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VERWALTUNGS<br />
STRUKTUR UND<br />
VERWALTUNGS<br />
REFORMEN<br />
IM FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN IN DER<br />
ERSTEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS<br />
PAUL VOGT
Inhalt<br />
Einleitung 39<br />
Die Organisation der fürstlichen Verwaltung 42<br />
- Umfang des fürstlichen Besitzes 42<br />
- Die Hofkanzlei in Wien 42<br />
- Die Buchhaltung in Butschowitz 46<br />
- Die Hauptkassa in Wien 47<br />
- Die Kontroll- und Inspizierungsbehörden 47<br />
- Die Herrschaftsämter 48<br />
Verfassungsrechtliche Grundlagen<br />
im Fürstentum Liechtenstein 50<br />
- Das monarchische Prinzip 50<br />
- Die Beseitigung der Gerichte und der<br />
landständische Landtag 53<br />
Das Oberamt in Vaduz 58<br />
-Allgemeine Verwaltungsgrundsätze 58<br />
-Verwaltungskontrolle 61<br />
- Der Ausbau des Oberamtes 62<br />
Das Beamtenverhältnis als ein zweiseitiges<br />
Treueverhältnis 70<br />
- Die Beamten als Fürstendiener 70<br />
- Die Fürsorgepflicht des Fürsten für seine<br />
Beamten 76<br />
- Die «minderen Diener» 80<br />
Das Finanzwesen 84<br />
- Die Reform der direkten Steuern 84<br />
- Die Erhöhung der Taxen und Gebühren 86<br />
- Die Schaffung von indirekten Steuern 88<br />
- Die Gefälle als fürstliche Privateinnahmen 88<br />
- Die staatliche Finanznot 90<br />
Die Gesetzgebung 92<br />
- Die Justizgesetzgebung 92<br />
- Die «politische» Gesetzgebung 95<br />
Der Aufbau einer Landespolizei 100<br />
Das Schulwesen 106<br />
- Zielsetzung und Organisation der Schule 106<br />
- Die Schulgesetze als Ausdruck der<br />
staatlichen Schulhoheit 106<br />
- Finanzierung des Schulwesens 108<br />
- Die Stellung der Lehrer 109<br />
- Die sozialen Folgen der Schulreformen 112<br />
38<br />
Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche 114<br />
- Organisation der Kirche 114<br />
- Die staatliche Kirchenpolitik 118<br />
- Die Kirche als staatserhaltender Faktor 122<br />
Zusammenfassung 124<br />
Anhang:<br />
Biographische Angaben zu den Beamten 126<br />
Literatur- und Quellennachweis 144<br />
- Abkürzungsverzeichnis 144<br />
- Ungedruckte Quellen 144<br />
- Gedruckte Quellen 144<br />
- Darstellungen 145<br />
- Bildnachweis 148<br />
- Repros 148
ZUR PUBLIKATION DIESER ARBEIT<br />
Die nachfolgende Arbeit entstand im Jahre 1979<br />
als Lizentiatsarbeit bei Prof. Rudolf Braun an der<br />
Universität Zürich. Ursprünglich war geplant, sie<br />
zu einer Dissertation auszubauen. Dies war jedoch<br />
neben einer vollen Berufstätigkeit nicht möglich.<br />
Für die Publikation im Jahrbuch des Historischen<br />
Vereins wurden nur geringfügige, eher stilistische<br />
Änderungen vorgenommen.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
EINLEITUNG / PAUL VOGT<br />
Einleitung<br />
Das Fürstentum überlebte als kleinster deutscher<br />
Staat den Zusammenbruch des Alten Deutschen<br />
Reiches. 1806 erlangte es durch die Aufnahme in<br />
den Rheinbund die Souveränität, die 1815 durch<br />
den Wiener Kongress und die Aufnahme in den<br />
Deutschen Bund bestätigt und international anerkannt<br />
wurde. Diese Entwicklung verdankte das<br />
kleine Fürstentum vor allem dem hohen internationalen<br />
Ansehen seines Fürstenhauses - kurios mutet<br />
dabei an, dass bis dahin noch kein liechtensteinischer<br />
Fürst sein Fürstentum gesehen hatte. Das<br />
Haus Liechtenstein gehörte der Wiener Hocharistokratie<br />
an und besass in Österreich ausgedehnte Besitzungen,<br />
die von Wien aus verwaltet wurden.<br />
Der zeitliche Rahmen dieser Arbeit umfasst die<br />
Jahre 1806 bis 1862. Die 1806 erreichte Souveränität<br />
bildete den Ausgangspunkt und zugleich die<br />
Rechtfertigung für eine weitreichende Verfassungsund<br />
Verwaltungsreform nach dem Vorbild des aufgeklärten<br />
Absolutismus in Österreich. Kernpunkte<br />
dieser Reform waren die Beseitigung der landschaftlichen<br />
Selbstverwaltung, eine strenge Zentralisation<br />
der staatlichen Verwaltung und die Beseitigung<br />
alter Br<strong>äu</strong>che und Gewohnheiten. Die Arbeit<br />
bricht zeitlich dort ab, wo die zweite grundlegende<br />
Reform in der Geschichte Liechtensteins im<br />
19. Jahrhundert beginnt: 1862 erhielt das Fürstentum<br />
eine konstitutionelle Verfassung und eine eigene<br />
Regierung mit Sitz in Vaduz. Der strenge Zentralismus<br />
wurde beseitigt, und eine gewählte Volksvertretung<br />
begann, zusammen mit dem Monarchen<br />
die Gesetzgebung auszuüben.<br />
Wirtschaftlich gesehen stellte Liechtenstein ein<br />
ländliches Agrargebiet dar, das in seiner Entwicklung<br />
gegenüber den angrenzenden Regionen zurückgeblieben<br />
war. Gewerbebetriebe bestanden<br />
nur insofern, wie sie mit dem b<strong>äu</strong>erlichen Leben<br />
oder mit dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch<br />
einigermassen bedeutenden Rodfuhrverkehr in Zusammenhang<br />
standen. Die Landwirtschaft war<br />
noch weitgehend an die traditionellen Wirtschaftsformen<br />
gebunden, die im Laufe des 19. Jahrhunderts<br />
nur langsam abgebaut wurden. Um 1800 waren<br />
noch ca. zwei Drittel des gesamten landwirt-<br />
39
schaftlich nutzbaren Bodens Gemeinbesitz, gegen<br />
dessen Aufteilung sich die Untertanen mehrheitlich<br />
wehrten. Ein grosser Teil der Talebene war versumpft,<br />
was eine schlechte Bodenqualität zur Folge<br />
hatte. Die meisten Bauern waren Kleinbauern und<br />
produzierten vornehmlich für den Eigenbedarf.<br />
Das liechtensteinische Vieh wird als klein beschrieben,<br />
beim Verkauf ihrer Rinder auf den benachbarten<br />
Schweizer Märkten sollen die Liechtensteiner<br />
schlechte Preise erzielt haben. Die im Erbrecht bestehende<br />
Realteilung führte zu einer extremen Zerstückelung<br />
des b<strong>äu</strong>erlichen Privatbesitzes. Ein weiteres<br />
Problem stellte die ausserordentlich hohe<br />
Verschuldung der liechtensteinischen Bauern dar.<br />
Der Weinbau wurde vor allem auf dem grundherrlichen<br />
Boden betrieben. Im 18. Jahrhundert und zu<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts hatte er noch gute Erträge<br />
abgeworfen, doch geriet er durch die Zollpolitik<br />
Österreichs seit Beginn des 19. Jahrhunderts in<br />
eine schwere Krise. Eine ähnliche Entwicklung<br />
machte das Rodfuhrwesen durch: Zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts bot es den Untertanen, die sich<br />
Pferde leisten konnten, eine gute Erwerbsmöglichkeit,<br />
doch büsste es bereits um 1830 durch die Beseitigung<br />
der Rodpflicht seine Bedeutung ein. Die<br />
wirtschaftliche Krise wurde durch die Isolation des<br />
Fürstentums verschärft: Von den übrigen deutschen<br />
Staaten war Liechtenstein durch Österreich<br />
geographisch getrennt. Österreich seinerseits hielt<br />
auch gegenüber dem Fürstentum seine Schutzzölle<br />
lange aufrecht und war erst 1852 bereit, mit Liechtenstein<br />
einen Zollvertrag abzuschliessen. Wirtschaftlich<br />
war Liechtenstein bis in die zweite Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts auf die Schweiz ausgerichtet.<br />
Die wirtschaftliche Problematik war eng mit der sozialen<br />
verknüpft: Wie in den übrigen europäischen<br />
Staaten begann sich auch in Liechtenstein die Einbindung<br />
der Individuen in Lebensgemeinschaften,<br />
die nach ständischem Recht und Herkommen geordnet<br />
waren, aufzulösen. In Liechtenstein setzte<br />
dieser Prozess relativ spät ein und verlief nur langsam<br />
und keineswegs geradlinig. Einige Stichworte<br />
mögen den Umfang dieser Problematik andeuten:<br />
Die Rechte zur Nutzung der Gemeinheiten und zum<br />
Holzbezug aus den Gemeindewäldern waren eng<br />
40<br />
mit dem Gemeindebürgerrecht verbunden; das<br />
Recht zur Nutzung der Alpen besassen nur Alpgenossenschaftsmitglieder.<br />
Die Mitgliedschaft in diesen<br />
