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Der geometrische Stil.

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23 <strong>Der</strong> g-eometvische <strong>Stil</strong>.<br />

figuren bleiben nichtsdestoweniger Thierfiguren, wenn ihnen auch die<br />

Plasticität der körperlichen Erscheinung fehlt. Man ging aber endlieh<br />

auch daran, aus der Linie selbst eine Kunstform zu gestalten,<br />

ohne dabei ein unmittelbares fertiges Vorbild aus der Natur im Auge<br />

zu haben. Diese Gestaltungen geschahen unter Beobachtung der fun-<br />

damentalen Kunstgesetze der Symmetrie und des Rhythmus: ein regel-<br />

loses Gekritzel ist eben keine Kunstform. So bildete man Dreieck,<br />

Quadrat, Raute, Zickzack u. s. w. aus der geraden, den- Kreis, die<br />

Wellenlinie, die Spirale aus der gekrümmten Linie. Es sind dies die<br />

Figuren, die wir aus der Planimetrie kennen; in der Kunstgeschichte<br />

pflegt man sie als <strong>geometrische</strong> zu bezeichnen. <strong>Der</strong> Kunststil, der sich<br />

auf der ausschliesslichen oder doch überwiegenden Verwendung dieser<br />

Gebilde aufbaut, heisst somit der <strong>geometrische</strong> <strong>Stil</strong>.<br />

Wenn nun auch den Gebilden des <strong>geometrische</strong>n <strong>Stil</strong>s anschei-<br />

nend keine realen Wesenheiten zu Grunde liegen, so stellte man sich<br />

damit dennoch nicht ausserhalb der Natur. Dieselben Gesetze von<br />

Symmetrie und Rhythmus sind es doch, nach denen die Natur in der<br />

Bildung ihrer Wesen verfährt (Mensch, Thier, Pflanze, Krystall), und<br />

es bedarf keineswegs tieferer Einsicht, um zu bemerken, wie die<br />

planimetrischen Grundformen und Configurationen den Naturwesen<br />

latent anhaften. <strong>Der</strong> eingangs aufgestellte Satz von den engen Be-<br />

ziehungen aller Kunstformen zu den körperlichen Naturerscheinungen<br />

besteht also auch für die Formen des <strong>geometrische</strong>n <strong>Stil</strong>es zu recht.<br />

Die <strong>geometrische</strong>n Kunstformen verhalten sich eben zu den übrigen<br />

Kunstformen genau so, wie die Gesetze der Mathematik zu den leben-<br />

digen Naturgesetzen. Ebensowenig, wie im sittlichen Verhalten der<br />

Menschen, scheint es im Gange der Naturkräfte eine absolute Voll-<br />

kommenheit zu geben: das Abweichen von den abstrakten Gesetzen<br />

schafft da und dort die Geschichte, fesselt da und dort das Interesse,<br />

unterbricht da und dort die Langeweile des ewigen Einerlei. <strong>Der</strong><br />

nach den obersten Gesetzen der Symmetrie und des Rhythmus streng<br />

aufgebaute <strong>geometrische</strong> <strong>Stil</strong> ist, vom Standpunkte der Gesetzmässig-<br />

keit betrachtet, der vollkommenste; in unserer Werthschätzung steht<br />

er aber am niedrigsten, und auch die Entwicklungsgeschichte der<br />

Künste, soweit wir dieselbe bisher kennen, lehrt, dass dieser <strong>Stil</strong> den<br />

Völkern in der Regel zu einer Zeit eigen gewesen ist, da sie noch auf<br />

einer verhältnissmässig niedrigen Kulturstufe verharrten.<br />

Trotz dieser geringen ästhetischen Würdigung hat doch der geo-<br />

metrische <strong>Stil</strong> im Verlaufe der letztverflossenen zwei Decennien eine<br />

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