Nr. 29 - Herder-Institut
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Nr. 29 - Herder-Institut
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<strong>Nr</strong>. <strong>29</strong><br />
August-Dezember 2009<br />
HERDER aktuell<br />
Informationen aus dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> in Marburg<br />
Nachruf Hans Lemberg<br />
„Im Objektiv des Feindes“<br />
Propaganda-Fotografien<br />
aus dem besetzten Warschau<br />
im Fokus von Ausstellung<br />
und Kolloquium<br />
1989 in Zentraleuropa<br />
Sommerakademie<br />
Imperiale Biographien<br />
Baltische Reise 2009<br />
Kooperationen der<br />
Dokumentesammlung<br />
Hessischer Archivpreis<br />
für Dokumentesammlung<br />
Nachrichten aus den<br />
LOEWE-Projekten<br />
www.herder-institut.de<br />
1
Dr. Anna Veronika Wendland<br />
Editorial<br />
„Feste sollen, so heißt es, gefeiert<br />
werden. Mit Blick zurück auf das<br />
zweite Halbjahr 2009 können wir<br />
wieder auf spannende Tagungen,<br />
Ausstellungen, Forschungsprojekte<br />
und -reisen sowie Preisverleihungen<br />
verweisen. Die LOEWE-Projekte<br />
sind nun in vollem Gange und<br />
bringen stetig neue Forschungserträge.<br />
Wissenschaftlicher Beirat<br />
und Kuratorium haben die projektleitenden<br />
Perspektiven verabschiedet,<br />
welche die zukünftige Arbeit<br />
des <strong>Institut</strong>s an der Schnittstelle<br />
von Forschung und wissenschaftlicher<br />
Infrastrukturleistung neu definieren.<br />
Die Leibniz-Graduiertenschule<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s wurde<br />
erfolgreich geplant und läuft 2010<br />
an.<br />
Doch kurz vor Jahresende erschütterte<br />
uns alle die Nachricht<br />
vom Tod unseres langjährigen<br />
Mentors, Wissenschaftsorganisators,<br />
Diskussionspartners, Freundes<br />
und – für die Jüngeren unter<br />
uns – Lehrers Hans Lemberg. Er<br />
starb nach schwerer Krankheit am<br />
3. Dezember 2009 im Alter von 76<br />
Jahren und wurde wenig später im<br />
Kreise einer großen Trauergesellschaft<br />
aus Familie, Kollegen und<br />
Weggefährten, Schülern und Chorfreunden<br />
zu Grabe getragen. Die<br />
letzte (Doppel-)Nummer von <strong>Herder</strong><br />
aktuell hatte noch – mit Lembergs<br />
Porträt auf dem Titelblatt – von den<br />
Feierlichkeiten zu seinem 75. Geburtstag<br />
berichtet. Niemand von<br />
uns ahnte, dass schon im Folgeheft<br />
sein Nachruf gedruckt würde. Vieles,<br />
wofür das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> heute<br />
steht, wäre ohne Hans Lembergs<br />
langjähriges Wirken im <strong>Institut</strong>svorstand,<br />
im <strong>Herder</strong>-Forschungsrat<br />
und an der Universität Marburg<br />
nicht entstanden.<br />
Das nächste Heft wird im Zeichen<br />
unseres 60. Gründungsjubiläums<br />
stehen, welches wir am 22. und<br />
23. April 2010 mit einem Festakt<br />
und einem Kolloquium unserer ostmitteleuropäischen<br />
Alumni feiern<br />
wollen. Anlässlich des Jahrestages<br />
2<br />
wird im Bibliotheksfoyer eine Ausstellung<br />
unter dem Titel „60 Jahre<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> – 60 Momente“ gezeigt<br />
werden. Auch diesen freudigen<br />
Anlass werden wir nochmals<br />
im Gedenken an Hans Lemberg<br />
begehen: Eine Tafel unserer Ausstellung<br />
ist ihm gewidmet, und der<br />
abendliche Festvortrag von Prof.<br />
Włodzimierz Borodziej am 22. April<br />
wird gleichzeitig als erste „Hans-<br />
Lemberg-Vorlesung“ gehalten. Die<br />
Hans-Lemberg-Vorlesung wird in<br />
Zukunft in lockerer zeitlicher Abfolge<br />
abwechselnd vom <strong>Herder</strong>-<br />
<strong>Institut</strong>, der Universität Marburg<br />
und dem Collegium Carolinum veranstaltet<br />
werden. Hans Lemberg<br />
bleibt also nicht nur mit seinem wissenschaftlichen<br />
Vermächtnis unser<br />
Begleiter, sondern auch in einer<br />
hoffentlich bald etablierten neuen<br />
Form wissenschaftlicher Lehr- und<br />
Festkultur.<br />
Inhalt Seite<br />
Nachruf Hans Lemberg 3<br />
Tagungen und Ausstellungen 3<br />
Ereignisse und Informationen 8<br />
Nachrichten aus den<br />
LOEWE-Projekten 13<br />
Gäste am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> 15<br />
Lehrveranstaltungen<br />
WS 2009/10 15<br />
Vorträge und<br />
Werkstattgespräche 16<br />
Neue Veröffentlichungen 19<br />
Terminvorschau 23<br />
Titelbild:<br />
Ein PK-Fotoreporter, Unteroffi -<br />
zier der Luftwaffe, ausgerüstet<br />
mit Fotoapparat Leica III mit<br />
Teleobjektiv, 1939/44<br />
BArch, Bild 146-2007-0196 /<br />
Foto: N.N.<br />
Impressum<br />
„<strong>Herder</strong> aktuell“ erscheint halbjährlich<br />
und wird herausgegeben vom<br />
HERDER-INSTITUT e.V.<br />
35037 Marburg, Gisonenweg 5-7<br />
Tel. +49-6421-184-0<br />
Fax +49-6421-184-139<br />
mail@herder-institut.de<br />
www.herder-institut.de<br />
Direktor: Prof. Dr. Peter Haslinger<br />
(V.i.S.d.P.)<br />
Redaktion: Dr. Anna Veronika Wendland<br />
Layout/Satz: Wolfgang Schekanski<br />
Verlag <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
Fotos: Wolfgang Schekanski u. a.<br />
Druck: Jürgen Haas Print Consulting,<br />
Gladenbach<br />
Alle Bilddokumente befi nden sich in den<br />
Sammlungen des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s.<br />
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet,<br />
Beleg erbeten.<br />
Redaktionsschluss dieser Ausgabe:<br />
30. April 2010
Hans Lemberg * 28.4.1933 Münster – † 3.12.2009 Marburg<br />
Das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> trauert um Professor<br />
Dr. Hans Lemberg, einen<br />
tatkräftigen Begleiter und Förderer<br />
unseres <strong>Institut</strong>s über mehrere<br />
Jahrzehnte hinweg. Nach dem<br />
Studium der Geschichte, Slavistik<br />
und Germanistik in Wien, Berlin<br />
und Marburg wurde Hans Lemberg<br />
an der Universität Köln promoviert<br />
und habilitiert. Seit 1973 war er<br />
Professor an der Heinrich-Heine-<br />
Universität in Düsseldorf, von 1981<br />
bis zu seiner Emeritierung 1998<br />
Inhaber der Professur für Osteuropäische<br />
Geschichte an der Philipps-Universität<br />
Marburg.<br />
Hans Lemberg repräsentierte<br />
in einer Person hervorragende wissenschaftliche<br />
Leistungen und<br />
grenzüberschreitende Vernetzung.<br />
Er bekleidete verschiedene be-<br />
Tagungen und Ausstellungen<br />
deutende Ämter in der deutschen<br />
und internationalen Ostmitteleuropaforschung,<br />
so als stellvertretender<br />
Vorsitzender und ab<br />
2003 Ehrenvorsitzender des Collegium<br />
Carolinum, als Mitglied<br />
der Deutsch-Tschechischen und<br />
Deutsch-Slowakischen Historikerkommission<br />
(1997 bis 2005 Vorsitzender<br />
der deutschen Sektion)<br />
sowie als Mitglied der Deutsch-<br />
Tschechischen Schulbuchkommission<br />
und der Historischen Kommission<br />
für die böhmischen Länder.<br />
Professor Lemberg war als Vorstandsmitglied<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
(1994-1999) und als Präsident<br />
des Johann-Gottfried-<strong>Herder</strong>-Forschungsrats<br />
(1990-1996) maßgeblich<br />
an der zukunftsweisenden<br />
Neuausrichtung des <strong>Institut</strong>s in<br />
Im Objektiv des Feindes<br />
Propaganda-Fotografien aus dem besetzten Warschau<br />
im Fokus von Ausstellung und Kolloquium<br />
Zum Gedenken an den 70. Jahrestag<br />
des deutschen Überfalls auf<br />
Polen wurde im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> die<br />
in Kooperation mit deutschen und<br />
polnischen Partnern erstellte zweisprachige<br />
Wanderausstellung „Im<br />
Objektiv des Feindes – Die deutschen<br />
Bildberichterstatter im be-<br />
setzten Warschau 1939-1945 / W<br />
objektywie wroga. Niemieccy fotoreporterzy<br />
w okupowanej Warszawie<br />
1939-1945“ vom 5. Oktober<br />
bis zum 30. November erstmals<br />
präsentiert. Sie geht zurück<br />
auf eine zuvor in Warschau (Dom<br />
Spotkań z Historią), Berlin (Willy-<br />
den 1990er Jahren beteiligt.<br />
Es ist sein bleibendes<br />
Verdienst, dem<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> 1993/94<br />
in einer schwierigen Phase<br />
der Umstrukturierung<br />
und Neuprofilierung mit<br />
großem Engagement und<br />
Geschick beigestanden<br />
zu haben. Auch nach<br />
dem Ausscheiden aus<br />
seinen Ämtern hat er bis<br />
zuletzt die Arbeit des<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s immer<br />
mit großem Engagement<br />
unterstützt.<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
Vorstand, Kuratorium, wissenschaftlicher<br />
Beirat und Mitglieder<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s e.V. sind Hans<br />
Lemberg nicht nur für zahllose Anregungen<br />
zu tiefstem Dank verpflichtet.<br />
Mit ihm verlieren wir auch<br />
einen herausragenden Gelehrten<br />
und einen stets wachen, offenen<br />
und inspirierenden Freund und<br />
Kollegen.<br />
Hans Lemberg (in der Mitte),<br />
Roderich Schmidt und Hugo<br />
Weczerka (rechts) beim Besuch<br />
des Bundesministers Heinrich<br />
Windelen im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> 1985<br />
(links Horst von Chmielewski)<br />
Brandt-Haus) und Koblenz (Bundesarchiv)<br />
präsentierte, umfassendere<br />
Bilddokumentation.<br />
Während des Zweiten Weltkrieges<br />
kamen rund 700.000 Einwohner<br />
der Stadt Warschau ums<br />
Leben. Fast die gesamte jüdische<br />
Bevölkerung wurde ermor-<br />
3
Originalkommentar<br />
unter dem Foto<br />
im Bericht von<br />
SS-Brigadeführer<br />
und Generalmajor<br />
der Polizei, Jürgen<br />
Stroop:<br />
„Mit Gewalt aus<br />
Bunkern hervorgeholt“,<br />
Mai 1943<br />
bpk, <strong>Nr</strong>. 30001717;<br />
BArch,<br />
Bild 183-41636-<br />
0002 / Foto: N.N.<br />
det. 1945 war Warschau eine nahezu<br />
menschenleere und zerstörte<br />
Stadt. Die gezeigten Fotografien<br />
entstammen der Wahrnehmung<br />
durch das „Objektiv des Feindes“,<br />
nämlich jenes der Propaganda-Kompanien<br />
der Wehrmacht<br />
und der Waffen-SS. Durch die Linse<br />
der deutschen Kriegsberichterstatter<br />
wird eine propagandistische<br />
Sichtweise auf die besetzte<br />
Stadt und ihre Bewohner gezeigt:<br />
der Septemberfeldzug, die Zerstörungen,<br />
die Repressionen gegen<br />
die Bevölkerung Warschaus, der<br />
Alltag in der besetzten Stadt und<br />
im Warschauer Getto bis zu dessen<br />
Vernichtung nach dem Getto-<br />
Aufstand April-Mai 1943, schließlich<br />
der Warschauer Aufstand (August-Oktober<br />
1944) und die totale<br />
Zerstörung der Stadt zwischen Oktober<br />
1944 und Januar 1945.<br />
Initiatoren und Autoren von Ausstellung<br />
und Begleitpublikation<br />
unter gleichem Titel sind Danuta<br />
Jackiewicz, Leiterin der Fotosammlung<br />
des Nationalmuseums<br />
in Warschau, und Prof. Dr. Eugeniusz<br />
Cezary Król vom <strong>Institut</strong> für<br />
Politische Studien der Polnischen<br />
Akademie der Wissenschaften, zugleich<br />
Dozent an der Warschauer<br />
Privatuniversität „Collegium Civitas“.<br />
Sie sind ein bewährtes Team,<br />
das seit längerem Bildquellen zur<br />
Zeitgeschichte Polens und insbesondere<br />
Warschaus erforscht und<br />
4<br />
publiziert. Bei ihren<br />
Recherchen im Bildarchiv<br />
der Stiftung<br />
Preußischer Kulturbesitz<br />
Berlin (Bildagentur<br />
bpk) und im Bildarchiv<br />
des Bundesarchivs<br />
Koblenz sind sie<br />
auf die zu Warschau<br />
noch nicht umfassend<br />
ausgewerteten Bildbestände<br />
der NS-Propaganda-Kompanien<br />
gestoßen. In Zusammenarbeit<br />
mit diesen<br />
deutschen Einrichtungen<br />
haben sie<br />
schließlich das Projekt<br />
realisiert, das in<br />
die Ausstellung und die Buchveröffentlichung<br />
mündete. Ihre Partner<br />
waren in Polen das Dom Spotkań<br />
z Historią, Warszawa (Haus der<br />
Begegnungen mit der Geschichte,<br />
Warschau) und die Stadtverwaltung<br />
Warschau mit Schirmherrschaft<br />
durch die Stadtpräsidentin.<br />
Auf deutscher Seite übernahm<br />
diese Ehrenfunktion der Regierende<br />
Bürgermeister der Stadt Berlin.<br />
Bei der Umsetzung der deutschen<br />
Version und bei der Präsentation in<br />
Berlin war neben dem Förderkreis<br />
des Willy-Brandt-Hauses vor allem<br />