Verbänden, die sich gegen Neuaufnahmen abschlössen,<br />
war nur schwer zu erwerben. Den Nutzungsrechten<br />
in diesen Verbänden standen aber<br />
auch mannigfaltige Unterhaltspflichten gegenüber.<br />
Wie stark diese traditionellen Bindungen bis weit<br />
ins 19. Jahrhundert hinein wirksam waren, zeigte<br />
sich bei der saisonalen Auswanderung: Die wirtschaftliche<br />
Krisensituation und das hohe Bevölkerungswachstum<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
zwangen jährlich einen grossen Teil der<br />
erwerbsfähigen Bevölkerung zur saisonalen Auswanderung.<br />
Eine definitive Auswanderung wurde<br />
durch die staatliche Auswanderungspolitik bis<br />
1843 fast verunmöglicht. Weitere Bindungen an<br />
das ständische Herkommen stellten der Zwang zur<br />
Zugehörigkeit zur katholischen Religion, ein Eheverbot<br />
für arme Leute und ein bis in die 1840er<br />
Jahre bestehendes Verbot zum Bauen neuer H<strong>äu</strong>ser<br />
dar.<br />
Die Geschichte der liechtensteinischen Verwaltung<br />
im Zeitraum zwischen 1806 und 1862 ist auf dem<br />
Hintergrund dieser wirtschaftlichen und sozialen<br />
Problematik zu sehen. Die Verwaltungsreformen<br />
von 1806 bis 1812 werden in Darstellungen zur<br />
liechtensteinischen Geschichte mit der Entstehung<br />
eines «modernen Staates» gleichgesetzt. Diese Auffassung<br />
soll dieser Arbeit als allgemeine Fragestellung<br />
zugrunde gelegt werden: In welchen Bereichen<br />
entwickelte die Verwaltung «moderne» Vorstellung,<br />
in welchen Bereichen blieben die traditionellen<br />
Strukturen erhalten?<br />
Der Begriff «Verwaltung» lässt sich nicht sehr präzis<br />
fassen, da er einen allgemeinen Ausdruck für<br />
die Organisation und das Handeln der staatlichen<br />
Behörden darstellt. Verwaltung stellt dabei auch<br />
immer Ausübung von Herrschaft dar. Diese Auffassung<br />
von Verwaltung bestimmt den Aufbau dieser<br />
Arbeit: In den ersten Kapiteln soll die Organisation<br />
der staatlichen Behörden aufgezeigt werden, in<br />
den darauf folgenden Kapiteln das Handeln dieser<br />
Behörden in den Bereichen Finanzwesen, Gesetzgebung,<br />
Polizeiwesen, Schulwesen und Kirche. Auf
eine besondere Darstellung des Gerichtswesens<br />
kann verzichtet werden, da eine Trennung von Verwaltung<br />
und Justiz erst 1871 erfolgte. Organisatorisch<br />
gesehen bildete das Oberamt in Vaduz die erste,<br />
die fürstlich liechtensteinische Hofkanzlei in<br />
Wien die zweite und das Appellationsgericht in<br />
Innsbruck die dritte und oberste Gerichtsinstanz.<br />
Verzichtet werden muss auch auf eine Darstellung<br />
der Organisation der aussenpolitischen Beziehungen,<br />
weil diese von der fürstlichen Hofkanzlei und<br />
dem Fürsten persönlich geleitet wurden (es gibt<br />
also darüber keine Akten in Vaduz), sowie auf eine<br />
Darstellung der Militärverwaltung.<br />
Eine Untersuchung der liechtensteinischen Verwaltung<br />
kann vor allem auf folgenden Werken aufbauen:<br />
Das Standardwerk zur liechtensteinischen<br />
Geschichte bildet nach wie vor die 1847 erschienene<br />
«Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein»<br />
von Peter Kaiser. Kaiser war persönlich an der Opposition<br />
gegen den absolutistischen Obrigkeitsstaat<br />
beteiligt, wobei er sich einerseits an den vorabsolutistischen<br />
Zuständen im Fürstentum und andererseits<br />
an der republikanischen Schweiz orientierte.<br />
Das Gegenstück zur Darstellung von Peter Kaiser<br />
bieten die Werke von Karl von In der Maur. Dieser<br />
war während vielen Jahren Landesverweser in Vaduz<br />
und unternahm es, eine Geschichte aus der<br />
Sicht der Obrigkeit zu schreiben. Die Reformen zu<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts erscheinen bei ihm<br />
als Durchbruch zum modernen Staat, zu vermehrter<br />
Rechtssicherheit, als Überwindung chaotischer<br />
Zustände. In neuerer Zeit erschienen die Dissertationen<br />
von Georg Malin, Rupert Quaderer und Peter<br />
Geiger, die die politische Geschichte des Fürstentums<br />
von 1800 bis 1866 aufarbeiteten. Alois<br />
Ospelt unternahm es, eine Wirtschaftsgeschichte<br />
des 19. Jahrhunderts zu schreiben. Herbert Wille<br />
verfasste schliesslich eine rechtshistorische Arbeit<br />
über das Verhältnis von Staat und Kirche. Neben<br />
diesen ausführlichen Arbeiten enthalten die Jahrbücher<br />
des Historischen Vereins für das Fürstentum<br />
Liechtenstein eine Vielzahl von kleineren Arbeiten.<br />
Die vorliegende Arbeit stützt sich fast ausschliesslich<br />
auf Quellen, die sich im Liechtensteinischen<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
EINLEITUNG / PAUL VOGT<br />
Landesarchiv in Vaduz befinden. Die Akten bestehen<br />
zum überwiegenden Teil aus der Korrespondenz<br />
zwischen dem fürstlichen Oberamt in Vaduz<br />
und der fürstlichen Hofkanzlei in Wien. Für eine<br />
kritische Aufarbeitung der liechtensteinischen Geschichte<br />
besteht eine besondere Schwierigkeit darin,<br />
dass sich die fürstlichen Beamten selbstverständlich<br />
nie kritisch über sich selbst ge<strong>äu</strong>ssert haben,<br />
sondern sich immer als treu ergebene, pflichteifrige<br />
und gehorsame Diener darstellten. Wie die<br />
Untertanen die Probleme gesehen haben, geht lediglich<br />
aus einigen Petitionen an den Fürsten hervor.<br />
Eine Durcharbeitung des fürstlichen Hausarchivs<br />
in Wien, dessen Akten bezüglich der inneren<br />
Verwaltung des Fürstentums sich zu einem grossen<br />
Teil mit den Akten in Vaduz decken, Hesse zweifellos<br />
zusätzliche Erkenntnisse erwarten, war aber im<br />
Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Die Berichte<br />
von Vertretern der fürstlichen Hofkanzlei, die die<br />
Verwaltung des Fürstentums an Ort und Stelle zu<br />
untersuchen hatten, standen mir in Photokopie zur<br />
Verfügung. Quellen zur Geschichte Liechtensteins<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die nicht<br />
aus der Feder der fürstlichen Beamten stammen,<br />
gibt es nur wenige: Neben den bereits erwähnten<br />
Petitionen sind hier die Chronik des Johann Georg<br />
Heibert, die im Jahr 1813 abbricht, verschiedene<br />
Beiträge zur Geschichte der Familie Rheinberger<br />
und einige Briefe Peter Kaisers zu erwähnen.<br />
41
Die Organisation<br />
der fürstlichen Verwaltung<br />
Unabhängig vom Fürstentum Liechtenstein bestand<br />
im 19. Jahrhundert für die Verwaltung der<br />
zahlreichen liechtensteinischen Herrschaften ein<br />
Verwaltungspparat, der nach dem Beispiel der<br />
österreichischen Verwaltung hierarchisch aufgebaut<br />
und streng zentralisiert war. Die oberste Verwaltungsbehörde<br />
war die fürstliche Hofkanzlei, der<br />
die einzelnen Herrschaftsämter in allen Fragen untergeordnet<br />
waren. Liechtenstein wurde, soweit<br />
dies die lokalen und politischen Verhältnisse zuliessen,<br />
nach den gleichen Grundsätzen verwaltet.<br />
Eine Herauslösung des Fürstentums aus dieser<br />
Verwaltungsorganisation erfolgte erst durch die<br />
Verfassung von 1862, die dem Fürstentum eine<br />
selbständige Regierung mit Sitz in Vaduz zugestand,<br />
die dem Fürsten direkt verantwortlich war.<br />
In diesem Kapitel soll nun der Aufbau des fürstlichen<br />
Verwaltungsapparates in den Grundzügen<br />
vorgestellt werden.<br />
UMFANG DES FÜRSTLICHEN BESITZES<br />
Über den Umfang des grundherrlichen Besitzes des<br />
Hauses Liechtenstein im Vormärz liegen keine vollständigen<br />
Angaben vor. Nach 1848 - also nach der<br />
Grundentlastung in Österreich - besass das Haus<br />
Liechtenstein neben dem souveränen Fürstentum<br />
Liechtenstein die beiden Herzogtümer Troppau<br />
und Jägerndorf, die Grafschaft Rietberg und weitere<br />
65 Herrschaften. «Diese unmittelbaren Güter<br />
zählen mehr als 350 000 Seelen, in 24 Städten,<br />
2 Vorstädten, 35 Marktflecken, 760 Dörfern und<br />
Ansiedlungen, 46 Schlösser, 11 Klöster und 164<br />
