im Sinne einer<br />

„lernenden Schule“ weiterentwickeln. Erfolgreiche<br />

Schulentwicklung ist in diesem<br />

Sinne zugleich auch wirksame Gewaltprävention.<br />

Umgekehrt können Präventions-<br />

und Interventionsprogramme den Schulentwicklungsprozess<br />

auf vielfältige Weise<br />

unterstützen. Allerdings: Selbst das beste<br />

Programm wirkt nicht per se, es braucht<br />

immer auch Menschen, die sich mit diesen<br />

Programmen identifizieren und diese<br />

mit Leben füllen. ■<br />

literatur<br />

Gall, R. (2011): Curriculum und Methodik des Coolness-Trainings. In:<br />

Weidner, J., Kilb, R. (Hg.): Handbuch Konfrontative Pädagogik. Weinheim,<br />

München, S. 132 – 146.<br />

Kaeding P. u. a. (2005): Mediation an Schulen verankern. Weinheim,<br />

Basel.<br />

Melzer, W., Schubarth, W., Ehninger, F. (2011): Gewaltprävention und<br />

Schulentwicklung. Bad Heilbrunn.<br />

Rademacher, H. (Hg.) (2007): Leitfaden konstruktive Konfliktbearbeitung<br />

und Mediation. Schwalbach.<br />

Schubarth, W. (2010): Gewalt und Mobbing an Schulen. Möglichkeiten<br />

der Prävention und Intervention. Stuttgart.<br />

literatur<br />

Balser, H., Hölzer, W., Schulz, C. (2009): Gewaltfreie Schule. Praxisbausteine der Gewaltprävention. Köln.<br />

111


Herausgeberinnen und Herausgeber<br />

Dr. Heidrun Bründel, Dipl.-Psych., i. R., Gütersloh.<br />

Prof. Dr. Christine Freitag, Professorin an der Universität<br />

Paderborn, AG Erziehungswissenschaft.<br />

Inge Michels, freie Fachjournalistin und Moderatorin<br />

zu familien- und bildungspolitischen Themen, Bonn.<br />

Prof. Dr. Wilfried Schubarth, Professor an der Univer-<br />

Autorinnen und Autoren<br />

Charlotte Arndt, studentische Hilfskraft am Zentrum<br />

<strong>für</strong> Empirische Pädagogische Forschung (zepf)<br />

in Landau.<br />

Hartmut Balser, Dipl.-Psych., ehemaliger Leiter der<br />

Koordinierungsstelle Gewaltprävention, in Weilburg/<br />

Hessen. Nebenamtlicher Dozent des FB Psychologie<br />

und Sport der Universität Gießen, a.D.<br />

Sabine Behn, Geschäftsführerin von Camino – Werkstatt<br />

<strong>für</strong> Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung<br />

im sozialen Bereich gGmbH, Berlin.<br />

Thomas Berthold, wiss. Referent im Bundesfachverband<br />

Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e. V.<br />

Marc Böhmann, Dipl.-Päd., <strong>Lehrer</strong> an der <strong>Friedrich</strong>-<br />

Ebert-Grund- und Werkrealschule in Eppelheim.<br />

Carl W. Borgstedt, M.A., Polizei NRW, Kreis Gütersloh.<br />

Vivienne Al Dahouk, <strong>Lehrer</strong>in an der Grund- und<br />

Werkrealschule in Eppelheim.<br />

Daniela Graubner, <strong>Lehrer</strong>in an der Westerwaldschule<br />

Driedorf; Lehrbeauftragte an der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen (Zentrum <strong>für</strong> <strong>Lehrer</strong>bildung); Fachberaterin<br />

<strong>für</strong> Soziales Lernen und Suchtprävention<br />

am Staatlichen Schulamt Weilburg.<br />

Günther Gugel, Dipl.-Päd., Programm-Direktor bei<br />

der Berghof Foundation, Friedenspädagogik Tübingen.<br />

Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, Leiter des Instituts <strong>für</strong><br />

interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der<br />

Universität Bielefeld.<br />

Walter Hölzer, Gymnasiallehrer, Koordinierungsstelle<br />

Gewaltprävention im Staatlichen Schulamt <strong>für</strong> den<br />

Lahn-Dill-Kreis und den Landkreis Limburg-Weilburg.<br />

Prof. Dr. Reinhold S. Jäger, Seniorprofessor, Zentrum<br />

<strong>für</strong> empirische pädagogische Forschung (zepf)<br />

der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.<br />

André Kipper, Dipl.-Päd., Sozialpädagoge in einer stationären<br />

Wohngruppe eines freien Trägers in Hamburg.<br />

Dr. Gabriele Klewin, wiss. Mitarbeiterin in der <strong>Wissen</strong>schaftlichen<br />