das Museum Europäischer Kulturen<br />
– Staatliche Museen zu Berlin<br />
beteiligt, das auch die Reali-<br />
sierung der zweisprachigen Wanderausstellung<br />
im Rahmen des<br />
Föderalen Programms der Stiftung<br />
Preußischer Kulturbesitz beförderte<br />
und begleitete, die schließlich<br />
durch das Team des Bildarchivs im<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> erfolgte. Von hier<br />
aus wird auch in Zusammenwirken<br />
mit den Berliner und Warschauer<br />
Partnern die auf mehrere Jahre<br />
geplante Tournee der Ausstellung<br />
durch Deutschland, Österreich, die<br />
Schweiz und Polen betreut.<br />
Anlässlich der Ausstellungseröffnung<br />
im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> fand<br />
am 5. Oktober ein wissenschaftliches<br />
Kolloquium zum Thema statt,<br />
dem nach Begrüßung durch den<br />
Hausherrn Prof. Dr. Peter Haslinger<br />
ein Grußwort des Vizekonsuls<br />
der Republik Polen Jakub Wawrzyniak<br />
(Köln) vorausging, der die<br />
Bedeutung solcher deutsch-polnischer<br />
Kooperationsprojekte für<br />
die Aufarbeitung der problematischen<br />
Kapitel der gemeinsamen<br />
Geschichte hervorhob. In den folgenden<br />
Beiträgen der Historiker<br />
Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg<br />
(Gießen) und Prof. Dr. Werner Benecke<br />
(Frankfurt/Oder) wurden<br />
zum einen die Fakten und historischen<br />
Hintergründe des Po-<br />
Gettomauer am Żelaznej Bramy-Platz. Links das Palais Lubomirski, rechts<br />
der Platz nach der Wielopole („Gościnny Dwór“)-Markthalle, 24. Mai 1941<br />
BArch, Bild 101I-0791-<strong>29</strong>A / Foto: Ludwig Knobloch<br />
lenfeldzugs und der Okkupation<br />
Warschaus dargelegt, zum anderen<br />
Geschichte und Stand der Erforschung<br />
dieser Ereignisse von
deutscher und polnischer Seite<br />
unter dem Gesichtspunkt der Erinnerungskultur<br />
erläutert. Dr. Markus<br />
Roth, ein Projektmitarbeiter<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s, zeigte dann<br />
aus der Perspektive des Zeithistorikers<br />
die ideologischen Implikationen<br />
des Blicks der Nationalsozialisten<br />
auf die Bevölkerung Polens<br />
und insbesondere die polnischen<br />
Juden sowie deren Auswirkungen<br />
auf die radikale Vorgehensweise<br />
der deutschen Besatzer. Dr. Mi-<br />
1989 in Zentraleuropa<br />
Die Wende als transnationales Diskurs- und Medienereignis<br />
Die Tagung an der Justus-Liebig-<br />
Universität Gießen, die zusammen<br />
mit dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> Marburg<br />
veranstaltet wurde, thematisierte<br />
die Ereignisse der späten 1980er<br />
Jahre unter neuen Perspektiven.<br />
Im Mittelpunkt standen die Diskurse<br />
innerhalb der zentraleuropäischen<br />
Gesellschaften und die Rolle<br />
der Medien in den einzelnen Staaten.<br />
Vier Themenkomplexe standen<br />
während der Tagung zur Diskussion:<br />
„Akteure“, „Medien“, „diskursive<br />
Strategien“ und „Transnationalität“.<br />
Letztere – die Geschichte<br />
transnationaler Verflechtungen und<br />
gegenseitiger Beeinflussungen zwischen<br />
den Staaten Ost- und Ostmitteleuropas<br />
– stellt nach wie vor ein<br />
Forschungsdesiderat dar. Wichtige<br />
Diskussionsfelder auf der Tagung<br />
waren auch die Medialisierung von<br />
Geschichte und ihre Auswirkungen<br />
sowie die Übernahme von medialen<br />
Logiken durch Historiker nach<br />
1989.<br />
Der Rolle der Massenmedien in<br />
den staatssozialistischen Systemen<br />
und ihrem Einfluss auf die Entwicklungen<br />
widmeten sich mehrere<br />
Referenten. Die Wirkungsmacht<br />
der Medien auf den bzw. während<br />
des Umbruchsprozesses schätzte<br />
Frank Bösch in seinem Vortrag als<br />
bedeutsam ein: Er vertrat die Ansicht,<br />
dass es in den Staaten Ostmitteleuropas<br />
zwei Typen von Medienpolitikern<br />
und damit verbunden<br />
riam Yegane Arani (Berlin) widmete<br />
sich schließlich den Propagandafotografien<br />
aus medienwissenschaftlicher<br />
Sicht. Sie stellte deren<br />
Entstehungsbedingungen sowie<br />
die Intentionen von Auftraggebern<br />
und Fotografen vor und betonte,<br />
wie wichtig Kontextinformationen<br />
für die Auswertung dieser<br />
Bilder als historische Quellen seien.<br />
Vor der Einführung zur Ausstellung<br />
durch Prof. Dr. Eugeniusz Cezary<br />
Król (Warschau) drückten die<br />
auch zwei Typen von Medienrevolutionen<br />
gegeben habe: die Medien<br />
als Mitträger der Revolution<br />
oder als direkte Initiatoren der Revolution.<br />
Polen und die DDR stehen<br />
Bösch zufolge als Typenmodelle<br />
für diese beiden Varianten. Christoph<br />
Boyer, der die Kommunikation<br />
zwischen der kommunistischen Elite<br />
und der Bevölkerung in den „ultrastabilen“<br />
Systemen ČSSR und<br />
DDR untersuchte, und Peter Haslinger,<br />
der die grenzüberschreitende<br />
Wirkung der Massenmedien in<br />
der ČSSR und in Ungarn analysierte,<br />
vertraten ähnlich wie Bösch die<br />
Ansicht, dass sich im Ostblock zwei<br />
unterschiedliche Politik- und damit<br />
verbundene Medienstile (liberal<br />
bzw. systemkonservativ) herausgebildet<br />
hatten, die zu unterschiedlichen<br />
Verläufen der Ereignisse von<br />
1989 führten. Einem stetig verlaufenden<br />
Erosionsprozess stand der<br />
schlagartige Machtverlust der kommunistischen<br />
Eliten gegenüber.<br />
Petru Weber untersuchte die gegenseitige<br />
Beobachtung zwischen<br />
Ungarn und Rumänien in den letzten<br />
Jahren vor dem Umbruch 1989<br />
und konstatierte eine Instrumentalisierung<br />
der gegenseitigen Wahrnehmung<br />
durch die jeweilige Führung<br />
für unterschiedliche politische<br />
Zwecke.<br />
Einen weiteren Themenkomplex<br />
bildeten intellektuelle Gruppen und<br />
ihre grenzüberschreitenden Dis-<br />
Vertreter der Kooperationspartner<br />
ihren Dank für das ebenso wichtige<br />
wie gelungene Zusammenwirken<br />
in diesem deutsch-polnischen<br />
Projekt aus: der Vizepräsident der<br />
Stiftung Preußischer Kulturbesitz,<br />
Norbert Zimmermann, der Direktor<br />
des Hauses der Begegnungen mit<br />
der Geschichte Warschau, Piotr<br />
Jakubowski, sowie der Leiter des<br />
Bildarchivs des Bundesarchivs in<br />
Koblenz, Dr. Oliver Sander.<br />
Dietmar Popp<br />
kurse. Frank Bösch hatte in seinem<br />
Vortrag bereits auf die Kontakte<br />
zwischen westdeutschen und<br />
polnischen Intellektuellen hingewiesen,<br />
deren Auswirkungen sich<br />
unter anderem in der polnischen<br />
Presse manifestierten. Magdalena<br />
Latkowska wandte sich dem Narrativ<br />
der europäischen Linken vom<br />
„Dritten Weg“ zu, das sie am Beispiel<br />
west- und ostdeutscher Intellektueller<br />
untersuchte. Diese<br />
Gruppen wurden durch den lawinenartigen<br />
Umbruch von 1989 in<br />
der deutschen Gesellschaft marginalisiert.<br />
Robert Brier nahm diesen<br />
Faden auf und referierte über<br />
die Bedeutung des „Dritten Weges“<br />
für die oppositionellen Intellektuellen<br />
in Polen. Er plädierte außerdem<br />
dafür, das Narrativ der „Rückkehr<br />
nach Europa“ kritisch zu befragen<br />
und forderte dessen genealogische<br />
Untersuchung im Sinne<br />
Michel Foucaults. Hella Dietz untersuchte<br />
in ihrem Vortrag die Gruppe<br />
von Intellektuellen der Solidarność<br />
und legte besonderen Wert darauf,<br />
dass es in den 1980er Jahren einen<br />
(diskursiven sowie politischen) Umbruch<br />
in dieser Gruppe gegeben<br />
habe, der von einer Gegnerschaft<br />
zur kommunistischen Elite zum Elitenkompromiss<br />
der Jahre 1989/90<br />
geführt habe. Marcela Požárek verfolgte<br />
am Beispiel Eduard Goldstückers<br />
den Umgang der tschechoslowakischen<br />
bzw. tschechischen<br />
5
Demonstrierende<br />
Arbeiter in der<br />
Danziger Lenin-<br />
Werft, 1988<br />
Gesellschaft mit den linken Intellektuellen<br />
vor und nach 1989. Sie hob<br />
insbesondere Goldstückers Exilerfahrungen<br />
sowie die daraus resultierenden<br />
Kontakte zu westeuropäischen<br />
Intellektuellen hervor, die<br />
nach 1989 nicht gewürdigt wurden.<br />
Die Untersuchung der intellektuellen<br />
Gruppen in den späten 1980er<br />
Jahren und während des Umbruchs<br />
bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte<br />
für weitere Forschungen.<br />
Ferner wurde in den Beiträgen wie<br />
auch in der Diskussion deutlich,<br />
dass die Umbruchphase in den<br />
späten 1980er Jahren begrifflich<br />
schwer zu fassen ist: Die verwendeten<br />
Begriffe reichen – jeweils aus<br />
unterschiedlicher (nationaler) Per-<br />
6<br />
spektive – von „Revolution“ über<br />
„Umbruch“ bis „Wende“. Die mediale<br />
Verbreitung der Ereignisse von<br />
1989 und die in ihrem Zusammenhang<br />
entstandenen Narrative hatten<br />
bzw. haben Rückwirkungen auf<br />
die nationalen und transnationalen<br />
Diskurse, die bis heute andauern.<br />
Die Frage nach der Wirkung der<br />
Medien und intellektuellen Diskurse<br />
während der Umbruchphase konnte<br />
aufgrund der Komplexität der<br />
Entwicklungen, die zum Umbruch<br />
führten bzw. während des Umbruches<br />
stattfanden, von den Teilnehmern<br />
nicht abschließend beantwortet<br />
werden. Forschungen in dieser<br />
Richtung sind weiterhin vonnöten.<br />
Peter Haslinger und Robert Brier<br />
warnten in ihren Vorträgen vor einer<br />
teleologischen Sicht auf die Ereignisse<br />
der späten 1980er Jahre,<br />
die ihrer Ansicht nach bei der<br />
heutigen Betrachtung der damaligen<br />
Zeit vorherrschend sei. Peter<br />
Haslinger plädierte in seinem<br />
Schlusswort dafür, die Wahrnehmungsmuster<br />
und die daraus resultierenden<br />
Handlungsmöglichkeiten<br />
und die dann konkret getroffenen<br />
Entscheidungen genau zu untersuchen,<br />
statt von einem alternativlosen<br />
Gang der Geschichte auszugehen,<br />
an dessen Ende die Zäsur von<br />
1989 stand.<br />
Michael Zok<br />
Der Wendeprozess oder<br />
Der lange Weg zur Freiheit<br />
„Geisteswissenschaft im Dialog“ in Kooperation mit dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
Die Tagung „1989 als Diskurs- und<br />
Medienereignis“ wurde am 18. Juni<br />
2009 durch eine besondere Veranstaltung<br />
begleitet und bereichert:<br />
„Geisteswissenschaft im Dialog“,<br />
ein gemeinsames Veranstaltungsprojekt<br />
der Leibniz-Gemeinschaft<br />
und der deutschen Akademien der<br />
Wissenschaften, gastierte mit einem<br />
auf die Tagungsthematik abgestimmten,<br />
in enger Kooperation mit<br />
dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> konzipierten<br />
Podiumsgespräch an der Universität<br />
Gießen. Unter dem Titel „Der<br />
Wendeprozess oder Der lange Weg<br />
zur Freiheit“ diskutierten in der Aula<br />
der Justus-Liebig-Universität Historiker,<br />
Journalisten und Zeitzeugen<br />
aus Deutschland und Ostmitteleuropa<br />
über die Ereignisse von 1989 als<br />
grenzüberschreitendes Phänomen.<br />
Auf dem Podium saßen Prof. Peter<br />
Haslinger (<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> / JLU<br />
Gießen), Dr. István Hegedűs (Budapest),<br />
Prof. Martin Sabrow (Zentrum<br />
für Zeithistorische Forschung Potsdam)<br />
und Dr. Kazimierz Wóycicki<br />
(Warschau), moderiert wurde das<br />
Gespräch von Dr. Eberhard Nembach<br />
(Hessischer Rundfunk).<br />
Lange bevor die Berliner Mauer<br />
fiel, wirkten sich die Entwicklungen<br />
im benachbarten Ostblock auf die<br />
Diskurse innerhalb der DDR aus.<br />
Die Bürgerrechtler bezogen Inspiration<br />
und Ermutigung aus der Tschechoslowakei<br />
des Prager Frühlings,<br />
aus dem Polen der Solidarność<br />
und der Sowjetunion der Perestrojka-Jahre.<br />
Die von den Obrigkeiten<br />
misstrauisch beobachteten Kontakte<br />
der DDR-Bürger in die Nachbarländer<br />
waren wichtiger Bestandteil<br />
transnationaler und nationaler Kommunikationsprozesse,<br />
welche zum<br />
– in jedem Land spezifisch verlaufenden<br />
– Systemwechsel beitrugen.<br />
20 Jahre nach dem Mauerfall wurde<br />
in dem Podiumsgespräch verdeutlicht,<br />
dass die Geschichte der friedlichen<br />
Revolution und der deutschen<br />
Wiedervereinigung in den<br />
Zusammenhang einer ganz Ost-<br />