Meiereien.» 1<br />
Ohne das Fürstentum Liechtenstein<br />
betrug der fürstliche Grundbesitz in Böhmen, Mähren,<br />
Schlesien, Niederösterreich und Ungarn nach<br />
1848 etwa 1800 km 2<br />
. Ein Viertel dieses Besitzes<br />
wurde landwirtschaftlich, der Rest forstwirtschaftlich<br />
genutzt. 2<br />
Im Vergleich zu diesem Herrschaftskomplex nahm<br />
sich das Fürstentum Liechtenstein von seiner<br />
r<strong>äu</strong>mlichen Ausdehnung und seiner Bevölkerungszahl<br />
her gesehen bescheiden aus: Das Fürstentum<br />
war 160 km 2<br />
gross und zählte um 1815 etwa 6100,<br />
42<br />
um 1852 etwa 7400 Einwohner. 3<br />
Wirtschaftlich gesehen<br />
war der Erwerb von Vaduz und Schellenberg<br />
für das Fürstenhaus von Beginn an ein Verlustgeschäft,<br />
da die Einnahmen aus dem Fürstentum nie<br />
ausreichten, um die Summe zu verzinsen, die beim<br />
Kauf hatte ausgelegt werden müssen. 4<br />
In anderer Hinsicht stellte das Fürstentum, das<br />
1806 durch die Aufnahme in den Rheinbund von<br />
einem Reichsfürstentum zu einem souveränen Fürstentum<br />
befördert wurde, für das Fürstenhaus<br />
einen unersetzbaren Wert dar: Dieser Besitz vermehrte<br />
den Glanz und das Ansehen des Hauses<br />
und sicherte ihm innerhalb der österreichischen<br />
Hocharistokratie einen der ersten Plätze zu: Wurzbach<br />
meinte gar, dass Fürst Alois II. als souveränem<br />
deutschem Fürst und Mitglied des Deutschen<br />
Bundes die erste Stelle zustand. 5<br />
DIE HOFKANZLEI IN WIEN<br />
Die fürstliche Hofkanzlei bildete die oberste Zentralbehörde,<br />
die unmittelbar dem Fürsten unterstellt<br />
war. Da sie für alle wirtschaftlichen, gerichtlichen<br />
und politischen Angelegenheiten des fürstlichen<br />
Besitzes zuständig war, war ihr Aufgabenbereich<br />
entsprechend weit formuliert: Sie sollte aus<br />
der Kenntnis des «Ganzen» heraus für eine möglichst<br />
wirtschaftliche Nutzung des fürstlichen Besitzes<br />
besorgt sein, überall «Einheit, Ordnung und<br />
Zweckmässigkeit» verbreiten, Missbr<strong>äu</strong>chen vorbeugen<br />
und dem Fürsten «einen richtigen Über-<br />
1) Wurzbach, Biographisches Lexikon. Bd. 15, S. 137.<br />
2) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 13-15; Feger. Johann IL,<br />
S. 33; Kraetzl, Fürstentum Liechtenstein, S. 117.<br />
3) Gemeint sind die anwesenden Einwohner. Zu den Problemen der<br />
liechtensteinischen Bevölkerungszählung vgl. A. Ospelt, Wirtschaftsgeschichte,<br />
S. 45 ff.<br />
4) Die Herrschaften Vaduz und Schellenberg wurden zu Beginn des<br />
18. Jahrhunderts für 405 000 Gulden gekauft. Zur Verzinsung dieser<br />
Kaufsumme - bei einem üblichen Zinssatz von 5 Prozent - wären<br />
also jährliche Beinerträge von mindestens 20 000 Gulden aus dem<br />
Fürstentum nötig gewesen. Diese Summe wurde nie auch nur annähernd<br />
erreicht. Vgl. dazu S. 77.<br />
5) Wurzbach, Biographisches Lexikon, S, 142.
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1038.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />
Die Hauptinstruktion vom<br />
10. April 1838 enthielt die<br />
leitenden Grundsätze für<br />
die gesamte Verwaltung<br />
des Fürsten Alois von<br />
Liechtenstein.<br />
43
lick des Ganzen» verschaffen. 6<br />
Sie handelte im<br />
Namen des Fürsten und alle ihre Anordnungen waren<br />
so zu respektieren, als ob sie von ihm ausgingen,<br />
«wesshalb ich (der Fürst) auch jede Verletzung<br />
der Autorität meiner Hofkanzlei so ahnden würde,<br />
als wenn sie gegen meine Person gerichtet gewesen<br />
wäre.» 7<br />
Die Hofkanzlei beschäftigte im Vormärz dreizehn<br />
bis fünfzehn Beamte. An der Spitze stand der «dirigirende<br />
Hofrath», ihm folgten im Rang ein Wirtschaftsrat<br />
(nach 1832 zwei Wirtschaftsräte) und<br />
zwei Sekretäre. 8<br />
Weitere Beamte waren ein Registrator,<br />
ein Protokollist, ein Konzipist und mehrere<br />
Kanzlisten.<br />
Die fürstliche Hofkanzlei war eine Kollegialbehörde.<br />
Die Hofkanzleibeschlüsse wurden vom «Hofkanzleigremium»<br />
gefällt, das aus dem dirigierenden<br />
Hofrat, dem Wirtschaftsrat und den beiden Sekretären<br />
bestand. Zweimal wöchentlich traten diese<br />
Beamten zu den Kanzleisitzungen zusammen,<br />
an denen alle wichtigen Angelegenheiten entweder<br />
direkt entschieden oder mindestens vorberaten<br />
wurden, um sie dann dem Fürsten zur Entscheidung<br />
vorzulegen. Bei Hofkanzleibeschlüssen entschied<br />
die einfache Stimmenmehrheit, wobei bei<br />
Stimmengleichheit der Hofrat den Stichentscheid<br />
hatte. 9<br />
Das kollegiale Entscheidungsverfahren zielte<br />
darauf ab, die Sachlichkeit der Verwaltung zu gewährleisten.<br />
Kein Beamter sollte wichtige Entscheidungen<br />
allein treffen können, und alle ranghöchsten<br />
Beamten sollten stets einen Überblick über<br />
das «Ganze» der fürstlichen Verwaltung haben.<br />
Die Nachteile des Kollegialprinzips zeigten sich im<br />
umständlichen und zeitraubenden Geschäftsgang.<br />
Die bei der fürstlichen Hofkanzlei in Wien eintreffenden<br />
Schreiben - formal waren diese seit 1815<br />
an «Seine Durchlaucht» und nicht mehr an die<br />
«Wohllöbliche fürstliche Hofkanzley» zu richten 10<br />
-<br />
wurden vom dirigierenden Hofrat geöffnet und ein<br />
erstes Mal zur Kenntnis genommen. 11<br />
Darauf wurden<br />
die Schreiben dem Protokollisten und dem Registrator<br />
und schliesslich einem Sachbearbeiter zugestellt.<br />
Dieser hatte einen Erledigungsentwurf<br />
44<br />
auszuarbeiten, der, sofern die Angelegenheit nicht<br />
routinemässig erledigt werden konnte, mit dem<br />
Vermerk «ad referendum» versehen und dem Hofkanzleigremium<br />
zur weiteren Beratung vorgelegt<br />
werden musste. 12<br />
Die Erledigungsschreiben wurden<br />
schliesslich sauber abgefasst und wie die eintreffenden<br />
Schreiben registriert und protokolliert.<br />
Diese Schreiben, die sog. «Rescripte» oder «Dekrete»,<br />
mussten am Schluss den Vermerk «Ad<br />
Mandatum Serenissimi» tragen und von den drei<br />
ranghöchsten anwesenden Hofkanzleigremialen<br />
unterschrieben werden. 13<br />
Da nicht nur die Hofkanzlei, sondern jede fürstliche<br />
Behörde nach dem Kollegialitätsprinzip aufgebaut<br />
war, traten h<strong>äu</strong>fig Verzögerungen auf, die eine rasche<br />
Erledigung der Geschäfte verunmöglichten.<br />
Die «Vielschreiberei» wurde h<strong>äu</strong>fig beklagt. Im<br />
Laufe des Vormärz wurden zwar wiederholt Versuche<br />
unternommen, die Zuständigkeitsbereiche der<br />
einzelnen Beamten zu differenzieren, einzelne Aufgaben<br />
zu delegieren und übertriebene (Kontroll-)<br />
Formalismen abzubauen, eine grundsätzliche Reorganisation<br />
der fürstlichen Hofkanzlei fand jedoch<br />
im Vormärz nicht statt. 14<br />
Zur Straffung des Entscheidungsprozesses<br />
wurde durch die Hauptinstruktion<br />
von 1838 für Ausnahmefälle ein «präsidiales<br />
Verfahren» eingeführt, das dem dirigierenden<br />
Hofrat erlaubte, in dringenden Fällen allein zu<br />
entscheiden. 15<br />
Von einigem Interesse erscheint die Frage, in welchem<br />
Masse die Fürsten selbst in das Verwaltungsgeschehen<br />
eingriffen und welchen Einfluss die Hofkanzlei<br />
auf die Entscheidungen der Fürsten nahm.<br />
Stekl meint, dass die Fürsten des Hauses Liechtenstein<br />
(und darüber hinaus die Wiener Hocharistokratie<br />
ganz allgemein) im 17. und 18. Jahrhundert<br />
kein Interesse an den konkreten Verwaltungsgeschäften<br />
ihres Besitzes zeigten. Zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts habe sich hier eine Wende angebahnt.<br />
Neben Vermögen und Herkommen hätten<br />
nun auch leistungsorientierte Kriterien den sozialen<br />
Status mitbestimmt. «Die Kenntnis dieser Materien<br />
galt nun nicht als sozial deklassierend, sondern<br />
wurde als Beweis der Bewährung in einer<br />
sich wandelnden Gesellschaftsstruktur angesehen.
