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VERWALTUNGS­<br />

STRUKTUR UND<br />

VERWALTUNGS­<br />

REFORMEN<br />

IM FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN IN DER<br />

ERSTEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS<br />

PAUL VOGT


Inhalt<br />

Einleitung 39<br />

Die Organisation der fürstlichen Verwaltung 42<br />

- Umfang des fürstlichen Besitzes 42<br />

- Die Hofkanzlei in Wien 42<br />

- Die Buchhaltung in Butschowitz 46<br />

- Die Hauptkassa in Wien 47<br />

- Die Kontroll- und Inspizierungsbehörden 47<br />

- Die Herrschaftsämter 48<br />

Verfassungsrechtliche Grundlagen<br />

im Fürstentum Liechtenstein 50<br />

- Das monarchische Prinzip 50<br />

- Die Beseitigung der Gerichte und der<br />

landständische Landtag 53<br />

Das Oberamt in Vaduz 58<br />

-Allgemeine Verwaltungsgrundsätze 58<br />

-Verwaltungskontrolle 61<br />

- Der Ausbau des Oberamtes 62<br />

Das Beamtenverhältnis als ein zweiseitiges<br />

Treueverhältnis 70<br />

- Die Beamten als Fürstendiener 70<br />

- Die Fürsorgepflicht des Fürsten für seine<br />

Beamten 76<br />

- Die «minderen Diener» 80<br />

Das Finanzwesen 84<br />

- Die Reform der direkten Steuern 84<br />

- Die Erhöhung der Taxen und Gebühren 86<br />

- Die Schaffung von indirekten Steuern 88<br />

- Die Gefälle als fürstliche Privateinnahmen 88<br />

- Die staatliche Finanznot 90<br />

Die Gesetzgebung 92<br />

- Die Justizgesetzgebung 92<br />

- Die «politische» Gesetzgebung 95<br />

Der Aufbau einer Landespolizei 100<br />

Das Schulwesen 106<br />

- Zielsetzung und Organisation der Schule 106<br />

- Die Schulgesetze als Ausdruck der<br />

staatlichen Schulhoheit 106<br />

- Finanzierung des Schulwesens 108<br />

- Die Stellung der Lehrer 109<br />

- Die sozialen Folgen der Schulreformen 112<br />

38<br />

Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche 114<br />

- Organisation der Kirche 114<br />

- Die staatliche Kirchenpolitik 118<br />

- Die Kirche als staatserhaltender Faktor 122<br />

Zusammenfassung 124<br />

Anhang:<br />

Biographische Angaben zu den Beamten 126<br />

Literatur- und Quellennachweis 144<br />

- Abkürzungsverzeichnis 144<br />

- Ungedruckte Quellen 144<br />

- Gedruckte Quellen 144<br />

- Darstellungen 145<br />

- Bildnachweis 148<br />

- Repros 148


ZUR PUBLIKATION DIESER ARBEIT<br />

Die nachfolgende Arbeit entstand im Jahre 1979<br />

als Lizentiatsarbeit bei Prof. Rudolf Braun an der<br />

Universität Zürich. Ursprünglich war geplant, sie<br />

zu einer Dissertation auszubauen. Dies war jedoch<br />

neben einer vollen Berufstätigkeit nicht möglich.<br />

Für die Publikation im Jahrbuch des Historischen<br />

Vereins wurden nur geringfügige, eher stilistische<br />

Änderungen vorgenommen.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

EINLEITUNG / PAUL VOGT<br />

Einleitung<br />

Das Fürstentum überlebte als kleinster deutscher<br />

Staat den Zusammenbruch des Alten Deutschen<br />

Reiches. 1806 erlangte es durch die Aufnahme in<br />

den Rheinbund die Souveränität, die 1815 durch<br />

den Wiener Kongress und die Aufnahme in den<br />

Deutschen Bund bestätigt und international anerkannt<br />

wurde. Diese Entwicklung verdankte das<br />

kleine Fürstentum vor allem dem hohen internationalen<br />

Ansehen seines Fürstenhauses - kurios mutet<br />

dabei an, dass bis dahin noch kein liechtensteinischer<br />

Fürst sein Fürstentum gesehen hatte. Das<br />

Haus Liechtenstein gehörte der Wiener Hocharistokratie<br />

an und besass in Österreich ausgedehnte Besitzungen,<br />

die von Wien aus verwaltet wurden.<br />

Der zeitliche Rahmen dieser Arbeit umfasst die<br />

Jahre 1806 bis 1862. Die 1806 erreichte Souveränität<br />

bildete den Ausgangspunkt und zugleich die<br />

Rechtfertigung für eine weitreichende Verfassungsund<br />

Verwaltungsreform nach dem Vorbild des aufgeklärten<br />

Absolutismus in Österreich. Kernpunkte<br />

dieser Reform waren die Beseitigung der landschaftlichen<br />

Selbstverwaltung, eine strenge Zentralisation<br />

der staatlichen Verwaltung und die Beseitigung<br />

alter Br<strong>äu</strong>che und Gewohnheiten. Die Arbeit<br />

bricht zeitlich dort ab, wo die zweite grundlegende<br />

Reform in der Geschichte Liechtensteins im<br />

19. Jahrhundert beginnt: 1862 erhielt das Fürstentum<br />

eine konstitutionelle Verfassung und eine eigene<br />

Regierung mit Sitz in Vaduz. Der strenge Zentralismus<br />

wurde beseitigt, und eine gewählte Volksvertretung<br />

begann, zusammen mit dem Monarchen<br />

die Gesetzgebung auszuüben.<br />

Wirtschaftlich gesehen stellte Liechtenstein ein<br />

ländliches Agrargebiet dar, das in seiner Entwicklung<br />

gegenüber den angrenzenden Regionen zurückgeblieben<br />

war. Gewerbebetriebe bestanden<br />

nur insofern, wie sie mit dem b<strong>äu</strong>erlichen Leben<br />

oder mit dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch<br />

einigermassen bedeutenden Rodfuhrverkehr in Zusammenhang<br />

standen. Die Landwirtschaft war<br />

noch weitgehend an die traditionellen Wirtschaftsformen<br />

gebunden, die im Laufe des 19. Jahrhunderts<br />

nur langsam abgebaut wurden. Um 1800 waren<br />

noch ca. zwei Drittel des gesamten landwirt-<br />

39


schaftlich nutzbaren Bodens Gemeinbesitz, gegen<br />

dessen Aufteilung sich die Untertanen mehrheitlich<br />

wehrten. Ein grosser Teil der Talebene war versumpft,<br />

was eine schlechte Bodenqualität zur Folge<br />

hatte. Die meisten Bauern waren Kleinbauern und<br />

produzierten vornehmlich für den Eigenbedarf.<br />

Das liechtensteinische Vieh wird als klein beschrieben,<br />

beim Verkauf ihrer Rinder auf den benachbarten<br />

Schweizer Märkten sollen die Liechtensteiner<br />

schlechte Preise erzielt haben. Die im Erbrecht bestehende<br />

Realteilung führte zu einer extremen Zerstückelung<br />

des b<strong>äu</strong>erlichen Privatbesitzes. Ein weiteres<br />

Problem stellte die ausserordentlich hohe<br />

Verschuldung der liechtensteinischen Bauern dar.<br />

Der Weinbau wurde vor allem auf dem grundherrlichen<br />

Boden betrieben. Im 18. Jahrhundert und zu<br />

Beginn des 19. Jahrhunderts hatte er noch gute Erträge<br />

abgeworfen, doch geriet er durch die Zollpolitik<br />

Österreichs seit Beginn des 19. Jahrhunderts in<br />

eine schwere Krise. Eine ähnliche Entwicklung<br />

machte das Rodfuhrwesen durch: Zu Beginn des<br />

19. Jahrhunderts bot es den Untertanen, die sich<br />

Pferde leisten konnten, eine gute Erwerbsmöglichkeit,<br />

doch büsste es bereits um 1830 durch die Beseitigung<br />

der Rodpflicht seine Bedeutung ein. Die<br />

wirtschaftliche Krise wurde durch die Isolation des<br />

Fürstentums verschärft: Von den übrigen deutschen<br />

Staaten war Liechtenstein durch Österreich<br />

geographisch getrennt. Österreich seinerseits hielt<br />

auch gegenüber dem Fürstentum seine Schutzzölle<br />

lange aufrecht und war erst 1852 bereit, mit Liechtenstein<br />

einen Zollvertrag abzuschliessen. Wirtschaftlich<br />

war Liechtenstein bis in die zweite Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts auf die Schweiz ausgerichtet.<br />

Die wirtschaftliche Problematik war eng mit der sozialen<br />

verknüpft: Wie in den übrigen europäischen<br />

Staaten begann sich auch in Liechtenstein die Einbindung<br />

der Individuen in Lebensgemeinschaften,<br />

die nach ständischem Recht und Herkommen geordnet<br />

waren, aufzulösen. In Liechtenstein setzte<br />

dieser Prozess relativ spät ein und verlief nur langsam<br />

und keineswegs geradlinig. Einige Stichworte<br />

mögen den Umfang dieser Problematik andeuten:<br />

Die Rechte zur Nutzung der Gemeinheiten und zum<br />

Holzbezug aus den Gemeindewäldern waren eng<br />

40<br />

mit dem Gemeindebürgerrecht verbunden; das<br />

Recht zur Nutzung der Alpen besassen nur Alpgenossenschaftsmitglieder.<br />

Die Mitgliedschaft in diesen<br />

Verbänden, die sich gegen Neuaufnahmen abschlössen,<br />

war nur schwer zu erwerben. Den Nutzungsrechten<br />

in diesen Verbänden standen aber<br />

auch mannigfaltige Unterhaltspflichten gegenüber.<br />

Wie stark diese traditionellen Bindungen bis weit<br />

ins 19. Jahrhundert hinein wirksam waren, zeigte<br />

sich bei der saisonalen Auswanderung: Die wirtschaftliche<br />

Krisensituation und das hohe Bevölkerungswachstum<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

zwangen jährlich einen grossen Teil der<br />

erwerbsfähigen Bevölkerung zur saisonalen Auswanderung.<br />

Eine definitive Auswanderung wurde<br />

durch die staatliche Auswanderungspolitik bis<br />

1843 fast verunmöglicht. Weitere Bindungen an<br />

das ständische Herkommen stellten der Zwang zur<br />

Zugehörigkeit zur katholischen Religion, ein Eheverbot<br />

für arme Leute und ein bis in die 1840er<br />

Jahre bestehendes Verbot zum Bauen neuer H<strong>äu</strong>ser<br />

dar.<br />

Die Geschichte der liechtensteinischen Verwaltung<br />

im Zeitraum zwischen 1806 und 1862 ist auf dem<br />

Hintergrund dieser wirtschaftlichen und sozialen<br />

Problematik zu sehen. Die Verwaltungsreformen<br />

von 1806 bis 1812 werden in Darstellungen zur<br />

liechtensteinischen Geschichte mit der Entstehung<br />

eines «modernen Staates» gleichgesetzt. Diese Auffassung<br />

soll dieser Arbeit als allgemeine Fragestellung<br />

zugrunde gelegt werden: In welchen Bereichen<br />

entwickelte die Verwaltung «moderne» Vorstellung,<br />

in welchen Bereichen blieben die traditionellen<br />

Strukturen erhalten?<br />

Der Begriff «Verwaltung» lässt sich nicht sehr präzis<br />

fassen, da er einen allgemeinen Ausdruck für<br />

die Organisation und das Handeln der staatlichen<br />

Behörden darstellt. Verwaltung stellt dabei auch<br />

immer Ausübung von Herrschaft dar. Diese Auffassung<br />

von Verwaltung bestimmt den Aufbau dieser<br />

Arbeit: In den ersten Kapiteln soll die Organisation<br />

der staatlichen Behörden aufgezeigt werden, in<br />

den darauf folgenden Kapiteln das Handeln dieser<br />

Behörden in den Bereichen Finanzwesen, Gesetzgebung,<br />

Polizeiwesen, Schulwesen und Kirche. Auf


eine besondere Darstellung des Gerichtswesens<br />

kann verzichtet werden, da eine Trennung von Verwaltung<br />

und Justiz erst 1871 erfolgte. Organisatorisch<br />

gesehen bildete das Oberamt in Vaduz die erste,<br />

die fürstlich liechtensteinische Hofkanzlei in<br />

Wien die zweite und das Appellationsgericht in<br />

Innsbruck die dritte und oberste Gerichtsinstanz.<br />

Verzichtet werden muss auch auf eine Darstellung<br />

der Organisation der aussenpolitischen Beziehungen,<br />

weil diese von der fürstlichen Hofkanzlei und<br />

dem Fürsten persönlich geleitet wurden (es gibt<br />

also darüber keine Akten in Vaduz), sowie auf eine<br />

Darstellung der Militärverwaltung.<br />

Eine Untersuchung der liechtensteinischen Verwaltung<br />

kann vor allem auf folgenden Werken aufbauen:<br />

Das Standardwerk zur liechtensteinischen<br />

Geschichte bildet nach wie vor die 1847 erschienene<br />

«Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein»<br />

von Peter Kaiser. Kaiser war persönlich an der Opposition<br />

gegen den absolutistischen Obrigkeitsstaat<br />

beteiligt, wobei er sich einerseits an den vorabsolutistischen<br />

Zuständen im Fürstentum und andererseits<br />

an der republikanischen Schweiz orientierte.<br />

Das Gegenstück zur Darstellung von Peter Kaiser<br />

bieten die Werke von Karl von In der Maur. Dieser<br />

war während vielen Jahren Landesverweser in Vaduz<br />

und unternahm es, eine Geschichte aus der<br />

Sicht der Obrigkeit zu schreiben. Die Reformen zu<br />

Beginn des 19. Jahrhunderts erscheinen bei ihm<br />

als Durchbruch zum modernen Staat, zu vermehrter<br />

Rechtssicherheit, als Überwindung chaotischer<br />

Zustände. In neuerer Zeit erschienen die Dissertationen<br />

von Georg Malin, Rupert Quaderer und Peter<br />

Geiger, die die politische Geschichte des Fürstentums<br />

von 1800 bis 1866 aufarbeiteten. Alois<br />

Ospelt unternahm es, eine Wirtschaftsgeschichte<br />

des 19. Jahrhunderts zu schreiben. Herbert Wille<br />

verfasste schliesslich eine rechtshistorische Arbeit<br />

über das Verhältnis von Staat und Kirche. Neben<br />

diesen ausführlichen Arbeiten enthalten die Jahrbücher<br />

des Historischen Vereins für das Fürstentum<br />

Liechtenstein eine Vielzahl von kleineren Arbeiten.<br />

Die vorliegende Arbeit stützt sich fast ausschliesslich<br />

auf Quellen, die sich im Liechtensteinischen<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

EINLEITUNG / PAUL VOGT<br />

Landesarchiv in Vaduz befinden. Die Akten bestehen<br />

zum überwiegenden Teil aus der Korrespondenz<br />

zwischen dem fürstlichen Oberamt in Vaduz<br />

und der fürstlichen Hofkanzlei in Wien. Für eine<br />

kritische Aufarbeitung der liechtensteinischen Geschichte<br />

besteht eine besondere Schwierigkeit darin,<br />

dass sich die fürstlichen Beamten selbstverständlich<br />

nie kritisch über sich selbst ge<strong>äu</strong>ssert haben,<br />

sondern sich immer als treu ergebene, pflichteifrige<br />

und gehorsame Diener darstellten. Wie die<br />

Untertanen die Probleme gesehen haben, geht lediglich<br />

aus einigen Petitionen an den Fürsten hervor.<br />

Eine Durcharbeitung des fürstlichen Hausarchivs<br />

in Wien, dessen Akten bezüglich der inneren<br />

Verwaltung des Fürstentums sich zu einem grossen<br />

Teil mit den Akten in Vaduz decken, Hesse zweifellos<br />

zusätzliche Erkenntnisse erwarten, war aber im<br />

Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Die Berichte<br />

von Vertretern der fürstlichen Hofkanzlei, die die<br />

Verwaltung des Fürstentums an Ort und Stelle zu<br />

untersuchen hatten, standen mir in Photokopie zur<br />

Verfügung. Quellen zur Geschichte Liechtensteins<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die nicht<br />

aus der Feder der fürstlichen Beamten stammen,<br />

gibt es nur wenige: Neben den bereits erwähnten<br />

Petitionen sind hier die Chronik des Johann Georg<br />

Heibert, die im Jahr 1813 abbricht, verschiedene<br />

Beiträge zur Geschichte der Familie Rheinberger<br />

und einige Briefe Peter Kaisers zu erwähnen.<br />

41


Die Organisation<br />

der fürstlichen Verwaltung<br />

Unabhängig vom Fürstentum Liechtenstein bestand<br />

im 19. Jahrhundert für die Verwaltung der<br />

zahlreichen liechtensteinischen Herrschaften ein<br />

Verwaltungspparat, der nach dem Beispiel der<br />

österreichischen Verwaltung hierarchisch aufgebaut<br />

und streng zentralisiert war. Die oberste Verwaltungsbehörde<br />

war die fürstliche Hofkanzlei, der<br />

die einzelnen Herrschaftsämter in allen Fragen untergeordnet<br />

waren. Liechtenstein wurde, soweit<br />

dies die lokalen und politischen Verhältnisse zuliessen,<br />

nach den gleichen Grundsätzen verwaltet.<br />

Eine Herauslösung des Fürstentums aus dieser<br />

Verwaltungsorganisation erfolgte erst durch die<br />

Verfassung von 1862, die dem Fürstentum eine<br />

selbständige Regierung mit Sitz in Vaduz zugestand,<br />

die dem Fürsten direkt verantwortlich war.<br />

In diesem Kapitel soll nun der Aufbau des fürstlichen<br />

Verwaltungsapparates in den Grundzügen<br />

vorgestellt werden.<br />

UMFANG DES FÜRSTLICHEN BESITZES<br />

Über den Umfang des grundherrlichen Besitzes des<br />

Hauses Liechtenstein im Vormärz liegen keine vollständigen<br />

Angaben vor. Nach 1848 - also nach der<br />

Grundentlastung in Österreich - besass das Haus<br />

Liechtenstein neben dem souveränen Fürstentum<br />

Liechtenstein die beiden Herzogtümer Troppau<br />

und Jägerndorf, die Grafschaft Rietberg und weitere<br />

65 Herrschaften. «Diese unmittelbaren Güter<br />

zählen mehr als 350 000 Seelen, in 24 Städten,<br />

2 Vorstädten, 35 Marktflecken, 760 Dörfern und<br />

Ansiedlungen, 46 Schlösser, 11 Klöster und 164<br />

Meiereien.» 1<br />

Ohne das Fürstentum Liechtenstein<br />

betrug der fürstliche Grundbesitz in Böhmen, Mähren,<br />

Schlesien, Niederösterreich und Ungarn nach<br />

1848 etwa 1800 km 2<br />

. Ein Viertel dieses Besitzes<br />

wurde landwirtschaftlich, der Rest forstwirtschaftlich<br />

genutzt. 2<br />

Im Vergleich zu diesem Herrschaftskomplex nahm<br />

sich das Fürstentum Liechtenstein von seiner<br />

r<strong>äu</strong>mlichen Ausdehnung und seiner Bevölkerungszahl<br />

her gesehen bescheiden aus: Das Fürstentum<br />

war 160 km 2<br />

gross und zählte um 1815 etwa 6100,<br />

42<br />

um 1852 etwa 7400 Einwohner. 3<br />

Wirtschaftlich gesehen<br />

war der Erwerb von Vaduz und Schellenberg<br />

für das Fürstenhaus von Beginn an ein Verlustgeschäft,<br />

da die Einnahmen aus dem Fürstentum nie<br />

ausreichten, um die Summe zu verzinsen, die beim<br />

Kauf hatte ausgelegt werden müssen. 4<br />

In anderer Hinsicht stellte das Fürstentum, das<br />

1806 durch die Aufnahme in den Rheinbund von<br />

einem Reichsfürstentum zu einem souveränen Fürstentum<br />

befördert wurde, für das Fürstenhaus<br />

einen unersetzbaren Wert dar: Dieser Besitz vermehrte<br />

den Glanz und das Ansehen des Hauses<br />

und sicherte ihm innerhalb der österreichischen<br />

Hocharistokratie einen der ersten Plätze zu: Wurzbach<br />

meinte gar, dass Fürst Alois II. als souveränem<br />

deutschem Fürst und Mitglied des Deutschen<br />

Bundes die erste Stelle zustand. 5<br />

DIE HOFKANZLEI IN WIEN<br />

Die fürstliche Hofkanzlei bildete die oberste Zentralbehörde,<br />

die unmittelbar dem Fürsten unterstellt<br />

war. Da sie für alle wirtschaftlichen, gerichtlichen<br />

und politischen Angelegenheiten des fürstlichen<br />

Besitzes zuständig war, war ihr Aufgabenbereich<br />

entsprechend weit formuliert: Sie sollte aus<br />

der Kenntnis des «Ganzen» heraus für eine möglichst<br />

wirtschaftliche Nutzung des fürstlichen Besitzes<br />

besorgt sein, überall «Einheit, Ordnung und<br />

Zweckmässigkeit» verbreiten, Missbr<strong>äu</strong>chen vorbeugen<br />

und dem Fürsten «einen richtigen Über-<br />

1) Wurzbach, Biographisches Lexikon. Bd. 15, S. 137.<br />

2) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 13-15; Feger. Johann IL,<br />

S. 33; Kraetzl, Fürstentum Liechtenstein, S. 117.<br />

3) Gemeint sind die anwesenden Einwohner. Zu den Problemen der<br />

liechtensteinischen Bevölkerungszählung vgl. A. Ospelt, Wirtschaftsgeschichte,<br />

S. 45 ff.<br />

4) Die Herrschaften Vaduz und Schellenberg wurden zu Beginn des<br />

18. Jahrhunderts für 405 000 Gulden gekauft. Zur Verzinsung dieser<br />

Kaufsumme - bei einem üblichen Zinssatz von 5 Prozent - wären<br />

also jährliche Beinerträge von mindestens 20 000 Gulden aus dem<br />

Fürstentum nötig gewesen. Diese Summe wurde nie auch nur annähernd<br />

erreicht. Vgl. dazu S. 77.<br />

5) Wurzbach, Biographisches Lexikon, S, 142.


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1038.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />

Die Hauptinstruktion vom<br />

10. April 1838 enthielt die<br />

leitenden Grundsätze für<br />

die gesamte Verwaltung<br />

des Fürsten Alois von<br />

Liechtenstein.<br />

43


lick des Ganzen» verschaffen. 6<br />

Sie handelte im<br />

Namen des Fürsten und alle ihre Anordnungen waren<br />

so zu respektieren, als ob sie von ihm ausgingen,<br />

«wesshalb ich (der Fürst) auch jede Verletzung<br />

der Autorität meiner Hofkanzlei so ahnden würde,<br />

als wenn sie gegen meine Person gerichtet gewesen<br />

wäre.» 7<br />

Die Hofkanzlei beschäftigte im Vormärz dreizehn<br />

bis fünfzehn Beamte. An der Spitze stand der «dirigirende<br />

Hofrath», ihm folgten im Rang ein Wirtschaftsrat<br />

(nach 1832 zwei Wirtschaftsräte) und<br />

zwei Sekretäre. 8<br />

Weitere Beamte waren ein Registrator,<br />

ein Protokollist, ein Konzipist und mehrere<br />

Kanzlisten.<br />

Die fürstliche Hofkanzlei war eine Kollegialbehörde.<br />

Die Hofkanzleibeschlüsse wurden vom «Hofkanzleigremium»<br />

gefällt, das aus dem dirigierenden<br />

Hofrat, dem Wirtschaftsrat und den beiden Sekretären<br />

bestand. Zweimal wöchentlich traten diese<br />

Beamten zu den Kanzleisitzungen zusammen,<br />

an denen alle wichtigen Angelegenheiten entweder<br />

direkt entschieden oder mindestens vorberaten<br />

wurden, um sie dann dem Fürsten zur Entscheidung<br />

vorzulegen. Bei Hofkanzleibeschlüssen entschied<br />

die einfache Stimmenmehrheit, wobei bei<br />

Stimmengleichheit der Hofrat den Stichentscheid<br />

hatte. 9<br />

Das kollegiale Entscheidungsverfahren zielte<br />

darauf ab, die Sachlichkeit der Verwaltung zu gewährleisten.<br />

Kein Beamter sollte wichtige Entscheidungen<br />

allein treffen können, und alle ranghöchsten<br />

Beamten sollten stets einen Überblick über<br />

das «Ganze» der fürstlichen Verwaltung haben.<br />

Die Nachteile des Kollegialprinzips zeigten sich im<br />

umständlichen und zeitraubenden Geschäftsgang.<br />

Die bei der fürstlichen Hofkanzlei in Wien eintreffenden<br />

Schreiben - formal waren diese seit 1815<br />

an «Seine Durchlaucht» und nicht mehr an die<br />

«Wohllöbliche fürstliche Hofkanzley» zu richten 10<br />

-<br />

wurden vom dirigierenden Hofrat geöffnet und ein<br />

erstes Mal zur Kenntnis genommen. 11<br />

Darauf wurden<br />

die Schreiben dem Protokollisten und dem Registrator<br />

und schliesslich einem Sachbearbeiter zugestellt.<br />

Dieser hatte einen Erledigungsentwurf<br />

44<br />

auszuarbeiten, der, sofern die Angelegenheit nicht<br />

routinemässig erledigt werden konnte, mit dem<br />

Vermerk «ad referendum» versehen und dem Hofkanzleigremium<br />

zur weiteren Beratung vorgelegt<br />

werden musste. 12<br />

Die Erledigungsschreiben wurden<br />

schliesslich sauber abgefasst und wie die eintreffenden<br />

Schreiben registriert und protokolliert.<br />

Diese Schreiben, die sog. «Rescripte» oder «Dekrete»,<br />

mussten am Schluss den Vermerk «Ad<br />

Mandatum Serenissimi» tragen und von den drei<br />

ranghöchsten anwesenden Hofkanzleigremialen<br />

unterschrieben werden. 13<br />

Da nicht nur die Hofkanzlei, sondern jede fürstliche<br />

Behörde nach dem Kollegialitätsprinzip aufgebaut<br />

war, traten h<strong>äu</strong>fig Verzögerungen auf, die eine rasche<br />

Erledigung der Geschäfte verunmöglichten.<br />

Die «Vielschreiberei» wurde h<strong>äu</strong>fig beklagt. Im<br />

Laufe des Vormärz wurden zwar wiederholt Versuche<br />

unternommen, die Zuständigkeitsbereiche der<br />

einzelnen Beamten zu differenzieren, einzelne Aufgaben<br />

zu delegieren und übertriebene (Kontroll-)<br />

Formalismen abzubauen, eine grundsätzliche Reorganisation<br />

der fürstlichen Hofkanzlei fand jedoch<br />

im Vormärz nicht statt. 14<br />

Zur Straffung des Entscheidungsprozesses<br />

wurde durch die Hauptinstruktion<br />

von 1838 für Ausnahmefälle ein «präsidiales<br />

Verfahren» eingeführt, das dem dirigierenden<br />

Hofrat erlaubte, in dringenden Fällen allein zu<br />

entscheiden. 15<br />

Von einigem Interesse erscheint die Frage, in welchem<br />

Masse die Fürsten selbst in das Verwaltungsgeschehen<br />

eingriffen und welchen Einfluss die Hofkanzlei<br />

auf die Entscheidungen der Fürsten nahm.<br />

Stekl meint, dass die Fürsten des Hauses Liechtenstein<br />

(und darüber hinaus die Wiener Hocharistokratie<br />

ganz allgemein) im 17. und 18. Jahrhundert<br />

kein Interesse an den konkreten Verwaltungsgeschäften<br />

ihres Besitzes zeigten. Zu Beginn des<br />

19. Jahrhunderts habe sich hier eine Wende angebahnt.<br />

Neben Vermögen und Herkommen hätten<br />

nun auch leistungsorientierte Kriterien den sozialen<br />

Status mitbestimmt. «Die Kenntnis dieser Materien<br />

galt nun nicht als sozial deklassierend, sondern<br />

wurde als Beweis der Bewährung in einer<br />

sich wandelnden Gesellschaftsstruktur angesehen.


Dieser Übergang ging nur langsam vor sich. Oft<br />

waren Adelige über Einzelheiten ihres Einkommens<br />

nur sehr oberflächlich informiert.» 16<br />

Dieses vermehrte Eingreifen der Fürsten in die<br />

Verwaltung ihres Besitzes lässt sich auch durch einen<br />

Vergleich der Ausbildung der regierenden<br />

Fürsten des Hauses Liechtenstein belegen. Im<br />

18. Jahrhundert durchliefen alle Fürsten eine militärische<br />

Ausbildung, mehrere von ihnen standen in<br />

höchsten politischen und militärischen Ämtern im<br />

Dienst des Kaisers. Nach Wurzbach rührte der<br />

«blendendste Glanz» des Hauses von seiner fast<br />

sprichwörtlich gewordenen Tapferkeit her. 17<br />

So<br />

wurde auch Fürst Johann I. (geb. 1760, gest. 1836,<br />

Regierungszeit 1805 bis 1836) ganz im Hinblick auf<br />

eine künftige militärische Laufbahn erzogen. Mit<br />

22 Jahren trat er als Lieutnant in die kaiserliche<br />

Armee ein. Bis 1809 nahm er, wie seine Biographen<br />

hervorheben, an 132 Schlachten in insgesamt<br />

13 Feldzügen teil, wobei er sich stets ins wildeste<br />

Kampfgeschehen stürzte. 24 Pferde wurden dem<br />

Fürsten unter dem Leibe weggeschossen, er aber<br />

wurde kein einziges Mal ernsthaft verletzt oder gefangen<br />

genommen. 18<br />

Während der Kämpfe gegen<br />

Napoleon übernahm er wiederholt wichtige militärische<br />

und politische Funktionen: 1805 war er<br />

massgeblich an der Aushandlung des Pressburger<br />

Friedens beteiligt. Nach den für Österreich unglücklich<br />

verlaufenen Kämpfen von 1809 erhielt er<br />

den Oberbefehl des Heeres und wurde in den Rang<br />

eines Feldmarschalls erhoben. Nachdem er den<br />

Verlustfrieden von Schönbrunn vom 14. Oktober<br />

1809 unterzeichnet hatte, wurde er am kaiserlichen<br />

Hof angefeindet und verliess darauf den aktiven<br />

Dienst. 19<br />

Die Regierung des Hauses Liechtenstein<br />

hatte er bereits 1805 angetreten. Nach seinem<br />

Rücktritt vom kaiserlichen Dienst widmete er<br />

sich entsprechend der Tradition des Hauses dem<br />

Aufbau einer umfangreichen Kunstsammlung und<br />

einer Bibliothek. Ausserdem kümmerte er sich um<br />

die Reorganisation seiner Güterverwaltung. 20<br />

Sein Nachfolger Fürst Alois (geb. 1796, gest. 1858,<br />

Regierungszeit 1836 bis 1858) genoss eine sorgfältige<br />

Ausbildung. Neu daran war, dass ein Schwer­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />

punkt auf die Vermittlung ökonomischer (d.h. landund<br />

forstwirtschaftlicher) Kenntnisse gelegt wurde.<br />

1818 unternahm er zur «praktischen Nutzanwendung<br />

des Gelernten» 21<br />

eine Reise nach Italien und<br />

in die Schweiz - dabei besuchte er auch als erstes<br />

Mitglied des Fürstenhauses das Fürstentum Liechtenstein.<br />

Dieser Aufenthalt war im wesentlichen einem<br />

Jagdausflug gewidmet. 1835 stand er das einzige<br />

Mal in staatlichen Diensten, als er in einer gesandtschaftlichen<br />

Mission nach London reiste. Für<br />

die Verwaltung des fürstlichen Besitzes wurde er<br />

schon früh von seinem Vater beigezogen. Nach seinem<br />

Regierungsantritt 1836 bemühte er sich um<br />

die Vereinfachung und Rationalisierung der Verwaltung<br />

und der Bewirtschaftung seiner Güter. Diese<br />

Bemühungen fanden ihren Ausdruck in neuen,<br />

umfangreichen Instruktionen. Die land- und forstwirtschaftlichen<br />

Kenntnisse Alois II. wurden auch<br />

von Aussenstehenden anerkannt. Von 1849 bis zu<br />

seinem Tod war er Präsident der Landwirtschafts-<br />

Gesellschaft in Wien.<br />

Welche Geschäfte sich die Fürsten zur eigenen Entscheidung<br />

vorbehielten, lässt sich im einzelnen<br />

6) Hauptinstruktion von 1838, § 55.<br />

7) ebda. § 56.<br />

8) Stekl, Adeliger Lebensstil. S. 120.<br />

9) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 42.<br />

10) Verordnung betr. Form der Eingaben vom 10. 6. 1815. In Vaduz<br />

ist nur noch das Begleitschreiben zu dieser Verordnung vorhanden.<br />

LLA RB Fasz. G 1<br />

11) Hauptinstruktion von 1838, § 59.<br />

12) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 41 ff.<br />

13) Hauptinstruktion von 1838, § 62.<br />

14) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 43 ff.<br />

15) Hauptinstruktion von 1838, § 64.<br />

16) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 51.<br />

17) Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 15, S. 114.<br />

18) ebda. S. 154.<br />

19) In der Maur, Feldmarschall Johann, S. 167<br />

20) Zur Biographie Fürst Johann I. Vgl. Falke; Wurzbach; In der<br />

Maur, Feldmarschall Johann und Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 2.<br />

21) Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 15, S. 140.<br />

45


nicht genau feststellen. Von Fürst Johann I. hiess es<br />

in einem Nekrolog, dass er immer nur den grossen<br />

Haufen gekannt habe. 22<br />

Die Reorganisation der<br />

Verwaltung und der Rechtsprechung im Fürstentum<br />

in den Jahren 1806 bis 1812 scheint er im Detail<br />

nicht beeinflusst zu haben. Der deutlichste Hinweis<br />

dafür besteht in der Tatsache, dass er die<br />

Dienstinstruktion von 1808 nicht unterschrieben<br />

hat. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Hofkanzlei<br />

während seiner Regierungszeit in ihren Reskripten<br />

selten auf einen persönlichen Entscheid<br />

des Fürsten beruft, was sich in der Regierungszeit<br />

von Alois II. änderte. In der Hauptinstruktion von<br />

1838 wurde eine Reihe von Geschäften bestimmt,<br />

die dem Fürsten zur persönlichen Entscheidung<br />

vorgetragen werden mussten: Dazu gehörten u.a.<br />

alle Fideikommissangelegenheiten, alle Beamtenernennungen,<br />

Besoldungsfragen und Gnadensachen<br />

auf den Herrschaften. Dem Fürsten vorgetragen<br />

werden mussten aber auch alle wichtigeren<br />

Angelegenheiten, die aus der «souverainen Fürstenwürde»<br />

hervorgingen. Namentlich aufgezählt<br />

wurden die Gesetzgebung im Fürstentum, die Militärangelegenheiten,<br />

die Bundestagsangelegenheiten<br />

und die Steuerpostulate. 23<br />

Zweifellos behielten<br />

aber auch unter Alois II. die Beamten der Hofkanzlei<br />

grosse Einflussmöglichkeiten, da sie in der Regel<br />

über bedeutend mehr Informationen verfügten als<br />

der Fürst. Immer wieder zeigte sich auch, dass die<br />

Fürsten in die Beamten der Hofkanzlei oder in andere<br />

Berater sehr grosses Vertrauen besassen und<br />

ihrem Rat folgten. 24<br />

DIE BUCHHALTUNG IN BUTSCHOWITZ<br />

Die Trennung der eigentlichen Verwaltungstätigkeit<br />

von der Verrechnung stellte ein Prinzip dar, das auf<br />

allen Verwaltungsstufen durchgeführt wurde. Die<br />

Buchhaltung in Butschowitz (Mähren) bildete die<br />

zentrale Revisions- und Kontrollbehörde in allen<br />

Wirtschaftsangelegenheiten. Ihre Hauptbestimmung<br />

bestand darin, «dass sie das Interesse meiner<br />

Regie ihrem ganzen Umfange nach in letzter<br />

Instanz überwache, sich im Revisionswege von der<br />

46<br />

Handhabung und dem Gebrauche aller meiner<br />

Rechte und Gerechtsame umfassend und gründlich<br />

überzeuge». 25<br />

Die Unterbringung der Buchhaltung<br />

in Butschowitz stellte lediglich eine Notlösung dar.<br />

Von 1787 bis 1796 und von 1809 bis 1815 wurde<br />

zweimal der Versuch gemacht, sie nach Wien zu<br />

verlegen. Eine definitive Unterbringung der Buchhaltung<br />

in Wien erwies sich jedoch aus Platzmangel<br />

als unmöglich. Die weite Entfernung zwischen<br />

Buchhaltung und Hofkanzlei vermehrte die<br />

Schreibgeschäfte, war daher zeitraubend und kostspielig.<br />

26<br />

Die Buchhaltung beschäftigte im Vormärz bis zu 20<br />

Beamte, war also zahlenmässig etwas grösser als<br />

die fürstliche Hofkanzlei. Die drei ranghöchsten<br />

Beamten - ein Oberbuchhalter, ein Vizebuchhalter<br />

und ein Buchhalter - galten als «exponierte Mitglieder<br />

der fürstlichen Hofkanzlei» und hatten «gremialiter»<br />

die wichtigen Entscheide in der Buchhaltung<br />

zu fällen. Daneben hatten sie auch die Arbeit<br />

der übrigen Buchhaltungsbeamten zu überwachen,<br />

indem sie möglichst viele willkürlich ausgewählte<br />

Arbeiten «superrevidierten». 27<br />

Das gesamte Rechnungswesen war so aufgebaut,<br />

dass es jederzeit einen raschen Einblick in die Erträge<br />

jeder einzelnen fürstlichen Herrschaft erlauben<br />

sollte. Jede Herrschaft hatte nicht nur über alle<br />

Einnahmen und Ausgaben genau Rechnung zu führen,<br />

sondern sie musste auch jährlich mehrere<br />

Rechnungsausweise zusammenstellen, die Aufschluss<br />

über den Ertrag der betreffenden Herrschaft<br />

gaben. Die sogenannten «Präliminarien»,<br />

ein Rechnungsvoranschlag für die Geld- und Naturalrechnung,<br />

mussten bis Ende März des laufenden<br />

Jahres eingebracht und der Hofkanzlei zur Approbation<br />

vorgelegt werden. 28<br />

Nach Abschluss eines<br />

Jahres sollte bis spätestens Ende Februar ein<br />

«summarischer Hauptrechnungsausweis» vorgelegt<br />

und bis Ende Mai die «Herrschafts-Erträgnis-<br />

Bilanz» erstellt und zusammen mit den Rechnungsbüchern<br />

und Rechnungsbelegen zur Kontrolle an<br />

die Buchhaltung eingesandt werden. 29<br />

Alle Zahlen,<br />

die vom Rechnungsvoranschlag wesentlich abwichen,<br />

mussten begründet werden.


Die Einführung dieser Rechnungsausweise lief darauf<br />

hinaus, die wirtschaftlichen Erträge berechenbar<br />

und damit auch besser kontrollierbar zu machen.<br />

Zusammen mit zahlreichen Instruktionen<br />

zeugen diese Rechnungsausweise von den Bestrebungen<br />

im Vormärz, die Bewirtschaftung der Herrschaften<br />

zu modernisieren.<br />

Die Aufgabe der Buchhaltung bestand darin, die<br />

einzelnen Rechnungsämter bei der Abfassung der<br />

Rechnungsausweise anzuleiten, Musterbeispiele<br />

für die verschiedenen Ausweise auszuarbeiten und<br />

so für eine Vereinheitlichung im Rechnungswesen<br />

zu sorgen. Weiter hatte die Buchhaltung die verschiedenen<br />

Rechnungen zu revidieren, zu bemängeln<br />

und Rechnungserl<strong>äu</strong>terungen einzuholen. Die<br />

Buchhaltung sollte sich jedoch «nicht auf die Prüfung<br />

und Richtigstellung des Ziffers allein beschränken»,<br />

sondern sie sollte auch «eine administrative<br />

Beurtheilung der verrechneten oder nicht<br />

verrechneten Data» 30<br />

vornehmen, d.h. sie sollte die<br />

Abrechnungen anhand von sporadisch vorgenommenen<br />

topographischen und wirtschaftlichen Beschreibungen<br />

und vorhandenem Urkundenmaterial<br />

auf ihre Vollständigkeit und Rechtmässigkeit<br />

hin überprüfen. Teilweise nahmen Beamte der<br />

Buchhaltung auch selbst lokale Erhebungen vor. 31<br />

Soweit die «Bemängelungen» reine Rechnungsfragen<br />

betrafen, korrespondierte die Buchhaltung<br />

selbst mit den einzelnen Herrschaftsämtern. Stiess<br />

sie bei der Revision auf grundsätzliche, organisatorische<br />

Mängel, so hatte sie diese an die Hofkanzlei<br />

mitzuteilen. Die Approbation der Rechnungsausweise<br />

erfolgte auf Vorschlag der Buchhaltung<br />

durch die fürstliche Hofkanzlei. 32<br />

DIE HAUPTKASSA IN WIEN<br />

Die einzelnen Herrschaften mussten ihre Gelderträge<br />

an die Hauptkassa in Wien abliefern. Für die<br />

Hauptkassa bestanden strenge Kontrollvorschriften.<br />

Ein wichtiger Kontrollmechanismus bestand<br />

darin, dass sich die Aufgabenbereiche der Hauptkassabeamten<br />

gegenseitig ergänzten: Der «Haupt-<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />

Cassier» führte das Kassenjournal, in dem er die<br />

Aus- und Eingänge chronologisch festhielt. Der<br />

«Cassa-Controllor» dagegen führte das Hauptbuch,<br />

in dem er diese Beträge nach Sachgruppen geordnet<br />

anführte. Ein weiterer Schutz der fürstlichen<br />

Gelder bestand in der Trennung der Kassa in eine<br />

«Handkassa» und in die eigentliche Hauptkassa.<br />

Aus der Handkassa sollten die täglichen Ausgaben<br />

gedeckt werden. Die Hauptkassa war der strengen<br />

Kontrolle der Hofkanzlei unterstellt und konnte nur<br />

im Beisein eines Hofkanzleibeamten geöffnet werden.<br />

33<br />

DIE KONTROLL- UND INSPIZIERUNGS­<br />

BEHÖRDEN<br />

Bestimmte Kontroll- und Inspektionsfunktionen,<br />

teilweise auch planende und ausführende Tätigkeiten<br />

waren an Behörden delegiert, die bezirksweise<br />

organisiert waren. Solche Behörden waren die «Justiz-Inspektion»,<br />

die «Forstämter», die «Kellereien-<br />

Inspizirungs-Behörden» und die «Technischen<br />

Baubezirks-Ämter». Durch die Hauptinstruktion<br />

von 1838 wurden die sogenannten «Inspizirungs-<br />

22) Zur Biographie Alois II. Vgl. Falke; Wurzbach; Stekl, Adeliger<br />

Lebensstil S. 3.<br />

23) Hauptinstruktion von 1838, § 58.<br />

24) Vgl. dazu Geiger, S. 250.<br />

25) Hauptinstruktion von 1838, § 167.<br />

26) Die Buchhaltung war bis 1722 bezirksweise organisiert und<br />

wurde dann in Butschowitz zentralisiert. Zur fürstlichen Buchhaltung<br />

vgl. ausführlicher Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 150. - Kraetzl,<br />

Fürstentum Liechtenstein nennt davon abweichend 1712 als das<br />

Jahr der Zentralisation der Buchhaltung, S. 167.<br />

27) Hauptinstruktion von 1838, § 173-175. - Stekl, Adeliger Lebensstil,<br />

S, 151.<br />

28) Hauptinstruktion von 1838, §§ 132-135.<br />

29) Hauptinstruktion von 1838, §§ 136 und 137.<br />

30) ebda. § 169.<br />

31) Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 152.<br />

32) Hauptinstruktion von 1838, §§ 168-170.<br />

33) Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 140 ff.<br />

47


Behörden» geschaffen, die regelmässige «Lokalisierungen»<br />

auf allen Herrschaftsämtern durchführen<br />

mussten. Sie hatten dabei ganz allgemein den<br />

Zustand der Herrschaft, die Zweckmässigkeit der<br />

Verwaltung und die Zuverlässigkeit der gemachten<br />

Angaben zu überprüfen. 34<br />

Das Fürstentum Liechtenstein<br />

wurde von diesen Behörden nicht inspiziert,<br />

da die r<strong>äu</strong>mliche Entfernung zwischen dem<br />

Fürstentum und den übrigen Herrschaften zu gross<br />

war. Eine regelmässige Kontrolle des Fürstentums<br />

durch Inspizionsbeamte wäre wegen der damit<br />

verbundenen Reisekosten zu kostspielig gewesen<br />

und hätte den Aufwand nicht gelohnt. Eine eingehendere<br />

Darstellung dieser Kontrollbehörden erübrigt<br />

sich deshalb im Rahmen dieser Arbeit.<br />

DIE HERRSCHAFTSÄMTER<br />

Die Zahl der Beamten auf den verschiedenen Herrschaften<br />

hing stark von deren Grösse ab. Im allgemeinen<br />

galt der Grundsatz, dass der Aufwand<br />

möglichst beschränkt werden sollte, trotzdem sollten<br />

nirgends weniger als zwei Beamte, wovon der<br />

eine für den «faktischen Dienst» und der andere<br />

für die Verrechnung zuständig war, eingesetzt werden.<br />

35<br />

Der Amtsvorsteher war Leiter der Herrschaft<br />

und hatte die übrigen Beamten zu überwachen. 36<br />

Träger der Amtsgewalt war jedoch nicht der Amtsvorsteher,<br />

sondern das «Gremio des Amtes», 37<br />

d.h.<br />

alle Beamten einer Herrschaft.<br />

Die liechtensteinischen Herrschaftsverwaltungen<br />

erfüllten im Vormärz eine doppelte Funktion: Einerseits<br />

hatten sie die grundherrlichen Rechte und<br />

den Besitz möglichst gewinnbringend zu nutzen,<br />

andererseits nahmen sie auch staatliche Funktionen<br />

in der österreichischen Lokalverwaltung wahr.<br />

In der Hauptinstruktion von 1838 wurden folgende<br />

Ziele für die Herrschaftsverwaltungen formuliert:<br />

«1. Die Erhaltung und Verbesserung aller meiner<br />

Besitzungen und der damit verbundenen Gerechtsame<br />

in ihrer Integrität.<br />

2. Die möglichst hohe Benützung derselben.<br />

3. Die nothwendige Fürsorge für das Wohl meiner<br />

Unterthanen und die gesetzliche Besorgung des öf­<br />

48<br />

fentlichen Dienstes, in so ferne dieser in meine Administration<br />

mit eingreifet.» 38<br />

Die Untertanen sollten «auf das gerechteste und<br />

mit der möglichsten Schonung behandelt» werden,<br />

andererseits wurde aber auch die Erwartung ausgesprochen,<br />

dass die Untertanen «diese schonende<br />

und milde Behandlung dankbar anerkennen, und<br />

alles aufbieten werden, um zur gehörigen Zeit dasjenige<br />

zu leisten, was mir gesetzlich als Entschädigung<br />

für die kostspielige Ausübung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit<br />

und der grundherrlichen Besorgung<br />

ihrer sonstigen Angelegenheiten gebührt.»<br />

39<br />

Ein wichtiger Bestandteil des Schutzgedankens<br />

war auch die Gnade des Grundherrn: Der<br />

Fürst sei gerne bereit, bei unverschuldeten Unglücksfällen<br />

«Gnade dem strengen Rechte vorwalten<br />

(zu)lassen», allerdings könne er das nicht, «wo<br />

die Armuth auf bleibenden Verhältnissen beruht.»<br />

40<br />

Die Grundherrschaften hatten im späteren Mittelalter<br />

die Funktion einer untersten Verwaltungsbehörde<br />

übernommen und erfüllten folgende öffentliche<br />

Aufgaben: Sie übten die örtliche Polizeigewalt<br />

und die Patrimonialgerichtsbarkeit aus, sie führten<br />

die Grundbücher, nahmen Verlassenschaftsabhandlungen<br />

vor, besorgten die Waisen- und Depositenämter<br />

und zogen die Steuern ein. 41<br />

Der öffentliche<br />

Charakter und die Macht der Grundherrschaften<br />

wurde noch dadurch gefestigt, dass der Grundherr<br />

auch h<strong>äu</strong>fig die Patronatsrechte und -pflichten<br />

ausübte.<br />

Blieben die Grundherrschaften in ihrer Grundstruktur<br />

bis 1848 erhalten, so wurden sie doch, insoweit<br />

sie öffentliche Aufgaben erfüllten, seit der<br />

Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend einer staatlichen<br />

Kontrolle unterstellt. 1749 wurden die Kreisämter<br />

geschaffen, und damit begann der Staat eine<br />

«politische» Verwaltung auf dem Lande aufzubauen.<br />

Die patrimoniale Gerichtsbarkeit wurde immer<br />

mehr der Kontrolle und Einwirkung der Kreisämter<br />

unterstellt. Die herrschaftlichen Beamten,<br />

die die Gerichtsbarkeit ausübten, mussten staatliche<br />

Prüfungen ablegen und wurden vom Staat<br />

vereidigt, sie wurden aber weiterhin vom Grundherrn<br />

angestellt und besoldet. 42


Die Umstrukturierung der österreichischen Grundherrschaften<br />

fand 1848 mit der Aufhebung des Untertanenverbandes<br />

und der Grundentlastung ihren<br />

Abschluss. Leistungen und Abgaben der Untertanen<br />

an den Grundherrn wurden, soweit sie auf<br />

dem personalen Abhängigkeitsverhältnis beruhten,<br />

unentgeltlich, soweit sie aber auf dem Grund lasteten<br />

gegen ein Entgelt aufgehoben. 43<br />

Der Grundherr<br />

seinerseits wurde von der Verpflichtung zur Fürsorge<br />

entlastet und gab die Erfüllung der öffentlichen<br />

Aufgaben an den Staat ab.<br />

Bei der zweiten Funktion der Herrschaftsämter,<br />

der Nutzung der grundherrlichen Rechte, ist im<br />

Vormärz vor allem das Bemühen um eine Rationalisierung<br />

und Modernisierung der Bewirtschaftungsformen<br />

zu erwähnen. Die Fürsten des Hauses<br />

Liechtenstein waren gegenüber neuen agrarwirtschaftlichen<br />

Erkenntnissen aufgeschlossen und bemühten<br />

sich, diese auf ihren Herrschaften zur Anwendung<br />

zu bringen. Stekl erwähnt als Beispiele<br />

solcher Bemühungen die Einführung der Fruchtwechselwirtschaft<br />

und moderner Düngungsmethoden,<br />

die gezielte Förderung der Viehzucht und der<br />

rationelle Einsatz von Arbeitskräften. 44<br />

In verschiedenen<br />

Wirtschaftsinstruktionen wurden genaue<br />

Vorschriften erlassen, wie der liechtensteinische<br />

Besitz zu nutzen war und wie die Erträge der Herrschaften<br />

gesteigert werden sollten.<br />

34) Hauptinstruktion von 1838, Teile 2., 4., 5., 6. und 7.<br />

35) ebda. § 105.<br />

36) ebda. § 106.<br />

37) ebda. § 116.<br />

38) ebda. § 1.<br />

39) ebda. § 42.<br />

40) ebda. § 43.<br />

41) ebda. § 44-49.<br />

42) Vgl. dazu Brunner, Staat und Gesellschaft, S. 64.<br />

43) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />

S. 370.<br />

44) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 15.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />

49


Verfassungsrechtliche<br />

Grundlagen im Fürstentum<br />

Liechtenstein<br />

Vorausgeschickt sei eine Bemerkung zum Verfassungsbegriff:<br />

In den Quellen des frühen 19. Jahrhunderts<br />

taucht h<strong>äu</strong>fig die Formulierung auf, dass<br />

die «alte Verfassung» durch eine «neue Verfassung»<br />

abgelöst worden sei. «Verfassung» meinte in<br />

diesen Formulierungen nie ein geschriebenes Verfassungsdokument,<br />

das die Beziehungen zwischen<br />

der Obrigkeit und den Untertanen grundsätzlich<br />

geregelt hätte. «Verfassung» war vielmehr ein sehr<br />

elastischer Begriff, der zum Ausdruck brachte,<br />

dass die Gesamtheit der sozialen, wirtschaftlichen,<br />

politischen und kulturellen Faktoren aufeinander<br />

bezogen war, dass sie in einer bindenden Ordnung<br />

standen. Wenn im folgenden nach den verfassungsmässigen<br />

Grundlagen gefragt wird, so wird der<br />

Verfassungsbegriff zwar auf die politische Ordnung<br />

reduziert, geht aber dennoch grundsätzlich über<br />

den Inhalt der Verfassung von 1818 hinaus. 1<br />

Landständische Verfassung<br />

vom 9. November<br />

1818<br />

50<br />

DAS MONARCHISCHE PRINZIP<br />

Das Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein<br />

bestand bis 1719 aus den beiden reichsunmittelbaren<br />

Herrschaften Vaduz und Schellenberg. Die<br />

Rechte des Landesherrn bestanden in der Landeshoheit,<br />

die einen Komplex teils staatlicher, teils privater<br />

Rechte darstellte: Der Landesherr hatte das<br />

Recht zur Ausübung der niederen und hohen Gerichtsbarkeit.<br />

Er konnte Gesetze erlassen, Beamte<br />

ernennen, Steuern und Abgaben erheben und das<br />

Volk zum Krieg aufrufen. Er vertrat die Herrschaften<br />

nach aussen und hatte das Recht auf die verschiedenen<br />

Regalien und nutzbaren Hoheitsrechte<br />

(Jagd, Zölle, Mühlen usw.). 2<br />

Nach dem Erwerb der beiden reichsunmittelbaren<br />

Herrschaften durch die Fürsten von Liechtenstein<br />

wurden Vaduz und Schellenberg 1719 zum Reichsfürstentum<br />

Liechtenstein erhoben. Die neuen Landesherren<br />

erhielten den Rang von Reichsfürsten.<br />

Galten die Rechte der Landesherren vor 1719 als<br />

Lehen des Reiches, so wurden nun die Fürsten von<br />

Liechtenstein selbst kraft ihrer Stellung als Reichsfürsten<br />

Träger der vollen landesherrlichen Gewalt. 3<br />

Die Erhebung zum Reichsfürstentum gilt aus diesem<br />

Grunde als entscheidender Schritt zur liechtensteinischen<br />

Staatswerdung. 4<br />

Die Stellung der Landesfürsten zwischen 1719 und<br />

1862 wird dadurch charakterisiert, dass sie die<br />

Herrschergewalt uneingeschränkt, d.h. absolut ausübten.<br />

In der Dienstinstruktion von 1748 findet<br />

sich eine der sehr seltenen Stellen, an denen die<br />

Rechte der Landesfürsten aufgezählt werden: «Alldieweilen<br />

Uns in Unserem Fürstenthum Liechtenstein<br />

die hohe Landes-Obrigkeit mit alliglichen ef-<br />

1) Einen ähnlichen Verfassungsbegriff legt auch Peter Geiger seiner<br />

Arbeit zu Grunde: «Verfassung wird dabei verstanden als Summe<br />

nicht nur der staatlichen Rechtsnormen, sondern auch der im Staat<br />

wirkenden Kräfte, Ideen und Strömungen politischer, ökonomischer,<br />

sozialer und kultureller Natur.» S. 11.<br />

2) Josef Ospelt, Verfassungsgeschichte S. 11 ff; Stolz, Österreichische<br />

Verfassungsgeschichte S. 81 ff.<br />

3) Ritter Rupert, Die Brandisischen Freiheiten, S. 34.<br />

4) Pappermann, S. 21.


VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />

©naben foweratner gtitfl imb ^egteter k$<br />

K<strong>äu</strong>fer von uno m £tert>tenflem m $tfolfiro, $txm 5U<br />

Sroppau uttD gäaerntorf m ©cfjlejtett, @raf $u mttkm,mu<br />

tim bereiten Mens, ©r. faiferU -fönteU apoitoltfc&en<br />

jcftdt nntflicDer Jammeret tmo gelomarfcljaa, 3n^at»er oe3<br />

Erfüllen ben 13. Slrtifel ber bcutfcben 25unbe$afte folgenbermaffen:<br />

§. 1.<br />

STac&bem 2Bir, feit 2(ufl<br />

bunm S3eftättigung t>or, 9Tebft biefen bat ein jeber S3efit}er einer geiftlid)en<br />

^.frünbe, ber memgftenS ein liegenbeS, ober ber SUerfteuerung unterworfenes<br />

Sßermögen »cm fl 250a, nacb ber gegenwärtigen ©teuer ie Sanbmannfcbaft wirb bureb bie jeitltcben ^orfleber ober Sftcbfer/<br />

unb bureb bie Slltgefrbtpornen ober ©äcfelmeifter einer jeben ©emeinbe vor*<br />

AI/Z


fectibus zustehet, und Wir also bey Hoch- und Niedergerichtlichen<br />

Fällen, auch all andern in die Jura<br />

territorialia, das merum et mixtum Imperium einschlagenden<br />

Freignussen und zu Tragenheiten zu<br />

cognosciren, Gesätz zu geben, Gebott, und Verbott<br />

ergehen zu lassen, das gutte zu belohnen, das üble<br />

zu bestraffen, und wo hierunter ein Abmangl erscheinet,<br />

es gegen Gott den Almächtigen zu verantwortten<br />

haben; so wird Unser Ober Ambt sich auf<br />

das eyfrigste angelegen seyn lassen, einerseits<br />

durch pflichtmässig und gewissenhafte Administration<br />

der Justiz, auch redlich und ohnabsichtliche<br />

Besorgung der Täglichen Vorkommenheiten<br />

Unss aller Veranttwortung gegen Gott zu entladen<br />

dann aber anderseits Unsere Landesfürstliche Jura<br />

und Regalia vor aller inn- auswärtigen Anfecht-,<br />

Schmäler- und Beeinträchtigung sicher zu stellen,<br />

und zu deren Abbruch nichts einschleichen zu lassen.»<br />

5<br />

Die formelle Souveränität erlangte das Fürstentum<br />

1806 durch die Aufnahme in den Rheinbund. Souverän<br />

war der Landesfürst, seine Rechte wurden in<br />

Artikel 26 der Rheinbund-Akte von 1806 aufgezählt:<br />

«Les droits de souverainete sont ceux de<br />

legislation, de Jurisdiction supreme, de haute police,<br />

de conscription militaire ou de recrutement et<br />

d'impöt.» 6<br />

Durch den Wiener Kongress und die Aufnahme in<br />

den Deutschen Bund wurde Liechtensteins Souveränität<br />

1815 anerkannt und gleichzeitig garantiert.<br />

Für die Ausgestaltung der inneren Verhältnisse der<br />

einzelnen Bundesmitglieder enthielt die Deutschen<br />

Bundesakte nur minimale Vorschriften. Artikel 13<br />

hielt fest, dass in allen Bundesstaaten eine landständische<br />

Verfassung eingeführt werden müsse,<br />

ohne aber deren Inhalt in irgendeiner Form festzulegen.<br />

Fürst Johann I. erfüllte diese Bestimmung<br />

als einer der ersten deutschen Fürsten. Die Verfassung<br />

vom 9. November 1818 tat dem landesfürstlichen<br />

Absolutismus keinerlei Abbruch. Paragraph<br />

1 der Verfassung stellte den Grundsatz auf,<br />

dass «die in den k.k. österreichischen Staaten bestehende<br />

landständische Verfassung in ihrer Wesenheit<br />

zum Muster für gedacht Unser Fürstenthum»<br />

genommen werden solle. Dieser Grundsatz<br />

52<br />

war in seinem Kern ein absolutistischer Machtanspruch,<br />

waren doch in Österreich keine neuen Verfassungen<br />

erlassen worden. Nach wie vor waren<br />

dort die alten Landesverfassungen in Kraft, die sich<br />

im 15. Jahrhundert entwickelt hatten. Diese Verfassungen<br />

waren im 18. Jahrhundert insofern verändert<br />

worden, als die Macht der ständischen<br />

Landtage durch Joseph II. eingeschränkt und die<br />

ständische Verwaltung verstaatlicht worden war. 7<br />

Die liechtensteinische Verfassung von 1818 umfasste<br />

lediglich 18 Artikel, die ausschliesslich Bestimmungen<br />

zum landständischen Landtag enthielten.<br />

Die Rechte des Fürsten und die Rechte der Untertanen<br />

wurden darin nicht weiter erwähnt.<br />

Staatstheoretische Überlegungen, die zur Legitimation<br />

des landesfürstlichen Absolutismus dienten,<br />

finden sich nur in Ansätzen. Im allgemeinen begnügten<br />

sich die fürstlichen Beamten damit, ständig<br />

zu wiederholen, dass man sich an das Vorbild<br />

Österreichs zu halten habe. So schrieb etwa Landvogt<br />

Schuppler in den Vorarbeiten zur Verfassung<br />

von 1818, Liechtenstein sei zu klein, um nach eigenen<br />

Grundsätzen regiert zu werden. Demokratisch,<br />

wie die beiden benachbarten Schweizer Kantone<br />

St. Gallen und Graubünden, könne und dürfe es<br />

aber nicht sein: «Es muss also bei der Auswahl die<br />

Verfassung Österreichs das Übergewicht haben,<br />

und weil alles zur inneren Landesverwaltung dienliche<br />

nur von dorther angenommen werden muss,<br />

so kann an und für sich den Landständen eine<br />

Competenz in die eigentliche innere Landesregierung,<br />

in so weit sie auf die eigentliche hohe und<br />

niedere Landespolizei, auf die Gerichtspflege im<br />

ausgedehntesten Sinne, auf das Schul-, Kirchen-,<br />

und Erziehungswesen und andere dergleichen innere<br />

Landesanstalten Einfluss nimmt, nicht zugestanden<br />

werden.» 8<br />

Die landesfürstlichen Anordnungen und Gesetze<br />

wurden wie in Österreich mit einem eudämonistischen<br />

Staatszweck begründet: Die obrigkeitlichen<br />

Vorschriften wurden «aus landesväterlicher Fürsorge<br />

für das Wohl der Unterthanen», aus Sorge<br />

um die «sittliche Wohlfahrt» und um das «Glück»


der Untertanen erlassen und bezweckten die Förderung<br />

des «allgemeinen Wohlstandes». 9<br />

Die Untertanen<br />

sollten sich kein Urteil über diese Vorschriften<br />

anmassen, sondern diesen in dankbarer<br />

Anerkennung und liebevoller Treue nachkommen.<br />

Zumindest unter Fürst Johann I. hielt man eine<br />

weitere Begründung nicht für nötig, die Untertanen<br />

hatten zu gehorchen und sollten notfalls auch zum<br />

eigenen Glück gezwungen werden. 10<br />

Unter Alois II.<br />

ergab sich insofern eine Veränderung im Herrschaftstil,<br />

als nun die Untertanen auch «belehrt»<br />

werden sollten. So wurde 1841 das Oberamt angewiesen,<br />

die Untertanen (die eine Delegation nach<br />

Wien geschickt hatten, um dem Fürsten ihre Anliegen<br />

vorzutragen) «wohlmeinend über die väterlichen<br />

Gesinnungen Seiner Durchlaucht zu belehren<br />

und ihnen zu bedeuten, dass die Interessen des<br />

Landes und die auf selbe wahrhaft wohltätig wirkenden<br />

Massregeln fortan die Gegenständ der reiflichsten<br />

Prüfungen seien, daher in ihrer successiven<br />

Entwicklung mit Vertrauen und in Beruhigung<br />

zu erwarten.» 11<br />

Schliesslich muss noch auf den patrimonialen Charakter<br />

der Herrschaft hingewiesen werden. Das<br />

Fürstentum wurde als ein Familienfideikommiss<br />

angesehen, über das der regierende Fürst als Majoratsherr<br />

verfügen konnte. Staat und Herrscher waren<br />

identisch. Die Aufnahme in das Staatsbürgerrecht<br />

erfolgte als eine Aufnahme in den Untertanenverband:<br />

Der Ausländer musste sich mit 25<br />

Gulden in den Untertanenverband einkaufen und<br />

einen Untertaneneid leisten, in dem er dem Fürsten<br />

Treue schwor.<br />

DIE BESEITIGUNG DER GERICHTE<br />

UND DER LANDSTÄNDISCHE LANDTAG<br />

Noch im 16. Jahrhundert wurden wichtige landesherrliche<br />

Rechte von den Vertretern der beiden<br />

Landschaften ausgeübt. Jede Landschaft stellte einen<br />

Landammann, 12 Richtern, und einen Landweibel.<br />

Diese Gerichte übten zusammen mit dem<br />

Landschreiber die hohe und niedere Gerichtsbarkeit<br />

aus, nahmen polizeiliche Aufgaben wahr und<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />

besorgten das Vormundschaftswesen. Der Landammann<br />

hob die Steuern ein, bot die Landwehr<br />

auf und hatte das Recht, öffentliche Urkunden zu<br />

siegeln.<br />

Seit dem 17. Jahrhundert wurden die Kompetenzen<br />

der Gerichte zunehmend eingeschränkt. Die<br />

Gerichtsbarkeit ging in die Kompetenz der landesherrlichen<br />

Beamten über. Nach dem Übergang der<br />

beiden Landschaften an die Fürsten von Liechtenstein<br />

sollten die alten Institutionen durch eine Verwaltungsreorganisation<br />

völlig beseitigt werden.<br />

Nach einem heftigen, jahrelangen Konflikt zwischen<br />

den Untertanen und den landesfürstlichen<br />

Beamten gestand der Landesfürst «ohne Zustehung<br />

der geringsten Rechte auch bloss allein aus einer<br />

Gnad» 12<br />

das Weiterbestehen der Gerichte zu. Die<br />

Gerichtsbarkeit ging jedoch endgültig in die Kompetenz<br />

der landesfürstlichen Beamten über. Die<br />

Landammänner behielten lediglich das Recht zum<br />

Beisitz an den oberamtlichen Verhörtagen. Bei der<br />

Urteilsfassung konnten sie nicht mehr mitwirken.<br />

Wichtige Funktionen verblieben den Landammännern<br />

jedoch beim Steuereinzug und beim Aufgebot<br />

der Mannschaft.<br />

5) Dienstinstruktion von 1748, Teil I «Administrirung Unserer Jurisdictionalien<br />

und Regalien», Art. 1. LLA NS 1748.<br />

6) Zit. nach Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 30.<br />

7) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />

S. 262 und 302. - Lediglich für Tirol wurde 1816 eine neue<br />

Verfassung erlassen, nachdem das Land von 1806 bis 1814 unter<br />

bayerischer Herrschaft gestanden hatte: «Den wiederhergestellten<br />

Ständen) wurde nur das Recht der Evidenzhaltung, Repartierung<br />

und Einhebung der Grundsteuer nach kaiserlichen Vorschriften,<br />

nicht aber das Recht der Besteuerung einger<strong>äu</strong>mt und anstatt des<br />

vormaligen Einflusses auf die Gesetzgebung das Recht, im Namen<br />

des Landes Bitten und Vorstellungen zu erheben und Deputationen<br />

nach vorheriger Genehmigung an das Hoflager zu senden.» Bundsmann,<br />

Politische Verwaltung, S. 160.<br />

8) Schuppler an Fürst am 12. März 1818. LLA RB Fasz. L 6.<br />

9) Diese Begründungen werden in den Präambeln vieler Gesetze<br />

und Verordnungen gegeben.<br />

10) So die Artikel zwei bis fünf der Dienstinstruktion von 1808. LLA<br />

RB Fasz. G 1.<br />

11) Fürst an 0A am 14. Dezember 1841, LLA RC 69/14. - Vgl. auch<br />

Quaderer, S. 111.<br />

12) Erlass vom 25. September 1733. Zit. nach Feger, Fürst Wenzel,<br />

S. 96.<br />

53


Dieser Kompromiss wurde sowohl aus der Sicht<br />

der Untertanen als auch aus der Sicht der Landesherrschaft<br />

als ein vorl<strong>äu</strong>figes Ergebnis gewertet.<br />

Hofften die Untertanen, die alten Rechte eines Tages<br />

zurückzugewinnen, 13<br />

so war die Landesherrschaft<br />

weiterhin gesonnen, die Gerichte bei einer<br />

passenden Gelegenheit völlig zu beseitigen. In der<br />

Dienstinstruktion von 1748 heisst es, dass es im<br />

Moment nicht rätlich erscheine, den Landammann<br />

durch einen vom Fürsten ernannten Steuerkassier<br />

zu ersetzen und die Untertanen so von aller Gewalt<br />

und Einsicht zu entsetzen. «So wollen Wir Unss<br />

einsweils, und mit Vorbehalt des weitheren begnügen,<br />

wann durch beede Land-Ammäner über die<br />

jährlich umlegende Anlaags-Gelder eine ordentliche<br />

Rechnung geführt, solche dem Ober-Ambt zur<br />

Abhör vorgelegt, und mit dessen zu Thun die Manschaft<br />

zu Pferd und Fuss angeworben, und wieder<br />

abgedankt wird.» 14<br />

Die Richter nahmen im 18. Jahrhundert weiterhin<br />

Aufgaben im Polizeiwesen, wo sie etwa Frevel bestrafen<br />

durften, und im Vormundschaftswesen<br />

wahr. Eine wichtige Kompetenz bestand darin,<br />

dass sie Einblick in die landschaftlichen Rechnungen<br />

erhielten, die der Landammann am Ende seiner<br />

Amtszeit zu legen hatte.<br />

Durch die Dienstinstruktion von 1808 wurden die<br />

Gerichte unter Berufung auf die Beseitigung der<br />

«vormaligen Reichsverfassung» und den «Geist des<br />

dermaligen Zeitalters» 15<br />

endgültig aufgehoben<br />

Zweifellos wurde mit dieser Reform die Absicht<br />

verfolgt, den landesfürstlichen Absolutismus zu<br />

vollenden und jede Einflussnahme der Untertanen<br />

auf die Staatsverwaltung zu verhindern. Auch hier<br />

lässt sich wieder der österreichische Einfluss feststellen:<br />

Unter Joseph II. war die ständische Verwaltung<br />

weitgehend verstaatlicht worden. So war etwa<br />

auch das ständische Steueramt mit der Kameralkasse<br />

vereinigt worden 16<br />

- eine Reform, die in<br />

Liechtenstein durch die Steuerverordnung von<br />

1807 nachvollzogen werden sollte.<br />

Landvogt Schuppler hielt es aber offenbar für rätlich,<br />

den Untertanen Einsicht in die Landesrechnung<br />

zu geben, um so den Steuerwiderstand der<br />

Untertanen zu vermindern. Schuppler hielt sich da­<br />

54<br />

bei an den Wortlaut der Steuerverordnung von<br />

1807, die ausdrücklich festhielt, dass den Landammännern<br />

Einsicht in die «wirkliche Verwendung»<br />

der Steuergelder gegeben werden solle, die allein<br />

zur Deckung der Kosten der Landesverwaltung<br />

verwendet werden durften. 17<br />

Aufgrund dieser Verordnung<br />

lud Schuppler von 1811 bis 1817 jährlich<br />

anstelle der Landammänner die Gemeindevorsteher<br />

zum Oberamt ein, legte ihnen die Landesrechnung<br />

vor und liess sie das Steuerprotokoll unterschreiben.<br />

18<br />

Die landständische Verfassung von 1818 schränkte<br />

die Rechte der Untertanen noch weiter ein, da sie<br />

ihnen das Recht zur Einsichtnahme in die «wirkliche<br />

Verwendung» der Steuergelder nicht mehr<br />

zugestand. Die Verfassung von 1818 schuf die Einrichtung<br />

eines ständischen Landtages nach österreichischem<br />

Muster. Die Geistlichkeit und die Landmannschaft<br />

bildeten die beiden Landstände. Die<br />

Geistlichkeit konnte drei Abgeordnete auf Lebenszeit<br />

wählen, die durch das Oberamt bestätigt werden<br />

mussten. Die Landmannschaft (also die Untertanen)<br />

wurden durch die jeweiligen Vorsteher und<br />

Säckelmeister der Gemeinden vertreten. Die Vorsteher<br />

wurden nach folgendem Verfahren ausgewählt:<br />

Die Gemeinden unterbreiteten dem Oberamt<br />

einen Dreiervorschlag, aus dem dieses einen Vorsteher<br />

bestimmte. 19<br />

Das Recht zur Landstandschaft<br />

hatten auch Untertanen, die über 2000 Gulden zu<br />

versteuern hatten. Diese Bestimmung erlaubte es<br />

dem Haus Österreich, das im Fürstentum grundherrlichen<br />

Besitz hatte, einen Vertreter in den<br />

Landtag zu schicken. Das Oberamt war berechtigt,<br />

einem Landstandsberechtigten die Teilnahme am<br />

Landtag zu verweigern, wobei es lediglich die<br />

Gründe dafür dem Fürsten mitteilen musste.<br />

Der Landtag trat jährlich einmal zusammen. Die<br />

Stände durften sich nur versammeln, wenn sie vom<br />

Landvogt, der bei den Sitzungen den Vorsitz führte,<br />

der die Sitzungen eröffnete und auch schloss, eingeladen<br />

wurden. Die Kompetenzen der Landstände<br />

waren eng umgrenzt: Sie hatten dem Steuerpostulat<br />

«dankbar» zuzustimmen und durften lediglich<br />

beraten, wie die postulierte Steuer eingebracht


werden konnte. Die Höhe der Steuer richtete sich<br />

nach einem Voranschlag des Oberamtes für das<br />

laufende Jahr, über die Höhe der Steuer oder über<br />

die Notwendigkeit einzelner Ausgaben durfte nicht<br />

diskutiert werden. Ein Recht der Landstände bestand<br />

darin, «Vorschläge zu machen, die auf das<br />

allgemeine Wohl abzielen». 20<br />

Welche Vorschläge<br />

auf das allgemeine Wohl abzielten, stand im Ermessen<br />

des Landvogts; ausdrücklich verboten waren<br />

Vorschläge, die Einnahmen betrafen, die vom<br />

Fürsten als Privateinkünfte (so die Regalien) angesehen<br />

wurden, sowie Vorschläge, die das «bürgerliche,<br />

politische und peinliche Fach» berührten. 21<br />

Das Versprechen, dass der Fürst vor der Einführung<br />

neuer allgemeiner Staatsabgaben eine «ständische<br />

Berathung vorausgehen lassen» 22<br />

wolle,<br />

stellte keinerlei Einschränkung der landesfürstlichen<br />

Macht dar, da neue Abgaben auch eingeführt<br />

werden konnten, wenn sie vom Landtag abgelehnt<br />

wurden.<br />

Die Bestimmungen der Verfassung von 1818 machen<br />

deutlich, dass dem Landtag weder eine Mitwirkung<br />

an der Gesetzgebung noch eine Kontrolle<br />

über die Verwaltung zugestanden wurde. Der<br />

Landtag unterstand vielmehr der Kontrolle des<br />

Oberamtes. Nach österreichischen Gepflogenheiten<br />

hatten die Untertanen nicht das Recht, Gesetzesvorschläge<br />

zu unterbreiten, sondern lediglich das<br />

Recht, Petitionen einzureichen. Die Untertanen<br />

verlangten zwar wiederholt, dass ihnen die Staatsrechnung<br />

zur Einsichtnahme vorgelegt werde,<br />

wurden damit aber stets abgewiesen. 23<br />

Die Landtagssitzungen waren nicht öffentlich. Das<br />

Steuerpostulat wurde den Landständen vorgelesen,<br />

Abschriften durften keine erstellt werden. In der<br />

Einleitung zu jedem Steuerpostulat machte die Hofkanzlei<br />

dem Oberamt folgende, immer gleich lautende<br />

Mitteilung: «Es ist strenge darauf zu sehen,<br />

dass bei dem Landtage niemand erscheine, der<br />

nicht nach Vorschrift der ständischen Verfassungsurkunde<br />

dazu berechtigt ist.» Zur Art der Kundmachung<br />

der Steuerpostulate heisst es: «Zur Beleuchtung<br />

der landesfürstlichen Postulate soll der fürstliche<br />

Landvogt die vorstehende Berechnung deutlich<br />

und langsam den am Landtage versammelten<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />

Ständen vorlesen und ihnen auf einzelne Anfragen<br />

die geeignete Auskunft mündlich ertheilen, Abschriften<br />

aber nicht gestatten.» 24<br />

Die Postulatenlandtage, wie sie in Österreich genannt<br />

wurden, bildeten ein blosses Zeremoniell,<br />

das von den österreichischen Historikern h<strong>äu</strong>fig<br />

verspottet wurde. Otto Brunner bezeichnete sie als<br />

eine «unzulängliche, überholte Vorform parlamentarischer<br />

Einrichtungen». 25<br />

Offenbar massen ihnen<br />

aber auch die liechtensteinischen Untertanen keine<br />

grosse Bedeutung zu, nannten sie doch ihre Vertreter<br />

im Landtag «Glasbläser». 26<br />

Die 1848er Revolution löste auch in Liechtenstein<br />

eine politische Bewegung aus. Der Fürst sah sich<br />

gezwungen, die Erfüllung der Hauptforderungen -<br />

eine konstitutionellen Verfassung, die freie Wahl<br />

von Volksvertretern, ein neues Gemeindegesetz<br />

usw. - für die nahe Zukunft zu versprechen. Am<br />

7. März 1849 wurde eine provisorische Verfassung<br />

gewährt, die einem vom Volk zu wählenden Landrat<br />

wesentliche Rechte einr<strong>äu</strong>mte. Die Wahlen zu<br />

dieser Volksvertretung wurden sogleich vorgenommen,<br />

doch blieb der Landrat nur eine Episode<br />

in der liechtensteinischen Geschichte. Durch den<br />

13) Vgl. dazu das «Politische Tagebuch» des Amtsboten Johann<br />

Rheinberger.<br />

14) Dienstinstruktion von 1748, Teil I, Art. 17. RA 2/1/15.<br />

15) Dienstinstruktion von 1808, Art. 1. LLA RB Fasz. G 1.<br />

16) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />

S. 303.<br />

17) Steuerverordnung vom 22. 4. 1807, § 10.<br />

18) Steuerprotokolle aus den Jahren 1811 bis 1817, LLA RB<br />

Fasz. S 5.<br />

19) Quaderer, S. 78.<br />

20) Verfassung von 1818, Art. 13.<br />

21) ebda. Art. 16.<br />

22) ebda. Art. 15.<br />

23) Quaderer, S. 25 ff.<br />

24) Landtagsprotokolle von 1818 bis 1847. LLA div. Fasz.<br />

25) Brunner, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />

S. 62.<br />

26) Feger, Johann II, S. 73.<br />

55


Reaktionserlass vom 20. Juli 1852 wurden alle Verfassungsversprechen<br />

rückgängig gemacht und die<br />

Verfassung von 1818 wieder in Kraft gesetzt. 27<br />

Auch hier zeigte sich die Abhängigkeit von der Entwicklung<br />

in Österreich: Dort war am 4. März 1849<br />

eine Reichsverfassung erlassen worden, bevor<br />

durch das Silvesterpatent vom 31. Dezember 1851<br />

das absolutistische Herrschaftssystem des Vormärz<br />

wiederhergestellt wurde.<br />

Wie die nun folgende Entwicklung bis zur konstitutionellen<br />

Verfassung von 1862 zeigte, hatte die<br />

1848er Bewegung das politische Bewusstsein der<br />

Untertanen grundlegend verändert. Durch den<br />

1852 mit Österreich abgeschlossenen Zollvertrag<br />

war dem Land eine neue Finanzquelle entstanden,<br />

die den vorübergehenden Verzicht auf die direkte<br />

Steuer zur Deckung der Landesausgaben ermöglichte.<br />

Aus diesem Grunde sah sich der Fürst vorerst<br />

auch nicht veranlasst, den Landtag einzuberufen.<br />

1857 - der letzte landständische Landtag lag<br />

nun 10 Jahre zurück - wurde wieder eine Steuer<br />

postuliert und der Landtag einberufen, um dem Postulat<br />

zuzustimmen. Nun zeigte es sich, dass sich<br />

die Abgeordneten mit dem blossen Zeremoniell des<br />

Zustimmens nicht mehr zufrieden gaben. Sie forderten<br />

eine neue Landesverfassung, die Wahl einer<br />

Volksvertretung, die in allen inneren Landesangelegenheiten<br />

ein Mitbestimmungsrecht haben sollte,<br />

ein neues Gemeindegesetz, Reformen im Schulwesen,<br />

die Zehentablösung usw. 28<br />

Die gleichen Forderungen<br />

- schon das Vortragen von solchen «Vorschlägen»<br />

war nach der Verfassung von 1818 verboten<br />

- wurden in den folgenden Jahren immer<br />

wieder und mit allem Nachdruck an den Landtagssitzungen<br />

vorgebracht. Der Landtag war damit zu<br />

einem Forum für politische Auseinandersetzungen<br />

geworden. Der massgebende Berater des Fürsten,<br />

Dr. Justin von Linde, suchte jedoch jede Art von Zugeständnissen<br />

hinauszuzögern, um die Entwicklung<br />

in Österreich abwarten zu können. 29<br />

Dem<br />

Drängen der Untertanen nach politischen Rechten<br />

wurde erst nachgegeben, als sich die künftige Entwicklung<br />

in Österreich durch das Oktoberdiplom<br />

von 1860 und durch das Feberpatent von 1861 abzeichnete.<br />

Am 26. September 1862 erhielt dann<br />

56<br />

das Fürstentum Liechtenstein eine neue Verfassung,<br />

die zwar keineswegs alle Wünsche der «Landesangehörigen»,<br />

wie die Untertanen nun genannt<br />

wurden, erfüllte, die aber doch in entscheidenden<br />

Fragen das absolutistische Regierungssystem beseitigte.<br />

27) Dazu ausführlich Geiger, S. 52-185.<br />

28) Landtagssitzung vom 14. Oktober 1857. LLA RC 72/19.<br />

29) Geiger, S. 244.<br />

Briefpapier mit dem<br />

Staatswappen und dem<br />

offiziellen Titel des Oberamtes<br />

Vaduz auf einem<br />

Circulare (Umlaufschreiben)<br />

an die Gemeinden<br />

der unteren Landschaft<br />

«Das Oberamt des Souverainen<br />

Fürstenthumes<br />

Liechtenstein an die Ortsgerichten<br />

der unteren<br />

Landschaft.<br />

Mit herabgelangten höchsten<br />

Reskripte vom<br />

16. Dezember 1845<br />

Z. 11.303 wurde die Abhaltung<br />

des diesjährigen<br />

Landtages auf Mittwoch<br />

den 31.ten dieses Monates<br />

angeordnet und das Oberamt<br />

mit der Einladung der<br />

Landstände beauftragt.<br />

Als Repräsentanten der<br />

Gemeinden werden daher<br />

die Richter und Säckelmeister<br />

sämmtlicher Ortschaften<br />

zur Erscheinung am<br />

besagten Tage vormittags<br />

10. Uhr in der Oberamtskanzlei<br />

vorgeladen.<br />

Dieses Circulare ist zu<br />

vidiren, schleunigst weiter<br />

zu befördern und nach<br />

geschehenem Umlaufe<br />

hier einzubringen.<br />

Vaduz, am 22. Dezember<br />

1845<br />

Menzinger, Landvogt»


VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />

57


Das Oberamt in Vaduz<br />

Das Oberamt in Vaduz war die einzige Verwaltungsbehörde<br />

im Fürstentum Liechtenstein. In die<br />

Zuständigkeit des Oberamtes fielen die gesamte innere<br />

Landesverwaltung, die Rechtsprechung in erster<br />

Instanz, die Domänenverwaltung und die Gemeindeaufsicht.<br />

Es war der fürstlichen Hofkanzlei<br />

in Wien in jeder Hinsicht unterstellt und hatte von<br />

ihr in allen wichtigeren Geschäften die Weisungen<br />

einzuholen. 1848 wurden das Oberamt in Regierungsamt<br />

und der Landvogt in Landesverweser<br />

umbenannt. Diese Umbenennungen hatten keinerlei<br />

Einfluss auf die Verwaltungsorganisation.<br />

ALLGEMEINE VERWALTUNGSGRUNDSÄTZE<br />

Nach der Ansicht der fürstlichen Hofkanzlei in<br />

Wien liess sich die innere Verwaltung im Fürstentum<br />

prinzipiell gleich organisieren wie die Verwaltung<br />

einer fürstlichen Herrschaft. Die Dienstinstruktion<br />

von 1808, die für die Tätigkeit des<br />

Oberamtes bis 1862 die allgemeinen Richtlinien<br />

enthielt, formulierte die gleichen Verwaltungszwecke<br />

für das Fürstentum wie die Hauptinstruktion<br />

von 1838 für die fürstlichen Herrschaften. Die<br />

allgemeinen Aufgaben bestanden in der «Fürsorge<br />

für das Wohl der Unterthanen» und in der bestmöglichen<br />

Nutzung des «landesfürstlichen Camerale».<br />

1<br />

Der Begriff «Kamerale» wurde für jene<br />

Abgaben und Nutzungsrechte verwendet, die als<br />

fürstliche Privatrechte angesehen wurden. Zum<br />

Kamerale gehörten also die Erträge aus dem Zoll-,<br />

Weg- und Umgeld, aus den Zehnten und Fronen<br />

sowie aus der Nutzung des fürstlichen Grundbesitzes.<br />

Um die von der Hofkanzlei stets geforderte «Gleichförmigkeit»<br />

zu erreichen, wurden die auf den fürstlichen<br />

Herrschaften gültigen Verwaltungsvorschriften<br />

nach Möglichkeit auch auf das Fürstentum<br />

übertragen. Die meisten Normalien und Circularien<br />

wurden auch dem Oberamt in Vaduz zugestellt. In<br />

seiner Grundstruktur entsprach das Oberamt seit<br />

1808 einem Herrschaftsamt. Wie bei den Herrschaftsämtern<br />

bestanden in Vaduz ein Rentamt, ein<br />

Grundbuchamt, ein Depositenamt, ein Waisenamt<br />

58<br />

(seit 1836) und ein Waldamt (seit 1838). Bei der<br />

Verwaltung dieser Ämter hatten sich die Beamten<br />

in Vaduz an die Instruktionen zu halten, die für die<br />

fürstlichen Herrschaften erlassen wurden. Der<br />

Dienstinstruktion von 1808 waren die betreffenden<br />

Instruktionen beigelegt mit der Bemerkung, dass<br />

diese als «Leitfaden» verwendet werden mussten. 2<br />

Dass sich das Oberamt nach den Grundsätzen auf<br />

den Herrschaften richten sollte, wurde auch später<br />

immer wieder betont. 1838 sandte die Hofkanzlei<br />

für jeden Beamten in Vaduz ein Exemplar der<br />

Hauptinstruktion von 1838 mit der Bemerkung:<br />

«Die darin aufgestellten Grundsätze und Vorschriften<br />

haben vom Empfang des Gegenwärtigen, insofern<br />

sie auf die dortigen Verhältnisse anzuwenden<br />

sind, genau in Vollzug zu kommen.» 3<br />

Das prinzipielle Festhalten an der Organisationsstruktur<br />

der Herrschaftsämter zeigte sich auch darin,<br />

dass in Vaduz kein Bauamt errichtet werden<br />

durfte. Landvogt Menzinger <strong>äu</strong>sserte wiederholt<br />

die Meinung, dass für Liechtenstein die Anstellung<br />

eines erfahrenen Technikers zur Bewältigung der<br />

Probleme bei den Rheinwuhrbauten, bei der Entwässerung<br />

der Talebene usw. nötig sei. Einen ausgebildeten<br />

Waldbeamten, dessen Hauptaufgabe in<br />

der Vermessung der Wälder bestand, hielt er dagegen<br />

nicht für nötig, da er meinte, dass für die obrigkeitlichen<br />

Wälder im Fürstentum ein tüchtiger Jäger<br />

ausreiche. 4<br />

Der Fürst und die Hofkanzlei entschieden<br />

jedoch anders: Nach ihrer Ansicht musste<br />

in Vaduz ein Waldamt eingerichtet werden, die Errichtung<br />

eines Bauamtes jedoch wurde noch 1860<br />

ausdrücklich verboten. 5<br />

Die Beaufsichtigung der<br />

Bauausführungen wurde bis 1846 vor allem Johann<br />

Peter Rheinberger übertragen, nach dem<br />

Rheineinbruch dem Waldbeamten Gross und in<br />

den 1850er Jahren den Offizieren des Truppenkontingentes.<br />

Einer der Hauptgrundsätze in der österreichischen<br />

Verwaltungsorganisation stellte das Kollegialitätsprinzip<br />

dar. Grundsätzlich sollte das Oberamt wie<br />

alle fürstlichen Behörden nach diesem Prinzip organisiert<br />

werden. Die Amtsgewalt war nicht einem<br />

einzelnen Beamten übertragen, sondern dem «Gre-


mio des Amtes». 6<br />

Immer wieder wurde betont,<br />

dass die Beamten alle wichtigeren Geschäfte gemeinsam<br />

beraten sollten 7<br />

und kein Beamter ohne<br />

Wissen seiner Mitbeamten Amtshandlungen vornehmen<br />

dürfe. So hiess es etwa in der Dienstinstruktion<br />

von 1808, dass die Beamten «gemeinschaftlich<br />

in der Oberamtskanzley (manipulieren<br />

müssten), um die gemeinschaftlichen Berathschlagungen<br />

bey jedem Vorfall sogleich pflegen zu können,<br />

und die Publicität der Amtirungen zu bezwecken».<br />

8<br />

Die Dienstinstruktion schrieb weiter<br />

vor, dass alle Berichte an den Fürsten oder die Hofkanzlei<br />

von den Beamten gemeinsam beraten und<br />

von allen unterschrieben werden mussten. Umgekehrt<br />

mussten alle Berichte, die von der Hofkanzlei<br />

eintrafen, von allen Beamten gelesen werden, ausser<br />

wenn die Hofkanzlei sie ausdrücklich nur für<br />

den Landvogt bestimmte. 9<br />

Einem einzelnen Beamten<br />

war es streng verboten, von sich aus mit der<br />

Hofkanzlei in Briefkontakt zu treten, da nur die Behörden<br />

nach aussen auftreten durften. 10<br />

Soweit sich aus den Akten im Landesarchiv feststellen<br />

lässt, wurden die gemeinschaftlichen Beratungen<br />

in der Praxis nicht abgehalten. In der Regel<br />

entschied der Landvogt allein, was er an die Hofkanzlei<br />

schrieb. Am Kollegialitätsprinzip wurde<br />

hingegen insofern festgehalten, als die Mitbeamten<br />

Einblick in die Korrespondenz zwischen dem<br />

Landvogt und der Hofkanzlei erhielten. Die Schreiben,<br />

die von der Hofkanzlei in Vaduz eintrafen, tragen<br />

auf der Rückseite h<strong>äu</strong>fig den Vermerk «gelesen»<br />

und die Unterschrift der Beamten. Umgekehrt<br />

wurden die Berichte des Landvogts an die Hofkanzlei<br />

oder an den Fürsten in der Regel von den<br />

andern Beamten mitunterzeichnet. Die Hauptinstruktion<br />

von 1838 stellte den Grundsatz auf, dass<br />

nur noch Berichte in herrschaftlichen Angelegenheiten<br />

von den drei ranghöchsten anwesenden<br />

Beamten unterschrieben werden mussten, während<br />

in judiziellen und politischen Angelegenheiten<br />

der Herrschaftsvorsteher allein unterzeichnen<br />

konnte. 11<br />

Obwohl das Oberamt eine Kollegialbehörde darstellte,<br />

bestand unter den Beamten eine genau festgelegte<br />

Hierarchie. Ebenso war für jeden Beamten<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />

eine bestimmte Zuständigkeit festgelegt. Der Landvogt<br />

war der Leiter des Oberamtes, die andern Beamten<br />

waren ihm subordiniert und wurden von<br />

ihm kontrolliert. 12<br />

Der Landvogt hatte stets die<br />

Übersicht über die gesamte Verwaltung zu bewahren.<br />

Seine besonderen Aufgaben bestanden in der<br />

Erledigung der «politischen» Geschäfte - «politisch»<br />

umfasste alle staatlichen Aufgaben - und in<br />

der Rechtsprechung. Dem Landvogt im Rang folgte<br />

der Rentmeister, der für alle Geld- und Rechnungsgeschäfte<br />

zuständig war. Für die Führung der<br />

Grundbücher war seit 1829 ein eigener Beamter<br />

angestellt, der bis 1848 auch den Hauptzolleinnehmerdienst<br />

zu besorgen hatte. Der Amtsschreiber<br />

schliesslich führte bei den Gerichtsverhandlungen<br />

das Protokoll, registrierte die Akten, schrieb die<br />

Entwürfe des Landvogts ins reine und beaufsichtigte<br />

die Wirtschaftsangelegenheiten.<br />

Die Hauptinstruktion schrieb für alle Herrschaftsämter<br />

folgenden Geschäftsgang fest, wobei sie die<br />

1) In der Maur hat bei der Veröffentlichung der Dienstinstruktion im<br />

JBL 1905 alle Hinweise auf das Kameralwesen und alle «anstössigen»<br />

Bemerkungen entfernt. Dass die Nutzung des Kamerale eine<br />

wichtige Aufgabe für die fürstlichen Beamten darstellte, geht daraus<br />

hervor, dass die Dienstinstruktion von 1808 mindestens zur Hälfte<br />

aus Bestimmungen zur Nutzung der herrschaftlichen Ökonomie besteht.<br />

2) Dienstinstruktion von 1808, Art. 16, 18, 20, 21, 22, 25, 40. LLA<br />

KB Gl.<br />

3) HK an 0A am 10. 4. 1838. LLA NS 1830-39.<br />

4) So etwa in einem Brief an Maximilian Kraupa am 29. 7. 1847.<br />

LLA RC 73/12.<br />

5) Fürstin Franziska an RA am 18. 3. 1860. LLA RC 107/106.<br />

6) Hauptinstruktion von 1838, § 116.<br />

7) Dienstinstruktion von 1719, Caput I, § 10, LLA AM4; Dienstinstruktion<br />

von 1748, Teil I, Art. 2, 7, 8, 9, 14 LLA RA 2/1/15; Dienstinstruktion<br />

von 1808, Art. 14. Hauptinstruktion von 1838, §§ 117,<br />

118.<br />

8) Dienstinstruktion von 1808, Art. 14.<br />

9) ebda. Art. 14.<br />

10) Dienstinstruktion von 1748, Teil I, Art. 28. LLA RA 2/1/15;<br />

Hauptinstruktion von 1838, §§ 63 und 121.<br />

11) Hauptinstruktion von 1838, 1§ 22.<br />

12) Dienstinstruktion von 1808, Art. 14 und Ilauptinstruktion von<br />

1838, § 106.<br />

59


estehende Ordnung zum grössten Teil lediglich<br />

bestätigte: Der Herrschaftsvorsteher öffnete alle<br />

eintreffenden Schreiben und nahm sie zur Kenntnis.<br />

Der Eingang dieser Schreiben wurde registriert,<br />

dann wurde das Schreiben dem Beamten<br />

übergeben, in dessen Zuständigkeit die Angelegenheit<br />

fiel. Nach erfolgter Bearbeitung musste die Erledigung<br />

der Schreiben im Protokoll sichtbar gemacht<br />

werden. Die Reinschrift des Erledigungsentwurfs<br />

wurde mit den erforderlichen Unterschriften<br />

versehen und expediert. 13<br />

Für die Abfassung der Berichte an den Fürsten und<br />

die Hofkanzlei bestanden genaue Richtlinien: Die<br />

Berichte sollten: «kurz, bündig, und doch erschöpfend,<br />

dann anständig abgefasst, halbbrüchig auf<br />

der rechten Spalte, rein und leserlich geschrieben,<br />

und mit allen erforderlichen Beilagen . . . und Vorakten<br />

belegt» 14<br />

sein. Die Berichte hatten bis 1815<br />

mit der Anrede «Wohllöbliche Hofkanzley», nach<br />

1815 mit «Euer Durchlaucht» zu beginnen 11<br />

"' und<br />

mit «treu gehorsamst» und den Unterschriften der<br />

Beamten zu schliessen. Auf den Schreiben musste<br />

auch ein Rubrum angebracht werden, das aus einer<br />

kurzen Inhaltsangabe und den Aktennummern<br />

bestand. 16<br />

Diese Vorschriften betonten nicht nur<br />

den Formalismus, sondern zielten - mindestens<br />

teilweise - auch auf Zweckmässigkeit ab. Das Rubrum<br />

erlaubte eine rasche Orientierung über den<br />

Inhalt des Schreibens. Dass nur die rechte Blatthälfte<br />

beschrieben werden durfte, ermöglichte dem<br />

Bearbeiter bei der Hofkanzlei, seine Bemerkungen<br />

auf der linken Blatthälfte anzubringen.<br />

Neben den formalen Vorschriften zur Abfassung<br />

der Berichte bestanden auch inhaltliche. Den Beamten<br />

wurde befohlen, «in allen ihren Berichten<br />

ihre eigene Meinung und Anträge auf das bestimmteste,<br />

und wohl motivirt aus(zu)sprechen.» 17<br />

Dieser<br />

Aufforderung kamen die Landvögte meistens nach<br />

und legten dar, welcher Entscheid ihnen am zweckmässigsten<br />

und angemessensten erschien. Die Meinung<br />

des Landvogts hatte meist massgeblichen<br />

Einfluss auf den Entscheid der Hofkanzlei. Der<br />

Landvogt war der Hofkanzlei insofern überlegen,<br />

als er über bedeutend mehr Informationen ver­<br />

60<br />

fügte, da diese kaum mit den örtlichen Verhältnissen<br />

vertraut war. Die Hofkanzleibeamten kannten<br />

die Verhältnisse im Fürstentum fast ausschliesslich<br />

aus den Schilderungen der Landvögte. Nachdem<br />

Hofrat Hauer 1815 pensioniert worden war, beschäftigte<br />

die Hofkanzlei bis 1842 keinen Beamten,<br />

der das Fürstentum aus eigener Anschauung gekannt<br />

hätte. 18<br />

Die Hofkanzlei betonte immer wieder, dass die Aktenmässigkeit<br />

und die Schriftlichkeit zwei wichtige<br />

Prinzipien für eine geordnete Verwaltung darstellten.<br />

So enthielt bereits die Dienstinstruktion von<br />

1719 detaillierte Vorschriften über das Anlegen einer<br />

Registratur und eines Archivs. Über die Bedeutung<br />

eines Archivs hiess es beispielsweise: «. . . darinn<br />

die Seele einer wohl geordneten Regierung bestehen<br />

thut.» 19<br />

Seit 1808 waren das Archiv und die Registratur<br />

nach den Prinzipien aufgebaut, die unter Joseph II.<br />

für die österreichische Staatsverwaltung entwickelt<br />

worden waren und von da auch Eingang in die<br />

fürstliche Verwaltung gefunden hatten. 20<br />

Im Archiv<br />

aufbewahrt wurden einerseits die Akten, die von<br />

einer auswärtigen Stelle eingingen, und andererseits<br />

die Entwürfe (oder Konzepte) zu den expedierten<br />

Schriftstücken. Der Eingang eines Schriftstückes<br />

sollte sogleich im sogenannten Exhibitenprotokoll<br />

registriert werden, wo auch die Erledigung<br />

der Angelegenheit sichtbar gemacht werden<br />

musste. Dabei wurden die Aktenstücke mit fortlaufenden<br />

Nummern versehen. Überdies sollten die<br />

Akten auch in einem Repertorium, einem alphabetischen<br />

Index, eingetragen werden. Unter Landvogt<br />

Schuppler war das Archiv - wiederum nach josephinischem<br />

Vorbild - nach Sachgruppen geordnet.<br />

Unter Landvogt Pokorny wurde das System «vereinfacht»:<br />

Wie aus der Hauptinstruktion von 1838<br />

hervorgeht, hatte sich inzwischen bei der fürstlichen<br />

Hofkanzlei die Ansicht durchgesetzt, dass<br />

die Akten sich gewissermassen «von selbst» nach<br />

den Materien ordnen würden, wenn man immer<br />

alle Vorakten den neuen Akten beilegte. 21<br />

Hauptordnungsprinzip<br />

war daher nicht mehr die Einteilung<br />

der Akten nach Sachgruppen, sondern der<br />

chronologische Einlauf der Akten. In der Verwal-


tungspraxis stiftete dieses neue Prinzip Unordnung,<br />

da die ausgehobenen Akten h<strong>äu</strong>fig in einem<br />

neuen Zusammenhang eingeordnet wurden. Die<br />

Registratur und das Archiv waren in eine politische<br />

und eine judizielle Abteilung 22<br />

getrennt. In die politische<br />

Abteilung kamen alle strafrechtlichen, politischen<br />

und administrativen Akten, in die judizielle<br />

alle zivilrechtlichen Gegenstände streitiger oder<br />

nicht-streitiger Natur. 23<br />

Die Schriftlichkeit im Verkehr zwischen dem Oberamt<br />

und der Hofkanzlei war durch die <strong>äu</strong>sseren<br />

Umstände gegeben. Ungenügend entwickelt war<br />

die Schriftlichkeit - zumindest im ersten Drittel des<br />

19. Jahrhunderts - bei den Amtshandlungen des<br />

Oberamts. 1831 rügte eine Untersuchungskommission<br />

Landvogt Pokorny, weil er «dem Beispiele der<br />

früheren Amtirungen folgte, die von denselben befolgte<br />

bequeme Methode (der) innern Amts Manipulation<br />

beibehielt, und sich in vielen Fällen lediglich<br />

mit einer Amtshandlung brevi manu begnügte,<br />

ohne sie auch nur kurz zu Papier zu bringen». Die<br />

Untersuchungskommission stellte dieses ordnungswidrige<br />

Vorgehen im Gerichtswesen, bei den Verlassenschaftsabhandlungen<br />

und beim Grundbuchamte<br />

fest. 24<br />

Die Kommission stellte in diesen Geschäften<br />

auch grosse Rückstände fest, die zum Teil<br />

viele Jahre alt waren. 25<br />

Der Zweckmässigkeit, Gründlichkeit und Schnelligkeit<br />

des Oberamtes wurden keine guten Zeugnisse<br />

ausgestellt. Landvogt Pokorny suchte sich gegenüber<br />

der Untersuchungskommission von 1831 dadurch<br />

zu rechtfertigen, dass viele Rückstände noch<br />

auf die Amtszeit von Schuppler zurückgingen. 26<br />

Unter Landvogt Menzinger war das Oberamt mindestens<br />

in den 1850er Jahren seiner Aufgabe nicht<br />

mehr gewachsen. Nach seiner Pensionierung<br />

sprach der neue Landesverweser Karl Haus von<br />

Hausen vom «bekannten schleppenden Geschäftsgang»<br />

und von der «Unordnung», 27<br />

die beim Oberamt<br />

geherrscht habe. Zweifellos dürfen diese Mängel<br />

nicht den amtierenden Landvögten allein angelastet<br />

werden, sondern waren in der Personalknappheit<br />

des Oberamtes und in der mangelnden<br />

Kontrolle durch eine übergeordnete Behörde begründet.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />

VERWALTUNGSKONTROLLE<br />

Der Übergang zu einem bürokratischen Verwaltungsstil<br />

bedingte die Institutionalisierung einer<br />

Verwaltungskontrolle. Das absolutistische Staatsverständnis<br />

verbot es dabei, dem landständischen<br />

Landtag ein Kontrollrecht über die fürstlichen Beamten<br />

einzur<strong>äu</strong>men. Eine Kontrolle über die Tätigkeit<br />

des Oberamtes durfte allein von Vertretern der<br />

fürstlichen Hofkanzlei ausgeübt werden.<br />

Die Kontrollmechanismen, die für die Verwaltung<br />

der fürstlichen Herrschaften entwickelt worden<br />

waren, Hessen sich nicht einfach auf das Fürstentum<br />

übertragen. Die fürstlichen Herrschaftsämter<br />

wurden vorwiegend unter dem Aspekt kontrolliert,<br />

ob sie den fürstlichen Besitz wirtschaftlich sinnvoll<br />

nutzten und die fürstlichen Rechte wahrten, Für<br />

diese Art von Kontrollen bestanden verschiedene<br />

Inspektionsämter, die regelmässige Lokalisierungen<br />

auf den fürstlichen Herrschaften vorzunehmen<br />

hatten. Die herrschaftliche Ökonomie im Fürsten-<br />

13) Hauptinstruktion von 1838, §§ 120 und 121.<br />

14) ebda. § 123.<br />

15) Verordnung betr. Form der Eingaben vom 10. 6. 1815. LLA RB<br />

Fasz. G 1.<br />

16) Hauptinstruktion von 1838, § 123.<br />

17) ebda. § 129<br />

18) Als 1842 erstmals ein Fürst sein Fürstentum besuchte, weilte<br />

eine Hofkommission mit Wirtschaftsrat Maximilian Kraupe während<br />

60 Tagen im Land. Kostenabrechnung vom 14. 3. 1843. LLA RC<br />

75/37.<br />

19) Dienstinstruktion von 1719, Caput V, § 1. LLA AM 4.<br />

20) Vgl. Stolz, Grundriss der österreichischen Verfassungsgeschichte,<br />

S. 163.<br />

21) Hauptinstruktion von 1838, § 125.<br />

22) Nach der Hauptinstruktion von 1838 sollte auf den fürstlichen<br />

Herrschaften auch eine ökonomische Abteilung geführt werden. Dafür<br />

war die herrschaftliche Ökonomie in Vaduz offenbar aber zu unbedeutend.<br />

Hauptinstruktion von 1838, § 120.<br />

23) RA an Fürst am 25. 3. 1860. LLA RC 106/228.<br />

24) HK an OA am 31. 12. 1831. LLA NS 1830-39.<br />

25) ebda.<br />

26) ebda.<br />

27) Geiger, S. 251.<br />

61


tum hingegen erschien der Hofkanzlei als zu unbedeutend,<br />

um regelmässig solche Kontrollen durchführen<br />

zu lassen. Das Fürstentum war weit entfernt<br />

und die Entsendung einer Untersuchungskommission<br />

teuer.<br />

Die wichtigste Kontrolle der Tätigkeit des Oberamtes<br />

in Vaduz ergab sich aus der jährlichen Überprüfung<br />

der rentamtlichen Rechnungsbücher durch<br />

die Buchhaltung in Butschowitz. Der Rentmeister<br />

hatte sich bei der Rechnungsführung an die auf den<br />

fürstlichen Herrschaften gültigen Rechnungsinstruktionen<br />

zu halten und jede Ausgabe zu begründen.<br />

Die Kontrolle der Rentrechnungen (und der seit<br />

1844 separat geführten Staatsrechnungen) gab keinerlei<br />

Aufschluss über die Genauigkeit und Regelmässigkeit<br />

der oberamtlichen Amtshandlungen. Da<br />

die Herrschaftsbeamten in Österreich, Böhmen<br />

und Mähren in ihren öffentlichen Funktionen von<br />

staatlichen Behörden überprüft wurden, stellte diese<br />

Art von Kontrolle im Fürstentum aus der Sicht<br />

der fürstlichen Hofkanzlei ein völlig neues Problem<br />

dar. Dass eine solche Kontrolle überhaupt erforderlich<br />

war, wurde der Hofkanzlei offenbar erst durch<br />

das Untersuchungsergebnis der 1831 nach Vaduz<br />

gesandten Kommission bewusst. Die Hofkanzlei<br />

zog aus den festgestellten Mängeln beim Oberamt<br />

den Schluss, dass dieses schärfer zu kontrollieren<br />

sei. Sie ordnete an, dass der Landvogt jährlich<br />

Tabellen über alle vorkommenden Verlassenschaftsabhandlungen,<br />

Justiz- und Kriminalfälle<br />

sowie über alle politischen Gegenstände zusammenstellen<br />

und an die Hofkanzlei einsenden sollte.<br />

In diesen Tabellen musste auch festgehalten werden,<br />

welche Fälle bereits erledigt und welche noch<br />

hängig waren. 28<br />

Diese Tabellen sollten verhindern,<br />

dass erneut grosse Geschäftsrückstände auftraten.<br />

29<br />

Inspektionen durch Untersuchungskommissionen,<br />

sogenannte «Lokalisierungen», wurden im Fürstentum<br />

selten vorgenommen, Insgesamt weilten<br />

zwischen 1808 und 1860 lediglich fünfmal Vertreter<br />

der Hofkanzlei im Fürstentum - zweimal davon<br />

anlässlich der ersten beiden Besuche des regierenden<br />

Fürsten in ihrem Fürstentum.<br />

62<br />

Gesamthaft gesehen lässt sich feststellen, dass das<br />

Oberamt - abgesehen von der Rechnungskontrolle<br />

- kaum kontrolliert wurde. Wichtiger als die Kontrolle<br />

über die Beamten war das Vertrauen in die<br />

Beamten.<br />

DER AUSHAU DES ORERAMTES<br />

Von seiner Organisationsform her gesehen erfuhr<br />

das Oberamt zwischen 1808 und 1862 keinen wesentlichen<br />

Ausbau. Abgesehen davon, dass, wie bereits<br />

erwähnt, 1836 ein Waisenamt und 1838 ein<br />

Waldamt eingerichtet wurden, wurden in diesem<br />

Zeitraum keine neuen Ämter geschaffen. Der zunehmend<br />

bürokratische Verwaltungsstil erforderte<br />

jedoch zumindest einen personellen Ausbau. 1808<br />

beschäftigte das Oberamt drei Beamte, 1860 waren<br />

es neun. Dieser Ausbau, der im folgenden Kapitel<br />

dargestellt werden soll, verlief keineswegs geradlinig.<br />

Ein wesentlicher Bestandteil der Verwaltungsreform<br />

von 1808 bildete die Ersetzung der bis dahin<br />

in Vaduz tätigen Beamten. Hofrat Hauer beschrieb<br />

den alten Menzinger als einen «ehrlichen, aber<br />

<strong>äu</strong>sserst unwissenden, schläfrigen und decrepiten<br />

Landvogt, der hinter dem Ofen brütet, und lange<br />

Weile braucht, bis seine zitternde Hand einen<br />

Buchstaben darnieder schreibt, er gar nicht verstehet,<br />

was der Geschäftszug und (die) Ordnung erheischet.»<br />

30<br />

In ähnlicher Weise zog er über den Amtsschreiber<br />

Kirchthaler her: Er gehe bloss irgendwelchen<br />

Tr<strong>äu</strong>mereien nach und wolle sich an den<br />

Kriegsschulden auf Kosten des Landesfürsten bereichern.<br />

Für Rentmeister Schmieth hingegen, der<br />

erst seit zwei Jahren in Vaduz weilte, fand er anerkennende<br />

Worte: Er habe in dieser kurzen Zeit<br />

einen grossen Teil der ausstehenden Renten eingetrieben,<br />

zeige Initiative und bemühe sich «durch<br />

seinen Einfluss die bisher an der Tagesordnung ge­<br />

3 1<br />

standenen Willkürlichkeiten zu hemmen».<br />

Nach Ansicht Hauers mussten «Beamte voll Kenntniss<br />

der österreichischen Manipulation und mit<br />

dem besten Willen» nach Vaduz versetzt werden,<br />

wenn die Reorganisation des Landes Erfolg haben


sollte. Auf den Antrag Hauers wurde denn auch im<br />

Oktober 1808 Landvogt Menzinger pensioniert und<br />

der Amtsschreiber entlassen. Wie es Hauer vorgeschlagen<br />

hatte, wurden zwei junge Beamte von<br />

den fürstlichen Herrschaften nach Vaduz versetzt.<br />

Neuer Landvogt wurde Joseph Schuppler, Grundbuchführer<br />

und Gerichtsaktuar wurde dessen<br />

Schwager Peter Zelinka. Rentmeister Schmieth<br />

wurde bestätigt und erhielt «als Zeichen der höchsten<br />

Zufriedenheit» eine jährliche Gehaltszulage<br />

von 75 Gulden. 32<br />

Zielte diese Umbesetzung auf eine Verbesserung<br />

der Funktionsfähigkeit ab, so wurde diese bereits<br />

1815/16 wieder rückgängig gemacht. Die Vorgeschichte<br />

und Hintergründe lassen sich aus den Akten<br />

im Landesarchiv in Vaduz nicht im Detail erschliessen,<br />

insgesamt ergibt sich aber folgendes<br />

Bild: Die Spannungen, die zwischen Menzinger und<br />

Schmieth bestanden hatten, setzten sich auch unter<br />

Schuppler und Schmieth fort. So wurde Landvogt<br />

Schuppler 1814 bei der Hofkanzlei angezeigt,<br />

weil er seine Dienstpflicht nicht einhalte. 33<br />

Die Hofkanzlei<br />

wollte zwar den Namen des Anzeigers nicht<br />

bekanntgeben - sie behauptete, es sei eine «anonimische<br />

mit verstellter Hand niedergeschriebene<br />

Anzeige» 34<br />

eingegangen - doch musste diese Anzeige<br />

vom Rentmeister stammen, da niemand ausser<br />

den Beamten in Vaduz die Dienstinstruktion<br />

von 1808 so genau kennen konnte. Es ist auch<br />

kaum anzunehmen, dass die Hofkanzlei einer anonymen<br />

Anzeige grosse Bedeutung beigemessen<br />

hätte. Bald darauf verzeigte Schuppler den Rentmeister,<br />

weil dieser sich subordinationswidrig benehme<br />

und nachmittags nie in der Kanzlei erscheine.<br />

35<br />

Diese Vorgeschichte war insofern wichtig,<br />

als man sich in Wien 1815 darum bemühte, die<br />

gesamte fürstliche Verwaltung zu reorganisieren;<br />

von diesen Bemühungen wurde auch das Fürstentum<br />

betroffen: Schuppler hatte eine ausführliche<br />

Beschreibung des ganzen Fürstentums anzufertigen.<br />

36<br />

Dieser Beschreibung entnahm die Hofkanzlei<br />

offenbar, dass die bescheidene Ökonomie im Fürstentum<br />

nicht den Einsatz von drei qualifizierten<br />

Beamten erforderte. Jedenfalls wurde Rentmeister<br />

Schmieth, der sich durch, sein rücksichtsloses Ein­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />

treiben der Rentresten 37<br />

und durch seine saubere<br />

Rechnungsführung ausgezeichnet hatte, auf den<br />

1. Oktober 1815 als Rechnungsrat in die Buchhaltung<br />

befördert.<br />

Nach seiner Versetzung befragte ihn die Hofkanzlei<br />

offenbar, wie sich die Verwaltung des Fürstentums<br />

vereinfachen liesse. 38<br />

Was Schmieth vorschlug,<br />

lässt sich aus den folgenden Reformen erschlies-<br />

28) HK an OA am 31. 12. 1831, LLA NS 1830-31.<br />

29) Ob diese Tabellen tatsächlich regelmässig eingesandt wurden,<br />

lässt sich nicht feststellen. In Vaduz sind sie jedenfalls nicht vollständig.<br />