und Ostmitteleuropa einschließenden<br />
Verflechtungsgeschichte ge-<br />
stellt werden muss.<br />
Anna Veronika Wendland
Imperiale und postimperiale Biographien<br />
im östlichen Europa in der Neuzeit<br />
Internationale und interdisziplinäre Sommerakademie des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten<br />
hat die Imperiumsforschung<br />
eine beispiellose Konjunktur<br />
erlebt. Nach dem Zerfall der<br />
Weltreiche wandte die Historiographie<br />
ihre Aufmerksamkeit einer<br />
ganzen Reihe von Themen zu, die<br />
sich unter dem Stichwort „imperiale<br />
Herrschaft“ subsumieren lassen.<br />
Dazu gehört der Umgang mit Multiethnizität<br />
sowie die Vielfalt an Religionen<br />
und Lebensformen in Imperien,<br />
das Verhältnis der Imperien<br />
zu den sie in Frage stellenden Nationsbildungsprojekten<br />
sowie die<br />
kognitiven Kartierungen imperialer<br />
Räume, um nur einige zu nennen.<br />
Als erkenntnisfördernd hat sich dabei<br />
wiederholt der Imperienvergleich<br />
erwiesen. Bezogen auf Ostmitteleuropa<br />
bringt dieser Ansatz<br />
die Erkenntnis mit sich, dass imperiale<br />
Geschichten nicht mehr nur<br />
als Überformungen der Nationalgeschichten<br />
erscheinen, sondern<br />
als integraler Bestandteil auch der<br />
ostmitteleuropäischen Geschichte<br />
teils wiederzuentdecken, teils neu<br />
zu erforschen sind. Grundsätzlich<br />
ist die Imperiumsforschung zurzeit<br />
sowohl durch eine Erweiterung als<br />
auch eine Verfeinerung ihrer Perspektiven<br />
gekennzeichnet. Dieser<br />
Horizonterweiterung steht eine zunehmende<br />
Fokussierung auf kleinere<br />
Einheiten und Räume der Imperien<br />
gegenüber.<br />
Anliegen der internationalen und<br />
interdisziplinären Sommerakademie<br />
war es, die Verknüpfung der<br />
Imperialgeschichte mit der Biographik<br />
am Beispiel von Projektvorstellungen<br />
sowie durch Impulsvorträge<br />
zu überprüfen und zu diskutieren,<br />
ohne dabei einen „biographical<br />
turn“ zu postulieren.<br />
Unter der Leitung von<br />
Martin Aust (Kiel) und<br />
Heidi Hein-Kircher (Marburg)<br />
waren zwölf Doktorandinnen<br />
und Doktoranden<br />
eingeladen, die<br />
sich mit der (post-)imperialen<br />
Geschichte des<br />
östlichen Europas in ihrer<br />
ganzen thematischen<br />
Vielfalt (Politik, Recht,<br />
Wirtschaft, Gesellschaft,<br />
Kultur, Religion, Alltag,<br />
Migration und Geschlechterrollen)<br />
beschäftigen und ihrer Arbeit biographische<br />
Perspektiven zugrunde<br />
legen. Die sechs Impulsvorträge<br />
sollten aus unterschiedlicher Perspektive<br />
ebenfalls die der Sommerakademie<br />
zugrunde liegenden<br />
methodischen Überlegungen diskutierten:<br />
Nach dem Einführungsvortrag<br />
von Martin Aust, welcher<br />
diese Überlegungen zusammenfasste,<br />
wies Timothy Snyder (Yale<br />
University) darauf hin, dass Biographien<br />
eine adäquate Möglichkeit<br />
seien, andere Geschichten als die<br />
des Nationalen zu erzählen. Mathias<br />
Mesenhöller (Leipzig) reflektierte<br />
die postimperialen Historiographien<br />
in Ostmitteleuropa und verdeutlichte,<br />
dass der biographische Ansatz<br />
die Imperiengeschichte näher<br />
an die Akteure rücken könne. Anna<br />
Veronika Wendland (Marburg) stellte<br />
in ihrem Impulsvortrag zwei ukrainische<br />
Vertreter antiimperialer,<br />
aber auch antinationaler Diskurse<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts (Föderalismus<br />
und Anarchismus) vor,<br />
wobei sie die Frage stellte, inwieweit<br />
imperial geprägte Lebenswege<br />
und Karrieren sich auf transnationale<br />
politische Konzepte von<br />
historischen Akteuren auswirkten.<br />
Alexander Kaplunovskiy (Mainz)<br />
stellte die Intentionen und Probleme<br />
der in Russland erscheinenden,<br />
als Diskussionsforum der Imperi-<br />
enforschung zum Russländischen<br />
Reich bedeutenden Zeitschrift „Ab<br />
Imperio“ vor. Heidi Hein-Kircher<br />
sprach über die Wirksamkeit von<br />
politischen Mythen in Biographien<br />
am Beispiel des Piłsudski-Kults in<br />
Polen und zeigte, dass diese ebenso<br />
das Verständnis des (post-)Imperialen<br />
prägen können.<br />
Die lebhaften und facettenreichen<br />
Diskussionen, die sich aus diesen<br />
Impulsvorträgen, der Vorstellung<br />
der Projekte der teilnehmenden<br />
Doktoranden und der Kursarbeit an<br />
grundlegenden Texten aus der Imperienforschung<br />
und historischen<br />
Biographik ergaben, verdeutlichten,<br />
dass Biographien – verstanden<br />
als „Forschungssonden“ und kombiniert<br />
mit verschiedenen strukturellen<br />
Aspekten – durchaus fruchtbar<br />
für die Imperienforschung sein<br />
können. Darüber hinaus wurde wieder<br />
einmal deutlich, dass die auf<br />
eine intensive Kommunikation der<br />
Teilnehmer angelegten Sommerakademien<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
hervorragend zur Netzwerkbildung<br />
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
untereinander beitragen.<br />
Heidi Hein-Kircher<br />
7<br />
Präsentation<br />
der Dokumentesammlung<br />
für<br />
die Teilnehmer<br />
der Sommerschule
Vortrag von<br />
Christoph Schutte<br />
im Rahmen der<br />
Nachwuchstagung<br />
Tartu, Rathaus<br />
Gesellschaftliche Randgruppen in Ost-<br />
und Mitteleuropa seit dem Mittelalter<br />
Deutsch-polnische interdisziplinäre Nachwuchstagung des <strong>Institut</strong>s für<br />
Germanistik und des Historischen <strong>Institut</strong>s der Adam-Mickiewicz-Universität<br />
Poznań und des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
Randgruppen – ethnische, konfessionell-religiöse,<br />
soziale, politische<br />
– gibt es in jeder Gesellschaft. Werden<br />
sie als Minderheit definiert, bedeutet<br />
dies, dass sie in den Augen<br />
der Mehrheit der Gesellschaft als<br />
nicht oder nur unvollständig in das<br />
vorherrschende politische, soziale<br />
und kulturelle Gefüge integrierte<br />
Gruppe gelten. Ihr gemeinsames<br />
Merkmal ist die eingeschränkte<br />
oder gar fehlende Teilnahme am<br />
Leben der „Mehrheit“. Wie sie innerhalb<br />
der jeweiligen Gesellschaft<br />
behandelt werden, gibt einerseits<br />
Ereignisse und Informationen<br />
8<br />
Aufschluss darüber, welchen Status<br />
und welches Ansehen sie in deren<br />
Gefüge besitzen. Andererseits finden<br />
in der Auseinandersetzung mit<br />
dem Status und Bild von Minderheiten<br />
Inklusions- und Exklusionsprozesse<br />
statt – das Selbstverständnis<br />
einer Gesellschaft wird hier ebenso<br />
verhandelt wie jenes der Angehörigen<br />
der Randgruppe.<br />
Die fünfzehn Referate der<br />
deutsch-polnischen interdisziplinären<br />
Nachwuchstagung, an der neben<br />
dreizehn Teilnehmer/innen aus<br />
Polen und Deutschland auch je ein<br />
Doktorand aus Irland und Tschechien<br />
teilnahmen, näherten sich über<br />
verschiedene Ansätze dieser Problematik.<br />
Leitfragen waren die Art<br />
des Umgangs der „quantitativen<br />
Mehrheit“ mit der Randgruppe, die<br />
Auswirkung des Verhältnisses von<br />
dominierender Gruppe und Randgruppen<br />
auf bilaterale Beziehungen<br />
sowie die Bedeutung von Randgruppen<br />
sowohl für die Erforschung<br />
von „Rändern“ als auch der „Mitte“<br />
historischer Gesellschaften in der<br />
longue durée.<br />
Nicht nur im Anschluss an die einzelnen<br />
Referate, sondern auch in<br />
der Abschlussdiskussion entwickelten<br />
sich lebhafte Diskussionen,<br />
welche die Problematik der<br />
Begriffe „Minderheit“ bzw. „Mehrheit“<br />
verdeutlichten. Der von Samuel<br />
Feinauer (Stuttgart) eingeführte<br />
Begriff einer „qualitativen Mehrheit“<br />
in diesem Zusammenhang<br />
verwies darauf, dass primär Macht<br />
und Einfluss ausschlaggebend für<br />
die Qualifizierung als Minderheit<br />
bzw. Mehrheit sind. Im Lichte kritischer<br />
Abwägung der Begriffe stellte<br />
sich heraus, dass bei der Beschreibung<br />
von Exklusionsprozessen präziser<br />
von „Randgruppen“ statt von<br />
„Minderheiten“ gesprochen werden<br />
sollte. Die Interdisziplinarität der<br />
Vorträge, aber auch die Vielfalt von<br />
methodischen Ansätzen ermöglichte<br />
eine facetten- und ertragreiche<br />
Diskussion, die nicht nur dem wissenschaftlichen<br />
Austausch, sondern<br />
auch der Vernetzung der Teilnehmer<br />
diente.<br />
Heidi Hein-Kircher<br />
Baltische Reise 2009<br />
Kooperationen der Dokumentesammlung mit dem Baltikum:<br />
Archivprojekte, Konferenzen und wissenschaftlicher Nachwuchs<br />
Dienstreisen nach Estland<br />
und Lettland gehören<br />
seit vielen Jahren<br />
zu den Selbstverständlichkeiten<br />
für Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s,<br />
wie auch Gegenbesuche baltischer<br />
Kollegen in Marburg. Insbesondere<br />
gilt das für die Dokumen-<br />
tesammlung des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
(DSHI), des größten Archivs zur baltischen<br />
Geschichte in Deutschland.<br />
So unternahmen Dorothee Goeze<br />
und Peter Wörster aus der DSHI<br />
Ende Oktober und Anfang November<br />
2009 eine Reise nach Estland<br />
und Lettland.<br />
Archivprojekte<br />
Breiten Raum nahmen auf dieser<br />
Reise Kooperationsgespräche in<br />
Archiven in Riga, Tartu / Dorpat und<br />
Tallinn / Reval ein. In Riga stand der<br />
Besuch im Historischen Staatsarchiv<br />
Lettlands im Mittelpunkt. Ausgehend<br />
von dem früher zwischen<br />
diesem Archiv und dem <strong>Herder</strong>-
Stadtansicht Tallinn<br />
<strong>Institut</strong> abgeschlossenen Kooperationsvertrag<br />
wurde ein von vom<br />
Max-Planck-<strong>Institut</strong> für historische<br />
Demographie in Rostock betriebenes<br />
Forschungsprojekt auf der<br />
Grundlage von „Seelenrevisionslisten“<br />
vor allem im Hinblick auf die<br />
gemeinsame Bereitstellung der archivischen<br />
Quellen durch die Archive<br />
in Riga und Marburg besprochen<br />
(zu diesem Projekt siehe auch Seite<br />
10). Ausführlich wurde das weitere<br />
Vorgehen bei der Realisierung des<br />
gemeinsamen Internet-Archivportals<br />
zur baltischen Geschichte ArchiBalt<br />
erörtert. Die lettischen Kolleginnen<br />
informierten auch über die<br />
aktuellen Probleme lettischer Archive,<br />
die sich aus der allgemeinen,<br />
in Lettland besonders schweren finanziellen<br />
Notlage ergeben. Außerdem<br />
wurden mögliche weitere gemeinsame<br />
Vorhaben besprochen.<br />
In Tallinn wurde das Stadtarchiv besucht,<br />
mit dem das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
schon seit vielen Jahren eine intensive,<br />
ertragreiche Zusammenarbeit<br />
verbindet, die immer wieder zu gemeinsamen<br />
Publikationen und zur<br />
Teilnahme an Konferenzen in Estland<br />
und Deutschland, aber auch<br />
in Lettland geführt hat und im Jahr<br />
2010 führen wird.<br />
Die für aktuelle archivische Kooperationen<br />
wichtigsten Gespräche<br />
fanden in Tartu mit dem Direktor<br />
des Estnischen Historischen<br />
Staatsarchivs Indrek Kuuben und<br />
dem Leiter der Nutzerabteilung Tõnis<br />
Türna statt. Dabei ging es einmal<br />
– wie schon in Riga – um Ar-<br />
chiBalt,außerdem um<br />
HerBalt (HereditasBaltica),<br />
ein<br />
großes gemeinsamesDigitalisierungsvorhaben<br />
des<br />
estnischen<br />
Archivs und<br />
der DSHI<br />
in Marburg,<br />
die das Vorhabenfederführend<br />
für verschiedene andere<br />
am Baltikum interessierte Vereinigungen<br />
in Deutschland auf deutscher<br />
Seite leitet.<br />
Konferenzen<br />
In Riga stand die Teilnahme an der<br />
Konferenz „Occupation, Collaboration,<br />
Resistance: History and Perception“<br />
im Zentrum des Interesses,<br />
die von Valters Nollendorfs<br />
(Riga) und Erwin Oberländer (Mainz<br />
/ Bonn) organisiert und von der Historikerkommission<br />
Lettlands, vom<br />
Okkupationsmuseum in Riga, vom<br />
Staatsarchiv Lettlands sowie vom<br />
Goethe-<strong>Institut</strong> Riga in den Räumlichkeiten<br />
des Goethe-<strong>Institut</strong>s veranstaltet<br />
wurde. Diese Konferenz<br />
wird für immer mit dem Namen von<br />
Hans Lemberg (Marburg) verbunden<br />
bleiben, der hier in Riga am 27.<br />
Oktober, wenige Wochen vor seinem<br />