Dieser Übergang ging nur langsam vor sich. Oft<br />
waren Adelige über Einzelheiten ihres Einkommens<br />
nur sehr oberflächlich informiert.» 16<br />
Dieses vermehrte Eingreifen der Fürsten in die<br />
Verwaltung ihres Besitzes lässt sich auch durch einen<br />
Vergleich der Ausbildung der regierenden<br />
Fürsten des Hauses Liechtenstein belegen. Im<br />
18. Jahrhundert durchliefen alle Fürsten eine militärische<br />
Ausbildung, mehrere von ihnen standen in<br />
höchsten politischen und militärischen Ämtern im<br />
Dienst des Kaisers. Nach Wurzbach rührte der<br />
«blendendste Glanz» des Hauses von seiner fast<br />
sprichwörtlich gewordenen Tapferkeit her. 17<br />
So<br />
wurde auch Fürst Johann I. (geb. 1760, gest. 1836,<br />
Regierungszeit 1805 bis 1836) ganz im Hinblick auf<br />
eine künftige militärische Laufbahn erzogen. Mit<br />
22 Jahren trat er als Lieutnant in die kaiserliche<br />
Armee ein. Bis 1809 nahm er, wie seine Biographen<br />
hervorheben, an 132 Schlachten in insgesamt<br />
13 Feldzügen teil, wobei er sich stets ins wildeste<br />
Kampfgeschehen stürzte. 24 Pferde wurden dem<br />
Fürsten unter dem Leibe weggeschossen, er aber<br />
wurde kein einziges Mal ernsthaft verletzt oder gefangen<br />
genommen. 18<br />
Während der Kämpfe gegen<br />
Napoleon übernahm er wiederholt wichtige militärische<br />
und politische Funktionen: 1805 war er<br />
massgeblich an der Aushandlung des Pressburger<br />
Friedens beteiligt. Nach den für Österreich unglücklich<br />
verlaufenen Kämpfen von 1809 erhielt er<br />
den Oberbefehl des Heeres und wurde in den Rang<br />
eines Feldmarschalls erhoben. Nachdem er den<br />
Verlustfrieden von Schönbrunn vom 14. Oktober<br />
1809 unterzeichnet hatte, wurde er am kaiserlichen<br />
Hof angefeindet und verliess darauf den aktiven<br />
Dienst. 19<br />
Die Regierung des Hauses Liechtenstein<br />
hatte er bereits 1805 angetreten. Nach seinem<br />
Rücktritt vom kaiserlichen Dienst widmete er<br />
sich entsprechend der Tradition des Hauses dem<br />
Aufbau einer umfangreichen Kunstsammlung und<br />
einer Bibliothek. Ausserdem kümmerte er sich um<br />
die Reorganisation seiner Güterverwaltung. 20<br />
Sein Nachfolger Fürst Alois (geb. 1796, gest. 1858,<br />
Regierungszeit 1836 bis 1858) genoss eine sorgfältige<br />
Ausbildung. Neu daran war, dass ein Schwer<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />
punkt auf die Vermittlung ökonomischer (d.h. landund<br />
forstwirtschaftlicher) Kenntnisse gelegt wurde.<br />
1818 unternahm er zur «praktischen Nutzanwendung<br />
des Gelernten» 21<br />
eine Reise nach Italien und<br />
in die Schweiz - dabei besuchte er auch als erstes<br />
Mitglied des Fürstenhauses das Fürstentum Liechtenstein.<br />
Dieser Aufenthalt war im wesentlichen einem<br />
Jagdausflug gewidmet. 1835 stand er das einzige<br />
Mal in staatlichen Diensten, als er in einer gesandtschaftlichen<br />
Mission nach London reiste. Für<br />
die Verwaltung des fürstlichen Besitzes wurde er<br />
schon früh von seinem Vater beigezogen. Nach seinem<br />
Regierungsantritt 1836 bemühte er sich um<br />
die Vereinfachung und Rationalisierung der Verwaltung<br />
und der Bewirtschaftung seiner Güter. Diese<br />
Bemühungen fanden ihren Ausdruck in neuen,<br />
umfangreichen Instruktionen. Die land- und forstwirtschaftlichen<br />
Kenntnisse Alois II. wurden auch<br />
von Aussenstehenden anerkannt. Von 1849 bis zu<br />
seinem Tod war er Präsident der Landwirtschafts-<br />
Gesellschaft in Wien.<br />
Welche Geschäfte sich die Fürsten zur eigenen Entscheidung<br />
vorbehielten, lässt sich im einzelnen<br />
6) Hauptinstruktion von 1838, § 55.<br />
7) ebda. § 56.<br />
8) Stekl, Adeliger Lebensstil. S. 120.<br />
9) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 42.<br />
10) Verordnung betr. Form der Eingaben vom 10. 6. 1815. In Vaduz<br />
ist nur noch das Begleitschreiben zu dieser Verordnung vorhanden.<br />
LLA RB Fasz. G 1<br />
11) Hauptinstruktion von 1838, § 59.<br />
12) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 41 ff.<br />
13) Hauptinstruktion von 1838, § 62.<br />
14) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 43 ff.<br />
15) Hauptinstruktion von 1838, § 64.<br />
16) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 51.<br />
17) Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 15, S. 114.<br />
18) ebda. S. 154.<br />
19) In der Maur, Feldmarschall Johann, S. 167<br />
20) Zur Biographie Fürst Johann I. Vgl. Falke; Wurzbach; In der<br />
Maur, Feldmarschall Johann und Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 2.<br />
21) Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 15, S. 140.<br />
45
nicht genau feststellen. Von Fürst Johann I. hiess es<br />
in einem Nekrolog, dass er immer nur den grossen<br />
Haufen gekannt habe. 22<br />
Die Reorganisation der<br />
Verwaltung und der Rechtsprechung im Fürstentum<br />
in den Jahren 1806 bis 1812 scheint er im Detail<br />
nicht beeinflusst zu haben. Der deutlichste Hinweis<br />
dafür besteht in der Tatsache, dass er die<br />
Dienstinstruktion von 1808 nicht unterschrieben<br />
hat. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Hofkanzlei<br />
während seiner Regierungszeit in ihren Reskripten<br />
selten auf einen persönlichen Entscheid<br />
des Fürsten beruft, was sich in der Regierungszeit<br />
von Alois II. änderte. In der Hauptinstruktion von<br />
1838 wurde eine Reihe von Geschäften bestimmt,<br />
die dem Fürsten zur persönlichen Entscheidung<br />
vorgetragen werden mussten: Dazu gehörten u.a.<br />
alle Fideikommissangelegenheiten, alle Beamtenernennungen,<br />
Besoldungsfragen und Gnadensachen<br />
auf den Herrschaften. Dem Fürsten vorgetragen<br />
werden mussten aber auch alle wichtigeren<br />
Angelegenheiten, die aus der «souverainen Fürstenwürde»<br />
hervorgingen. Namentlich aufgezählt<br />
wurden die Gesetzgebung im Fürstentum, die Militärangelegenheiten,<br />
die Bundestagsangelegenheiten<br />
und die Steuerpostulate. 23<br />
Zweifellos behielten<br />
aber auch unter Alois II. die Beamten der Hofkanzlei<br />
grosse Einflussmöglichkeiten, da sie in der Regel<br />
über bedeutend mehr Informationen verfügten als<br />
der Fürst. Immer wieder zeigte sich auch, dass die<br />
Fürsten in die Beamten der Hofkanzlei oder in andere<br />
Berater sehr grosses Vertrauen besassen und<br />
ihrem Rat folgten. 24<br />
DIE BUCHHALTUNG IN BUTSCHOWITZ<br />
Die Trennung der eigentlichen Verwaltungstätigkeit<br />
von der Verrechnung stellte ein Prinzip dar, das auf<br />
allen Verwaltungsstufen durchgeführt wurde. Die<br />
Buchhaltung in Butschowitz (Mähren) bildete die<br />
zentrale Revisions- und Kontrollbehörde in allen<br />
Wirtschaftsangelegenheiten. Ihre Hauptbestimmung<br />
bestand darin, «dass sie das Interesse meiner<br />
Regie ihrem ganzen Umfange nach in letzter<br />
Instanz überwache, sich im Revisionswege von der<br />
