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das ungarische medizinstudium des 18. jahrhunderts an der ...

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Grundfunktion nachzukommen, d.h. Beamte und Juristen, Pädagogen und Theologen, Ärzte und Naturwissenschaftler<br />

für den Bedarf <strong>des</strong> L<strong>an</strong><strong>des</strong> auszubilden; bei entsprechen<strong>der</strong> institutioneller Ausstattung<br />

und bei ausreichen<strong>der</strong> Subventionierung wäre ein Abw<strong>an</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> akademischen Jugend auf nichtpreußische<br />

Hochschulen kaum zu befürchten gewesen. Mit Halle hatte m<strong>an</strong> aber geson<strong>der</strong>te Absichten.<br />

Die neue Universität sollte ein freies und von innerprotest<strong>an</strong>tischen Querelen unabhängiges Bildungszentrum<br />

werden, ein Attraktivpunkt für <strong>das</strong> vorwiegend lutherische Bevölkerungsgros <strong>des</strong> eigenen Territoriums<br />

und zugleich auch für die ausländischen Luther<strong>an</strong>er (unter „Auslän<strong>der</strong>n" verst<strong>an</strong>d m<strong>an</strong> im<br />

Sprachgebrauch <strong>der</strong> Zeit sämtliche Nicht-Preußen). Es ging also nicht zuletzt um die Etablierung eines<br />

Gegenpols zur lutherischen Orthodoxie <strong>der</strong> Sächsischen Universität von Wittenberg, um <strong>das</strong> In­<br />

Grenzen-Halten <strong>des</strong> preußischen Ausl<strong>an</strong>dsstudiums und eine auch die Auslän<strong>der</strong> <strong>an</strong>sprechende Ausbildungsofferte.<br />

Die ev<strong>an</strong>gelisch-reförmierte Hochschule von Fr<strong>an</strong>kfurt erschien aber für eine <strong>der</strong>artige<br />

Rolle ebenso ungeeignet wie <strong>das</strong> im calvinistischen Umfeld gelegene nie<strong>der</strong>rheinische Duisburg. Königsberg<br />

war zwar lutherisch, lag aber für eine <strong>der</strong>artige Aufgabenstellung allzu abseits. Aus hochschulpolitischer<br />

Sicht heraus ging es also um den Gewinn einer innerev<strong>an</strong>gelischen Domin<strong>an</strong>z, um eine<br />

universitäre Vormachtstellung im protest<strong>an</strong>tischen Deutschl<strong>an</strong>d. Es dauerte nicht l<strong>an</strong>ge, d<strong>an</strong>n zeigte<br />

sich auch für die Universität Halle ein Zuzug, wie er bis dahin den benachbarten sächsischen Universitäten<br />

gegolten hatte. 6<br />

Bis 1730 schrieben sich 23 136 Studiosi in die Matrikel ein, wobei Theologen<br />

und Juristen <strong>das</strong> Hauptkontingent bildeten. 7<br />

Nun sind Immatrikulationszahlen <strong>an</strong> jungen Universitäten<br />

nicht unbedingt ein Kriterium für fachliche Bedeutung; g<strong>an</strong>z allgemeine Neugier, die ,,Freude am<br />

Neuen", waren oft genug auch schon vorher bei <strong>an</strong><strong>der</strong>en Universitätsgründungen feststellbar gewesen,<br />

und die einzige „Goldene Zeit" war bei m<strong>an</strong>chen Universitäten auf die Gründungsphase beschränkt<br />

geblieben. 8<br />

An Grundsätzliches war aber zu denken, wollte m<strong>an</strong> Attraktivität auf Dauer gewinnen:<br />

Lehre auf hoher Ebene, zeitgerechte Einrichtungen, großzügige Dotierungen, Engagement von För<strong>der</strong>kreisen<br />

und nicht zuletzt auch Liberalität im Hochschulalltag. Sollte zudem <strong>der</strong> Einzugsbereich die politischen<br />

Grenzen überschreiten, d<strong>an</strong>n mußte auf alles verzichtet werden, was den Ruch <strong>des</strong> Staats- und<br />

Religionsdoktrinären tragen konnte.<br />

Alle diese Prämissen wurden in Halle in bemerkenswerter Form Realität. Es gel<strong>an</strong>g d<strong>an</strong>k <strong>der</strong> Tatsache,<br />

daß ein Mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> von konfessionellen und wissenschaftlich determinierten Fortschrittsbewegungen<br />

zust<strong>an</strong>de kam, indem <strong>das</strong> von Christi<strong>an</strong> Thomasius (1655—1728) repräsentierte Aufklärungsdenken<br />

<strong>der</strong> Zeit eine universitäre Alli<strong>an</strong>z mit dem von August Herm<strong>an</strong>n Fr<strong>an</strong>cke (1663—1727)<br />

vertretenen Pietismus spezifisch hallescher Prägung einging. 9<br />

Der Pietismus als eine religiöse Reformbewegung<br />

mit ausgeprägter sozialer Komponente st<strong>an</strong>d damals selbst in Abwehrhaltung gegen die<br />

luther<strong>an</strong>ische Orthodoxie und war zw<strong>an</strong>gsläufig gehalten, für religiöse Toler<strong>an</strong>z einzutreten; <strong>das</strong> bedeutete,<br />

daß auch ein sich zu den Reformierten bekennen<strong>der</strong> Christ in Halle heimischer war als beispielsweise<br />

dort, wo die Orthodoxie <strong>das</strong> Sagen hatte. Auch für <strong>das</strong> Ausl<strong>an</strong>d wurde Halle auf diese<br />

Weise zu einer Hochburg <strong>des</strong> protest<strong>an</strong>tischen Studiums; knapp 300 <strong>ungarische</strong> Absolventen <strong>der</strong> Jahre<br />

zwischen 1694 und 1730 legen hierfür beredtes Zeugnis ab. 10<br />

Aus <strong>ungarische</strong>r Sicht heraus bedeutete<br />

<strong>das</strong> eine unübersehbare Umorientierung, hatte m<strong>an</strong> sich doch zuvor sehr stark auf die sächsischen Uni-<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

1U<br />

Eulenburg, F.: Die Frequenz <strong>der</strong> deutschen Universitäten (Leipzig 1904); Mühlpfordt, G.: „Die »sächsischen<br />

Universitäten« Leipzig, Jena, Halle und Wittenberg als Vorhut <strong>der</strong> deutschen Aufklärung" in: Abh<strong>an</strong>dl. Sachs.<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissensch, zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, Bd. 71, H. 3, S. 25—50 (Berlin 1987)<br />

Juntke, F., u. Zimmerm<strong>an</strong>n, F. (Hrsg.): Matrikel<br />

(1690-1730) (Halle I960)<br />

<strong>der</strong> Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. I<br />

Mühlpfordt, G.: „Die Petersburger Aufklärung und Halle" C<strong>an</strong>ad.-Amer. Slavic Studies 13 (1979), S. 488—509<br />

Selbm<strong>an</strong>n, E.: „Die gesellschaftlichen Erscheinungsformen <strong>des</strong> Pietismus hallischer Prägung" in: 450 Jahre<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. II, S. 59—76 (Halle 1952)<br />

Zimmerm<strong>an</strong>n. F.: „Materialien zur Herkunft <strong>der</strong> Studenten <strong>der</strong> Universität Halle in <strong>der</strong> Zeit von 1696—1730"<br />

in: 450 Jähre Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg Bd. II, S. 95-100 (Halle 1952)

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