Tod am 3. Dezember in Marburg,<br />
seinen letzten Vortrag gehalten<br />
hat. Unter dem Thema „Collaboration<br />
as Short-Term and Long-<br />
Term Phenomenon“ führte er in die<br />
Thematik der Konferenz ein.<br />
In Tartu stand die von Vello Paatsi<br />
organisierte und im Estnischen<br />
Literaturmuseum veranstaltete internationale<br />
Konferenz „Estnisch-<br />
und fremdsprachige Druckschriften<br />
in Est- und Livland 1801-1917“<br />
auf dem Programm der Reisenden<br />
aus dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>. Dorothee<br />
Goeze hielt hier einen Vortrag über<br />
„Steffenhagen, Lindfors und Kluge<br />
in Marburg: Druckschriften in baltischen<br />
Nachlässen und Familien-<br />
archiven im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> Marburg“<br />
und leitete eine Sektion in<br />
estnischer und deutscher Sprache.<br />
Frau Goeze präsentierte auch einen<br />
Beitrag in estnischer Sprache über<br />
Baltica in den Sammlungen des<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s vor der Gelehrten<br />
Estnischen Gesellschaft.<br />
Wissenschaftlicher Nachwuchs<br />
Die estnische Germanistin Reet<br />
Bender (Tartu) schrieb ihre Doktorarbeit<br />
über das Thema „Oskar<br />
Masing und die Geschichte des<br />
Deutschbaltischen Wörterbuchs“,<br />
für das sie auch im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
Marburg, insbesondere in dessen<br />
Dokumentesammlung, viele Materialien<br />
gefunden hatte. Diese von<br />
Anne Arold und Tiit Rosenberg (beide<br />
Professoren der Universität Tartu)<br />
betreute Arbeit erfuhr am 28.<br />
Oktober ihre Öffentliche Verteidigung<br />
im Ratssaal des Universitäts-<br />
Hauptgebäudes. Gutachter waren<br />
Klaus-Dieter Ludwig (Professor der<br />
Humboldt-Universität Berlin) und<br />
Peter Wörster, die in der Veranstaltung<br />
als Opponenten von Reet<br />
Bender auftraten.<br />
Der Besuch in Estland und Lettland<br />
vertiefte die Zusammenarbeit<br />
mit Archiven, Universitätsinstituten<br />
und außeruniversitären Einrichtungen<br />
vor allem auch im Hinblick auf<br />
weitere gemeinsame Arbeitsvorhaben.<br />
Peter Wörster<br />
9<br />
v.l.: Peter Wörster,<br />
Reet Bender,<br />
Klaus-Dieter<br />
Ludwig
Seite aus den<br />
Kurländischen<br />
Revisionslisten<br />
über das Privatgut<br />
Blankenfeld,<br />
Ksp. Grenzhof<br />
1797<br />
Archivquellen aus dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> für<br />
ein Projekt der Max-Planck-Gesellschaft<br />
Das Max-Planck-<strong>Institut</strong> für Historische<br />
Demographie in Rostock bearbeitet<br />
seit 2008 ein Forschungsprojekt<br />
zum Thema „Familien- und<br />
Bevölkerungsdynamiken im 18.<br />
und 19. Jahrhundert in Kurland:<br />
10<br />
Eine Längsschnittstudie auf der<br />
Grundlage von Seelenrevisionslisten“.<br />
Das unter der Leitung von Dr.<br />
Mikołaj Szołtysek stehende Projekt<br />
erstellt einen Rahmen für die<br />
Längsschnittanalyse der Bevölkerungsdynamik<br />
(speziell von Familien)<br />
im lettisch und deutsch besiedelten<br />
Kurland zwischen 1795 und<br />
1858. Im Einzelnen geht es um drei<br />
Ebenen der Beobachtung und Analyse:<br />
1. die räumliche Dimension der<br />
Entwicklung von Haushaltsstrukturen<br />
und individuellen Lebensläufen,<br />
2. Haushalts-Lebenswelten und<br />
ihre demographischen und sozioökonomischen<br />
Grundlagen, 3. die<br />
Möglichkeiten zur Erforschung von<br />
Sterblichkeit und Wanderungsbewegungen<br />
auf Grundlage der Daten<br />
aus mehreren aufeinanderfolgenden<br />
Bevölkerungszählungen.<br />
Die wichtigste Quellengrundlage<br />
für das Forschungsprojekt stellt<br />
die für eine solche Landschaft im<br />
genannten Zeitraum ungewöhnlich<br />
dichte Überlieferung eines Mikrozensus<br />
dar. Es handelt sich um<br />
die unter der russischen Verwaltung<br />
eingeführten sogenannten<br />
„Seelenrevisionen“, die in Kurland<br />
erstmalig 1797 und letztmalig 1858<br />
stattfanden. Ergänzt werden die<br />
so gewonnenen Daten noch aus<br />
anderen Quellen. Insgesamt werden<br />
Informationen zu 40 Kirchspielen<br />
(im Kurland der damaligen Zeit<br />
handelte es sich dabei um größere<br />
ländliche Verwaltungsbezirke,<br />
um Großgemeinden) und etwa 400<br />
Gutsbezirken ausgewählt, beide<br />
aus verschiedenen Regionen des<br />
Gouvernements Kurland, um einen<br />
annähernd repräsentativen Durchschnitt<br />
zu erhalten.<br />
Die Hauptquelle des Forschungsprojekts<br />
des Max-PIanck-<strong>Institut</strong>s<br />
in Rostock, die Akten der Seelenrevisionen<br />
von Kurland, ist heute in<br />
zwei Archiven vorhanden: Im Historischen<br />
Staatsarchiv Lettlands in<br />
Riga lagern Originale, allerdings mit<br />
erheblichen Lücken, die infolge der<br />
Verluste in der Kriegs- und Nachkriegszeit<br />
entstanden sind. Ein großer<br />
Teil dieser Verluste kann durch<br />
die in der Dokumentesammlung<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s (DSHI) verfügbaren<br />
Kopien baltischen Archivguts<br />
ersetzt werden, die 1940 im Zuge<br />
der Umsiedlung der Deutschbalten<br />
1939/40 in Lettland und in Estland<br />
angefertigt und in den letzten Jahrzehnten<br />
aufbereitet wurden.<br />
Dorothee Goeze / Peter Wörster<br />
Quod non est in actis, non est in mundo!<br />
Hessischer Archivpreis 2009 für die Dokumentesammlung<br />
Der Hessische Archivpreis 2009<br />
wurde in diesem Jahr an die Dokumentesammlung<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
in Marburg verliehen. Die Dokumentesammlung<br />
ist das größte<br />
Archiv zur Geschichte der baltischen<br />
Staaten in Deutschland und<br />
wird im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> von Dorothee<br />
M. Goeze M.A. und Dr. Peter<br />
Wörster betreut. Die Preisverleihung<br />
fand am 26. November im<br />
Hessischen Staatsarchiv in Marburg<br />
in Anwesenheit von Staatssekretär<br />
Gerd Krämer vom Hessischen<br />
Ministerium für Wissenschaft<br />
und Kunst statt.<br />
Der von der Sparkassen-Kulturstiftung<br />
Hessen-Thüringen gestiftete<br />
und gemeinsam mit dem<br />
Landesverband Hessen im Verein<br />
deutscher Archivarinnen und Archivare<br />
ausgelobte Preis richtet sich<br />
an kleinere nichtstaatliche, insbesondere<br />
kommunale Archive sowie<br />
Archive wissenschaftlicher Einrichtungen<br />
in Hessen unter hauptamtlicher<br />
Leitung. Mit dem seit 2005<br />
jährlich vergebenen Archivpreis soll<br />
die Bedeutung von Archiven für die<br />
orts- und regionalgeschichtliche<br />
Forschung ebenso wie für die Aufarbeitung<br />
gesellschaftspolitischer<br />
Fragestellungen hervorgehoben
werden. Die Auszeichnung ist mit<br />
einem Preisgeld von 5.000,00 Euro<br />
verbunden, das für Zwecke des Archivs<br />
ausgegeben werden soll.<br />
Dr. Thomas Wurzel, Geschäftsführer<br />
der Sparkassen-Kulturstiftung<br />
Hessen-Thüringen, betonte in<br />
seiner Laudatio insbesondere die<br />
außerordentlichen Leistungen auf<br />
dem Gebiet des Kulturgutschutzes<br />
durch die Übernahme und Erschließung<br />
umfangreicher Archivbestände<br />
aus privater Überlieferung. Hierzu<br />
gehören namentlich das 2006<br />
übernommene Archiv der Baltischen<br />
Ritterschaften sowie die<br />
Bewahrung und Erschließung der<br />
1940 in Estland und Lettland verfilmten<br />
Archivbestände, die durch<br />
die Kriegsereignisse zum Teil verlorengingen.<br />
Diese für die Geschichte<br />
des Baltikums, insbesondere auch<br />
der Deutschbalten, unschätzbaren<br />
Quellen stellen hohe Anforderungen<br />
hinsichtlich der Bestandserhaltung,<br />
Erschließung und Bereitstellung<br />
für die Forschung.<br />
Dorothee M. Goeze und Peter Wörster im Gespräch mit der Vorsitzenden<br />
des Landesverbands Hessen im VDA, Brigitte Streich, und dem<br />
Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen,<br />
Dr. Thomas Wurzel<br />
Die DSHI hat zur Auszeichnung mit dem Hessischen Archivpreis 2009 zahlreiche Glückwünsche aus dem In-<br />
und Ausland erhalten, besonders auch aus den Reihen der Deposita-Geber, u.a. dem Bundesarchiv, der Baltischen<br />
Historischen Kommission und des Verbandes der Baltischen Ritterschaften. So schreibt Dr. Manfred<br />
von Boetticher, der Archivar des Verbandes der Baltischen Ritterschaften: „Auch außerhalb des Verbandes der<br />
Baltischen Ritterschaften hat man festgestellt, welch hervorragende Arbeit im Archiv des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s geleistet<br />
wird. So wurde der Hessische Archivpreis 2009, der einzige seiner Art in Deutschland, dem dortigen Archiv,<br />
der „Dokumentesammlung“, zuerkannt. [ ] [D]em Verband der baltischen Ritterschaften [bleibt] nur übrig, zu<br />
dieser Anerkennung herzlich zu gratulieren in dem Bewusstsein, dass es Frau Goeze und Herrn Wörster inzwischen<br />
auch vor einer größeren Öffentlichkeit anerkanntermaßen gelungen ist, die Dokumentesammlung trotz<br />
begrenzter personeller und finanzieller Mittel zu einem international beachteten Archiv der baltischen Geschichte<br />
auszubauen.“<br />
Ideenwettbewerb zur kulturgeschichtlichen Museumsarbeit:<br />
Preis für Mitarbeiterin des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
Das Hessische Ministerium für Wissenschaft<br />
und Kunst hat im Sommer<br />
2009 gemeinsam mit der Hessischen<br />
Vereinigung für Volkskunde<br />
und dem Freilichtmuseum Hessenpark<br />
einen Wettbewerb zum Thema<br />
„Die Dinge und ihre Bedeutungen.<br />
Ideenwettbewerb zur volkskundlich-kulturgeschichtlichenMuseumsarbeit“<br />
ausgeschrieben. Eine<br />
Gruppe der AG Museumskultur des<br />
Graduate Centre for the Study of<br />
Culture an der Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen hat sich daran mit<br />
einem Ausstellungsentwurf beteiligt.<br />
Unter dem Titel „Hessen hybrid<br />
– 5 Beispiele aus 5 Jahrhunderten“<br />
konzipierten Ina Brandt, Antje<br />
Coburger (<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>), Lutz<br />
Hengst, Moritz Jäger und Caroline<br />
von Nicolai, alle Doktoranden in<br />
Gießen, einen Wettbewerbsbeitrag,<br />
der sich in Hessen auch als Wanderausstellung<br />
umsetzen ließe. Der<br />
Entwurf stellt die Spannbreite von<br />
kulturellen Einflüssen auf Hessen<br />
vor, die von den Reisen Hans Stadens<br />
aus Wolfhagen nach Südamerika<br />
im 16. Jahrhundert bis zur Migration<br />
der Russlanddeutschen nach<br />
Frankfurt seit 1989 reichen. Die<br />
Jury wählte den Gießener Beitrag<br />
11
12<br />
zum Sieger. Der zweite Platz ging<br />
an einen Beitrag aus Marburg, der<br />
sich mit dem Phänomen des Wochenmarktes<br />
beschäftigt. In einer<br />
Feierstunde im Hessenpark überreichte<br />
Staatssekretär Gerd Krämer<br />
die Preisurkunden. Die Laudatio auf<br />
die Preisträger hielt Prof. Dr. Konrad<br />
Vanja, Direktor des Museums<br />
Europäischer Kulturen der Staatlichen<br />
Museen zu Berlin, der zuvor<br />
auch Jurymitglied war.<br />
v.l.n.r.: Caroline<br />
von Nicolai, Moritz<br />
Jäger, Ina Brandt,<br />
Lutz Hengst, Antje<br />
Coburger<br />
Klimatisiertes Negativarchiv eingerichtet<br />
Nach mehrjährigen Planungen<br />
konnte ein wichtiger Schritt des<br />
Ausbaus und der Modernisierung<br />
im Bildarchiv vollzogen werden:<br />
die Einrichtung eines klimatisierten<br />
Raums für die konservatorisch angemessene<br />
Aufbewahrung von Negativ-<br />
und Diapositiv-Materialien.<br />
Hierzu wurde im Bereich des Fotolabors<br />
eine begehbare und mit ei-<br />
ner Fahrregalanlage ausgestattete<br />
Kühlzelle eingebaut, in die nicht<br />
nur die entsprechenden Materialien<br />
aus dem Bildarchiv überführt<br />
wurden und werden. Auch die in<br />
der Dokumentesammlung aufbewahrten<br />
originalen Mikrofilme, die<br />
in Zusammenhang mit der Umsiedlungsaktion<br />
der Deutschbalten<br />
von 1939/40 angefertigt wurden,<br />
sind nun in der neuen Klimakammer<br />
gelagert. Damit ist ein weiterer<br />
Schritt zu der nach Medienarten<br />
differenzierten und sachgerechten<br />
Archivierung der überwiegend historischen<br />
Materialien innerhalb der<br />
Sammlungen des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
erfolgt.