Justiztabellen LLA RC 51/1. Tabellen der unerledigten politischen<br />

Gegenstände LLA RC 51/2. Tabellen über Kriminaluntersuchungen<br />

LLA RC 51/3. Tabellen über schwere Polizeiübertretungen<br />

LLA RC 51/4.<br />

30) Bericht Mauers über das Fürstentum Liechtenstein aus dem<br />

Jahre 1808. Photokopie im LLA.<br />

31) ebda.<br />

32) HK an Rentmeister Schmieth am 16. September 1808. LLA RB<br />

Fasz. B3.<br />

33) Die Anklagepunkte gehen aus einem Schreiben der HK vom<br />

22. Juni 1814 hervor: 1. Die Steuern wurden nach der althergebrachten<br />

Weise eingetrieben und nicht durch das Rentamt. 2. Die<br />

Gemeinderechnungen wurden nicht vorschriftsgemäss kontrolliert.<br />

3. Die Lizitationen (Versteigerungen) wurden von den Gemeindevorstehern<br />

und nicht vom Oberamt vorgenommen. 4. Die obrigkeitliche<br />

Ökonomie wurde vernachlässigt. 5. Die Volks- und Viehzählungen<br />

wurden nicht jährlich vorgenommen. 6. Es bestand keine Feuerlöschordnung.<br />

Diese Anschuldigungen stellten klare Verstösse gegen<br />

die Dienstinstruktion von 1808 fest. Landvogt Schuppler rechtfertigte<br />

sich gegenüber der Hofkanzlei damit, dass er den Umständen angemessen<br />

vorgehe. Schuppler an HK am 22. 6. 1814. LLA RB Fasz.<br />

B 2.<br />

34) HK an OA am 27. 7. 1814. LLA RB Fasz. B 2.<br />

35) Der Rentmeister behauptete, er müsse «nachmittags bei seinen<br />

Kindern den Schulmeister machen». Schuppler an HK am 7. Dezember<br />

1814. LLA RB Fasz. 2.<br />

36) Schuppler, «Beschreibung des Fürstenthums Liechtenstein».<br />

Veröffentlicht von A. Ospelt im JBL 1975.<br />

37) 1808 bezifferte Hauer die Rentresten mit über 100 000 Gulden.<br />

Bericht Hauer über das Fürstentum Liechtenstein. Schuppler schrieb<br />

später, dass die Untertanen unter Schmieth an eine strenge Eintreibung<br />

gewohnt gewesen seien und deshalb auch gezahlt hätten.<br />

Schuppler an Fürst am 17. September 1824. LLA RB Fasz. R 1.<br />

38) Schuppler bat am 24. November 1824 den Fürsten, er möge<br />

nicht auf die Meinung Schmieths achten, da schon dessen frühere<br />

Vorschläge keinen andern Zweck verfolgt hätten, «als um mir mein<br />

Dasein als Mensch zu verbittern, mich an meiner Ehre zu verkleinern<br />

und mir die Anerkennung meiner Verdienste ... zu verkleinern.»<br />

LLA RB Fasz. R 1.<br />

63


sen: Die Hofkanzlei versetzte 1816 Grundbuchführer<br />

Zelinka auf eine andere Herrschaft und beschloss,<br />

diese Stelle sowie jene des Rentmeisters<br />

nicht mehr mit «wirklichen Beamten», sondern mit<br />

blossen Schreibern zu besetzen. Statt der beiden<br />

qualifizierten Beamten wurden zwei ortsansässige<br />

Hintersassen eingestellt. Die Aufgaben des Rentmeisters<br />

wurden dem bisherigen Hauptzolleinnehmer<br />

Joseph Goldner zugewiesen, der den Rang<br />

eines einfachen Rentschreibers erhielt und in seiner<br />

neuen Funktion auch die Grundbücher führen<br />

sollte. Zum neuen Amtsschreiber wurde der 1808<br />

als ungenügend eingestufte und deshalb entlassene<br />

Ludwig Kirchthaler bestimmt, der auch den Dienst<br />

des Hauptzolleinnehmers zu versehen hatte. 39<br />

Landvogt Schuppler soll mit diesen Umbesetzungen<br />

nicht einverstanden gewesen sein. 40<br />

Diese Umbesetzungen zeigen, dass die Verwaltung<br />

des Fürstentums Liechtenstein als eine einfache<br />

Sache angesehen wurde. Mit den Umbesetzungen<br />

wurde vor allem eine Verminderung der Besoldungskosten<br />

angestrebt: Der Rentschreiber erhielt<br />

genau die Hälfte dessen, was der Rentmeister erhalten<br />

hatte. 41<br />

Der Amtsschreiber erhielt zwei Drittel<br />

vom Gehalt des früheren Grundbuchführers und<br />

dazu 2 V2 Prozent von den Zolleinnahmen. Das fixe<br />

Geldgehalt, das bisher der Hauptzolleinnehmer erhalten<br />

hatte, wurde eingespart, da für diesen<br />

Dienst kein eigener Diener mehr angestellt war. 42<br />

Insgesamt verringerten sich die Besoldungskosten<br />

in Vaduz um 600 Gulden im Jahr.<br />

Die Nachteile dieser Umbesetzungen zeigten sich<br />

rasch. Goldner und Kirchthaler waren ihren Aufgaben<br />

in keiner Hinsicht gewachsen. Kirchthaler<br />

kränkelte seit November 1817 und starb am 4. Juni<br />

1819. 43<br />

Nach seinem Tod wurde er durch Johann<br />

Peter Rheinberger ersetzt, der kein ausgebildeter<br />

Beamter war. Für die Ernennung Rheinbergers<br />

war wohl ausschlaggebend, dass von dieser Familie<br />

bereits seit drei Generationen der Dienst des<br />

Oberamtsboten ausgeübt wurde. Da die Hofkanzlei<br />

einem unerfahrenen Ortsbürger den Posten eines<br />

Amtsschreibers verlieh, hielt sie die Verwaltung<br />

des Fürstentums offenbar immer noch für eine<br />

leichte Angelegenheit.<br />

64<br />

Rentschreiber Goldner wurde von Landvogt<br />

Schuppler als ein Mann beschrieben, dessen moralische<br />

Integrität nicht in Frage stand, der aber den<br />

Aufgaben eines Rentmeisters in keiner Weise gewachsen<br />

war. Sein komplizierter Arbeitsstil führte<br />

rasch zu grossen Rückständen beim Grundbuchamt<br />

und in der Rechnungsführung. Er sandte die<br />

jährlich verlangten Rechnungsausweise regelmässig<br />

zu spät ein und liess die Rentresten bis 1825 auf<br />

über 17 000 Gulden anwachsen. 44<br />

1825 wurde er<br />

pensioniert und durch einen qualifizierten Beamten<br />

ersetzt.<br />

Mit der Ernennung von Franz Schmid begann eine<br />

Phase des kontinuierlichen Ausbaus des Oberamtes.<br />

1827 wurde Landvogt Schuppler durch Peter<br />

Pokorny ersetzt, in den man offenbar die Erwartung<br />

setzte, dass er sich mit viel Initiative für eine<br />

Verbesserung der Oberamtsverwaltung einsetze.<br />

Tatsächlich begann er auch schon in seinem ersten<br />

Amtsjahr mit dem Aufbau einer Landespolizei. Er<br />

erarbeitete ein neues Schulgesetz und versuchte<br />

das Verhältnis zwischen Staat und Kirche grundsätzlich<br />

zu regeln. Pokorny verlangte auch bereits<br />

1828 die Anstellung eines weiteren Amtsschreibers,<br />

um die Amtsgeschäfte ordnungsgemäss erfüllen<br />

zu können. 45<br />

Die Hofkanzlei wollte zwar die Anstellung<br />

eines weiteren Beamten nicht bewilligen,<br />

liess sich dann aber doch von Pokorny überzeugen,<br />

dass die Beamten in Vaduz völlig überlastet waren<br />

und daraus grosse Geschäftsrückstände entstehen<br />

mussten. Neuer Amtsschreiber wurde Johann<br />

Strak, dem bisherigen Amtsschreiber Rheinberger<br />

wurde die Führung der Grundbücher zugewiesen.<br />

Bereits 1832 bat Pokorny um die Anstellung eines<br />

weiteren Schreibers. Er begründete diese Bitte damit,<br />

dass teilweise 20 bis 30 Jahre zurückliegende<br />

Geschäfte noch immer unerledigt seien. Zum Vergleich<br />

der Beamtenzahlen erwähnte Pokorny, dass<br />

in einem Vorarlberger Bezirk «in ziemlich gleichen<br />

local Verhältnissen» und etwa der doppelten Bevölkerungszahl<br />

14 Beamte allein für die politische Verwaltung<br />

und die Justiz angestellt seien, während in<br />

Vaduz mit nur vier Beamten auch die herrschaftliche<br />

Ökonomie und die Zollangelegenheiten bewältigt<br />

werden müssten. 46


Den Mangel an Schreibern beklagte auch Landvogt<br />

Michael Menzinger. Um die Dringlichkeit der Anstellung<br />

eines weiteren Schreibers zu unterstreichen,<br />

schrieb er 1836 an die Hofkanzlei, dass die<br />

Beamten seit einigen Jahren durch Aussenstehende<br />

Abschriften auf eigene Kosten erstellen lassen<br />

mussten. 47<br />

Die Hofkanzlei bewilligte schliesslich,<br />

dass der Schaaner Lehrer Sebastian Dünser<br />

als provisorischer Kanzlist angestellt wurde. 1838<br />

bat der Landvogt, Sebastian Dünser definitiv anzustellen.<br />

Er begründete diese Bitte damit, dass das<br />

Bemühen, die Dienstvorschriften und die Gesetze<br />

genau zu erfüllen, für die Beamten eine immer<br />

grössere Belastung darstellte. Besonders beim<br />

Rent- und Grundbuchamt werde eine immer grössere<br />

Genauigkeit verlangt. 48<br />

Die Hofkanzlei bewilligte<br />

darauf die Schaffung einer weiteren Beamtenstelle.<br />

Ein Anliegen, dem Fürst Alois besonderes Verständnis<br />

entgegenbrachte, war die Verbesserung<br />

der Waldwirtschaft. Bis 1837 führte jeweils ein Jäger<br />

die Aufsicht über die obrigkeitlichen Wälder.<br />

Als Menzinger 1837 vorschlug, einen Mann mit ordentlichen<br />

Forstkenntnissen nach Vaduz zu versetzen,<br />

stimmte der Fürst diesem Vorschlag sogleich<br />

zu. Er versetzte 1838 Joseph Gross als Gehegbereiter<br />

nach Vaduz und schuf so eine weitere Beamtenstelle.<br />

49<br />

1848 richtete sich der Unmut der Untertanen gegen<br />

die fremden Beamten. Die Nachrichten über meuternde<br />

Truppen in Sigmaringen wurden in Liechtenstein<br />

mit Wohlgefallen aufgenommen. Die<br />

Liechtensteiner forderten die völlige Abschaffung<br />

des Militärs. Die Offiziere des liechtensteinischen<br />

Kontingentes - drei Ausländer - Hessen sich noch<br />

rechtzeitig beurlauben und konnten sich so vor einer<br />

bereits beschlossenen schimpflichen Vertreibung<br />

retten. 50<br />

Von den Beamten hatte sich der<br />

Kanzlist Johann Langer, der die Untertanen bei<br />

Wuhr- und Strassenbauten h<strong>äu</strong>fig zu beaufsichtigen<br />

hatte, besonders verhasst gemacht. Durch sein<br />

arrogantes Auftreten und seine spöttischen Reden<br />

soll er die Untertanen h<strong>äu</strong>fig gereizt haben. Am<br />

15. April 1848 versammelte sich ein «Revolutionszug»,<br />

der Langer in der Kanzlei in Vaduz abholte<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />

und ihn unter Spott und Trommelschlagen 51<br />

an die<br />

österreichische Grenze stellte. Der Waldbereiter Joseph<br />

Gross flüchtete daraufhin mit seiner Familie<br />

nach Buchs und der Amtsschreiber Fridolin Müller<br />

nach Feldkirch. 52<br />

Gross und Müller kehrten zwar<br />

noch einmal kurz nach Vaduz zurück, als sich die<br />

Unruhen etwas gelegt hatten, verliessen aber im<br />

Sommer 1848 das Land endgültig.<br />

Die 1848er Bewegung führte zu einem eigentlichen<br />

Einbruch in der staatlichen Verwaltung. Die Stellen<br />

der drei vertriebenen Beamten wurden nicht mehr<br />

besetzt. Das Regierungsamt, wie das Oberamt<br />

nun genannt wurde, bestand wie zu Beginn des<br />

39) HK an OA am 3. August 1816. LLA RB Fasz. B 3.<br />

40) Schuppler an Fürst am 24. November 1824. LLA RB Fasz. R 1.<br />

41) Schmieth erhielt jährlich 599 Gulden Bargeld und folgende Naturalien:<br />

24 Viertel Körner, 30 Viertel Türken, 60 Viertel Wein, 50<br />

Viertel Schmalz, 16 Klafter Holz. Goldner erhielt noch 300 Gulden<br />

Bargeld, 12 Viertel Spelzkörner, 6 Viertel Gerstenkorn, 15 Viertel<br />

Türken, 20 Viertel Wein, 8 Klafter Holz. HK an OA am 3. August<br />

1816. LLA RB Fasz. 3.<br />

42) Zelinka erhielt 300 Gulden Bargeld, Kirchthaler 200 Gulden.<br />

Kirchthaler erhielt die gleichen Naturalien wie der Rentschreiber.<br />

Die fixe Geldentschädigung, die der Hauptzolleinnehmer bis dahin<br />

erhalten hatte, wurde eingespart. Div. Akten im LLA RB Fasz. B 3.<br />

43) OA an HK. LLA RB Fasz. B 3.<br />

44) OA an Fürst am 2. September 1825, LLA RB Fasz. R 1.<br />

45) Korrespondenz über die Anstellung eines weiteren Beamten in<br />

LLA RC 5/29.<br />

46) Pokorny an Fürst am 25. März 1832. LLA RC 24/4<br />

47) Menzinger an Fürst am 1. Juli 1836. LLA RC 52/ 8.<br />

48) Menzinger an Fürst am 21. Februar 1838, LLA RC 52/8.<br />

49) Korrespondenz über die Anstellung des Waldamtsbeamten in<br />

LLA RC 58/2.<br />

50) Geiger, S. 74.<br />

51) Gustav Matt beschrieb die Vertreibung des Beamten Langer<br />

nach der mündlichen Überlieferung: «Vor einem Gasthaus in Schaan<br />

machten die Burschen halt, um einen Trunk zu nehmen. Hier war<br />

es, wo diese Jungburschen dem hochmütigen Beamten, dem Verachter<br />

des Volkes, eine empfindliche Demütigung bereiteten. Angesichts<br />

des zusammenströmenden Volkes stellten sie ihn vor eine Futterkrippe<br />

mit Heu und sagten: Dann führten sie<br />

ihn vor den nächsten Dorfbrunnen und hier hiess es: Hernach zog die Schar der Grenze zu.» Gustav Alfons Matt,<br />

Der Trümmelihans von Balzers. LLA Sammlung Matt.<br />

52) Geiger, S. 77.<br />

65


19. Jahrhunderts lediglich aus drei Beamten: dem<br />

Landesverweser (neue Bezeichnung für Landvogt),<br />

dem Rentmeister und dem Grundbuchführer. Diese<br />

drei Beamten waren keineswegs in der Lage, die<br />

amtlichen Handlungen vorschriftsgemäss durchzuführen.<br />

So schrieb etwa Landesverweser Menzinger<br />

1850 an den Fürsten, dass er nicht in der Lage<br />

sei, die von der Hofkanzlei geforderten Ausweise<br />

einzusenden. Da es in Vaduz keinen Amtsschreiber<br />

gebe, müsse er alles selbst erledigen. 53<br />

Die allgemeine<br />

Stimmung nach 1848 und der Mangel an Beamten<br />

machten es bis in die 1850er Jahre unmöglich,<br />

den strengen Zentralismus in der Gemeindeverwaltung<br />

aufrechtzuerhalten. H<strong>äu</strong>fig blieb dem<br />

Regierungsamt nichts anderes übrig, als die Gemeindevorsteher<br />

gewähren zu lassen. In späteren<br />

Jahren wurde dann insbesondere bedauert, dass<br />

die Gemeindewaldungen und die Gemeindefinanzen<br />

in völlige Unordnung geraten seien.<br />

Aus der Sicht der fürstlichen Hofkanzlei war es besonders<br />

schlimm, dass der Rentmeister seinen<br />

Pflichten nicht mehr nachkommen konnte. In den<br />

unmittelbar auf 1848 folgenden Jahren gingen<br />

beim Rentamt kaum mehr Zahlungen ein, die Ausstände<br />

stiegen rasch an. David Rheinberger, der<br />

Sohn des Rentmeisters, erinnerte sich später an<br />

diese Zeit: «Die Leute waren verarmt, in Schulden<br />

gerathen und theilweise sittlich verwildert. Aerarische<br />

oder öffentliche Schulden zu bezahlen, verstiess<br />

gegen ihren Begriff von Freiheit. Zwangsmittel,<br />

sie einzutreiben, standen dem Rentmeister keine<br />

zu Gebot und der Landvogt oder Landesverweser,<br />

wie er nun hiess, war ein Mann ohne Energie<br />

und mochte sich auch nicht gerne mit dem Volk<br />

verfeinden.» 54<br />

Rentmeister Rheinberger wurde von<br />

der Hofkanzlei immer wieder ermahnt und auch<br />

mit Geldstrafen gebüsst. 55<br />

Im April 1854 wurde<br />

eine Untersuchungskommission nach Vaduz entsandt,<br />

die die Missstände untersuchen sollte. Diese<br />

stellte fest, dass die Rechnungsbücher nicht mit<br />

dem Kassastand übereinstimmten und dass ein Teil<br />

der ausstehenden Gelder uneinbringlich geworden<br />

war. Den Verlust dieser Gelder musste der Rentmeister<br />

aus seinem Privatvermögen decken und<br />

66<br />

«eine zusammenhängende Fläche guten Kulturbodens<br />

von rund 10 000 Quadratklaftern dem Fürsten<br />

abtreten.» 56<br />

Neben dem Rentmeister soll auch der Landesverweser<br />

zum Ersatz der verlorenen Gelder verurteilt<br />

worden sein. 57<br />

Dem Rentmeister wurde die Verrechnung<br />

der staatlichen Gelder abgenommen, und<br />

der als Untersuchungsbeamte angereiste Johann<br />

Bachör als Landeskassenverwalter angestellt. Rentmeister<br />

Rheinberger wurde 1857 frühzeitig pensioniert.<br />

Während der Aufwand für die Landesverwaltung<br />

nach 1848 vorerst auf ein Minimum beschränkt<br />

wurde, erfolgte nach dem Abschluss des Zoll- und<br />

Steuervertrages mit Österreich im Jahre 1852 ein<br />

rascher Ausbau. Da sich fürstliche Herrschaftsbeamten<br />

nach den Ereignissen von 1848 dagegen<br />

str<strong>äu</strong>bten, nach Vaduz versetzt zu werden, 58<br />

wurde<br />

1851 Markus Kessler, ein Rechtspraktikant aus<br />

dem Fürstentum Sigmaringen, als Amtsschreiber<br />

angestellt. Die Verbesserung der staatlichen Finanzlage<br />

durch den Zollvertrag ermöglichte die<br />

Anstellung neuer Beamter. Von 1851 bis 1856 wurde<br />

die Zahl der Beamten (ohne Polizeimänner)<br />

durch die Anstellung eines Försters, zweier Kanzlisten,<br />

des Rechtspraktikanten Kessler, des Landeskassenverwalters<br />

Bachör und eines Waldamtsgehilfen<br />

von drei auf neun erhöht. Landesverweser<br />

Menzinger hielt darauf das Kanzleipersonal für<br />

ausreichend. 59<br />

Die Vergrösserung der Zahl der Beamten machte<br />

auch eine Erweiterung der Amtsr<strong>äu</strong>me nötig. Im<br />

19. Jahrhundert mussten die Beamten die amtlichen<br />

Verhörtage auf dem Schloss abhalten, 60<br />

während sie die alltäglichen Arbeiten offenbar bei<br />

sich zu Hause verrichteten. Das erhaben über dem<br />

Dorf gelegene Schloss sollte die Autorität und das<br />

Ansehen des Amtes stärken. Die Dienstinstruktion<br />

von 1808 schrieb vor, dass die Beamten alle Amtshandlungen<br />

in einer gemeinschaftlichen Kanzlei<br />

vornehmen mussten. 61<br />

Diese Kanzlei und das Archiv<br />

wurden in der Landvogtei oder im sogenannten<br />

Amtshaus eingerichtet. Mit dem personellen<br />

Ausbau entstand ein zunehmender Platzmangel.<br />

1838 bat Landvogt Menzinger dringend um den


Bau neuer Kanzleir<strong>äu</strong>me. Er beschrieb die Arbeitsbedingungen<br />

für die Beamten folgendermassen:<br />

«E.D. werden sicher nicht verkennen, dass ein einziges<br />

Zimmer nebst damit verbundenem Archiv,<br />

wohin eigentlich Partheyen nicht kommen sollten,<br />

für sämtliche Beamte gewiss etwas sehr unzukömmliches<br />

seye, indem in ein u. demselben Locale<br />

der Eine nicht Untersuchungen u. Tagfahrten<br />

usw., der Zweyte daneben Rechnungs und Geldsachen,<br />

der Dritte Grundbuchs und Verlassenschaftsverhandlungen,<br />

und die Übrigen Kanzell- und Registratur-Geschäfte<br />

in Conspectu Populi - da kein<br />

Wart oder Partheyzimmer besteht - ohne gegenseitige<br />

empfindliche Geschäftsstörung vornehmen<br />

könne.» 62<br />

Für den Bau zusätzlicher Amtsr<strong>äu</strong>me<br />

war jedoch kein Geld vorhanden. Den Beamten<br />

blieb nichts anderes übrig, als sich irgendwie zu<br />

arrangieren. Der Landvogt verwendete schliesslich<br />

eines seiner privaten Zimmer für sich als Kanzlei,<br />

der Grundbuchführer richtete sich im Archivraum<br />

ein und die Parteien wurden angewiesen, im Hausgang<br />

zu warten. 63<br />

Waldbereiter Gross richtete für<br />

das Waldamt eine eigene Kanzlei bei sich zu Hause<br />

ein. 64<br />

Der Platzmangel wurde nach 1852 erneut<br />

akut. 1856 forderte Menzinger weitere Amtsr<strong>äu</strong>me,<br />

da «eine Amtierung, zumal in einem mit<br />

Tischen, Kästen und Schriften so angepfropften<br />

Zimmer, dass man sich nicht mehr rühren kann,<br />

nicht weiter möglich» 65<br />

sei. Menzinger erwartete<br />

von einer Verteilung der Kanzleir<strong>äu</strong>me auf verschiedene<br />

H<strong>äu</strong>ser überdies negative Auswirkungen,<br />

ebenso glaubte er, dass sich das Land den Bau<br />

eines neuen Amtshauses nicht leisten könne. Den<br />

einzigen Ausweg sah er darin, die fürstliche Taverne,<br />

die nach dem Abschluss des Zollvertrages<br />

für den Absatz des herrschaftlichen Weins nicht<br />

mehr unbedingt benötigt wurde, in Amtsr<strong>äu</strong>me<br />

umzubauen. Fürst Alois II. stimmte diesem Vorschlag<br />

zu, 66<br />

worauf das heutige Landesmuseum als<br />

Amtshaus bzw. Regierungsgeb<strong>äu</strong>de eingerichtet<br />

wurde.<br />

Versucht man die Entwicklung des Oberamtes in<br />

der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beurteilen,<br />

so muss vor allem hervorgehoben werden,<br />

dass die Vermischung von staatlichen und herr­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />

schaftlichen Elementen eine Modernisierung behinderten.<br />

Die Grundsätze in der fürstlichen Güterverwaltung<br />

wurden oft ungeprüft und schematisch<br />

auf das Fürstentum Liechtenstein übertragen. Die<br />

Entscheidungskompetenzen des Oberamtes waren<br />

gering. Die Hofkanzlei entschied oft ohne jede Lokalkenntnisse.<br />

53) Menzinger an Fürst am 10. 7. 1850. LLA RC 99/1.<br />

54) David Rheinberger. Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />

FamArh.<br />

55) Schreiben der HK vom 13. August 1851 und 4. August 1852.<br />

LLA RC 88/4.<br />

56) Rudolf Rheinberger, Fortsetzung zu David Rheinbergers .<br />

FamArh.<br />

57) Moritz Menzinger, Die Menzinger im Fürstentum Liechtenstein,<br />

S. 44.<br />

58) ebda. S. 41. - Moritz Menzinger schreibt, dass sich von den<br />

fürstlichen Herrschaftsbeamten niemand in das «übel verschriene<br />

Land» versetzen lassen wollte.<br />

59) Menzinger an Fürst am 7. August 1856. LLA RC 104/110.<br />

60) Dienstinstruktionen von 1719 und 1748. Wie Anm. 7. Beschreibung<br />

des Fürstentums Liechtenstein von 1784. LLA Kopie o. S.<br />

61) Dienstinstruktion von 1808, Art. 14. LLA RB Fasz. G 1.<br />

62) Menzinger an Fürst am 24725. März 1838. LLA RC 60/14.<br />

63) Moritz Menzinger, Die Menzinger in Liechtenstein S. 37.<br />

64) Mietvertrag vom 22. 11. 1847. LLA RC 58/2.<br />

65) Menzinger an Fürst am 7. August 1856. LLA RC 104/110.<br />

66) HK an Menzinger am 21. November 1856. LLA RC 104/110.<br />

67


Besoldungstabelle für<br />

die fürstlichen Beamten<br />

und Diener in Vaduz,<br />

vermutlich 1848.<br />

Transkription S. 77<br />

68<br />

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VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />

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69


Das Beamtenverhältnis<br />

als ein zweiseitiges<br />

Treueverhältnis<br />

Bei der Frage, mit welchen Mitteln der absolutistische<br />

Herrschaftsanspruch durchgesetzt wurde,<br />

Hessen sich in Analogie zu andern Ländern drei<br />

Antworten denken: Armee, Kirche und Beamte.<br />

Was die Armee betrifft, so wurde nie an einen Einsatz<br />

des Truppenkontingentes zur Erhaltung von<br />

Ruhe und Ordnung im Fürstentum selbst gedacht.<br />

Offenbar hielten die Fürsten die Gefahr, dass die<br />

Soldaten mit den eigenen Landsleuten fraternisieren<br />

könnten, für zu gross. Mit der Bildung eines eigenen<br />

Truppenkontingents erfüllte Liechtenstein lediglich<br />

eine ungeliebte Bundespflicht - ungeliebt<br />

vor allem wegen der beträchtlichen finanziellen Belastung,<br />

die daraus resultierte. Im übrigen hielt<br />

Fürst Alois II. wenig von diesem Truppenkontingent,<br />

das er als die «erbärmlichste Armee» und als<br />

«kostspieligen Nonsens» 1<br />

bezeichnete. In Krisensituationen<br />

vertrauten die Fürsten stets auf die militärische<br />

Hilfe Österreichs. Der Einsatz österreichischer<br />

Truppen, der in den Jahren 1831, 1848 und<br />

1852 für den <strong>äu</strong>ssersten Notfall vorgesehen war,<br />

wurde jedoch nie nötig.<br />

Die katholische Kirche stellte zweifellos eine wichtige<br />

Machtstütze dar, obwohl sie sich zu Beginn des<br />

19. Jahrhunderts gegen staatliche Eingriffe in<br />

kirchliche Belange und gegen ein neues Eherecht<br />

wehrte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entdeckten<br />

Staat und Kirche jedoch mehr und mehr gemeinsame<br />

Interessen, so etwa wenn Nichtkatholiken<br />

prinzipiell vom liechtensteinischen Staatsgebiet<br />

ferngehalten wurden. Eine grundsätzliche Übereinstimmung<br />

zwischen Staat und Kirche <strong>äu</strong>sserte sich<br />

auch darin, dass am Geburtstag und am Namenstag<br />

des Fürsten in den Kirchen des Landes ein feierliches<br />

Hochamt mit Tedeum abgehalten wurde,<br />

wobei für die lange Erhaltung des Landesherrn<br />

und des Fürstentums gebetet wurde. 2<br />

Das Verhältnis<br />

Staat - Kirche wird in einem eigenen Kapitel<br />

dargestellt.<br />

Eine aktive Rolle bei der Durchsetzung des landesfürstlichen<br />

Machtanspruchs spielten vor allem die<br />

Beamten. Im folgenden Kapitel geht es darum, die<br />

rechtliche Stellung der Beamten, ihr Verhältnis<br />

zum Fürst und zu den Untertanen zu untersuchen.<br />

70<br />

DIE BEAMTEN ALS FÜRSTENDIENER<br />

Die Beamten standen in der ersten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts in einem persönlichen Treueverhältnis<br />

zum Fürsten. Grundsätzlich war ihre Rolle<br />

die von Fürstendienern und (noch) nicht die von<br />

Staatsdienern. Sie wurden überwiegend aus den<br />

fürstlichen Herrschaftsbeamten rekrutiert, vom<br />

Fürsten persönlich ernannt, auf seine Person vereidigt<br />

und handelten in seinem Auftrag. Sie waren<br />

also in jeder Hinsicht die Vertreter eines souveränen<br />

Monarchen und nicht eines souveränen Volkes.<br />

Der Übergang zum Staatsdienertum zeichnete sich<br />

aber bereits darin ab, dass die Beamten seit Beginn<br />

des 19. Jahrhunderts überwiegend aus Steuergeldern<br />

und nicht mehr aus den fürstlichen Renten<br />

besoldet wurden.<br />

Für die Herrschaftssicherung war von besonderer<br />

Bedeutung, dass das Dienstverhältnis verhinderte,<br />

dass die Beamten in einen Rollenkonflikt zwischen<br />

Fürstendiener und Staatsdiener, wie er sich in andern<br />

deutschen Staaten seit dem aufgeklärten Absolutismus<br />

zunehmend feststellen lässt, gerieten.<br />

Die Beamten in Vaduz wurden mehrheitlich als Untertanen<br />

einer liechtensteinischen Herrschaft geboren<br />

und traten auf einer dieser Herrschaften in<br />

liechtensteinische Dienste. Ihre Tätigkeit in Vaduz<br />

stellte nur einen Abschnitt in ihrer Laufbahn dar.<br />

Aus der einheimischen Bevölkerung im Fürstentum<br />

wurden nur unter besonderen Umständen Beamte<br />

rekrutiert: 1815/16 wurden im Zuge von Sparmassnahmen<br />

Rentmeister Schmieth und Grundbuchführer<br />

Zelinka durch die beiden Hintersassen Kirchthaler<br />

und Goldner ersetzt. Diese beiden standen<br />

zwar schon früher als Diener in fürstlichen Diensten,<br />

waren aber keine qualifizierten Beamten. Bei<br />

der Anstellung von Johann Peter Rheinberger, der<br />

1819 den verstorbenen Kirchthaler ersetzte, galt<br />

offenbar immer noch der Grundsatz, dass die<br />

bescheidenen Erträge des Fürstentums die Anstellung<br />

eines qualifizierten Beamten nicht rechtfertigten.<br />

Von 1820 bis 1848 wurden dann aber keine Liechtensteiner<br />

mehr als Beamte in Vaduz angestellt, obwohl<br />

sich mindestens zwei qualifizierte Personen


darum bewarben: 1831 bat Joseph Anton Rheinberger<br />

als unbezahlter Praktikant eingestellt zu<br />

werden, um bei einer späteren Beamtenveränderung<br />

berücksichtigt zu werden. Rheinberger war<br />

der Sohn eines angesehenen Wirtes, hatte ein juristisches<br />

Studium absolviert und konnte auf einen<br />

einwandfreien sittlichen Lebenswandel hinweisen. 3<br />

Landvogt Pokorny nahm zu dieser Bewerbung keine<br />

Stellung, meinte aber in seinem Begleitschreiben<br />

an die Hofkanzlei, dass Rheinberger vorl<strong>äu</strong>fig<br />

höchstens an Gerichtstagen beim Oberamt beschäftigt<br />

werden sollte, damit das Oberamt an den übrigen<br />

Tagen ungestört Beratungen vornehmen könne.<br />

4<br />

Die Llofkanzlei wies die Bewerbung Rheinbergers<br />

mit der Begründung ab, dass er nicht an einer<br />

österreichischen Universität studiert habe. Sie<br />

machte aber auch gleich klar, dass sich Rheinberger<br />

auch dann kaum Chancen ausrechnen konnte,<br />

wenn er die österreichischen Prüfungen ablegen<br />

sollte. 5<br />

1844 bewarb sich Andreas Falk um eine freigewordene<br />

Kanzlistenstelle. Falk hatte das Gymnasium<br />

in Disentis und die polytechnische Schule in München<br />

besucht, war also ausreichend qualifiziert.<br />

Falk wurde ebenfalls abgewiesen. 6<br />

Die Ausschreitungen<br />

von 1848 gegen die verhassten ausländischen<br />

Beamten bewirkten dann, dass qualifizierte<br />

Liechtensteiner bei der Wiederbesetzung frei gewordener<br />

Beamtenstellen berücksichtigt wurden.<br />

Als sich Landesverweser Menzinger 1850 über den<br />

Mangel an Schreibern beklagte, wurde er angewiesen,<br />

solche aus der einheimischen Bevölkerung anzustellen.<br />

7<br />

1854 wurden David Rheinberger und<br />

1856 (der 1844 abgelehnte) Andreas Falk als Kanzlisten<br />

angestellt. Die beiden Beispiele belegen, dass<br />

nicht die Qualifikation, sondern das Treueverhältnis<br />

bei Anstellungen im Vordergrund stand.<br />

Für die fürstlichen Beamten bis zum Rang des<br />

Rentmeisters wurden keine besonderen fachlichen<br />

Qualifikationen verlangt. Was bei ihnen vor allem<br />

zählte, waren praktische Erfahrung und die Dienstzeit.<br />

Aus den Bestimmungen in der Hauptinstruktion<br />

von 1838 und aus einem Vergleich der Laufbahnen<br />

der nach Vaduz versetzten Beamten lässt<br />

sich folgender typische Ausbildungsgang für die<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />

fürstlichen Beamten herausschälen: Die Aufnahme<br />

in den fürstlichen Dienst erfolgte zunächst als<br />

«Praktikant». Dazu waren folgende Voraussetzungen<br />

notwendig: Neben der Volksschule musste der<br />

Bewerber die «sechs Grammatikal- und Humanitätsklassen<br />

mit gutem Erfolg absolvirt» 8<br />

haben, er<br />

musste also eine gute Allgemeinbildung vorweisen<br />

können, die etwa dem Besuch eines Gymnasiums<br />

entsprach. Allerdings wurden hier auch Ausnahmen<br />

gemacht. Das Mindestalter für einen Praktikanten<br />

betrug 16 Jahre. Der zukünftige Beamte<br />

musste sich mit einem eigenhändig geschriebenen<br />

Gesuch um die Verleihung einer Praktikantenstelle<br />

bewerben, wobei er auch verschiedene Studien-,<br />

Gesundheits- und «Wohlverhaltensausweise» vorzulegen<br />

hatte. Überdies mussten seine Angehörigen<br />

in einem «Sustentations-Revers» erklären,<br />

dass sie bereit waren, für seinen Unterhalt während<br />

der Praktikantenzeit aufzukommen. Besonderes<br />

Gewicht wurde darauf gelegt, dass die Praktikanten<br />

die böhmische Sprache in Wort und Schrift<br />

erlernten. 9<br />

Eine Praktikantenstelle dauerte oft<br />

mehrere Jahre. Der Praktikant erhielt zwar Unterkunft<br />

und Verpflegung, aber kein Gehalt. Nach einigen<br />

Jahren konnte sich ein Praktikant um ein<br />

1) Geiger, S. 359.<br />

2) OA an I.andesgeistlichkeit am 15. Juni 1836. LLA RC 53/5.<br />

3) Joseph Anton Rheinberger wurde 1801 geboren und starb am<br />

4. Dezember 1846. Er war der Sohn des Löwenwirts Rheinberger. Er<br />

besuchte das Gymnasium in Feldkirch (bis 1819), studierte Philosophie<br />

(bis 1823) und anschliessend Rechtswissenschaft (während<br />

sieben Semestern von 1826 bis 1829). Bewerbungsschreiben vom<br />

11. Juli 1831. LLA RC 36/21. 1831 bat er um die Verleihung einer<br />

Beamtenstelle. 1842 bat er um die Zulassung als «Landadvokat»,<br />

d.h. darum, Parteien in Streitsachen vertreten zu dürfen. Er erhielt<br />

aber nur die Erlaubnis, als «Privatagent» tätig zu werden, d.h. er<br />

durfte nur Parteigesuche und Verträge abfassen und für ausländische<br />

Gl<strong>äu</strong>biger Geld einziehen. Menzinger an Fürst am 2. September<br />

1842 und HK an OA am 10. November 1842. LLA RC 36/21.<br />

4) Pokorny an Fürst am 4. August 1831. LLA RC 36/21.<br />

5) HK an OA am 26. August 1831, LLA RC 36/21.<br />

6) HK an OA am 25. 2. 1844. LLA RC 73/2. - Vgl. auch Anhang I.<br />

7) HK an RA am 13. 8. 1850, LLA RC 99/1.<br />

8) Hauptinstruktion von 1838, § 146.<br />

9) ebda. § 146.<br />

71


«Gnadenadjutum» bewerben, das einer Besoldung<br />

gleichkam.<br />

Die Anstellung als Schreiber stellte die zweite Stufe<br />

in der Beamtenlaufbahn dar. Die Beförderung zum<br />

Schreiber war zwar die Regel, einen Anspruch auf<br />

diese Beförderung bestand für Praktikanten jedoch<br />

nicht, da dies allein von ihrem Wohlverhalten und<br />

Diensteifer abhängen sollte. 10<br />

Die Anstellung als<br />

Schreiber dauerte ebenfalls mehrere Jahre und<br />

galt als zusätzliche Ausbildungszeit. Ein Schreiber<br />

wurde einem «wirklichen Beamten» zugeteilt. Das<br />

Gehalt eines Schreibers war so bemessen, dass er<br />

davon leben konnte. Ein Schreiber durfte bei seiner<br />

Anstellung nicht verheiratet sein und durfte in dieser<br />

Stellung auch nicht heiraten. Als Schreiber<br />

wurden im allgemeinen nur Personen eingestellt,<br />

die vorher als Praktikanten auf einer liechtensteinischen<br />

Herrschaft gedient hatten, ausnahmsweise<br />

konnten jedoch auch besonders gut qualifizierte<br />

«Fremde» eingestellt werden.<br />

Der Aufstieg zum «wirklichen Beamten» - als solche<br />

galten alle Beamten vom Rang eines Revierjägers<br />

und Amtsschreibers an aufwärts - erfolgte unter<br />

Berücksichtigung der Dienstjahre, der erwiesenen<br />

Fähigkeiten, der Diensttreue und des moralischen<br />

Lebenswandels. Über die Anstellung und Ernennung<br />

von Praktikanten und Schreibern konnte<br />

die fürstliche Hofkanzlei entscheiden, über die Ernennung,<br />

Beförderung oder Versetzung von «wirklichen<br />

Beamten» entschied der regierende Fürst<br />

persönlich. 11<br />

Damit wurde unterstrichen, dass das<br />

Beamtenverhältnis ein persönliches Treueverhältnis<br />

war.<br />

Besondere Qualifikationen wurden von den Gerichtsbeamten<br />

und zunehmend auch von den Forstbeamten<br />

verlangt. Die Gerichtsbeamten mussten<br />

eine staatliche Prüfung «in linea judiciali et criminali»<br />

ablegen. 12<br />

Die Landvögte in Vaduz hatten alle<br />

ein juristisches Studium absolviert und die in<br />

Österreich verlangten staatlichen Prüfungen abgelegt.<br />

Den gleichen Prüfungen unterzog sich auch<br />

Markus Kessler, der seit 1851 im Gerichtswesen<br />

beschäftigt wurde und der in Süddeutschland studiert<br />

hatte. Die beiden Forstbeamten Gross und<br />

Schauer konnten insofern besondere Qualifikatio­<br />

72<br />

nen vorweisen, als sie je einen zweijährigen Lehrgang<br />

in Forstwirtschaft, Vermessungstechnik und<br />

Planzeichnen absolviert hatten.<br />

Beim Antritt einer neuen Stelle hatten die Beamten<br />

einen Diensteid zu leisten. Die Vereidigung eines<br />

Beamten in Vaduz erfolgte jeweils in einem feierlichen<br />

Akt, bei dem alle Beamten anwesend waren<br />

und das Vereidigungsprotokoll unterzeichneten.<br />

Die Vereidigung eines Landvogts erfolgte in einem<br />

besonders feierlichen Rahmen, da dazu auch alle<br />

Ortsgeistlichen und alle Gemeindevorsteher eingeladen<br />

wurden. 13<br />

Die Vereidigungsformeln erfuhren im Laufe des<br />

19. Jahrhunderts einige Veränderungen, die darauf<br />

hinweisen, dass der patrimoniale Herrschaftsstil<br />

abgebaut wurde. Im Rahmen dieser Arbeit können<br />

nur einige typische Formulierungen aus diesen<br />

Eidformeln herausgegriffen werden: Die Beamten<br />

schworen zu Gott dem Allmächtigen, Seiner Durchlaucht,<br />

dem souveränen Fürsten von Liechtenstein<br />

als allerhöchstem Dienstherrn die unverbrüchliche<br />

Treue zu halten. Darauf folgte zu Beginn des<br />

19. Jahrhunderts eine Formulierung, die später<br />

weggelassen wurde: Der Beamte verpflichtet sich,<br />

stets die herrschaftlichen Interessen zu verfolgen<br />

und Schaden vom allerhöchsten Aerar abzuwenden.<br />

Statt dieser Verpflichtung folgte später die<br />

Aufzählung der einzelnen Dienstpflichten, die im<br />

Laufe des 19. Jahrhunderts immer genauer umschrieben<br />

wurden. Zu jedem Amtseid gehörte auch<br />

das Versprechen, das Amtsgeheimnis zu wahren<br />

und die Pflichten genau und unparteiisch zu erfüllen.<br />

Seit Beginn der 1830er Jahre hatte der Beamte<br />

auch zu schwören, in keine geheime Verbindung<br />

einzutreten, die dem Ziel diente, die bestehende<br />

Ordnung umzustürzen. 14<br />

Verschiedene Massnahmen zielten auf die Disziplinierung<br />

des einzelnen Beamten ab. So hatte jeder<br />

Beamte nach seiner Ernennung eine Dienstkaution<br />

zu leisten, deren Höhe sich nach seiner Dienststellung<br />

richtete. Mit den Dienstkautionen verfolgte die<br />

Herrschaft die Absicht, sich das Wohlverhalten der<br />

Beamten zu sichern 15<br />

und sich vor Schäden zu<br />

schützen, die durch eine nachlässige Amtsführung<br />

entstehen konnten. Sofern es den Beamten möglich


war, hatten sie die Kaution in Geld zu leisten, das<br />

ihnen mit dem üblichen Zinssatz von 5 % verzinst<br />

wurde. Die Kaution wurde nach der Pensionierung<br />

oder dem Tod des Beamten zurückbezahlt. Konnte<br />

ein Beamter den erforderlichen Geldbetrag nicht<br />

aufbringen, musste er Vermögenswerte nachweisen,<br />

auf die die Herrschaft gegebenenfalls zurückgreifen<br />

konnte. Die Beamten in Vaduz hatten folgende<br />

Kautionen zu leisten: der Landvogt und der<br />

Rentmeister je 1000 Gulden, der Grundbuchführer<br />

300 Gulden, der Gehegbereiter 240 Gulden, der<br />

Amtsschreiber keine. 16<br />

Für mehrere Beamte, so<br />

etwa für J. M. Menzinger, Goldner und J. P. Rheinberger,<br />

bedeutete die Höhe der geforderten Kaution,<br />

dass sie mit einem grossen Teil ihres gesamten<br />

Vermögens für ihren Diensteifer bürgten. Die<br />

beiden Rentmeister Goldner und Rheinberger erlitten<br />

erhebliche Vermögensverluste, als sie ihren<br />

Dienstverpflichtungen nicht mehr nachkamen,<br />

frühzeitig pensioniert wurden und die entstandenen<br />

Verluste zum Teil aus dem eigenen Vermögen<br />

decken mussten.<br />

Ein ähnlicher Druck zur Disziplinierung der Beamten<br />

entstand durch die sogenannten Conduitlisten.<br />

Diese waren vom Herrschaftsvorsteher zu erstellen<br />

und enthielten folgende Angaben: Personalien, Familienverhältnisse,<br />

Ausbildung, Laufbahn sowie<br />

eine Beurteilung der Fähigkeiten und des moralischen<br />

und sittlichen Verhaltens durch den Amtsvorsteher.<br />

Aus diesen Conduitlisten lässt sich folgende<br />

Liste von Beamtentugenden zusammenstellen:<br />

Treue zum Dienstherrn, Fleiss und guter Wille<br />

im Dienst, gutes Benehmen gegenüber den Vorgesetzten,<br />

den Mitbeamten und den Untertanen, moralisches<br />

und sittliches Betragen sowie eine gute<br />

Handschrift. Bei der Beförderung eines Beamten<br />

stützte sich die Hofkanzlei vor allem auf die Beurteilung<br />

in diesen Conduitlisten ab. Aus diesem<br />

Grunde wird es verständlich, dass die Conduitlisten<br />

kaum je negative Urteile über einen Beamten enthielten,<br />

hätten die Amtsvorsteher ihren Untergebenen<br />

doch damit die Aufstiegsmöglichkeiten weitgehend<br />

verbaut. Die Landvögte in Vaduz erteilten ihren<br />

Mitbeamten jedenfalls fast durchgehend die<br />

Noten «gut» oder «sehr gut». Die einzige Aus­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />

nahme stellte die Bewertung von David Rheinberger<br />

dar, doch scheinen seine schlechten Noten auf<br />

eine persönliche Feindschaft zwischen ihm und<br />

Landesverweser Menzinger zurückzuführen zu<br />

sein. Die Conduitlisten sollten jährlich neu erstellt<br />

und an die fürstliche Hofkanzlei eingesandt werden,<br />

doch wurden sie in Vaduz nur alle paar Jahre<br />

erstellt. 17<br />

Dem gleichen Ziel der Personal- und Qualifikationsbeurteilung<br />

dienten auch die sogenannten «Nationale»,<br />

die seit den 1840er Jahren zusätzlich zu den<br />

Conduitlisten erhoben wurden. 18<br />

In die Conduitlisten<br />

wurden nicht nur die Beamten aufgenommen,<br />

sondern alle Personengruppen, die Gehaltsbeiträge<br />

aus den fürstlichen Renten oder der Landeskasse<br />

bezogen: Neben den fürstlichen Dienern,<br />

dem Forstpersonal und den Offizieren gehörten<br />

auch die Patronatsgeistlichen dazu.<br />

Ein drittes Mittel zur Disziplinierung der Beamten<br />

stellte schliesslich das «Pönaliensystem» 19<br />

dar. Vernachlässigte<br />

ein Beamter seinen Dienst - besonders<br />

h<strong>äu</strong>fig kamen etwa Terminüberschreitungen<br />

vor -, so wurde er zunächst ermahnt. Nützte diese<br />

Ermahnung nichts, so erhielt er eine Geldbusse<br />

(Pönale). Für die Entlassung aus dem Dienst, die in<br />

der Regel nur auf dem Weg einer vorzeitigen Pen-<br />

10) ebda. § 146.<br />

11) ebda. § 58.<br />

12) Auf den Grundherrschaften in Niederösterreich bestand eine<br />

solche Vorschrift seit 1772. Zorzi, Grundherrschaft der Feste Liechtenstein,<br />

S. 124.<br />

13) Josef Schuppler wurde am 8. November 1808 in Wien vereidigt.<br />

Pokorny und M. Menzinger wurden durch den abtretenden Landvogt<br />

vereidigt. Anweisung der HK an Schuppler vom 28. Oktober 1826.<br />

LLA RB Fasz. B 3. Vereidigungsprotokoll vom 7. September 1833.<br />

LLA RC 31/15.<br />

14) Eine Reihe von Eidformeln aus dem frühen 19. Jahrhundert<br />

sind abgedruckt bei Tschugmell, Beamte, S. 72 ff.<br />

15) Dienstinstruktion von 1719, Caput 39, § 1. LLA AM 4.<br />

16) LLA SF Staatsbeamte, «Nationale».<br />

17) Vgl. dazu die Aufforderungen der HK an Schuppler vom 13. 2.<br />

1823. LLA NS 1820-29.<br />

18) LLA SF Staatsbeamte.<br />

19) Stekl, Österreichische Aristokratie im Vormärz, S. 51.<br />

73


sionierung ausgesprochen wurde, mussten sehr<br />

schwerwiegende Dienstverfehlungen vorliegen.<br />

Gründe für eine fristlose Entlassung ohne Pensionsanspruch<br />

stellten wiederholte Trunkenheit<br />

oder eine schwere sittliche Verfehlung dar. 20<br />

Auch<br />

hier zeigt sich wieder, dass auf einen moralischen<br />

Lebenswandel der Beamten allergrösster Wert gelegt<br />

wurde. Ein Fehlverhalten im Dienst war leichter<br />

zu entschuldigen als ein anstössiges Benehmen,<br />

durch das offenbar auch das Ansehen und die Autorität<br />

des Amtes und des Dienstherrn in Frage gestellt<br />

wurde.<br />

Die bisherigen Ausführungen sollten deutlich machen,<br />

dass die Beamten objektiv und nach ihrer<br />

Selbsteinschätzung im Dienst des Fürsten standen<br />

und nicht im Dienst eines abstrakt verstandenen<br />

Staates. Das Verhältnis zwischen den Untertanen<br />

und den Beamten war distanziert. Im besten Fall<br />

brachten die Untertanen eine gewisse Anerkennung<br />

für die Leistungen der Beamten auf, h<strong>äu</strong>figer<br />

zeigten die Untertanen aber Abneigung, unverhohlenen<br />

Hass oder gar offene Feindschaft gegenüber<br />

den Beamten. Bei den Unruhen von 1831 drohte<br />

man den Beamten «an einem Tag mit dem Galgen,<br />

am andern mit der Guillotine und am dritten mit<br />

Verbrennen». 21<br />

1848 drohten die Untertanen die<br />

«fremden Bettler» 22<br />

aus dem Lande zu jagen - was<br />

im Fall des Kanzlisten Langer auch gleich in die Tat<br />

umgesetzt wurde. Für die politische Situation in<br />

Liechtenstein war kennzeichnend, dass die Untertanen<br />

die verhassten Beamten als die eigentlichen<br />

Urheber der Beseitigung der Landammänner und<br />

Gerichte und damit des Absolutismus überhaupt<br />

ansahen. So rief etwa der Amtsbote Johann Rheinberger<br />

den «Herren Staatsverderbern» Flofrat Hauer<br />

und Landvogt Schuppler in seinem «politischen<br />

Tagebuch» zu: «Macht den edelsten und hochherzigsten<br />

Fürsten, der seinen Stolz darin setzt, seine<br />

Unterthanen unter seinem Scepter überglücklich<br />

zu wissen, nicht zum unwissenden Heuchler. Denn<br />

er lebt und stirbt in dem edlen Wahn, stets das<br />

Wohl seiner Unterthanen in dem Herzen getragen<br />

zu haben, während dem ihn dieselben durch eure<br />

Veranlassung eines an ihnen verübten Unrechtes<br />

beschuldigen.» 23<br />

Aus dieser Äusserung spricht das<br />

74<br />

ungebrochene Vertrauen der Untertanen in die<br />

edle Güte des Landesvaters, von der ja auch die Beamten<br />

bei jeder Gelegenheit sprachen. Die Untertanen<br />

glaubten, dass die Beamten den Fürsten unvollständig<br />

oder unzutreffend über die tatsächlichen<br />

Verhältnisse im Lande informierten. Sie hielten<br />

es deshalb wiederholt für nötig, eine Delegation<br />

nach Wien zu senden, die beim Fürsten persönlich<br />

vorsprechen sollte. So verhasst die Beamten, die<br />

Vertreter des Fürsten, auch waren, der regierende<br />

Fürst wurde nie angefeindet. Wie für andere deutsche<br />

Staaten gilt auch für Liechtenstein die Feststellung,<br />

dass 1848 die Revolution vor dem Thron<br />

des Monarchen haltmachte.<br />

Die fürstlichen Beamten wurden nicht nur von den<br />

Untertanen als Fremde im Lande angesehen, sie<br />

waren es auch nach ihrer eigenen Selbsteinschätzung.<br />

Eine nicht zu unterschätzende Barriere zwischen<br />

den Beamten und der einheimischen Bevölkerung<br />

stellte schon die Sprache dar. Die von einer<br />

böhmischen oder mährischen Herrschaft nach<br />

Liechtenstein versetzten Beamten dürften mitunter<br />

erhebliche Schwierigkeiten gehabt haben, die einheimischen<br />

Dialekte überhaupt zu verstehen. Sebastian<br />

Dünser wurde vom Oberamt in Vaduz zur Anstellung<br />

als Kanzlist mit folgender Begründung<br />

empfohlen: Er «würde beim Grundbuchamte umso<br />

tauglicher seyn als er Liechtensteinisch lesen kann<br />

und versteht, denn dieses muss ein Fremder bey<br />

vorkommenden Urkunden, die von den Landleuten<br />

gewöhnlich selbst verfasst werden, in der That erst<br />

lernen.» 24<br />

Die Beamten stellten eine kleine Schicht mit einem<br />

ausgeprägten Standesbewusstsein dar. Den einheimischen<br />

Bauern gegenüber wussten sie sich - nicht<br />

nur wenn sie im Auftrag der fürstlichen Hofkanzlei<br />

handelten - im Besitz einer höheren, allzeit richtigen<br />

Einsicht. Der Ausdruck «dummer Bauer» soll<br />

von den Beamten h<strong>äu</strong>fig verwendet worden sein. 25<br />

Zumindest in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts<br />

begegneten die Beamten aber auch dem<br />

Klerus mit Herablassung. Schuppler bezeichnete<br />

beispielsweise die Geistlichen als «heuchelnde<br />

Idioten», die «durchaus vernünftige Aufklärung<br />

hassen». 215


Die Standesunterschiede kamen aber nicht nur in<br />

der Selbsteinschätzung der Beamten zum Ausdruck,<br />

sondern auch in ihrem höheren Lebensstandard<br />

und in ihrem Lebensstil. Die liechtensteinischen<br />

Bauern waren bis weit ins 19. Jahrhundert<br />

hinein weitgehend Selbstversorger. Ihre Hauptnahrungsmittel<br />

waren Mais und Kartoffeln, Fleisch<br />

konnten sie sich nur selten leisten. Die Beamten<br />

hingegen Hessen sich Fleisch, Roggenbrot und andere<br />

Waren regelmässig aus Feldkirch kommen. 27<br />

Sie gingen auch gern zur Jagd 28<br />

und kauften überdies<br />

beinahe alles Wild, das der herrschaftliche Jäger<br />

schoss. 29<br />

Sofern die Beamten in Vaduz verheiratet<br />

waren und eine Familie zu ernähren hatten,<br />

trieben sie zwar auch Landwirtschaft, doch Hessen<br />

sie die notwendigen Arbeiten durch Dienstleute<br />

verrichten. 30<br />

Die Unterschiede zum Lebensstil der<br />

Bauern zeigten sich auch darin, dass die Beamten<br />

eine standesgemässe Wohnung beanspruchten und<br />

ihre Söhne oft in Feldkirch das Gymnasium besuchten.<br />

31<br />

Für die fürstlichen Herrschaftsbeamten war eine<br />

Versetzung nach Vaduz mit einigen Nachteilen verbunden.<br />

Moritz Menzinger schreibt in seinen<br />

Jugenderinnerungen, dass die fürstlichen Herrschaftsbeamten<br />

«das weit entlegene Land als eine<br />

Art Exil» 32<br />

ansahen. In der Regel war eine Versetzung<br />

nach Vaduz mit einer Beförderung verbunden,<br />

was die Abneigung gegen die Versetzung vermindern<br />

sollte. Schon wenige Jahre nach ihrer Versetzung<br />

nach Vaduz schrieben die meisten Beamten<br />

ein erstes Gesuch, in dem sie um ihre Rückversetzung<br />

auf eine fürstliche Herrschaft baten.<br />

In mancher Beziehung beispielhaft ist der Fall von<br />

Landvogt Schuppler. Er war 1808 Justitiär und<br />

Rentmeister auf der Herrschaft Landskron. Seine<br />

Versetzung nach Vaduz bedeutete für ihn die Beförderung<br />

zum Herrschaftsvorsteher. Trotzdem lehnte<br />

er, wie er in seinem Versetzungsgesuch von 1826<br />

schrieb, diese Berufung zunächst ab. Er stimmte<br />

ihr erst zu, als er das Versprechen erhielt, nach der<br />

Reorganisation der Landesverwaltung wieder auf<br />

eine Herrschaft zurückversetzt zu werden. 33<br />

Er<br />

schrieb mehrere Versetzungsgesuche, erhielt je­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />

doch zwischen 1812 und 1818 viermal die Antwort,<br />

dass der Fürst volles Vertrauen in ihn habe und mit<br />

ihm zufrieden sei. Weiter wurde ihm jeweils versichert,<br />

dass er zur Beförderung vorgemerkt sei.<br />

1826 schrieb er dann in einem Versetzungsgesuch,<br />

dass er sich jahrelang vergebens «nach der glücklichen<br />

Stunde» seiner Erlösung gesehnt habe und<br />

dass er nun «eine Übersetzung auf eine mährische<br />

Gebirgsherrschaft für eine Beförderung» 34<br />

aner-<br />

20) ebda. S. 89.<br />

21) David Rheinberger, Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />

FamArh.<br />

22) Moritz Menzinger, Die Menzinger im Fürstentum Liechtenstein,<br />

S. 40.<br />

23) Johann Rheinberger, Politisches Tagebuch. JBL 1958, S. 237.<br />

24) OA an Fürst am 1. Juli 1836. LLA RC 52/8.<br />

25) Gustav Alfons Matt, Der Trümmelihans von Balzers. LLA Sammlung<br />

Matt.<br />

26) Schuppler, Beschreibung des Fürstenthums Liechtenstein, JBL<br />

1975, S. 244.<br />

27) Einige Aufschlüsse in dieser Beziehung gibt ein Artikel zum Tod<br />

von Hermann Kessler im Liechtensteiner Volkswirt vom 6. 12. 1927.<br />

Darin heisst es, dass die Bauernfamilie die Leinwand selbst machte<br />

und Türkenbrot ass. Die Beamtenfamilio Kessler hingegen liess sich<br />

jeden Samstag Roggenbrot und andere Dinge aus Feldkirch bringen.<br />

Die Beamten sollen auch die Gurken als neues Gemüse und den<br />

Weihnachtsbaum als neuen Brauch in Liechtenstein eingeführt haben.<br />

28) David Rheinberger, Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />

FamArh.<br />

29) Wildbretausweis vom 30. 1. 1846, LLA RC 87/16.<br />

30) Menzinger schrieb 1840, dass die Beamten ihren Bedarf an Erdäpfeln,<br />

Türken und Viehfütter selbst anpflanzen mussten. Es sei<br />

schwer, von den einheimischen Bauern Milch zu erhalten. Menzinger<br />

an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />

31) Für die Söhne der fürstlichen Beamten bestand eine Ausnahmebewilligung<br />

zum Besuch des Gymnasiums in Feldkirch. Seit 1834<br />

wurden die fürstlichen Beamten in der Frage des Schulbesuchs in<br />

Feldkirch nicht mehr so behandelt, als ob sie sich im Ausland befänden.<br />

HK an OA am 18. Juli 1834. LLA RC 37/7. Für liechtensteinische<br />

Staatsangehörige bestanden hohe Gebühren für den Besuch des<br />

Gymnasiums in Feldkirch, deshalb besuchten die Liechtensteiner<br />

meistens die Gymnasien in der Schweiz. Menzinger an Fürst, 24. 6.<br />

1834. LLA RC 37/7.<br />

32) Moritz Menzinger, Die Menzinger in Liechtenstein, S. 36.<br />

33) Versetzungsgesuch Schupplers vom 25. April 1826. LLA RB<br />

Fasz. B 3.<br />

34) ebda.<br />

75


kenne. Zur Begründung seines Gesuches führte er<br />

an, dass er einerseits durch die Zahl seiner Dienstjahre,<br />

durch seine Geschäftskenntnisse und seine<br />

Diensttreue sich eine Versetzung verdient zu haben<br />

glaube und dass er andererseits aus Familienrücksichten<br />

um diese Versetzung bitten müsse.<br />

DIE FÜRSORGEPFLICHT DES FÜRSTEN<br />

FÜR SEINE BEAMTEN<br />

Der Treuepflicht der Beamten auf der einen Seite<br />

entsprach die Fürsorgepflicht des Fürsten auf der<br />

anderen Seite. Die Entschädigung des fürstlichen<br />

Personals beruhte im Vormärz noch weitgehend<br />

auf der traditionellen Vorstellung, dass der Dienstherr<br />

für die Bedürfnisse seines Personals aufzukommen<br />

habe.<br />

Die Besoldungsansprüche aller fürstlichen Herrschaftsbeamten<br />

waren «systematisiert». Das Besoldungs-System<br />

von 1837 ging von folgenden Grundsätzen<br />

aus: Die Bezüge der Beamten waren aufgeteilt<br />

in Natural- und in Geldbezüge. Durch die Naturalbezüge<br />

sollten «die Haupt-Bedürfnisse eines<br />

ländlichen Haushaltes» gedeckt werden und die<br />

Beamten vor Teuerung und Preisschwankungen<br />

geschützt werden. 35<br />

Naturalien im eigentlichen<br />

Sinn umfassten Güter des täglichen Bedarfs wie<br />

verschiedene Getreidebeiträge, Wein, Schmalz<br />

oder Butter, Salz, Fleisch und Brennholz. Zu den<br />

Naturalbezügen im weiteren Sinne gehörten aber<br />

auch eine kostenlose Unterkunft, eine kostenlose<br />

medizinische Versorgung 36<br />

und die Nutzungsrechte<br />

an einigen Grundstücken. Für bestimmte Beamtenkategorien<br />

sah das Besoldungssystem auch Vergütungen<br />

für Pferde und Knechte vor, die für Dienstzwecke<br />

verwendet wurden. 37<br />

Die Geldbeträge waren unterteilt in ein fixes Gehalt<br />

und in Akzidentien. Die Höhe der ausbezahlten Akzidentien<br />

richtete sich (mindestens zum Teil) nach<br />

dem Ertrag einer Herrschaft. Die Akzidentien stellten<br />

also ein Mittel dar, um die Herrschaftsbeamten<br />

zu einer grösseren Leistung anzuspornen. Die<br />

Herrschaftsbeamten waren in 11 Rangklassen eingeteilt,<br />

wobei die Rangklasse für die Höhe der Be­<br />

76<br />

soldung bestimmend war. Die Lohnunterschiede<br />

zwischen den niedrigsten und den höchsten Beamten<br />

waren beträchtlich, insbesondere was das fixe<br />

Gehalt betraf. 38<br />

Neben den «systematisierten» Bezügen konnten<br />

besondere Leistungen durch individuelle «Zulagen»<br />

honoriert werden. Es gab sowohl «einmalige»<br />

Zulagen als auch «jährliche», die einer Gehaltserhöhung<br />

gleichkamen. Den Beamten wurden auch<br />

die Kosten ersetzt, die durch Dienstreisen oder<br />

durch die Versetzung auf eine andere Herrschaft<br />

entstanden. 39<br />

Ein geregelter Ferienanspruch bestand für die Beamten<br />

nicht, doch konnten sie um einen Urlaub ansuchen,<br />

der in der Regel bis zu 6 Wochen dauerte.<br />

Die Bewilligung für die Herrschaftsvorsteher und<br />

für die leitenden Beamten in der fürstlichen Hofkanzlei<br />

und in der Buchhaltung musste vom Fürsten<br />

erteilt werden, für die übrigen Beamten konnte<br />

die Hofkanzlei einen Urlaub bewilligen. 40<br />

Die fürstlichen Beamten hatten, wenn sie in Folge<br />

hohen Alters arbeitsunfähig und gebrechlich wurden,<br />

einen gewohnheitsrechtlichen Anspruch auf<br />

eine Pension. Die Höhe der Pension betrug in der<br />

Regel die Höhe des zuletzt ausbezahlten fixen Gehaltes.<br />

Nach dem Tod eines Beamten erhielt dessen<br />

Witwe weiterhin 50 % der Pension ihres Mannes. 41<br />

Waren beim Tod eines Beamten noch unversorgte<br />

Kinder vorhanden, so konnte der Vormund um einen<br />

«Erziehungsbeitrag» für diese Kinder ansuchen,<br />

der in der Regel gewährt wurde. Der ursprünglich<br />

freiwillige Charakter dieser fürstlichen<br />

Unterstützungsgelder geht noch daraus hervor,<br />

dass sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den<br />

Rentbüchern unter der Rubrik «Gnaden- und Almosengelder»<br />

aufgeführt wurden. 1809 wurde eine<br />

Rubrik «Pensionen» geschaffen. 42<br />

Die Besoldung der Beamten stellte also nicht einfach<br />

eine Bezahlung für geleistete Dienste dar, sondern<br />

baute auf einer weitgehenden Fürsorgepflicht<br />

des Dienstherrn für seine treuen Diener auf. Die<br />

verschiedenen Leistungen des Dienstherrn stellten<br />

ein Netz dar, das den Beamten einerseits in eine<br />

hohe Abhängigkeit gegenüber seinem Dienstherrn


versetzte, ihm andererseits aber auch ein hohes<br />

Mass an sozialer Sicherheit garantierte.<br />

Das für die fürstlichen Herrschaften ausgearbeitete<br />

Besoldungssystem konnte ziffernmässig nicht einfach<br />

für das Fürstentum übernommen werden,<br />

weil die Verhältnisse doch zu verschieden waren.<br />

Landvogt Menzinger bemühte sich aber, ein Besoldungssystem<br />

auszuarbeiten, das von den gleichen<br />

Grundsätzen ausging. 43<br />

Bei der Gehaltsregelung<br />

der Beamten in Vaduz mussten folgende Unter-<br />

Dienstkategorie in barem Geld<br />

(Reichswährung)<br />

±3 C<br />

CO<br />

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B cd<br />

C/S<br />

D<br />

Kl<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />

35) Besoldungssystem von 1837, § 20.<br />

36) Stekl. Österreichische Aristokratie, S. 96.<br />

37) Besoldungssystem von 1837, § 36.<br />

38) ebda. Beilage 1.<br />

39) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 96.<br />

40) Hauptinstruktion von 1838, § 58.<br />

41) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 87.<br />

42) LLA Rentamtliche Rechnungsbücher.<br />

43) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />

hieran bezahlt Naturalbezüge Total d.<br />

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Gulden Gulden<br />

Landesverweser 1200 102 1302 209 1093 13 7 7 100 14 20: 21 446 1748<br />

Rentmeister 600 108 708. 78 630 11 13 50 11 16 6 309 1017<br />

Waldbereiter 1 432 432. 348 ;<br />

84 8 20 8 4 ' 60 600 10 20 .• 9 467 899<br />

(f. Pferdehaltung) j 108 108 108 104, 32 297 405<br />

Grundbuchführer 500 123 623 200 423 5 3 7 4 12 6 741 763<br />

Amtsschreiber 340 27 367 40 327 2 9 376<br />

Kanzlist 360 360 360 360<br />

Landscbaftsarzt 200 200 50 150 3 7 207<br />

Waidjunge 100 100 100 4 2 11 111<br />

Schlossküfer 162 162 162 8 35 197<br />

Waldheger 15 15 15 15<br />

Tierarzt 120 120 120 120<br />

Weingartenaufseher 11 11 11 11<br />

Polizeimann • 183 183 150 33 183<br />

Gemeindsbotie 30 30 30 30<br />

«Tabellarische Darstellung<br />

der Besoldungen der<br />

Vaduzer Beamten und<br />

Bezüge fürstlicher Diener,<br />

dann der Patronatsgeistlichkeit<br />

aus den betreffenden<br />

Ämtern»<br />

Die Besoldungstabelle<br />

stammt vermutlich aus<br />

dem Jahr 1848 und wurde<br />

vom Verfasser vereinfacht<br />

und gekürzt.<br />

Quelle: LLA RC 69/16<br />

77


schiede berücksichtigt werden: Erstens waren die<br />

Beamten nur wenig mit Wirtschaftsangelegenheiten,<br />

mit der «Ökonomie», beschäftigt, Akzidentien<br />

konnten also nicht den gleichen Stellenwert erhalten.<br />

Zweitens waren die Lebenshaltungskosten in<br />

Liechtenstein wesentlich höher, und drittens wurden<br />

die Beamten zu einem grossen Teil nicht aus<br />

den fürstlichen Renten, sondern aus den Steuern<br />

besoldet. Grundsätzlich sollte den Beamten der<br />

gleiche Lebensstandard wie auf den fürstlichen<br />

Herrschaften zugestanden werden. An der Aufteilung<br />

der Bezüge der Beamten in ein festes Geldgehalt,<br />

in Akzidentien und in Naturalien wurde im<br />

Fürstentum grundsätzlich festgehalten.<br />

Für die fürstlichen Herrschaftsbeamten betrug der<br />

Anteil der Akzidentien an den gesamten Geldbezügen<br />

(ausgenommen bei den Schreibern und Amtsschreibern)<br />

jeweils mindestens die Hälfte. Dieser<br />

Anteil fiel in Vaduz bedeutend geringer aus. Als Akzidentien<br />

erhielten die Beamten in Vaduz einen<br />

prozentualen Anteil an den verschiedenen Taxen,<br />

Gebühren und andern Abgaben. Der Landvogt erhielt<br />

beispielsweise einen Anteil an den Gerichtstaxen,<br />

der Grundbuchführer an den Grundbuchstaxen,<br />

der Rentmeister an den Umgeldern, der Amtsschreiber<br />

an den Ausstellungsgebühren für die<br />

Pässe usw. In den 1840er Jahren betrugen diese<br />

Akzidentien für jeden dieser Beamten etwas über<br />

100 Gulden. 44<br />

Beim Grundbuchamt und im Gerichtswesen<br />

wiesen diese Taxen jedoch eine stark<br />

ansteigende Tendenz auf. Durch diese Taxanteile -<br />

die Taxen waren bei den Untertanen ganz allgemein<br />

verhasst - gerieten die Beamten in den Geruch<br />

der «Taxjägerei». So schrieb etwa Landesverweser<br />

Menzinger 1856 an den Fürsten: «Weil jedoch<br />

die Taxen überhaupt dem Volke verhasst sind,<br />

und dasselbe von der Meinung nicht abzubringen<br />

ist, dass sie willkührlich bezogen werden, so stellt<br />

sich dieser Bezug für den Beamten nicht nur sehr<br />

unangenehm heraus, sondern setzt ihn als Taxjäger<br />

in seinem Ansehen herab.» 45<br />

Menzinger drang<br />

daher bei der Anstellung Kesslers als Regierungsamtsadjunkt<br />

darauf, dass dieser keine Taxanteile<br />

mehr erhielt. Er schlug vor, dass alle von Kessler<br />

bis dahin bezogenen Taxen in die Landeskasse<br />

78<br />

fliessen sollten und dass Kessler dafür ein höheres<br />

fixes Gehalt erhielt. Die Hofkanzlei stimmte diesem<br />

Vorschlag zu.<br />

Vergleicht man die Höhe der gesamten Geldbezüge<br />

der Beamten in Vaduz mit denen der übrigen Herrschaftsbeamten,<br />

so fällt auf, dass die Beamten in<br />

Vaduz (nach der Umrechnung von Reichswährung<br />

in Conventionsmünze) bedeutend höhere Geldbezüge<br />

erhielten. Der Unterschied betrug zwischen<br />

30 und 80 Prozent nach der Neuregulierung der<br />

Gehälter im Jahre 1841. Der Grund dafür war, dass<br />

die Lebenshaltungskosten nach Angaben des Landvogts<br />

in Vaduz bedeutend höher waren als auf den<br />

fürstlichen LIerrschaften. 46<br />

Trotz dieser höheren<br />

Geldbezüge beklagten sich die Beamten in Vaduz<br />

h<strong>äu</strong>fig über die «hierortige Theuerung», die ihnen<br />

ihr Einkommen wesentlich schmälere. Eine Anpassung<br />

der Besoldungen an diese Teuerung wurde im<br />

hier untersuchten Zeitraum nur dreimal vorgenommen:<br />

Das erste Mal wurden die Gehälter anlässlich<br />

der Reorganisation der Landesverwaltung<br />

im Jahre 1808 neu festgelegt. 47<br />

Eine Anpassung an<br />

die Teuerung erfolgte dann erst 1841 48<br />

und ein weiteres<br />

Mal im Jahre 1859. 49<br />

Wie die Beamten auf den fürstlichen Herrschaften<br />

hatten die Beamten in Vaduz Anspruch auf bestimmte<br />

Naturalien. Zum Teil konnten diese aus<br />

den Zehnterträgen gedeckt werden, zum Teil mussten<br />

sie aber in Geld abgelöst werden. Für die Ablösung<br />

wurde folgende Verrechnungsgrundlage gewählt:<br />

Ausgangspunkt war der Durchschnittspreis<br />

des betreffenden Produkts in den letzten 10 Jahren<br />

auf dem Markt in Feldkirch, wozu dann noch die<br />

Transportkosten von Feldkirch nach Vaduz gerechnet<br />

wurden. 50<br />

Die Beamten hatten auch in Vaduz Anspruch auf<br />

eine kostenlose Wohnung und auf ein bestimmtes<br />

Quantum Brennholz, um ihre Wohnung zu beheizen.<br />

In Vaduz besass die Herrschaft lediglich drei<br />

Wohnungen, die als Beamtenquartiere geeignet<br />

waren: Der Landvogt wohnte im Amthaus, das<br />

auch Landvogtei genannt wurde, der Rentmeister<br />

wohnte im Renthaus, und der Grundbuchführer<br />

wohnte bis 1839 im sogenannten «Tschakaturm».<br />

Das Amthaus und das Renthaus waren sehr ger<strong>äu</strong>-


mige H<strong>äu</strong>ser, mit denen auch Stallungen verbunden<br />

waren. 51<br />

Mit der Vermehrung der Beamten<br />

entstand ein Mangel an geeigneten Wohnungen.<br />

Für die neuen Beamten mussten standesgemässe<br />

Quartiere besorgt werden, damit ihre Autorität gegenüber<br />

den Untertanen nicht in Zweifel gezogen<br />

wurde. Menzinger <strong>äu</strong>sserte sich wiederholt dahingehend,<br />

dass eine bequeme Wohnung zu den wenigen<br />

Annehmlichkeiten eines Landbeamten gehöre,<br />

der sonst auf vieles verzichten müsse. 52<br />

Für die Amtsschreiber und Kanzlisten, die (mit<br />

Ausnahme von Kirchthaler und Dünser, die aber eigene<br />

Wohnungen besassen) unverheiratet waren,<br />

wurden in der Regel zwei gemietete Zimmer zur<br />

Verfügung gestellt. Dem Grundbuchführer musste,<br />

nachdem er 1839 geheiratet hatte, ein Haus zur<br />

Verfügung gestellt werden, ebenso dem Waldbeamten<br />

und seiner Familie. Für diese Beamten wurde<br />

zwar wiederholt der Bau neuer Wohnungen geplant,<br />

aber nie verwirklicht. Aus diesem Grunde<br />

mussten H<strong>äu</strong>ser gemietet werden, was mit beträchtlichen<br />

Kosten verbunden war. Waldbereiter<br />

Gross z. B. erhielt 1846 ein Haus mit 7 Zimmern,<br />

wovon eines als Waldamtskanzlei eingerichtet wurde,<br />

und Stallungen. Die Miete betrug jährlich 170<br />

Gulden. 53<br />

Diese beträchtliche Summe, die aus den<br />

Renten entrichtet wurde, unterstreicht, dass die<br />

kostenlosen Wohnungen einen nicht geringen Wert<br />

darstellten. Aus der Sicht der fürstlichen Verwaltung<br />

gilt es festzuhalten, dass sich durch das Zurverfügungstellen<br />

der Beamtenquartiere erst die<br />

Möglichkeit bot, die Beamten von einer Herrschaft<br />

auf eine andere zu versetzen. Die kostenlose Wohnung<br />

war die Grundlage ihrer Mobilität. Zweifellos<br />

waren diese Wohnungen aber auch ein Element,<br />

das die Abhängigkeit der Beamten von ihrem<br />

Dienstherrn noch vergrösserte.<br />

Die kostenlose medizinische Betreuung der Beamten<br />

in Vaduz war dem Landschaftsarzt übertragen.<br />

Seit 1809 war in Liechtenstein ein Landschaftsarzt<br />

angestellt, zu dessen Pflichten es zählte, «nicht nur<br />

der fürstlichen Dienerschaft, sondern auch der armen<br />

Klass der Unterthanen den ärztlichen Beistand<br />

unentgeltlich (zu) leisten». 54<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />

