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Der geometrische Stil.

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1. Egyptisches. 85<br />

Dieser Punkt ist zu wichtig, als dass es ungerechtfertigt erscheinen<br />

könnte noch einen Augenblick dabei zu verweilen. Zum besseren Ver-<br />

ständnisse desselben will ich noch eine Parallele dazu von einem<br />

anderen, ganz bestimmten Kunstgebiete beibringen. Die Altegypter<br />

waren unseres Wissens auch die Ersten, die eine wahrhaft monumentale<br />

Baukunst gepflegt haben. Die Voraussetzung für eine solche ist die<br />

Verwendung unvergänglichen Materials: des Steins oder seines Surro-<br />

gats, des Ziegels. Die Egypter haben nun ihre Tempel bereits in Stein<br />

ausgeführt — Tempel von solcher Dauerhaftigkeit, dass sie, wie bekannt,<br />

vielfach noch bis auf den heutigen Tag aufrecht stehen geblieben sind.<br />

Die Erfindung des Steinbaues war eine höchst respektable technische<br />

Leistung, aber auch von künstlerischem Standpunkte muss uns der<br />

egyptische Säulensaal mit steinerner Decke, als am Anfange aller monu-<br />

mentalen Architektur stehend, als- eine für den ersten Anlauf höchst<br />

bedeutsame Errungenschaft erscheinen. Seine künstlerischen Qualitäten<br />

verräth der egyptische Tempel aber im Wesentlichen bloss im Innern:<br />

die einfach geböschten massiven Aussenmauern entbehren — mit Aus-<br />

nahme der mehr äusserlich angefügten Frontbeigaben — fast jeder<br />

künstlerischen Behandlung. Den Ausgleich, für den auch die Meso-<br />

potamia* — auf anderen Wegen suchend — noch keine völlig befrie-<br />

digende Formel gefunden haben, wurde erst von den Hellenen zu Stande<br />

gebracht, indem sie dem Säulenbau auch im Aeusseren, nach der rein<br />

formellen Seite, jene harmonische Durchbildung zu verleihen wussten,<br />

dass der hellenische Tempel als unvergleichliche künstlerische Einheit,<br />

und als solche als Unicum in der ganzen bisherigen Kunstgeschichte<br />

dasteht. Das Gleiche lässt sich nun auch auf dem Gebiete der dekora-<br />

tiven Künste wahrnehmen, auf dem die Formen hauptsächlich „gefällig"<br />

sein sollen, und die „Bedeutung" wenigstens um ihrer selbst willen in<br />

der Regel nicht gesucht wird. Auch die Ornamentik dankt den Hel-<br />

lenen die reifste Durchbildung im Sinne des Formschönen, unter gleich-<br />

zeitiger Heranziehung inhaltlich bedeutsamer Formen, die sich aber den<br />

maassgebenden dekorativen Anforderungen stets gefällig unterzuordnen,<br />

anzuschmiegen wissen. Den Egyptern konnte es nicht vergönnt sein,<br />

es auch noch zu dieser Vollkommenheit zu bringen; sie hatten reich-<br />

lich ihr Tagewerk gethan, und mussten jüngeren, ungenutzten Volks-<br />

kräften die Fortführung des Begonnenen überlassen. Es wird nun eine<br />

überaus lehrreiche Erscheinung sein zu beobachten, wie die altorien-<br />

talischen Kulturvölker, die allem Anscheine nach von den Egyptern<br />

den entscheidenden Anstoss zu ihrem ferneren Kunstschaffen erhalten<br />

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