Mai 2008 - Der Monat
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BRAUCHTUM<br />
18 Die «kalte Sophie» gegen Frost<br />
Die Eisheiligen regelten früher die Bauernarbeit<br />
An den Tagen der Eisheiligen Nach den verführerisch-warmen<br />
erwarteten die Bauern früher Sonnenstrahlen, die überall die<br />
noch einmal Kälte und Frost. Natur erwachen liess, fürchteten<br />
die Bauern früher den Kälteeinbruch,<br />
der regelmässig in der ersten <strong>Mai</strong>-Hälfte eintrat.<br />
Die Heiligen Mamertus, Pankratius, Servatius<br />
und Bonifatius galten als die «strengen Herren», die<br />
vom 11. bis zum 14. <strong>Mai</strong> nochmals Kälte und Frost<br />
brachten. Erst wenn die «kalte Sophie», deren Namenstag<br />
als Patronin der Spätfröste am 15. <strong>Mai</strong> gefeiert<br />
wird, vorüber war, atmete der Bauer auf. Denn<br />
nach der «kalten Sophie» wurde nach überlieferten<br />
Wetterprognosen die Wetterlage stabiler und wärmer.<br />
Die Sache mit den «Eisheiligen» ist nicht aus der<br />
Luft gegriffen, sondern beruht auf jahrhundertealten<br />
Beobachtungen der Wetterlage. Nicht jedes Jahr bringen<br />
die Eisheiligen den befürchteten Witterungsumschwung,<br />
der die keimende Natur schädigen kann.<br />
Aber eine besondere Häufigkeit von Frost oder zumindest<br />
kalter Witterung ist in dieser Zeit belegt.<br />
Nach Beobachtungen von Meteorologen kann es in<br />
unseren Breitengraden bis Mitte<br />
<strong>Mai</strong> zu Bodenfrost kommen, wobei<br />
anfangs <strong>Mai</strong> die Wahrscheinlichkeit<br />
für kaltes oder frostiges<br />
Wetter bei etwa einem Drittel<br />
liegt. Zumindest teilweise sind die<br />
Bauernregeln, die sich um die Eis-<br />
MAI <strong>2008</strong><br />
heiligen ranken, durch meteorologische<br />
Beobachtungen bestätigt<br />
worden. Wer sich an die Regeln<br />
mit den Eisheiligen hält, der<br />
pflanzt im Garten erst nach der<br />
«kalten Sophie» und stellt Balkonpflanzen<br />
erst nachher ins Freie.<br />
Früher galt auch die Regel, das<br />
Vieh nicht vor den Eisheiligen auf<br />
die Weide zu lassen, doch kann in<br />
jüngster Zeit oft beobachtet werden,<br />
dass die Bauern ihre Kühe<br />
und Rinder schon im Januar bei<br />
Föhnphasen aus dem Stall auf die<br />
Wiesen schicken. Obschon die<br />
«Eisheiligen» einen grimmig-frostigen Namen haben,<br />
treten sie nicht jedes Jahr auf. Nachforschungen<br />
von Meteorologen ergaben, dass die Eisheiligen im<br />
19. Jahrhundert im Durchschnitt etwa sieben Mal in<br />
zehn Jahren pünktlich aufgetreten sind. In den letzten<br />
zwanzig Jahren trafen sie nicht mehr so pünktlich<br />
genau ein oder blieben sogar ganz aus. Klimatologen<br />
warnen aber davor, voreilige Schlüsse wegen der globalen<br />
Erwärmung zu ziehen. Denn das Phänomen,<br />
dass Kaltluftvorstösse aus dem Norden die Wetterlage<br />
in unseren Breitengraden mit Kälte oder gar Frost<br />
beeinflussen, besteht immer noch. Die Eisheiligen<br />
stehen dann vor der Türe, wenn kalte Luftmassen<br />
aus den Polargebieten direkt nach Süden vorstossen,<br />
ohne sich vorher stärker aufwärmen zu können. Die<br />
Eisheiligen Mamertus, Pankratius, Servatius und Bonifatius<br />
sind Bischöfe und Märtyrer aus dem 4. und<br />
5. Jahrhundert. Die «kalte Sophie» geht auf die heilige<br />
Sophia von Rom zurück, die bei einer Christenverfolgung<br />
durch Diokletian im Jahre 304 umgebracht<br />
wurde. Reliquien der Heiligen, die zuerst in einer Kirche<br />
in Rom aufbewahrt wurden,<br />
sollen sich auch in Strassburg befinden.<br />
Als Patronin der Spätfrös -<br />
te riefen die Bauern in früheren<br />
Zeiten Sophia an, um Schutz vor<br />
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Frost und Hilfe für das Wachstum<br />
der Pflanzen zu erhalten. |<br />
Foto: Marco Nescher