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Der geometrische Stil.

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<strong>Der</strong> g-eometvische <strong>Stil</strong>.<br />

bestimmtesten Weise. Wir treffen hier gerade diejenigen Techniken,<br />

bei denen der Gegenstand der Darstellung, der künstlerische Inhalt von<br />

vornherein gegeben sein muss, bevor derselbe aus dem todten Material<br />

herausgearbeitet werden kann. <strong>Der</strong> Zweck aber, um dessentwillen<br />

dem Material die beschriebenen thierischen Formen, sei es in plastischer<br />

sei es in flacher Ausführung, gegeben wurden, kann unmöglich ein<br />

anderer als ein rein künstlerischer, ornamentaler gewesen sein. Man<br />

wollte das Geräthe schmücken. Das Schmuckbedürfniss ist eben<br />

eines der elementarsten Bedürfnisse des Menschen, elementarer als das-<br />

jenige nach Schutz des Leibes. Es ist dies ein Satz, der hier nicht<br />

zum ersten Male vorgebracht wird und zu dem sich auch Semper<br />

wiederholt ausdrücklich bekannt hat 8 ). Um so unbegreiflicher muss es<br />

erscheinen, dass man trotzdem die Anfänge des Kunstschaffens erst<br />

nach den Erfindungen der Techniken, die den Schutz des Leibes zum<br />

Zwecke haben, setzen wollte. Sehen wir doch heute iioch manche<br />

polynesische Stämme jedwede Kleidung verschmähen, aber die Haut<br />

von der Stirne bis zu den Zehen tätowiren, d. i. mit linearen Ver-<br />

zierungen schmücken 9 ). Leider fehlen uns die Mittel um zu entscheiden,<br />

ob die Troglodyten Aquitaniens ihre Haut gleichfalls tätowirt haben;<br />

auf den erwähnten Nachbildungen von menschlichen Figuren von ihrer<br />

Hand lässt es sich nicht nachweisen. Dass sie aber Schmuckgehänge<br />

trugen, ist durch Funde sichergestellt. Denn zu welch' anderem Zwecke<br />

als zu demjenigen, etwa auf eine Sehne oder einen Baststreifen aufge-<br />

reiht um den Hals getragen zu werden, konnten die durchlöcherten<br />

Rinder- und Bärenzähne, zum Theil gleichfalls mit gravirten Thier-<br />

8 ) An jener obcitirten Stelle <strong>Stil</strong> I. 213: „Die Kunst des Bekleidens der<br />

Nacktheit des Leibes (wenn man die Bemalung der eigenen Haut nicht<br />

dazu rechnet) ist vermuthlich eine jüngere Erfindung als die Benutzung<br />

deckender Oberflächen zu Lagern und zu räumlichen Abschlüssen." — II. 466<br />

. . . „der Schmuck des eigenen Leibes aus kulturphilosophischen Gründen den<br />

Schönheitssinn zuerst zu aktiver Bethätigung auffordert."<br />

Einen Widerspruch mit Semper's eben erörterter Annahme begründet<br />

es, wenn er I. 92 sagt: „Die Ornamente auf der Haut dieser Völker sind gebildet<br />

aus gemalten oder tätowirten Fäden" ... Diesen Widerspruch mildert<br />

er dadurch, dass er das Tätowiren möglicherweise nicht für die Eigentümlichkeit<br />

eines primitiven, sondern bereits eines sekundären Kulturzustandes<br />

erklärt, welche Annahme hinwiederum nur zulässig erscheint unter der bei<br />

Semper öfter wiederkehrenden Idee von einem ursprünglichen Vollkommenheitszustand<br />

des Menschengeschlechts. Wie verträgt sich aber diese letztere<br />

Idee wiederum mit der Descendenztheorie und der ihr parallel gehenden<br />

technisch-materiellen Entstehungstheorie der Künste?<br />

http://rcin.org.pl

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