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etwas wie offizielle Malerei und Delacroix, der dabei nicht seine Eigenständig-<br />
keit verriet, hatte als Geistesaristokrat und sich berufen fühlendes Genie jenen<br />
Sinn für Größe und für das Erhabene, der es ihm auch innerlich ermöglichte, den<br />
Anforderungen entgegenzukommen. Aber auch wenn es auf diese Weise freiwillig ge-<br />
schah, so mußte er dennoch sich den gesuchten offiziellen Anforderungen auch beu-<br />
gen, <strong>dem</strong> ehrenhaften großen Anlaß eben auch „dienen“.<br />
Das fiel ihm allerdings auch nicht schwer. Für ihn verband sich die historisch-<br />
gesellschaftliche Bedeutung der Anlässe <strong>mit</strong> der willkommenen Chance und Heraus-<br />
forderung, <strong>mit</strong> den großen Renaissance-Meistern der Wanddekorationen sich messen<br />
zu können, ihnen ebenbürtig zu werden. Auch hier stand er unter einem quasi— of-<br />
fiziellen Druck einer Tradition, der zu „dienen“ er sich von vornherein ver-<br />
pflichten mußte und wollte.<br />
(32) Am Ende dieser Entwicklung steht die Ausmalung der Kapelle von Saint-<br />
Sulpice. Ort und Anlaß für dieses Werk erreichten lange nicht den Glanz und das<br />
Prestige der öffentlichen Gebäude und Funktionen von den vorausgehenden Aufträ-<br />
gen. Entsprechend gibt Delacroix den Aufträgen für die Apollo-Galerie und <strong>dem</strong><br />
Hotel de Ville, die jeweils später erfolgen, auch den zeitlichen Vorrang in der<br />
Fertigstellung.<br />
Saint Sulpice ist gesellschaftlich ohne Bedeutung für das zeitgenössische öffent-<br />
liche französische Leben. Religion und Kunst entfernen sich ohnehin immer mehr<br />
voneinander. Die Ausstattung von sakralen Räumen trägt für die bildende Kunst<br />
schon lange nicht mehr die Bedeutung, die für die Renaissance prägend war. Das<br />
Niveau der Kirchenmalerei hat sich rapide verschlechtert. Hinzu kommt, daß sich<br />
nicht einmal die Vertreter der Kirche um den Auftrag von Delacroix besonders ge-<br />
kümmert haben. Seine Ausführung schien ihnen ziemlich gleichgültig zu sein.<br />
Schließlich eignet sich die Kapelle, auch wenn sie nach Süden gelegen hat und<br />
gegen Mittag verhältnismäßig gutes Licht er-