Nachrichten aus den LOEWE-Projekten<br />
Zwischen Copyright und<br />
Open Access:<br />
Notwendigkeit, Chancen und Risiken der Digitalisierung eines Presseausschnittarchivs.<br />
Ein Rotationsprojekt des LOEWE-Forschungsverbunds<br />
Von 1952 bis März 1999 wurde im<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> in einer eigenen Abteilung<br />
unter der Leitung von Rudolf<br />
Urban (1952-1976), Heinrich Mrowka<br />
(März 1976-31.12.1998) und Karl<br />
von Delhaes (1.1.1999-31.12.2000)<br />
systematisch die ostmitteleuropäische<br />
Presse ausgewertet und länderorientiert<br />
in Ordnern abgelegt.<br />
Aus Tages- und Wochenzeitungen,<br />
überregionaler und lokaler Presse,<br />
kommunistisch kontrollierten Medien<br />
und solchen des Untergrunds<br />
und Exils sowie deutschsprachigen<br />
Vergleichszeitungen entstand eine<br />
für Ostmitteleuropa in ihrer inhaltlichen<br />
Breite, zeitlichen Kontinuität<br />
und systematischen Erschließung<br />
einmalige Sammlung (60% systematisch<br />
gegliedertes Sacharchiv,<br />
33% alphabetisch sortiertes Personenarchiv<br />
und 7% Ortsarchiv).<br />
Jeweils zu rund 40% betreffen die<br />
Ausschnitte Polen bzw. Tschechien/Slowakei<br />
sowie in deutlich geringerem<br />
Umfang Estland (6,8 %),<br />
Lettland (5 %), Litauen (4,4%) und<br />
Russland. 1991 setzte die teils retrospektive<br />
(speziell zur Geschichte<br />
der historischen deutschen Ostgebiete)<br />
Verfilmung der Ausschnitte<br />
auf Mikrofiches ein. Seit 1997 wurde<br />
der retrospektiven Erschließung<br />
Vorrang vor der prospektiven Auswertung<br />
eingeräumt.<br />
Im Jahr 2000 wurde die Abteilung<br />
aufgelöst, ihre Bestände (Ordner<br />
und Fiches mit Zeitungsausschnitten<br />
und die rund 710 Titel umfassende<br />
Zeitungssammlung aus teilweise<br />
über Jahrzehnte vollständig<br />
archivierten Jahrgängen) wurden<br />
der Forschungsbibliothek angegliedert.<br />
Folgende Erschließungserfolge<br />
sind bereits online nutzbar:<br />
Sachsystematik (600 Stichworte)<br />
und Sachregister (1.100 Einträge)<br />
des Sacharchivs, 21.000 der ergiebigsten<br />
Dossiers zu Polen und<br />
Estland des Personenarchivs (insgesamt<br />
ca. 200.000 Dossiers) mit<br />
einer Grobübersicht über den Artikelbestand<br />
(Anzahl, Laufzeit) sowie<br />
Angaben zur Person und ein laufend<br />
aktualisiertes Abkürzungsverzeichnis<br />
(16.500 Einträge). Die elektronische<br />
Erfassung (je mit Anzahl<br />
der Ausschnitte) des Ortsarchivs<br />
(ca. 8.000 Orte) ist für das Baltikum,<br />
Ostpreußen und Polen in Arbeit.<br />
Die Originale in der Zeitungsausschnittsammlung<br />
sind akut<br />
bedroht: Durch die schlechte Papierqualität<br />
beschleunigte chemische<br />
Reaktionen führen zum Zerfall<br />
des Zeitungspapiers. Gleichzeitig<br />
haben viele der Materialien politische<br />
Brisanz, denn sie sind unter<br />
Umständen die letzten Zeugnisse<br />
unliebsamer kommunistischer Vergangenheit<br />
bei historischen und<br />
heutigen Akteuren, die als Zeitungsautoren<br />
tätig waren. Als Sicherungsmaßnahme<br />
ist eine Digitalisierung<br />
und Verfilmung der über<br />
15.200 Ausschnittordner mit ca. 5<br />
Millionen Ausschnitten und der über<br />
640.000 Mikrofiche-Aufnahmen<br />
dringend erforderlich, ganz abgesehen<br />
von den damit verbundenen<br />
verbesserten Nutzungsmöglichkeiten.<br />
Dieses Vorhaben ist Thema<br />
eines Rotationsprojekts im Rahmen<br />
des LOEWE-Forschungsverbundes<br />
„Kulturtechniken und ihre Medialisierung“,<br />
das vom stellvertretenden<br />
Leiter der <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s-Bibliothek,<br />
Dr. Jan Lipinsky, betreut wird.<br />
Rotationsprojekte ermöglichen es<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s, während mehrerer<br />
Monate aus der laufenden <strong>Institut</strong>sarbeit<br />
„herauszurotieren“ und<br />
sich besonderen Forschungsaufga-<br />
ben, Erschließungsvorhaben oder<br />
der Durchführung von Tagungen zu<br />
widmen.<br />
Visionäres Ziel des genannten<br />
Digitalisierungsprojektes wäre die<br />
drittmittelfinanzierte Bereitstellung<br />
eines komplett digitalisierten, georeferenzierten<br />
Ausschnittarchivs für<br />
Ostmitteleuropa an der Schnittstelle<br />
von Forschung, Dokumentation<br />
und Präsentation. Es sollte volltexterkennende<br />
sowie multilinguale<br />
Suchmöglichkeiten (z.B. nach Daten,<br />
Personen, Autoren, Themen,<br />
Fotos, Zeitungstiteln) bieten. Dies<br />
alles sollte frei zugänglich und über<br />
die Systematik mit den übrigen Beständen<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s (z.B.<br />
Literatur, bibliografischen Daten,<br />
Fotos, Karten, Dokumenten) so-<br />
13<br />
Aufgeklebter<br />
Zeitungsausschnitt<br />
aus<br />
dem Presseausschnittarchiv,<br />
1965
Untergrundliteratur<br />
aus den Sammlungsbeständen<br />
der Forschungsbibliothek<br />
des<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
wie des Internets (z.B. Wikipedia,<br />
Fachportale für Osteuropa bzw.<br />
Geschichte) vernetzt sein. Der Originalbestand<br />
wäre unter idealen<br />
Bedingungen konservierend und<br />
möglichst frei von Benutzung zu<br />
lagern und die digitalen Daten zusätzlich<br />
auf Mikrofilm in suchbarer<br />
Weise langzeitzuarchivieren. Interessierten<br />
Nutzern, so Geschichts-,<br />
Politik-, Medien-, Sprach-, Kulturwissenschaftlern<br />
und Studierenden,<br />
könnten so strukturierte und<br />
rasche Zugriffsmöglichkeiten geboten<br />
werden.<br />
Die Vielfalt der Sprachen, Schriften,<br />
Schrifttypen und Trägermedien<br />
einerseits sowie die große Zahl<br />
der ausgewerteten, heute mitunter<br />
nicht mehr oder nur noch indirekt<br />
existierenden Pressetitel andererseits<br />
erschweren allerdings die<br />
rasche und seit 1997 im <strong>Herder</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> diskutierte Projektumsetzung.<br />
Urheberrechtliche Auflagen<br />
verhindern einen uneingeschränkt<br />
freien Zugriff auf Texte und Fotos.<br />
Sie machen eine mühsame Einzelfallklärung<br />
mit den ehemaligen Zeitungsverlagen<br />
und deren Rechts-<br />
14<br />
nachfolgern bzw. die Arbeit mit<br />
Sperrvermerken oder im Netz zwar<br />
suchbaren, aber nur unvollständig<br />
angezeigten Scans nötig.<br />
Zum Rotationsprojekt gehörte<br />
die Vorbereitung eines internationalen<br />
Workshops zum Thema. Dieser<br />
fand am 17. Juni 2009 unter aktiver<br />
Beteiligung mehrerer Abteilungen<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s und mit auswärtigen<br />
Teilnehmern aus Wissenschaft,<br />
Lehre und Wirtschaft statt.<br />
Folgende Themenbereiche wurden<br />
behandelt:<br />
1. Die Zeitungsausschnittsammlung:<br />
Umfang, Inhalt, Material. Hier<br />
wurden die Alleinstellungsmerkmale,<br />
Auswertungs- und Ordnungskriterien<br />
der Sammlung vorgestellt<br />
und diskutiert, welche aktuellen<br />
Forschungen von der Sammlung<br />
profitieren können.<br />
2. Die Zeitungsausschnittsammlung:<br />
vom Papier zum Digitalisat. In<br />
dieser Sektion wurden die Gründe<br />
für oder gegen eine Digitalisierung<br />
diskutiert, daneben kamen Vereinbarkeit<br />
von Bestandsschutz,<br />
geändertem Nutzerverhalten und<br />
urheberrechtlichen Auflagen sowie<br />
Wünsche von potentiellen (akademischen<br />
und forschenden) Nutzern<br />
an ein digitalisiertes Archiv zur<br />
Sprache.<br />
3. Die Zeitungsausschnittsammlung:<br />
das Digitalisat im Netz. Hier<br />
standen sehr konkrete finanzielle,<br />
administrative und technische<br />
Möglichkeiten im Mittelpunkt, um<br />
den Papierausschnitt ins Netz zu<br />
bringen und damit aus langsam verstaubenden<br />
Ausschnittordnern ein<br />
multimedial aufbereitetes, weltweit<br />
und leicht zugängliches, aktuellen<br />
Gegebenheiten angepasstes Archiv<br />
zu schaffen. Vor- und Nachteile einer<br />
Digitalisierung im Hause bzw.<br />
durch Dienstleister sowie technische<br />
Möglichkeiten der Schrifterkennung<br />
und Online-Präsentation<br />
wurden anhand konkreter Beispiele<br />
aus der Zeitungsausschnittsammlung<br />
bzw. anhand von bereits digitalisierten,<br />
ähnlich umfangreichen<br />
oder aus ähnlich disparatem Material<br />
bestehenden Presseausschnittarchiven<br />
diskutiert. Die Verwaltung<br />
digitaler Massendaten (z.B. Kosten<br />
für Doppel-Speicherung und laufendes<br />
Umkopieren auf neue Betriebssysteme)<br />
und die Herausforderung<br />
einer Langzeitarchivierung wurden<br />
thematisiert. Ideen für ein schrittweises<br />
Einscannen der Materialien<br />
(z.B. Beginn mit dem Personen-<br />
oder Ortsarchiv; Digitalisierung nur<br />
bei konkreter Nachfrage oder durch<br />
die Nutzer selbst; Refinanzierung<br />
durch kostenpflichtige Ausdrucke)<br />
bzw. ein schrittweises Vorgehen<br />
bei der Digitalisierung und Präsentation<br />
(z.B. rasche Verfügbarkeit im<br />
Netz und erst anschließende tiefere<br />
Erschließung der Bestände und<br />
vollständige Schrifterkennung) wurden<br />
diskutiert.<br />
Von dem Rotationsprojekt lassen<br />
sich vielfache Verbindungen zu weiteren<br />
LOEWE-Projekten und -bereichen<br />
ziehen. Herausforderungen<br />
des „Suchens und Findens“ spielen<br />
dabei eine zentrale Rolle. Das über<br />
50 Jahre bestehende Pressearchiv<br />
ist ein geradezu ideales Beispiel für<br />
unterschiedliche Ordnungs-, Ablage-,<br />
Find-, Präsentationsstrategien<br />
vor dem Hintergrund der aktuellen<br />
digitalen Herausforderung. Des<br />
Weiteren sind intermediale Aspekte<br />
von großer Bedeutung, denn die<br />
Zeitungsausschnittsammlung dokumentiert<br />
unter anderem das (ostmitteleuropäische)<br />
Presseecho zur<br />
Geschichtsdarstellung im Fernsehen<br />
bzw. zur Holocaust-Thematik<br />
im Film. Ähnlich wie benachbarte<br />
LOEWE-Projekte beschäftigt sich<br />
das Projekt mit vordigitalen und<br />
digitalen Medien, mit Multimedialisierung,<br />
Digitalisierung sowie interaktiven<br />
Präsentations- und Recherchemöglichkeiten.<br />
Dabei spielt<br />
auch die Mehrsprachigkeit transnationaler<br />
Wissensvermittlung eine<br />
große Rolle.<br />
Jan Lipinsky
Gäste am <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
Die Stipendiaten des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
unter unseren Gästen werden<br />
mit dem Titel ihres Forschungsvorhabens<br />
vorgestellt<br />
Agnieszka Dudek, Rybnik (01.07.-<br />
21.08.), „Zur Rolle und Bedeutung<br />
der Kultur- und Bildungsvereine<br />
des Teschener Schlesien (1852-<br />
1918). Auf den Spuren der regionalen<br />
Identität“<br />
Sławomir Kościelak, Gdańsk /<br />
Danzig (21.-31.07.)<br />
Aleksej Martyniuk, Minsk (15.07.-<br />
30.08.), „Die Deutschen, Balten und<br />
Slawen im Ostseeraum im Spiegel<br />
der mittelalterlichen Miniaturen (13.-<br />
16. Jahrhundert)“<br />
Barbara Ochendowska-Grzelak,<br />
Szczecin / Stettin (03.-30.08.),<br />
„Hans Lutsch (1854-1922). Sein<br />
Gedankengut als Denkmalpfleger<br />
und die damaligen denkmalpflegerischen<br />
Theorien. Ein Vergleich“<br />
Lehrveranstaltungen<br />
Dr. Heidi Hein-Kircher:<br />
Philipps-Universität Marburg<br />
■ Das Jahr 1989 in Mittel- und Osteuropa.<br />
Voraussetzungen und Folgen<br />
des politischen Wandels<br />
Proseminar, WS 2009/10,<br />
2 SWS<br />
Prof. Dr. Peter Haslinger –<br />
Prof. Dr. Monika Wingender:<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
■ Sprachpolitik und Mehrsprachigkeit<br />
im östlichen Europa in Vergangenheit<br />
und Gegenwart<br />
Hauptseminar, WS 2009/10,<br />
2 SWS<br />
Anna Kriegseisen, Gdańsk / Danzig<br />
(15.-30.08.), „Die farbige Ausstattung<br />
der Fassaden im Danzig<br />
der Neuzeit“<br />
Katarzyna Darecka, Gdańsk /<br />
Danzig (15.-30.08.), „Tür- und Fenstertischlerei<br />
in Danzig seit dem Mittelalter<br />
bis in die Anfänge des 20.<br />
Jahrhunderts“<br />
Irina Belintseva, Moskva / Moskau<br />
(24.-26.08.)<br />
Ryszard Kaczmarek, Tychy<br />
(01.09.-31.10.), „Polen in Wehrmachtsuniform<br />
1939-1945“<br />
Magdalena Kałuzna, Poznań /<br />
Posen (01.10.-30.11.), „Die (Un)-<br />
Stunde der Frauen. Repräsentation<br />
der Frau in der deutschen Deprivationsliteratur“<br />
Maciej Kulisz, Wrocław / Breslau<br />
(01.10.-30.11.), „Grabmalkunst im<br />
Fürstentum Liegnitz im 17. und 18.<br />
Jahrhundert“<br />
Dr. Norbert Kersken:<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
■ Dynastiewechsel im Mittelalter<br />
Hauptseminar, WS 2009/10,<br />
2 SWS<br />
Dr. Jan Lipinsky –<br />
Dr. Jürgen Warmbrunn:<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
■ „Information literacy“ für Historiker<br />
– Datenbanken, Wissensportale,<br />
online-Ressourcen<br />
Übung, WS 2009/10, 2 SWS<br />
Denis Lomtev, Moskva / Moskau<br />
(01.10.-30.11.)<br />
Myron Kapral, L’viv / Lemberg (02.-<br />
30.11.), „Concordia plebeiorum: soziale<br />
und ethnische Verhältnisse in<br />
der Lemberger Schusterzunft im 17.<br />
und 18. Jahrhundert“<br />
Peter Balogh, Solna (02.11.-<br />
23.12.), „Die historische Infrastruktur<br />
Pommerns und die alten Kontakte<br />
zwischen Stettin und Berlin“<br />
Andrew Demshuk, Urbana (02.11.-<br />
23.12.), „Wohnhaft in der Erinnerung.<br />
Schlesische Vertriebene und<br />
der verlorene deutsche Osten“<br />
Henadz Sahanovich, Minsk<br />
(02.11.-23.12.), „Der Deutsche Orden<br />
und Ruthenien vom 13. Jahrhundert<br />
bis zum Jahre 1435“<br />
Dr. Anna Veronika Wendland:<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