46<br />
Handhabung und dem Gebrauche aller meiner<br />
Rechte und Gerechtsame umfassend und gründlich<br />
überzeuge». 25<br />
Die Unterbringung der Buchhaltung<br />
in Butschowitz stellte lediglich eine Notlösung dar.<br />
Von 1787 bis 1796 und von 1809 bis 1815 wurde<br />
zweimal der Versuch gemacht, sie nach Wien zu<br />
verlegen. Eine definitive Unterbringung der Buchhaltung<br />
in Wien erwies sich jedoch aus Platzmangel<br />
als unmöglich. Die weite Entfernung zwischen<br />
Buchhaltung und Hofkanzlei vermehrte die<br />
Schreibgeschäfte, war daher zeitraubend und kostspielig.<br />
26<br />
Die Buchhaltung beschäftigte im Vormärz bis zu 20<br />
Beamte, war also zahlenmässig etwas grösser als<br />
die fürstliche Hofkanzlei. Die drei ranghöchsten<br />
Beamten - ein Oberbuchhalter, ein Vizebuchhalter<br />
und ein Buchhalter - galten als «exponierte Mitglieder<br />
der fürstlichen Hofkanzlei» und hatten «gremialiter»<br />
die wichtigen Entscheide in der Buchhaltung<br />
zu fällen. Daneben hatten sie auch die Arbeit<br />
der übrigen Buchhaltungsbeamten zu überwachen,<br />
indem sie möglichst viele willkürlich ausgewählte<br />
Arbeiten «superrevidierten». 27<br />
Das gesamte Rechnungswesen war so aufgebaut,<br />
dass es jederzeit einen raschen Einblick in die Erträge<br />
jeder einzelnen fürstlichen Herrschaft erlauben<br />
sollte. Jede Herrschaft hatte nicht nur über alle<br />
Einnahmen und Ausgaben genau Rechnung zu führen,<br />
sondern sie musste auch jährlich mehrere<br />
Rechnungsausweise zusammenstellen, die Aufschluss<br />
über den Ertrag der betreffenden Herrschaft<br />
gaben. Die sogenannten «Präliminarien»,<br />
ein Rechnungsvoranschlag für die Geld- und Naturalrechnung,<br />
mussten bis Ende März des laufenden<br />
Jahres eingebracht und der Hofkanzlei zur Approbation<br />
vorgelegt werden. 28<br />
Nach Abschluss eines<br />
Jahres sollte bis spätestens Ende Februar ein<br />
«summarischer Hauptrechnungsausweis» vorgelegt<br />
und bis Ende Mai die «Herrschafts-Erträgnis-<br />
Bilanz» erstellt und zusammen mit den Rechnungsbüchern<br />
und Rechnungsbelegen zur Kontrolle an<br />
die Buchhaltung eingesandt werden. 29<br />
Alle Zahlen,<br />
die vom Rechnungsvoranschlag wesentlich abwichen,<br />
mussten begründet werden.
Die Einführung dieser Rechnungsausweise lief darauf<br />
hinaus, die wirtschaftlichen Erträge berechenbar<br />
und damit auch besser kontrollierbar zu machen.<br />
Zusammen mit zahlreichen Instruktionen<br />
zeugen diese Rechnungsausweise von den Bestrebungen<br />
im Vormärz, die Bewirtschaftung der Herrschaften<br />
zu modernisieren.<br />
Die Aufgabe der Buchhaltung bestand darin, die<br />
einzelnen Rechnungsämter bei der Abfassung der<br />
Rechnungsausweise anzuleiten, Musterbeispiele<br />
für die verschiedenen Ausweise auszuarbeiten und<br />
so für eine Vereinheitlichung im Rechnungswesen<br />
zu sorgen. Weiter hatte die Buchhaltung die verschiedenen<br />
Rechnungen zu revidieren, zu bemängeln<br />
und Rechnungserl<strong>äu</strong>terungen einzuholen. Die<br />
Buchhaltung sollte sich jedoch «nicht auf die Prüfung<br />
und Richtigstellung des Ziffers allein beschränken»,<br />
sondern sie sollte auch «eine administrative<br />
Beurtheilung der verrechneten oder nicht<br />
verrechneten Data» 30<br />
vornehmen, d.h. sie sollte die<br />
Abrechnungen anhand von sporadisch vorgenommenen<br />
topographischen und wirtschaftlichen Beschreibungen<br />
und vorhandenem Urkundenmaterial<br />
auf ihre Vollständigkeit und Rechtmässigkeit<br />
hin überprüfen. Teilweise nahmen Beamte der<br />
Buchhaltung auch selbst lokale Erhebungen vor. 31<br />
Soweit die «Bemängelungen» reine Rechnungsfragen<br />
betrafen, korrespondierte die Buchhaltung<br />
selbst mit den einzelnen Herrschaftsämtern. Stiess<br />
sie bei der Revision auf grundsätzliche, organisatorische<br />
Mängel, so hatte sie diese an die Hofkanzlei<br />
mitzuteilen. Die Approbation der Rechnungsausweise<br />
erfolgte auf Vorschlag der Buchhaltung<br />
durch die fürstliche Hofkanzlei. 32<br />
DIE HAUPTKASSA IN WIEN<br />
Die einzelnen Herrschaften mussten ihre Gelderträge<br />
an die Hauptkassa in Wien abliefern. Für die<br />
Hauptkassa bestanden strenge Kontrollvorschriften.<br />
Ein wichtiger Kontrollmechanismus bestand<br />
darin, dass sich die Aufgabenbereiche der Hauptkassabeamten<br />
gegenseitig ergänzten: Der «Haupt-<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />
Cassier» führte das Kassenjournal, in dem er die<br />
Aus- und Eingänge chronologisch festhielt. Der<br />
«Cassa-Controllor» dagegen führte das Hauptbuch,<br />
in dem er diese Beträge nach Sachgruppen geordnet<br />
anführte. Ein weiterer Schutz der fürstlichen<br />
Gelder bestand in der Trennung der Kassa in eine<br />
«Handkassa» und in die eigentliche Hauptkassa.<br />
Aus der Handkassa sollten die täglichen Ausgaben<br />
gedeckt werden. Die Hauptkassa war der strengen<br />
Kontrolle der Hofkanzlei unterstellt und konnte nur<br />
im Beisein eines Hofkanzleibeamten geöffnet werden.<br />
33<br />
DIE KONTROLL- UND INSPIZIERUNGS<br />
BEHÖRDEN<br />
Bestimmte Kontroll- und Inspektionsfunktionen,<br />
teilweise auch planende und ausführende Tätigkeiten<br />
waren an Behörden delegiert, die bezirksweise<br />
organisiert waren. Solche Behörden waren die «Justiz-Inspektion»,<br />
die «Forstämter», die «Kellereien-<br />
Inspizirungs-Behörden» und die «Technischen<br />
Baubezirks-Ämter». Durch die Hauptinstruktion<br />
von 1838 wurden die sogenannten «Inspizirungs-<br />
22) Zur Biographie Alois II. Vgl. Falke; Wurzbach; Stekl, Adeliger<br />
Lebensstil S. 3.<br />
23) Hauptinstruktion von 1838, § 58.<br />
24) Vgl. dazu Geiger, S. 250.<br />
25) Hauptinstruktion von 1838, § 167.<br />
26) Die Buchhaltung war bis 1722 bezirksweise organisiert und<br />
wurde dann in Butschowitz zentralisiert. Zur fürstlichen Buchhaltung<br />
vgl. ausführlicher Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 150. - Kraetzl,<br />
Fürstentum Liechtenstein nennt davon abweichend 1712 als das<br />
Jahr der Zentralisation der Buchhaltung, S. 167.<br />
27) Hauptinstruktion von 1838, § 173-175. - Stekl, Adeliger Lebensstil,<br />
S, 151.<br />
28) Hauptinstruktion von 1838, §§ 132-135.<br />
29) Hauptinstruktion von 1838, §§ 136 und 137.<br />
30) ebda. § 169.<br />
31) Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 152.<br />
32) Hauptinstruktion von 1838, §§ 168-170.<br />
33) Stekl, Adeliger Lebensstil, S. 140 ff.<br />
47
Behörden» geschaffen, die regelmässige «Lokalisierungen»<br />
auf allen Herrschaftsämtern durchführen<br />
mussten. Sie hatten dabei ganz allgemein den<br />
Zustand der Herrschaft, die Zweckmässigkeit der<br />
Verwaltung und die Zuverlässigkeit der gemachten<br />
Angaben zu überprüfen. 34<br />
Das Fürstentum Liechtenstein<br />
wurde von diesen Behörden nicht inspiziert,<br />
