13.01.2013 Aufrufe

Der geometrische Stil.

Der geometrische Stil.

Der geometrische Stil.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

20<br />

<strong>Der</strong> g-eometvische <strong>Stil</strong>.<br />

wieder. Darm haben wir eine ganze Stufenleiter von Entwicklungs-<br />

phasen, in denen sich der plastische Charakter allmälig verflüchtigt:<br />

zunächst ein flach gehaltenes Rundwerk, dann ein mehr oder minder<br />

hohes Relief, ein Flachrelief, und endlich die blosse Gravirung (Fig. 2),<br />

die häufig mit dem Flachrelief zusammen entgegentritt, indem eines<br />

in das andere übergeht.<br />

Es entspricht dies völlig dem natürlichen Processe, den wir uns<br />

schon am Eingange dieses Capitels in rein spekulativer Weise konstruirt<br />

haben. Die unmittelbare Reproduction der Naturwesen in ihrer vollen<br />

körperlichen Erscheinung, im Wege des durch einen weiter unten zu be-<br />

zeichnenden psychischen Vorgang zur Bethätigung angespornten Nach-<br />

ahmungstriebes, steht hiernach am Anfange alles Kunstschaffens: die<br />

ältesten Kunstwerke sind plastischer Natur. Da man die Naturwesen<br />

immer nur von einer Seite sieht, lernt man sich mit dem Relief be-<br />

gnügen, das eben nur so viel vom plastischen Scheine wiedergiebt, als<br />

das menschliche Auge braucht. So gewöhnt man sich an die Darstel-<br />

lung in einer Fläche und gelangt zum Begriffe der Umrisslinie. Endlich<br />

verzichtet man auf den plastischen Schein vollständig, und ersetzt den-<br />

selben durch die Modellirung mittels der Zeichnung.<br />

Das wichtigste Moment in diesem ganzen Processe ist zweifellos<br />

das Aufkommen der Umrisslinie, mittels welcher man das Bild eines<br />

Naturwesens auf eine gegebene Fläche bannte. Hiemit war die Linie<br />

als Element aller Zeichnung, aller Malerei, überhaupt aller in der<br />

Fläche bildenden Kunst erfunden. Diesen Schritt hatten die Troglodyten<br />

Aquitaniens bereits weit hinter sich, trotzdem ihnen die Fadenkreu-<br />

zungen der Textilkunst wegen Mangels eines Bedürfnisses nach den<br />

Erzeugnissen derselben noch völlig fremd gewesen sein müssen. Das<br />

technische Moment spielt gewiss auch innerhalb des geschilderten Pro-<br />

cesses eine Rolle, aber beiweitem nicht jene führende Rolle, wie sie ihm<br />

die Anhänger der technisch-materiellen Entstehungstheorie vindiciren<br />

möchten. <strong>Der</strong> Anstoss ging vielmehr nicht von der Technik, sondern<br />

von dem bestimmten Kunstwollen aus. Man wollte das Abbild eines<br />

Naturwesens in todtem Material schaffen, und erfand sich hierzu die<br />

nöthige Technik. Zum Zwecke des handsameren Greifens war die<br />

Rundfigur eines Rennthiers als Dolchgriff gewiss nicht nothwendig.<br />

Ein immanenter künstlerischer Trieb, der im Menschen rege und nach<br />

Durchbruch ringend vorhanden war vor aller Erfindung textiler Schutz-<br />

wehren für den Körper, musste ihn dazu geführt haben den beinernen<br />

Griff in Form eines Rennthieres zu bilden.<br />

http://rcin.org.pl

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!