■ Kulturtransfer und Verflechtungsgeschichte<br />
im östlichen Europa –<br />
Einführung in die Theoriedebatte<br />
und ausgewählte Beispiele<br />
Übung, WS 2009/10, 2 SWS<br />
15
Vorträge und Werkstattgespräche<br />
31. Juli<br />
Dorothee M. Goeze (Marburg):<br />
„Saaremaa ja Hiiumaa vanadel<br />
maakaartidel ning Baltica Marburgi<br />
<strong>Herder</strong>i Instituudis“ / Ösel und<br />
Dagö auf alten Landkarten und Baltica<br />
im <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> Marburg [Internationale<br />
Konferenz „Saaremaa<br />
ja Hiiumaa vanadel maakaartidel“],<br />
Kuressaare / Arensburg<br />
28. August<br />
Markus Roth (Gießen / Marburg):<br />
„The Last Year – A Digital Version of<br />
the Last 12 Months of the Chronicle<br />
of Litzmannstadt Getto“, Universität<br />
Łódź / Lodz<br />
31. August<br />
Dietmar Popp (Marburg): „Barocke<br />
Sakralarchitektur in Wilna: Verfall<br />
und Erneuerung. Fotografien von<br />
Kęstutis Stoškus (Einführung zur<br />
Ausstellung und zum Katalogprojekt)“,<br />
Wissenschaftliches Zentrum<br />
der Polnischen Akademie der Wissenschaften,<br />
Wien<br />
3. September<br />
Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />
„Nationalizing the In-Between.<br />
Concepts of Minority and<br />
Minorioty Policies in Eastern Europe“<br />
[Sommerkademie „Minority Politics<br />
and Minority Conflicts in Eastern<br />
Europe“], Leibniz-Universität,<br />
Hannover<br />
16<br />
3. September<br />
Michael Zok (Marburg): „ ̦Sogar<br />
das Lagerorchester ist authentisch…‘.<br />
Die (Re-) Konstruktion von<br />
Besatzungs- und Lagererfahrungen<br />
im polnischen Nachkriegsfilm“ [Tagung<br />
„Medien zwischen Fiction-<br />
Making und Realitätsanspruch –<br />
Konstruktionen historischer Erinnerung“<br />
des Projekts „Musealisierung<br />
der Erinnerung. Zweiter Weltkrieg<br />
und nationalsozialistische Besatzung<br />
in Museen, Gedenkstätten<br />
und Denkmälern im östlichen Europa“],<br />
Collegium Carolinum, München<br />
4. September<br />
Peter Haslinger (Marburg): „Gedenken<br />
und Erinnerung – Fragen<br />
zur Vergegenwärtigung des Zweiten<br />
Weltkriegs in Museen und Gedenkstätten“<br />
[Podiumsdiskussion<br />
zur Tagung „Medien zwischen Fiction-Making<br />
und Realitätsanspruch<br />
– Konstruktionen historischer Erinnerung“],<br />
Collegium Carolinum,<br />
München<br />
17. September<br />
Peter Haslinger (Marburg): „Erinnerung<br />
und Diskurs. Die Aktualisierung<br />
von Vergangenheit in der politischen<br />
Kommunikation“ [Fachtagung<br />
„Sprachen der Erinnerung“],<br />
Zentrum für Zeithistorische Forschung,<br />
Potsdam<br />
Besuch der Teilnehmer einer Erasmus-Veranstaltung in der Bibliothek<br />
17. September<br />
Norbert Kersken (Marburg): „Memoria<br />
in der ländlichen Gesellschaft“<br />
[Adel und Bauern im Spannungsfeld<br />
der Gesellschaft des<br />
Hoch- und Spätmittelalters. Internationales<br />
Kolloquium zum 65. Geburtstag<br />
von Werner Rösener], Gießen<br />
17. September<br />
Jan Lipinsky (Marburg): „Reception<br />
and Historiography of MRP<br />
in (Soviet) Russia – Historians and<br />
Their Responsibility“ [Internationale<br />
Konferenz „Coming to Terms with<br />
the Past as a Foundation of Democratization:<br />
20 Years since the Disclosure<br />
of the Secret Protocols of<br />
the Nazi-Soviet Pact“], Tallinn / Reval<br />
20. September<br />
Martin Aust (Kiel): „Imperialgeschichte<br />
und Biographik“ [Sommerakademie<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s],<br />
Marburg<br />
21. September<br />
Timothy Snyder (Yale): „Imperial<br />
and Postimperial Biographies in<br />
East Central Europe“ [Sommerakademie<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s], Marburg<br />
22. September<br />
Mathias Mesenhöller (Leipzig):<br />
„Postimperiale Historiographien in<br />
Ostmitteleuropa“ [Sommerakademie<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s], Marburg<br />
23. September<br />
Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />
„Ukrainische (post-)imperiale<br />
Biographien von Drahomanov bis<br />
Machno“ [Sommerakademie des<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s], Marburg<br />
24. September<br />
Antje Coburger (Marburg): „Ordnung<br />
und Struktur in Sammlungsbeständen“<br />
[1. Meilensteintagung<br />
des LOEWE-Schwerpunktes], Marburg
24. September<br />
Alexander Kaplunovskiy (Mainz):<br />
„Ab Imperio als Forum der Imperienforschung“<br />
[Sommerakademie<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s], Marburg<br />
25. September<br />
Heidi Hein-Kircher (Marburg):<br />
„Biographische Illusion vs. Gedächtnisgeschichte<br />
– der Piłsudski-<br />
Mythos als Beispiel“ [Sommerakademie<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s], Marburg<br />
1. Oktober<br />
Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />
„Ukrainische Nation und<br />
Transnationalität“ [Konferenz „Prozesse<br />
ukrainischer Nationsbildung“],<br />
Universität Wien<br />
5. Oktober<br />
Hans-Jürgen Bömelburg (Gießen):<br />
„Der Zweite Weltkrieg in der<br />
deutschen und polnischen Erinnerung“<br />
[Wissenschaftliches Kolloquium<br />
„Warschau in der Okkupationszeit“],<br />
Marburg<br />
5. Oktober<br />
Werner Benecke (Frankfurt/Oder):<br />
„Warschau im Zweiten Weltkrieg“,<br />
[Wissenschaftliches Kolloquium<br />
„Warschau in der Okkupationszeit“],<br />
Marburg<br />
5. Oktober<br />
Markus Roth (Gießen / Marburg):<br />
„ ̦All dieses östliche Halbmenschentum‘<br />
– Polen aus der Sicht<br />
der (deutschen) Besatzer“ [Wissenschaftliches<br />
Kolloquium „Warschau<br />
in der Okkupationszeit“],<br />
Marburg<br />
5. Oktober<br />
Miriam Yegane Arani (Berlin): „Die<br />
Fotografien der deutschen Propagandakompanien<br />
aus Warschau als<br />
Quellen“ [Wissenschaftliches Kolloquium<br />
„Warschau in der Okkupationszeit“],<br />
Marburg<br />
5. Oktober<br />
Eugeniusz Król (Warschau): „Zwei<br />
Grenzschlagbäume / Dwa szlabany<br />
graniczne. Einführungsvortrag zur<br />
Ausstellung“ [Wissenschaftliches<br />
Kolloquium „Warschau in der Okkupationszeit“],<br />
Marburg<br />
9. Oktober:<br />
Marc Friede (Marburg): „Digitale<br />
Postkarten von Dresden und Umgebung“<br />
[Seminarveranstaltung im<br />
Rahmen des Erasmus Intensivprogramms<br />
2009], Marburg<br />
9. Oktober<br />
Norbert Kersken (Marburg): „Die<br />
Wallensteineditionen des 19. und<br />
frühen 20. Jahrhunderts: Auswahlprinzipien<br />
und Geschichtsbild“ [Tagung<br />
„Wallensteinbilder im Widerstreit.<br />
Eine historische Symbolfigur<br />
in Geschichtsschreibung und Literatur<br />
vom 17. bis zum 20. Jahrhundert“],<br />
Stuttgart<br />
14. Oktober<br />
Marc Friede (Marburg): „Digitale<br />
Postkarten von Dresden und Umgebung“,<br />
<strong>Institut</strong> für vergleichende<br />
Städtegeschichte Münster<br />
14. Oktober<br />
Marc Friede und Wolfgang Kreft<br />
(Marburg): „Der Historisch-topographische<br />
Atlas schlesischer<br />
Städte. Interaktive, multimedia-<br />
le Verknüpfung von Karte, Bild und<br />
Text zur Stadtgeschichte“, <strong>Institut</strong><br />
für vergleichende Städtegeschichte<br />
Münster<br />
15. Oktober<br />
Peter Haslinger (Marburg): „Integrations-,<br />
und Differenzierungsmodelle<br />
in der öffentlichen Debatte der<br />
späten Habsburgermonarchie“ [Tagung<br />
„Im Banne der Assimilation?<br />
Kunst, Kultur und Theorie transnationaler<br />
Migration“], Exzellenzcluster<br />
16 „Kulturelle Grundlagen von Integration“,<br />
Universität Konstanz<br />
16. Oktober<br />
Markus Roth (Gießen / Marburg):<br />
„Nationalsozialistische Umsiedlungspolitik<br />
(„Volkstumspolitik“) im<br />
besetzten Polen – Ziele, beteiligte<br />
<strong>Institut</strong>ionen, Methoden und Ergebnisse“<br />
[Konferenz „Umgesiedelt<br />
– vertrieben: Deutschbalten<br />
und Polen im Warthegau 1939-45“],<br />
Poznań / Posen<br />
28. Oktober.<br />
Dorothee M. Goeze (Marburg):<br />
„Baltica Marburgi <strong>Herder</strong>i-Instituudi<br />
kogudes“ / Baltica in den Sammlungen<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s Marburg<br />
[1321. Sitzung der Õpetatud<br />
17<br />
Henning Lobin,<br />
Leiter des<br />
Zentrums für<br />
Medien und<br />
Interaktivität<br />
der Universität<br />
Gießen auf der<br />
LOEWE-Meilensteintagung
Eesti Selts / Gelehrten Estnischen<br />
Gesellschaft], Tartu / Dorpat<br />
<strong>29</strong>. Oktober<br />
Dorothee M. Goeze (Marburg):<br />
„Steffenhagen, Lindfors und Kluge<br />
in Marburg: Druckschriften in baltischen<br />
Nachlässen und Familienarchiven<br />
im <strong>Herder</strong> <strong>Institut</strong> Marburg“<br />
[Internationale Konferenz „Estnisch-<br />
und fremdsprachige Druckschriften<br />
in Est- und Livland 1801-<br />
1917“], Eesti Kirjandusmuuseum /<br />
Estnisches Literaturmuseum, Tartu<br />
/ Dorpat<br />
3. November<br />
Elke Bauer (Marburg): „Die Danziger<br />
Bürgerhäuser im Wandel der<br />
Epochen und die Edition ̦Otto Rollenhagen.<br />
Untersuchung und Beschreibung<br />
der Danziger Bürgerhäuser‘<br />
– Ein deutsch-polnisches<br />
Kooperationsprojekt“ [Ausstellungseröffnung<br />
„Danziger Bürgerhäuser“],<br />
Schwarzhäupterhaus, Rīga / Riga<br />
4. November<br />
Heidi Hein-Kircher (Marburg):<br />
„Historische Parallelgesellschaften.<br />
Überlegungen zur Praktikabilität<br />
eines soziologischen Begriffes<br />
in der Historiographie“ [Internationale<br />
Nachwuchstagung des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s,<br />
des Historischen und<br />
des Germanistischen <strong>Institut</strong>s der<br />
Adam-Mickiewicz-Universität Posen<br />
„Gesellschaftliche Randgruppen<br />
in Ost- und Mitteleuropa seit<br />
dem Mittelalter“], Poznań / Posen<br />
Stipendien des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
18<br />
4. November<br />
Thomas Urban (Marburg): „Barocke<br />
Sakralarchitektur in Wilna: Verfall<br />
und Erneuerung. Fotografien<br />
von Kęstutis Stoškus (Einführung<br />
zur Ausstellung und zum Katalogprojekt)“,<br />
Bonifatiushaus Fulda<br />
5. November<br />
Christoph Schutte (Marburg):<br />
„Die Königliche Akademie in Posen<br />
(1903-1919) und andere kulturelle<br />
Einrichtungen im Rahmen der<br />
Politik zur ‚Hebung des Deutschtums‘“<br />
[Präsentation des gleichnamigen<br />
Buches am Historischen <strong>Institut</strong><br />
der Adam-Mickiewicz-Universität<br />
Posen], Poznań / Posen<br />
6. November<br />
Antje Coburger und Thomas Urban<br />
(Marburg): „Die Kartei ‚OKwM‘<br />
(Ostdeutsches Kulturgut in westdeutschen<br />
Museen) als Wissensbestand<br />
in den Sammlungen des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s“<br />
[Jahrestagung des Arbeitskreises<br />
Provenienzforschung],<br />
Rheinisches Landesmuseum Bonn<br />
10. November<br />
Eligiusz Janus (Marburg): „Ludwig<br />
Windthorst und die historischen<br />
Bezüge zwischen Polen, Preußen<br />
und Deutschland“, Katholisch-Soziale<br />
Akademie, Lingen<br />
12. November<br />
Peter Haslinger (Marburg): „1989<br />
– gewaltfrei? Handlungsoptionen<br />
und Handlungslogiken der Wendedynamik<br />
in Ostmittel- und Südosteuropa“<br />
[Ringvorlesung „Das Wunder<br />
von 1989. Der Umbruch und<br />
die Rolle der Gewalt“], Zentrum für<br />
Zeithistorische Forschung, Potsdam<br />
19. November<br />
Peter Haslinger (Marburg): „Die<br />
tschechische Gesellschaft in Europa<br />
1848-1918“, Deutsch-tschechische<br />
Gesellschaft, Wetzlar<br />
26. November<br />
Anna Veronika Wendland (Marburg):<br />
„Galizien postcolonial? Imperiales<br />
Differenzmanagement,<br />
mikrokoloniale Beziehungen und<br />
Strategien kultureller Essentialisierung<br />
an der habsburgischen Peripherie“<br />
[Workshop „Kulturgrenzen<br />
im transnationalen Kontext“], Exzellenzcluster<br />
16 „Kulturelle Grundlagen<br />
von Integration“, Universität<br />
Konstanz<br />
14. Dezember<br />
Markus Roth (Gießen / Marburg):<br />
„Chronist der Verblendung – Friedrich<br />
Kellners Tagebücher“ [Ausstellung<br />
„Die Last der ungesagten Worte.<br />
Die Tagebücher von Friedrich<br />
Kellner 1938/39-1945“], Friedrich-<br />
Ebert-Stiftung, Berlin<br />
Zur Förderung der historischen Ostmitteleuropa-Forschung vergibt das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> an Wissenschaftler/innen insbesondere<br />
aus ostmitteleuropäischen Ländern Stipendien bis zu einer Dauer von drei Monaten, um ihnen die Möglichkeit zu bieten,<br />
für wissenschaftliche Vorhaben die Bestände in den Sammlungen des <strong>Institut</strong>s zu benutzen und Kontakte zu Fachkolleginnen<br />
und -kollegen in Deutschland zu knüpfen.<br />
Förderungsberechtigt sind promovierte Wissenschaftler/innen, Graduierte und Doktoranden/Doktorandinnen, im Ausnahmefall<br />
auch fortgeschrittene Studierende, die mit einer auf Ostmitteleuropa bezogenen historischen Fragestellung befasst<br />
sind und bereits wissenschaftliche Leistungen erbracht haben. Die Bewerber müssen über ausreichende Kenntnisse der<br />
deutschen oder englischen Sprache verfügen.<br />
Über die Ausstattung der Stipendien, Bewerbungsvoraussetzungen und Antragsmodalitäten informiert ein Merkblatt des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s,<br />
das gemeinsam mit dem Antragsformular auch über die www-Adresse des <strong>Institut</strong>s verfügbar ist. Anträge auf<br />
Gewährung eines Stipendiums sind an den Vorstand des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s e.V., Gisonenweg 5-7, D-35037 Marburg zu richten.