Einen beachtlichen Wert stellten schliesslich auch<br />

noch die «Deputatgüter» dar, die den Beamten zur<br />

Nutzung überlassen wurden. Der Landvogt nutzte<br />

laut einer Besoldungstabelle aus dem Jahre 1841<br />

4,08 ha Boden, der Rentmeister 1,64 ha, der<br />

Gehegbereiter 1,73 ha und der Grundbuchführer<br />

1,54 ha. 55<br />

Der Landvogt dürfte damit bei den damaligen<br />

Besitzverhältnissen bereits zu den grösseren<br />

Bauern in Vaduz gezählt haben. 56<br />

Nach dem<br />

Besoldungssystem von 1837 war übrigens den Beamten<br />

auf den fürstlichen Herrschaften mit Ausnahme<br />

der Gehegbereiter und Jäger die Kuhhaltung<br />

verboten und nur noch die Bewirtschaftung<br />

von Gärten und einigen Äckern erlaubt. 57<br />

Für Vaduz,<br />

wo die Beamten nach den Aussagen von Landvogt<br />

Menzinger auf eine teilweise Selbstversorgung<br />

angewiesen waren, wurde die Kuhhaltung weiterhin<br />

erlaubt. 58<br />

Noch 1860 wehrte sich Menzinger ge-<br />

44) Besoldungstabelle aus dem Jahre 1841. Beilage zum Bericht<br />

Menzingers vom 24. April 1841. LLA RC 69/16.<br />

45) Menzinger an Fürst am 18. 7. 1856. LLA RC 99/1.<br />

46) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />

47) Besoldungstabelle in der Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein<br />

von Josef Schuppler. JBL 1975. S. 397.<br />

48) «Tabellarische Darstellung der Besoldungen der Vaduzer Beamten.»<br />

LLA RC 69/16.<br />

49) «Darstellung der Besoldungsbezüge wie selbe dermal theils aus<br />

der Landeskassa, theils aus den fürstlichen Renten bestritten werden,<br />

und aus welchen Kassen die selben künftig zu berichtigen wären.»<br />

Genehmigt in Wien am 10. November 1859. LLA RC 69/16.<br />

50) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />

51) Schuppler an Fürst am 21. 3. 1826. LLA RB Fasz. B 1.<br />

52) Menzinger an Fürst am 24725. März 1838. LLA RC 60/14 und<br />

am 16. September 1857. LLA RC 85/1.<br />

53) Mietvertrag mit Ferdinand Walser vom 22. 11. 1847. LLA RC 5<br />

8/2.<br />

54) HK an OA am 16. 1. 1809. LLA RB Fasz. G 1.<br />

55) Im Original werden die Beträge in Klaftern angegeben: Landvogt<br />

11 232 Klafter, Rentmeister 4 553, Gehegbereiter 4 800, Grundbuchführer<br />

4 281, Beilage zum Bericht vom 24. April 1841. LLA RC<br />

69/16.<br />

56) Vgl. Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte S. 145.<br />

57) Besoldungssystem von 1837, § 20.<br />

58) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />

79


gen die Einschränkung der Deputatgründe. Er wies<br />

darauf hin, dass die Beamten zum eigenen Anbau<br />

gezwungen seien. Vieles könne in Vaduz nicht oder<br />

nur schwer gekauft werden. Der eigene Anbau sei<br />

für die Beamten aber auch ein guter Schutz gegen<br />

die Teuerung. 59<br />

Die Aufteilung der Besoldungskosten zwischen der<br />

Rentkasse und der Landeskasse stellt ein Problem<br />

dar, das im grösseren Zusammenhang der Trennung<br />

der fürstlichen Domänen- von der Staatsverwaltung<br />

zu sehen ist. Die Untertanen empfanden<br />

die Verpflichtung, die Beamten aus den Landeseinnahmen<br />

besolden zu müssen, bis weit ins 19. Jahrhundert<br />

hinein als einen Vertrags- und Wortbruch<br />

von Seiten der Landesherrschaft. Sie wiesen darauf<br />

hin, dass auf Grund eines Vertrages von 1614 die<br />

Herrschaft alle Gefälle und Gebühren erhalte und<br />

dafür verpflichtet sei, die Beamten zu besolden. 60<br />

Beim Erwerb der beiden Reichsherrschaften habe<br />

Fürst Anton Florian für sich und seine Nachkommen<br />

diese Lasten übernommen. Das Volk glaube<br />

daher, schrieb Menzinger 1840 an den Fürsten,<br />

dass es die Besoldungslasten nicht zu tragen schuldig<br />

sei. «Diese Behauptungen, wenn auch unbegründet,<br />

werden hinwieder noch immer besprochen,<br />

und fallen den Beamten umso lästiger, als<br />

man dafürhaltet, dass dieselben von der Gnade des<br />

Landes, das ohnehin arm seie, leben müssen.» 61<br />

Tatsächlich war es so, dass die fürstlichen Beamten<br />

im 18. Jahrhundert aus den fürstlichen Renten besoldet<br />

wurden. Durch die Steuerverordnung von<br />

1807 wurden die Untertanen verpflichtet, alle Verwaltungskosten<br />

und «in das Besondere (die) Besoldung<br />

der Justiz-, Polizey- und Steuer-Beamten»<br />

durch eine Steuer zu bezahlen. 62<br />

Tatsächlich wurden<br />

jedoch nur die Geldbezüge der Beamten aus<br />

der Landeskasse gedeckt, für die Naturalbezüge<br />

kam weiterhin die Rentkasse auf. Der Gehegbereiter<br />

und ein Kanzlist wurden nicht als Staatsbeamte<br />

betrachtet und daher ganz aus den fürstlichen Renten<br />

besoldet. Als 1841 die Geldbezüge der Beamten<br />

erhöht wurden, gingen diese Gehaltserhöhungen<br />

nicht zu Lasten der Landeskasse, sondern zu Lasten<br />

der Rentkasse. Damit ging man zwar wieder<br />

vom Grundsatz ab, dass die Landeskasse allein die<br />

80<br />

Geldbezüge der Beamten zu tragen hatte, die Frage,<br />

in welchem Verhältnis die Besoldungslasten<br />

zwischen den Renten und dem Staat aufgeteilt werden<br />

sollten, war aber noch nicht prinzipiell geklärt.<br />

Erst 1858 machte dann die fürstliche Buchhaltung<br />

den Vorschlag, dass die Besoldungskosten bei jedem<br />

Beamten in dem Verhältnis aufgeteilt werden<br />

sollten, wie er Arbeiten im Dienste der Domäne<br />

oder des Staates erbrachte. Landesverweser Menzinger<br />

erklärte sich zwar damit einverstanden,<br />

<strong>äu</strong>sserte aber die persönliche Überzeugung, dass<br />

der Landesherr und sein Land ein einheitliches<br />

Ganzes darstellten und sich die Dienste der Beamten<br />

nicht aufteilen Hessen. 63<br />

Der Einwand Menzingers<br />

macht deutlich, dass er dieser Frage eine<br />

grundsätzliche Bedeutung beimass. Im Jahr darauf<br />

ordnete dann die Hofkanzlei die Aufteilung der Besoldung<br />

zwischen Landeskasse und Rentkasse<br />

nach dem Vorschlag der Buchhaltung an. 64<br />

DIE «MINDEREN DIENER»<br />

Neben den eigentlichen Beamten beschäftigte die<br />

Landesherrschaft noch eine Reihe von «minderen»<br />

Dienern oder Bediensteten. Diese hatten vorwiegend<br />

die Wirtschaftsangelegenheiten zu besorgen.<br />

Von ihrer Tätigkeit her gesehen lassen sich drei<br />

Hauptgruppen unterscheiden: Forstbedienstete,<br />

Zoll- und Weggeldeinzieher, Wirtschaftsbedienstete.<br />

Die Forstbediensteten hatten die Aufsicht über die<br />

obrigkeitlichen Wälder zu führen, wobei sie insbesondere<br />

auf Holzdiebe, Wilderer und Schmuggler<br />

achten mussten. Bis 1812 bestand das Forstpersonal<br />

aus einem Jäger in Vaduz und je einem Forstknecht<br />

in Balzers, Nendeln und Planken und zwei<br />

Forstknechten in Mauren. 65<br />

1812 wurde das Forstwesen<br />

reorganisiert. Die Forstknechte in Planken<br />

und Nendeln wurden entlassen, und die Aufsicht<br />

über alle obrigkeitlichen Wälder wurde dem Jäger<br />

übertragen. Dieser erhielt eine Gehaltserhöhung<br />

von 50 Gulden, hatte dafür aber einen Waidjungen<br />

auf eigene Kosten anzustellen. 66<br />

1838 wurde die<br />

Waldbewirtschaftung erneut reorganisiert. Mit Jo-


seph Gross wurde ein ausgebildeter Forstbeamter<br />

angestellt, der im Rang einem Beamten gleichgestellt<br />

war. Als Hauptaufgabe von Gross galt die Vermessung<br />

der Wälder. Die Aufsicht über die obrigkeitlichen<br />

Wälder trugen weiterhin ein Waidjunge<br />

und ein Waldaufseher.<br />

Als Zoll- und Weggeldeinzieher wurden vertrauenswürdige<br />

Personen angestellt, die in den Grenzorten<br />

an den Haupt- und Nebenstrassen ein Haus<br />

besassen. Sie hatten die sogenannten «Zollpolleten»<br />

auszustellen und den Einzug der Gelder zu besorgen.<br />

67<br />

In Vaduz war bis 1816 ein «Hauptzolleinnehmer»<br />

angestellt, der den durchkommenden<br />

Verkehr zu kontrollieren hatte. 1816 wurde diese<br />

Aufgabe dem Amtsschreiber übertragen, 1819 dem<br />

Grundbuchführer. Es ist bezeichnend für den Sparwillen,<br />

dass die Übertragung dieses Dienstes an einen<br />

Beamten nur dazu erfolgte, um das Einkommen<br />

des betreffenden Beamten aufzubessern und<br />

nicht, um den Zolleinzug besser zu organisieren. 68<br />

Als Wirtschaftsbedienstete im eigentlichen Sinn<br />

galten der Schlossküfer, die Weingartenaufseher<br />

und Torkelmeister in Vaduz, Mauren und Eschen<br />

und der Ziegler in Nendeln. Weitere Diener waren<br />

ein Schlosstorwart (Kanzleidiener), ein Rentamtsexequent<br />

(Zehenteinzieher), ein Nachtwächter, ein<br />

Kaminfeger und ein Scharfrichter.<br />

Wie die Beamten standen auch die Diener zu Beginn<br />

des 19. Jahrhunderts in einem persönlichen<br />

Treueverhältnis zum Dienstherrn. Bei ihrem<br />

Diensteintritt leisteten sie einen feierlichen Eid auf<br />

den Namen Gottes und des Fürsten, wobei sie sich<br />

verpflichteten, stets das Beste für die Obrigkeit zu<br />

wollen und Schaden von ihr abzuwenden.<br />

Über die Anstellung der Diener entschied die Hofkanzlei,<br />

wobei sie jedoch in der Regel dem Vorschlag<br />

des Oberamtes zustimmte, Die Besoldung<br />

bestand wie bei den Beamten aus einem fixen<br />

Geldbetrag, Akzidentien und Naturalien, wobei<br />

darauf geachtet wurde, dass die Akzidentien den<br />

Hauptteil ausmachten. Der Jäger und die Waldaufseher<br />

erhielten neben einem fixen Gehalt «Schussgelder»,<br />

deren Höhe sich nach Art und Zahl des erlegten<br />

Wildes richtete. Der Schlossküfer erhielt<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />

ebenfalls ein fixes Gehalt und dazu einen Schanklohn,<br />

der nach der ausgeschenkten Menge Wein<br />

bemessen wurde. Die Weg- und Zollgeldeinnehmer<br />

erhielten kein fixes Gehalt, sondern nur einen bestimmten<br />

Anteil (10 oder 12 Kreuzer vom Gulden)<br />

an den abgelieferten Geldern. Ebenso richtete sich<br />

die Entschädigung für Zehentsammler, Weingartenaufseher<br />

und Torkelmeister hauptsächlich nach<br />

dem Ertrag ihrer Tätigkeit. 69<br />

Eine persönliche Bindung an den Dienstherrn ergab<br />

sich vor allem durch das Auswahlverfahren.<br />

Ein bestimmter Dienst wurde oft während Generationen<br />

von der gleichen Familie ausgeübt. Hatte<br />

sich ein Vater durch seine treuen Dienste verdient<br />

gemacht, so ging in der Regel der Dienst an seinen<br />

Sohn oder auch an eine Tochter oder an die Witwe<br />

über. Dazu einige Beispieles: 1790 bat der betagte<br />

Schlossjäger Andreas Hartmann den Fürsten, den<br />

Jägerdienst seinem Schwiegersohn Hannibal Jenny<br />

zu verleihen. Dieser erhielt den Dienst, starb aber<br />

bereits nach 4 Jahren bei einer Gemsenjagd. Da<br />

meldete sich ein Johann Anton Pfiffner aus Wangs,<br />

der die Witwe unter der Bedingung heiraten wollte,<br />

dass er die Jägerstelle erhielt. Auf Ansuchen des alten<br />

Hartmann wurde diese Bitte gewährt. Nach<br />

59) Menzinger an Fürst am 12. 12. 1860. LLA RC 69/16.<br />

60) So etwa Peter Kaiser in seinem Exposee über die liechtensteinischen<br />

Staatsregalien vom 30. 11. 1843. LLA Peter Kaiser-Akten.<br />

61) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />

62) Steuerverordnung vom 22. 4. 1807, § 10.<br />

63) Menzinger an Fürst am 20. Dezember 1858. LLA RC 69/16.<br />

64) HK an OA am 10. 11. 1859 LLA RC 69/16.<br />

65) Dienstinstruktion von 1719, Caput II, §§ 1-6. LLA A>M 4. -<br />

«Stand der verschiedenen obrigkeitlichen, landschaftlichen und anderen<br />

Dienststellen im souverainen Fürstenthume Liechtenstein».<br />

Undatiert. (Um 1810). LLA RB Fasz. B 2.<br />

66) HK an OA am 1. April 1812. LLA RB B 2.<br />

67) Zur Zollorganisation siehe Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte,<br />

S. 358 ff.<br />

68) Menzinger an Fürst am 10. 5. 1838. LLA RC 60/14.<br />

69) Die Anstellungsbedingungen gehen jeweils aus den Personalakten<br />

hervor. LLA RB Fasz. B 3.<br />

81


dem Tod Pfiffners suchte 1826 sein Stiefsohn Franz<br />

Jenny um die Jägerstelle an. Jenny erhielt den<br />

Jägerdienst, vom gewöhnlichen Jägergehalt von<br />

212 Gulden wurden aber 24 Gulden an seine Mutter<br />

als Pension ausbezahlt. Nach dem Tod Jennys<br />

wurde 1838 ein Enkel von Andreas Hartmann als<br />

Waidjunge eingestellt. 70<br />

In ähnlicher Weise ging 1801 der Hauptzolleinnehmerdienst<br />

an die Tochter des verstorbenen Hauptzollers<br />

Karl Wolf über. Maria Anna Wolf wurde der<br />

Dienst ihres Vaters unter der Bedingung verliehen,<br />

dass sie innerhalb eines halben Jahres ein für diesen<br />

Dienst geeignetes Individuum heiratete. Als sie<br />

darauf Johann Goldner ehelichte, musste zunächst<br />

die Einwilligung der Hofkanzlei eingeholt werden,<br />

worauf Goldner den Flauptzolleinnehmerdienst erhielt.<br />

71<br />

Als 1824 der Schlossküfer Johann Baptist Quaderer<br />

starb, hinterliess er eine Witwe und 4 unmündige<br />

Kinder. Bei der Wiederbesetzung der Stelle bewarben<br />

sich drei qualifizierte Küfer um die Stelle, doch<br />

erhielt die Witwe Kreszenzia Quaderer den Vorzug.<br />

Landvogt Schuppler hatte die Witwe mit folgender<br />

Begründung zur Anstellung empfohlen: «Werden<br />

die Dienstjahre des Verstorbenen mit Berücksichtigung<br />

des Umstandes, dass die Witwe mit Hülfe eines<br />

guten Gesellen dem Dienste im ganzen Umfange<br />

gewachsen wäre, gewürdiget, und zugleich<br />

erwogen, dass die Renten dann auch von einem<br />

Gnadengehalt für die Witwe und einem etwaigen<br />

Erziehungsbeitrage für die Kinder befreit bleiben,<br />

dann könnte der bittstellenden Witwe der Vorzug<br />

(. . .) gegeben werden.» 72<br />

Diese Beispiele machen deutlich, dass diese Dienststellen<br />

eine willkommene Nebenbeschäftigung boten<br />

und unter den einheimischen Bauern als erstrebenswert<br />

galten. Die Weiterverleihung eines<br />

Dienstes innerhalb einer Familie entband den<br />

Dienstherrn einerseits von der moralischen Verpflichtung,<br />

einem alten Diener oder dessen Witwe<br />

einen Unterstützungsbeitrag zu gewähren, andererseits<br />

stellte eine solche Weitergabe des Dienstes<br />

für den betreffenden Diener auch eine Verpflichtung<br />

dar, die Aufgaben im Interesse seiner Familie<br />

ordentlich zu erfüllen.<br />

82<br />

70) Tschugmell, Beamte, S. 55. - LLA RB Fasz. B 3 div. Akten.<br />

71) ebda.<br />

72) Schuppler an HK am 9. Juni 1824. LLA RB Fasz. B 3.<br />

Die Beschaffung neuer<br />

Staatseinnahmen war<br />

eines der zentralen Ziele<br />

der absolutistischen Reformen<br />

zwischen 1806 und<br />

1810. Dies wurde mit<br />

verschiedenen neuen<br />

Gesetzen und Verordnungen<br />

angestrebt. Im Bild<br />

die Steuerverordnung vom<br />

22. April 1807, die Papierstempelverordnung<br />

vom<br />

20. März 1809 und die<br />

Verordnung über die Einführung<br />

neuer Stempelzeichen<br />

vom 27. August<br />

1852


für Da»<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />

b h ©nW« »


Das Finanzwesen<br />

Durch die Aufnahme in den Rheinbund entstanden<br />

für das Fürstentum neue finanzielle Verpflichtungen,<br />

die eine Reform des Finanzwesens als dringlichste<br />

Aufgabe erscheinen Hessen. Als Mitglied des<br />

Rheinbundes hatte Liechtenstein für Napoleon ein<br />

Truppenkontingent von 40 Mann zu stellen. Diese<br />

Aufgabe hatte Fürst Johann I. - zusammen mit anderen<br />

Fürsten - dem Hause Nassau übertragen,<br />

wofür das Fürstentum eine jährliche Pauschalsumme<br />

zu bezahlen hatte. 1<br />

Weitere finanzielle Belastungen<br />

resultierten aus den Bestimmungen der<br />

Rheinbundakte, dass beim Bund ein Gesandter unterhalten<br />

und eine dritte Gerichtsinstanz errichtet<br />

werden mussten. 2<br />

Die Finanzreform zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

strebte aber auch eine grundsätzliche Umverteilung<br />

der Kosten der Landesverwaltung an. Bis zu<br />

Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt der Landesfürst<br />

alle «Gefälle» (indirekte Steuern), musste dafür<br />

aber für die Besoldung der landesfürstlichen<br />

Beamten aufkommen. Die landschaftlichen Steuern<br />

deckten die Kosten der landschaftlichen Verwaltung,<br />

die Besoldung der Landammänner, Richter<br />

und Kontingentssoldaten sowie die Kreislasten. 3<br />

Die Landschaften hatten nur in geringem Umfang<br />

für die Kosten der obrigkeitlichen Verwaltung aufzukommen.<br />

Sie bezahlten die Kanzleikosten, die<br />

Briefporti und die Diäten für die fürstlichen Beamten.<br />

Die Reichslasten trug bis etwa 1790 die Landesherrschaft<br />

allein, um 1790 wurden die «Römermonate»<br />

auf die Landschaften abgewälzt. Die<br />

«Kammerzieler» hingegen trug bis zur Auflösung<br />

des alten deutschen Reiches die Landesherrschaft. 4<br />

Bevor nun das Finanzwesen dargestellt werden<br />

soll, muss auf die besondere Quellensituation in<br />

der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hingewiesen<br />

werden: Nach der herrschenden Staatstheorie<br />

waren Fürst und Staat identisch. Die Rechnungen<br />

der fürstlichen Renten und des fürstlichen Staates<br />

wurden bis 1844 nicht getrennt geführt. Eine eigentliche<br />

Staatsrechnung wurde nicht erstellt. Die<br />

Steuerpostulate, die dem Landtag jährlich zur Annahme<br />

vorgelegt wurden, stellten lediglich eine<br />

Vorstufe für eine solche getrennte Rechnung dar.<br />

Andererseits bedingten aber diese Steuerpostulate,<br />

84<br />

dass mindestens ideell eine Trennung zwischen<br />

Staatseinnahmen und fürstlichen Privateinnahmen<br />

vorgenommen wurde. Wie bei der Verwaltungsorganisation<br />

ist aber eine saubere Trennung der<br />

fürstlichen und der staatlichen Finanzen nicht<br />

möglich.<br />

DIE REFORM DER DIREKTEN STEUERN<br />

Die Steuerverordnung von 1807 stand nicht nur am<br />

Anfang der Verwaltungsreformen, sondern enthielt<br />

auch schon die wesentlichen Grundsätze: Die Kompetenz<br />

zum Einzug und zur Verrechnung der Steuern<br />

wurde den Landammännern abgenommen und<br />

dem Oberamt übertragen. Die Steuer sollte «zur<br />

Bestreitung aller mit der inneren und <strong>äu</strong>sseren<br />

Verwaltung des Landes gewöhnlich verbundenen<br />

Auslagen, in das Besondere der Besoldung der Justiz-,<br />

Polizey- und Steuer-Beamten, auch der Gesandtschaft<br />

am Bundestage bestimmt seyn.» 5<br />

Die<br />

Steuerverordnung enthielt schliesslich auch erstmals<br />

den Grundsatz der Rechtsgleichheit, indem<br />

sie die Steuerfreiheit des grundherrlichen (mit Ausnahme<br />

des fürstlichen) und kirchlichen Besitzes<br />

ausdrücklich aufhob. 6<br />

Die Steuerverordnung von<br />

1807 beseitigte also nach josephinischem Vorbild<br />

ständische Vorrechte und hob die landschaftliche<br />

Selbstverwaltung in einem wichtigen Punkt auf.<br />

Die Steuerverordnung unterwarf alle «unbeweglichen<br />

Vermögen», womit der gesamte Grundbesitz<br />

und alle Kapitalanlagen gemeint waren, der Besteuerung.<br />

7<br />

Landesbewohner, die kein Vermögen<br />

besassen, aber über 18 Jahre alt waren, hatten ein<br />

«Landesschutzgeld» zu entrichten. 8<br />

Die Verordnung<br />

schrieb weiter vor, dass sofort alle Vermögen<br />

nach ihrem Wert eingeschätzt und in ein Steuerbuch<br />

eingetragen werden mussten. 9<br />

Der Einzug<br />

und die Verrechnung der Steuern, also die gesamte<br />

Steuerverwaltung, wurde zur alleinigen Aufgabe<br />

des Rentamtes erklärt. 10<br />

Eine ausführlichere Erl<strong>äu</strong>terung<br />

der Steuerverordnung von 1807 erübrigt<br />

sich, da sich das Oberamt ohnehin nur soweit an<br />

diese Vorschriften hielt, wie ihm das sinnvoll und<br />

zweckmässig schien.


Bei der Einführung der Grundsteuer mahnte die<br />

Hofkanzlei zu grosser Eile. Die Steuereinschätzung<br />

wurde bereits im Sommer 1808 provisorisch abgeschlossen.<br />

11<br />

Etwas merkwürdig erscheint bei diesem<br />

Vorgehen, dass der Steuerwert des Grundbesitzes<br />

nur mit einem Drittel des tatsächlich geschätzten<br />

Wertes angenommen wurde. Das mochte<br />

vielleicht zur Beruhigung der Untertanen dienen,<br />

auf die Höhe der zu leistenden Steuer hatte es jedoch<br />

keinen Einfluss, da sich diese allein nach den<br />

Staatsausgaben richtete. Die Versteuerung der im<br />

Lande angelegten Kapitalien wurde nur bei den<br />

einheimischen Geldgebern verwirklicht, die ausländischen<br />

Darlehen, die bedeutend zahlreicher<br />

und grösser waren, wurden nicht besteuert, 12<br />

ebensowenig wurde das Landesschutzgeld verwirklicht.<br />

13<br />

Der Steuereinzug - und damit die<br />

Steuerverwaltung - erfolgte nicht nach den in der<br />

Steuerverordnung enthaltenen Vorschriften, sondern<br />

nach einem Modus, der sich eng an die alte<br />

Form hielt. Die Steuerverordnung sah vor, dass der<br />

Rentmeister für jeden einzelnen Untertan die Steuer<br />

berechnete und von ihm einzog. Schuppler wurde<br />

1814 bei der Hofkanzlei angezeigt, weil sich das<br />

Oberamt nicht an diese Vorschrift hielt. Schuppler<br />

rechtfertigte sich damit, dass diese Art des Steuereinzugs<br />

den Rentmeister weit überfordern würde<br />

und zugleich die Gefahr entstünde, dass die Steuer<br />

nicht eingebracht werden konnte. Nach Schupplers<br />

Angabe verteilte das Oberamt die Steuer daher lediglich<br />

auf die Gemeinden, die «Subrepartition»<br />

auf die einzelnen Steuerpflichtigen hatten die Gemeinden<br />

selbst vorzunehmen. Das Rentamt zog lediglich<br />

bei den «Honoratioren» die Steuer individuell<br />

ein, d.h. bei den Grundherren und beim Klerus.<br />

Den Steuereinzug bei den Untertanen besorgten<br />

die Säckelmeister der Gemeinden zusammen<br />

mit den Gemeindeabgaben. Schuppler meinte, dass<br />

die Steuern nur auf diese Art eingebracht werden<br />

konnten: «So wie die Steuerschuldigkeit von jenen<br />

der Gemeindeanlagen getrennt wird, verliert sie<br />

an Sicherheit . . . Die Gemeinanlagen hätten und<br />

müssten ein Vorrecht vor den Steuern haben, weil<br />

sie gewissermassen zur Erhaltung dieser dienen,<br />

und so wie man die Gerichte von der Eintreibung<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />

der Steuern - (was sie alle insgesammt wünschen)<br />

- freispricht, ist das Rentamt ausser Stande, die<br />

letztjährige Steuer im Laufe des folgenden Jahres<br />

einzubringen.» 14<br />

1842 erklärte Landvogt Menzinger<br />

Fürst Alois IL, «dass die eigentliche Landessteuer<br />

nicht individualiter von den Steuerholden,<br />

sondern von den Gemeinden in Corpore nach ihrem<br />

Steuersatze verlangt werde, welche sodann die<br />

sie betreffende Quoten unter die Gemeindeangehörigen<br />

weiter repartieren, und sofort auch zusammen<br />

dem Rentamte abführen.» 15<br />

1) Malin, S. 149.<br />

2) Diese drei Gründe werden in der Präambel der Steuerverordnung<br />

von 1807 angeführt.<br />

3) Die Kreislasten bestanden aus dem sogenannten «Contributionale»<br />

(Kreisgelder) und den «Prima plana-Geldern» (Offiziersbesoldungen).<br />

Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein aus dem Jahre<br />

1784, LLA Kopie o, S.<br />

4) Die «Römermonate» bildeten eine Reichssteuer, die für die<br />

Reichstruppen bezahlt werden musste, Die «Kammerzieler» stellten<br />

einen Beitrag an das Reichskammergericht in Wetzlar das. - Zur<br />

Aufteilung der Kosten zwischen Landschaften und Landesherrschaft<br />

vgl. Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein aus dem Jahre<br />

1784 sowie die rentamtlichen Rechnungsbücher und die Landschaftsrechnungen.<br />

LLA.<br />

5) Steuerverordnung vom 22. 4. 1807, § 10.<br />

6) ebda. § 3.<br />

7) ebda. § 2.<br />

8) Dabei wurde ein steuerbares Vermögen von 150 Gulden angenommen,<br />

für Dienstleute ein solches von 100 Gulden. Ebda. § 6.<br />

9) ebda. § 4.<br />

10) ebda. § 10.<br />

11) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 397.<br />

12) ebda. S. 397 und S. 313.<br />

13) Alois Ospelt meint, dass das Hintersässgeld mit diesem Landesschutzgeld<br />

gleichzusetzen sei. Das Hintersässgeld war jedoch eine<br />

ältere Abgabe, die in der obern Landschaft 1 Gulden 30 Kreuzer betrug,<br />

in der untern Landschaft 2 Gulden. Die Hintersassen konnten<br />

sich von der Bezahlung der Hintersässgelder befreien, indem sie<br />

sich mit 25 Gulden in den Untertanenverband einkauften. Schuppler<br />

an HK am 22. August 1823. LLA RC 22/10.<br />

14) Schuppler an HK am 5. Juli 1814. LLA RB B 2.<br />

15) Diese Erklärung des Steuersystems galt dem Fürsten, der anlässlich<br />

seines zweiten Besuches im Land den Untertanen ein Steuergeschenk<br />

machen wollte. OA an Fürst am 5. Januar 1847. LLA RC<br />

87/28.<br />

85


Der Klerus akzeptierte die Beseitigung seiner Steuerfreiheit<br />

nicht ohne weiteres. Die Geistlichen baten<br />

nach Erscheinen der Steuerverordnung den<br />

Landesfürsten um Wiedereinführung ihres Steuerprivilegs,<br />

doch wurde dies von der Hofkanzlei abgelehnt.<br />

10<br />

Merkwürdigerweise wurden die Honoratioren<br />

aber trotz dieses ablehnenden Entscheids<br />

bis 1809 und dann wieder in den Jahren 1814 bis<br />

1817 nicht besteuert. 17<br />

1818 wurden die Steuerprivilegien<br />

endgültig aufgehoben. Mit der Abwälzung<br />

des Steuereinzugs auf die Gemeinden wählte<br />

Schuppler eine Lösung, die zwar im klaren Gegensatz<br />

zur Steuerverordnung stand, die aber wohl die<br />

einzige Möglichkeit bot, die Steuern hereinzubringen.<br />

Der Steuereinzug durch die Obrigkeit hätte<br />

nicht nur einen grösseren Verwaltungsaufwand gebracht,<br />

sondern auch zu einem zähen Steuerwiderstand<br />

der Untertanen geführt. Ohne zusätzliche polizeiliche<br />

Mittel hätte die Obrigkeit die Steuern<br />

kaum einheben können.<br />

DIE ERHÖHUNG DER TAXEN UND GERÜHREN<br />

Für die Amtshandlungen der fürstlichen Beamten<br />

wurden bereits im 18. Jahrhundert Kanzleitaxen<br />

erhoben, die der Landvogt erhielt. 18<br />

Die sogenannten<br />

«Siegelgelder», die für die Bestätigung von Urkunden<br />

zu entrichten waren, erhielten die Landammänner.<br />

Diese Taxen und Gebühren hatten also<br />

zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch unmittelbar<br />

den Charakter einer Entschädigung für den Beamten,<br />

dessen Dienste in Anspruch genommen wurden.<br />

Bei seinem Besuch im Sommer 1808 untersuchte<br />

Hauer auch, welche Taxen im Fürstentum erhoben<br />

wurden und wer diese erhielt. Die Dienstinstruktion<br />

von 1808 stellte als Konsequenz dieser Untersuchung<br />

fest, dass ab 1. Januar 1809 alle Taxen als<br />

Landeseinnahmen 19<br />

zu betrachten seien. (Die Beamten<br />

bezogen dann aber doch noch 5 bis 10 % an<br />

den verschiedenen Taxeinnahmen.) Der Landvogt<br />

wurde beauftragt, eine neue Erbfolgeordnung, eine<br />

neue Taxnorm für Gerichtsfälle und Grundbuchhandlungen<br />

20<br />

und eine Stempelsteuerverordnung 21<br />

86<br />

auszuarbeiten. Da sich der Landvogt dabei an das<br />

österreichische Beispiel halten sollte, lief dieser<br />

Auftrag auf eine drastische Erhöhung aller Taxen<br />

und Gebühren hinaus. Liechtenstein übernahm damit<br />

den österreichischen Grundsatz, aus den Gebühren<br />

eine möglichst einträgliche Staatseinnahme<br />

zu schaffen.<br />

Mit der Erbfolgeordnung vom 1. Januar 1809 erschien<br />

zugleich eine Instruktion über die bei Verlassenschaftsabhandlungen<br />

zu erhebenden Taxen.<br />

Im Grunde wurde damit für das Fürstentum eine<br />

Erbschaftssteuer geschaffen. Bis 1808 bestand in<br />

Liechtenstein keine Erbschaftssteuer. Der Landsbrauch<br />

bestimmte lediglich, dass Güter ohne gesetzliche<br />

Erben, Güter, die an Huren- oder Bastardenkinder<br />

verfallen würden, sowie Güter von<br />

Selbstmördern an die Landesherrschaft fielen. 22<br />

Durch die Erbfolgeordnung von 1809, das Schulgesetz<br />

von 1827 und die Verordnung betreffend das<br />

Armenwesen von 1845 wurde die Erbsteuer Schritt<br />

für Schritt ausgebaut, wobei die Erträge aus dieser<br />

Steuer dem Armen- und dem Schulfonds zukamen.<br />

In der Papierstempelverordnung vom 20. März<br />

1809 wurde die Einführung der Stempel damit begründet,<br />

dass die «dermahligen politischen Verhältnisse»<br />

grössere Staatseinkünfte erforderlich<br />

machten. Die Papierstempelverordnung schrieb<br />

vor, dass alle rechtsgültigen Urkunden einen Stempel<br />

tragen mussten. Die Stempelgebühren betrugen<br />

zwischen 3 Kreuzern und 2 Gulden, wobei sich die<br />

Stempelgebühr einerseits nach dem Wert des Geschäftes<br />

richtete, über das die Urkunde ausgestellt<br />

war, und andererseits nach dem Stand des Ausstellers.<br />

Damit die Einnahmen aus den Stempelgebühren<br />

möglichst hoch ausfielen, wurde der Begriff<br />

«Urkunde» so weit gefasst, dass alle Rechnungen,<br />

Quittungen, Verträge, Vollmachten usw. darunter<br />

fielen.<br />

Durch die «Provisorische Gerichtstaxenskala» vom<br />

30. Dezember 1809 wurden die alten Taxen wesentlich<br />

erhöht. Für jede Amtshandlung wurde<br />

eine Taxe zwischen 2 Kreuzern und 12 Gulden bestimmt.<br />

23<br />

Durch die «Taxnormen» vom 22. Februar<br />

1859 wurde eine weitere Erhöhung der Taxen vorgenommen.


Die Tendenz, möglichst viele und möglichst hohe<br />

Gebühren einzuführen, zeigte sich auch bei den sogenannten<br />

«Konzessionsgeldern», die für die Ausübung<br />

bestimmter Gewerbe bezahlt werden mussten.<br />

Soweit die Landesherrschaft ein Monopol für<br />

diese Gewerbe besass (z.B. Lumpensammeln, Salitergraben,<br />

Gipsbruch, Apothekerwurzelgraben<br />

usw.) wurden diese Gewerbe jährlich meistbietend<br />

zur Ausübung versteigert. Die Bedeutung dieser<br />

Monopolgewerbe nahm stetig ab, die «alten» Konzessionsgelder<br />

brachten immer weniger ein. Die<br />

Gebühren für die Wirte («Tafernzinse») wurden<br />

1809 neu geordnet und wesentlich erhöht. 24<br />

Für<br />

das Handels- und Hausiergewerbe wurden<br />

1809/10 erstmals Gebühren erhoben, für die Tanzmusikbewilligung<br />

wurden 1829 Gebühren eingeführt.<br />

Weitere Gebühren und Taxen waren die Emigrationstaxen,<br />

die Laudemien, die Untertanseinkaufgelder,<br />

die Hintersassenschutzgelder und die<br />

Heiratstaxen.<br />

Von den Untertanen wurden insbesondere die neuen<br />

Stempelgebühren als eine drückende Last empfunden.<br />

1816 wollte die Hofkanzlei eine weitere Erhöhung<br />

dieser Gebühren verordnen, doch bat der<br />

Landvogt dringend, davon abzusehen. Die Stempelgebühren<br />

seien in Liechtenstein viel belastender<br />

als in den angrenzenden Ländern. Besonders betroffen<br />

seien die vielen Schuldner im Lande, die bei<br />

jeder Zinszahlung Stempelgebühren zu entrichten<br />

hätten. Er fuhr dann fort: «... fast alle Jahre die<br />

Unterthanen in geheim Versammlungen halten, wo<br />

sie deliberiren, in welchen Wegen sie die Neuerungen<br />

wegbringen.» 25<br />

Nach dieser Vorstellung verzichtete<br />

die Hofkanzlei auf eine weitere Erhöhung<br />

der Stempelgebühren. 26<br />

In vielen Fällen umgingen<br />

die Untertanen die Stempelgebühren und schrieben,<br />

um der für solche Fälle vorgesehenen Stempelstrafe<br />

zu entgehen, einfach «Aus Abgang des<br />

Stempels» auf ihre Verträge. Das Oberamt liess<br />

darauf durch die Ortsvorsteher bekannt machen,<br />

dass für jede ungestempelte Urkunde die Stempelstrafe<br />

eingezogen werde. 27<br />

1831 beklagten sich die Untertanen über die hohen<br />

Taxen. Sie schlugen vor, die Taxen, die «nur die ärmere<br />

und bedrängte Klasse und nicht die fremden<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />

Güterbesitzer, wie z.B. das k.k. Feldkircher Rentamt»<br />

träfen, zu vermindern und dafür die direkten<br />

Steuern zu erhöhen, damit die fremden Güterbesitzer<br />

stärker zu den Landeslasten beitragen mussten.<br />

28<br />

Welche Bedeutung die Tax- und Gebühreneinnahmen,<br />

die insgesamt eine ständig steigende Tendenz<br />

aufwiesen, für den Staatshaushalt hatten, geht daraus<br />

hervor, dass diese Einnahmen seit 1850 in einzelnen<br />

Jahren höher waren als die Einnahmen aus<br />

den direkten Steuern. 29<br />

Der Vorteil für die Obrigkeit<br />

lag darin, dass Taxen und Gebühren weniger leicht<br />

umgangen werden konnten als die direkten Steuern<br />

und dass sie keinerlei Mitwirkung der Landstände<br />

unterlagen.<br />

16) HK an OA am 10. Oktober 1807. LLA NS 1807.<br />

17) Steuersummarien aus den Jahren 1814 bis 1817. LLA RB Fasz.<br />

S 5.<br />

18) Bericht Hauers über das Fürstentum Liechtenstein aus dem<br />

Jahr 1808. Beilage 4, Punkt 6. In: JBL 1983. S. 71 ff.<br />

19) Art. 17 der Dienstinstruktion von 1808 schreibt vor, dass alle Taxen<br />

in die «fürstlichen Renten» fliessen sollten. Die Dienstinstruktion<br />

unterscheidet nirgends zwischen Landeseinnahmen und Renten.<br />

Tatsächlich wurden die Taxen als Landeseinnahmen eingestuft. -<br />

Vgl. dazu die Steuerpostulate.<br />

20) Dienstinstruktion von 1808, Art. 1. LLA RB Gl.<br />

21) ebda. Art. 13.<br />

22) Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein durch Hauer aus<br />

dem Jahre 1808. Beilage 4, Punkt 20. In: JBL 1983. S. 71 ff.<br />

23) Die Tabelle ist abgedruckt in der Beschreibung des Fürstentums<br />

Liechtenstein durch Schuppler. JBL 1975. S. 376 ff.<br />

24) Verordnung vom 16. 1. 1809 betr. Einführung der Bewilligungspflicht<br />

zur Schankausübung.<br />

25) OA an HK am 10. April 1816. LLA RB Fasz. S 6.<br />

26) HK an OA am 13. Juni 1816. LLA RB Fasz. S 6.<br />

27) Umlaufschreiben des OA vom 13. 2. 1816. LLA RB Fasz. G 1.<br />

28) Protokoll der Verhandlung der beiden Untersuchungskommissäre<br />

Kraupa und Emser mit den Ortsgerichten vom 18. 4. 1831.<br />

HKW 4165/831. (Photokopie im LLA)<br />

29) Vgl. die entsprechenden Tabellen bei Alois Ospelt, Anhang,<br />

S. 230 und 259.<br />

87


DIE SCHAFFUNG VON INDIREKTEN STEUERN<br />

Auf Vorschlag des ständischen Landtages beschloss<br />

Fürst Johann I. eine Hundesteuer einzuführen, die<br />

jedoch für die Staatseinnahmen keine grosse Bedeutung<br />

erreichte. Zu Beginn der 1830er Jahre<br />

wurde eine Salzsteuer eingeführt, die zunächst<br />

sehr niedrig gehalten wurde. Als aber Liechtenstein<br />

1836 ein Kontingent aufstellen und ausrüsten<br />

musste, wurde diese Steuer schlagartig auf ein<br />

Vielfaches erhöht. Sie zählte in der Folge zu den<br />

wichtigsten Landeseinnahmen. Eine weitere Erhöhung<br />

der Salzsteuer fand im Zusammenhang mit<br />

dem Zollanschluss an Österreich statt. 30<br />

Wie die<br />

Gebühren stellte die Salzsteuer im Grunde eine unsoziale<br />

Steuer dar, die vor allem die meist ohnehin<br />

armen Untertanen traf, die Landesherrschaft und<br />

die Grundherren jedoch schonte.<br />

DIE GEFÄLLE ALS FÜRSTLICHE PRIVAT­<br />

EINNAHMEN<br />

Bis 1808 bildeten alle Regalien und nutzbaren Hoheitsrechte<br />

ein unbestrittenes Recht der Landesherrschaft.<br />

Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

sämtliche Verwaltungskosten auf die Untertanen<br />

abgewälzt wurden, erhoben diese nach dem Beispiel<br />

anderer deutscher Staaten Anspruch auf verschiedene<br />

landesfürstliche Gefälle. Der Fürst hatte<br />

zwar die verschiedenen Taxen und Gebühren zu<br />

Staatseinnahmen erklärt, beanspruchte jedoch die<br />

Zoll-, Weg- und Umgelder, das Jagd- und Fischereiregal,<br />

die «behöbte Steuer» und die verschiedenen<br />

Feudallasten 31<br />

weiterhin als landesfürstliche Privatrechte.<br />

Zwischen 1807 und 1811 wurden die<br />

Zoll- und Weggelder wiederholt erhöht. 32<br />

Im Vormärz<br />

forderten die Untertanen mehrmals die Überlassung<br />

der Zoll- und Weggelder, die zusammen<br />

mit dem Umgeld (einer Getränkesteuer) jährlich<br />

mehrere Tausend Gulden in die fürstliche Rentkasse<br />

fliessen Hessen. 33<br />

Von Landvogt Schuppler wurde die Auffassung,<br />

dass diese Gefälle fürstliche Privateinnahmen darstellten,<br />

damit begründet, dass die Obrigkeit diese<br />

88<br />

beim Erwerb des Fürstentums habe bezahlen müssen,<br />

was auch bei andern kleinen Fürstentümern<br />

nicht selten der Fall gewesen sei: «Denn alle Rechte,<br />

die die Obrigkeit an sich kauft, sind nicht mehr<br />

Landeseinkünfte, sondern Herrschaftserträgniss,<br />

weil Staatsrechte, wenn sie es sein sollen, unver<strong>äu</strong>sserlich<br />

sind, und von den Regenten nicht qua<br />

Privatbesitzer sondern qua Staatsoberhaupt in<br />

Ausübung gesetzt werden sollen, was bei dem Fürstentum<br />

der Fall nicht ist.» 34<br />

Die Empörung der Untertanen über diese Argumentation<br />

kommt im «Politischen Tagebuch» des<br />

Amtsboten Johann Rheinberger mit aller Deutlichkeit<br />

zum Ausdruck. Er warf den «Herren Staatsreformatoren<br />

Hauer und Schuppler» vor, die Sache<br />

nicht reiflich erwogen zu haben oder aber «zweifache<br />

Schurken» zu sein, die die fürstlichen Renten<br />

auf Kosten des staatlichen Eigentums erhöhen<br />

wollten. «Mit redlichen Augen mag einmal dieser<br />

Gegenstand nicht überblickt worden sein, sonst<br />

hätte denselben doch unmöglich entgehen können,<br />

dass die Zölle, die Weggelder, die Umgelder, die gemeine<br />

Landes- und Behöbte-Steuer Gefälle sind,<br />

welche schon durch ihre Natur mit dem Gepräge<br />

der Staatsgefälle versehen wurden.» 35<br />

In einer ähnlich scharfen Form verurteilte auch Peter<br />

Kaiser in seinem «Exposee über die liechtensteinischen<br />

Staatsregalien» von 1843 die fürstlichen<br />

Ansprüche auf die Gefälle. Er ging davon<br />

aus, dass die Rechte und Pflichten der Herrschaft<br />

und des Volkes 1614 durch einen Vertrag festgelegt<br />

wurden, der vom Fürsten eigenmächtig zum Nachteil<br />

des Volkes verändert worden sei. «Als der Fürst<br />

souveräin wurde und die Ausscheidung dessen geschah,<br />

was Privatgut desselben und was Staatsgut<br />

sein sollte, wurden die früheren Verträge eigenmächtig<br />

aufgehoben, dem Lande einige wenig einträgliche<br />

Posten zugeschrieben, das übrige zum<br />

Privatgut des Fürsten geschlagen, dem Lande alle<br />

Lasten, die aus dem Verhältnis zum deutschen<br />

Bund hervorgehen, wie auch grossentheils die Unterhaltung<br />

der Beamten zugewiesen.» Die Ausscheidung<br />

des fürstlichen Privatgutes vom Staatsgut<br />

hätte nach seiner Meinung durch einen Vertrag<br />

zwischen Volk und Fürst geregelt werden müssen,


statt dessen verbiete die Verfassung den Ständen<br />

sogar, sich überhaupt auf diese Fragen einzulassen.<br />

Grosse Bedeutung mass Kaiser dem Beispiel<br />

anderer deutscher Bundesstaaten bei, in denen die<br />

Domäne zum Staatsgut erklärt worden sei. Empört<br />

zeigte sich Kaiser auch über die Behauptung, der<br />

Fürst verlange für sich keine Zivilliste. Da der Fürst<br />

Zölle und Domänengüter für sich beanspruche, frage<br />

man sich, «ob irgend ein Land nach Verhältnis<br />

eine so grosse Civilliste bezahle, als das Fürstenthum<br />

L. Und wie kann man behaupten, der Fürst<br />

beziehe nichts vom Lande, wie man es in allen<br />

Geographien von Deutschland liest?» Kaiser beanstandete<br />

auch den Umstand, dass die Erträge der<br />

Domäne ins Ausland gingen, weil der Fürst im Ausland<br />

residiere. Zu den Taxen und Stempeln meinte<br />

er, dass diese zwar dem Lande überwiesen und beträchtlich<br />

erhöht worden seien, doch habe man damit<br />

dem Volk ein Geschenk gemacht, «das es aus<br />

seiner eigenen Tasche bezahlen musste.» Nach seiner<br />

Ansicht standen nicht nur die Zölle, sondern<br />

auch das Jagdregal und die Wälder dem Lande zu.<br />

Als Mitglied der Delegation, die 1840 nach Wien<br />

gereist war und dem Fürsten die Anliegen der Untertanen<br />

vorgebracht hatte, machte er sich aber<br />

keine grosse Hoffnung auf ein baldiges Entgegenkommen<br />

des Fürsten: «Überhaupt ist diese Materie<br />

eine schwierige und auch bei den besten Gründen<br />

nicht durchzudringen, wenn der Souveräin nicht<br />

will . . . Die hiesige Commission hat sich daher seiner<br />

Zeit weniger auf die rechtliche Deduktion als<br />

auf die Kraft von Bitten und die Wirkung der Gnade<br />

gestützt, aber wie es scheint, ohne Befolg.» 36<br />

Die Bedeutung der fürstlichen Privatgefälle geht<br />

aus einer Zusammenstellung des Oberamtes über<br />

die durchschnittlichen Herrschaftserträge in den<br />

Jahren 1827 bis 1838 hervor: Danach betrugen die<br />

Zölle im Jahresdurchschnitt 3755 Gulden, das Umgeld<br />

1312 Gulden, das Weggeld 1304 Gulden, das<br />

Jagdregal 132 Gulden, die Walderträge 654 Gulden<br />

und das Fischereiregal 38 Gulden. Die behöbte<br />

Steuer machte jährlich 198 Gulden aus. Die gesamten<br />

herrschaftlichen Einkünfte betrugen im Jahr<br />

durchschnittlich 17 244 Gulden. Die herrschaft­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />

lichen Verwaltungskosten betrugen 3073 Gulden,<br />

so dass ein jährlicher Reinertrag von 14 170 Gulden<br />

verblieb. 37<br />

Die Einnahmen der Herrschaft lagen damit<br />

deutlich über den gesamten Staatseinnahmen<br />

(Steuern, Taxen und Gebühren).<br />

Nach dem Rheineinbruch von 1846, der für das<br />

Land eine Katastrophe bedeutete, überliess Fürst<br />

Alois II. die Erträge aus dem Zoll- und Weggeldgefälle<br />

dem Land. War diese Abtretung 1846 noch<br />

als eine vorübergehende Hilfsmassnahme gedacht,<br />

so erklärte der Fürst durch den Erlass vom 7. April<br />

1848 alle Gefälle zu Staatseinkommen. Die Feudalleistungen<br />

wurden für ablöslich erklärt und die<br />

obrigkeitlichen Gewerbemonopole (Mühlen, Ziegelhütte<br />

usw.) aufgehoben. 38<br />

Für die Staatseinnahmen<br />

war dieser Erlass von erstrangiger Bedeutung: Seit<br />

1850 bildeten die Zoll- und Weggeldeinnahmen die<br />

wichtigste Staatseinnahme überhaupt. Nach dem<br />

Abschluss des Zoll- und Steuervertrages mit Österreich<br />

im Jahre 1852, durch den die österreichischen<br />

Verzehrungssteuern auch in Liechtenstein<br />

eingeführt wurden, verdreifachten sich diese Einnahmen<br />

schlagartig und betrugen nun fast regelmässig<br />

mehr als die Hälfte der gesamten Staatseinnahmen.<br />

30) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte. S. 259.<br />

31) Diese verschiedenen Feudalleistungen waren das Vogelrecht,<br />

der Schäfhaber, die Fasnachtshenne, die Neugereutzinse und das<br />

Pleuelgeld. Vgl. dazu Geiger, Anhang, S. 404.<br />

32) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 336 und S. 362.<br />

33) Alois Ospelt, Anhang, S. 230.<br />

34) Schuppler an HK am 12. März 1818. LLA RB Fasz. L 6.<br />

35) Johann Rheinberger, «Politisches Tagebuch», JBL 1958.<br />

S. 235/36.<br />

36) Peter Kaiser, «Exposee über die liechtensteinischen Staatsregalien».<br />

Chur am 30. 11. 1843. Das Schreiben war vermutlich an Dr.<br />

Schädler gerichtet. LLA Peter Kaiser-Akten.<br />

37) «Ausweis dos 12jährigen Durchschnittsertrages der hochherrschaftlichen<br />

Gefälle». Beilage 5 zum Bericht Menzingers an Fürst<br />

Alois II. vom 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />

38) Bekanntmachung betr. neue Verfassung und weitere Reformzusicherungen<br />

vom 7. April 1848. Art. 12-14. Veröffentlicht bei Alois<br />

Ospelt, Anhangs. 122.<br />

89


DIE STAATLICHE FINANZNOT<br />

Das Fürstentum Liechtenstein war trotz der Erhöhung<br />

der direkten Steuern und der Gebühren sowie<br />

der Einführung der Salzsteuer in der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts finanziell nicht lebensfähig.<br />

Die steuerlichen Belastungen waren zwar nicht<br />

grösser als in Österreich, doch war das Fürstentum<br />

wirtschaftlich dermassen rückständig, dass es diese<br />

Lasten kaum tragen konnte. Die schlimmsten<br />

Notjahre waren die unmittelbaren Nachkriegsjahre<br />

und die Jahre 1816 bis 1818, als im Lande eine unbeschreibliche<br />

Hungersnot bestand: In den 1810er<br />

Jahren schrieb Landvogt Schuppler wiederholt an<br />

die Hofkanzlei, dass die postulierte Steuer unmöglich<br />

eingetrieben werden könne. 1814 beschrieb er<br />

die Situation im Fürstentum folgendermassen:<br />

«Gerade itzt wandeln die Menschen wie kaum noch<br />

lebende Leichname daher, mit Sehnsucht harren<br />

sie dem Tage entgegen, an welchem sie ihre Wintergerste<br />

schneiden und ausklopfen können, um ihren<br />

Heishunger zu stillen, und kaum wird die Blüthe<br />

vom Erdapfelkraute abgefallen seyn, als sie<br />

schon die noch unreife Frucht verzehren und mit<br />

Anfang des Winters kaum mehr etwas haben werden,<br />

denn das Türkenkorn wird heuer, wenn nicht<br />

im Spätsommer und Herbst besonders günstiges<br />

Wetter eintrift, nicht reif. Von diesen eine Steuer<br />

einzubringen, ist dem Amte und Rentamte nicht<br />

möglich . . . » 39<br />

Der Staatsbankrott konnte wiederholt nur dadurch<br />

verhindert werden, dass der Fürst die Kosten für<br />

die Gesandtschaft, für das Kontingent und die Besoldung<br />

der Beamten vorschoss: Noch bevor die<br />

Rückzahlung der Kriegsvorschüsse von 1799 bis<br />

1805 überhaupt in Angriff genommen werden<br />

konnte, 40<br />

musste der Fürst in den Jahren 1813 bis<br />

1817 erneut beträchtliche Darlehen gewähren, damit<br />

das Fürstentum seinen Pflichten als Mitglied<br />

des Rheinbundes und des deutschen Bundes nachkommen<br />

konnte. 41<br />

Weitere Darlehen gewährte der<br />

Fürst 1836, als ein Kontingent ausgerüstet werden<br />

musste 42<br />

und beim Rheineinbruch 1846. 43<br />

Wie<br />

gross die Vorschüsse des Fürsten an die Staatskasse<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins­<br />

90<br />

gesamt waren, lässt sich auf Grund der rentamtlichen<br />

Rechnungsbücher in Vaduz nicht ermitteln.<br />

Das Ausmass dieser Vorschüsse lässt sich aber daran<br />

ermessen, dass in allen Steuerpostulaten von<br />

1818 bis 1846 (mit Ausnahme der Jahre 1833 bis<br />

1835) grössere Beiträge für die Rückzahlung dieser<br />

Vorschüsse enthalten waren. 44<br />

Im Jahre 1850<br />

schuldete das Land dem Fürsten noch insgesamt<br />

38 860 Gulden, 45<br />

in den 1850er Jahren erhielt es<br />

weitere Vorschüsse von 19 511 Gulden. 46<br />

Die <strong>äu</strong>sserst angespannte Finanzlage stellte für das<br />

Land einen steten Zwang zum Sparen dar. Die<br />

Steuerpostulate, die in gewisser Weise eine Staatsrechnung<br />

bilden, enthalten nur wenige Ausgaben<br />

für Aufgaben der «inneren» Landesverwaltung. Die<br />

Gesandtschaftskosten, die Beamtenbesoldung, die<br />

Rückzahlung der fürstlichen Vorschüsse sowie die<br />

Kosten für das Appellationsgericht in Innsbruck als<br />

dritter Gerichtsinstanz für das Fürstentum machten<br />

von 1818 bis 1836 jährlich etwa 6000 Gulden<br />

aus, dazu kamen noch wenige Plündert Gulden für<br />

Kanzleikosten, Postspesen und ähnliches. Als 1836<br />

Liechtenstein ein Kontingent aufzustellen hatte,<br />

stiegen die jährlichen Staatsausgaben auf etwa<br />

10 000 bis 11000 Gulden an. Für Investitionen in<br />

die Infrastruktur war in der ersten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts kein Geld vorhanden, in diesem<br />

Bereich wurde der Staat erst in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts tätig. 47<br />

Als eine Verbesserung<br />

der Infrastruktur ist auch der Ausbau und der Unterhalt<br />

der Strassen anzusehen, doch wurden diese<br />

Arbeiten teils als Fronarbeiten von den Untertanen<br />

geleistet, teils waren dafür Wegarbeiter angestellt,<br />

die aus den fürstlichen Renten bzw. den Weggeldeinnahmen<br />

bezahlt wurden. Soweit der Staat Beiträge<br />

an das Schul- und Armenwesen entrichtete,<br />

stammten diese Gelder aus den entsprechenden<br />

Fonds.<br />

39) Schuppicr an HK am 5. Juli 1814. LLA KB Fasz. B 2.<br />

40) In einer Stouerversammlung von 1809 anerkannten die beiden<br />

Landschaften eine Schuld von 27 890 Gulden gegenüber der Herrschaft<br />

und erklärten, sowohl mit dem Vermögen eines jeden Untertanen<br />

als auch des ganzen Landes für die Rückzahlung zu haften. Protokoll<br />

der Steuerversammlung vom 24. 3. 1809, LLA RB Fasz. S 5.


