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Ich lebt in einer Mietskaserne Mit Flur- und Leiermannsmusik! Das ...

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Folge 96 Arno Holz<br />

E<strong>in</strong> Bild<br />

Aus Sandste<strong>in</strong> ist das gelbliche Portal,<br />

Die roten Säulen aus Granit gehauen,<br />

Und seitwärts <strong>in</strong> e<strong>in</strong> weißes Piedestal<br />

Vergräbt e<strong>in</strong> Löwe se<strong>in</strong>e Marmorklauen.<br />

Doch schwarz verhängt s<strong>in</strong>d alle Fenster heut,<br />

Und Lichter brennen nur im Erdgeschosse.<br />

Der Straßendamm ist hoch mit Stroh bestreut,<br />

Und lautlos drüberh<strong>in</strong> rollt die Karosse.<br />

Im Prunksaal trauern h<strong>in</strong>ter Flor <strong>und</strong> Taft<br />

Die bunten Inderstoffe aus Lahore.<br />

Auch schleicht die goldbetresste Dienerschaft<br />

Nur auf Spitzzehen durch die Korridore.<br />

Der hochgeborne Hausherr, Exzellenz,<br />

Schwankt wie e<strong>in</strong> Rohr umher auf bleicher Düne.<br />

Die erste Redekraft des Parlaments<br />

Fehlt heute abermals auf der Tribüne.<br />

Zwar trat man gestern erst <strong>in</strong> den Etat,<br />

Doch hat se<strong>in</strong> Fehlen diesmal gute Gründe:<br />

Schon viermal war der greise Hausarzt da<br />

Und me<strong>in</strong>te, dass es sehr bedenklich stünde.<br />

Nach Eis <strong>und</strong> Himbeer wird gar oft geschellt,<br />

Doch mäuschenstill ist es im Krankenzimmer.<br />

Und se<strong>in</strong>e düstre Teppichpracht erhellt<br />

Nur e<strong>in</strong>er Ampel rötliches Gefl immer.<br />

Weit offen steht die Tür zum Vestibül,<br />

Und wie im Traum nur plätschert die Fontäne.<br />

Die Luft umher ist wie gewitterschwül,<br />

Denn ach, die »gnädge Frau« hat heut – Migräne!<br />

E<strong>in</strong> andres Bild<br />

Arno Holz Folge 96<br />

Fünf wurmzernagte Stiegen gehts h<strong>in</strong>auf<br />

Ins letzte Stockwerk e<strong>in</strong>er <strong>Mietskaserne</strong>.<br />

Hier hält der Nordw<strong>in</strong>d sich am liebsten auf<br />

Und durch das Dachwerk schaun des Himmels Sterne.<br />

Was sie erspähn, oh, es ist grad genug,<br />

Um mit dem Elend brüderlich zu we<strong>in</strong>en:<br />

E<strong>in</strong> Stückchen Schwarzbrot <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Wasserkrug,<br />

E<strong>in</strong> Werktisch <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Schemel mit drei Be<strong>in</strong>en.<br />

<strong>Das</strong> Fenster ist vernagelt durch e<strong>in</strong> Brett,<br />

Und doch durchpfeift der W<strong>in</strong>d es h<strong>in</strong> <strong>und</strong> wieder.<br />

Und dort auf jenem strohgestopften Bett<br />

Liegt fi eberkrank e<strong>in</strong> junges Weib darnieder.<br />

Drei kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der stehn um sie herum,<br />

Die stieren Blicks an ihren Zügen hangen.<br />

Vor vielem We<strong>in</strong>en ward ihr Mündle<strong>in</strong> stumm,<br />

Und ke<strong>in</strong>e Träne mehr netzt ihre Wangen.<br />

E<strong>in</strong> Stümpfchen Talglicht gibt nur trüben Sche<strong>in</strong>.<br />

Doch horch, es klopft, was mag das nur bedeuten?<br />

Es klopft, <strong>und</strong> durch die Tür tritt nun here<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong> junger Herr, geführt von Nachbarsleuten.<br />

Der Armenhilfsarzt ists aus dem Revier,

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