Neue Veröffentlichungen und Vorschau<br />
Vassals and Citizens<br />
The Baltic Germans in Constitutional Russia, 1905-1914<br />
Die Minderheit der Deutschbalten<br />
bildete die dominierende soziale,<br />
wirtschaftliche, kulturelle und<br />
politische Elite in den westlichen,<br />
den Großteil der heutigen Staaten<br />
Estland und Lettland umfassenden<br />
Provinzen des Russländischen<br />
Reichs. Erstmals wird hier umfassend<br />
ihre Stellung in der Phase des<br />
auf die Revolution von 1905 folgenden<br />
konstitutionellen Regimes<br />
untersucht. Die neuen Umstände<br />
zwangen die Deutschbalten,<br />
ihr Verhältnis sowohl zu der zaristischen<br />
Regierung als auch zu den<br />
verschiedenen, in St. Petersburg<br />
um Macht und Einfluss ringenden<br />
Kräften, den anderen Völkern in den<br />
baltischen Provinzen sowie zu der<br />
breiteren Gemeinschaft der Deutschen<br />
in und außerhalb des Russländischen<br />
Reichs zu überdenken.<br />
Dieser Prozess war durch zwei<br />
grundlegende ideengeschichtliche<br />
Entwicklungen geprägt: zum einen<br />
durch die verspätete Entstehung<br />
einer deutschbaltischen nationalen<br />
Bewegung, zum anderen durch die<br />
Ausformulierung zweier stark ge-<br />
genläufiger Strategien zur Anpassung<br />
an die neuen Verhältnisse.<br />
Während konservative Deutschbalten<br />
glaubten, ihren Vorteil in der<br />
althergebrachten Stellung als Untertanen<br />
des Zaren zu finden, verstanden<br />
sich Vertreter der liberalen<br />
Richtung als deutsche Bürger in<br />
einer russländischen bürgerlichen<br />
Gesellschaft.<br />
In dieser Zeit verschoben sich auch<br />
die Machtverhältnisse unter den<br />
deutschbaltischen Ständen. Zwar<br />
blieb der Adel die einflussreichste<br />
Kraft, doch nahm die Bedeutung<br />
anderer gesellschaftlicher Gruppen,<br />
darunter der Mittelstand und<br />
eine steigende Zahl von Frauen, zu.<br />
Das Beispiel der Deutschbalten<br />
gibt Aufschluss über die Relevanz<br />
von sozialer Schichtung, Geschlecht<br />
und Ethnizität in einer<br />
entstehenden bürgerlichen Gesellschaft.<br />
Zugleich werden in der Studie<br />
die gesellschaftlichen Konflikte<br />
im Spannungsfeld zwischen Bewahrung<br />
und Modernisierung beleuchtet,<br />
die dem konstitutionellen<br />
Experiment im Zarenreich zugrunde<br />
lagen.<br />
Anders Henriksson<br />
Vassals and Citizens. The Baltic<br />
Germans in Constitutional Russia,<br />
1905-1914<br />
(Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung,<br />
Bd. 21)<br />
Marburg, 2009, XIV, 228 S. – Text in<br />
englischer Sprache – € 31,--<br />
ISBN: 978-3-87969-356-6<br />
Die Entwicklung der bundesdeutschen<br />
Osteuropaforschung im Spannungsfeld<br />
zwischen Wissenschaft und Politik<br />
Einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung<br />
der Osteuropaforschung,<br />
aber auch der sie finanziell fördernden<br />
staatlichen <strong>Institut</strong>ionen für ihre<br />
Leistungen und Fehlleistungen bietet<br />
die an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen<br />
Fakultät der<br />
Rostocker Universität entstandene<br />
politikwissenschaftlich-historisch<br />
ausgerichtete Dissertation „Die<br />
Entwicklung der bundesdeutschen<br />
Osteuropaforschung im Spannungsfeld<br />
zwischen Wissenschaft<br />
und Politik“ von Thekla Kleindienst.<br />
Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung<br />
der außeruniversitären<br />
Osteuropaforschungsinstitute <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>,<br />
Südost-<strong>Institut</strong>, Osteuropa-<strong>Institut</strong>,<br />
Arbeitsgemeinschaft<br />
für Osteuropaforschung, <strong>Institut</strong> für<br />
Ostrecht, Collegium Carolinum sowie<br />
Bundesinstitut für ostwissenschaftliche<br />
Studien entlang der drei<br />
historischen Eckpunkte des entstehenden<br />
Kalten Krieges der 1950er/<br />
frühen 1960er Jahre, der Entspan-<br />
nungsära der späten 1960er/frühen<br />
1970er Jahre sowie der politischen<br />
Umbrüche der 1990er Jahre. Damit<br />
erweitert die Arbeit den Fokus von<br />
der oftmals beschriebenen Kontinuität<br />
von Akteuren und Themen<br />
der Ostforschung vor und nach<br />
1945 auf das Verhältnis von agierenden<br />
und reagierenden Kräften in<br />
der Politik und der Ost(europa)forschung<br />
für die genannten drei politischen<br />
Zäsuren. Sie geht der Frage<br />
nach, ob die Osteuropaforschung<br />
19
immanentes Erneuerungspotential<br />
im sich wandelnden politischen<br />
Kontext besitzt oder ob sich dieses<br />
nur auf Grund politischen Drucks<br />
entfaltete. Wie also entwickelt sich<br />
die außeruniversitäre staatlich geförderte<br />
Osteuropaforschung auf<br />
einem Weg, der bestimmt ist von<br />
den eigenen Ansprüchen scheinbarer<br />
oder tatsächlicher wissenschaftlicher<br />
Seriosität einerseits<br />
und harten, aber selten konsequenten<br />
Forderungen der öffentlichen<br />
Geldgeber andererseits?<br />
Schutzvereine in Ostmitteleuropa<br />
Vereinswesen, Sprachenkonflikte und Dynamiken<br />
nationaler Mobilisierung 1860-1939<br />
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert<br />
wird in Ostmitteleuropa eine eigene<br />
Spielart von Vereinen fassbar, die<br />
sich zum Teil selbst als „Schutzvereine“<br />
bezeichneten. Diese Vereine<br />
verstanden sich als Wahrer gesamtnationaler<br />
Interessen und entfalteten<br />
entlang von Sprachgrenzen ein breit<br />
angelegtes Programm an Aktivitäten.<br />
Dabei trugen sie oft erst sprachnatio-<br />
20<br />
Thekla Kleindienst<br />
Die Entwicklung der bundesdeutschen<br />
Osteuropaforschung<br />
im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft<br />
und Politik<br />
(Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung,<br />
Bd. 22)<br />
Marburg 2009, XII, 436 S. € 49,--<br />
ISBN 978-3-87969-358-0<br />
Danzig im historischen Luftbild<br />
Von den insgesamt 228 im <strong>Herder</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> in Marburg aufbewahrten<br />
Schrägluftaufnahmen zum Staatsgebiet<br />
der Freien Stadt Danzig bietet<br />
die Neuerscheinung eine Auswahl<br />
von 113 Abbildungen aus der<br />
Zeit zwischen den beiden Weltkrie-<br />
gen. Die Bilder zeigen beispielhaft<br />
den Umfang und Verlauf einer privatwirtschaftlich<br />
organisierten Aufnahmekampagne<br />
durch das in<br />
Breslau ansässige Aerokartographische<br />
<strong>Institut</strong>, deren Bildflüge<br />
bis auf wenige Ausnahmen im Jahr<br />
19<strong>29</strong> in der Stadt Danzig mit ihren<br />
Vororten, dem Hafen sowie den<br />
Seebädern Zoppot, Brösen, Heubude<br />
und Glettkau sowie einzelnen<br />
Wasserkraftwerksstandorten<br />
durchgeführt wurden.<br />
Die von Spezialisten der Danziger<br />
Architektur und Stadtgeschichte<br />
verfasste einführende Skizze zur<br />
Stadtentwicklung, vor allem aber<br />
die Bildtexte, geben dem Leser<br />
wichtige Hintergrundinformationen,<br />
die ihm helfen, die historischen<br />
Aufnahmen zu „entschlüsseln“ und<br />
auf ihnen manches Bekannte, aber<br />
nale Kategorien und Konflikte in Regionen,<br />
die bis dahin einen geringen<br />
Grad an nationaler Mobilisierung aufgewiesen<br />
hatten. Das Verhältnis gegenüber<br />
staatlichen Behörden gestaltete<br />
sich sehr unterschiedlich: In<br />
einigen Fällen entfalteten die Schutzvereine<br />
quasistaatliche Aktivitäten, in<br />
anderen ergänzten sie die Nationalisierungspolitik<br />
des Staates, in einem<br />
auch Unbekannte zu entdecken.<br />
Der Bildband steht in Zusammenhang<br />
mit einer Ausstellung auf dem<br />
Langen Markt in Danzig (21.05.-<br />
21.06.2010). Das deutsch-polnische<br />
Buch- und Ausstellungsprojekt mit<br />
dem Verlag VIA NOVA Breslau und<br />
der Stadt Danzig wurde gefördert<br />
durch das Hessische Ministerium<br />
für Arbeit, Familie und Gesundheit.<br />
Danzig im Luftbild<br />
der Zwischenkriegszeit<br />
Aus den Sammlungen des <strong>Herder</strong>-<br />
<strong>Institut</strong>s Marburg<br />
Herausgegeben von Ewa Barylewska-Szymańska,<br />
Elke Bauer, Wojciech<br />
Szymański, Thomas Urban<br />
Marburg-Wrocław 2010, 112 S.,<br />
113 Abb.<br />
€ 25,--<br />
ISBN 978-3-87969-363-4
dritten Szenario richteten sich ihre<br />
Aktivitäten gegen den Staat. Dieser<br />
Band widmet sich dem Thema erstmals<br />
auf der Grundlage eines breit<br />
angelegten Vergleichs mit Beispielen<br />
vom Baltikum bis Siebenbürgen.<br />
Er geht dabei der Frage nach, welche<br />
Aspekte das Selbstverständnis<br />
der Schutzvereine charakterisierten<br />
Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung<br />
Das neueste Heft 58/1-2 des zentralen<br />
Organs der internationalen Ostmitteleuropa-Forschung<br />
stellt unter<br />
dem Titel Bilder vieler Ausstellungen.<br />
Großexpositionen in Ostmitteleuropa<br />
als nationale, mediale und<br />
soziale Ereignisse Forschungserträge<br />
zum Ausstellungswesen in Ostmitteleuropa<br />
vor. Daneben bietet es<br />
wie immer einen umfangreichen Besprechungsteil.<br />
Unter dem thematischen<br />
Schwerpunkt erscheinen folgende<br />
Beiträge:<br />
Andreas R. Hofmann: Utopien der<br />
Nation: Landes- und Nationalausstellungen<br />
in Ostmitteleuropa vor<br />
und welche Konstellationen das Aufkommen<br />
dieser Vereine begünstigten<br />
bzw. ihre Wirkung im lokalen Raum<br />
beschränkten.<br />
Visuelle Erinnerungskulturen in Deutschland<br />
und Polen seit 1939<br />
Visuelle Zeichen – Denkmäler, Bauwerke,<br />
Kunstwerke – sind zentrale<br />
Elemente der individuellen wie der<br />
kollektiven Erinnerung. Im deutschpolnischen<br />
Verhältnis kommt ihnen<br />
eine besondere Bedeutung zu. Auf<br />
der 2006 in Darmstadt vom Deutschen<br />
Polen-<strong>Institut</strong> in Zusammenarbeit<br />
mit dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> durchgeführten<br />
Tagung gingen Kunst- und<br />
Kulturwissenschaftler aus Polen<br />
und Deutschland Fragen wie Konstruktionen<br />
von Vergangenheit und<br />
zeitgenössischen Ereignissen in der<br />
Bildenden Kunst, der Architektur,<br />
den Medien sowie der Kunsthistoriographie<br />
in Deutschland und Polen<br />
nach. Von den Vorträgen liegen 17<br />
zusammen mit der Abschlussdiskussion<br />
zur Veröffentlichung in dem<br />
Ergebnisband vor. Sie sind gegliedert<br />
in drei thematische Abschnitte:<br />
Aneignung und Umdeutung: Vom<br />
deutschen zum gemeinsamen Kulturerbe;<br />
Inszenierung und Instrumentalisierung<br />
von Bildern und<br />
Geschichte; Denkmäler und Gedenkstätten<br />
in der Erinnerungskultur<br />
Zentraleuropas.<br />
Die Aufsätze werden abgerundet<br />
von Literatur- und Quellenangaben<br />
sowie von polnischsprachigen<br />
Zusammenfassungen. Illustrationen<br />
ergänzen die meisten Beiträge.<br />
Diese Publikation ist der fünfte<br />
Band der vom Instytut Sztuki Polskiej<br />
Akademii Nauk Warszawa betreuten<br />
Reihe „Das gemeinsame<br />
Kulturerbe / Wspólne Dziedzictwo“<br />
des Arbeitskreises deutscher und<br />
polnischer Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />
/ Grupa robocza polskich<br />