41) Dieses Darlehen war unverzinslich und betrug ca. 25 000 Gulden,<br />

die in jährlichen Raten zwischen 1818 und 1831 zurückbezahlt<br />

wurden. Steuerpostulate von 1818 bis 1831. LLA div. Akten.<br />

42) Das Darlehen betrug 7691 Gulden, mit der Rückzahlung dieses<br />

Darlehens in jährlichen Raten wurde in den folgenden Jahren begonnen.<br />

Steuerpostulate 1836 und folgende Jahre. LLA div. Akten.<br />

43) Dieses Darlehen betrug 11 598 Gulden. Alois Ospelt, Anhang,<br />

S. 231.<br />

44) 1847 verzichtete der Fürst wegen des Rheineinbruchs vorl<strong>äu</strong>fig<br />

auf weitere Rückzahlungen.<br />

45) Menzinger an Fürst am 19. September 1854. LLA RC 72/19.<br />

46) Alois Ospelt, Anhang, S. 231.<br />

47) Steuerpostulate. LLA div. Akten.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />

91


Die Gesetzgebung<br />

Wenn man von der zeitlichen Reihenfolge auf den<br />

sachlichen Vorrang der Reformen schliessen will,<br />

so stellte eine Anpassung der Justizgesetze an den<br />

«Geist des Zeitalters» 1<br />

nach der Vermehrung der<br />

Staatseinnahmen die dringlichste Aufgabe dar. Die<br />

Notwendigkeit dieser Reform leiteten die Beamten<br />

der Hofkanzlei nicht aus der konkreten Situation<br />

im Fürstentum ab - der Landsbrauch war ihnen<br />

kaum dem Namen nach bekannt - sondern aus ihrem<br />

Bestreben, überall eine «Gleichförmigkeit» zu<br />

erzielen.<br />

Bei einer Darstellung der Reformen in der Gesetzgebung<br />

ist grundsätzlich von der Situation in Österreich<br />

auszugehen: Seit Joseph II. wurden in Österreich<br />

die Gesetze und Verordnungen in zwei<br />

grossen Sammlungen, der «politischen Gesetzessammlung»<br />

und der «Gesetzessammlung im Justizfache»<br />

publiziert. Die «politische Gesetzessammlung»<br />

umfasste das sich immer mehr entfaltende<br />

Verwaltungsrecht, die «judizielle Gesetzessammlung»<br />

das Zivil- und Strafrecht. Im Unterschied zu<br />

Preussen, wo das Allgemeine Landrecht eine umfassende<br />

Kodifikation des gesamten Zivil-, Strafund<br />

Staatsrechts anstrebte, gelangte man in Österreich<br />

nur zur Kodifikation des Zivil- und Strafrechtes.<br />

Der Versuch, das «politische» Recht zu kodifizieren,<br />

scheiterte «ausser an der Schwierigkeit, die<br />

sehr vielgestaltige und ständig Veränderungen unterliegende<br />

Materie des Verwaltungsrechts systematisch<br />

zu erfassen, an der Verschiedenheit der<br />

Landesverfassungen, an der komplizierten Struktur<br />

der Monarchie.» 2<br />

Die Einteilung in eine judizielle<br />

und eine politische Gesetzgebung und die damit<br />

verbundene Problematik findet sich auch in der<br />

liechtensteinischen Gesetzgebung in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder.<br />

DIE JUSTIZGESETZGEBUNG<br />

Im 18. Jahrhundert sollten die fürstlichen Beamten<br />

der gesunden Vernunft gemäss und nach dem althergebrachten<br />

lokalen Gewohnheitsrecht Recht<br />

sprechen. Das Reichsrecht bildete nach dem<br />

Grundsatz «Landrecht bricht Reichsrecht» lediglich<br />

92<br />

subsidiäres Recht. Im Familienrecht war weitgehend<br />

das kanonische Recht gültig. 3<br />

Im letzten Viertel<br />

des 18. Jahrhunderts schlugen zwar auch die<br />

Landvögte in Vaduz - wohl unter dem Einfluss der<br />

josephinischen Reformen in Österreich - eine vermehrte<br />

schriftliche Festlegung des geltenden<br />

Rechts vor, 4<br />

doch reagierte die fürstliche Hofkanzlei<br />

auf diese Vorschläge nicht.<br />

Bei seiner Lokalisierung im Sommer 1808 erkundigte<br />

sich Hofrat Hauer auch nach den im Fürstentum<br />

gültigen Gesetzesnormen. Nach seinen Feststellungen<br />

bestanden lediglich der Landsbrauch,<br />

dessen letzte Änderung über 200 Jahre alt sei, die<br />

Polizeiordnung von 1732 und die peinliche Ordnung<br />

von Karl V. in Kriminalsachen. 5<br />

Die Dienstinstruktion<br />

von 1808 hob den Landsbrauch und<br />

«derley hergebrachte Gewohnheiten» auf und beauftragte<br />

den Landvogt mit der Ausarbeitung einer<br />

«den Zeitumständen und Verhältnissen des Landes<br />

anpassende Jurisdiktionsnorma»: Schuppler sollte<br />

ein neues bürgerliches Gesetz, ein Straf- und Polizeigesetz,<br />

eine Gerichtsordnung, eine Grundbuchsordnung,<br />

eine Verlassenschafts- und Erbfolgeordnung<br />

und eine Dienstbotenordnung ausarbeiten.<br />

Die Hofkanzlei beauftragte damit den Landvogt, für<br />

all jene Bereiche gesetzliche Regelungen auszuformulieren,<br />

in denen in Österreich seit Joseph II. Gesetze<br />

und Kodifikationen bereits ausgearbeitet waren<br />

oder noch in Ausarbeitung standen. Dass die<br />

1) Dienstinstruktion von 1808, Artikel 1. LLA RB Gl.<br />

2) Brunner Otto, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />

S. 63.<br />

3) Über die Rechtsquellen heisst es in der Dienstinstruktion von<br />

1719: «Übrigens so hat Unser Landesfürstliches Oberamth in Strittigen<br />

Rechts Sachen allerfordorst auf die in Unserm Fürstentumb bisher<br />

observirte der gesunden Vernunft, und denen Rechten gomesse<br />

gutte Gewohnheitten undt Landsbr<strong>äu</strong>che, zu sehen, in abmangl deren<br />

aber nach dennen allgemeynen Reichs Rechten und Constitutionen,<br />

wie sie in Corpore Juris Civilis & Canonici, und denne Neuer<br />

Reichsabschid enthalten zu sprechen.» Dienstinstruktion von 1719,<br />

Caput I, § 12. LLA.<br />

4) Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein aus dem Jahre<br />

1784. LLA Kopie o. S.<br />

5) Bericht Hauers über das Fürstentum aus dem Jahre 1808. Beilage<br />

4. Punkt 11. In: JBL 19S3.


St^ceiiMifdnättrinröSirajitreiiMjrartinfätbcfTMMufbmatruns unb Uebergobe an feinen »mlänacbfolgrr<br />

oerantmorthcb, babtr au* bie Smbfdnger bem ßberamte bubnIationSfrif} firiffli* bem S6eramte anjeigen/baS bie »erorbnrte .Runbrnairma na* bieta ©efe(fe<br />

gebong gefieben fei.<br />

A - f* 'i* * •*• * '«fr*<br />

« ÜS' 3<br />

r'.' J 50<br />

"""' ^erorbnungen obet unter mos immer für einem Siamen unb ©,|talt .ut<br />

Sffentl.ien SSetonntmacbung angefangene, obet auSgefefch, oon bet Sbrigfeit unterfertigte Urtunben abtei.<br />

Jen, binroegnebmen, bur* Serreujrn, Befubeln ober auf fonjt eine 3fa mi&banbrln, ju befirafen feien, be.<br />

fltmmt ber §. 74, U. Sbl. be* ©ttafgrfeb>4e{.<br />

Jnf'pl) irribnr »on $ufrjjmttim,<br />

birigirenber .jjofratb.<br />

nVenimilinii flrmiu.i,<br />

ffiltebfAaftemtb.<br />

SSM«, am 31. TOäri 1844.<br />

Seine 35utcfileratrit baten über erjtatetei untert&a'nigjten Siottrag, Sejügli* ber Ztt unb SBeife Nr<br />

Äunbmacbung ber ©efefie unb Sßerorbnungen im rjürtrentbume narbftebenbeS, ben Berbdltmifen entfirecbenbe<br />

SJerfabren ju genehmigen gerubet, mel*eS rjiemit jur algemeinen Äennrnif gebracht wirb:<br />

5. I.<br />

2>a8 Bberamt bat bafüt ju forgrn, bai iebeS algemein »etbinbenbe ©efeb. unb jebe SSerorbnung an<br />

ein unb bemfelben Sage in jebet £>rtsgemeinbe anlange, unb fogteid) ben fotgenben Sag funbgemaAt roetbe,<br />

ju roeliem Gnbe bie erforbrrlirbe Xnjabl ber (Srrmblarien bem -Dberamte jufommen roirb.<br />

5- 1.<br />

Bon jebem berlei ©efeje bat baS Sberanit na* 3ulegung eines Spate in bie ©efefcfammrung jebem Umti-,<br />

genoifen ein unrntgelblitbeä (Stenrblar, unb ein fotcbeS jebem mirfieb angefteßten ©eefforger jur @ebrauä><br />

nabme unb tfufbemabrung jujuflelcn, unb wenn baS ©efeb, SSeftimmungen tntbdlt, ju beren Ueberroadjung<br />

eigene iDienfhndnner aufgefteHt finb. j. S8 Sefeje in 5>o[iji. ober gorflfatben, fo muS auch jebem bejüg.<br />

Ud)en Liener ein unentgeltiches (Sremblar ju feinem %mti^bzaua)i erfolgt werben.<br />

§. 3.<br />

©leiijeitig als bie 3u[tetlung beS ©efebcS an bie ßttsfeelforger gefebiebt, müjfen aueb jebem SrUgeriebte<br />

jwei unentgeltiche ßremöEarien jugefenbet werben, roobon eines nach bem §. 07 btS ©emeinbegefe&eS<br />

com 1. 3tugu(l842 jum Xmtägebraucbe unb jur3tufbcmabrung in ber ©imeinbelabe, baS jweit jur Sffentti.<br />

eben Xnfdjlagung an einem unter 2luficbt ftebenben BetfammUmgSorte ju etrrwnbnt ijt.<br />

$.4. >,<br />

©obalb ba3 CrHgeriajt in ben S8e|i& bt« tunb}uma4enbtn ©efetjeej gelangt, roelrbeo in nid)t eigen»<br />

bringlitben SdOtn an einem @am|lage gefebeben foH, hat eä ungefdumt ju oerfügen, baf folgenben Sag«<br />

nacb bem nacbmitdgigfn ©ofteebienfre, ju roeifbem fieb bie ©emeinbe obner/'s einfinbet, eine (Btmiirtbf<br />

»erfammlung angefagt unb abgehalten toetbe, toelojer fofort ba« ©efej goSinbalUtcb »otjulefen ift. Um glei.<br />

d)en!Eage, jebod) f*on Bormittagä, ilt baä ©eftj ju Sebtrmonnä ginfitbt öfftntlid) nad) §. 3. anjufdila.<br />

" gen, Ba8 aud) ju gleidjer 3'"' nn ber ®erid>Uta[el beä JObtramU gefajehen muf.<br />

5-5.<br />

Sa8 angefdjtagene ©efeft bat burtb eine ®auer Bon brei SBoajen angeheftet ju bltibtn, unb ift auf<br />

bemfelben rücfrodrtS mit wenigen aSorten ber Sag ber Xnfdjlagung, ff Wie ber Sag ber 3(bnabme an.<br />

.jtrmerfen.<br />

§ . «• i<br />

SBei ©rlajfung »on blog fcbriftlicben Btrorbnungen unb fonftgen Ijödjften Söeftimmungen, weldje ju aUgemeiner<br />

Äenntniß unb Sarnatbacbtung bem Oberamte bmauögegeben werben, bat baofelbe bafur ju forgen,<br />

bal jebem Drt«gerid;te uSb naa) ßrforbernij au* jebem SrWfeelforger eine legale 2fbf*rift julomme. SDaS<br />

ErtSgerit bat jidj fobann bur* ben BrtSIebtet bie Süerorbnung als tinflweiligeS J)u)j)jli[at fogtei* abfireiben<br />

ju lajfen, mit bem oberdmtTEcben tSremblar aber na* ben §§. 3,4 unb 5 ju berfafjren.<br />

5- -••<br />

3tuf fol*e 2Crt gebärig (unbgtma*te gef(61i*e SBeftimmungen trten Dom Sage ber elften Äunbmaiung<br />

in »oUr 28irlfam(eit, wenn nidjt baS ©efeb felbft aiiäbtüili* ben eintritt feiner SSirfamleit auf einen<br />

ipititn 3eitcunft »etorbnet. Ea übrigen« Unwijfenbeit ni*t entf*uibiget, fo bat,fi* 3'bermann bei ©emembeoerfammlungen,<br />

bie jur Äunbmoiting ton ©tfefen berufen Werben, einjufirben.<br />

$10113 «Straf,<br />

StfrttÖT,<br />

44 über die K<br />

^hung der Gesetze<br />

Verordnungen


Hofkanzlei dem Landvogt die Bearbeitung dieser<br />

Gesetze übertrug, damit diese «mit Anfang des<br />

kommenden Jahres» 6<br />

als Grundlage für die neue<br />

Landesverfassung dienen konnten, macht deutlich,<br />

dass sie sich über die mit diesem Auftrag verbundenen<br />

Probleme keineswegs bewusst war. Die Gesetzgebung<br />

war eine Aufgabe, die den fürstlichen<br />

Beamten in der liechtensteinischen Hofkanzlei<br />

weitgehend fremd war. Offenbar war ihnen nicht<br />

bewusst, dass sie mit ihrem Auftrag einen einzelnen<br />

Beamten, der zudem in der Ausarbeitung von<br />

Gesetzesentwürfen keinerlei Erfahrung besass,<br />

hoffnungslos überforderten.<br />

Landvogt Schuppler machte sich mit grösstem Eifer<br />

an seine Aufgabe. Bereits am 1. Januar 1809<br />

wurden eine Grundbuchsordnung, eine Konkursordnung<br />

und eine Erbfolgs- und Verlassenschaftsabhandlungsordnung<br />

erlassen. Schuppler arbeitete<br />

auch einen Entwurf für ein bürgerliches Gesetzbuch<br />

aus, der jedoch nie in Kraft gesetzt wurde. 7<br />

Bei der Ausarbeitung all dieser Gesetze hielt er sich<br />

eng an die österreichische Gesetzgebung.<br />

Nach diesen Gehversuchen zum Erlass einer selbständigen<br />

Gesetzgebung ging Fürst Johann I. bereits<br />

1812 zur systematischen Rezeption der österreichischen<br />

Gesetzgebung über. Mit der Verordnung<br />

vom 18. Februar 1812 wurde bestimmt, dass<br />

das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch<br />

von 1811, die österreichische allgemeine bürgerliche<br />

Gerichtsordnung von 1781 und das österreichische<br />

Strafgesetz von 1803 für Liechtenstein<br />

übernommen werden sollten. Mit Ausnahme der<br />

1809 neu erlassenen Gesetze wurden alle andern<br />

bürgerlichen und peinlichen Gesetze aufgehoben.<br />

Durch die Verordnung vom 16. Oktober 1816 wurde<br />

schliesslich bestimmt, dass alle Erl<strong>äu</strong>terungen<br />

und Nachtragsverordnungen zu den rezipierten<br />

österreichischen Gesetzen ebenfalls übernommen<br />

werden sollten. 8<br />

In der Maur sah in der Einführung des allgemeinen<br />

bürgerlichen Gesetzbuches den entscheidenden<br />

Schritt in die Zukunft, «denn damit war der Boden<br />

geebnet, um der allgemeinen Rechtsunsicherheit<br />

nach und nach ein Ende zu bereiten.» 9<br />

Die «auto­<br />

94<br />

matische Rezeption» der österreichischen Gesetze,<br />

wie sie Landvogt Menzinger zu nennen pflegte,<br />

trug jedoch kaum zu vermehrter Rechtssicherheit<br />

bei. 1835 schrieb Landvogt Menzinger, dass in Vaduz<br />

keine vollständige Gesetzessammlung vorhanden<br />

sei. Besonders wichtig wäre es, dass das Oberamt<br />

«möglichst schnell in Kenntnis jener nachträglichen<br />

k.k. österr. Verordnungen käme, welche auf<br />

das bürgerl. G.B., allg. G.O. etc. Bezug nehmen,<br />

weil bei Entscheidungen die Rechte, und Strafen<br />

der hochfürstl. Unterthanen davon abhängen, und<br />

bey einer möglichen Revision dem Oberamte Unkenntniss<br />

der neuen Gesetzgebung mit Grund gerügt<br />

werden könnte.» 10<br />

Nach den Angaben Menzingers<br />

verfügte das Oberamt in Vaduz über keine<br />

vollständige österreichische Gesetzessammlung,<br />

die Nachtragsverordnungen waren nur vereinzelt<br />

nach Vaduz gelangt. Auf seine Bitte erhielt er<br />

schliesslich eine Gesetzsammlung im Justizfache<br />

und die Erlaubnis die «k. k. privilegirte Wiener Zeitung»<br />

zu abonnieren, die als Amtsblatt die österreichischen<br />

Gesetze und Verordnungen sowie die Beschlüsse<br />

des Bundestages publizierte. 11<br />

Ein offenkundiger Missstand bestand darin, dass<br />

die österreichischen Nachtragsverordnungen in<br />

Liechtenstein nicht publiziert wurden. Durch die<br />

Verordnung vom 20. Januar 1843 wurde daher die<br />

automatische Rezeption der österreichischen Justizgesetze<br />

eingestellt. Der Landvogt sollte in Zukunft<br />

diese Gesetze sammeln, sie vierteljährlich der<br />

Hofkanzlei zusenden und dabei beantragen, welche<br />

Gesetze und Verordnungen für Liechtenstein<br />

übernommen werden sollten. Diese vom Landvogt<br />

als nötig erachteten Gesetze sollten dann die<br />

«höchste landesfürstliche Sanction» erhalten und<br />

im Fürstentum publiziert werden.<br />

Mit dieser Verordnung wurde zwar die Rezeption<br />

der österreichischen Gesetzgebung formal sauber<br />

gelöst, in der Praxis verminderten sich jedoch die<br />

Probleme kaum. In den 1840er Jahren sandte Menzinger<br />

zwar die verlangten Zusammenstellungen<br />

mit den entsprechenden Anträgen sporadisch ein,<br />

nach 1848 geriet jedoch die Rezeption des österreichischen<br />

Rechts in argen Rückstand. Die Novelle<br />

zum österreichischen Strafgesetz von 1852 wurde


z.B. erst auf den 1. Januar 1860 in Liechtenstein in<br />

Kraft gesetzt. 12<br />

Die neuen Gesetze waren in verschiedener Hinsicht<br />

Ausdruck der Auflösung der ständischen Rechtsvorstellungen:<br />

Die Beseitigung der althergebrachten<br />

lokalen Rechte stellte eine Parallele zu den Bemühungen<br />

in Österreich dar, die Rechtsunterschiede<br />

zwischen den Ländern zu beseitigen und<br />

eine Rechtsvereinheitlichung und Rechtsgleichheit<br />

zu erreichen. Die neuen Rechtsvorstellungen zielten<br />

auf eine grundsätzliche Veränderung der Eigentumsverhältnisse<br />

und damit der gesamten Sozialordnung<br />

ab. Die Dienstinstruktion von 1808<br />

schrieb vor, dass alle Gemeinheiten ins Privateigentum<br />

aufgeteilt und grundbücherlich den H<strong>äu</strong>sern<br />

zugeschrieben werden mussten. 13<br />

Die Konkursordnung,<br />

die Erbfolgeordnung und die Grundbuchsordnung<br />

von 1809 strebten im Kern alle eine Sicherung<br />

des Privateigentums an. In der Einleitung der<br />

Erbfolgeordnung heisst es beispielsweise, der<br />

Landsbrauch habe «jenen Erwartungen nicht mehr<br />

zu entsprechen vermöge(n), die Wir Uns von einem<br />

das Privateigentum des Untertans rechtlich schützenden<br />

Fundamentalgesetze versprachen.» Die<br />

Vorstellung der Hofkanzlei, die Bindungen der alten<br />

Sozialordnung zu lösen, kam auch sehr deutlich<br />

in der Verordnung über die Aufhebung der<br />

Leibeigenschaft vom 19. November 1808 14<br />

und in<br />

der Verordnung betreffend die Einführung der allgemeinen<br />

Freizügigkeit und die Abschaffung der<br />

Gemeindeeinkaufstaxen vom 22. Juni 1810 15<br />

zum<br />

Ausdruck. Die in den österreichischen Gesetzeskodifikationen<br />

festgelegten Rechtsnormen brachten<br />

in zahlreichen Bestimmungen die Auflösung ständischer<br />

Normen und der alten Lebensgemeinschaften<br />

zum Ausdruck. 16<br />

Für das Fürstentum Liechtenstein<br />

war dabei von besonderer Bedeutung, dass<br />

nach dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch<br />

die Ehe lediglich einen bürgerlichen Vertrag darstellte,<br />

der auch wieder aufgelöst werden konnte.<br />

Die Versuche des Oberamtes, die neuen Rechtsvorstellungen<br />

in die Praxis umzusetzen, stellten eine<br />

der Hauptursachen für den Konflikt zwischen der<br />

Obrigkeit und den Untertanen dar. Die Einführung<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

GESETZGEBUNG / PAUL VOGT<br />

der Grundbücher führte 1809 zu Unruhen, 17<br />

die Beseitigung<br />

der Grundbücher wurde auch 1831 noch<br />

verlangt. 18<br />

Die Aufteilung der Gemeinheiten wurde<br />

vom Oberamt immer wieder befohlen, doch wurden<br />

die oberamtlichen Befehle nur teilweise und<br />

nur nach grossen Widerständen befolgt. Die Freizügigkeit<br />

wurde von den Untertanen so heftig bekämpft,<br />

dass das Oberamt in diesem Bereich nicht<br />

einmal Teilerfolge erzielen konnte. Mit dem josephinischen<br />

Eherecht schliesslich geriet das Oberamt<br />

in eine heftige Konfrontation mit der Kirche,<br />

was Fürst Alois II. schliesslich dazu bewog, nicht<br />

mehr auf den betreffenden Bestimmungen des allgemeinen<br />

bürgerlichen Gesetzbuches zu beharren.<br />

DIE «POLITISCHE» GESETZGEBUNG<br />

Wie bereits erwähnt, konnte das Staats- und Verwaltungsrecht<br />

in Österreich nicht in einer einheitlichen<br />

Kodifikation erfasst werden, da die einzelnen<br />

Länder ihre Selbständigkeit zu behaupten<br />

suchten. Für das Fürstentum sollten zwar auch in<br />

der «politischen Gesetzgebung» die österreichischen<br />

Grundsätze übernommen werden, doch Hessen<br />

sich hier die österreichischen Gesetze nicht<br />

einfach kopieren.<br />

6) Dienstinstruktion von 1808, Art. 1. LLA RB Gl.<br />

7) Entwurf im LLA RB Fasz. G 1.<br />

8) In der Maur, Rezeption, S. 760.<br />

9) ebda. S. 759.<br />

10) Menzinger an Fürst am 6. November 1835. LLA RC 49/39.<br />

11) HK an OA am 25. November 1835. LIA RC 49/39.<br />

12) Geiger, S. 220.<br />

13) Dienstinstruktion von 1808, Art. 3 und 4.<br />

14) Gedruckt bei Alois Ospelt, Anhang S. 71.<br />

15) ebda. S. 54.<br />

16) Otto Brunner, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />

S. 67 ff.<br />

17) Malin, S. 129 ff.<br />

18) David Rheinberger, Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />

FamARh.<br />

95


Zunächst gilt es festzuhalten, dass die regierenden<br />

Fürsten im Sinne des aufgeklärten Absolutismus all<br />

das anordneten, was ihnen im Interesse des Allgemeinwohls<br />

als richtig erschien (bzw. von den Beamten<br />

als richtig empfohlen wurde). Die obrigkeitlichen<br />

Vorschriften wurden in der Regel mit der<br />

«landesväterlichen Fürsorge für das Wohl der Unterthanen»<br />

und mit der Förderung des «allgemeinen<br />

Wohlstandes» begründet. Der Begriff «Gesetz»<br />

wurde in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts<br />

noch sehr selten verwendet, h<strong>äu</strong>figer waren<br />

Begriffe wie «Patent», «Verordnung», «Reskript»,<br />

«Ordnung», «Instruktion» und ähnliche. Als «Normale»<br />

und «Circulare» wurden jene Vorschriften<br />

bezeichnet, die nicht speziell für das Fürstentum,<br />

sondern für alle liechtensteinischen Herrschaften<br />

erlassen wurden. «Circularien» wurden auch jene<br />

Umlaufschreiben genannt, die das Oberamt den<br />

Gemeinden zustellen liess.<br />

Gesetze, Patente und Ordnungen wurden in der Regel<br />

vom Oberamt in Vaduz ausgearbeitet. Die Mitwirkung<br />

der Hofkanzlei beschränkt sich in der Regel<br />

auf die Überprüfung und Antragstellung beim<br />

Fürsten. Auch Änderungswünsche wurden meist<br />

vom Landvogt formuliert. Die Gesetze wurden mit<br />

der Sanktion durch den Monarchen in Kraft gesetzt.<br />

Gewöhnlich entwarf der Landvogt die Gesetze,<br />

ohne sich vorher mit seinen Mitbeamten zu<br />

beraten, in Einzelfällen beauftragte er jedoch auch<br />

einen andern Beamten mit der Ausarbeitung eines<br />

Gesetzes. So stammte der Entwurf von 1829 zu einer<br />

Hebammenordnung vom Landschaftsarzt, 19<br />

die<br />

Waldordnung von 1842 vom Waldbeamten und die<br />

Verordnung über die Veredelung der Viehzucht von<br />

1845 vom Landestierarzt. 20<br />

Bei der Ausarbeitung<br />

der politischen Gesetze hielt sich Landvogt J. M.<br />

Menzinger an die in Tirol und Vorarlberg gültigen<br />

Gesetze.<br />

Die Begriffe «Reskript» und «Verordnung» sagten<br />

nichts über die Rechtsqualität aus, sie zeigten lediglich<br />

an, dass die betreffende Verfügung von der<br />

Hofkanzlei oder dem Fürsten stammte. Verordnungen<br />

konnten sowohl Rechtsnormen aufstellen (in<br />

solchen Fällen wurden sie meistens vom Monar­<br />

96<br />

chen unterschrieben), sie konnten aber auch blosse<br />

Anweisungen an das Oberamt enthalten.<br />

In «Instruktionen» wurden die Erwartungen formuliert,<br />

die an die fürstlichen Beamten und Diener<br />

gestellt wurden. Die Instruktionen wurden jeweils<br />

von der übergeordneten Instanz erlassen und enthielten<br />

möglichst genaue Richtlinien für die Tätigkeit<br />

der Untergebenen. Die Hauptinstruktion von<br />

1838 enthielt die allgemeinen Grundsätze für die<br />

Verwaltung des gesamten fürstlichen Besitzes und<br />

legte die Organisation und die Kompetenzen aller<br />

fürstlichen Behörden fest. Die gleiche Funktion<br />

kam der Dienstinstruktion von 1808 für das Oberamt<br />

in Vaduz zu. Die «Gerichts-Instruction» von<br />

1810 wurde vom Oberamt erlassen und enthielt die<br />

Bestimmungen für die Gemeindeverwaltung. 21<br />

Andere<br />

Instruktionen regelten die Tätigkeit einzelner<br />

Ämter, so gab es etwa Instruktionen für die Rechnungsführung,<br />

für den Strassenunterhalt, für die<br />

Domänenverwaltung usw.<br />

Die Publikation der Gesetze, Verordnungen und<br />

oberamtlichen Befehle erfolgte durch sogenannte<br />

Circulare oder Umlaufschreiben. Das Oberamt liess<br />

die Umlaufschreiben durch die Polizeisoldaten<br />

oder Gemeindeboten gewöhnlich am Samstag den<br />

Gemeindevorstehern zustellen. Diese hatten die<br />

Umlaufschreiben, soweit sie nicht gedruckt waren,<br />

abzuschreiben (oder durch den Gemeindelehrer<br />

abschreiben zu lassen) und am Sonntag nach der<br />

Messe vor der Kirche der Gemeindeversammlung<br />

vorzulesen. Die Umlaufschreiben selbst - in der Regel<br />

wurde eines in der obern und eines in der untern<br />

Landschaft in Umlauf gesetzt - mussten von<br />

Gemeinde zu Gemeinde weitergetragen werden,<br />

wobei jeder Gemeindevorsteher den Erhalt dieser<br />

Schreiben durch seine Unterschrift bestätigen<br />

musste. Damit das Oberamt sich davon überzeugen<br />

konnte, dass alle Gemeindevorsteher diese Schreiben<br />

erhalten hatten, mussten diese am Schluss<br />

dem Oberamt zurückgegeben werden.<br />

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden nur die<br />

wichtigsten Verordnungen und Gesetze gedruckt,<br />

seit Beginn der 1840er Jahre hingegen wurde der<br />

Druck der öffentlich bekanntzumachenden Verordnungen<br />

und Gesetze zur Regel. Die Verordnung be-


treffend die Kundmachung der Gesetze und Verordnungen<br />

vom 31. März 1844 bestimmte, dass<br />

von jedem Gesetz der Gemeindepfarrer ein und der<br />

Ortsvorsteher zwei Exemplare erhalten mussten.<br />

Der Ortsvorsteher hatte ein Exemplar während<br />

drei Wochen öffentlich anzuschlagen, h<strong>äu</strong>fig geschah<br />

dies an der Kirchentür. Das zweite Exemplar<br />

war in der Gemeindelade aufzubewahren.<br />

Offenbar kamen die Gemeindevorsteher der Pflicht<br />

zur Bekanntmachung der amtlichen Anordnungen<br />

oft nur ungenügend nach. 1858 ermahnte das Regierungsamt<br />

die Gemeindevorsteher, sie müssten<br />

alle Umlaufschreiben, ob sie ihnen nun wichtig erschienen<br />

oder nicht «vollinhaltlich, deutlich und<br />

bald thunlichst» 22<br />

bekanntmachen.<br />

Ein entscheidendes Kriterium für den Übergang<br />

vom absolutistischen Obrigkeitsstaat zum bürgerlichen<br />

Rechtsstaat ist darin zu sehen, inwieweit das<br />

freie Ermessen der staatlichen Gewalt an Rechtsnormen<br />

gebunden wurde. Im Bereich der «politischen»<br />

Gesetze verfügte das Oberamt über einen<br />

grossen Ermessensraum, da für weite Bereiche des<br />

Verwaltungsrechts keine gesetzlichen Bestimmungen<br />

erlassen wurden. In vielen Fällen gab es nur<br />

Einzelerlasse, die rasch in Vergessenheit gerieten.<br />

Im Polizeiwesen galt bis 1843 die alte Polizeiordnung<br />

von 1732, die längst nicht mehr den tatsächlichen<br />

Verhältnissen entsprach. Im Finanzwesen<br />

galten die bereits erl<strong>äu</strong>terten Verordnungen, wobei<br />

sich das Oberamt bei der Steuerverordnung von<br />

1807 keineswegs an den Wortlaut der Bestimmungen<br />

hielt. Im Schulwesen wurden 1822 und 1827<br />

Schulgesetze erlassen, die jedoch schon bald als<br />

unbefriedigend empfunden wurden. Die öffentliche<br />

Fürsorge wurde 1845 durch eine Verordnung über<br />

das Armenwesen gesetzlich geregelt. Gesetzliche<br />

Bestimmungen über das Militär und das Gewerbe<br />

fehlten. Im kirchlichen Bereich galt nach wie vor<br />

das kanonische Recht. 23<br />

Offenbar sahen sowohl die Hofkanzlei als auch das<br />

Oberamt zusätzliche Bestimmungen für die Verwaltung<br />

zwar als im Prinzip erstrebenswert an, dringlich<br />

erschienen sie aber keineswegs. Wurden die<br />

Gesetze in den Jahren 1808 bis 1812 in einer gera­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

GESETZGEBUNG / PAUL VOGT<br />

dezu rasenden Eile erlassen, so wurden sie später<br />

jahrelang verschleppt. Der erste Entwurf zu einer<br />

Hebammenordnung stammte aus dem Jahre 1827,<br />

die ersten Arbeiten zu einer Rekrutierungsordnung<br />

erfolgten im Jahre 1831, doch wurden die entsprechenden<br />

Gesetze erst nach der Verfassung von<br />

1862 erlassen. 1858 sandte Landesverweser Menzinger<br />

eine Liste mit neun wichtigen Gesetzen an<br />

den Fürsten ein, die alle seit Jahren unerledigt bei<br />

der Hofkanzlei lagen. 24<br />

Andere Gesetzentwürfe,<br />

wie z.B. das Gemeindegesetz von 1842 oder das<br />

Gesetz über die Aufhebung des Trattrechtes von<br />

1843, lagen jahrelang beim Oberamt, ohne bearbeitet<br />

zu werden.<br />

Ein sonderbares Licht auf das Rechtsverständnis<br />

der Hofkanzlei wirft schliesslich auch der Umstand,<br />

dass sie selbst offenbar nicht wusste, welche Gesetze<br />

in Liechtenstein gültig waren. In den Jahren<br />

1841 25<br />

und 1846 26<br />

verlangte sie von Landvogt Menzinger<br />

zweimal eine Zusammenstellung der gültigen<br />

Gesetze. In Vaduz begann erst Landvogt Michael<br />

Menzinger mit einer systematischen Sammlung<br />

der für das Fürstentum erlassenen Vorschriften.<br />

27<br />

Menzinger beklagte sich auch zu Beginn seiner<br />

Amtszeit, dass er immer wieder vor Aufgaben<br />

gestellt werde, für die keine gesetzlichen Bestim-<br />

19) LLA RC 15/14.<br />

20) LLA RC 55/39.<br />

21) Gerichts-Instruction vom 1. 1. 1810. LLA Sammlung Matt.<br />

22) Umlaufschreiben des RA vom 14. 7. 1858. LLA RC 106/33.<br />

23) Eine Zusammenstellung der im Fürstentum Liechtenstein gültigen<br />

Gesetze wurde von Landvogt Menzinger am 24. November 1846<br />

im Auftrag des Fürsten vorgenommen. LLA NS.<br />

24) Die Gesetzentwürfe betrafen: Hebammenordnung (letzter Bericht<br />

aus dem Jahre 1843), Bauordnung (1841), Rekrutierungsordnung<br />

(1844), Patronatsregulierung (1844), Rheinwuhrordnung<br />

(1854), Grenz- und Passpolizeiwesen (1857), Schulgesetz (1858). -<br />

Menzinger an Fürst am 25. Mai 1858. LLA RC 49/39.<br />

25) Menzinger an Fürst am 10. 4. 1841. LLA NS 1841.<br />

26) Menzinger an Fürst am 24. November 1846. LLA NS.<br />

27) Die Normaliensammlung im LLA geht offenbar auf das Bemühen<br />

Menzingers zurück, für das Fürstentum eine vollständige Gesetzessammlung<br />

anzulegen. Menzinger an Fürst am 6. November 1835.<br />

LLA RC 49/39. Menzinger an Fürst am 10. 4. 1841. LLA NS.<br />

97


mungen erlassen seien. Es sei ihm unklar, ob er<br />

sich in solchen Fällen an die österreichischen Gesetze<br />

halten solle oder ob er bei der Hofkanzlei spezielle<br />

Instruktionen einholen müsse. «Derley Fälle<br />

ergeben sich nicht wenige im Fache der Polizey,<br />

des Grundbuchwesens, der Sanität, und Cultur des<br />

Landes, Gewerbswesens, endlich in sovielen poli­<br />

tischen Gegenständen.» 28<br />

Offenbar gewöhnte sich<br />

aber auch Menzinger rasch an die in Vaduz<br />

üblichen Amtspraktiken.<br />

28) Menzinger an Fürst am 6. November 1835. LLA RC 49/39.<br />

fomramer prji unb ^egterer bes> #(<br />

<strong>t»on</strong> <strong>itttfe</strong> p <strong>£itd</strong>)<strong>tenfttin</strong> \)<strong>on$litoffl</strong><br />

<strong>#ersog</strong> <strong>äu</strong> <strong>£rop</strong>|jau unb Sdgernborf in Rieften<br />

m 9ttetfcerg, bitter beö golbencn äSIte^eö, ©r<br />

ocö fön. #annot>erifäjen ©uelpDen^rbenö, it. i<br />

Um eine ungeftötte gottbauer bet 6ffentlict)eit SRube unb Srbnung in Unferem |<br />

juetfwlten, unb alle SSetlefcungen, welche bie btitgetlicbe gteibeit, bie ^et'<br />

obet baS Eigentum bed einjelnen ©taatSbiitgcrc) bebtoben tonnten, mit bem nf<br />

fotge htntan<strong>äu</strong>Oalten, haben SBir nacbftebenbc 9>otijeiorbnung jur genaueren<br />

©atnaebaehtung ju etlaffen befcbloffen, bie Born 1. Sännet 1844 in ©efe4eätta|<br />

I. .g>anb&abung unb ©rjaltung ber öffentlichen ©i,<br />

§. l.<br />

®a geheime ©efeUfcbaften ber öffentlichen Stbnung unb Siube befoil<br />

finb, fo roitb bie Silbung obet (ürtiebtung betfelbcn, bann jebe Jtnfcbltejiung 1<br />

netanbetleiSBetfammlungen, auf ©tunblagebct (;ietübet beftehenben fttafgej<br />

mungen, fftcngflenS betbotben.<br />

$. 2-<br />

SUc öffentlichen JCufjüge, ©cbaufpiele, SolfSbetfammlungen, Je<br />

mit nach. cingeholtet SJeroitligung bei Öbctamteo" ftattpnbcn.<br />

§.3.<br />

3ut Abhaltung bet JEanjmufifen unb bet öffentlichen SBdtle ijl biel<br />

gung beS Sbetamtecj, (BelcbcS nueb beten Sauet ju beftimmen bat, etfotj<br />

jebe fotd>e SSeroilligung bet äietrag bon 1 fl. ju entrichten. 3tttcb ju^antJbj<br />

untetbaltungen im gamilienttetfe unb |>od)äciten ifi bie SBcnjiKigung bcSj<br />

lieb, welches eine SEate bon 1 fl. ju befhmmcn bat<br />

§. 4.<br />

%n heiligen ®tei=.86mg^<br />

b) in bet ganjen gaftengeit bis ben 1. (Sonntag nach Sjiettt;<br />

c) an Öuatember* unb fonftigengiefttagen;<br />

d) an allen gteitagen unb ©amjlagen beel ganjen SabteS.<br />

3ftlc Eanjuntethaltungen unb fonffigen Seluftigungen am I<br />

am S5otabenbe einea gefttagcS haben um 12 übt SiacbtS aufgubötenj<br />

§.5.<br />

Sie ©ftafe auf jebe Uebctttctung ober Untetlaffung bet im !<br />

fchtiften ift füt ben Unternehmer bet öffentlichen SEanjuntetbatfurtg 1<br />

mal 5 fl., baS gweitemal baS Stoppelte bet guetft bemeffenen ©ttafei


VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

GESETZGEBUNG / PAUL VOGT<br />

Polizeiordnung vom 14.<br />

September 1843 (links)<br />

Schubpass vom 3. März<br />

1848 des Landgerichts<br />

Sonnenberg betr. die<br />

Brüder Andreas (15 Jahre)<br />

und Anton Bauer (13<br />

Jahre) aus Mauren. Die<br />

beiden wurden beim<br />

Betteln aufgegriffen und<br />

über Feldkirch nach<br />

Mauren zurückgeschickt<br />

(rechts).<br />

99


Der Aufbau einer Landespolizei<br />

Der Polizeibegriff hat sich im Lauf der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts wie im übrigen Europa<br />

grundlegend verändert. Im 18. Jahrhundert bezeichnete<br />

«Polizey» mit Ausnahme der Rechtsprechung<br />

die gesamte innere Verwaltung eines Staates.<br />

In diesem Sinne enthielt die «Policey- und<br />

Landts-Ordnung» vom 2. September 1732 Bestimmungen<br />

über die Einhaltung der Gottesdienste,<br />

über verschiedene Gewerbe, über die Güterzerstückelung<br />

usw. Etwas von diesem alten Polizeibegriff<br />

hat sich noch in der Polizeiordnung vom<br />

14. September 1843 erhalten, die in insgesamt<br />

100 Paragraphen umfassende Vorschriften über<br />

die Sicherheits-, Sitten-, Seuchen-,<br />

Gewerbe- und Baupolizei enthielt.<br />

Gesundheits-,<br />

Im 18. Jahrhundert verfügte das Oberamt über<br />

kein eigentliches Polizeiorgan. Neben den beiden<br />

Landweibeln, die Pfändungen vorzunehmen,<br />

Schuldforderungen einzutreiben und den Gemeinden<br />

oberamtliche Verordnungen zuzustellen hatten,<br />

standen dem Oberamt einige Kontingentssoldaten<br />

zur Verfügung. 1<br />

Diese Soldaten reichten<br />

nicht aus, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.<br />

Das Oberamt sprach von ihnen mit Verachtung:<br />

Sie seien «um kein Haar besser als andere<br />

Bauern, und ist schon alles gesagt, was man sagen<br />

kann, wenn es heisst, er ist ein Reichs-Contingents-<br />

Soldat.» 2<br />

Die Grenzen waren unbewacht, der<br />

Grenzübertritt wurde niemandem verwehrt. Klagen<br />

über umherziehendes «Gesindel» waren daher<br />

h<strong>äu</strong>fig. «Zum grössten Hohn und Spott» des Landes<br />

soll es sogar ein Sprichwort gegeben haben:<br />

«Wer will stehlen und nicht hangen, lass sich in der<br />

Herrschaft Vadutz fangen.» 3<br />

Die Verwaltungsreorganisation von 1808 beinhaltete<br />

auch eine Reform des Polizeiwesens. Die Institution<br />

der Landweibel wurde im Zusammenhang<br />

mit der Beseitigung der Gerichte aufgehoben. Die<br />

Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung der<br />

öffentlichen Sicherheit wurde den Gemeinden<br />

übertragen - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen.<br />

Jede Gemeinde wurde verpflichtet, einen Polizeisoldaten<br />

aufzustellen und mit 36 fl zu besolden. 4<br />

Eine Anstellung als Polizeisoldat stellte nur eine<br />

Nebenbeschäftigung für einen Bauern dar. Den Po­<br />

100<br />

lizeisoldaten wurde die «polizeiliche Nachsicht<br />

über das im Lande herumziehende Gesindel» 5<br />

übertragen. Aus den wiederholten Klagen des<br />

Oberamtes geht hervor, dass diese Soldaten ihren<br />

Pflichten nur mangelhaft nachkamen. Es soll sogar<br />

vorgekommen sein, dass die Polizeisoldaten «die<br />

fremden Vagabunden und Gauner» im voraus<br />

warnten, wenn das Oberamt eine Landstreife anordnete.<br />

6<br />

Die Polizeisoldaten stellten auch das Organ für die<br />

Gemeindevorsteher dar. Die Vorsteher hatten in geringem<br />

Umfange gerichtliche Kompetenzen; sie<br />

konnten Pfändungen vornehmen und öffentliche<br />

Versteigerungen durchführen. Bei diesen Amtshandlungen<br />

mussten ihnen die Polizeisoldaten beistehen.<br />

7<br />

Um die Macht des Oberamtes zu stärken, hatte Georg<br />

Hauer in seinem Bericht von 1808 vorgeschlagen,<br />

vier fürstliche Grenadiere von Feldsberg nach<br />

Vaduz zu schicken, doch wurde dieser Vorschlag<br />

nicht verwirklicht. Dem Oberamt standen zur<br />

Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben lediglich<br />

ein Kanzleidiener und fünf Invalidensoldaten zur<br />

Verfügung. Der Kanzleidiener erfüllte neben seinen<br />

allgemeinen Hilfsdiensten in der Kanzlei die Aufgabe<br />

eines Gefangenenwärters. 8<br />

Er hatte auch<br />

Schüblinge, die von einem benachbarten Land<br />

übernommen werden mussten, in das nächste weiterzubefördern.<br />

9<br />

Die Invalidensoldaten waren ausgediente<br />

Soldaten, die einerseits in ihren Gemeinden<br />

den Polizeidienst besorgten und andererseits<br />

dem Oberamt zur Erledigung von Aufträgen zur<br />

Verfügung standen. Sie hatten insbesondere wöchentlich<br />

beim Oberamt die neuen Verordnungen<br />

abzuholen und diese den Gemeindevorstehungen<br />

mitzuteilen. 10<br />

Die Invalidensoldaten erhielten zusätzlich<br />

zur Entschädigung von den Gemeinden ein<br />

Gehalt aus der Landeskasse, dazu alle drei Jahre<br />

eine «Montur». 11<br />

Nachdem 1827 Landvogt Schuppler durch Landvogt<br />

Pokorny abgelöst worden war, erschien diesem<br />

eine Reorganisation des Polizeiwesens als eine<br />

der dringendsten Aufgaben. Wenige Monate nach<br />

seinem Amtsantritt schrieb er, «dass die hierorts<br />

bestehenden Polizei-Anstalten in Hinsicht der inne-


en Sicherheit, Ruhe und Ordnung einer wesentlichen<br />

Verbesserung» bedürften. Der Polizeidienst<br />

werde von den Gemeinden gewöhnlich «armen<br />

Leuthen und Invaliden verliehen, bei welchen<br />

nichts weniger als auf die phisischen und moralischen<br />

Eigenschaften gesehen wurde und welche<br />

die jährlichen 36 fl bis 40 fl, die sie von denen Gemeinden<br />

empfangen, mehr für eine Unterstützung<br />

als für einen Lohn halten.» 12<br />

Die wiederholten Aufforderungen<br />

an die Ortsgerichte, den herumziehenden<br />

Vagabunden vermehrt Beachtung zu<br />

schenken, hätten keine entscheidende Verbesserung<br />

gebracht. Pokorny schlug deshalb vor, «dass<br />

zwey ordentliche und verlässliche Polizeimänner<br />

aufgenommen, gehörig besoldet, für ihren Dienst<br />

redlich strenge verpflichtet und unter die unmittelbare<br />

Leitung des gehors(amst) gefertigten) Amtes<br />

gestellt werden» 13<br />

sollten. Diese Polizeimänner sollten,<br />

um auf den gemeinen Mann Eindruck zu machen,<br />

Uniformen in den Landesfarben, Tschako,<br />

Seitengewehr, Patronentasche und Muskete erhalten.<br />

Wie stark auch bei dieser vorgeschlagenen Reform<br />

der Zwang zur Sparsamkeit bestand, geht<br />

daraus hervor, dass Pokorny nur unverheiratete<br />

Männer in den Polizeidienst nehmen wollte, für die<br />

ein Taglohn von 30 Kreuzern (182 Gulden 30 Kreuzer<br />

im Jahr) zum Lebensunterhalt ausreichte. Weiter<br />

wollte er zwei fürstliche Diener, den Kanzleidiener<br />

und den Rentamtsexequenten (der die fürstlichen<br />

Renten eintrieb) entlassen und diese Aufgaben<br />

den beiden Polizisten übertragen. Die 150 Gulden,<br />

die die beiden Diener aus den fürstlichen Renten<br />

erhielten, sollten dafür als ein Anteil des Landesfürsten<br />

an die Besoldung eines Polizeimannes<br />

weiterhin ausbezahlt werden. Die restlichen Besoldungskosten<br />

waren aus der Landeskasse zu<br />

decken. Die Dorfpolizei sollte nicht ganz aufgehoben,<br />

aber doch wesentlich eingeschränkt werden:<br />

Die besoldeten Polizeisoldaten sollten durch unbesoldete<br />

Polizeigeschworene ersetzt werden. Damit<br />

die neu bestellten Polizeimänner nicht unnötig<br />

durch Botengänge belastet würden, sollte in Balzers<br />

und Ruggell, der südlichsten und der nördlichsten<br />

Gemeinde, je ein Gemeindsbote bestimmt werden,<br />

der wöchentlich die oberamtlichen Aufträge in<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

LANDESPOLIZEI / PAUL VOGT<br />

Vaduz abholte und diese allen Gemeinden mitteilte.<br />

14<br />

Nachdem die Hofkanzlei die Ansichten<br />

Schupplers eingeholt hatte, der einige Änderungsvorschläge<br />

machte, die Pokorny aber nicht gelten<br />

lassen wollte, stimmte sie Pokornys Vorschlägen in<br />

allen Punkten zu. 15<br />

Die beiden Polizeimänner in Vaduz und die beiden<br />

Gemeindsboten in Balzers und Ruggell wurden bereits<br />

auf den 1. Februar 1828 eingestellt. 1830 kam<br />

ein dritter Polizeimann dazu. Dieser dritte Polizeimann<br />

hatte den Polizeidienst in der untern Herrschaft<br />

zu besorgen. Er wohnte in Nendeln oder<br />

Eschen und erhielt ein Jahresgehalt von 100 Gulden<br />

vom Land."'<br />

Die Vermehrung der Besoldungskosten durch das<br />

Aufstellen von Polizisten stiess auf den Unmut der<br />

Untertanen. So baten sie während der Unruhen<br />

von 1831 in einer Petition auch um die Entlassung<br />

D In der Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein von 1784<br />

heisst es, dass Liechtenstein ständig 7 Soldaten halten sollte, tatsächlich<br />

aber nur 3 Soldaten unterhielt. In der obern Landschaft gab<br />

es zwei Soldaten, in der untern einen. Ein Soldat erhielt jährlich 76<br />

Gulden und alle 5 oder 6 Jahre eine Montur, was aus den Steuergeldern<br />

bezahlt wurde. LLA Kopie o. S.<br />

2) ebda.<br />

3) ebda.<br />

4) Schuppler an HK am 6. Mai 1816. LLA RB Fasz. R 1.<br />

5) Circular des Oberamtes an die Gemeinden vom 7. Juni 1817. LLA<br />

RB Fasz. P 1.<br />

6) Bericht Pokornys an Fürst am 20. September 1827. LLA RC 3/18.<br />

7) Gerichtsinstruktion vom 1. 1. 1810, LLA Sammlung Matt.<br />

8) Schuppler an HK am 6. Mai 1816. LLA RB Fasz. R 1.<br />

9) Pokorny an Fürst am 20. September 1827. LLA RC 3/18.<br />

10) Landtagsprotokoll 1828. LLA RC 7/22.<br />

11) Das Gehalt betrug jährlich zwischen 39 und 69 Gulden, das<br />

Monturgeld 33 Gulden. LIA Rentamtliche Rechnungsbücher.<br />

12) Bericht Pokornys an HK am 20. September 1827. LLA RC 3/18.<br />

13) ebda.<br />

14) Pokorny an HK am 24. November 1827. LLA RC 3/18. - Die Gemeindsboten<br />

erhielten eine jährliche Entschädigung von 30 Gulden<br />

aus den Landeseinnahmen. LLA Landtagsprotokolle.<br />

15) HK an OA am 21. Dezember 1827. LLA RC 3/18.<br />

16) LLA Rentamtliche Rechnungsbücher.<br />

101


der Polizisten. Tatsächlich wurde auch die Stelle eines<br />

Polizeimannes vorübergehend nicht besetzt. 17<br />

Mit der Polizeiordnung von 1843, die die Polizeiordnung<br />

von 1732 ersetzte, wurde ein weiterer<br />

Schritt zur Verbesserung des Polizeiwesens unternommen.<br />

Die Überwachung der Vorschriften stellte<br />

jedoch ein ungelöstes Problem dar. Es zeigte sich,<br />

dass die Gemeindepolizisten und die Gemeindevorsteher<br />

h<strong>äu</strong>fig nicht bereit waren, gegen die «Gemeindsgenossen»<br />

einzuschreiten oder dass sie<br />

dazu zu wenig Autorität besassen. Aus diesem<br />

Grunde wurde 1844 die Oberleitung des Polizeiwesens<br />

dem Amtsschreiber unterstellt. 18<br />

1848 erzwangen die Untertanen die Entlassung der<br />

beiden Polizeimänner in Vaduz, weil sich «diese zu<br />

wenig höflich gegen die Bürger betragen hätten.» 19<br />

Der eine der beiden Polizeimänner wurde, «nachdem<br />

sich nach einiger Zeit die Aufgeregtheit gelegt<br />

hatte», 20<br />

wieder «in Zivilkleidern sowohl im öffentlichen<br />

Dienste als auch im Privatinteresse» des<br />

Fürsten verwendet. 1851 oder 1852 wurden dann<br />

die beiden Polizeistellen wieder besetzt.<br />

Nach dem Abschluss des Zoll- und Steuervertrages<br />

von 1852 verlangte Österreich die Verbesserung<br />

der «Grenz- und Passpolizei», da bis dahin die<br />

Grenzübertritte nicht kontrolliert wurden und die<br />

Vagabunden in der Regel erst angehalten wurden,<br />

wenn sie sich etwas zuschulden kommen Hessen.<br />

Während die eigentliche Zollverwaltung, der Einzug<br />

der Zölle und indirekten Steuern, durch die<br />

österreichischen Finanzwachen an den liechtensteinischen<br />

Grenzen besorgt wurde, sollte die Passpolizei<br />

von liechtensteinischen Polizeileuten übernommen<br />

werden.<br />

Liechtenstein kam der Aufforderung zur Verbesserung<br />

der Polizei insofern nach, als es die Stellen<br />

der Gemeindsboten von Balzers und Ruggell sowie<br />

des Polizeimannes von Nendeln zu drei vollen Polizeistellen<br />

aufwertete. In Liechtenstein gab es also<br />

nun fünf Polizisten. Ein Polizeimann in Vaduz war<br />

zugleich Kanzleidiener. Er sollte dem Regierungsamt<br />

ständig im Amtshaus zur Verfügung stehen.<br />

Der zweite Polizeimann in Vaduz hatte die Gemeinden<br />

Vaduz, Schaan und Triesenberg zu überwa­<br />

102<br />

chen. Der Polizeimann von Balzers überwachte die<br />

Gemeinden Balzers und Triesen und der Polizeimann<br />

in Nendeln die Gemeinden Eschen, Mauren<br />

und Schellenberg. Dem Polizeimann in Ruggell waren<br />

die Gemeinden Ruggell und Gamprin zugeteilt.<br />

21<br />

Anlässlich dieser Polizeireform wurden die<br />

Polizisten auch neu uniformiert und bewaffnet. 22<br />

Um die Polizeiorganisation zu straffen, wurde Alois<br />

Hilty, der bereits seit 1829 den Polizeidienst versah<br />

und sich durch besondere Diensttreue ausgezeichnet<br />

hatte, 1854 zum Vorgesetzten der übrigen Polizeimänner<br />

erklärt. 23<br />

1858 erhielt er zur Unterstreichung<br />

seiner besonderen Stellung eine Personalzulage<br />

von 10 Gulden. 24<br />

Damit waren die Reformen im Polizeiwesen abgeschlossen.<br />

Bei der Auswahl der Polizeimänner<br />

wurden folgende Kriterien angewandt: Die Polizisten<br />

mussten den Militärdienst geleistet haben und<br />

einen guten Lebenswandel führen, d.h. ihr sittliches<br />

Betragen durfte nie Anlass zu Klagen gegeben<br />

haben, sie durften nicht der Trunkenheit verfallen<br />

sein und sich nicht an politischen Unruhen<br />

beteiligt haben. Wichtig war auch das Aussehen<br />

und Auftreten der Bewerber: Polizeileute sollten<br />

eine kräftige, imponierende Figur haben und ruhig,<br />

aber energisch auftreten. Ferner sollten die Polizeimänner<br />

ledig sein, lesen und «wenigstens etwas<br />

schreiben» können. 25<br />

Eine eigentliche Polizeiausbildung<br />

war unbekannt. Es genügte, wenn die Polizisten<br />

die Polizeiordnung kannten.<br />

Umfang und Organisation der Polizei machen deutlich,<br />

dass diese nur ein sehr bescheidenes Machtmittel<br />

in der Hand des Regierungsamtes darstellte.<br />

Die Ausübung der polizeilichen Aufsicht wurde bis<br />

1854 weitgehend den Gemeinden selbst überlassen.<br />

Die wenigen Polizeimänner hatten noch deutlich<br />

den Charakter von Hilfspersonal, was sich<br />

etwa darin ausdrückte, dass sie im Taglohn besoldet<br />

wurden. Die beiden Polizisten in Vaduz wurden<br />

auch h<strong>äu</strong>fig als Kanzleidiener eingesetzt: Sie trieben<br />

die fürstlichen Renten ein, putzten und heizten<br />

die Kanzlei, gingen auf die Post, beaufsichtigten die<br />

Gefangenen usw. 26<br />

Im Gegensatz zu diesen beiden<br />

Polizeistellen erforderten die drei andern Stellen<br />

noch 1858 keinen ganztägigen Einsatz. 27


Einige Zweifel scheinen auch bezüglich der Disziplin<br />

der Polizeimänner angebracht zu sein. 1857<br />

beklagte sich beispielsweise ein österreichischer<br />

Finanzwachkommissär beim Regierungsamt, dass<br />

die Polizeimänner beim Grenzposten einträfen,<br />

wann es ihnen passe, teilweise würden sie auch<br />

selbst Schmuggel betreiben. Er bemängelte insbesondere,<br />

dass es zu wenig Polizeimänner gebe und<br />

dass die vorhandenen zu wenig kontrolliert würden.<br />

28<br />

Von der Aufstellung der Polizeimänner in der Zeit<br />

des Spätabsolutismus führt keineswegs ein gerader<br />

Weg zur heutigen Landespolizei. Eine formelle Polizei<br />

wurde von der Bevölkerung schlecht akzeptiert,<br />

was sich 1831/32 und 1848 in der Forderung nach<br />

Entlassung der Polizeimännner manifestierte. 1862<br />

wurde die Grenz- und Passkontrolle den österreichischen<br />

Finanzwachen übertragen. 1864 wurden<br />

die Gemeinden vermehrt mit ordnungspolitischen<br />

Aufgaben betraut. Mit dem neuen Gemeindegesetz<br />

wurde ihnen die Ortspolizei, die Einwohnerkontrolle<br />

und gesundheitspolizeiliche Aufgaben<br />

übertragen. Den Ortsvorstehern wurde ein Gemeindeweibel<br />

zur Seite gestellt. Seit 1867 wurde<br />

der Begriff «Polizei» überhaupt vermieden, statt<br />

dessen beschäftigte der Staat nun einen Amts- und<br />

drei Gerichtsdiener. 1871 wurden neu zwei Landweibel<br />

mit Polizeiaufgaben betraut.<br />

Es war charakteristisch für die Herrschaftsausübung<br />

in Liechtenstein im 19. Jahrhundert, dass<br />

der Staat wenig auf den Einsatz von Gewaltmitteln<br />

vertraute. Auf die Polizei war ebenso wenig Verlass<br />

wie auf das Militärkontingent. Herrschaft hiess vor<br />

allem Verwaltung. Offen Gewalt zeigen und einsetzen<br />

konnten nur die österreichischen Finanzer,<br />

wenn sie gegen Schmuggel oder unerlaubtes<br />

Schnapsbrennen vorgingen. Wichtige ordnungspolitische<br />

Faktoren waren die Kirche und die soziale<br />

Kontrolle. Die Pfarrherren übten eine Kontrolle<br />

aus, die sich nicht nur auf Religion, Moral und Sittlichkeit<br />

erstreckte. Sie scheuten sich nicht, Untertanen<br />

beim Oberamt wegen unsittlichem Lebenswandel<br />

anzuzeigen. Das Ausmass der sozialen Kontrolle<br />

wurde 1877 von Landesverweser von Hausen<br />

beschrieben: «Der Liechtensteiner hat eine ei-<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