da die r<strong>äu</strong>mliche Entfernung zwischen dem<br />
Fürstentum und den übrigen Herrschaften zu gross<br />
war. Eine regelmässige Kontrolle des Fürstentums<br />
durch Inspizionsbeamte wäre wegen der damit<br />
verbundenen Reisekosten zu kostspielig gewesen<br />
und hätte den Aufwand nicht gelohnt. Eine eingehendere<br />
Darstellung dieser Kontrollbehörden erübrigt<br />
sich deshalb im Rahmen dieser Arbeit.<br />
DIE HERRSCHAFTSÄMTER<br />
Die Zahl der Beamten auf den verschiedenen Herrschaften<br />
hing stark von deren Grösse ab. Im allgemeinen<br />
galt der Grundsatz, dass der Aufwand<br />
möglichst beschränkt werden sollte, trotzdem sollten<br />
nirgends weniger als zwei Beamte, wovon der<br />
eine für den «faktischen Dienst» und der andere<br />
für die Verrechnung zuständig war, eingesetzt werden.<br />
35<br />
Der Amtsvorsteher war Leiter der Herrschaft<br />
und hatte die übrigen Beamten zu überwachen. 36<br />
Träger der Amtsgewalt war jedoch nicht der Amtsvorsteher,<br />
sondern das «Gremio des Amtes», 37<br />
d.h.<br />
alle Beamten einer Herrschaft.<br />
Die liechtensteinischen Herrschaftsverwaltungen<br />
erfüllten im Vormärz eine doppelte Funktion: Einerseits<br />
hatten sie die grundherrlichen Rechte und<br />
den Besitz möglichst gewinnbringend zu nutzen,<br />
andererseits nahmen sie auch staatliche Funktionen<br />
in der österreichischen Lokalverwaltung wahr.<br />
In der Hauptinstruktion von 1838 wurden folgende<br />
Ziele für die Herrschaftsverwaltungen formuliert:<br />
«1. Die Erhaltung und Verbesserung aller meiner<br />
Besitzungen und der damit verbundenen Gerechtsame<br />
in ihrer Integrität.<br />
2. Die möglichst hohe Benützung derselben.<br />
3. Die nothwendige Fürsorge für das Wohl meiner<br />
Unterthanen und die gesetzliche Besorgung des öf<br />
48<br />
fentlichen Dienstes, in so ferne dieser in meine Administration<br />
mit eingreifet.» 38<br />
Die Untertanen sollten «auf das gerechteste und<br />
mit der möglichsten Schonung behandelt» werden,<br />
andererseits wurde aber auch die Erwartung ausgesprochen,<br />
dass die Untertanen «diese schonende<br />
und milde Behandlung dankbar anerkennen, und<br />
alles aufbieten werden, um zur gehörigen Zeit dasjenige<br />
zu leisten, was mir gesetzlich als Entschädigung<br />
für die kostspielige Ausübung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit<br />
und der grundherrlichen Besorgung<br />
ihrer sonstigen Angelegenheiten gebührt.»<br />
39<br />
Ein wichtiger Bestandteil des Schutzgedankens<br />
war auch die Gnade des Grundherrn: Der<br />
Fürst sei gerne bereit, bei unverschuldeten Unglücksfällen<br />
«Gnade dem strengen Rechte vorwalten<br />
(zu)lassen», allerdings könne er das nicht, «wo<br />
die Armuth auf bleibenden Verhältnissen beruht.»<br />
40<br />
Die Grundherrschaften hatten im späteren Mittelalter<br />
die Funktion einer untersten Verwaltungsbehörde<br />
übernommen und erfüllten folgende öffentliche<br />
Aufgaben: Sie übten die örtliche Polizeigewalt<br />
und die Patrimonialgerichtsbarkeit aus, sie führten<br />
die Grundbücher, nahmen Verlassenschaftsabhandlungen<br />
vor, besorgten die Waisen- und Depositenämter<br />
und zogen die Steuern ein. 41<br />
Der öffentliche<br />
Charakter und die Macht der Grundherrschaften<br />
wurde noch dadurch gefestigt, dass der Grundherr<br />
auch h<strong>äu</strong>fig die Patronatsrechte und -pflichten<br />
ausübte.<br />
Blieben die Grundherrschaften in ihrer Grundstruktur<br />
bis 1848 erhalten, so wurden sie doch, insoweit<br />
sie öffentliche Aufgaben erfüllten, seit der<br />
Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend einer staatlichen<br />
Kontrolle unterstellt. 1749 wurden die Kreisämter<br />
geschaffen, und damit begann der Staat eine<br />
«politische» Verwaltung auf dem Lande aufzubauen.<br />
Die patrimoniale Gerichtsbarkeit wurde immer<br />
mehr der Kontrolle und Einwirkung der Kreisämter<br />
unterstellt. Die herrschaftlichen Beamten,<br />
die die Gerichtsbarkeit ausübten, mussten staatliche<br />
Prüfungen ablegen und wurden vom Staat<br />
vereidigt, sie wurden aber weiterhin vom Grundherrn<br />
angestellt und besoldet. 42
Die Umstrukturierung der österreichischen Grundherrschaften<br />
fand 1848 mit der Aufhebung des Untertanenverbandes<br />
und der Grundentlastung ihren<br />
Abschluss. Leistungen und Abgaben der Untertanen<br />
an den Grundherrn wurden, soweit sie auf<br />
dem personalen Abhängigkeitsverhältnis beruhten,<br />
unentgeltlich, soweit sie aber auf dem Grund lasteten<br />
gegen ein Entgelt aufgehoben. 43<br />
Der Grundherr<br />
seinerseits wurde von der Verpflichtung zur Fürsorge<br />
entlastet und gab die Erfüllung der öffentlichen<br />
Aufgaben an den Staat ab.<br />
Bei der zweiten Funktion der Herrschaftsämter,<br />
der Nutzung der grundherrlichen Rechte, ist im<br />
Vormärz vor allem das Bemühen um eine Rationalisierung<br />
und Modernisierung der Bewirtschaftungsformen<br />
zu erwähnen. Die Fürsten des Hauses<br />
Liechtenstein waren gegenüber neuen agrarwirtschaftlichen<br />
Erkenntnissen aufgeschlossen und bemühten<br />
sich, diese auf ihren Herrschaften zur Anwendung<br />
zu bringen. Stekl erwähnt als Beispiele<br />
solcher Bemühungen die Einführung der Fruchtwechselwirtschaft<br />
und moderner Düngungsmethoden,<br />
die gezielte Förderung der Viehzucht und der<br />
rationelle Einsatz von Arbeitskräften. 44<br />
In verschiedenen<br />
Wirtschaftsinstruktionen wurden genaue<br />
Vorschriften erlassen, wie der liechtensteinische<br />
Besitz zu nutzen war und wie die Erträge der Herrschaften<br />
gesteigert werden sollten.<br />
34) Hauptinstruktion von 1838, Teile 2., 4., 5., 6. und 7.<br />
35) ebda. § 105.<br />
36) ebda. § 106.<br />
37) ebda. § 116.<br />
38) ebda. § 1.<br />
39) ebda. § 42.<br />
40) ebda. § 43.<br />
41) ebda. § 44-49.<br />
42) Vgl. dazu Brunner, Staat und Gesellschaft, S. 64.<br />
43) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />
S. 370.<br />
44) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 15.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FÜRSTLICHE VERWALTUNG / PAUL VOGT<br />
49
Verfassungsrechtliche<br />
Grundlagen im Fürstentum<br />
Liechtenstein<br />
Vorausgeschickt sei eine Bemerkung zum Verfassungsbegriff:<br />
In den Quellen des frühen 19. Jahrhunderts<br />
taucht h<strong>äu</strong>fig die Formulierung auf, dass<br />
die «alte Verfassung» durch eine «neue Verfassung»<br />
abgelöst worden sei. «Verfassung» meinte in<br />
diesen Formulierungen nie ein geschriebenes Verfassungsdokument,<br />
das die Beziehungen zwischen<br />
der Obrigkeit und den Untertanen grundsätzlich<br />
geregelt hätte. «Verfassung» war vielmehr ein sehr<br />
elastischer Begriff, der zum Ausdruck brachte,<br />
dass die Gesamtheit der sozialen, wirtschaftlichen,<br />
politischen und kulturellen Faktoren aufeinander<br />
