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Der geometrische Stil.

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9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments. 221<br />

geknüpft, wie es den zunehmend malerischen Tendenzen der griechi-<br />

schen Skulptur der nachperikleischen Zeit vollkommen entspricht. Wir<br />

brauchten die Palmetten in Fig. 115 nur vom Grunde loszulösen und<br />

frei sich krümmen zu lassen: dann müssten wir sie schlankweg als<br />

Akanthus bezeichnen. Im vorliegenden Falle sind sie aber Palmetten,<br />

wie ihre Alternirung mit dem Lotus schlagend beweist. Und noch auf<br />

eine lehrreiche Analogie sei bei dieser Gelegenheit hingewiesen. Die<br />

damalige griechische Kunst hatte bereits ein Beispiel zu verzeichnen<br />

für die Uebertragung eines — übrigens nächstverwandten — flachen<br />

Blumenornaments in die Plastik: nämlich den Eierstab als Reproduk-<br />

tion des Lotusblüthen-Knospen-Bandes. Nun sehen wir Aelinliches,<br />

wenngleich auf Umwegen, sich vollziehen mit dem Lotus-Palmetten-<br />

Bande.<br />

Ich habe die Palmetten in Fig. 115 als Uebertragung des Akanthus<br />

in's Flache bezeichnet. Es muss aber hinzugefügt werden, dass die<br />

Palmetten in das Karniesprofil des Thürrahmens zu liegen kamen und<br />

daher nicht in einer Ebene liegen, sondern einer geschwungenen, echt<br />

akanthusmässigen Fläche sich anschmiegen. In dem erörterten Bande<br />

waren es zum Unterschiede von Fig. 113, Wo wir es bloss mit halben<br />

Akanthus-Palmetten zu thun hatten, ganze Palmetten (Akanthusvoll-<br />

blätter). Dieselbe Thür des Erechtheions zeigt übrigens am krönenden<br />

Gebälke auch halbe Akantlius-Palmetten (Akanthushalbblätter) in der<br />

gleichen <strong>Stil</strong>isirung.<br />

Ist diese <strong>Stil</strong>isirung in der That, wie es allen Anschein hat und<br />

wie u. a. die gemalten Lekythen beweisen, eine Rückübertragung der<br />

plastischen Palmette in's Flache unter malerisch-perspektivischen Ge-<br />

sichtspunkten, so ist sie jedenfalls später erfolgt, als das Aufkommen<br />

des Akanthus, d. h. der plastischen Palmette selbst. Deshalb braucht<br />

die Thür des Erechtheions noch nicht jünger zu sein, als die nördliche<br />

Säulenhalle, von welcher Fig. 113 stammt, da ja beide Arten eine Zeit-<br />

lang neben einander hergehen konnten. Es ist überhaupt bezeichnend<br />

für die Rührigkeit und die Schaffensfreudigkeit der griechischen Künstler<br />

jener ganz einzigen Zeit, dass sie mit denselben Motiven die in ihrer<br />

ursprünglichen Heimat durch Jahrtausende hindurch fast in einer un-<br />

veränderten typischen Gestaltung belassen worden sind, in verhältniss-<br />

mässig kurzer Zeit so Vieles, Verschiedenes und doch Bedeutungsvolles,<br />

anzufangen gewusst haben. Diese Bewegungslust, die Neigung zum<br />

freien Schalten und Gestalten mit dem Ueberlieferten und Anerworbenen,<br />

ist auch seither ein Erbtheil der westlichen Angehörigen der Mittelmeer-<br />

Riegl, <strong>Stil</strong>fragen. 16<br />

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