LANDESPOLIZEI / PAUL VOGT<br />

genthümliche Vorliebe zu der Scholle Boden, die er<br />

seine Heimat nennt, sowie zu seinen Landsleuten.<br />

Wenn er in seiner Jugend im Auslande Verdienst<br />

sucht, und sich viele Jahre daselbst aufhält, so<br />

kehrt er doch sicher dann in seine Heimat zurück,<br />

wenn er einen eigenen Haushalt zu gründen gewillt<br />

ist. Dann wählt er aber seine Lebensgenossin gewöhnlich<br />

nicht in der Fremde, sondern aus der einheimischen<br />

Bevölkerung. Eine Folge davon ist,<br />

dass die Liechtensteiner vielfach untereinander<br />

verwandt oder verschwägert sind und dass bei allgemeinen<br />

öffentlichen Fragen sich Meinungsgleichheiten<br />

zwischen ihnen kundgeben, die man sich<br />

mit Rücksicht auf die verschiedenen Charakter der<br />

Bewohner der obern und der untern Landschaft<br />

sonst nicht erklären könnte. Aber eben diese vielseitige<br />

Verwandtschaft und Schwägerschaft hindert<br />

den einzelnen Bürger an der unparteiischen Prüfung<br />

wichtigerer Landesangelegenheiten sowie an<br />

der thatkräftigen Unterstützung der Behörde im<br />

Falle einer öffentlichen Ruhestörung. (. . .) Für<br />

Liechtenstein gibt es nach meinem Dafürhalten nur<br />

17) HK an OA am 21. November 1831. LLA RC 16/6.<br />

18) Circular an Ortsgerichte am 14. Dezember 1844. LLA RC 55/6.<br />

19) Geiger, S. 76.<br />

20) RA an Fürst am 3. September 1858. LLA RC 107/105.<br />

21) RA an Fürst am 16. 3. 1854. HK an RA am 5. Juli 1854. LLA RC<br />

102/184.<br />

22) RA an Fürst am 24. September 1854 und 5. 1. 1855. LLA RC<br />

102/184.<br />

23) RA an Fürst am 24. September 1854. LLA RC 102/184.<br />

24) RA an Fürst am 3. September 1858. LLA RC 107/106.<br />

25) Diese Auswahlkriterien ergeben sich aus den Bewerbeschreiben,<br />

die 1854 beim Oberamt eingingen und den Kommentaren Menzingers<br />

zu diesen Schreiben. LLA RC 102/184.<br />

26) Menzinger an Fürst am 3. September 1858. LLA RC 107/106. -<br />

1860 erhielten die Polizeileute eine Remuneration, weil sie seit 1854<br />

die meisten Rentresten eingetrieben hatten. Dies unterstreicht deutlich,<br />

dass die Polizeileute noch den Charakter von fürstlichen Dienern<br />

hatten. HK an RA am 12. August 1860. LLA RC 109/38.<br />

27) 1858 erhielten deshalb die beiden Polizeimänner in Vaduz, deren<br />

Gehalt seit 1829 nie erhöht worden war, eine jährliche Zulage<br />

von 25 Gulden. RA an Fürst am 3. September 1858 LLA RC 107/106.<br />

28) Brief an das RA vom 20. März 1857. LLA RC 102/184.<br />

103


das Eine: durch ein kluges Vorgehen der Verwaltungsbehörden<br />

grössere polizeiliche Excesse fern<br />

zu halten. Sollten aber ausserordentliche Vorfallenheiten<br />

es nothwendig machen, die gestörte öffentliche<br />

Ordnung durch Anwendung besonderer Vorkehrungen<br />

wieder herzustellen, dann könnte nur<br />

die Requisition von österreichischem Militär platzgreifen.»<br />

29<br />

29} Von Hausen an Fürst am 25. 1. 1877. LLA RE 1877/98.<br />

104<br />

Schulgesetz vom 31. Juli<br />

1822<br />

«A. vom Verhalten der<br />

Schüler vor der Schule<br />

1. ) Kinder! habet euer<br />

Schulgeräth in Ordnung<br />

und haltet es reinlich.<br />

2. ) Sehet zu Hause nach,<br />

ob eure Kleidungsstücke<br />

reinlich sind. Euer Gesicht<br />

und Hände müßen gewaschen<br />

und die Kopfhaare<br />

in Ordnung seyn.<br />

3. ) Könnet ihr wegen<br />

Krankheit oder wegen<br />

andern gültigen Ursachen<br />

nicht zur Schule kommen,<br />

so laßt es dem Lehrer<br />

melden.<br />

4. ) Gehet zur rechten Zeit<br />

vom Hause weg, und<br />

haltet euch auf dem Schulweg<br />

nicht auf, damit ihr<br />

zur bestimmten Zeit in der<br />

Schule eintreffet.<br />

5. ) Gehet stille und sittsam<br />

zur Schule, gesellet euch<br />

zu euers gleichen und<br />

grüßet freundlich die<br />

Vorübergehenden.<br />

6. ) Wer zu spät kömmt,<br />

muß dem Lehrer die<br />

wahre Ursache angeben,<br />

den jede Lüge wird bestrafet.<br />

B. Vom Verhalten in der<br />

Schule<br />

1. ) Grüßet den Lehrer<br />

beym Eintritt in die Schule<br />

oder saget den gewöhnlichen<br />

Lobspruch.<br />

2. ) Sobald ihr in das<br />

Schulzimmer kömmt, so<br />

gehet gleich an euren<br />

Platz, leget den Hut oder<br />

die Haube, Bücher und<br />

Pappier neben euch oder<br />

an den dazu angewiesenen<br />

Ort.<br />

3. ) Kömmt eines während<br />

dem Schulgebethe, so<br />

bleibe es vor dem Schulzimmer<br />

stehen, bis das<br />

Gebeth geendet ist.<br />

4. ) Beneidet einander<br />

wegen den ersten Plätzen<br />

nicht, denn sie werden<br />

nach Fleiß und guter<br />

Aufführung angewiesen.<br />

Daher trachtet die ersten<br />

Plätze zu verdienen.<br />

5. ) Erwartet stille und<br />

ruhig den Anfang des<br />

Unterrichts.<br />

6. ) Beim Gebethe stehet<br />

auf, faltet die Hände und<br />

bethet andächtig nach,<br />

was vorgebethet wird.<br />

7. ) Sehet und höret auf<br />

den Lehrer, und thuet<br />

alles, was euch befohlen<br />

wird, willig und gerne,<br />

denn Gehorsam ist eine<br />

Hauptpflicht des Schülers.<br />

8. ) Diejenigen, welche zum<br />

Antworten aufgerufen<br />

werden, sollen aufstehen<br />

und eine ruhige Stellung<br />

beobachten.<br />

9. ) Jene, die gerne antworten<br />

möchten, sollen es mit<br />

Aufhebung einer Hand zu<br />

erkennen geben.<br />

10. ) Wird ein Kind gefragt,<br />

so soll ihm kein andres<br />

einsagen oder dafür laut<br />

antworten.<br />

11. ) Beunruhiget einander<br />

nicht; und beschädiget<br />

andern nicht an Bücher,<br />

Schriften, Rechnungstafeln<br />

oder an Kleidungsstücken.»


VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

LANDESPOLIZEI / PAUL VOGT<br />

105


Das Schulwesen<br />

ZIELSETZUNG UND ORGANISATION<br />

DER SCHULE<br />

Im 18. Jahrhundert kam das Schulwesen nicht<br />

über einige Ansätze hinaus. Die Organisation des<br />

Unterrichts war völlig den einzelnen Gemeinden<br />

überlassen. Ausgebildete Lehrer waren selten, neben<br />

einzelnen Geistlichen unterrichteten auch<br />

Handwerker und Bauern. Ihre Besoldung war sehr<br />

gering. Der Unterricht fand gewöhnlich in der<br />

Wohnung des Lehrers statt, Bücher für Unterrichtszwecke<br />

waren keine vorhanden. Die Bauern sahen<br />

den Nutzen des Schulbesuchs meist nicht ein, die<br />

Arbeit auf dem Feld oder im Stall hatte Vorrang. 1<br />

Impulse zur Verbesserung des Unterrichtswesens<br />

gingen zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem<br />

von den Geistlichen aus. Unter dem Einfluss der<br />

Aufklärung und des österreichischen Beispiels hatte<br />

sich aber auch die Haltung der Beamten gegenüber<br />

der Schule grundlegend verändert: Sie sahen<br />

nun im Unterrichtswesen eine Aufgabe, um die<br />

sich auch der Staat im Sinne der Wohlfahrt und<br />

Fürsorge zu kümmern hatte. Die mangelnde Schulbildung<br />

war nach Auffassung der Beamten der<br />

wichtigste Grund dafür, dass das Gewerbe und die<br />

Kultur im Vergleich zu den umliegenden Staaten<br />

unterentwickelt waren.<br />

Das erwachte Interesse des Staates am Schulwesen<br />

hatte jedoch auch noch einen andern Grund: Da<br />

eine allgemeine mehrjährige Schulpflicht die Sozialisation<br />

der gesamten heranwachsenden Schuljugend<br />

entscheidend beeinflussen musste, eignete<br />

sich die Schule hervorragend als Instrument zur<br />

Herrschaftssicherung. Die Schule sollte die Kinder<br />

zu pflichtbewussten und gehorsamen Untertanen<br />

erziehen, kritisches Denken hingegen sollte nicht<br />

gefördert werden. 2<br />

Zahlreiche Vorschriften in den<br />

beiden Schulgesetzen von 1822 und 1827 zielten<br />

auf die Disziplinierung der Kinder ab. Diese Schulgesetze<br />

sahen unter anderem vor, dass die Kinder<br />

während der Schulzeit täglich die Messe besuchen<br />

mussten und dass unentschuldigtes Fernbleiben<br />

vom Unterricht mit Geldbussen zu bestrafen war.<br />

Die Schulgesetze enthielten auch zahlreiche sitt­<br />

106<br />

liche Verhaltensvorschriften für die Zeit vor, während<br />

und nach der Schule.<br />

In jeder Gemeinde bestanden nach dem Vorbild der<br />

süddeutschen Staaten eine Trivial- (oder Elementar-)<br />

und eine Sonntagsschule: Die Schulpflicht für<br />

die Trivialschule dauerte vom 6. bis 12. Lebensjahr<br />

(nach dem älteren Schulgesetz von 1822 vom 7. bis<br />

zum 14.). Anschliessend musste bis zum 20. Lebensjahr<br />

die Sonntagsschule besucht werden, in<br />

der der gelernte Schulstoff repetiert wurde.<br />

Nach Ansicht des Oberamtes sollte sich die Schule<br />

auf die Vermittlung jener Kenntnisse beschränken,<br />

die für einen Bauern notwendig waren: An erster<br />

Stelle standen Religion und christliche Sittenlehre,<br />

dann folgten Lesen, Schön- und Rechtschreiben<br />

und Rechnen. Die Einführung von weiteren Schulfächern<br />

wie Gesang, Landeskunde, Geometrie und<br />

Zeichnen wurde zwar von den Geistlichen wiederholt<br />

angeregt, aber erst durch das Schulgesetz von<br />

1859 verwirklicht.<br />

Beim vermittelten Schulstoff wurde inhaltlich<br />

streng darauf geachtet, dass er in keinem Widerspruch<br />

zur katholischen Religionslehre stand. Nach<br />

dem Schulgesetz von 1822 bestanden die Lehrmittel<br />

lediglich aus einem kleinen Katechismus, einem<br />

Abriss der Religionsgeschichte und einem Sittenbüchlein.<br />

3<br />

Noch 1858 <strong>äu</strong>sserte sich Menzinger in<br />

gleichem Sinne: «Die Schulbücher werden nur immer<br />

nach vorl<strong>äu</strong>figer Durchsicht und Prüfung des<br />

Oberschulen-Inspektors eingeführt, um sicher zu<br />

seyn, dass sie nichts gegen die Grundsätze der katholischen<br />

Kirche Widriges enthalten.» 4<br />

DIE SCHULGESETZE ALS AUSDRUCK<br />

DER STAATLICHEN SCHULHOHEIT<br />

Für die Beamten bestand zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

nicht der geringste Zweifel darüber, dass<br />

die Schulhoheit zu den Hoheitsrechten des Monarchen<br />

gehörte. 5<br />

Daraus hätte an sich eine staatliche<br />

Verpflichtung abgeleitet wrden müssen, im Schulbereich<br />

aktiv zu werden. Tatsächlich gingen jedoch<br />

vom Oberamt in Vaduz nur wenige und von der


Hofkanzlei in Wien gar keine Impulse zur Verbesserung<br />

des Schulwesens aus. In der Dienstinstruktion<br />

von 1808 fehlt jeder Hinweis auf dieses Problem.<br />

Hauer beschränkte sich in seinem ausführlichen<br />

Bericht von 1808 auf die Bemerkung, dass<br />

die Schulen sehr schlecht seien und dass die Obrigkeit<br />

den Gemeinden bei Schulhausbauten vielleicht<br />

einen unentgeltlichen Ziegelbeitrag aus der herrschaftlichen<br />

Ziegelhütte gewähren könnte. Auch in<br />

späteren Jahren gingen Anregungen für Verbesserungen<br />

im Schulwesen nie von der Hofkanzlei aus.<br />

Die erste obrigkeitliche Verordnung im Unterrichtswesen<br />

stammt aus dem Jahre 1805 und geht auf einen<br />

gemeinsamen Vorschlag der Pfarrherren der<br />

obern Landschaft zurück. 6<br />

Die Verordnung von<br />

1805 war insofern grundlegend, als sie den Gemeinden<br />

die Kompetenz zur Anstellung und Entlassung<br />

von Lehrern entzog und den Ortspfarrern<br />

und der Landesobrigkeit übertrug. Die Gemeinden<br />

wurden verpflichtet, ihren Lehrer zu besolden und<br />

ein Schulhaus zu bauen. Durch diese Verordnung<br />

wurde auch zum ersten Mal die allgemeine Schulpflicht<br />

(vom 6. bis zum 13. Lebensjahr) eingeführt.<br />

Der Unterricht fand nur im Winter statt, im Sommer<br />

wurde lediglich an Sonn- und Feiertagen unterrichtet.<br />

7<br />

1810 wurden die Sommerschulen eingeführt. 4<br />

' 1812<br />

wurde ein Schulfonds geschaffen, aus dessen Zinsen<br />

die Lehrer besoldet werden sollten. Trotz dieser<br />

staatlichen Verordnungen behielten die Geistlichen<br />

ihren grossen Einfluss im Schulwesen. Wie<br />

weit dieser Einfluss reichte, wird deutlich, wenn<br />

man die Entstehung des Schulgesetzes von 1822 9<br />

betrachtet. Landvogt Schuppler arbeitete einen<br />

Entwurf für ein Schulgesetz aus und sandte diesen<br />

den Pfarrern zu. In einer gemeinsamen Versammlung<br />

berieten darauf der Landvogt und die Geistlichen<br />

diesen Entwurf und setzten ihn darauf durch<br />

ihre Unterschriften in Kraft. 10<br />

Der Fürst und die<br />

Hofkanzlei bekamen dieses erste Schulgesetz offenbar<br />

nie zu sehen.<br />

Diese Entstehungsgeschichte macht verständlich,<br />

dass das Schulgesetz von 1822 den staatlichen Einfluss<br />

im Unterrichtswesen auf ein Minimum beschränkte<br />

und das Schulwesen weitgehend zu ei­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />

ner Aufgabe des Klerus machte. Nach diesem Gesetz<br />

handhabten die Ortspfarrer in ihrer Gemeinde<br />

als Lokalinspektoren die «Schulpolizei» und beaufsichtigten<br />

die Lehrer. Die Pfarrer wählten aus ihrem<br />

Kreis einen «Schul(ober)inspektor», der für die<br />

Vereinheitlichung des Unterrichts in den verschiedenen<br />

Gemeinden sorgen sollte und als Organ der<br />

«obern Schulbehörde» wirkte. Die «obere Schulbehörde»<br />

bestand aus der Versammlung von Landvogt,<br />

Schulinspektor und Lokalinspektoren. Diese<br />

Behörde erliess Bestimmungen für den Unterricht<br />

und nahm die Anstellungen von Lehrern vor. Der<br />

Fürst und die Hofkanzlei werden in diesem Gesetz<br />

nicht erwähnt.<br />

Landvogt Pokorny empfand das Schulgesetz von<br />

1822 offenbar als eine schwere Verletzung der<br />

fürstlichen Hoheitsrechte. Nur wenige Monate nach<br />

seinem Amtsantritt erschien das neue Schulgesetz<br />

von 1827, 11<br />

das durch die Unterschrift des Fürsten<br />

in Kraft gesetzt wurde. Dieses Gesetz verkürzte die<br />

Schulpflicht von 7 auf 6 Jahre, brachte sonst aber<br />

bezüglich der Schulfächer, der Lehrmethoden und<br />

der Lehrbücher keine wesentlichen Änderungen. 12<br />

Grundsätzlich neu war jedoch die Verteilung der<br />

Kompetenzen in der Schulverwaltung. Die obere<br />

Schulbehörde war nun mit dem Oberamt identisch.<br />

Über Vorschriften im Unterrichtswesen und die An-<br />

1) Malin, S. 71 ff.<br />

2) Quaderer, S. 138ff.<br />

3) ebda., S. 143.<br />

4) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />

107/136.<br />

5) Bericht Schupplers über die landständische Verfassung vom<br />

12. März 1818. LLA RB Fasz. L 6.<br />

6) Malin, S. 83.<br />

7) Verordnung vom 18. September 1805. LLA NS 1805.<br />

8) OA an Pfarrer am 23. 5. 1810. LLA NS 1810.<br />

9) Schulgesetz und Schulplan vom 31. 7. 1822. LLA RB Fasz. S 1.<br />

10) Circular des OA an die Geistlichkeit vom 1. August 1822. LLA<br />

RB Fasz. S 1.<br />

11) Schulgesetz vom 5. Oktober 1827. LLA NS 1820-29.<br />

12) Quaderer, S. 149.<br />

107


Stellung von Lehrern bestimmte allein diese staatliche<br />

Behörde. Der Klerus hatte weiterhin in den<br />

Gemeinden die Schulen zu beaufsichtigen, wobei<br />

die Geistlichen nach österreichischem Vorbild als<br />

Staatsdiener betrachtet wurden. Das Organ der<br />

oberen Schulbehörde stellte der Schulinspektor<br />

dar. Zum Schulinspektor wurde weiterhin ein<br />

Geistlicher bestimmt, doch wurde dieser nach dem<br />

neuen Schulgesetz nicht mehr von den Pfarrherren<br />

gewählt, sondern von der Hofkanzlei auf Vorschlag<br />

des Oberamtes ernannt. Die Aufgaben des Schulinspektors<br />

blieben im wesentlichen dieselben: Er<br />

hatte die verschiedenen Schulen zu inspizieren und<br />

dem Oberamt allfällige Verbesserungsvorschläge<br />

zu unterbreiten.<br />

Das Schulgesetz von 1827 unterstrich die landesfürstliche<br />

Schulhoheit. In der Praxis beschränkte<br />

sich das Oberamt aber noch für lange Zeit auf eine<br />

Oberaufsicht, die konkreten Aufgaben in der Schulverwaltung<br />

wurden der Kirche überlassen. Wie wenig<br />

Initiative die staatliche Verwaltung im Unterrichtswesen<br />

aufbrachte, zeigte sich nicht zuletzt<br />

daran, dass der erste Versuch zur Errichtung einer<br />

Fortbildungsschule (1858) und einer Abendschule<br />

für Handwerk (1860) auf private Initiative zurückging.<br />

13<br />

Diese als gemeinnützige Werke verstandenen<br />

Versuche hatten allerdings keinen langen Bestand.<br />

Übersicht über die Lehrergehälter,<br />

aus: Menzinger<br />

an Fürst am 12. August<br />

1834. LLA Nr. 42/13.<br />

108<br />

FINANZIERUNG DES SCHULWESENS<br />

Die staatliche Finanznot bildete die Hauptursache<br />

dafür, dass der Einfluss der Gemeinden im Schulwesen<br />

nicht ausgeschaltet und die Schulverwaltung<br />

nicht zur alleinigen Aufgabe des Oberamtes gemacht<br />

werden konnte. 1812 wurde nach dem Beispiel<br />

anderer süddeutscher Staaten ein Schulfonds<br />

geschaffen, 14<br />

dessen Zinsen für die Lehrerbesoldung<br />

verwendet werden sollten. Das erklärte Ziel,<br />

das mit der Schaffung des Schulfonds verfolgt wurde,<br />

bestand in der Verstaatlichung und Zentralisierung<br />

des Schulwesens: «. . . die Absicht vorliegt,<br />

den Fond dahin zu bringen, dass von seinem Ertrag<br />

die Lehrers Gehalte vollkommen bestritten<br />

werden können, um die Gemeinden von ihren bisherigen<br />

Beiträgen zu entheben, die Lehrer selbst<br />

von den Gemeinden unabhängig zu stellen, und die<br />

Leitung des Schulwesens unter den alleinigen landesherrlichen<br />

Einfluss zu nehmen . . ,» 15<br />

Der Schulfonds wurde durch Beiträge verschiedener<br />

Art gespeist: Nach josephinischem Beispiel<br />

wurden die (kirchlichen) Vermögen zweier Bruderschaften<br />

und anderer «unnützer Gesellschaften»<br />

eingezogen. 16<br />

Weiter wurde eine Ehetax von zwei<br />

Gulden eingeführt, die jedes Brautpaar für die amtliche<br />

Heiratsbewilligung in den Schulfonds zu zahlen<br />

hatte. 17<br />

Aus den fürstlichen Renten floss von<br />

Gemeinde Lehrer­ tatsächlich davon aus von der aus dem<br />

besoldung ausbezahlter ; dem Landes- Gemeinde Gemeindenach<br />

Schulgesetz Lohn ; schulfonds schulfonds<br />

Balzers 200 200 50 0 . 150<br />

Triesenberg 200 150 60 . 90 • (?)<br />

Triesen 200 150. 54 96<br />

Vaduz 200- 150 60 90<br />

Schaan 200 150 90 60<br />

Planken 150 60 30 30<br />

Eschen " 200 150 60 90<br />

Nendeln 150' 50 34 16-<br />

Mauren. 200 150 48 102<br />

Schellenberg 150/ 100 ' 35 65<br />

Gamprin 150* 100 . 36 64<br />

Ruggell- 150 > 150 48 102<br />

Total 2150 1560, •; 605


1812 bis 1836 ein jährlicher Beitrag von 50 Gulden.<br />

18<br />

Ebenso floss ein bestimmter Anteil aus den<br />

Abhandlungstaxen und an der Salzsteuer in den<br />

Schulfonds. 19<br />

Diese zahlreichen Abgaben an den Schulfonds erregten<br />

den Unmut der Untertanen. Während der<br />

Unruhen von 1831 verlangten sie die Aufhebung<br />

der Beiträge, lieber wollten die Gemeinden die Kosten<br />

für das Schulwesen selber tragen. 20<br />

Die Entwicklung des Schulfonds verlief jedoch anders,<br />

als die Hofkanzlei und das Oberamt erwarteten.<br />

Durch die Vermehrung der Lehrstellen stiegen<br />

die Besoldungskosten bedeutend rascher als der<br />

Schulfonds. Die Zinsen aus diesem Fonds deckten<br />

1834 38 %, 1852 28 % und 1859 noch 27 % der<br />

Lehrerbesoldungen. 21<br />

Für den weitaus grösseren<br />

Teil der Lehrergehälter hatten die Gemeinden aufzukommen.<br />

Neben dem Landesschulfonds bestanden in jeder<br />

Gemeinde eigene Gemeindeschulfonds, die aber in<br />

der Regel nur wenige Hundert Gulden Kapital besassen.<br />

Diese Kapitalien stammten gewöhnlich aus<br />

Stiftungen wohltätiger Leute. 22<br />

Da auch die Zinsen<br />

aus den Gemeindeschulfonds (abgesehen von Balzers)<br />

nirgends für die Lehrergehälter ausreichten,<br />

mussten die Gemeinden die Restbeträge durch<br />

Steuerumlagen einbringen. 23<br />

Die Gemeinden hatten<br />

auch für die Kosten bei Schulbauten aufzukommen,<br />

der Landesfürst gewährte auf Bitte der Gemeinde<br />

gewöhnlich einen Dachziegelbeitrag. 24<br />

Sie<br />

trugen auch die Kosten für die Schuleinrichtungen,<br />

für Tafeln, Kreide, Tinte und für die Beheizung der<br />

Schulr<strong>äu</strong>me. Für die Schulbücher mussten (ausser<br />

in Balzers) die Eltern aufkommen. 25<br />

Die starke finanzielle<br />

Belastung, die das Schulwesen für jede<br />

Gemeinde darstellte, verstärkte zweifellos den Widerstand<br />

gegen die Schulreformen.<br />

DIE STELLUNG DER LEHRER<br />

Die Schulgesetze enthielten auch einige Grundsätze<br />

zur Besoldung und Ausbildung der Lehrer. Nach<br />

dem Schulgesetz von 1827 hatten die Lehrer je<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />

13) Geiger, S. 237; Schädler, Tätigkeit. IN: JBL 1901, S. 155.<br />

14) Gesetz betr. Schulfonds vom 3. Oktober 1812. LLA RC 25/21.<br />

15) HK an OA a. 16. September 1834. LLA RC 42/13.<br />

16) 1812 bestanden in Liechtenstein 8 Bruderschaften. Die Duxer<br />

Kapelle hatte ein Vermögen von 6302 Gulden, davon wurden ihr<br />

2000 Gulden belassen, der Rest wurde für den Schulfonds eingezogen.<br />

Die St. Anna-Bruderschaft in Vaduz besass 1559 Gulden, ihr<br />

wurden 650 Gulden für die Erfüllung ihrer religiösen Zwecke gelassen.<br />

Die Vermögen der übrigen Bruderschaften waren klein und<br />

wurden daher nicht angetastet. Schuppler an HK am 28. Juli 1812<br />

und Schulfondsgesetz vom 3. Oktober 1812. LLA RC 25/21. - Eingezogen<br />

wurden auch die Vermögen der Eschner St. Anna-Bruderschaft,<br />

die sich 1810 selbst aufgelöst hatte. In den Schulfonds kamen<br />

auch die (kleinen) Vermögen von «unnützen» Gesellschaften: Die<br />

Nendler Schützengesellschaft und die Nendler Jägergesellschaft, die<br />

Hoch'sche Stiftung und die Rogg'sche Stiftung mussten ihre Gelder<br />

an den Schulfonds abtreten. Die eingezogenen Gelder machten zusammen<br />

5799 Gulden aus. OA an Fürst am 23. August 1836. LLA RC<br />

54/8.<br />

17) Eingeführt durch das Schulfondsgesetz vom 3. Oktober 1812.<br />

LLA RC 25/21.<br />

18) ebda. Die HK bestimmte am 27. September 1836, dass dieser<br />

Beitrag nicht mehr zu gewähren sei. Der Beitrag wurde bis dahin als<br />

ein Teil der fürstlichen Wohltätigkeit angesehen. HK an OA am<br />

27. September 1836. LLA RC 42/13.<br />

19) Die Beiträge aus den Verlassenschaftsabhandlungstaxen wurden<br />

durch das Schulgesetz von 1827 (§ 21) dem Schulfonds überlassen.<br />

Bei der Einführung des Landesarmenfonds wurden die Taxanteile<br />

erhöht und zwischen Armen- und Schulfonds aufgeteilt. Verordnung<br />

betr. Armenwesen vom 20. Oktober 1845. LLA NS 1845. - Für jedes<br />

Fass Salz, das nach Liechtenstein eingeführt wurde, mussten 42<br />

Kreuzer in den Schulfonds eingezahlt werden. LLA Schulfondskapitalienbuch<br />

1832-1841, seit 1841 Fondsrechnungsbücher.<br />

20) Quaderer, S. 151.<br />

21) Menzinger an Fürst am 12. August 1834. LLA RC 42/13. Besoldungstabellen<br />

vom 9. Juni 1852 und vom 31. März 1859. LLA RC<br />

94/1.<br />

22) Die Gemeindeschulfonds verfügten 1812 über folgende Kapitalien:<br />

Ruggell 430 Gulden, Gamprin 225 fl, Schellenberg 200 fl, Triesenberg<br />

425 fl, Schaan 349 fl, Triesen 690 fl, Vaduz 500 fl. G. Marxer.<br />

Die Schule unter Schuppler, S. 152. - Die Gemeinde Balzers<br />

teilte 1807 Gemeindeboden als sogenannte «Schulfondteile» an ihre<br />

Bürger aus (J. Büchel, Gemeindenutzen S. 142). Darauf dürfte es zurückzuführen<br />

sein, dass diese Gemeinde als einzige einen ausreichenden<br />

Schulfonds besass. Menzinger an HK am 12. August 1834<br />

LLA RC 42/13<br />

23) Zu den Fragen der Lehrerbesoldung siehe das folgende Kapitel.<br />

24) Bericht Schupplers über die obrigkeitlichen Geb<strong>äu</strong>de vom 21.3.<br />

1826. LLA RB Fasz. B 1. - Das Herstellen von Ziegeln war ein herrschaftliches<br />

Monopol. Die Herrschaft besass in Nendeln eine Ziegelhütte.<br />

25) «Tabellarische Übersicht über den Bezug der Gehälter der<br />

Schullehrer» vom 9. Juni 1852. LLA RC 94/1.<br />

109


nach Grösse der Klasse Anspruch auf eine Besoldung<br />

zwischen 150 und 200 Gulden.<br />

Tatsächlich wurden ihnen jedoch meist wesentlich<br />

niedrigere Gehälter ausbezahlt. 1834 erhielten von<br />

insgesamt 12 Lehrern lediglich zwei den gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Lohn, die übrigen erhielten mindestens<br />

50 Gulden zu wenig. 26<br />

1852 gab es in<br />

Liechtenstein 18 Lehrer, davon erhielten 10 das gesetzliche<br />

Minimalgehalt, sieben wurden als «Schulgehilfen»<br />

taxiert und erhielten lediglich 120 Gulden.<br />

27<br />

Das Schulgesetz von 1859 beseitigte die Einteilung<br />

der Lehrer in zwei Kategorien und brachte<br />

für alle eine minimale Besoldung (je nach Klassengrösse<br />

und provisorischem oder definitivem Anstellungsverhältnis)<br />

zwischen 200 und 300 Gulden.<br />

28<br />

Neben der Geldentschädigung hatten die Lehrer<br />

auch Anspruch auf eine Wohnung, die allerdings<br />

nicht in allen Gemeinden zur Verfügung stand. Einem<br />

verheirateten Lehrer sollte eine Wohnung mit<br />

drei Zimmern, einem ledigen ein Zimmer und eine<br />

Kammer zur Verfügung gestellt werden. 29<br />

Eine Gehaltsaufbesserung<br />

resultierte für die Lehrer auch<br />

daraus, dass sie in ihrer Gemeinde den Organistenund<br />

h<strong>äu</strong>fig auch den Mesmerdienst versahen, wofür<br />

sie eine Entschädigung erhielten.<br />

Die Lehrer waren von allen Fronen und allem Gemeindewerk<br />

befreit, soweit diese an die Person gebunden<br />

waren. Diese Befreiung von den Fronen<br />

stellte nicht nur eine weitere Dienstentschädigung<br />

dar, sondern hob auch das Sozialprestige der Lehrer.<br />

Ihre Tätigkeit für das Allgemeinwohl rechtfertigte<br />

eine soziale Auszeichnung und eine persönliche<br />

Besserstellung. .Soweit die Fronen und das<br />

Gemeindewerk jedoch auf dem Grundbesitz hafteten,<br />

mussten auch die Lehrer diesen Pflichten<br />

nachkommen. In der Regel leisteten sie jedoch diese<br />

Arbeiten nicht persönlich, sondern Messen sie<br />

für sich entrichten oder lösten sie in Geld ab. 30<br />

Die soziale Lage der Lehrer war in der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts eindeutig schlechter als<br />

diejenige eines Amtsschreibers oder Kanzlisten<br />

beim Oberamt. Das Einkommen der Lehrer erreichte<br />

nicht einmal das Niveau des Schlossjägers<br />

110<br />

(212 Gulden) oder des Schlossküfers (162 Gulden),<br />

wenn man bedenkt, dass diese noch Akzidentien<br />

erhielten. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Lehrer<br />

ihre Einkommen zu verbessern suchten. 1842<br />

reichten sie bei der Hofkommission, die im Zusammenhang<br />

mit dem Fürstenbesuch im Lande weilte,<br />

ein Bittgesuch ein: Sie forderten die Befreiung von<br />

sämtlichen Fronen, bessere Lehrerwohnungen, höhere<br />

Besoldungen, unentgeltliches Brennholz für<br />

ihre Privatwohnungen und die Festlegung ihres<br />

Pensionsanspruchs. 31<br />

Die Lehrer erreichten mit ihrem<br />

Bittgesuch wenig: Fürst Alois bestätigte zwar<br />

den Anspruch der Lehrer auf ordentliche Lehrerwohnungen<br />

und eine «gehörige» Besoldung, erklärte<br />

aber, dass dafür die Gemeinden aufkommen<br />

müssten. Die Lehrer sollten weiterhin nur für ihre<br />

Person von den Fronen ausgenommen sein und<br />

das Brennholz um die Bürgertax erhalten. 32<br />

Eine<br />

Stellungnahme zur Forderung nach einer geregelten<br />

Pension wurde vermieden. Menzinger hatte erklärt,<br />

zunächst müsse geklärt werden, «ob die Lehrer<br />

Staatsbeamte, somit pensionsfähig seyen, oder<br />

nicht.» 33<br />

Es drängt sich die Vermutung auf, dass<br />

auf diese Frage absichtlich nicht eingegangen wurde:<br />

Den Lehrern sollte nicht offiziell der Status von<br />

Staatsbeamten zuerkannt werden, damit sie keinen<br />

Anspruch auf eine Pension erhielten. Eine gesetzliche<br />

Festlegung des Pensionsanspruchs wurde<br />

auch im Schulgesetz von 1859 nicht zugestanden.<br />

Wenn die Lehrer aber auch keinen Anspruch auf<br />

eine Pension hatten, so stand es ihnen in Notfällen<br />

doch offen, beim Fürsten ein Gesuch um einen persönlichen<br />

Gnadenbeitrag einzureichen.<br />

Die Ausbildung der Lehrer zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

war mangelhaft. Oft verbrachten sie lediglich<br />

eine Lehrzeit bei anderen Lehrern und<br />

übernahmen dann selbst eine Gemeindeschule. 34<br />

Das Schulgesetz von 1827 bestimmte, dass die Lehrer<br />

mindestens 24 Jahre alt sein und eine Lehrerprüfung<br />

ablegen mussten. Diese Lehrerprüfung<br />

musste entweder in Österreich oder vor einer liechtensteinischen<br />

Prüfungskommission, die aus dem<br />

Landvogt, dem Schuloberaufseher, einem Pfarrer<br />

und einem Lehrer bestand, abgelegt werden. 35<br />

Eine<br />

Lehrerausbildung an einem Seminar war noch


nicht ausdrücklich verlangt. Der Besuch eines Lehrerseminars<br />

dürfte aber bereits in den 1830er Jahren<br />

zur Regel geworden sein. Die meisten Lehrer<br />

wurden in Chur und St. Gallen ausgebildet, einige<br />

auch in Bregenz und Innsbruck. 36<br />

Der Besuch höherer<br />

Schulen im Ausland stellte ein eigentliches<br />

Problem dar. Die Schulen in der Schweiz waren für<br />

Liechtensteiner wesentlich billiger, doch wurden<br />

sie - zunächst nur für Beamte - nicht anerkannt.<br />

Die Hofkanzlei folgte damit dem Beispiel Österreichs,<br />

dass für seine Beamten eine Ausbildung an<br />

österreichischen Schulen verlangte. Die Begründung<br />

der Hofkanzlei lautete, dass Liechtensteiner,<br />

die sich in der Schweiz ausbilden Hessen, auch die<br />

Grundsätze der Schweiz annähmen, «die auf Ordnung<br />

und Folgsamkeit eben nicht hinwirken.» 37<br />

1843 wurde diese Regelung auch auf die Lehrer<br />

ausgedehnt. Eine fürstliche Verordnung bestimmte,<br />

dass von nun an «nur jene als zu einem Schulamte<br />

befähigt anzusehen sind, welche in den deutschen<br />

Bundesstaaten ausgebildet worden sind und dort<br />

genügend Zeugnisse erhalten haben.» 38<br />

Immerhin<br />

standen liechtensteinischen Lehrerkandidaten also<br />

nicht nur österreichische, sondern alle deutschen<br />

Lehrerausbildungsanstalten (in der Praxis vor allem<br />

Bregenz und Saulgau) offen. Diese Verordnung<br />

kann nur als Ausdruck des Bemühens verstanden<br />

werden, demokratisches und republikanisches Gedankengut<br />

von den liechtensteinischen Schulen<br />

fernzuhalten. Sachlich war diese Verordnung nicht<br />

zu rechtfertigen, denn die Ausbildung der Lehrer in<br />

der Schweiz war nach Auskunft von Landvogt Menzinger<br />

besser als in Österreich. 39<br />

Die fachliche Qualifikation bildete nur die eine Seite<br />

der Anforderungen, die an die liechtensteinischen<br />

Lehrer gestellt wurden. Erste und wichtigste<br />

Voraussetzung für einen Lehrer waren die katholische<br />

Religionszugehörigkeit und ein einwandfreier<br />

moralischer Lebenswandel. Bei der Anstellung<br />

wurden Liechtensteiner bevorzugt. Wenn keine<br />

einheimischen Lehrer zur Verfügung standen, wurden<br />

Lehrer aus den süddeutschen Staaten eingestellt,<br />

bei denen die Befürchtungen weniger gross<br />

waren, dass sie die Untertanen demokratisch unterwanderten.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />

Die Funktion der Schule als einer Vermittlerin von<br />

religiösen, sittlichen und apolitischen Verhaltensmustern<br />

wurde durch die Einstellung von katholischen<br />

Lehrschwestern verstärkt. Landvogt Menzinger<br />

stellte 1845 fest, dass die weibliche Jugend keine<br />

Möglichkeit habe, die Fertigkeiten einer guten<br />

Hauswirtin zu erlernen. «Insbesondere gebricht es<br />

an Verfeinerung der Sitten dieser Jugend, Emporhebung<br />

ihres moralischen Gefühls und jener stillen<br />

Thätigkeit, die ihrer künftigen Bestimmung gemäss<br />

das h<strong>äu</strong>sliche Glück ihrer Familie begründen sollen.»<br />

40<br />

Die Anstellung von Schulschwestern wurde<br />

durch eine Privatinitiative gefördert: Theresia<br />

Rheinberger machte zu diesem Zweck eine Stiftung<br />

von 1000 Gulden, und Dr. Grass versprach einen<br />

jährlichen Zuschuss an die Besoldung von 100 Gulden.<br />

Daraufhin wurden 1846 die ersten beiden<br />

26) Tabelle vom 12. August 1834. LLA RC 42/13.<br />

27) Schulgehilfen, die eine zweite Klasse unterrichteten, gab es in<br />

Balzers, Triesen, Triesenberg, Schaan, Mauren. Die Schulschwester<br />

in Vaduz erhielt nur 70 Gulden. Die Lehrer in Nendeln und Planken<br />

wurden wie Schulgehilfen bezahlt. - «Tabellarische Übersicht über<br />

den Bezug der Gehalte der Schullehrer im Fürstenthume Liechtenstein.»<br />

9. Juni 1852. LLA RC 94/1.<br />

28) Schulgesetz vom 8. 2. 1859. - Vgl. auch die Tabelle über den<br />

«Neuen Besoldungsstand», genehmigt von Fürstin Franziska am<br />

31. März 1859. LLA RC 94/1.<br />

29) Anmerkungen auf der Besoldungstabelle vom 9. Juni 1852. LLA<br />

RC 94/1.<br />

30) Menzinger an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />

31) Das Original des Bittgesuches ist in Vaduz nicht auffindbar, sondern<br />

nur der Kommentar von Landvogt Menzinger zu dieser Petition.<br />

OA an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />

32) HKan OA am 23. 12. 1842. LLA RC 73/11.<br />

33) OA an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />

34) Quaderer, S. 167.<br />

35) Schulgesetz von 1827, § 16.<br />

36) Quaderer, S. 166.<br />

37) Menzinger an Fürst am 24. Juni 1834. LLA RC 37/7.<br />

38) Das Original der Verordnung vom 16. September 1843 ist nicht<br />

aufzufinden. Vom Inhalt dieser Verordnung orientierte das OA die<br />

Geistlichkeit durch das Umlaufschreiben vom 19. Oktober 1843. LLA<br />

RC 73/11.<br />

39) Quaderer, S. 167.<br />

40) Menzinger an Fürst am 24. Oktober 1845. LLA RC 85/52.<br />

111


Lehrerinnen vom Orden der barmherzigen Schwestern<br />

aus dem Tirol angestellt. 41<br />

Ihnen oblag die Erziehung<br />

der weiblichen Schuljugend, bei der sie<br />

insbesondere das «typisch Weibliche» fördern sollten.<br />

Die Tätigkeit dieser Schulschwestern wurde<br />

bald als segensreich empfunden und stiess dementsprechend<br />

auf eine mehr oder weniger ungeteilte<br />

Zustimmung. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte<br />

wurden in allen Gemeinden Lehrschwestern eingestellt.<br />

DIE SOZIALEN FOLGEN DER<br />

SCHULREFORMEN<br />

Peter Geiger gelangte in seiner Dissertation zur Ansicht,<br />

dass das Schulwesen in Liechtenstein erst<br />

etwa um 1860 das Niveau der umliegenden Staaten<br />

erreicht habe. 42<br />

Zu einem negativen Urteil über das<br />

Schulwesen war schon Peter Kaiser 1847 gelangt:<br />

«Die Volksbildung und Erziehung war und blieb<br />

der schwächste Theil der Verwaltung.» 43<br />

Die Ursachen<br />

für diese Bildungsmisere lagen tief: In der<br />

liechtensteinischen Bevölkerung bestand bis weit<br />

ins 19. Jahrhundert eine weit verbreitete Bildungsfeindlichkeit,<br />

da der Nutzen der Schulbildung nicht<br />

eingesehen wurde. Die Gemeinden suchten die gesetzlichen<br />

Bestimmungen zu umgehen, da für sie<br />

der Bau von Schulh<strong>äu</strong>sern und der Unterhalt der<br />

Lehrer eine schwere finanzielle Belastung darstellten.<br />

Fast in allen Gemeinden wurden erst in den<br />

1830er oder 1840er Jahren eigentliche Schulh<strong>äu</strong>ser<br />

erbaut. Anlass zu Kritik gaben auch die zu<br />

grossen Schulklassen, die schlechten Lehrmethoden,<br />

die oft nur auf einem mechanischen Auswendiglernen<br />

beruhten, sowie die mangelnde Ausbildung<br />

der Lehrer überhaupt. 44<br />

Ein soziales Problem ersten Ranges stellte die Kinderarbeit<br />

dar, der schulpflichtige Kinder unter 12<br />

Jahren während des Sommers im Ausland nachgingen.<br />

1842 reichten die Lehrer beim Besuch des<br />

Fürsten eine Petition ein, worin sie um ein Verbot<br />

der Schwabengängerei von Schulpflichtigen baten.<br />

Landvogt Menzinger hielt ein solches Verbot für<br />

wenig sinnvoll, wie aus seiner Stellungnahme zu<br />

112<br />

dieser Petition hervorgeht: «Die Auswanderung<br />

schulpflichtiger Kinder unter 12 Jahren entweder<br />

nach Schwaben, oder in benachbarte Fabriken<br />

wurde nur auf Einrathen des Pfarrers und des<br />

Ortsvorstandes solchen Kindern bewilligt, deren<br />

Eltern in so dürftigen Umständen sich befinden,<br />

dass sie ihre Kinder entweder aus Mangel an eigenem<br />

Unterhalte oder Schulden wegen auf Verdienst<br />

wegschicken mussten. Es wird sich auch in Hinkunft<br />

schwer anders thun lassen.» 45<br />

Fürst Alois II.<br />

verbot entgegen dem Antrag Menzingers das Auswandern<br />

von Kindern, 46<br />

doch scheint es zweifelhaft,<br />

ob ein solches Verbot die Kinderarbeit tatsächlich<br />

verhindern konnte.<br />

Inwieweit die Schule in Liechtenstein eine geistige<br />

Mobilisierung bewirkte, lässt sich schwer feststellen.<br />

Offenbar war die Qualität der liechtensteinischen<br />

Schulen mindestens in den ersten Jahrzehnten<br />

des 19. Jahrhunderts so schlecht, dass ein Teil<br />

der Schulabgänger Analphabeten blieben. So<br />

schrieb Landvogt Schuppler 1825 an die Geistlichen,<br />

dass viele ausgeschulte Kinder oft nicht<br />

«einmal lesen, viel seltener schreiben können.» 47<br />

Der grössere Teil der Bevölkerung hatte auch kaum<br />

die Gelegenheit, die einmal erworbenen Lesekenntnisse<br />

im Alltag zu verwenden. Die erste liechtensteinische<br />

Zeitung, die «Liechtensteinische Landeszeitung»,<br />

erschien erst 1863. 48<br />

Ausländische Zeitungen<br />

wurden nur in den «besseren Familien» gelesen.<br />

So schrieb Menzinger 1856 an den Fürsten,<br />

dass bis 1853 «fast in jedem bessern Hause eine<br />

St. Galler oder Bündner Zeitung vorgelegen (habe),<br />

welche nur wenige Gulden gekostet hatte, und zu<br />

ersehen gab, was in der Nachbarschaft verhandelt<br />

wurde.» Durch den Zollvertrag von 1852 seien aber<br />

die Abonnementskosten beträchtlich erhöht worden,<br />

was 1854 zur Abbestellung vieler Schweizer<br />

Zeitungen geführt habe. 49<br />

Bücher waren in Liechtenstein<br />

kaum erhältlich, trotzdem hielten die<br />

fürstlichen Beamten eine Gesinnungskontrolle in<br />

Form einer Zensur für angebracht. Wiederholt<br />

wurde auch in Liechtenstein die Verbreitung jener<br />

Bücher verboten, die von der deutschen Bundesversammlung<br />

und von Österreich verboten wurden.<br />

50<br />

Anfänglich verboten wurde auch die «Ge-


schichte des Fürstentums Liechtenstein» von Peter<br />

Kaiser. Am 18. Dezember 1847 verbot Landvogt<br />

Menzinger den Verkauf dieses Buches und liess alle<br />

Exemplare durch die Polizeimänner einziehen.<br />

Fürst Alois II. entschied dann jedoch, dass das<br />

Buch, obwohl es ein «seichtes Produkt» sei, zum<br />

Verkauf freigegeben werden solle. 51<br />

41) Quaderer, S. 168.<br />

42) Geiger, S. 238.<br />

43) Kaiser, Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein, S. 506.<br />

44) Quaderer, S. 151.<br />

45) Menzinger an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />

46) HK an OA am 23. Dezember 1842. LLA RC 73/11.<br />

47) Circular des OA an die Geistlichkeit vom 12. November 1828.<br />

LLA RB Fasz. S 1; zit. nach Quaderer, S. 145.<br />

48) Die Zeitung erschien von 1863 bis 1868 zweimal monatlich.<br />

Herausgeber war - und das wirft ein bezeichnendes Licht auf das<br />

einheimische Lesebedürfnis - der deutsche Reallehrer Gregor<br />

Fischer. Nach seinem Wegzug aus Liechtenstein ging die Zeitung<br />

wieder ein. Die Regierung meinte damals, dass die Zeitung beim<br />

hiesigen Publikum nicht den nötigen Absatz finden würde. Schädler,<br />

Tätigkeit, JBL 1901, S. 165.<br />

49) RA an Fürst am 12. Juli 1856. LLA RC 86/6.<br />

50) Hier einige Beispiele von verbotenen Büchern-. 1846 wurden die<br />

Werke des literarischen Comptoirs in Zürich und Winterthur verboten.<br />

LLA RC 85/16. 1847 wurden die Werke eines Herisauer Verlages<br />

verboten. LLA RC 97/43. Am 31. 12. 1847 ordnete die Hofkanzlei an,<br />

dass die Verbreitung der «Schmähschrift Kaspar Hasner» verhindert<br />

werden solle, jedoch ohne durch ein öffentliches Verbot die Aufmerksamkeit<br />

darauf zu lenken. LLA RC 97/46. 1859 wurde eine<br />

amerikanische Zeitung verboten, weil sie den verbotenen Roman<br />

«Erzherzog Johann» abdruckte. Dieses Verbot ging von der österreichischen<br />

Postverwaltung aus. LLA RC 85/48.<br />

51) Mitteilung der HK vom 15. Januar 1848. LLA RC 97/46.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />

113


Das Verhältnis<br />

zwischen Staat und Kirche<br />

Die katholische Kirche übte im 19. Jahrhundert im<br />

Fürstentum Liechtenstein nicht nur eine seelsorgerische<br />

Funktion aus, sondern verfügte im ständischen<br />

Landtag, im Schulwesen, im Armenwesen<br />

und in Teilen der Verwaltung über grossen Einfluss.<br />

Nach josephinischem Verständnis waren die<br />

Pfarrer nicht nur Kirchen-, sondern auch Staatsdiener.<br />

Die Kirche prägte sowohl die Sozialisation<br />

der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen als<br />

auch die politische Willensbildung der Erwachsenen.<br />

Ehefähigkeitszeugnis vom<br />

17. November 1848 für<br />

die Brautleute Thomas<br />

Schächle und Carolina<br />

Marxer<br />

«Religionszeugniß<br />

Von mir unterzeichneten<br />

wird hiermit den Brautleuten<br />

Thomas Schächle und<br />

Carolina Marxer von<br />

Eschen das Zeugniss<br />

gegeben: daß sie sich in<br />

dem bestandenen Brautexamen<br />

soweit in der<br />

Religion unterrichtet<br />

bewiesen haben, daß<br />

ihnen Betreffs deßen die<br />

Verehelichung ohne<br />

Anstand gestattet werden<br />

kann.<br />

Zugleich bezeuge ich, daß<br />

mir auch sonßt kein Hinderniß<br />

bekannt sey, und<br />

insbesondere, daß dieselben<br />

ledigen Standes seyn.<br />

Anfüglich stelle ich für die<br />

benannten Brautleute die<br />

Bitte an das Wohllöbliche<br />

114<br />

Regierungsamt um gütige<br />

Dispens von zweien Verkündigungen,<br />

wozu die<br />

Verhütung, daß nicht ein<br />

Gerede über einen von<br />

ihnen gepflogenen unerlaubten<br />

Umgang durch<br />

die mehrmalige Verkündigung<br />

wiederholt angeregt<br />

werde und die h<strong>äu</strong>slichen<br />

Verhältniße des Br<strong>äu</strong>tigams<br />

hinlängliche Beweggründe<br />

geben.<br />

Hochachtungsvollßt<br />

des Wohllöblichen Regierungsamtes<br />

ergebenßter<br />

Ant. Frick, Pfr.<br />

Eschen, den 17. Nov.<br />

1848»<br />

ORGANISATION DER KIRCHE<br />

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten<br />

die 11 politischen Gemeinden 7 Pfarreien, die zum<br />

Bistum Chur gehörten. Diese Pfarreien waren in<br />

keiner selbständigen Organisation zusammengefasst,<br />

sondern unterstanden direkt dem bischöflichen<br />

Ordinariat in Chur. Der Bischof residierte im<br />

Ausland und stand damit, wie es Menzinger 1858<br />

formulierte, ausserhalb der Landesgesetze: «Er ist<br />

in seiner Stellung gleichsam unabhängig, und gelobt<br />

dem Landesfürsten nicht wie die Bischöfe in<br />

Österreich Gehorsam und Treue. Diese Independenz<br />

kennt man in Chur sehr wohl. . Diese vom<br />

Staat unabhängige Stellung erschien den fürstlichen<br />

Beamten zu Beginn des 19. Jahrhunderts,<br />

als die liechtensteinische Kirchenpolitik unter josephinischem<br />

Einfluss stand, als ein schwerer Nachteil.<br />

Wiederholt dachten die Beamten darüber<br />

nach, ob man das Fürstentum nicht vom Bistum<br />

Chur abtrennen und einem österreichischen Bistum<br />

anschliessen sollte. 2<br />

Konkrete Schritte zu einer Trennung vom Bistum<br />

Chur wurden jedoch nie unternommen. Immerhin<br />

verstärkten sich aber seit den 1820er Jahren die<br />

Bemühungen, die liechtensteinischen Geistlichen<br />

wenigstens in einem eigenen Priesterverband zusammenzufassen.<br />

Diese Bemühungen gingen sowohl<br />

von den Geistlichen selbst als auch vom Oberamt<br />

aus. 1828 erreichte Landvogt Pokorny bei einer<br />

Aussprache mit dem Bischof das Versprechen,<br />

für Liechtenstein einen eigenen Dekan aufzustellen.<br />

3<br />

Die Forderung nach einem eigenen Dekan für<br />

Liechtenstein tauchte auch in einem Verfassungsentwurf<br />

von 1848 auf, der von einem gewählten<br />

Verfassungsrat ausgearbeitet wurde. Darin heisst<br />

es, die liechtensteinischen Geistlichen sollten ein<br />

1) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />

107/136.<br />

2) In der Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein von 1784<br />

wurde vorgeschlagen, das Fürstentum dem Bistum Konstanz anzuschliessen.<br />

1825 erwog die HK den Anschluss an das Bistum Brixen.<br />

Quaderer, S. 37.<br />

3) Pokorny an Fürst am 10. Dezember 1828. LLA RC 5/31.


VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERHÄLTNIS STAAT-KIRCHE / PAUL VOGT<br />

115


eigenes Oberhaupt, einen Dekan, wählen, der die<br />

kirchlichen Angelegenheiten im Lande zu überwachen<br />

und die liechtensteinische Priesterschaft in<br />

Chur zu vertreten hätte. 4<br />

Der Bischof kam diesen<br />

Forderungen 1850 durch die Schaffung eines liechtensteinischen<br />

Priesterkapitels entgegen. 5<br />

Die Pfarreien selbst waren von ihrer Organisation<br />

her noch stark im Feudalismus verwurzelt. Wirtschaftlich<br />

waren sie von den Zehnten und Fronen<br />

abhängig. Über die Patronatsrechte, die für die Besetzung<br />

der Pfarrstellen und die Verwaltung der<br />

Kirchenvermögen von grosser Bedeutung waren,<br />

verfügten zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach alter<br />

Tradition die Grundherren des Landes. Der<br />

Landesfürst selbst war lediglich in zwei Pfarreien<br />

Patronatsherr, in den übrigen Pfarreien besassen<br />

ausländische Klöster, das Churer Domkapitel oder<br />

Österreich die Patronatsrechte. Im Laufe des<br />

19. Jahrhunderts gingen die Patronatsrechte grösstenteils<br />

an den Landesfürsten oder an die politischen<br />

Gemeinden über. 6<br />

Da die Pfarrer nicht nur als Kirchen-, sondern auch<br />

als Staatsdiener betrachtet wurden, muss hier auf<br />

die Modalitäten bei der Besetzung der Pfarrstellen<br />

Zusammenstellung vom<br />

30. September 1858 über<br />

die Einkünfte und Patronatsherren<br />

der Pfarreien,<br />

Curatien und Aushilfsbenefizien.<br />

LLA RC 107/136<br />

116<br />

eingegangen werden. 1819 schrieb das Oberamt,<br />

dass der jeweilige Patronatsherr eine frei gewordene<br />

Pfarrstelle ausschreibe und einen Pfarrherrn<br />

auswähle. Der Bischof von Chur besass das Recht<br />

zur Bestätigung. Die Bestätigung des Landesfürsten<br />

müsse dem Gewählten nur erteilt werden, wenn er<br />

Ausländer sei, da Ausländer zunächst in den liechtensteinischen<br />

Untertanenverband aufgenommen<br />

werden mussten, bevor sie ein Amt im Fürstentum<br />

antreten durften. 7<br />

1858 beschrieb Landesverweser<br />

Menzinger die Vergabe der Pfarrstellen etwas anders:<br />

«Die erledigten Benefizien werden Hierlands<br />

sowohl von dem bischöflichen Ordinariate als von<br />

dem Reg(ierungs)Amte ausgeschrieben, und die<br />

Competenten dem Ordinariate namhaft gemacht,<br />

welches dem Patron drei davon vorschlägt. Der von<br />

dem Patron Gewählte wird sofort dem Bischöfe zur<br />

Bestätigung angezeigt. Ist diese erflossen, und<br />

wäre der Bestätigte ein Ausländer, so hat er die Bewilligung<br />

bei S. Durchlaucht zu erwirken, die<br />

Pfrund antreten zu dürfen, weil kein Fremder ohne<br />

Bewilligung des Souverains ein Amt übernehmen<br />

darf.» 8<br />

Es ist nicht klar, ob das bischöfliche Ordinariat<br />

im Laufe des 19. Jahrhunderts seinen Einfluss<br />

Gemeinde Pfarrei oder Einkommen Patronatsherr<br />

Benefizium in Gulden<br />

Balzers Pfarrei 1200 Gemeinde<br />

Frühmess-Benefizium 400 Gemeinde<br />

Triesen Pfarrei 600 Fürst<br />

Cooperatur 400 Bischof von Chur<br />

Triesenberg Pfarrei 600 Fürst<br />

Vaduz Curatie 800 Fürst<br />

Kaplanei 600 Fürst<br />

Schaan Pfarrei 1100 Domkapitel Chur<br />

(mit Planken) Kaplanei 500 Fürst<br />

(Frühmesspfrund)<br />

Eschen/Nendeln Pfarrei 1200 Fürst<br />

Mauren Pfarrei 600 Österr. Religionsfonds<br />

und Stadt Feldkirch<br />

Bendern (mit Gamprin Pfarrei und Vikar 1800 Österr.<br />

und Schellenberg) Domänenfonds<br />

Curatie 600 Fürst


ei der Besetzung der Pfarrstellen ausweiten konnte<br />

(etwa in Zusammenhang mit einem Verzicht der<br />

Grundherren auf die Patronatsrechte) oder ob eine<br />

der beiden Quellen die rechtliche Lage ungenau beschrieb.<br />

Beide Quellen machen aber deutlich, dass<br />

die landesfürstliche Obrigkeit keinen Einfluss auf<br />

die Besetzung der Pfarrstellen nahm, wenn nicht<br />

der Landesfürst Patronatsherr der betreffenden<br />

Pfarrei war. In der Praxis bestimmte das bischöfliche<br />

Ordinariat die Pfarrer, da es bei seinem Dreiervorschlag<br />

dem Patronatsherrn anzeigte, welcher<br />

Pfarrer seiner Ansicht nach der geeignetste war. 9<br />

Die Geistlichen bildeten nicht nur nach der Verfassung<br />

von 1818 einen eigenen Stand, sondern wurden<br />

auch von den Untertanen kraft der Autorität<br />

ihres kirchlichen Amtes als eine herausgehobene<br />

Sozialgruppe empfunden. 1858 schrieb Landesverweser<br />

Menzinger: «Die Bevölkerung ist übrigens<br />

der katholischen Religion mit Treue anhänglich,<br />

achtet und liebt den Priesterstand, wenn er reinen<br />

Wandels ist, seinem Berufe nachkommt, und seine<br />

Achtung nicht vergibt.» 10<br />

Die Einkommen der Pfarrer,<br />

die zum Teil aus den Zinsen der Kirchenkapitalien<br />

und zum Teil aus den Zehnten bestanden, bezeichnete<br />

er «durchschnittlich (als) anständig, mitunter<br />

sehr gut». Auf jeden Fall seien die liechtensteinischen<br />

Benefizien weit besser dotiert als jene<br />

in Graubünden und sollten daher an liechtensteinische<br />

Priester vergeben werden. Die jährlichen Einkünfte<br />

der Pfarrer schätzte er auf 600 bis 1200<br />

Gulden, die Einkünfte der Hilfsgeistlichen auf 400<br />

bis 800 Gulden.»<br />

Diese Zahlen zeigen, dass die Pfarrer ebenso gute<br />

und zum Teil sogar grössere Einkommen erhielten<br />

als die fürstlichen Beamten. Die guten Einkommen<br />

der Geistlichen waren jedoch nur so lange gesichert,<br />

wie die Zehnten nicht abgelöst wurden.<br />

Von grosser Bedeutung für die unabhängige Stellung<br />

der Kirche war der Umstand, dass die Kirche<br />

jede staatliche Einmischung in die Verwaltung der<br />

Kirchenvermögen verhindern konnte. 1808 und<br />

1824 ordnete die Hofkanzlei nach österreichischem<br />

Vorbild an, dass alle Kirchenvermögen der Oberaufsicht<br />

des Staates unterstellt und die Kirchen­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />

rechnungen dem Oberamte jährlich zur Revision<br />

vorgelegt werden sollten. 12<br />

Wären diese Verordnungen<br />

durchgeführt worden, hätte daraus eine<br />

tatsächliche Kontrolle der Kirche durch den Staat<br />

resultieren können. Landvogt Schuppler legte 1824<br />

der Hofkanzlei die Gründe dar, warum das Oberamt<br />

auf eine solche Kontrolle verzichtete: Er befürchtete,<br />

dass dadurch ein Präjudiz geschaffen<br />

werden könnte, vom Landesherrn höhere Beiträge<br />

bei Kirchenbauten zu verlangen. 13<br />

Er schlug vor,<br />

4) Geiger, S. 116; Wille, S. 48.<br />

5) J.G. Marxer, Das liechtensteinische Priesterkapitel, S. 61 ff.<br />

6) Die Patronatsrechte der Pfarrei Balzers gehörten bis 1824 den<br />

Erzherzogen von Österreich, später der Gemeinde Balzers. In Triesenberg,<br />

das seit 1768 eine eigene Pfarrei bildet, und in Triesen war<br />

der Landesfürst Patronatsherr, in Schaan das Churer Domkapitel, in<br />

Mauren die Stadt Feldkirch, in Eschen verfügte bis 1838 das Kloster<br />

Pfäfers über die Patronatsrechte, nach dessen Aufhebung durch den<br />

Kanton St. Gallen gingen diese Recht an den Fürsten über. In Bendern<br />

war bis 1801 das Kloster St. Luzi Patronatsherr, von 1804 bis<br />

1806 Österreich, von 1806 bis 1814 Bayern, von 1814 bis 1876 der<br />

k. k. österreichische Domänenfonds. Vaduz wurde 1842 eine Kuratie<br />

unter dem Patronat des Landesfürsten, 1873 wurde es zu einer eigenen<br />

Pfarrei. Ruggell wurde 1854 ebenfalls eine Kuratie unter dem<br />

Patronat des Landesfürsten und 1873 eine eigene Pfarrei. 1873<br />

wurde auch Schellenberg eine eigene Pfarrei. Damit war jede politische<br />

Gemeinde mit Ausnahme der kleinen Berggemeinde Planken<br />

eine eigene Pfarrei. Quellen: Quaderer, S. 123; J.G. Marxer, Das<br />

liechtensteinische Priesterkapitel, S. 64 ff; Bericht Menzingers an<br />

Ignaz Wenzel vom 30. September 1858. LLA RC 107/136.<br />

7) J. B. Büchel, Geschichte der Benderer Pfarrei, S. 96.<br />

8) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />

107/136.<br />

9) Vgl. dazu die Arbeiten von J. B. Büchel über die Geschichte der<br />

liechtensteinischen Pfarreien, insbesondere Bendern, S. 99 ff. -<br />

Schwierigkeiten bei der Besetzung der Pfarrstellen ergaben sich nur<br />

dort, wo Österreich die Patronatsrechte besass und vorarlbergische<br />

Priester einzusetzen suchte. J.B. Büchel, Bendern, S. 88 und Mauren,<br />

S. 100.<br />

10) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />

107/136.<br />

11) ebda. - Tabelle S. 116.<br />

12) Dienstinstruktion von 1808, Art. 10. LLA. RB Gl. Am 6. April<br />

1824 befahl die HK gar, dass die Kirchenrechnungen durch die<br />

Buchhaltung in Butschowitz revidiert werden sollten. LLA RB Fasz.<br />

B 2.<br />

13) Schuppler erwähnte vor allem Mauren, wo ein Kirchenneubau<br />

bevorstand, Österreich als Patronatsherr aber nicht für die Kosten<br />

aufkommen wollte. OA an HK am 19. Juni 1824. LLA RB Fasz. B 2.<br />

117


die Kirchenrechnungen nur dort zu kontrollieren,<br />

wo der Fürst Patronatsherr war - rechtlich beruhte<br />

also diese Kontrolle nicht auf der staatlich beanspruchten<br />

Kirchenhoheit, sondern auf dem Recht<br />

des Fürsten als Patronatsherr. Die Antwort der<br />

Hofkanzlei auf diesen Vorschlag ist nicht bekannt,<br />

doch wurden auch nach 1824 nur die Rechnungen<br />

jener Kirchen amtlich revidiert, bei denen der<br />

Fürst Patronatsherr war. 14<br />

Die Auflösung der ständischen Gesellschaftsordnung<br />

stellte auch die Kirche vor grundsätzliche<br />

Probleme. Wie bei der Staatsverwaltung fand bei<br />

der Kirchenverwaltung eine Neuverteilung von<br />

Rechten und Pflichten statt. Die Geistlichen wehrten<br />

sich gegen die Aufhebung der Zehnten. Auf ihre<br />

Opposition war es zurückzuführen, dass erst 1864<br />

ein Zehntablösungsgesetz beschlossen werden<br />

konnte, obwohl die Untertanen schon lange auf<br />

eine Ablösung drängten und auch der Landesfürst<br />

schon 1848 seine grundsätzliche Bereitschaft dazu<br />

erklärt hatte. 15<br />

Eine Auflösung von alten Bindungen ist aber auch<br />

darin zu sehen, dass die Patronatsrechte von den<br />

Grundherren an den Landesfürst oder an die Gemeinden<br />

übergingen. Neben der Aufhebung der<br />

ausländischen Klöster, die diese Rechte und Pflichten<br />

bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Liechtenstein<br />

innegehabt hatten, führte vor allem die Kirchenbaupflicht<br />

der Patronatsherren dazu, dass sie<br />

diese Aufgabe los werden wollten. Der starke Bevölkerungsanstieg<br />

und die oft baufälligen Kirchen<br />

Hessen in verschiedenen Pfarreien den Bau von<br />

neuen und grösseren Kirchen als dringlich erscheinen.<br />

Diese Kirchenbauten kamen regelmässig erst<br />

dann zustande, wenn sich die Pfarrer jahrelang<br />

über den untragbaren Zustand ihrer Kirche beklagt<br />

hatten. Die Finanzierung der Kirchenbauten führte<br />

regelmässig zu Konflikten, obwohl die Gemeindeangehörigen<br />

- manchmal unter Zwang 16<br />

- den<br />

grössten Teil der Arbeiten als Fronarbeiten leisten<br />

mussten. 17<br />

118<br />

DIE STAATLICHE KIRCHENPOLITIK<br />

Die liechtensteinische Kirchenpolitik im frühen<br />

19. Jahrhundert stand zunächst unter dem Einfluss<br />

des österreichischen Vorbildes. In Österreich war<br />

die Kirchenpolitik - wenn auch in zunehmend geringerem<br />

Masse - bis 1848 von josephinischen<br />

Grundsätzen geprägt, wonach die Kirche (im Sinne<br />

des alten Polizeibegriffs) eine Polizeianstalt darstellte<br />

und die Geistlichen nicht nur Kirchen-, sondern<br />

auch Staatsdiener waren. 18<br />

Die Verwaltung<br />

der Kirchenvermögen stand unter Staatsaufsicht.<br />

Den Bischöfen war der direkte Verkehr mit dem<br />

Papst verboten. Viele Bruderschaften, Klöster und<br />

kirchliche Wohltätigkeitsanstalten wurden aufgehoben<br />

und deren Vermögen in staatliche Wohltätigkeitsanstalten<br />

umgewandelt. Aufgeklärte Obrigkeiten<br />

führten seit dem 18. Jahrhundert einen ständigen<br />

Kampf gegen Aberglauben und religiöse Br<strong>äu</strong>che,<br />

gegen Gespenster, Hexen, Wunder, Wallfahrten<br />

und Reliquienkulte. 19<br />

Durch das Toleranzpatent<br />

von 1781 wurde die Stellung der nichtkatholischen<br />

Konfessionen bedeutend verbessert und der Konfessionswechsel<br />

für Einzelpersonen ermöglicht.<br />

Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch von 1811<br />

stand in einigen Punkten im Gegensatz zum kanonischen<br />

Recht, insbesondere bezüglich der Ehescheidung<br />

und der Ehehindernisse. Obwohl in der<br />

ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prinzipiell an<br />

dieser Kirchenpolitik festgehalten wurde, betrachtete<br />

man die katholische Kirche seit der «Heiligen<br />

Allianz» von 1815 aber wieder vermehrt als staatserhaltenden<br />

Faktor und legte auf kirchliche Akzeptanz<br />

grossen Wert. 20<br />

Nach österreichischem Vorbild beanspruchte auch<br />

Fürst Johann I. die Kirchenhoheit, was im Fürstentum<br />

zu Spannungen zwischen Staat und Kirche<br />

führte. Zweifellos wäre es falsch, den fürstlichen<br />

Beamten irgendwelche religionsfeindliche Tendenzen<br />

zu unterstellen, sie verstanden sich selbst vielmehr<br />

als aufgeklärte Verfechter der wahren Grundsätze<br />

der Religion. Landvogt Schuppler warf 1815<br />

dem liechtensteinischen Klerus vor, dass er das<br />

Volk in seinen zahlreichen abergl<strong>äu</strong>bischen Vorstellungen<br />

bestärke und nicht zur Vernunft mahne:


«Die wohlthätige Einwirkung der Religion auf die<br />

Aufklärung des Verstandes und Veredlung des Herzens<br />

wird gänzlich vermisst.» 21<br />

Aus dieser Haltung<br />

heraus suchte das Oberamt die immense Zahl der<br />

Feiertage einzuschränken und zahlreiche Prozessionen<br />

und Wallfahrten zu verbieten. 22<br />

Die verschiedenen<br />

religiösen Bruderschaften - mit Ausnahme<br />

von Mauren bestand in jeder Pfarrei mindestens<br />

eine solche Bruderschaft 23<br />

- wurden zwar<br />

nicht wie in Österreich aufgehoben, soweit sie aber<br />

über grosse Vermögen verfügten, sollten diese für<br />

Wohltätigkeitszwecke verwendet werden. 24<br />

In der<br />

Ausübung ihrer religiösen Funktion, der Verehrung<br />

bestimmter Heiliger und der Ausübung religiöser<br />

Br<strong>äu</strong>che, wurden diese alten Gemeinschaften jedoch<br />

nicht eingeschränkt.<br />

Grundsätzliche Differenzen zwischen Staat und<br />

Kirche traten vor allem dort auf, wo das in Liechtenstein<br />

eingeführte österreichische allgemeine<br />

bürgerliche Gesetzbuch vom kanonischen Recht<br />

abwich. Die katholische Kirche ging davon aus,<br />

dass das kanonische Recht auf göttlichem Gebot<br />

beruhte, für alle Gl<strong>äu</strong>bigen zeitlos gültig und<br />

prinzipiell unveränderbar war. Unterschiedliche<br />

Rechtsauffassungen ergaben sich vor allem im<br />

Eherecht und bei Taufen. Schwierigkeiten bei Taufen<br />

traten bei jenen Kindern auf, deren umherziehende<br />

Eltern keine Heimatsausweise besassen. Der<br />

Bischof von Chur stellte sich auf den Standpunkt,<br />

dass die Spende des heiligen Sakramentes der Taufe<br />

ein göttliches Gebot war und niemandem verweigert<br />

werden durfte. Dem hielt Schuppler in einer<br />

«staatsrechtlichen Gegenerklärung» entgegen,<br />

dass nach dem abGB Kinder am Wohnort ihrer Eltern<br />

getauft werden müssten. Alle Regierungen<br />

Deutschlands und der Schweiz hätten den Grundsatz<br />

angenommen, «lediges verdächtiges Gesindel<br />

dorthin zu schieben, wo es getauft; und verheirathetes<br />

dorthin, wo es copuliert worden.» In Liechtenstein<br />

müssten ohnehin schon viele Fremde geduldet<br />

werden, bloss weil sie hier getauft worden<br />

seien. 25<br />

Die Lösung des Problems, mit der schliesslich<br />

beide Seiten einverstanden waren, bestand<br />

darin, dass die Kinder zwar getauft werden durften,<br />

«die Herren Seelsorger (aber) über eine solche<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />

Taufe nur eine geheime mit dem ordentlichen Taufbuche<br />

in keiner Verbindung stehende Vermerkung<br />

führen; und sie auf keine Weise beurkunden» durften.<br />

26<br />

Die Hauptschwierigkeiten zwischen Staat und Kirche<br />

ergaben sich aus dem Eherecht, da das bischöfliche<br />

Ordinariat die eherechtlichen Bestimmungen<br />

des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches<br />

nie anerkannte. Nach dem abGB kam eine<br />

Ehe einem bürgerlichen Vertrag gleich, konnte also<br />

auch wieder geschieden werden. Nach kirchlichem<br />

Recht wurden durch die Ehe zwei Menschen un-<br />

14) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />

107/136.<br />

15) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 136; Geiger, S. 323.<br />

16) J.B. Büchel schrieb zum Kirchenbau von 1844 in Mauren:<br />

«Weitaus die meisten Bürger übernahmen diese Frondienste willig;<br />

einige wurden wegen Renitenz in Vaduz eingesperrt.» J.B. Büchel,<br />

Mauren. In: JBL 1916. S. 16.<br />

17) In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden neue<br />

Pfarrkirchen in Balzers, Triesen und Mauren. Die Pfarrkirchen in<br />

Bendern und Eschen mussten umfassend renoviert werden. Der Bau<br />

einer Kirche in Schaan wurde jahrzehntelang hinausgeschoben. Die<br />

Auseinandersetzungen um diese Kirchenbauten hatten stets die gleiche<br />

Ursache: Die Patronatsherren wollten ihren Pflichten nicht nachkommen.<br />

Vgl. dazu die betreffenden Pfarreigeschichten von J.B. Büchel.<br />

18) Otto Brunner, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />

S. 69.<br />

19) ebda. S. 70; besonders ausführlich Beidtel, Staatsverwaltung,<br />

Bd. 1, S. 46 ff.<br />

20) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />

S. 341.<br />

21) Schuppler, Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein, JBL<br />

1975, S. 244.<br />

22) Malin, S. 66 ff.<br />

23) Es bestanden folgende Bruderschaften: in Balzers die Mariahilf-<br />

Bruderschaft, in Triesen die Bruderschaften des Rosenkranzes und<br />

des Kirchenpatrons Gallus, in Triesenberg die St. Josephi-Bruderschaft,<br />

in Schaan und Bendern bestanden Rosenkranzbruderschaften,<br />

in Eschen die Bruderschaft des hl. Sebastian. Als «reiche» Bruderschaften<br />

galten die Duxer Kapelle und die St. Annabruderschaft<br />

in Vaduz. Schuppler an HK am 28. Juli 1812. LLA RC 25/21.<br />

24) Dienstinstruktion von 1808, Art. 8 und 9. - Vgl. Kapitel 8.3.<br />

25) Schuppler an den Bischof 13. Februar 1823. LLA RB Fasz. F 3.<br />

26) Circular des OA an die liechtensteinische Geistlichkeit vom<br />

21. 2. 1823. LLA RB Fasz. F 3.<br />

119


auflösbar miteinander verbunden, nur der Tod<br />

konnte sie scheiden. Das kirchliche Recht enthielt<br />

auch in der Frage der Ehehindernisse vom abGB<br />

abweichende Bestimmungen. Nach dem abGB<br />

durften Brautleute näher verwandt sein als nach<br />

dem kanonischen Recht.<br />

Das bischöfliche Ordinariat und der liechtensteinische<br />

Klerus suchten auch gemischte Ehen zu verhindern.<br />

1858 schrieb Landesverweser Menzinger:<br />

«Es bestehen kaum drei Ehen, in welchen die Gattin<br />

der protestantischen Lehre huldigen, aber<br />

selbst diese Frauen leben im Auslande. Gemischte<br />

Ehen werden nur sehr schwer zugelassen, und nur<br />

nach ordinariatischer Genehmigung gegen den gewöhnlichen<br />

Revers die Kinder beiderlei Geschlechts<br />

in der katholischen Religion erziehen zu<br />

lassen.» 27<br />

Unabhängig von den Bestimmungen des abGB bestanden<br />

in Liechtenstein Ehevorschriften, die die<br />

Individuen an die alte Ordnung banden. Die Gemeinden<br />

verlangten, dass jeder Gemeindebürger,<br />

der eine Nichtbürgerin heiratete, diese in den Gemeinde-<br />

und Alpgenossenschaftsverband einkaufen<br />

musste. Das Oberamt erliess 1804 eine Verordnung<br />

über einen «politischen Ehekonsens», wonach<br />

jeder Heiratswillige eine amtliche Heiratsbewilligung<br />

einholen musste. 28<br />

Um diese zu erhalten,<br />

musste er nachweisen, dass er eine Familie ernähren<br />

konnte, was praktisch so gehandhabt wurde,<br />

dass er im Besitz von Haus und Boden sein musste.<br />

Ziel dieser Bestimmungen war es, die Vermehrung<br />

der armen Leute zu verhindern. 1842 wurde diese<br />

Verordnung insofern aufgelockert, als der Besitz eines<br />

Hauses für die Erteilung der Ehebewilligung<br />

nicht mehr nötig war. Die Fähigkeit, eine Familie<br />

ernähren zu können, musste jedoch weiterhin<br />

nachgewiesen werden. 29<br />

Der politische Ehekonsens<br />

entsprach im übrigen durchaus den Interessen der<br />

wohlhabenderen Bevölkerungsschicht, die von einer<br />

unkontrollierten Vermehrung der Armen eine<br />

Verarmung der Gesamtbevölkerung befürchtete.<br />

Noch 1875 verhinderte der Landtag eine ersatzlose<br />

Aufhebung des Ehekonsenses. 30<br />

Die ärmere<br />

Schicht der Bevölkerung suchte den Ehekonsens<br />

dadurch zu umgehen, dass sie sich nach kanoni­<br />

120<br />

schem Recht im Ausland trauen Hessen oder dass<br />

sie im Konkubinat zusammenlebten. Gegen Ehen,<br />

die das «liederliche Gesindel» im Ausland schlössen,<br />

ging das Oberamt immer schärfer vor. 1841<br />

erschien eine Verordnung, die bestimmte, dass solche<br />

Ehen «in staatsrechtlicher Hinsicht als völlig<br />

ungültig» angesehen wurden und «erforderlichen<br />

Falls von Obrigkeitswegen getrennt» werden mussten.<br />

31<br />

Von der Kirche und den liechtensteinischen Untertanen<br />

wurde eine Heirat grundsätzlich nicht als zivilrechtlicher,<br />

sondern als kirchlicher Akt eingestuft.<br />

Voraussetzung für die kirchliche Trauung war<br />

ein kirchliches Ehezeugnis, in dem der Ortspfarrer<br />

den Brautleuten bestätigte, dass sie «dem Unterricht<br />

(d.h. der Sonntagsschule, der Verf.) Reissig<br />

beigewohnet, und sich die nothwendigsten Kenntnisse<br />

beygelegt, auch sich bis nun ordentlich, und<br />

christlich betragen haben.» 32<br />

Dass jedes Brautpaar<br />

ein kirchliches Ehezeugnis erhalten musste, wurde<br />

von der staatlichen Behörde nicht bestritten. In einem<br />

Schreiben an den Bischof von Chur erklärte<br />

Schuppler, dass er in diese schon früher der Geistlichkeit<br />

zugestandene Befugnis nicht eingreifen<br />

wolle, wenn vorher jeweils auch die Heiratsbewilligung<br />

der weltlichen Behörde eingeholt werde, obwohl<br />

die Erteilung von Ehebewilligungen in den<br />

meisten Staaten nur eine Angelegenheit der weltlichen<br />

Behörde sei. 33<br />

Die unterschiedlichen Gesetzesbestimmungen zwischen<br />

dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch<br />

und dem kanonischen Recht führten bis etwa 1828<br />

wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen<br />

dem Oberamt in Vaduz und dem bischöflichen Ordinariat<br />

in Chur. 34<br />

Als Pokorny 1827 als Landvogt<br />

nach Vaduz versetzt wurde, bemühte er sich, das<br />

Verhältnis zwischen Staat und Kirche eindeutig zu<br />

regeln. Nach seiner Ansicht war das österreichische<br />

Kirchenrecht auch im Fürstentum Liechtenstein<br />

anzuwenden. Insbesondere sollten auch alle<br />

Ehen, die ohne amtliche Genehmigung nach kanonischem<br />

Recht in Rom geschlossen wurden, für ungültig<br />

erklärt werden und nicht, wie es unter Landvogt<br />

Schuppler üblich war, nachträglich anerkannt<br />

werden. Von der Hofkanzlei und vom Fürsten er-


wartete er klare Anweisungen, wie er sich gegenüber<br />

den Geistlichen zu verhalten habe. 35<br />

Die Antwort der Hofkanzlei macht deutlich, dass<br />

Fürst Johann I. grundsätzlich bereit war, von den<br />

josephinischen Grundsätzen in der Kirchenpolitik<br />

abzugehen. Sie erklärte, Fürst Johann I. habe in<br />

dieser Angelegenheit persönlich entschieden, dass<br />

sie «noch durch ein Jahr zu pausieren» habe, woraus<br />

die Hofkanzlei schloss: «Das fürstliche Oberamt<br />

muss sich daher in diesem Betreffe vor der<br />

Hand als nicht speziell instruiert ansehen.» Erbprinz<br />

Alois habe vorgeschlagen, «dass es gut seyn<br />

möchte, wenn der fürstliche Landvogt einmal<br />

selbst nach Chur fahren und dort bei dem Herrn<br />

Bischof mündlich den Versuch machen würde, ob<br />

es nicht möglich wäre, über alle mit der römischen<br />

Curie strittigen Punkte eine gütliche Vereinigung<br />

oder Concordat, wie man es immer nennen will, zu<br />

Stande zu bringen.» 36<br />

Landvogt Pokorny reiste darauf<br />

nach Chur. Über das Ergebnis seiner Unterredung<br />

mit dem Bischof berichtete er der Hofkanzlei,<br />

der Bischof wolle die im Fürstentum geltenden<br />

österreichischen Gesetze «nur in so weit anerkennen,<br />

als sie den kirchlichen Schriften, den früher<br />

immer geübten bischöflichen Rechten und sonstigen<br />

Übungen nicht entgegen laufen.» Das nach<br />

österreichischen Grundsätzen modifizierte Kirchenund<br />

Eherecht verwerfe er ganz. 37<br />

Unter Fürst Alois II. und Landvogt Michael Menzinger<br />

wurden die Differenzen zwischen Staat und<br />

Kirche schliesslich dadurch beseitigt, dass die<br />

kirchlichen Rechte stillschweigend akzeptiert wurden.<br />

Fürst Alois II. bemühte sich stets um ein gutes<br />

Verhältnis zur Kirche. Anlässlich seines ersten Besuches<br />

im Fürstentum im Jahre 1842 stattete er<br />

auch dem Bischof in Chur einen Besuch ab. Fürst<br />

Alois II. begann auch, sich direkt mit dem Bischof<br />

zu verständigen und nicht mehr auf dem Weg über<br />

das Oberamt in Vaduz. 38<br />

Dass Fürst Alois II. eine<br />

gütliche Verständigung mit dem Bischof anstrebte,<br />

zeigte er in einem persönlichen Schreiben, in dem<br />

er Bischof Caspar de Carl zu seiner Ernennung beglückwünschte.<br />

Alois II. bedankte sich für die ge­<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />

neigte Gesinnung des Bischofs und drückte für den<br />

Fall, dass die Interessen beider Seiten bei der Wahrung<br />

ihrer Rechte aufeinanderprallen sollten, die<br />

Hoffnung aus, dass «Worte des Vertrauens verhindern<br />

werden, dass unserm redlichen Zusammenwirken<br />

für das Gute Eintrag gethan werde.» 39<br />

Die Abwendung von den josephinischen Grundsätzen<br />

in der Kirchenpolitik drückte sich auch darin<br />

aus, dass sich Landvogt Menzinger auf den Standpunkt<br />

stellte, das österreichische Kirchenrecht sei<br />

nie «förmlich» in Liechtenstein eingeführt worden.<br />

Aus seiner Sicht war daher das kanonische Recht<br />

nach wie vor gültig. 40<br />

In der Frage der Ehehindernisse<br />

ging man nach kanonischem Recht vor; Ehescheidungen<br />

waren zwar auf Grund des abGB weiterhin<br />

möglich, wurden aber von der Kirche nicht<br />

anerkannt. 41<br />

Peter Kaiser kommentierte 1843 das<br />

27) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />

107/136.<br />

28) Verordnung betr. polit. Ehekonsens vom 14. 10. 1804. Abgedruckt<br />

bei Alois Ospelt, Anhang, S. 70.<br />

29) Verordnung betr. Erteilung von Verehelichungslizenzen vom<br />

12. November 1842. Gedruckt bei Alois Ospelt, Anhang, S. 70.<br />

30) Schädler, Tätigkeit, JBL 1903, S. 20.<br />

31) Verordnung betr. Erteiligung von Verehelichungslizenzen vom<br />

15. Juli 1841. Abgedruckt bei Alois Ospelt, Anhang, S. 79.<br />

32) Oberamtsverordnung vom 10. 2. 1810. LLA RC 86/41.<br />

33) Schuppler an den Bischof von Chur am 2. Mai 1811. LLA RB<br />

Fasz. G 1.<br />

34) Vgl. Malin, S. 61 und Quaderer, S. 123 ff.<br />

35) OA an Fürst am 12. 2. 1828. LLA RC 5/31.<br />

36) HK an OA am 7. April 1828. LLA RC 5/31. - In Österreich wurde<br />

das Verhältnis zwischen Staat und Kirche erst 1855 durch ein Konkordat<br />

geregelt, wobei der Staat der katholischen Kirche weitgehende<br />

Rechte einr<strong>äu</strong>mte. In Liechtenstein fanden 1858 ebenfalls<br />

Vorarbeiten zu einem Konkordat statt, doch wurde dieses nie abgeschlossen.<br />

37) Pokorny an Fürst am 10. Dezember 1828. LLA RC 5/31.<br />

38) Wille, S. 46.<br />

39) Fürst Alois II. an Bischof Caspar de Carl am 4. Februar 1844.<br />

LLA RC 78/23.<br />

40) Menzinger an Fürst am 24. November 1846. LLA NS.<br />

41) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />

107/136.<br />

121


neue Verhältnis zwischen Staat und Kirche mit<br />

der Bemerkung, dass «dermals die Fürsten den<br />

Schwarzen gewaltig unterthänig» seien. 42<br />

DIE KIRCHE ALS STAATSERHALTENDER<br />

FAKTOR<br />

Die Geistlichen übten seit alters her in den Gemeinden<br />

öffentliche Funktionen aus, die sie auch im<br />

19. Jahrhundert beibehielten: Sie beaufsichtigten<br />

die Gemeindeschulen und das Gemeindearmenwesen<br />

und führten - seit Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

auch in staatlichem Auftrag - die Tauf-, Heiratsund<br />

Sterbebücher. 43<br />

Die Gemeindepfarrer wurden<br />

vom Oberamt auch mit der Durchführung der<br />

Volkszählung von 1818 beauftragt. In Einzelfällen<br />

wies Landvogt Schuppler die Pfarrer an, amtliche<br />

Verordnungen von der Kanzel kundzumachen -<br />

diese Art der öffentlichen Kundmachungen wurde<br />

aber nie zur Regel. Wie die Gemeindevorsteher erhielten<br />

alle Pfarrer die öffentlichen Kundmachungen,<br />

die sie aufbewahren sollten.<br />

Wie in den Gemeinden nahmen die Geistlichen<br />

auch im Staat eine besondere Stellung ein. Sie bildeten<br />

den «ersten Stand» und konnten drei Vertreter<br />

in den Landtag entsenden. Da mehrere führende<br />

Landtagsabgeordnete Geistliche waren,<br />

konnte die Kirche ihren politischen Einfluss nicht<br />

nur behaupten, sondern im Laufe des 19. Jahrhunderts<br />

sogar noch ausbauen.<br />

Die traditionellen religiösen Bindungen und Glaubensvorstellungen<br />

waren für die Herrschaftssicherung<br />

von grosser Bedeutung. Der liechtensteinische<br />

Partikularismus, der dem Fürstentum in wirtschaftlicher<br />

Hinsicht schwerwiegende Nachteile<br />

brachte, konnte nicht vernunftmässig begründet<br />

werden, sondern nur durch den Glauben an die<br />

Tradition und das Gottesgnadentum. Religiös fundierte<br />

Bindungen stellten etwa die verschiedenen<br />

Treueide bei Beamtenvereidigungen, bei der Erbhuldigung<br />

oder bei der Aufnahme von Hintersassen<br />

in den Untertanenverband dar. Die weltliche<br />

Obrigkeit konnte sich von den religiösen Anschauungen<br />

der Untertanen nicht lösen, ohne sich damit<br />

122<br />

selbst in Frage zu stellen. Wenn der Fürst als Souverän<br />

die Kirchenhoheit beanspruchte, so geschah<br />

dies allein, um seine Rechte zu betonen, Aufsicht<br />

über die katholische Kirche konnte er nicht ausüben,<br />

solange die Normen dieser Institution als<br />

gottgewollt und unverändbar erschienen. Die grundsätzliche<br />

Übereinstimmung zwischen weltlicher<br />

und geistlicher Obrigkeit kam darin zum Ausdruck,<br />

dass bis zur beginnenden Industrialisierung alle<br />

Nichtkatholiken prinzipiell vom liechtensteinischen<br />

Staatsgebiet ferngehalten wurden. Zu der öffentlich<br />

bekanntgemachten Verordnung von 1843 über die<br />

Aufnahme von Ausländern in den liechtensteinischen<br />

Untertanenverband 44<br />

erschien eine geheime<br />

«Separativ-Instruktion», die sich «im Ergebnis ausdrücklich<br />

gegen die Zulassung benachbarter andersgl<strong>äu</strong>biger<br />

Schweizer» 45<br />

richtete. Bezeichnend<br />

für die Stellung der Kirche ist der Umstand, dass<br />

die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht einmal<br />

in die verschiedenen Verfassungsentwürfe von<br />

1848 aufgenommen wurde, während alle anderen<br />

Grundrechte nach dem Vorbild der andern deutschen<br />

Staaten gefordert wurden. 46<br />

Da die staatliche Gewalt zur Aufrechterhaltung der<br />

Sitten und Ordnung in den Gemeinden nicht ausreichte,<br />

kam der Kirche in diesem Bereich eine<br />

wichtige Rolle zu. Dass die staatlichen Ordnungsvorstellungen<br />

mit der katholischen Sittenlehre<br />

weitgehend identisch waren, geht etwa aus folgendem<br />

Circular des Oberamtes an die Geistlichkeit<br />

hervor: «Das Amt hat sich leider sattsam überzeugt,<br />

dass unter der mannbaren ledigen Jugend<br />

dieses Fürstenthums die Unzucht und das Sittenverderbniss<br />

so über Hand genommen hat, dass selten<br />

Brautleute zu einander kommen, die nicht<br />

schon früher sträflichen fleischlichen Umgang miteinander<br />

gepflogen und sich dergestalten verfehlt<br />

haben, dass sie vor der Ehe bereits schwanger geworden<br />

ist.» Die Geistlichen sollten der Jugend vermehrt<br />

ins Gewissen reden, das Oberamt wollte<br />

schwangeren Frauen keine politische Heiratsbewilligung<br />

mehr erteilen. 47<br />

Herbert Wille stellt in seiner Arbeit über das Verhältnis<br />

von Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein<br />

fest, dass der Staat zahlreiche Aufgaben


der Kirche übertrug. Der Staat «erblickte in der Religion<br />

und christlichen Sittenlehre das sicherste<br />

Fundament der staatlichen Ordnung und stellte<br />

deshalb die Kirche als der autoritativen Vermittlerin<br />

dieser sittlichen Prinzipien unter seinen Schutz.<br />

Sie ist als Erziehungsanstalt des Staates beauftragt<br />

mit der Heranbildung guter Untertanen.» 48<br />

42) Peter Kaiser in seinem Exposee über die liechtensteinischen<br />

Staatsregalien vom 30. November 1843. LLA Peter Kaiser-Akten. -<br />

Vgl. auch Quaderer, S. 131.<br />

43) Dass die Geistlichen explizit in staatlichem Auftrag handelten,<br />

geht daraus hervor, dass Landvogt Pokorny den Ortspfarrern Anweisungen<br />

gab, wie sie die Register zu führen hatten. Er forderte die<br />

Geistlichen zu vermehrter Ordnung auf, weil ihre Register die Privatrechte<br />

der Untertanen bestimmten. Circular des OA an die Geistlichen<br />

von 1828. LLA RC 4/14. Die Taufregister galten zugleich als<br />

Geburtsregister.<br />

44) Verordnung vom 15. 1. 1843. - Abgedruckt bei Alois Ospelt,<br />

Anhang, S. 94 ff.<br />

45) Wille, S. 43.<br />

46) ebda. S. 88.<br />

47) Circulare vom 31. Oktober 1812. LLA RB Fasz. P.<br />

48) Wille, S. 45.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />

123


Zusammenfassung<br />

Das Hauptinteresse dieser Arbeit galt der Frage,<br />

wo und wie die staatliche Verwaltung «modernisiert»<br />

wurde: Wie wurde die Verwaltung organisatorisch<br />

erneuert? Wo versuchte die Obrigkeit, Impulse<br />

für eine Modernisierung zu geben und die<br />

Einbindung der Individuen in die nach altem Herkommen<br />

und ständischem Recht geordneten Lebensgemeinschaften<br />

zu lösen, wo hielt sie diese<br />

Bindungen aufrecht?<br />

Der bedeutendste Schritt auf dem Weg zu einem<br />

«modernen Staat» bestand zweifellos darin, dass<br />

das Fürstentum 1806 die formelle Souveränität erlangte.<br />

Dieser Schritt erfolgte im Rahmen des Zusammenbruchs<br />

der alten politischen Ordnung in<br />

Europa und konnte vom Fürstentum nicht beeinflusst<br />

werden. Die Souveränität bildete den Ausgangspunkt<br />

für eine Neuverteilung der Rechte und<br />

Pflichten zwischen Volk und Fürsten: Souverän,<br />

dem alle Hoheitsrechte zustanden, war der Fürst.<br />

Alle staatliche Macht ging von ihm aus, die landschaftliche<br />

Selbstverwaltung wurde beseitigt. Die<br />

Kosten der obrigkeitlichen Verwaltung, insbesondere<br />

die Besoldungen der fürstlichen Beamten,<br />

wurden nun als Staatsaufgaben angesehen und als<br />

solche auf die Untertanen überwälzt. Um die Souveränität<br />

nach aussen glaubwürdig vertreten zu<br />

können, musste das Fürstentum neue Staatsaufgaben<br />

- den Unterhalt einer Gesandtschaft am Bundestag,<br />

die Errichtung einer dritten Gerichtsinstanz<br />

und die Aufstellung eines Militärkontingents -<br />

übernehmen, was die Schaffung von neuen Einahmen<br />

zur vordringlichen Aufgabe werden Hessen.<br />

Diese Finanzreform bestand einerseits in der Erhöhung<br />

der direkten Steuern und andererseits in der<br />

Einführung neuer Gebühren sowie der Erhöhung<br />

alter Abgaben.<br />

Die Behauptung der Souveränität nach innen verlangte<br />

eine Beseitigung des alten Rechts. Die mannigfaltigen<br />

alten Gebr<strong>äu</strong>che und Gewohnheiten<br />

Hessen sich in vielen Fällen nicht vernunftmässig<br />

begründen und sollten daher durch zweckmässige<br />

Gesetze ersetzt werden. Von besonderer Bedeutung<br />

war die Reform der Justizgesetzgebung, durch die<br />

vermehrte Rechtssicherheit geschaffen wurde.<br />

Grundsätzlich wurde dabei die österreichische Ge­<br />

124<br />

setzgebung für das Fürstentum übernommen, die<br />

in vielen Bereichen auf eine Lösung der alten ständischen<br />

Bindungen hin tendierte und die Sicherung<br />

des Privateigentums als wichtiges Ziel anstrebte.<br />

Neben diesen «Modernisierungserscheinungen»<br />

muss aber auch das Bewahren der Tradition betont<br />

werden: Die fürstliche Verwaltung wies unübersehbar<br />

patrimoniale Züge auf. Die innere Verwaltung<br />

des Fürstentums war grundsätzlich gleich organisiert<br />

wie die Verwaltung irgendeiner fürstlichen<br />

Herrschaft. Die Verwaltung war streng zentralisiert,<br />

das Oberamt hatte in allen wichtigen Angelegenheiten<br />

die Anweisungen der fürstlichen Hofkanzlei<br />

in Wien oder des Fürsten einzuholen. Das<br />

Fürstentum sollte nicht nur ein «Honorifikum» darstellen,<br />

das dem regierenden Fürsten den Rang eines<br />

souveränen Fürsten sicherte, sondern es sollte<br />

auch einen möglichst hohen Nutzen für die fürstlichen<br />

Renten abwerfen. Die wichtigsten Regalien,<br />

insbesondere die Zoll-, Weg- und Umgelder, wurden<br />

als fürstliche Privatrechte behauptet und erst<br />

1848 zu Staatseinnahmen erklärt. Die fürstlichen<br />

Beamten fühlten sich nicht einer abstrakten Staatsinstitution<br />

verpflichtet, ihr Dienstverhältnis hatte<br />

vielmehr den Charakter einer persönlichen Dienertreue.<br />

Die Beamten wurden grösstenteils aus den<br />

fürstlichen Herrschaftsbeamten rekrutiert, vom<br />

Fürsten persönlich ernannt und auf ihn vereidigt.<br />

Das Oberamt in Vaduz war wie die liechtensteinischen<br />

Herrschaftsämter in Niederösterreich, Böhmen<br />

oder Mähren organisiert, die in der Lokalverwaltung<br />

im Vormärz öffentliche Funktionen wahrnahmen.<br />

Das Oberamt war die einzige staatliche<br />

Behörde im Fürstentum und hatte alle Angelegenheiten<br />

der inneren Verwaltung des Landes zu besorgen.<br />

Das Muster der fürstlichen Herrschaftsämter<br />

liess die Errichtung eines Grundbuchamtes, eines<br />

Waisenamtes usw. als wichtige staatliche Aufgaben<br />

erscheinen, während das Handeln in andern<br />

Bereichen vornehmlich nichtstaatlichen Institutionen<br />

überlassen wurde. Die angespannte Finanzlage<br />

des Fürstentums führte dazu, dass der Aufwand<br />

für die Verwaltung möglichst klein gehalten


wurde. Die Zahl der Beamten wurde auf ein Minimum<br />

beschränkt. Im Schul- und Armenwesen übte<br />

die Kirche wichtige Funktionen aus. Die Geistlichen<br />

führten die Zivilstandsmatrikel und ersetzten in<br />

den Gemeinden die staatliche Polizeiaufsicht. Die<br />

Rheinwuhrbauten und die Entwässerung der Talebene<br />

als wichtigste Aufgaben der Landeskultur<br />

wurden den Gemeinden überlassen. Die Obrigkeit<br />

begnügte sich damit, entsprechende Vorschriften<br />

zu erlassen.<br />

Wenn einerseits der patrimoniale Charakter der<br />

Verwaltung betont wird, so dürfen doch auch andererseits<br />

Entwicklungen nicht übersehen werden,<br />

die eine zunehmende Bürokratisierung beinhalteten:<br />

Durch die Einrichtung einer Kanzlei wurde für<br />

die Beamten eine Trennung von Privat- und Amtsphäre<br />

vorgenommen. Die Beamten erhielten zunehmend<br />

genauere Dienstanleitungen und genauer<br />

umschriebene Aufgabenbereiche. Auf Schriftlichkeit<br />

und Aktenmässigkeit der Verwaltung legte die<br />

Hofkanzlei grössten Wert. Weiter ist festzuhalten,<br />

dass das Verwaltungsrecht zunehmend durch Verordnungen<br />

und Gesetze geregelt wurde, die das<br />

freie Ermessen und das Zweckmässigkeitsempfinden<br />

der Beamten einschränkten.<br />

Die Legitimation der Stellung des Landesfürsten<br />

beruhte weitgehend auf dem Glauben, dass in der<br />

Welt eine natürliche Ordnung vorgegeben war. Die<br />

Versuche, die Macht des Fürsten mit der «landesväterlichen<br />

Fürsorge für das Wohl der Untertanen»<br />

zu begründen, stellten zwar einen Versuch zu einer<br />

vernunftmässigen Begründung der Vorrechte des<br />

Fürsten dar, doch erreichten diese Versuche nie<br />

den gewünschten Erfolg. Die Unruhen von 1831<br />

und 1848 zeigten, dass die Untertanen zwar nicht<br />

am «landesväterlichen Wohlwollen» zweifelten,<br />

wohl aber an der Aufrichtigkeit der Beamten.<br />

Als entscheidender Faktor für die politische Entwicklung<br />

im Fürstentum Liechtenstein stellte sich<br />

schliesslich die politische Entwicklung in Österreich<br />

heraus. Die Fürsten gingen bei ihren Entscheidungen<br />

stets von den österreichischen Verfassungs-<br />

und Verwaltungsgrundsätzen aus. Der<br />

Übergang zu einer konstitutionellen Verfassung<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ZUSAMMENFASSUNG / PAUL VOGT<br />

wurde 1862 erst möglich, als in Österreich die Entscheidung<br />

zu diesem Schritt grundsätzlich gefallen<br />

war.<br />

125


Anhang:<br />

Biographische Angaben zu den<br />

Beamten<br />

Johann Bachör — J O H A N N BACHÖR<br />

126<br />

wurde am 26. August 1812 in Neuschloss auf der<br />

liechtensteinischen Herrschaft Aussee in Mähren<br />

geboren. Sein Vater stand ebenfalls in liechtensteinischem<br />

Dienst (u.a. Buchhaltungsoffizial in<br />

Butschowitz). Bachör besuchte die deutsche Schule,<br />

die Grammatikalklasse und die «Humanitätsklassen»<br />

(Gymnasium) und trat am 31. Dezember<br />

1831 als Praktikant in den fürstlichen Dienst ein.<br />

Seit dem 1. Januar 1839 arbeitete er auf verschiedenen<br />

Herrschaften als Amtsschreiber. 1854 reiste<br />

er mit dem Buchhalter Sautschek als Hilfsbeamter<br />

nach Vaduz, um die Missstände beim Rentamt zu<br />

untersuchen. Dort wurde er auf den 1. Oktober<br />

1854 als Landeskassen- und Fondsverwalter angestellt,<br />

am 1. Oktober 1857 wurde ihm auch die Verantwortung<br />

für die Rentkasse übertragen. Am<br />

1. März 1863 wurde er als Majoratshauptkassier<br />

nach Wien versetzt. - Da Bachör als Praktikant keine<br />

Besoldung erhielt und als Amtsschreiber wenig<br />

verdiente, konnte er erst spät heiraten. 1852 heiratete<br />

er Maria Pink, die Tochter eines Tabakverlegers<br />

in Aussee. Dieser Ehe entstammten vier Kinder,<br />

wovon drei in Vaduz geboren wurden.<br />

(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 31. 12.<br />

1854, vom 31. 12. 1860 und 31. 12. 1870 - LLA RC<br />

69/16 und 104/132)<br />

SEBASTIAN DÜNSER<br />

wurde am 21. März 1806 in Fraxern (Vorarlberg)<br />

geboren. Sein Vater Franz Josef Dünser war beim<br />

k.k. Landgericht in Fraxern beschäftigt. Dünser besuchte<br />

die Volksschule (bis 1819), die Grammatikalklasse<br />

(bis 1822), die Humanitätsklassen (bis 1824)<br />

und studierte in Innsbruck Philosophie (bis 1826).<br />

1828 bis 1833 war er provisorisch als Lehrer und<br />

Organist in Schaan angestellt, von 1833 bis 1. September<br />

1836 definitiv. Dünser erwarb 1832 das<br />

Bürgerrecht in Schaan. 1833 heiratete er Agathe<br />

Walser aus Schaan. Seit 1833 leistete er gelegentlich<br />

für den Rentmeister Schreibarbeiten, wobei er


von diesem persönlich bezahlt wurde. Seit dem<br />

1. September 1836 arbeitet er als provisorischer<br />

Kanzlist beim Oberamt, auf den 1. Januar 1838<br />

wurde seine Anstellung in eine definitive umgewandelt,<br />

Er litt an «Zehrfieber» und starb am<br />

4. Januar 1844. Bei seinem Tod hinterliess er sechs<br />

Kinder. Als Beamter wurde Dünser als treu, schnell<br />

und moralisch gelobt, ein besonderer Vorzug bestand<br />

darin, dass er «liechtensteinisch» lesen und<br />

verstehen konnte.<br />

(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12.<br />

1842 und Conduitliste von 1841. - LLA RC 52/8,<br />

65/10 und 81/13)<br />

ANDREAS FALK<br />

wurde 1817 als Sohn eines «nicht ganz armen Bauersmann»<br />

in Vaduz geboren. 1837 wurde er durch<br />

das Los ins fürstliche Reservekorps bestimmt, wo<br />

er als Schreiber verwendet wurde. Anschliessend<br />

besuchte er zwei Jahre die Kantonsschule in Disentis<br />

und belegte darauf zwei Kurse an der polytechnischen<br />

Schule in München. Er musste aber sein<br />

Studium aus Geldmangel unterbrechen und suchte<br />

1844 nach dem Tod Sebastian Dünsers vergeblich<br />

um die Kanzlistenstelle an. Falk wurde Lehrer in<br />

Schaan. 1849 wurde er in den Landrat gewählt.<br />

Beim Oberamt (bzw. Regierungsamt) wurde er seit<br />

1835 wiederholt als Aushilfsschreiber (Diurnist)<br />

beschäftigt. Von 1853 bis 1856 wurde er ununterbrochen<br />

als Diurnist beim Regierungsamt eingesetzt.<br />

Falk wurde schliesslich auf den 1. November<br />

1856 als Amtsschreiber (oder Kanzlist) angestellt.<br />

Er hatte Abschriften zu besorgen und die Registratur<br />

zu führen. Am 1. Januar 1860 wurde er Grundbuchführer.<br />

- Falk war Bürger von Schaan und mit<br />

Salomea, geb. Walser verheiratet. Die Ehe blieb<br />

kinderlos. Verheiratete wurden normalerweise<br />

nicht als Amtsschreiber beschäftigt.<br />

(Diverse Schreiben in den Fasz. 73/2, 87/31, 99/1<br />

104/277, LLA RC; siehe auch LLA SF Staatsbeamte<br />

«Nationale» vom 31. 12. 1860)<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

127


JOHANN JOSEPH GOLDNER<br />

wurde am 23. Juli 1769 in Stahler bei Bludenz<br />

(Vorarlberg) geboren. Er bezeichnete sich als Lehrer<br />

für die k. k. Normalschule. 1794 bis 1801 war er<br />

Amtsschreiber in Vaduz. Während der Napoleonischen<br />

Kriege will er 1799 und 1800 zweimal die<br />

fürstlichen Rentgelder und die Registratur unter<br />

Lebensgefahr vor den Franzosen gerettet haben.<br />

1801 heiratete er Maria Anna Wolf, die Tochter des<br />

verstorbenen Hauptzollers Karl Wolf. Dieser war<br />

unter der Bedingung, «dass sie binnen 6 Monaten<br />

ein diensttaugliches Subject eheliche», der Dienst<br />

des Hauptzollers verliehen worden. Goldner versah<br />

darauf von 1801 bis 1816 den Hauptzolleinnehmerdienst.<br />

1809 wurde ihm die Besoldung im Zuge der<br />

Reformen wesentlich gekürzt (neben einem fixen<br />

Gehalt von 200 Gulden erhielt er nur noch 272%<br />

statt wie bisher 5% an den Zolleinnahmen). Auf<br />

den 1. September 1816 wurde er Rentschreiber<br />

und Grundbuchführer. Da er dieser Aufgabe in keiner<br />

Weise gewachsen war, wurde er auf den<br />

1. April 1825 pensioniert. Die Verluste, die den<br />

fürstlichen Renten entstanden, musste er teilweise<br />

aus seinem Vermögen decken. Nach seiner Pensionierung<br />

lebte er als Kleinbauer in Schaan und verdiente<br />

sich durch gelegentliche Schreibarbeiten -<br />

er verfertigte etwa Eingaben der Untertanen an das<br />

Oberamt - etwas Geld. Er starb am 22. Mai 1846.<br />

(LLA RC 65/10 Conduitliste von 1822. LLA RB Fasz.<br />

B 3 und R 1 diverse Akten; Unterstützungsgesuch<br />

Goldners vom 26. 10. 1827 LLA RC 5/25; Bittgesuch<br />

Goldners vom 3. 5. 1831 LLA RC 28/10; Unterstützungsgesuch<br />

der Witwe Goldner LLA RC<br />

87/29; Tschugmell, Beamte S. 53 und 62)<br />

JOSEPH GROSS<br />

wurde am 13. Oktober 1805 in Rowersdorf in Hotzenplotz<br />

(Schlesien) geboren. Sein Vater war Erbrichter<br />

in Rowersdorf. Er besuchte die Humanitätsklassen<br />

(Gymnasium) und anschliessend einen<br />

zweijährigen Lehrgang an der Forstanstalt Maria­<br />

128<br />

brunn, den er 1825 mit einem Zeugnis über Kenntnisse<br />

in Forstwissenschaft, Geometrie, Mappierung<br />

und Planzeichnen abschloss. Am 1. Februar 1825<br />

trat er als Praktikant beim Forstamt Sternberg<br />

in liechtensteinische Dienste. Am 1. Januar 1827<br />

wurde er Forstschreiber in Sternberg, am 1. Mai<br />

1828 Revierjäger in Jägerndorf. Auf den 1. Juli<br />

1838 wurde er als «Gehegbereiter» nach Vaduz<br />

versetzt. Seine wiederholten Gesuche um Versetzung<br />

auf eine andere Herrschaft - begründet wurden<br />

sie vor allem mit mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten<br />

für seine Söhne - führten zu seiner<br />

Beförderung zum «Rechnungsführenden Gehegbereiter»<br />

(1. Januar 1841) und «Waldbereiter» (1. Februar<br />

1847). Nach der Vertreibung des Kanzlisten<br />

Langer bei den Unruhen im Jahre 1848 flüchtete er<br />

am 17. April mit seiner Familie nach Buchs. Im Mai<br />

1848 wurde die Versetzung des Waldbereiters auf<br />

eine andere Herrschaft angeordnet, doch bat nun<br />

die Gemeinde Schaan, für die Gross damals Arbeiten<br />

ausführte, seine Abreise um mindestens einen<br />

Monat zu verschieben. Menzinger versicherte Fürst<br />

Alois IL, dass diese Gemeinde nichts gegen Gross<br />

unternommen habe, sondern dass sie bei den Unruhen<br />

der Balzner und Vaduzner vielmehr «zum<br />

Schutze des Waldbereiters jenen Abend mit ungefähr<br />

200 Mann vor sein Haus aufgezogen» sei.<br />

Gross verliess Vaduz am 14. Juni 1848 und ging als<br />

Waldbereiter auf die Herrschaft Plumenau. Am<br />

1. November 1851 wurde er zum Bezirksforstmeister<br />

für Schwarzkosteletz befördert. - Die Anstellung<br />

von Gross bedeutete für Liechtenstein den<br />

Übergang zu einer gezielten Bewirtschaftung der<br />

obrigkeitlichen und Gemeindewälder, u.a. arbeitete<br />

Gross auch die Waldordnung vom 1. August<br />

1842 aus. Gross war auch als Strasseninspektor tätig<br />

und erhielt nach dem Rheineinbruch von 1846<br />

alle technischen Arbeiten (insbesondere auch die<br />

Aufsicht über die Wuhrbauten) zugewiesen. Wie<br />

die Vorkommnisse von 1848 zeigen, fand er bei der<br />

Bevölkerung wenigstens eine teilweise Anerkennung<br />

seiner Leistungen. Gross war zweimal verheiratet,<br />

1827 heiratete er Wilhelmine Folgner, die<br />

Tochter eines «k.k. Zollamts Controlleurs» in Zablunkau,<br />

die am 2. November 1839 am Kindbettfie-


er verstarb. Am 13. November 1842 heiratete er<br />

deren Schwester Juliana. Insgesamt hatte er 14<br />

Kinder. Drei Söhne waren 1851 ebenfalls in den<br />

liechtensteinischen Dienst eingetreten, vier dienten<br />

im Militär. Damit seine Söhne während seiner<br />

Dienstzeit in Vaduz in Feldkirch das Gymnasium<br />

besuchen konnten, verlegte er seinen Wohnsitz<br />

zeitweise nach Feldkirch.<br />

(LLA SF «Nationale» vom 31. 12. 1851; LLA RC<br />

58/2, 65/5, 73/12, 83/58)<br />

JOSEPH ERNST HASSUR<br />

wurde am 2. Februar 1803 in Weitersfeld auf der<br />

Herrschaft Bautzendorf in Niederösterreich geboren.<br />

Sein Vater Gabriel Hassur war Forstmeister<br />

auf der Herrschaft Nikolsburg (im Besitz des Fürsten<br />

Dietrichstein). Hassur besuchte die deutsche<br />

Schule, die Grammatikalklassen und die Humanitätsklassen.<br />

Er sprach Deutsch, Latein und Böhmisch.<br />

Seit dem 1. Mai 1820 war er als Amtsschreiber<br />

auf verschiedenen liechtensteinischen Herrschaften<br />

in fürstlichem Dienst. Auf den 1. November<br />

1836 wurde er zum Grundbuchführer in Vaduz<br />

befördert. Bis 1848 war er zugleich Hauptzolleinnehmer.<br />

Er wurde am 1. Januar 1860 aus Gesundheitsgründen<br />

pensioniert und starb am 22. Dezember<br />

1860. - Hassur heiratete 1839 Josepha<br />

Langenstein, die Tochter eines vermögenden Bürgers<br />

aus Konstanz. Bei seinem Tod hinterliess er<br />

drei Kinder. Er war einer der wenigen aus Österreich<br />

stammenden Beamten, die (aus familiären<br />

Gründen) nicht ungern in Vaduz weilten und eine<br />

Versetzung nur dann gewünscht hätten, wenn sie<br />

mit einer Beförderung verbunden gewesen wäre.<br />

Hassur hatte eine offenbar schwache Gesundheit<br />

(u. a. fehlten ihm auch zwei vordere Zähne im Unterkiefer)<br />

und galt deshalb als ungeeignet für das<br />

Militär.<br />

(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12.<br />

1842 und Conduitliste von 1839; LLA RC 55/17,<br />

56/32, 60/14)<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

129


MARKUS KESSLER<br />

wurde am 15. März 1823 in Trillfingen im Fürstentum<br />

Hohenzollern-Sigmaringen geboren. Er besuchte<br />

das Gymnasium in Hedingen und absolvierte<br />

anschliessend philosophische und juristische<br />

Studien in München, Tübingen und Heidelberg.<br />

1848 legte er eine «Staatsprüfung in Justiz und<br />

Verwaltungsfache» nach den im Fürstentum Sigmaringen<br />

gültigen Vorschriften ab. Anschliessend<br />

trat er eine Stelle als Rechtspraktikant an. Ein alter<br />

Universitätsfreund Michael Menzingers empfahl<br />

diesem Kessler, worauf Kessler vom 13. Oktober<br />

1851 bis zum 31. März 1856 als Amtsschreiber in<br />

Vaduz angestellt wurde. Im Dezember 1853 legte<br />

Kessler die österreichische Richteramtsprüfung<br />

beim Oberlandesgericht in Innsbruck ab. Am<br />

1. April 1856 wurde Kessler zum Regierungsamtsadjunkt<br />

befördert. In dieser Funktion hatte er auch<br />

den Landesverweser in dessen Abwesenheit zu<br />

vertreten. Von 1863 bis 30. September 1877 war er<br />

Landrichter in Vaduz. Kessler war auch von 1863<br />

bis 1875 Mitglied des liechtensteinischen Landtages.<br />

1877 zog er nach Sigmaringen, wo er zum<br />

Bürgermeister gewählt worden war. Dort starb er<br />

am 19. Dezember 1880. - Privat war Kessler mit<br />

dem Landesverweser eng verbunden, dessen älteste<br />

Tochter Anna er im Mai 1857 heiratete. Kessler<br />

verstand sich auch mit den Einheimischen gut.<br />

Menzinger charakterisierte ihn folgendermassen:<br />

«Er ist gebildet, ernst, nüchtern, weiss sein Ansehen<br />

zu behaupten, und hat sich die Achtung und<br />

Zuneigung erworben, was hierzulande nicht so<br />

leicht geht.» (Menzinger an Fürst am 31. Oktober<br />

1854 LLA RC 99/1) Albert Schädler billigte ihm zu,<br />

dass er «durch umfassende Kenntnisse auf hündischem<br />

und volkswirtschaftlichem Gebiete dem<br />

Lande hervorragende Dienste» geleistet habe.<br />

(Albert Schädler, Tätigkeit des liechtensteinischen<br />

Landtages, JBL 1903, S. 37. - LLA SF Staatsbeamte<br />

«Nationale» vom 31. 12. 1860; LLA RC 69/11 und<br />

99/1)