bezogen war, dass sie in einer bindenden Ordnung<br />
standen. Wenn im folgenden nach den verfassungsmässigen<br />
Grundlagen gefragt wird, so wird der<br />
Verfassungsbegriff zwar auf die politische Ordnung<br />
reduziert, geht aber dennoch grundsätzlich über<br />
den Inhalt der Verfassung von 1818 hinaus. 1<br />
Landständische Verfassung<br />
vom 9. November<br />
1818<br />
50<br />
DAS MONARCHISCHE PRINZIP<br />
Das Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein<br />
bestand bis 1719 aus den beiden reichsunmittelbaren<br />
Herrschaften Vaduz und Schellenberg. Die<br />
Rechte des Landesherrn bestanden in der Landeshoheit,<br />
die einen Komplex teils staatlicher, teils privater<br />
Rechte darstellte: Der Landesherr hatte das<br />
Recht zur Ausübung der niederen und hohen Gerichtsbarkeit.<br />
Er konnte Gesetze erlassen, Beamte<br />
ernennen, Steuern und Abgaben erheben und das<br />
Volk zum Krieg aufrufen. Er vertrat die Herrschaften<br />
nach aussen und hatte das Recht auf die verschiedenen<br />
Regalien und nutzbaren Hoheitsrechte<br />
(Jagd, Zölle, Mühlen usw.). 2<br />
Nach dem Erwerb der beiden reichsunmittelbaren<br />
Herrschaften durch die Fürsten von Liechtenstein<br />
wurden Vaduz und Schellenberg 1719 zum Reichsfürstentum<br />
Liechtenstein erhoben. Die neuen Landesherren<br />
erhielten den Rang von Reichsfürsten.<br />
Galten die Rechte der Landesherren vor 1719 als<br />
Lehen des Reiches, so wurden nun die Fürsten von<br />
Liechtenstein selbst kraft ihrer Stellung als Reichsfürsten<br />
Träger der vollen landesherrlichen Gewalt. 3<br />
Die Erhebung zum Reichsfürstentum gilt aus diesem<br />
Grunde als entscheidender Schritt zur liechtensteinischen<br />
Staatswerdung. 4<br />
Die Stellung der Landesfürsten zwischen 1719 und<br />
1862 wird dadurch charakterisiert, dass sie die<br />
Herrschergewalt uneingeschränkt, d.h. absolut ausübten.<br />
In der Dienstinstruktion von 1748 findet<br />
sich eine der sehr seltenen Stellen, an denen die<br />
Rechte der Landesfürsten aufgezählt werden: «Alldieweilen<br />
Uns in Unserem Fürstenthum Liechtenstein<br />
die hohe Landes-Obrigkeit mit alliglichen ef-<br />
1) Einen ähnlichen Verfassungsbegriff legt auch Peter Geiger seiner<br />
Arbeit zu Grunde: «Verfassung wird dabei verstanden als Summe<br />
nicht nur der staatlichen Rechtsnormen, sondern auch der im Staat<br />
wirkenden Kräfte, Ideen und Strömungen politischer, ökonomischer,<br />
sozialer und kultureller Natur.» S. 11.<br />
2) Josef Ospelt, Verfassungsgeschichte S. 11 ff; Stolz, Österreichische<br />
Verfassungsgeschichte S. 81 ff.<br />
3) Ritter Rupert, Die Brandisischen Freiheiten, S. 34.<br />
4) Pappermann, S. 21.
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />
©naben foweratner gtitfl imb ^egteter k$<br />
K<strong>äu</strong>fer von uno m £tert>tenflem m $tfolfiro, $txm 5U<br />
Sroppau uttD gäaerntorf m ©cfjlejtett, @raf $u mttkm,mu<br />
tim bereiten Mens, ©r. faiferU -fönteU apoitoltfc&en<br />
jcftdt nntflicDer Jammeret tmo gelomarfcljaa, 3n^at»er oe3<br />
Erfüllen ben 13. Slrtifel ber bcutfcben 25unbe$afte folgenbermaffen:<br />
§. 1.<br />
STac&bem 2Bir, feit 2(ufl<br />
bunm S3eftättigung t>or, 9Tebft biefen bat ein jeber S3efit}er einer geiftlid)en<br />
^.frünbe, ber memgftenS ein liegenbeS, ober ber SUerfteuerung unterworfenes<br />
Sßermögen »cm fl 250a, nacb ber gegenwärtigen ©teuer ie Sanbmannfcbaft wirb bureb bie jeitltcben ^orfleber ober Sftcbfer/<br />
unb bureb bie Slltgefrbtpornen ober ©äcfelmeifter einer jeben ©emeinbe vor*<br />
AI/Z
fectibus zustehet, und Wir also bey Hoch- und Niedergerichtlichen<br />
Fällen, auch all andern in die Jura<br />
territorialia, das merum et mixtum Imperium einschlagenden<br />
Freignussen und zu Tragenheiten zu<br />
cognosciren, Gesätz zu geben, Gebott, und Verbott<br />
ergehen zu lassen, das gutte zu belohnen, das üble<br />
zu bestraffen, und wo hierunter ein Abmangl erscheinet,<br />
es gegen Gott den Almächtigen zu verantwortten<br />
haben; so wird Unser Ober Ambt sich auf<br />
das eyfrigste angelegen seyn lassen, einerseits<br />
durch pflichtmässig und gewissenhafte Administration<br />
der Justiz, auch redlich und ohnabsichtliche<br />
Besorgung der Täglichen Vorkommenheiten<br />
Unss aller Veranttwortung gegen Gott zu entladen<br />
dann aber anderseits Unsere Landesfürstliche Jura<br />
und Regalia vor aller inn- auswärtigen Anfecht-,<br />
Schmäler- und Beeinträchtigung sicher zu stellen,<br />
und zu deren Abbruch nichts einschleichen zu lassen.»<br />
5<br />
Die formelle Souveränität erlangte das Fürstentum<br />
1806 durch die Aufnahme in den Rheinbund. Souverän<br />
war der Landesfürst, seine Rechte wurden in<br />
Artikel 26 der Rheinbund-Akte von 1806 aufgezählt:<br />
«Les droits de souverainete sont ceux de<br />
legislation, de Jurisdiction supreme, de haute police,<br />
de conscription militaire ou de recrutement et<br />
d'impöt.» 6<br />
Durch den Wiener Kongress und die Aufnahme in<br />
den Deutschen Bund wurde Liechtensteins Souveränität<br />
1815 anerkannt und gleichzeitig garantiert.<br />
Für die Ausgestaltung der inneren Verhältnisse der<br />
einzelnen Bundesmitglieder enthielt die Deutschen<br />
Bundesakte nur minimale Vorschriften. Artikel 13<br />
hielt fest, dass in allen Bundesstaaten eine landständische<br />
Verfassung eingeführt werden müsse,<br />
ohne aber deren Inhalt in irgendeiner Form festzulegen.<br />
Fürst Johann I. erfüllte diese Bestimmung<br />
als einer der ersten deutschen Fürsten. Die Verfassung<br />
vom 9. November 1818 tat dem landesfürstlichen<br />
Absolutismus keinerlei Abbruch. Paragraph<br />
1 der Verfassung stellte den Grundsatz auf,<br />
dass «die in den k.k. österreichischen Staaten bestehende<br />
landständische Verfassung in ihrer Wesenheit<br />
zum Muster für gedacht Unser Fürstenthum»<br />
genommen werden solle. Dieser Grundsatz<br />
52<br />
war in seinem Kern ein absolutistischer Machtanspruch,<br />
waren doch in Österreich keine neuen Verfassungen<br />
erlassen worden. Nach wie vor waren<br />
dort die alten Landesverfassungen in Kraft, die sich<br />
im 15. Jahrhundert entwickelt hatten. Diese Verfassungen<br />
waren im 18. Jahrhundert insofern verändert<br />
worden, als die Macht der ständischen<br />
Landtage durch Joseph II. eingeschränkt und die<br />
ständische Verwaltung verstaatlicht worden war. 7<br />
Die liechtensteinische Verfassung von 1818 umfasste<br />
lediglich 18 Artikel, die ausschliesslich Bestimmungen<br />
zum landständischen Landtag enthielten.<br />
Die Rechte des Fürsten und die Rechte der Untertanen<br />
wurden darin nicht weiter erwähnt.<br />
Staatstheoretische Überlegungen, die zur Legitimation<br />
des landesfürstlichen Absolutismus dienten,<br />
finden sich nur in Ansätzen. Im allgemeinen begnügten<br />
sich die fürstlichen Beamten damit, ständig<br />