i niemieckich historyków sztuki<br />
i konserwatorów.<br />
und nach dem Ersten Weltkrieg<br />
Jos Stübner: Nationsbildung durch<br />
symbolische Interaktion. Der Besuch<br />
von Prager Ausstellungen um<br />
1900 als Praxis nationaler Anerkennung<br />
Hanna Grzeszczuk-Brendel: Ausstellung,<br />
Stadt und Land: Die Architektur<br />
der Posener Ausstellungen<br />
1911 und 19<strong>29</strong><br />
Perspektiven auf die Allgemeine<br />
Landesausstellung in Lemberg 1894<br />
Anna Veronika Wendland: Eindeutige<br />
Bilder, komplexe Identitä-<br />
Schutzvereine in Ostmitteleuropa.<br />
Vereinswesen, Sprachenkonflikte<br />
und Dynamiken nationaler<br />
Mobilisierung 1860-1939<br />
Herausgegeben von Peter Haslinger<br />
(Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung,<br />
Bd. 25)<br />
Marburg 2009, VI, 274 S. € 39,--<br />
ISBN 978-3-87969-345-0<br />
Visuelle Erinnerungskulturen und<br />
Geschichtskonstruktionen in<br />
Deutschland und Polen seit 1939<br />
Herausgegeben von Dieter Bingen,<br />
Peter Oliver Loew und Dietmar Popp,<br />
unter Mitarbeit von Birte Pusback<br />
Warszawa 2009, 344 S., 161 Abb.<br />
€ 25,--<br />
ISBN 978-3-87969-357-3<br />
ten. Imperiale, nationale, regionale<br />
Identitätskonzepte und ihre Visualisierung<br />
auf der galizischen Allgemeinen<br />
Landesausstellung in Lemberg<br />
1894<br />
Hanna Kozińska-Witt: Städtische<br />
Selbstpräsentation auf der Allgemeinen<br />
Landesausstellung in Lemberg<br />
1894 am Beispiel der Stadt Krakau<br />
Marcin Siadkowski: The Land Exhibition<br />
in Lemberg (Lwów, �viv) in<br />
1894, Galicia and Schlachzizen in<br />
the German political discourse in<br />
Vienna<br />
21
Görlitz/Zgorzelec im Spiegel topographischer<br />
Luft- und Kartenbilder vom 19. – 21. Jh.<br />
Mit dem Band der Europastadt<br />
Görlitz/Zgorzelec eröffnet das <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
die Herausgabe des<br />
Historisch-topographischen Atlas<br />
schlesischer Städte. Längere Zeit<br />
als geteilte Grenzstadt auf beiden<br />
Seiten der Neiße wahrgenommen,<br />
verkörpert die heutige Brückenstadt<br />
das längerfristige Projekt geradezu<br />
idealtypisch, stellt es doch<br />
eine Kombination von fundierten<br />
Fakten, von Informationen und Interpretationen<br />
zur Geschichte und<br />
Gegenwart der behandelten schlesischen<br />
Städte im zusammenwachsenden<br />
Europa dar und ist somit<br />
Teil dieses Prozesses.<br />
Görlitz war bis zum Wiener Kongress<br />
1815 und der gleichzeitig<br />
durchgeführten Verwaltungsreform<br />
der preußischen Provinzen über<br />
180 Jahre eine kursächsische Provinzstadt<br />
und anschließend als Teil<br />
Niederschlesiens bis 1945 preußisch.<br />
Mit der im 19. Jahrhundert<br />
einsetzenden industriellen Revolution<br />
wuchs Görlitz über seine mittelalterliche<br />
Ummauerung hinaus.<br />
Nur allmählich erholte sich die<br />
22<br />
Stadt zunächst von der napoleonischen<br />
Zeit, gefördert unter anderem<br />
durch die Einführung der preußischen<br />
Städteordnung 1833.<br />
Eine zentrale Maßnahme des<br />
nachhaltigen Aufschwungs war<br />
der Eisenbahnanschluss 1847 mit<br />
dem Neißeviadukt. Die Bebauungsplanungen<br />
von 1848 und 1866/71,<br />
orientiert an den großen Vorbildern<br />
Paris, Berlin oder Wien, ließen<br />
Görlitz im letzten Drittel des<br />
19. Jh.s nach damaligen Berichten<br />
zur anmutigsten Provinzstadt<br />
Deutschlands heranwachsen. Die<br />
gründerzeitliche Stadterweiterung<br />
bewirkte unter anderem eine Verlagerung<br />
des funktionalen Stadtzentrums<br />
auf eine Achse zwischen Altstadt<br />
und Bahnhof und bezog nach<br />
1900 verstärkt östlich der Neiße gelegene<br />
Gebiete ein.<br />
Die Teilung der Stadt nach<br />
Kriegsende 1945 hatte gravierende<br />
Folgen für deren Infrastruktur, wobei<br />
die polnische Stadtverwaltung<br />
von Zgorzelec vor der schwierigen<br />
Aufgabe stand, aus der ehemaligen<br />
Neißevorstadt eine eigenständige<br />
Stadt mit entsprechenden Funktionen<br />
zu machen. Auf dem Weg zur<br />
sozialistischen Stadt entstanden<br />
in den 1960er und 1970er Jahren<br />
sowohl in Görlitz als auch in Zgorzelec<br />
erste großflächige Stadtteile<br />
in Plattenbauweise, die heute<br />
umfangreiches Rückbaupotential<br />
haben.<br />
Nach der Wende wird Görlitz<br />
Modellstadt der Altstadtsanierung<br />
und gilt heute wieder als eine der<br />
schönsten Städte Deutschlands.<br />
Als Flächendenkmal steht die gründerzeitliche<br />
Stadterweiterung unter<br />
Denkmalschutz, flankiert von einem<br />
integrierten Stadtentwicklungskonzept.<br />
Seit der Proklamation der Europastadt<br />
Görlitz/Zgorzelec 1998<br />
sind deutsch-polnische Grenzerfahrungen<br />
Teil des Alltags und Teil<br />
des Aufbruchs in ein neues Europa<br />
jenseits nationaler Stereotype.<br />
Das in Kooperation mit polnischen<br />
und tschechischen Partnern betriebene<br />
Atlaswerk hat innovativ die<br />
siedlungstopographische Entwicklung<br />
von 34 ausgewählten Städten<br />
der historischen Region Schlesien<br />
vom Beginn des 19. bis zum 21.<br />
Jahrhundert im Blick. Es möchte einen<br />
nachhaltigen Beitrag zur weiteren<br />
Erforschung städtischer Räume<br />
leisten, der auch für die planvolle<br />
Stadtentwicklung sowie für die regionale<br />
und örtliche Identität von<br />
Bedeutung ist. Über die Schaffung<br />
einer empirisch abgesicherten Basis<br />
hinaus kann es der Grundlagenarbeit<br />
im Atlasformat gelingen, die<br />
stadtgeschichtliche Forschung im<br />
Hinblick auf das sichtbare Interesse<br />
an städtischer Entwicklung noch<br />
attraktiver zu machen.<br />
Vgl.: www.herder-institut.de/staedteatlas<br />
Inhalt:<br />
1. Geographische Lage<br />
2. Stadtgeschichte bis zum<br />
Ende des 18. Jh.<br />
3. Stadtentwicklung vom<br />
19. bis 21. Jh.<br />
3.1 Stadtentwicklung 1815-1870<br />
3.2 Stadtentwicklung 1871-1918<br />
3.3 Stadtentwicklung 1919-1945<br />
3.4 Stadtentwicklung 1946-1989<br />
3.5 Stadtentwicklung seit 1990<br />
Edition der topographischen Karten<br />
1 : 25.000 vom 18. bis 21. Jh.<br />
Wachstumsphasenkarte<br />
Historisch-topographischer Atlas<br />
schlesischer Städte<br />
Historyczno-topograficzny atlas<br />
miast śląskich<br />
Band 1 Görlitz / Zgorzelec<br />
Marburg 2010, 48 S., zahlr. Abb.<br />
ca. € 15,--<br />
ISBN 978-3-87969-361-0
Terminvorschau<br />
9. April 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />
Workshop: Narrative Quellen Ostmitteleuropas<br />
im Mittelalter<br />
22. April 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> und Landgrafenschloss,<br />
Marburg<br />
60 Jahre <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
Ausstellungseröffnung: 60 Jahre –<br />
60 Momente (Ausstellung bis zum<br />
30. Juni 2010)<br />
Festakt und 1. Hans-Lemberg-Vorlesung<br />
23. April 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />
60 Jahre <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong><br />
Alumni-Kolloquium des <strong>Herder</strong>-<br />
<strong>Institut</strong>s<br />
19. Mai 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />
Workshop: Demokratiegeschichte<br />
des 20. Jahrhunderts als Zäsurgeschichte.<br />
Das Beispiel der Weimarer<br />
Republik<br />
20. Mai 2010<br />
Długi Targ / Langer Markt, Gdańsk /<br />
Danzig<br />
Ausstellungseröffnung im Rahmen<br />
des Stadtfestes und des 3. Weltkongresses<br />
der Danziger: Danzig<br />
im Luftbild der Zwischenkriegszeit<br />
(Ausstellung bis 30. Juni 2010)<br />
23. Mai 2010<br />
Dom Uphagena / Uphagenhaus,<br />
Gdańsk / Danzig<br />
Buchpräsentation: Danzig im Luftbild<br />
der Zwischenkriegszeit<br />
20.-26. September 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong> Marburg<br />
Internationale und interdisziplinäre<br />
Sommerakademie des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
in Kooperation mit der Bayerischen<br />
Staatsbibliothek München:<br />
Neue Medien in den Geschichts-<br />
und Osteuropawissenschaften<br />
<strong>29</strong>. September – 1. Oktober 2010<br />
Berlin<br />
48. Deutscher Historikertag<br />
Informationsstand des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s<br />
in der Humboldt-Universität<br />
1. Oktober 2010<br />
Berlin<br />
48. Deutscher Historikertag<br />
Sektion NZ 21 Die Darstellung von<br />
Grenzen und Grenzen ihrer Darstellung.<br />
Karten in Ostmitteleuropa<br />
als Medium von Geschichtskultur<br />
und Geschichtspolitik (Peter Haslinger<br />
(<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>) / Vadim Oswalt<br />
(Gießen)), mit Ute Wardenga,<br />
Anna Veronika Wendland, Sebastian<br />
Bode, Vytautas Petronis, Eckhart<br />
Fuchs und Hans Dietrich Schultz<br />
Podiumsdiskussion PD1 Über<br />
Grenzen der Disziplinen: Das Zeitalter<br />
der Extreme und seine Deutung<br />
im Schnittpunkt von Geistes-,<br />
Rechts- und Neurowissenschaften<br />
(Anna Veronika Wendland (<strong>Herder</strong>-<br />
<strong>Institut</strong>) / Claudia Kraft (Erfurt)), mit<br />
Christian Geyer, Manuela Günter,<br />
Ulrike Jureit und Julie Trappe<br />
7.-10. Oktober 2010<br />
Bad Homburg und <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>,<br />
Marburg<br />
Homburger Gespräche der M.C.A.<br />
Böckler-Mare Balticum-Stiftung in<br />
Kooperation mit dem <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>:<br />
Badeorte und Bäderkultur an<br />
der Ostsee im 19. und 20. Jahrhundert.<br />
Architektur, gesellschaftliches<br />
Leben und ihre Darstellung in Bild<br />
und Wort<br />
8. Oktober 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />
Ausstellungseröffnung: Zoppot –<br />
Cranz – Rigaer Strand. Ostseebäder<br />
im 19. und 20. Jahrhundert (Ausstellung<br />
bis zum 23. Dezember 2010)<br />
14.-16. Oktober 2010<br />
Vilnius<br />
Internationale Nachwuchstagung<br />
des <strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s in Kooperation<br />
mit dem Litauischen <strong>Institut</strong><br />
für Geschichte (Vilnius), dem<br />
Nordost-<strong>Institut</strong> Lüneburg und der<br />
DFG-Forschergruppe „Gewaltgemeinschaften“<br />
an der Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen: Violence<br />
and Societies in East Central Europe,<br />
18th to 20th centuries<br />
22.-24. Oktober 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />
Tagung des <strong>Herder</strong>-Forschungsrats:<br />
Transnationale Regionen in der wissenschaftlichen<br />
Praxis<br />
<strong>29</strong>.-31. Oktober 2010<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>, Marburg<br />
Internationale Tagung der Kommission<br />
für die Geschichte der<br />
Deutschen in Polen e.V und des<br />
<strong>Herder</strong>-<strong>Institut</strong>s: Historiografie und<br />
Landeskunde im deutsch-polnischen<br />
Kontaktbereich. Reflexionen<br />
über 125 Jahre institutionelle historisch-landeskundliche<br />
Forschung<br />
in und über Posen<br />
23
24<br />
HERDER-INSTITUT e.V.<br />
Gisonenweg 5-7<br />
35037 Marburg,<br />
Tel. +49-6421-184-0<br />
Fax +49-6421-184-139<br />
mail@herder-institut.de<br />
www.herder-institut.de