JOHANN LUDWIG KIRCHTHALER<br />

wurde 1773 oder 1774 geboren. Er stammte aus<br />

Schwaben und war von 1801 bis 1808 Amtsschreiber<br />

in Vaduz. Anlässlich der Reorganisation des<br />

Oberamtes von 1808 wurde er entlassen. Vom<br />

1. September 1816 bis zu seinem Tod am 4. Juni<br />

1819 war er erneut Amtsschreiber. - Der Umstand,<br />

dass er bei seiner Anstellung 1816 bereits verheiratet<br />

war und mehrere Kinder hatte, ist für einen<br />

Amtsschreiber ungewöhnlich.<br />

(LLA RB Fasz. B 3 diverse Akten, Tschugmell S. 54)<br />

JOHANN LANGER<br />

wurde 1820 auf der liechtensteinischen Herrschaft<br />

Landskron in Böhmen geboren. Sein Vater war Seifensieder.<br />

Er besuchte die deutsche Schule, die<br />

Grammatikalklassen und die Humanitätsklassen,<br />

die er aber vermutlich nicht abschloss. Er erlernte<br />

während drei Jahren das Maurerhandwerk in<br />

Landskron und arbeitete anschliessend als Praktikant<br />

vier Jahre beim Baubezirksamt Neuschloss<br />

und dann zwei Jahre beim Baubüro in Wien. Als in<br />

Vaduz ein Kanzlist mit technischen Fähigkeiten gesucht<br />

wurde, meldete er sich für diese Stelle und<br />

wurde auf den 1. April 1844 angestellt. Da er bei<br />

der Durchführung von amtlichen Aufträgen (besonders<br />

bei der Aufsicht über Wuhr- und Strassenbauten)<br />

durch sein barsches Auftreten den Unmut der<br />

Untertanen erregte, wurde er 1848 durch einen<br />

«Revolutionszug» mit Trommeln und Pfeifen an die<br />

Landesgrenze gestellt. Er wurde darauf als Aushilfsschreiber<br />

auf der Herrschaft Hohenstadt in<br />

Mähren angestellt. Langer galt als eine der schillerndsten<br />

Figuren unter den Beamten des 19. Jahrhunderts.<br />

Sein Verhalten im Dienst gab Landvogt<br />

Menzinger keinen Anlass zur Klage, hingegen war<br />

sein sittliches Betragen 1845 so anstössig, dass<br />

dem Landvogt eine baldige «Transferierung» als<br />

«sehr wünschbar» erschien. Was der Landvogt<br />

dem Kanzlisten genau vorzuwerfen hatte, geht aus<br />

den Akten nicht hervor. David Rheinberger be-<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

131


Franz Xaver Menzinger<br />

Johann Michael Menzinger<br />

132<br />

schreibt Langer mit folgenden Worten: «Er war ein<br />

unverschämter, arroganter und gewaltthätiger Bursche,<br />

voll Hochmuth und Eigendünkel und dabei<br />

ein ganz leerer Kopf, der sich überall verhasst<br />

machte, nur bei der Gnädigen (Frau Landvogt)<br />

nicht, wo er täglich zum Handkuss erschien und<br />

den fleissigen Zuträger machte.» Von Gustav Alfons<br />

Matt wird er als «Musterbeispiel jener Gattung von<br />

Staatsbeamten» dargestellt, «die ebenso herrisch<br />

nach unten wie unterwürfig nach oben sich gebärdeten.»<br />

Langer scheint durch unüberlegte Aussprüche<br />

wiederholt den Zorn der Untertanen erregt zu<br />

haben.<br />

(Conduitlisten von 1844 und 1845; LLA RC 52/8. -<br />

David Rheinberger, Notizen aus der Zeit und dem<br />

Leben unserer Voreltern. Gustav Alfons Matt, Der<br />

Trümmelihans von Balzers. Geiger, Geschichte des<br />

Fürstentums Liechtenstein S. 75/76)<br />

FRANZ XAVER MENZINGER<br />

wurde am 1. Juni 1740 in Möskirch als Sohn eines<br />

Kastenvogts und Amtmannes geboren. Vom 20. Dezember<br />

1788 bis 1. Oktober 1808 war er Landvogt<br />

in Vaduz. Menzinger starb am 29. April 1809 in<br />

Feldkirch. Er war verheiratet mit Maria Theresia<br />

von Stubenrauch, der Tochter eines kaiserlichen<br />

Reichshofratsagenten, die am 20. Oktober 1805<br />

starb. - Franz Xaver Menzinger wurde von seinen<br />

Zeitgenossen völlig unterschiedlich beurteilt: Der<br />

Amtsbot Johann Rheinberger bezeichnete ihn -<br />

und damit gab er wohl eine unter den Untertanen<br />

nach 1808 weit verbreitete Ansicht wieder - als einen<br />

«in jeder Hinsicht kenntnisvollen und ebenso<br />

gerechten Mann» (S. 234). Menzinger kannte die<br />

alten Rechte ausgezeichnet und brachte ihnen, obwohl<br />

er sie in manchen Fällen als schädlich für das<br />

Gesamtwohl ansah, einigen Respekt entgegen. Hofrat<br />

Georg Hauser hingegen beschrieb ihn als «einen<br />

alten decrepiten verdrüsslichen Mann, der im<br />

Jahr wenig seine Stube und Ofen verlässt, und verglichen<br />

mit den unwissendsten unserer Beamten<br />

noch ein Tiro ist». Er halte das Fürstentum «nur


für ein Honorificum, und also nicht für nöthig, dass<br />

es auch Nutzen tragen solle - daher wird Niemand<br />

zur Zahlung angehalten.» Diese Beurteilung durch<br />

einen Beamten der Hofkanzlei führte 1808 auch<br />

zur Pensionierung.<br />

(Moritz Menzinger, Die Menzinger in Liechtenstein.<br />

In: JBL 1913. S. 33 ff. Malin S. 45/46. - Georg Hauer,<br />

Landesbeschreibung 1808. Johann Rheinberger:<br />

Politisches Tagebuch. In: JBL 1958. S. 227 ff. )<br />

JOHANN MICHAEL MENZINGER<br />

wurde am 2. Dezember 1792 in Vaduz als Sohn des<br />

Landvogts Xaver Menzinger geboren. Er besuchte<br />

das Gymnasium in Feldkirch. Anschliessend studierte<br />

er Rechtswissenschaft in Freiburg und Tübingen<br />

und legte die für die österreichischen k.k.<br />

Staaten nötigen Prüfungen in Kriminal- und Zivilrecht<br />

ab. Am 25. Januar 1821 begann er seinen<br />

Dienst als Auditoriatskandidat im k. k. österreichischen<br />

Militär, am 1. Dezember 1821 wurde er Auditor.<br />

1833 suchte er beim Fürsten um das Amt des<br />

Landvogts in Vaduz an, ohne je zuvor in liechtensteinischen<br />

Diensten gewesen zu sein. Da das Fürstentum<br />

von den fürstlichen Herrschaftsbeamten<br />

«als eine Art Exil» (Moritz Menzinger) angesehen<br />

wurde, erhielt Menzinger in Erinnerung an seinen<br />

Vater diese Stelle. Er wurde auf den 1. Juli 1833 ernannt,<br />

traf aber erst am 5. September in Vaduz ein,<br />

wo er am 7. September 1833 vereidigt und den Gemeindevorstehern<br />

und Geistlichen vorgestellt wurde.<br />

1848 wurde das Amt des Landvogts in Landesverweser<br />

umbenannt. Menzinger wurde am<br />

15. März 1861 pensioniert und zog darauf nach<br />

München. Im Mai 1864 übersiedelte er nach Überlingen<br />

am Bodensee, wo er am 5. September 1877<br />

starb. - Menzinger heiratete 1832 Luise Schreiber,<br />

die Toch-ter eines k. k. österreichischen Oberarztes<br />

Johann Baptist Schreiber. Aus dieser Ehe gingen<br />

mehrere Kinder hervor. Menzinger besass offenbar<br />

nur wenig Vermögen, er konnte jedenfalls die vorgeschriebene<br />

Dienstkaution nicht «ohne besondere<br />

Vermögensnachteile» leisten und wurde deshalb<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

~ 7 ~


noch Jahre nach seiner Anstellung gemahnt. Von<br />

David Rheinberger wurde Menzinger folgendermassen<br />

beurteilt: «... an und für sich ehrlich, war<br />

er aber ein schwacher, unselbständiger Mann, der<br />

nach der Pfeiffe seiner Frau tanzte.» Diese Beurteilung<br />

dürfte von einer gegenseitigen Abneigung der<br />

beiden Beamten geprägt sein. Von seinem Sohn<br />

Moritz wurde Menzinger als «liberal» eingestuft.<br />

Nach dieser Quelle soll Menzinger der «Revolutionsricherei»<br />

abgeneigt gewesen sein.<br />

(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12.<br />

1842, und 31. 12. 1860, Conduitliste 1835, LLA RC<br />

31/15, 67/7, 89/20, 109/159. - Moritz Menzinger,<br />

Die Menzinger in Liechtenstein. In: JBL 1913, S. 35<br />

ff. Geiger, S. 47 und S. 250; Quaderer S. 105)<br />

RUDOLF MILICZECK<br />

wurde am 20. September 1807 auf der Herrschaft<br />

Goldenstein in Mähren geboren. Sein Vater war<br />

liechtensteinischer Braumeister in Steinitz. Er besuchte<br />

ein Gymnasium und absolvierte anschliessend<br />

ein zweijähriges Studium in der Philosophie.<br />

Zudem besass er Kenntnisse in der «Ökonomie»<br />

und sprach deutsch und böhmisch. Am 1. November<br />

1828 trat er als Praktikant auf der Herrschaft<br />

Aussee in den fürstlichen Dienst. Vom 1. Juni 1829<br />

bis 30. September 1832 war er Amtsschreiber in<br />

Judenau, vom 1. Oktober 1832 bis Juli 1845 Amtsschreiber<br />

in Vaduz. Auf den 1. August 1845 wurde<br />

er zum Wirtschaftscontroleur in Hintersdorf befördert.<br />

Miliczeck starb am 23. Juni 1849 als Rechnungsführer<br />

in Judenau. - Miliczeck scheint einiges<br />

Vermögen gehabt zu haben, jedenfalls hatte er<br />

nach seinem Tod noch mehrere Hundert Gulden<br />

Guthaben bei Gl<strong>äu</strong>bigern in Vaduz. Während seiner<br />

Dienstzeit in Vaduz war er unverheiratet, wie<br />

das bei Amtsschreibern üblich war. Da er während<br />

vielen Jahren ohne Beförderung (trotz lobender Bemerkungen<br />

seiner Vorgesetzten Pokorny und Menzinger)<br />

und weit entfernt von seinen Verwandten in<br />

Vaduz arbeiten musste, wurde er in zunehmendem<br />

Masse seiner Stellung überdrüssig. Seine wieder­<br />

134<br />

holten Versetzungsgesuche wurden mit Versprechungen<br />

auf baldige Beförderung beantwortet. Anlässlich<br />

eines Heimaturlaubs 1845 erreichte er<br />

offenbar seine Versetzung. Bemerkenswert an den<br />

Familienverhältnissen Miliczecks ist der Umstand,<br />

dass mehrere Verwandte ebenfalls in fürstlichen<br />

Diensten standen: Neben seinem Vater wurden<br />

noch vier Brüder und zwei Onkel vom Fürsten beschäftigt.<br />

(LLA SF Staatsbeamte Nationale 30. 12. 1842. Conduitlisten<br />

von 1832/33 und 1841. LLA RC 31/8,<br />

45/26, 56/32 und 101/131)<br />

FRIDOLIN MÜLLER<br />

wurde am 28. Dezember 1812 auf der Herrschaft<br />

Reichenau in Mähren geboren. Sein Vater war Bürgermeister<br />

der Stadt Reichenau. Er besuchte die<br />

deutsche Schule, die Grammatikalklassen und die<br />

Humanitätsklassen. 1833 und 1834 legte er auch<br />

Prüfungen in der «Landwirtschaftslehre» ab. Von<br />

1830 bis 1832 war er Burggrafenamtspraktikant<br />

im Dienst des Grafen Sternberg in Böhmen. Vom<br />

1. August 1834 bis 31. August 1845 war er Amtsund<br />

Kanzleischreiber auf vier verschiedenen liechtensteinischen<br />

Herrschaften. Vom 1. September<br />

1845 bis ins Frühjahr 1848 war er Amtsschreiber<br />

in Vaduz. Nachdem der Kanzlist Langer an die<br />

Grenze gestellt worden war, floh Müller am<br />

17. April 1848 nach Feldkirch. Am 25. Juli 1848<br />

reiste er dann in «dringenden Familienangelegenheiten»<br />

endgültig ab. Am 1. Oktober 1848 wurde er<br />

als Amtsschreiber auf der Herrschaft Ostran eingestellt,<br />

am 15. April 1849 wurde er wiederum als<br />

Amtsschreiber nach Wilfersdorf versetzt. - Müller<br />

war nach der Bewertung Landvogt Menzingers<br />

Reissig und hatte ein gutes Betragen, war «aber leider<br />

in seinen Äusserungen unbedacht».<br />

(LLA SF Staatsbeamte Nationale vom 31. 12. 1845<br />

und Conduitliste 1848. LLA RC 31/8, 73/45, 83/60,<br />

87/32. Geiger, S. 75 ff, S. 87)


PETER POKORNY<br />

wurde am 4. Oktober 1795 in Butschowitz in Mähren<br />

geboren. Er absolvierte ein vollständiges juristisches<br />

Studium und war für Österreich, Böhmen,<br />

Mähren und Schlesien «in linea judiciali und politica»<br />

geprüft, besass also das Wahlfähigkeitsdekret<br />

für einen Gerichtsbeamten. Er begann seine Laufbahn<br />

als Praktikant beim Rabensburger Justiz- und<br />

Kreisgericht. Im Oktober 1820 wurde er Oberamtsmann<br />

und Justiziär (Gerichtsverwalter) auf einer<br />

Herrschaft des gräflichen Hauses Kinsky. Im Januar<br />

1822 trat er in liechtensteinische Dienste über<br />

und wurde Justiziär auf der Herrschaft Sternberg.<br />

Vom 1. Februar 1827 bis 30. Juni 1833 war er<br />

Landvogt in Vaduz. Er zeigte zunächst viel Initiative<br />

(neues Schulgesetz, Auseinandersetzungen mit<br />

dem Klerus, Schaffung einer Landespolizei, Vermehrung<br />

der Staatseinnahmen durch Schaffung<br />

von indirekten Steuern), wurde aber 1831 von einer<br />

Untersuchungskommission getadelt, weil er<br />

nach anfänglichem Bemühen um ein geordnetes<br />

Gerichtswesen wieder zur früheren «bequemen<br />

Methode (der) inneren Amts Manipulation» zurückgekehrt<br />

sei und viele Verfahren nur mündlich erledigt<br />

habe. In seine Amtszeit fielen auch die Unruhen<br />

von 1831, in deren Verlauf er sich als treuer<br />

Fürstendiener bestätigte. Über Pokornys späteren<br />

Dienst sind im LLA nur spärliche Angaben vorhanden.<br />

1834/35 wird er als Kammerburggraf in Jägerndorf<br />

erwähnt, 1847 als Oberamtmann in Rumburg.<br />

Pokorny war mit Antonia Walter verheiratet<br />

und Vater mehrerer Kinder. Im fürstlich liechtensteinischen<br />

Dienst standen auch zwei Brüder Pokornys<br />

(als Rentmeister und Justiziär) und später<br />

mindestens ein Sohn.<br />

(Conduitliste 1832/33, «Nationale» des Sohns Moritz<br />

Pokorny LLA RC 31/15 und 44/26)<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

135


Peter Pokorny DAVID RHEINBERGER<br />

David Rheinberger<br />

Johann Peter Rheinberger<br />

136<br />

geboren am 26. Juli 1823 in Vaduz als Sohn des<br />

Rentmeisters Johann Peter Rheinberger und dessen<br />

erster Frau Maria (geb. Hüte). Er besuchte das<br />

Gymnasium im Kloster Disentis und liess sich anschliessend<br />

von 1841 bis 1844 am k.k. Polytechnikum<br />

in Wien in Mathematik, Strassen- und Wasserbau,<br />

Zeichnen und Chemie ausbilden. Seit 1848 arbeitete<br />

er unentgeltlich beim Regierungsamt in Vaduz,<br />

wo er vor allem dem Rentmeister half. Auf den<br />

16. August 1854 wurde er als Kanzlist eingestellt.<br />

1862 wurde er Landgerichtskanzlist, 1863 Regierungssekretär<br />

und Rechnungsadjunkt der Domänenverwaltung.<br />

1883 vertrat er zeitweise den Landesverweser<br />

bei dessen Abwesenheit. Damit hatte<br />

er das höchste Amt erreicht, das einem Liechtensteiner<br />

im 19. Jahrhundert überhaupt zugänglich<br />

war. Am 2. November 1889 starb er. - David Rheinberger<br />

war unverheiratet und wird von Rudolf<br />

Rheinberger als ein «Junggeselle mit allen Grillen<br />

und Eigenarten dieses Standes» bezeichnet. Das<br />

Verhältnis zwischen ihm und Landesverweser<br />

Menzinger war offenbar sehr gespannt. Menzinger<br />

erteilte ihm von allen Beamten die schlechtesten<br />

Zensuren, insbesondere in seinem Benehmen gegen<br />

Vorgesetzte. Umgekehrt verspottete Rheinberger<br />

den Landesverweser «Michi» Menzinger in seinen<br />

«Notizen». Rheinberger fühlte sich vermutlich<br />

von Menzinger ständig zurückgesetzt. Zu seinen<br />

späteren Vorgesetzten scheint er ein besseres Verhältnis<br />

gehabt zu haben. Die «Notizen aus der Zeit<br />

und dem Leben unserer Voreltern» von David<br />

Rheinberger, die bisher leider fast unbekannt sind,<br />

haben trotz ihrer Einseitigkeit einen hohen Quellenwert<br />

für die liechtensteinische Geschichte. David<br />

Rheinberger veröffentlichte 1876 eine «Landeskunde<br />

des Fürstentums Liechtenstein», die in den<br />

Volksschulen als Heimatbuch verwendet wurde.<br />

(Rudolf Rheinberger: «Fortsetzung von David<br />

Rheinbergers Notizen». Geiger, S. 218; SF Staatsbeamte<br />

«Nationale» vom 31. 12. 1860, LLA RC<br />

104/115)


JOHANN PETER RHEINBERGER<br />

geboren am 19. Oktober 1789 in Vaduz als Sohn<br />

des Amtsboten Johann Rheinberger und dessen<br />

Frau Klara, geb. Hartmann. Nach dem Tod seiner<br />

Mutter (um 1800) wurde er beim damaligen Rentmeister<br />

Fritz als «Pudelbub eingestellt» (nach David<br />

Rheinberger). Da es in Liechtenstein keine weiterführende<br />

Schule gab, konnte er lediglich die<br />

Volksschule besuchen, bemühte sich aber von Jugend<br />

an, sich im Selbststudium technische Kenntnisse<br />

(z.B. Geometrie und Zeichnen) zu erwerben.<br />

1809 war er erstmals im Auftrag Bayerns mit Vermessungsarbeiten<br />

beschäftigt (Güter des ehemaligen<br />

Klosters St. Luzi in Bendern). Bei der Errichtung<br />

des Grundbuches in den Jahren nach 1809<br />

nahm er zusammen mit seinem Vater wiederum<br />

Vermessungsarbeiten vor. 1814 bis 1819 war er als<br />

«Hausmeister» beim Seminar St. Luzi in Chur angestellt.<br />

Seit dem 1. Juli 1819 war er Amtsschreiber<br />

und Hauptzolleinnehmer beim Oberamt in Vaduz,<br />

am 2. August 1828 wurde er zum Grundbuchführer<br />

und am 1. November 1836 zum Rentmeister<br />

befördert. Seinen persönlichen Neigungen entsprechend<br />

befasste er sich in dieser Zeit auch mit technischen<br />

Problemen beim Oberamt (Strassen- und<br />

Rheinwuhrbauten, Rüfeverbauungen und Entwässerungsprobleme).<br />

Unter anderem verfasste er<br />

auch einen 44seitigen Bericht über das Problem<br />

der Entwässerung der liechtensteinischen Rheintalebene.<br />

Bei den Unruhen von 1831 wurde er als<br />

Grundbuchführer von den Untertanen, die sich mit<br />

der Einführung der Grundbücher noch immer<br />

nicht abgefunden hatten, bedroht, obwohl er Liechtensteiner<br />

war. Beim Rheineinbruch von 1846 wurde<br />

dem Rentmeister, der bis dahin auch die Wuhrbauten<br />

zu beaufsichtigen hatte, ein grosser Teil der<br />

Verantwortung zugeschoben. 1848 schützte ihn<br />

zwar seine liechtensteinische Nationalität vor Anfeindungen,<br />

trotzdem stellte das Jahr 1848 in seinem<br />

Leben einen Wendepunkt dar. Rheinberger<br />

sah sich in den folgenden Jahren ausserstande, die<br />

Rentgelder einzutreiben und die Rechnungsausweise<br />

ordnungsgemäss abzuliefern. Ein Teil der<br />

Rentgelder wurde uneinbringlich, wofür er zum<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

137


138<br />

persönlichen Ersatz verurteilt wurde. 1854 wurde<br />

eine Untersuchungskommission nach Vaduz geschickt.<br />

In der Folge wurde dem Rentmeister die<br />

Verrechnung der Landesgelder abgenommen. Am<br />

1. Oktober 1857 wurde er in Pension geschickt. In<br />

seinen letzten Lebensjahren widmete er sich dem<br />

Studium der Landesgeschichte und der Geschichte<br />

seiner Familie. Rheinberger starb am 25. März<br />

1874. - Bis 1846 gab es keinerlei Klagen über<br />

den Beamten Rheinberger. Von den Landvögten<br />

Schuppler, Pokorny und Menzinger wurde er stets<br />

für seinen Fleiss und seine Diensttreue gelobt und<br />

trotz seiner mangelnden Schulbildung als fähiger<br />

Rentmeister und Techniker angesehen. Nach 1848<br />

verschlimmerte er durch «Bocken» seine Lage. Der<br />

Rentmeister vertrug sich offenbar mit den aus<br />

Österreich stammenden Beamten mit zunehmendem<br />

Alter immer weniger und fühlte sich von ihnen<br />

zurückgedrängt. Johann Peter Rheinberger<br />

war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war eine<br />

Maria Hüte aus Schaan, die offenbar aus einer vermögenden<br />

Familie stammte. Diese Ehe, aus der<br />

drei Kinder hervorgingen, wurde im November<br />

1820 geschlossen und endete mit dem Tod der Ehefrau<br />

im Jahre 1828. 1829 heiratete er Elisabeth Carigiet,<br />

die einer angesehenen Bündner Familie entstammte.<br />

Ihr Vater Laurenz Carigiet war Landammann<br />

und Kantonsrat in Disentis, ihr Bruder Jakob<br />

Anton Carigiet hatte die geistliche Laufbahn beschritten<br />

und war Landesvikar in Schaan und später<br />

residierender Domherr in Chur. Aus dieser Ehe<br />

gingen sechs Kinder hervor. Privat wird Rheinberger<br />

als «ein Mann von strenger rechtschaffener Gesinnung,<br />

welcher auf pünktliche Hausordnung und<br />

strenge Kinderzucht hielt» beschrieben.<br />

(Anton Hinger, Josef Rheinberger, Eine kurze Biographie.<br />

In: JBL 1903, S. 167)<br />

(David und Rudolf Rheinberger, Notizen aus der<br />

Zeit und dem Leben unserer Voreltern LLA SF<br />

Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12. 1842, Conduitlisten<br />

von 1832 und 1841, LLA RB Fasz. B 3,<br />

LLA RC 55/17, 60/14, 65/10 und 69/16)


ALOIS SCHAUER<br />

geboren am 11. Januar 1817 als Sohn des Amtmanns<br />

Dominik Schauer auf der fürstlichen Herrschaft<br />

Schwarzkostelletz in Böhmen, wo er auch<br />

die deutsche Schule besuchte. Am 1. Januar 1831<br />

trat er als Praktikant auf Schwarzkostelletz in fürstlich-liechtensteinische<br />

Dienste. Vom 1. Oktober<br />

1833 bis März 1854 war er auf verschiedenen<br />

fürstlichen Herrschaften im Waldamt beschäftigt,<br />

zuletzt als Forstamtsrevierjäger in Feldsberg. Vom<br />

1. September 1938 bis 31. August 1840 studierte er<br />

während 2 Jahren «Technik» (u.a. Geometrie,<br />

Mappierung, Planzeichnen) in Prag. Über seine Fähigkeiten<br />

konnte er verschiedene staatliche Zeugnisse<br />

vorweisen: So wurde er 1850 als Landmesser<br />

und im Forstwesen geprüft. 1851 bestand er die<br />

«hohe Forststaatsprüfung». Am 7. März 1854 wurde<br />

er als «Oberförster» in Vaduz angestellt - der<br />

vornehme Titel sollte ihm nicht zuletzt auch den<br />

Respekt der Untertanen sichern. Schauers Leistungen<br />

für Liechtenstein bestanden darin, dass er in<br />

den 1860er Jahren (zusammen mit Peter Rheinberger)<br />

die Landesvermessung vornahm und die Katasterpläne<br />

erstellte. Von 1860 bis 1869 arbeitete er<br />

die ersten Waldwirtschaftspläne aus. 1884 wurde<br />

er nach einer fast 30jährigen Amtszeit pensioniert.<br />

Schauer scheint sich auch privat im Lande wohl gefühlt<br />

zu haben. Am 19. Februar 1855 heiratete er<br />

Elisabeth Wolfinger, eine Tochter des angesehenen<br />

Balzner Postmeisters Joseph Ferdinand Wolfinger.<br />

(LLA SF Staatsbeamte Nationale vom 31. 12. 1860.<br />

LLA RC 65/10 und 69/16 und 104/1, 104/132,<br />

104/271)<br />

FRANZ SCHMID (AUCH SCHMIDT UND<br />

SCHMIED)<br />

wurde am 31. Oktober 1796 in Parnig auf der Herrschaft<br />

Landskron geboren. Er besuchte die Grammatikalklasse<br />

und legte 1822 am Lyceum Olmütz<br />

Prüfungen in Ökonomie ab. Er sprach Deutsch,<br />

Böhmisch und etwas Latein. Er trat im Februar<br />

1<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

139


1812 als Praktikant beim Wirtschaftsbereiter in<br />

Parnig in liechtensteinische Dienste. Im September<br />

1815 wurde er als Steueramtsschreiber in Eisenberg<br />

angestellt, von wo er auf den 1. März 1825 als<br />

Rentmeister nach Vaduz befördert wurde. Bis 1828<br />

war er auch Grundbuchführer, wurde dann aber<br />

von dieser Aufgabe entlastet. Nach mehreren Versetzungsgesuchen<br />

wurde er auf den 1. November<br />

1836 zum ersten Rechnungsrat in der Buchhaltung<br />

in Butschowitz ernannt. - Schmid war verheiratet<br />

und hatte Kinder. Seine ökonomischen und rentamtlichen<br />

Qualifikationen wurden von den Landvögten<br />

Schuppler, Pokorny und Menzinger stets gelobt,<br />

ebenso seine Moralität und Diensttreue. Obwohl<br />

Schmid 1825 den Auftrag erhielt, die unter<br />

dem früheren Rentschreiber angewachsenen Rentresten<br />

einzutreiben, verstand er sich nicht nur mit<br />

seinen Mitbeamten, sondern auch mit den Untertanen<br />

gut. Bei den Unruhen von 1831 verlangten die<br />

Untertanen die Versetzung aller übrigen Beamten,<br />

nicht aber die Versetzung Schmids. Nach der Ansicht<br />

Landvogt Pokornys besass er für das Amt eines<br />

Herrschaftsvorstehers zu wenig Gesetzeskenntnisse,<br />

Erfahrung und Umsicht und war körperlich<br />

zu schwach.<br />

(Conduitliste vom 31. Dezember 1826. LLA RC<br />

65/10. Conduitliste 1832/33. LLA RC Fasz. B 3, LLA<br />

RC 52/23, 55/17 und 58/2. )<br />

FERDINAND ADOLF SCHMIETH (AUCH<br />

SMIETH, SCHMID UND SCHMIDT)<br />

wurde 1766 oder 1767 geboren. Er war vom<br />

2. Juni 1806 bis zum September 1815 «Raitleger»<br />

(Rentmeister) in Vaduz, ab 1. Oktober 1808 war er<br />

auch Strasseninspektor. Auf den 1. Oktober 1815<br />

wurde er als Rechnungsrat in die Buchhaltung<br />

nach Butschowitz versetzt. 1824 war er erster<br />

Buchhalter, 1825 fürstlicher Rat und Oberbuchhalter<br />

(d.h. Leiter der Buchhaltung). Schmieths Qualitäten<br />

als Rechnungsbeamter gehen nicht nur aus<br />

seiner beruflichen Laufbahn hervor, sondern zeigen<br />

sich auch bei der Durchsicht der rentamtlichen<br />

140<br />

Bücher in Vaduz, die er mustergültig führte. Sein<br />

Verhältnis zu den Landvögten Menzinger und<br />

Schuppler war <strong>äu</strong>sserst gespannt, da er sich ihnen<br />

nie unterordnete und ständig gegen sie intrigierte.<br />

Schmieth zeichnete sich durch besondere Diensttreue<br />

aus, da er die unter seinem Vorgänger auf<br />

weit über 100 000 Gulden angewachsenen Rentresten<br />

bei den Untertanen mit aller Härte eintrieb.<br />

Die Hofkanzlei anerkannte seine Verdienste und<br />

gewährte ihm 1808 eine jährliche Gehaltszulage<br />

von 75 Gulden. 1811 erhielt er eine einmalige Zulage<br />

von 200 Gulden und die Zusicherung, bei Gelegenheit<br />

in die Buchhaltung aufzurücken. Schmieth<br />

war mit Maria verheiratet und hatte mehrere Kinder.<br />

(Diverse Akten LLA RB Fasz. B 3, Personalstand<br />

vom 1. Mai 1824 und 24. November 1825. - LLA<br />

RB B 5, HK an OA am 18. 5. 1811, LLA RB Fasz. R<br />

1, Volkszählung 1815. )<br />

JOSEPH SCHUPPLER<br />

wurde am 16. September 1776 in Türnau auf der<br />

Herrschaft Trübau in Mähren geboren. Er erhielt<br />

eine juristische Ausbildung und legte die für Böhmen<br />

und Mähren nötigen Prüfungen «in linea politica,<br />

judiciali et criminali» ab. Der Umstand, dass<br />

er - nach eigenen Angaben - Deutsch, Französisch,<br />

Latein, Böhmisch, Polnisch und etwas Italienisch<br />

sprach, weist auf eine gute Allgemeinbildung hin.<br />

Bevor er in liechtensteinische Dienste trat, arbeitete<br />

er während vier Jahren bei einem Stadtadvokaten<br />

in Olmütz als Praktikant und Schreiber. Von<br />

1796 bis 1802 war er Rechtspraktikant bei der<br />

fürstlichen Anwaltschaft in Brünn. Von 1802 bis<br />

1808 war er Justiziär (Gerichtsverwalter) auf den<br />

liechtensteinischen Herrschaften Eisenberg, Trübau,<br />

Hohenstadt, Aussee und Goldenstein. 1808<br />

war er für ein halbes Jahr Justiziär und Rentmeister<br />

auf der Herrschaft Landskron. Mit Dekret vom<br />

1. Oktober 1808 wurde Schuppler zum Landvogt in<br />

Vaduz ernannt, wo er Ende November oder Anfang<br />

Dezember eintraf. Nach über 18jähriger Dienstzeit


in Vaduz wurde er auf den 1. Februar 1827 zum<br />

Amtmann in Butschowitz und Justiziär für Steinitz<br />

bestimmt. 1830 wurde er Amtmann und Justiziär<br />

auf der Herrschaft Hohenstadt, wo er am 11. Januar<br />

1833 starb. - Schuppler war mit Anna Zelinka<br />

aus Hohenstadt (geb. 1789 oder 1790) verheiratet,<br />

die ihm allein in Vaduz elf Kinder gebar. Fünf verstarben<br />

schon in frühem Kindesalter. - Schuppler<br />

soll nach eigenen Angaben die Landvogtstelle in<br />

Vaduz nur ungern angetreten haben, obwohl damit<br />

eine Beförderung und Besoldungserhöhung verbunden<br />

war. Offenbar war ihm anfänglich eine baldige<br />

Versetzung zugesichert worden. Im Laufe seiner<br />

langen Amtszeit bat er mindestens fünfmal eindringlich<br />

um eine Versetzung, wurde aber jeweils<br />

mit der Bemerkung vertröstet, dass Seine Durchlaucht<br />

mit ihm sehr zufrieden sei und er zur Beförderung<br />

vorgemerkt sei. In seinen ersten Jahren in<br />

Vaduz leistete er einen grossen Arbeitsaufwand<br />

und bemühte sich, die in der Dienstinstruktion von<br />

1808 vorgesehenen Reformen (v. a. in der Verwaltung,<br />

Rechtsprechung, im Finanzwesen und in der<br />

Gemeindeordnung) durchzusetzen. Nachdem aber<br />

der «Raitleger» Schmieth und der Grundbuchführer<br />

Zelinka 1815/16 durch zwei einheimische Bürger<br />

ersetzt wurden, fühlte er sich als ein «mit allen<br />

möglichen Geschäftsmissgeschicken isoliert kämpfendes<br />

Subjekt» (Versetzungsgesuch vom 25. April<br />

1826, LLA RB B 3). Auf die Reformphase von 1806<br />

bis 1812 folgte eine längere Phase der Stagnation.<br />

(LLA Conduitlisten 1826 und 1831. Die bislang vollständigsten<br />

Angaben zur Person Schupplers stellte<br />

Alois Ospelt in seiner Einleitung zum Abdruck<br />

der Landesbeschreibung zusammen. In: JBL 1975,<br />

S. 204-213. Vgl. auch Malin S. 47; In der Maur,<br />

Feldmarschall Johann. In: JBL 1905. S. 173)<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG / PAUL VOGT<br />

141


JOHANN STRAK<br />

wurde 1806 oder 1807 geboren. Er konnte keine<br />

höhere Schulbildung vorweisen, zeigte aber «gute<br />

natürliche Anlagen» für einen tüchtigen Beamten.<br />

Vor seiner Tätigkeit in Vaduz war er Steueramtsschreiber<br />

in Plumenau. Vom 1. April 1829 bis<br />

30. September 1832 war er Amtsschreiber in Vaduz,<br />

anschliessend wurde er als Amtsschreiber auf<br />

die Herrschaft Trübau versetzt. Sein Bruder Franz<br />

Strak war Konzipist in der fürstlich liechtensteinischen<br />

Hofkanzlei in Wien, was sein Vorwärtskommen<br />

offenbar erleichterte.<br />

(Conduitliste 1832/1833. LLA RC 7/67 und 29/17)<br />

ADOLF TICHY<br />

wurde am 14. Januar 1833 in Tienischt im Amt<br />

Prag als Sohn eines Oberförsters geboren. Seine<br />

Berufsbezeichnung lautete auf «absolvierter Techniker».<br />

Bis 1855 arbeitete er als Forstpraktikant in<br />

Bobitz. Im April 1855 wurde er als «Mappierungsgehilfe<br />

und Jungjäger II. Klasse» in Vaduz angestellt,<br />

wo er für Vermessungs- und Rheinarbeiten<br />

verwendet wurde. Am 12. April 1858 verliess er<br />

den fürstlichen Dienst, weil ihm in Basel eine besser<br />

bezahlte Stelle angeboten wurde. Als 1859 die<br />

Kriegsbereitschaft angeordnet wurde, wurde er als<br />

zweiter Offizier wieder eingestellt. Seine Qualitäten<br />

als Offizier sind zweifelhaft: In der österreichischen<br />

Armee hatte er lediglich vom 4. März bis 15. April<br />

1854 Dienst geleistet und sich dann durch Bezahlung<br />

einer Taxe von der Dienstpflicht befreit. Als er<br />

im liechtensteinischen Kontingent diente, warf ihm<br />

Landesverweser Menzinger vor, nicht einmal das<br />

Militär-Reglement zu kennen. Tichy wurde auch als<br />

zweiter Offizier für technische Arbeiten im Land<br />

(Vermessungs- und Rüfeverbauungsarbeiten) verwendet.<br />

Im Januar 1861 quittierte er den Dienst.<br />

(LLA Militärverzeichnis von Lieutnant Peter Rheinberger.<br />

LLA RC diverse Akten in 104/271, 107/166<br />

und 69/16)<br />

142<br />

I<br />

FRANZ URBANEK<br />

wurde 1838 geboren. Auf den 1. Januar 1858 wurde<br />

er als Rechnungsschreiber in Vaduz angestellt,<br />

zuvor war er Diurnist beim k. k. Bezirksamt in Lundenburg.<br />

Er hatte gute Kenntnisse in Böhmisch.<br />

(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 31. 12.<br />

1860. Siehe auch LLA RC Fasz. 106/108)<br />

PETER ZELINKA<br />

wurde 1808 zusammen mit Joseph Schuppler als<br />

Grundbuchführer und Gerichtsaktuar nach Vaduz<br />

versetzt. 1815 wurde er auch Rentschreiber. Auf<br />

den 1. September 1816 wurde er als Wirtschaftsbereiter<br />

nach Lundenburg versetzt.<br />

(Tschugmell, Beamte S. 53. LLA RB Fasz. B 3)<br />

I


VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

ANHANG/PAUL VOGT<br />

143


Literatur- und<br />

Quellennachweis<br />

ABKÜRZUNGS­<br />

VERZEICHNIS<br />

ABGB<br />

allgemeines bürgerliches<br />

Gesetzbuch<br />

AGO<br />

allgemeine Gerichtsordnung<br />

fl<br />

Gulden Reichswährung<br />

HK<br />

Fürstlich-liechtensteinische<br />

Hofkanzlei in Wien<br />

JBL<br />

Jahrbuch des Historischen<br />

Vereins für das Fürstentum<br />

Liechtenstein<br />

OA<br />

Fürstlich-liechtensteinisches<br />

Oberamt in Vaduz<br />

(bis 1848)<br />

144<br />

UNGEDRUCKTE<br />

QUELLEN<br />

LLA<br />

LIECHTENSTEINISCHES<br />

LANDESARCHIV, VADUZ<br />

RA<br />

Alte Registratur (bis 1808)<br />

RB<br />

Schuppler Registratur<br />

(1808 bis 1827)<br />

RC<br />

Neue Registratur (1827 bis<br />

1861)<br />

NS<br />

Normaliensammlung<br />

(gedruckte und ungedruckte<br />

Gesetze und Verordnungen)<br />

SF<br />

Sonderfaszikel (ausgesonderte<br />

Akten zu bestimmten<br />

Materialien)<br />

Rentamtliche Rechnungsbücher <br />

Staatsrechnungs-Conferenzbücher<br />

(seit 1844)<br />

Fonds-Rechnungsbücher<br />

Peter Kaiser-Akten<br />

Schädler-Akten<br />

Sammlung Gustav Alfons<br />

Matt<br />

FamARh<br />

FAMILIENARCHIV<br />

RHEINBERGER<br />

David Rheinberger,<br />

Notizen aus der Zeit und<br />

dem Leben unserer Voreltern<br />

(umfaßt die Zeit von<br />

1790 bis 1855; verfaßt um<br />

1870).<br />

Rudolf Rheinberger, Fortsetzung<br />

zu David Rheinbergers<br />

«Notizen» (verfaßt<br />

1945).<br />

GEDRUCKTE QUELLEN<br />

Besoldungssystem für das<br />

fürstliche Dienst-Personale<br />

vom Jahre 1837. Wien<br />

1838.<br />

Haupt-Instruktion zur organischen<br />

Einrichtung der<br />

fürstlichen Administration<br />

überhaupt, mit Begründung<br />

auf die Zwecke, die<br />

dadurch zu erreichen,<br />

dann mit Festsetzung der<br />

hauptsächlichsten Grundsätze,<br />

welche dabei zu beachten<br />

sind. Wien 1838.<br />

Heibert, Jakob: Auszüge<br />

aus der Chronik des Jakob<br />

Heibert. Hg. v. Johann<br />

Baptist Büchel. In: JBL<br />

1929.<br />

Huber, Ernst Rudolf: Dokumente<br />

zur deutschen Verfassungsgeschichte.Stuttgart<br />

1961, Bde. 1 und 2.<br />

Klenze, Hippolit von: Die<br />

Alpwirtschaft im Fürstentum<br />

Liechtenstein, ihre<br />

Anfänge, ihre Entwicklung<br />

und gegenwärtiger Zustand.<br />

Stuttgart 1879.<br />

Kraetzl, Franz: Das Fürstentum<br />

Liechtenstein und<br />

der gesamte Fürst Johann<br />

von und zu Liechtenstein'sche<br />

Güterbesitz.<br />

Brünn 1914.<br />

Liechtensteiner Volkswirt:<br />

Hermann Kessler, Aus den<br />

Jugenderinnerungen eines<br />

Liechtensteiners im Ausland.<br />

In: Liechtensteiner<br />

Volkswirt, 6. Dezember<br />

1927, Nr. 34.<br />

Menzinger, Moritz: Die<br />

Menzinger in Liechtenstein.<br />

In: JBL 1913.<br />

Rheinberger, Johann: Das<br />

«Politische Tagebuch» des<br />

Amtsboten Johann Rheinberger.<br />

Hg.v. Rudolf Rheinberger.<br />

In: JBL 1958.<br />

Schuppler, Joseph: Beschreibung<br />

des Fürstenthums<br />

Liechtenstein. Entworfen<br />

vom Landvogt Joseph<br />

Schuppler im Jahre<br />

1815. Herausgegeben und<br />

eingeleitet von Alois Ospelt.<br />

In: JBL 1975.<br />

Steinmüller, Johann Rudolf:<br />

Beschreibung der<br />

schweizerischen Alpenund<br />

Landwirtschaft, nach<br />

den verschiedenen Abweichungen<br />

einzelner Kantone.<br />

Dritter Abschnitt,<br />

welcher die Alpen- und<br />

Landwirthschaft der ehemaligen<br />

Landvogteyen<br />

Sax, Gambs, Werdenberg<br />

und Warthau enthält.<br />

Winterthur 1804. 2. Bd.


DARSTELLUNGEN<br />

Banko, Julius: Geschichte<br />

der liechtensteinischen<br />

Landvögte im 18. Jahrhundert.<br />

In: JBL 1937.<br />

Beck, Wilhelm-. Das Recht<br />

des Fürstentums Liechtenstein.<br />

Zürich 1912.<br />

Beidtel, Ignaz. Geschichte<br />

der österreichischen<br />

Staatsverwaltung 1740-<br />

1848, hg. v. A. Huber.<br />

Innsbruck 1896-98. 2 Bde.<br />

Bielmann, Jürg: Die<br />

Lebensverhältnisse im<br />

Urnerland während des<br />

18. und zu Beginn des<br />

19. Jahrhunderts. Diss.<br />

Basel 1972<br />

Bleck, Wilhelm: Von der<br />

Kameralausbildung zum<br />

Juristenprivileg. Studium,<br />

Prüfung und Ausbildung<br />

der höheren Beamten des<br />

allgemeinen Verwaltungsdienstes<br />

in Deutschland im<br />

18. und 19. Jahrhundert,<br />

Historische und Pädagogische<br />

Studien. Berlin 1972.<br />

3. Bd.<br />

Bogner, Ingeborg: Die<br />

Liechtensteinischen Herrschaften<br />

und ihre Untertanen<br />

in der Nordostecke<br />

von Niederösterreich<br />

(15.-19. Jahrhundert).<br />

Diss. (Masch.) Wien 1953.<br />

Böhler, Manfred: Die Entwicklung<br />

der Wirtschaft<br />

des Fürstentums Liechtenstein<br />

seit 1852. Diss.<br />

(Masch.) Wien 1949.<br />

Brotschi, Livia: Voraussetzungen<br />

in der Geschichte<br />

Liechtensteins für<br />

die Anlehnung an die<br />

Schweiz. Lizentiatsarbeit<br />

bei Prof. Bucher (Masch.).<br />

Zürich 1974<br />

Brugger, Hans: Die schweizerische<br />

Landwirtschaft in<br />

der ersten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts. Frauenfeld<br />

1956.<br />

Brunner, Otto: Staat und<br />

Gesellschaft im vormärzlichen<br />

Österreich im<br />

Spiegel von J. Beidtels<br />

Geschichte der österreichischen<br />

Staatsverwaltung<br />

1740-1848. In: Staat und<br />

Gesellschaft im deutschen<br />

Vormärz 1815-1848. Industrielle<br />

Welt, Bd. 1. Hg. v.<br />

Werner Conze, Stuttgart<br />

1962.<br />

Büchel, Johann Baptist:<br />

Geschichte der Pfarrei<br />

Triesen. In: JBL 1902.<br />

ders.: Geschichte der Pfarrei<br />

Schaan. In: JBL 1927.<br />

ders.: Geschichte der Pfarrei<br />

Bendern. In: JBL 1923.<br />

ders..- Bilder aus der<br />

Geschichte von Mauren.<br />

In: JBL 1915.<br />

ders.: Die Pfarrbücher<br />

Liechtensteins, I. Balzers.<br />

In: JBL 1918.<br />

Büchel, Josef: Der Gemeindenutzen<br />

im Fürstentum<br />

Liechtenstein (Masch.).<br />

Triesen 1953.<br />

Bucher, Silvio: Bevölkerung<br />

und Wirtschaft des<br />

Amtes Entlebuch im<br />

18. Jahrhundert. Diss.<br />

Luzern 1974.<br />

Bundsmann, Anton: Die<br />

Entwicklung der politischen<br />

Verwaltung im Tirol<br />

und Vorarlberg seit Maria<br />

Theresia bis 1918. Dornbirn<br />

1961.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

LITERATUR- UND QUELLENNACHWEIS / PAUL VOGT<br />

Burmeister, Karl Heinz:<br />

Die Vorarlberger Landsbr<strong>äu</strong>che<br />

und ihr Standort<br />

in der Weistumsforschung.<br />

Diss. Zürich 1970.<br />

Daimler, Paul-. Die Einnahmebeschaffung<br />

im Staatshaushalt<br />

des Fürstentums<br />

Liechtenstein. Stuttgart<br />

1926.<br />

Dommer, Herrmann: Die<br />

wirtschaftliche Entwicklung<br />

des Fürstentums<br />

Liechtenstein unter spezieller<br />

Berücksichtigung<br />

der gegenwärtigen Verhältnisse<br />

in der Landwirtschaft.<br />

Diss. Bern, Vaduz<br />

1954.<br />

Falke, Jacob von:<br />

Geschichte des fürstlichen<br />

Hauses von Liechtenstein.<br />

Wien 1882. 3 Bde.<br />

Feger, Alfons: Fürst Josef<br />

Wenzel Liechtenstein.<br />

Seine Stellung in der Geschichte<br />

seiner Zeit und<br />

seine Regierung im Fürstentum<br />

Liechtenstein. In:<br />

JBL 1921.<br />

ders.: Johann II. Fürst von<br />

Liechtenstein. In: JBL<br />

1928.<br />

ders.: Die Pfarrbücher<br />

Liechtensteins. II. Triesen.<br />

In: JBL 1920.<br />

Geiger, Peter: Geschichte<br />

des Fürstentums Liechtenstein<br />

1848-1866. Diss. Zürich.<br />

In: JBL 1970.<br />

Goop, Adulf Peter: Liechtenstein<br />

gestern und<br />

heute. Vaduz 1973.<br />

Haager, Arthur: Aus der<br />

Zeit der Zoll- und Wirtschaftsunion<br />

Österreichs<br />

und Liechtensteins von<br />

1852-1919.In: JBL 1961.<br />

Hämmerle, Walter: Entwicklung<br />

des Gerichtswesens<br />

im Lande Vorarlberg.<br />

In: Montfort 1, 1946.<br />

Hauser, Albert: Schweizerische<br />

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte,<br />

Zürich<br />

1961.<br />

Helbling, Ernst C: ÖsterreichischeVerfassungsundVerwaltungsgeschichte.<br />

Wien 1974.<br />

Kleiner, Victor: Vorarlbergs<br />

historische Entwicklung<br />

der Verwaltungspragmatik.<br />

In: Archiv für Geschichte<br />

und Landeskunde<br />

Vorarlbergs 3, 1906.<br />

Ilg, Karl: Die Reformen der<br />

Verwaltung für Vorarlberg<br />

während der Regierungszeit<br />

der Kaiserin Maria<br />

Theresia (1740-1780).<br />

In: Alemannia 11, 1937.<br />

In der Maur, Karl von:<br />

Die Gründung des<br />

Fürstentums Liechtenstein.<br />

In: JBL 1901.<br />

ders.: Feldmarschall<br />

Johann Fürst von Liechtenstein<br />

und seine Regierungszeit<br />

im Fürstentum.<br />

In: JBL 1905.<br />

ders.: Verfassung und Verwaltung<br />

im Fürstentum<br />

Liechtenstein. Sonderdruck<br />

aus der 2. Auflage<br />

des Österreichischen<br />

Staatswörterbuches. Hrsg.<br />

v. E. Mischler und<br />

J. Ulrich. Wien 1907.<br />

ders.: Johann II, Fürst<br />

von Liechtenstein.<br />

In: JBL 1908.<br />

145


ders.: Die Rezeption des<br />

österreichischen allgemeinen<br />

bürgerlichen Gesetzbuches<br />

in Liechtenstein.<br />

Separatdruck aus: Festschrift<br />

der ABGB, Teil 1,<br />

Wien 1911.<br />

Kaiser, Peter: Geschichte<br />

des Fürstentums Liechtenstein.<br />

Nebst Schilderungen<br />

aus Chur-Rätiens Vorzeit.<br />

Chur1847.<br />

ders.: Geschichte des Fürstentums<br />

Liechtenstein,<br />

2. Auflage. Bearbeitet von<br />

Johann Baptist Büchel.<br />

Vaduz 1923.<br />

Koselleck, Reinhart:<br />

Preußen zwischen Reform<br />

und Revolution. Allgemeines<br />

Landrecht, Verwaltung<br />

und soziale Bewegung von<br />

1791 bis 1848. In: Industrielle<br />

Welt, Bd. 7. Hg. v.<br />

Werner Conze. Stuttgart<br />

1967.<br />

Kugele, Dieter: Der politische<br />

Beamte. Eine Studie<br />

über Genesis, Motiv,<br />

Bewährung und Reform<br />

einer politisch-administrativen<br />

Institution. München<br />

1976.<br />

Kuhn, Friedrich: Das<br />

Fürstlich Liechtensteinische<br />

Truppenkontingent<br />

zum Deutschen Bund<br />

1816-1866. In: JBL 1964.<br />

Malin, Georg: Die politische<br />

Geschichte des Fürstentums<br />

Liechtenstein in<br />

den Jahren 1800-1815. In:<br />

JBL 1953.<br />

ders.: Die Souveränität<br />

Liechtensteins. In: JBL<br />

1955.<br />

Martin, Graham: Liechtensteinische<br />

Lehrmittel<br />

1835-1865.In:JBL 1965.<br />

146<br />

ders.: Liechtensteiner Pädagogen<br />

im Ausland. In-,<br />

JBL 1967.<br />

Marxer, Johann Georg: Die<br />

Schule unter Schuppler.<br />

In: JBL 1928.<br />

ders.: Unsere Volksschule<br />

seit Schuppler. In: JBL<br />

1929.<br />

ders.: Die fürstliche<br />

Taverne. In: JBL 1930.<br />

ders.: Das liechtensteinische<br />

Priesterkapitel.<br />

In: JBL 1934.<br />

Marxer, Otto Ludwig: Die<br />

Organisation der obersten<br />

Staatsorgane in Liechtenstein.<br />

Diss. (Masch.)<br />

Innsbruck 1924.<br />

Ospelt, Alois: Wirtschaftsgeschichte<br />

des Fürstentums<br />

Liechtenstein im<br />

19. Jahrhundert. Diss.<br />

Freiburg. In: JBL 1972.<br />

Ospelt, Josef: Regesten aus<br />

den Urkunden des fürstlich<br />

liechtensteinischen<br />

Regierungsarchives.<br />

In: JBL 1925.<br />

ders.: Regesten von<br />

Urkunden des ehemaligen<br />

Archives im Schloß<br />

Vaduz. In: JBL 1933.<br />

ders.: Aus den Akten des<br />

Reichskammergerichtes<br />

des alten deutschen Reiches.<br />

In: JBL 1935.<br />

ders.: Zur liechtensteinischenVerfassungsgeschichte.<br />

In: JBL 1937.<br />

ders.: Landammäner-Verzeichnis<br />

und Landammänner-Siegel.<br />

In: JBL 1940.<br />

ders.: Die Gründung der<br />

Grafschaft Vaduz. In: JBL<br />

1941.<br />

ders.: Die Ämterbesetzung<br />

in der letzten Zeit der<br />

Landammänerverfassung.<br />

In: JBL 1942.<br />

ders.: Zwei Landschaftsrechnungen<br />

aus dem<br />

18. Jahrhundert. In: JBL<br />

1945.<br />

ders.: Aus der Rentamtsrechnung<br />

für 1786. In: JBL<br />

1948.<br />

Pappermann, Ernst: Die<br />

Regierung des Fürstentums<br />

Liechtenstein. Diss.<br />

Bigge Ruhr 1967.<br />

Poeschel, Erwin: Die<br />

Kunstdenkmäler des Fürstentums<br />

Liechtenstein.<br />

Sonderband aus der Reihe:<br />

Die Kunstdenkmäler<br />

der Schweiz. Basel 1950.<br />

Quaderer, Rupert: Politische<br />

Geschichte des Fürstentums<br />

Liechtenstein<br />

von 1815-1848. Diss. Fribourg.<br />

In: JBL 1969.<br />

Raton, Pierre: Liechtenstein,<br />

Staat und Geschichte.<br />

Vaduz 1969.<br />

Rheinberger, David: Landeskunde<br />

des Fürstentums<br />

Liechtenstein. Innsbruck<br />

1876.<br />

Ritter, Rupert: Die Brandischen<br />

Freiheiten. In-. JBL<br />

1943.<br />

Schädler, Albert: Die Tätigkeit<br />

des liechtensteinischen<br />

Landtages im<br />

19. Jahrhundert. In: JBL<br />

1901, 1903, 1904, 1912,<br />

1913, 1921.<br />

ders.: Die alten Rechtsgewohnheiten<br />

und Landsordnungen<br />

der Grafschaft<br />

Vaduz und Herrschaft<br />

Schellenberg. In: JBL<br />

1905.<br />

ders.: Karl Freiherr Haus<br />

von Hausen (1823-1889).<br />

In: JBL 1906.<br />

ders.: Regesten zu den Urkunden<br />

der liechtensteinischen<br />

Gemeindearchive<br />

und Alpgenossenschaften.<br />

In: JBL 1908.<br />

ders,: Huldigungsakte bei<br />

dem Übergang der Herrschaft<br />

Schellenberg und<br />

Grafschaft Vaduz an die<br />

Fürsten von Liechtenstein.<br />

In: JBL 1910.<br />

ders.: Die geschichtliche<br />

Entwicklung Liechtensteins<br />

mit besonderer Berücksichtigung<br />

der neueren<br />

Zeit. In: JBL 1919.<br />

ders.: Das Hungerjahr<br />

1817 in Liechtenstein.<br />

In: JBL 1919.<br />

Schafhauser, Eugen: Liechtensteins<br />

Eschnerberg im<br />

Schatten von fünf Jahrtausenden.<br />

St. Gallen 1959.<br />

Schmid, Georg: Das Hausrecht<br />

der Fürsten von<br />

Liechtenstein. Diss.<br />

Zürich. In: JBL 1978.<br />

Seger, Otto: Von Hohenems<br />

zu Liechtenstein. In: JBL<br />

1958.<br />

ders.: Zur Erwerbung der<br />

Grafschaft Vaduz durch<br />

Fürst Johann Adam von<br />

Liechtenstein vor zweihundertfünfzig<br />

Jahren.<br />

In: JBL 1961.<br />

ders.: Die Leibeigenschaft<br />

und ihre Aufhebung.<br />

In: JBL 1964.<br />

ders.: Überblick über<br />

die liechtensteinische<br />

Geschichte, Vaduz 1965.


Somweber, Erich: Die Reformen<br />

Maria Theresias<br />

und Josephs II. in Vorarlberg.<br />

Diss. Wien 1931.<br />

Steger, Gregor: Fürst und<br />

Landtag nach liechtensteinischem<br />

Recht. Diss.,<br />

Vaduz 1950.<br />

Steinbach, Peter: Industrialisierung<br />

und Sozialsystem<br />

im Fürstentum<br />

Lippe. Zum Verhältnis von<br />

Gesellschaftsstruktur und<br />

Sozialverhalten einer verspätet<br />

industrialisierten<br />

Region im 19. Jahrhundert.<br />

Mit einem statistischen<br />

Anhang, Historische<br />

und Pädagogische Studien,<br />

Bd. 7. Diss. Berlin 1976.<br />

Stekl, Hannes: Grundlagen,<br />

Formen und Ausdruck<br />

adeligen Lebensstils<br />

im Vormärz. Zur Geschichte<br />

der Fürstenh<strong>äu</strong>ser<br />

Liechtenstein und<br />

Schwarzenberg. Diss.<br />

(Masch.) Wien 1968.<br />

Stekl, Hannes: Österreichische<br />

Aristokratie im Vormärz.<br />

Herrschaftsstil und<br />

Lebensformen der Fürstenh<strong>äu</strong>ser<br />

Liechtenstein<br />

und Schwarzenberg. München<br />

1973<br />

Stolz, Otto: Verfassungsgeschichte<br />

des Landes Vorarlberg.<br />

Montfort 5, 1950.<br />

ders.: Grundriß der österreichischenVerfassungsundVerwaltungsgeschichte.<br />

Innsbruck 1951.<br />

Tremel, Ferdinand:<br />

Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />

Österreichs.<br />

Wien 1969.<br />

Tschugmell, Fridolin:<br />

Beamte 1681-1840.<br />

Dienstinstruktionen,<br />

Diensteide usw.. In: JBL<br />

1947<br />

Vogt, Alois: Die Entwicklung<br />

der liechtensteinischen<br />

Industrie. In: Das<br />

Fürstentum Liechtenstein<br />

im Wandel der Zeit und im<br />

Zeichen seiner Souveränität.<br />

Vaduz 1956.<br />

Voigt, B. B.: Die Auflösung<br />

des Klosters Pfäfers im<br />

Verhältnis zum Fürstentum<br />

Liechtenstein. In: JBL<br />

1930.<br />

Vorarlbergisches Wörterbuch<br />

mit Einschluß des<br />

Fürstentums Liechtenstein.<br />

Hg. v. der Österreich.<br />

Akademie der Wissenschaften,<br />

bearb v. Leo<br />

Lutz. Wien 1955/60.<br />

Walter, Friedrich: Österreichische<br />

Verfassungs- und<br />

Verwaltungsgeschichte von<br />

1500-1955. Aus dem<br />

Nachlaß herausgegeben<br />

von Adam Wandruszka.<br />

Wien 1972.<br />

Wandruszka, Adam und<br />

Peter Urbanitsch (Hg.): Die<br />

Habsburgermonarchie<br />

1848-1918. Bd. I: Die wirtschaftliche<br />

Entwicklung.<br />

Wien 1973. Bd. IL Verwaltung<br />

und Rechtswesen.<br />

Wien 1975.<br />

Wanner, Gerhard: Aspekte<br />

zur Liechtensteiner Wirtschafts-<br />

und Sozialgeschichte<br />

um 1800.<br />

In: JBL 1970.<br />

Weber, Max: Wirtschaft<br />

und Gesellschaft. Grundriß<br />

der verstehenden Soziologie.<br />

Tübingen 1972.<br />

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />

LITERATUR- UND QUELLENNACHWEIS / PAUL VOGT<br />

Welti, Ludwig: Geschichte<br />

der Reichsgrafschaft Hohenems<br />

und des Reichshofes<br />

Lustenau. In: Forschungen<br />

zur Geschichte<br />

Vorarlbergs und Liechtensteins.<br />

Innsbruck 1930.<br />

Bd. 4.<br />

ders.: Gliederung der Vorarlberger<br />

Verwaltung von<br />

1814-1868. In: Hundert<br />

Jahre Bezirkshauptmannschaften<br />

in Österreich.<br />

Wien 1968.<br />

ders.: Siedlungs- und Sozialgeschichte<br />

von Vorarlberg.<br />

In: Veröffentlichungen<br />

der Universität Innsbruck,<br />

Studien zur Rechts-,<br />

Wirtschafts- und Kulturgeschichte.<br />

Innsbruck 1973.<br />

Wille, Herbert: Staat und<br />

Kirche im Fürstentum<br />

Liechtenstein. Diss. Fribourg1972.<br />

Wurzbach, Constant von:<br />

Biographisches Lexikon<br />

des Kaiserthumes Österreich.<br />

Wien 1856-1923.<br />

60 Bde.<br />

Ziegler, Uwe: Verwaltungs-,<br />

Wirtschafts- und Sozialstruktur<br />

Hohenzollerns im<br />

19. Jahrhundert, in: Arbeiten<br />

zur Landeskunde<br />

Hohenzollerns. Bd. 13.<br />

Sigmaringen 1976.<br />

Zorzi, Eduard: Die Grundherrschaft<br />

der Feste Liechtenstein<br />

(12. Jahrhundert<br />

bis 1808). Diss. (Masch.)<br />

Wien 1939.<br />

147


BILDNACHWEIS REPROS<br />

Alle Abbildungen: Heinz Preute, Vaduz<br />

Liechtensteinisches<br />

Landesarchiv, Vaduz<br />

148<br />

ANSCHRIFT DES AUTORS<br />

lic. phil. Paul Vogt<br />

Palduinstrasse 74<br />

FL-9496 Balzers

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