13.01.2013 Aufrufe

Der geometrische Stil.

Der geometrische Stil.

Der geometrische Stil.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

2. Mesopotamisches. 89<br />

da einen Mittelstreifen, gebildet durch ein Flechtband, beiderseits be-<br />

säumt von einer Reihe von Pflanzenmotiven, die mittels abgeflachter,<br />

bandartiger Bogenlinien unter einander verbunden sind.<br />

Was zunächst das Flechtband betrifft, so kann dasselbe als beson-<br />

ders charakteristisch für die mesopotamische Kunst bezeichnet werden,<br />

da sich gleichartige Vorbilder in der egyptischen Kunst bisher nicht<br />

gefunden haben 46 ). Ueber seinen Ursprung hat man sich bisher kaum<br />

welchen Zweifeln hingegeben. Seit Semper die Parole vom „Urzopf"<br />

ausgegeben hat, galt die Abkunft des Flechtbandes vom Zopfgeflecht<br />

für ausgemacht. Wer sich aber nicht bedingungslos zum herrschenden<br />

Kunstmaterialismus bekennen will, wird doch fragen, was denn die<br />

Menschen veranlasst haben konnte, gerade ein so untergeordnetes<br />

Ding wie einen Zopf zu kopiren, um damit die für ewige Dauer be-<br />

rechneten Monumente zu schmücken? Wer in den linearen geometri-<br />

schen Ornamenten nicht mehr Abschreibungen von Zäunen und Bast-<br />

geweben erkennen will, wird dies auch vom Zopf nicht mehr noth-<br />

wendig finden. Sein eigenes Ebenbild, sowie gewisse, durch ihre Stärke<br />

oder Nützlichkeit auffällige Thierspecies, hat der Mensch wohl zu<br />

Schmückungszwecken aus der Natur direkt kopirt, späterhin schön<br />

gegliederte Vasen und schlanke Kandelaber u. s. w. Dass ihm aber<br />

daneben der Zopf selbst als Träger des Formschönen aufgefallen wäre,<br />

kann nur in der Vorstellung eines Kunstmaterialisten ernsthaft glaub-<br />

lich erscheinen, und dass ein ganzes Zeitalter daran nichts Bedenk-<br />

liches finden konnte, wird manchem Späteren Veranlassung geben, auf<br />

unsere eigenthümlich verbildeten Kunstanschauungen mit einer nicht<br />

ganz unverdienten Geringschätzung zurückzublicken.<br />

Innerhalb der Entwicklungsgeschichte des Pflanzenornaments hat<br />

das Flechtband nur einmal bei den Griechen, in verhältnissmässig vor-<br />

geschrittener Zeit, eine untergeordnete Rolle gespielt (Fig. 84). Ich<br />

erachte mich-daher der Nothwendigkeit überhoben, die müssigen Ab-<br />

leitungsversuche für primitive Ornamente abermals um einen vermehren<br />

zu sollen. Dass ich geneigt sein werde, das Flechtband unter die<br />

4G ) Goodyear weiss allerdings auch das Flechthand in Verbindung- mit<br />

seiner Lotus-Theorie zu bringen: the guilloche is an abbreviated spiral scroll.<br />

Hienach wäre das Flechtband aus der Spiral-Welle entstanden. Für diesen<br />

Uebergangsprocess, der übrigens meiner Ueberzeugung nach mit dem Lotus<br />

gar nichts zu thun haben würde, wüsste ich aber nur ein einziges stützendes<br />

Beispiel aus verhältnissmässig später Zeit, nämlich aus mykenischem Gebiete<br />

(Schliemann, Mykenä 288, Fig. 359) anzuführen.<br />

http://rcin.org.pl

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!