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Der geometrische Stil.

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5 <strong>Der</strong> g-eometvische <strong>Stil</strong>.<br />

lassen. Und zwar musste es etwas Greifbares, Materielles gewesen sein :<br />

der blosse Hinweis auf unfassbare psychische Vorgänge hätte nicht als<br />

Lösung gegolten. In der freien Natur durfte man das anstossgebende<br />

Etwas nicht suchen; die abstrakten linearen Gebilde des <strong>geometrische</strong>n<br />

<strong>Stil</strong>s liegen doch in der Natur nicht offen zu Tage, und um sie aus<br />

ihrem latenten Dasein in der Natur zu einem selbständigen in der<br />

Ktmst zu befreien, dazu hätte es eines bewussten seelischen Vorgangs<br />

bedurft dessen Dazwischenkunft man doch um jeden Preis vermeiden<br />

wollte. Es blieben also von greifbaren Dingen bloss die Werke von<br />

Menschenhand übrig. Da es sich hiebei um Vorgänge in den prim i -<br />

tivsten Werdezeiten des Menschengeschlechts handelte, konnten nur<br />

allerprimitivste Werke von Menschenhand, allernothwendigste Produkte<br />

eines elementaren Bedürfnisstriebes in Frage kommen. Als einen solchen<br />

Trieb glaubte man denjenigen nach Schutz des Leibes ansehen zu dürfen.<br />

Gegenüber der feindlichen Aussenwelt mochte sich der Mensch früh:<br />

zeitig durch den geflochtenen Zaun abgesperrt haben; Schutz vor den<br />

Unbilden der Witterung mochte er nicht minder frühzeitig in Geweben<br />

gesucht haben.<br />

Nun sind aber gerade Flechterei und Weberei diejenigen tech-<br />

nischen Künste, die durch die bei ihnen obwaltenden technischen Pro-<br />

ceduren ganz besonders auf die Hervorbringung linearer Ornamente<br />

beschränkt erscheinen. Wie, wenn im Kreuzgeflechte des Ruthenzauns<br />

und des grob gewebten Gewandes die linearen Motive des <strong>geometrische</strong>n<br />

<strong>Stil</strong>s zuerst dem Menschen vor Augen getreten wären? Eine glückliche<br />

Combination von farbigen Halmen hätte dann etwa eine Zickzacklinie<br />

zu Wege gebracht. Wohlgefällig mochte der Mensch die Symmetrie<br />

der Schrägbalken und ihre rhythmische Wiederkehr betrachtet haben.<br />

Freilich, wenn man die Frage stellen wollte, woher wohl dieses Wohl-<br />

gefallen stammen, wodurch es im primitiven Mensehen erweckt worden<br />

sein mochte, war der menschliche Witz am Ende angelangt. Aber man<br />

glaubte sich schon mit dem soweit Gewonnenen begnügen zu dürfen.<br />

Auf unbewusste, nicht spekulative Weise, bloss von der Nothdurft eines<br />

rein praktischen Zweckes geleitet, hatte die Menschenhand — so rai-<br />

sonnirte man — die ersten <strong>geometrische</strong>n Verzierungen zu Wege ge-<br />

bracht. Sie waren einmal da, und der Mensch konnte sie nachahmen,<br />

gleichgiltig aus welchem Grunde. Formte er einen Becher aus ange-<br />

feuchtetem Thon, so konnte er die Zickzacklinie hineingraben; am<br />

Thonbecher war sie zwar nicht durch die Nothdurft des Zweckes ge-<br />

boten, wie die Fadenkreuzungen bei den textilen Techniken, aber sie<br />

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