Einrichtung des Oberstufen-Kollegs und<br />

der Arbeitsgruppe 4 „Schulentwicklung und Schulforschung“<br />

an der Universität Bielefeld.<br />

Jörg Knupfer, Rechtsanwalt, München.<br />

Prof. Dr. Barbara Krahé, Professorin <strong>für</strong> Sozialpsychologie<br />

an der Universität Potsdam.<br />

Gabriela Kreter, Rektorin der Karlschule Hamm,<br />

Trainerin in der Staatlichen <strong>Lehrer</strong>fortbildung, Gründungsmitglied<br />

der Elternschule Hamm.<br />

Cordula Lasner-Tietze, Deutscher Kinderschutzbund<br />

Bundesverband e. V., Berlin.<br />

Carmen Lenzer, <strong>Lehrer</strong>in, Fachberaterin <strong>für</strong> Gewaltprävention<br />

und Demokratielernen am Staatlichen<br />

Schulamt Weilburg.<br />

Stephan Lüke, Agentur <strong>für</strong> Bildung, Bonn.<br />

Prof. Dr. Jürgen Mansel (†), Universität Bielefeld, Fakultät<br />

<strong>für</strong> Erziehungswissenschaft.<br />

sität Potsdam, Erziehungs- und Sozialisationstheorie.<br />

Prof. Dr. Ludwig Stecher, Professor an der Justus-<br />

Liebig-Universität Gießen, Institut <strong>für</strong> Erziehungswissenschaft.<br />

Prof. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann, em. Professor <strong>für</strong><br />

Schulpädagogik an der Universität Bielefeld und<br />

wissenschaftlicher Leiter der Laborschule Bielefeld.<br />

Dr. Sabine Maschke, Vertretungsprofessorin „Pädagogik<br />

des Jugendalters“ an der Justus-Liebig-Universität<br />

Gießen, FB Sozial- und Kulturwissenschaften.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Melzer, Professor <strong>für</strong> Schulpädagogik,<br />

Schulforschung, Institutsdirektor an der<br />

TU Dresden, Fakultät <strong>für</strong> Erziehungswissenschaften.<br />

Prof. Dr. Christiane Micus-Loos, Professorin an der<br />

Fachhochschule Kiel, FB Soziale Arbeit und Gesundheit.<br />

Dr. Ingrid Möller, wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl<br />

<strong>für</strong> Sozialpsychologie an der Universität Potsdam.<br />

Prof. Dr. Kurt Möller, Hochschullehrer an der Hochschule<br />

Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit<br />

und Pflege.<br />

Stephanie Moldenhauer, Dipl.-Soz., wiss. Mitarbeiterin<br />

an der Universität Osnabrück, Institut <strong>für</strong> Erziehungswissenschaft.<br />

Lars Oertel, wiss. Mitarbeiter an der Technischen<br />

Universität Dresden, Professur <strong>für</strong> Schulpädagogik<br />

und Schulforschung.<br />

Martina Overweg, Arbeitspsychologin, Niedersächsische<br />

Landesschulbehörde, Regionalabteilung Lüneburg.<br />

Prof. Dr. Roland Reichenbach, Ordentlicher Universitätsprofessor<br />

an der Universität Basel, Erziehungswissenschaft.<br />

Dr. Julia Riebel, Dipl.-Psych., am Zentrum <strong>für</strong> empirische<br />

pädagogische Forschung (zepf) der Universität<br />

Koblenz-Landau.<br />

Nadine Ritzi, Project Manager, Place Education,<br />

Berghof Foundation (ehem. Institut <strong>für</strong> Friedenspädagogik),<br />

Tübingen.<br />

Anne Romund, Project Manager, Berghof Foundation<br />

(ehem. Institut <strong>für</strong> Friedenspädagogik), Tübingen.<br />

Dr. Barbara Schramkowski, AGJ-Fachverband <strong>für</strong><br />

Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese<br />

Freiburg e. V.<br />

Dr. Wolfgang Settertobulte, Dipl.-Psych., Geschäftsführer<br />

der Gesellschaft <strong>für</strong> Angewandte Sozialforschung<br />

in Enger bei Bielefeld.<br />

Dr. Otto Seydel, Leiter des Instituts <strong>für</strong> Schulentwicklung,<br />

