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Der geometrische Stil.

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<strong>Der</strong> g-eometvische <strong>Stil</strong>.<br />

Webens auf rein zwecklich-materiell cm Wege entstanden sein lässt,<br />

nun nicht mehr gelten lassen. Ist aber damit in der That so viel ver-<br />

loren? Für dasjenige, was im Mensehen gemäss jenem Lehrsatze den<br />

Gefallen an den rhythmischen Fadenkreuzungen erweckt haben soll, so<br />

dass er dieselben demnächst in anderem Stoffe, ohne durch die Anfor-<br />

derungen des Zweckes dazu genöthigt zu sein, wiederholt hat, dafür<br />

giebt uns jene nunmehr hoffentlich überwundene Theorie doch keine<br />

Erklärung. Die ganze Theorie erscheint liienach bloss als Glied der<br />

materialistischen Weltanschauung, bestimmt die Ableitung einer der<br />

geistigen Lebensäusserungen des Menschen aus stofflich-materiellen<br />

Prämissen, um einen Schritt weiter hinauf zu rücken. Wir wollen diesen<br />

Schritt gar nicht thun, um schliesslich eingestehen zu müssen, dass wil-<br />

des Pudels Kern doch nicht zu erkennen vermögen. Wir sagen lieber<br />

gleich, dass jenes Etwas im Menschen, das uns am Formschönen Ge-<br />

fallen finden lässt, und das die Anhänger der technisch-materiellen<br />

Descendenztheorie der Künste ebensowenig wie wir zu definiren im<br />

Stande sind, — dass jenes Etwas die <strong>geometrische</strong>n Liniencombinationen<br />

frei und selbständig erschaffen hat, ohne erst ein materielles Zwischen-<br />

glied einzuschieben, das die Sache im letzten Grunde nicht heller<br />

machen kann und höchstens nur zu einem armseligen Scheinerfolg der<br />

materialistischen Weltanschauung führen würde.<br />

Noch drängt es mich, um jedwedes Missverständniss zu vermeiden,<br />

ausdrücklich zu wiederholen, was ich schon mehrfach angedeutet habe:<br />

dass ich Gottfried Semper keineswegs dafür verantwortlich machen<br />

möchte, dass man seine Worte in der erörterten Richtung interpretirt<br />

und weiter entwickelt hat. Semper handelte es sich keineswegs<br />

darum, eine möglichst materielle Erklärung für die frühesten Kunst-<br />

äusserungen des Menschen żu finden; es war seine Lieblingstheorie<br />

vom Bekleidungswesen als Ursprung aller Baukunst, die ihn dazu ge-<br />

führt hat, der Textilkunst unter allen übrigen Künsten eine Rolle zu-<br />

zuweisen, wie sie ihr besonneneriuaassen nicht mehr wird eingeräumt<br />

werden dürfen. Auf dem angedeuteten Wege gelangte Semper dazu,<br />

gewisse textile Begriffe und ästhetische Unterscheidungen wie Band<br />

und Decke, die erst einer vorgeschritteneren, raffinirteren Zeit des<br />

Kunstschaffens angehören können, auf primitive Kunstzustände anzu-<br />

wenden. Von der Überschätzung der Textilkunst in Semper's <strong>Stil</strong><br />

werden wir daher gründlich zurückkommen müssen; nichtsdestoweniger<br />

bleibt jede Seite, auf der er sieh über dieses Thema äussert, auch für-<br />

derhin noch lesenswerth, wo nicht klassisch.<br />

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