Überlingen.<br />

Dr. Mirja Silkenbeumer, wiss. Mitarbeiterin, Leibniz-Universität<br />

Hannover, Institut <strong>für</strong> Erziehungswissenschaft.<br />

Erika Simon, <strong>Lehrer</strong>in an der Ketteler-Schule, Rheda-<br />

Wiedenbrück.<br />

Frank Winter, Dipl.-Psych., Leiter des Täter-Opfer-<br />

Ausgleichs und des Kriseninterventionsteams Stalking<br />

und häusliche Gewalt in Bremen. freiberufliche<br />

Lehrtätigkeit.<br />

Prof. Dr. Beate Wischer, Professorin <strong>für</strong> Schulpädagogik<br />

an der Universität Osnabrück, Institut <strong>für</strong> Erziehungswissenschaft.<br />

Kerstin Wohne, Redakteurin im <strong>Friedrich</strong> <strong>Verlag</strong>, Seelze.<br />

Impressum<br />

SCHÜLER 2012<br />

Gewalt<br />

SCHÜLER 2012 wird herausgegeben<br />

vom <strong>Friedrich</strong> <strong>Verlag</strong><br />

in Zusammenarbeit mit Klett und<br />

In VERbIndung mIt<br />

Heidrun Bründel<br />

Christine Freitag<br />

Inge Michels<br />

Wilfried Schubarth<br />

Ludwig Stecher<br />

Klaus-Jürgen Tillmann<br />

REdAktIon<br />

Kerstin Wohne (v. i.S. d. P.)<br />

Im Brande 17, 30926 Seelze,<br />

Tel. 0511/40004-137<br />

Fax 0511/40004-219<br />

wohne@friedrich.verlag.de<br />

www.friedrich-verlag.de<br />

REdAktIonSASSIStEnz<br />

Birgit Kleinert<br />

Tel. 0511/40004-113<br />

Fax 0511/40004-975<br />

VERLAg<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Verlag</strong> GmbH<br />

Im Brande 17, 30926 Seelze,<br />

Tel. 0511/40004-0, Fax 0511/40004-119<br />

www.friedrich-verlag.de<br />

gESCHäftSfÜHRung<br />

Michael Conradt, <strong>Friedrich</strong> Seydel<br />

PRogRAmmLEItung<br />

Kai Müller-Weuthen<br />

AnzEIgEnmARkEtIng<br />

Daniela Fischer<br />

E-Mail: fischer@friedrich-verlag.de<br />

Adresse: s. <strong>Verlag</strong><br />

Tel. 0511/40004-184<br />

Fax 0511/40004-975<br />

Verantwortlich <strong>für</strong> den Anzeigenteil:<br />

Martin Huisman<br />

Anzeigenpreisliste Nr. 4 v. 1. 10. 2011<br />

LESERSERVICE<br />

Tel. 0511/40004-153<br />

Fax 0511/40004-170<br />

E-Mail: leserservice@friedrich-verlag.de<br />

gRAfIk, LAyout und tItELfoto<br />

Doro Siermantowski<br />

dRuCk<br />

CW Niemeyer Druck<br />

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Preis <strong>für</strong> Abonnenten: € 8,90;<br />

im Einzelverkauf: € 15,40;<br />

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Die Min destdauer des Abonnements beträgt ein<br />

Jahr. Eine Kündigung ist schriftlich bis vier Wochen<br />

nach Erscheinen des letzten Heftes innerhalb des<br />

aktuellen Berechnungszeitraums möglich.<br />

Studierende und Referendare erhalten bei Vorlage<br />

einer aktuellen Bescheinigung (keine Ernen-<br />

nungsurkunde) 30 % Rabatt auf das ge samte<br />

Programm, außer auf preisgebundene Bücher und<br />

Prüf-Abos. Dieser Rabatt kann nur gewährt werden,<br />

solange Sie in Ausbildung sind und ein Abonnement<br />

beim <strong>Friedrich</strong> <strong>Verlag</strong> beziehen und wenn die<br />

Bescheinigung (gern per E-Mail, Fax) spätestens 14<br />

Tage nach Eingang der Bestellung vorliegt.<br />

SCHÜLER ist zu beziehen durch den Buch- und<br />

Zeitschriftenhandel oder direkt vom <strong>Verlag</strong>. Auslieferung<br />

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© Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle<br />

Rechte vorbehalten, Nachdruck, auch auszugsweise,<br />

nur mit Genehmigung des <strong>Verlag</strong>s. Für<br />

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Haftung übernommen werden.<br />

ISSN 0949-2852, Best.-Nr. 539018<br />

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RSD Reise Service Deutschland,<br />

85551 Kirchheim

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