zu wiederholen, dass man sich an das Vorbild<br />
Österreichs zu halten habe. So schrieb etwa Landvogt<br />
Schuppler in den Vorarbeiten zur Verfassung<br />
von 1818, Liechtenstein sei zu klein, um nach eigenen<br />
Grundsätzen regiert zu werden. Demokratisch,<br />
wie die beiden benachbarten Schweizer Kantone<br />
St. Gallen und Graubünden, könne und dürfe es<br />
aber nicht sein: «Es muss also bei der Auswahl die<br />
Verfassung Österreichs das Übergewicht haben,<br />
und weil alles zur inneren Landesverwaltung dienliche<br />
nur von dorther angenommen werden muss,<br />
so kann an und für sich den Landständen eine<br />
Competenz in die eigentliche innere Landesregierung,<br />
in so weit sie auf die eigentliche hohe und<br />
niedere Landespolizei, auf die Gerichtspflege im<br />
ausgedehntesten Sinne, auf das Schul-, Kirchen-,<br />
und Erziehungswesen und andere dergleichen innere<br />
Landesanstalten Einfluss nimmt, nicht zugestanden<br />
werden.» 8<br />
Die landesfürstlichen Anordnungen und Gesetze<br />
wurden wie in Österreich mit einem eudämonistischen<br />
Staatszweck begründet: Die obrigkeitlichen<br />
Vorschriften wurden «aus landesväterlicher Fürsorge<br />
für das Wohl der Unterthanen», aus Sorge<br />
um die «sittliche Wohlfahrt» und um das «Glück»
der Untertanen erlassen und bezweckten die Förderung<br />
des «allgemeinen Wohlstandes». 9<br />
Die Untertanen<br />
sollten sich kein Urteil über diese Vorschriften<br />
anmassen, sondern diesen in dankbarer<br />
Anerkennung und liebevoller Treue nachkommen.<br />
Zumindest unter Fürst Johann I. hielt man eine<br />
weitere Begründung nicht für nötig, die Untertanen<br />
hatten zu gehorchen und sollten notfalls auch zum<br />
eigenen Glück gezwungen werden. 10<br />
Unter Alois II.<br />
ergab sich insofern eine Veränderung im Herrschaftstil,<br />
als nun die Untertanen auch «belehrt»<br />
werden sollten. So wurde 1841 das Oberamt angewiesen,<br />
die Untertanen (die eine Delegation nach<br />
Wien geschickt hatten, um dem Fürsten ihre Anliegen<br />
vorzutragen) «wohlmeinend über die väterlichen<br />
Gesinnungen Seiner Durchlaucht zu belehren<br />
und ihnen zu bedeuten, dass die Interessen des<br />
Landes und die auf selbe wahrhaft wohltätig wirkenden<br />
Massregeln fortan die Gegenständ der reiflichsten<br />
Prüfungen seien, daher in ihrer successiven<br />
Entwicklung mit Vertrauen und in Beruhigung<br />
zu erwarten.» 11<br />
Schliesslich muss noch auf den patrimonialen Charakter<br />
der Herrschaft hingewiesen werden. Das<br />
Fürstentum wurde als ein Familienfideikommiss<br />
angesehen, über das der regierende Fürst als Majoratsherr<br />
verfügen konnte. Staat und Herrscher waren<br />
identisch. Die Aufnahme in das Staatsbürgerrecht<br />
erfolgte als eine Aufnahme in den Untertanenverband:<br />
Der Ausländer musste sich mit 25<br />
Gulden in den Untertanenverband einkaufen und<br />
einen Untertaneneid leisten, in dem er dem Fürsten<br />
Treue schwor.<br />
DIE BESEITIGUNG DER GERICHTE<br />
UND DER LANDSTÄNDISCHE LANDTAG<br />
Noch im 16. Jahrhundert wurden wichtige landesherrliche<br />
Rechte von den Vertretern der beiden<br />
Landschaften ausgeübt. Jede Landschaft stellte einen<br />
Landammann, 12 Richtern, und einen Landweibel.<br />
Diese Gerichte übten zusammen mit dem<br />
Landschreiber die hohe und niedere Gerichtsbarkeit<br />
aus, nahmen polizeiliche Aufgaben wahr und<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />
besorgten das Vormundschaftswesen. Der Landammann<br />
hob die Steuern ein, bot die Landwehr<br />
auf und hatte das Recht, öffentliche Urkunden zu<br />
siegeln.<br />
Seit dem 17. Jahrhundert wurden die Kompetenzen<br />
der Gerichte zunehmend eingeschränkt. Die<br />
Gerichtsbarkeit ging in die Kompetenz der landesherrlichen<br />
Beamten über. Nach dem Übergang der<br />
beiden Landschaften an die Fürsten von Liechtenstein<br />
sollten die alten Institutionen durch eine Verwaltungsreorganisation<br />
völlig beseitigt werden.<br />
Nach einem heftigen, jahrelangen Konflikt zwischen<br />
den Untertanen und den landesfürstlichen<br />
Beamten gestand der Landesfürst «ohne Zustehung<br />
der geringsten Rechte auch bloss allein aus einer<br />
Gnad» 12<br />
das Weiterbestehen der Gerichte zu. Die<br />
Gerichtsbarkeit ging jedoch endgültig in die Kompetenz<br />
der landesfürstlichen Beamten über. Die<br />
Landammänner behielten lediglich das Recht zum<br />
Beisitz an den oberamtlichen Verhörtagen. Bei der<br />
Urteilsfassung konnten sie nicht mehr mitwirken.<br />
Wichtige Funktionen verblieben den Landammännern<br />
jedoch beim Steuereinzug und beim Aufgebot<br />
der Mannschaft.<br />
5) Dienstinstruktion von 1748, Teil I «Administrirung Unserer Jurisdictionalien<br />
und Regalien», Art. 1. LLA NS 1748.<br />
6) Zit. nach Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 30.<br />
7) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />
S. 262 und 302. - Lediglich für Tirol wurde 1816 eine neue<br />
Verfassung erlassen, nachdem das Land von 1806 bis 1814 unter<br />
bayerischer Herrschaft gestanden hatte: «Den wiederhergestellten<br />
Ständen) wurde nur das Recht der Evidenzhaltung, Repartierung<br />
und Einhebung der Grundsteuer nach kaiserlichen Vorschriften,<br />
nicht aber das Recht der Besteuerung einger<strong>äu</strong>mt und anstatt des<br />
vormaligen Einflusses auf die Gesetzgebung das Recht, im Namen<br />
des Landes Bitten und Vorstellungen zu erheben und Deputationen<br />
nach vorheriger Genehmigung an das Hoflager zu senden.» Bundsmann,<br />
Politische Verwaltung, S. 160.<br />
8) Schuppler an Fürst am 12. März 1818. LLA RB Fasz. L 6.<br />
9) Diese Begründungen werden in den Präambeln vieler Gesetze<br />
und Verordnungen gegeben.<br />
10) So die Artikel zwei bis fünf der Dienstinstruktion von 1808. LLA<br />
RB Fasz. G 1.<br />
11) Fürst an 0A am 14. Dezember 1841, LLA RC 69/14. - Vgl. auch<br />
Quaderer, S. 111.<br />
12) Erlass vom 25. September 1733. Zit. nach Feger, Fürst Wenzel,<br />
S. 96.<br />
53
Dieser Kompromiss wurde sowohl aus der Sicht<br />
der Untertanen als auch aus der Sicht der Landesherrschaft<br />
als ein vorl<strong>äu</strong>figes Ergebnis gewertet.<br />
Hofften die Untertanen, die alten Rechte eines Tages<br />
zurückzugewinnen, 13<br />
so war die Landesherrschaft<br />
weiterhin gesonnen, die Gerichte bei einer<br />
passenden Gelegenheit völlig zu beseitigen. In der<br />
Dienstinstruktion von 1748 heisst es, dass es im<br />
Moment nicht rätlich erscheine, den Landammann<br />
durch einen vom Fürsten ernannten Steuerkassier<br />
zu ersetzen und die Untertanen so von aller Gewalt<br />
und Einsicht zu entsetzen. «So wollen Wir Unss<br />
einsweils, und mit Vorbehalt des weitheren begnügen,<br />
wann durch beede Land-Ammäner über die<br />
jährlich umlegende Anlaags-Gelder eine ordentliche<br />
Rechnung geführt, solche dem Ober-Ambt zur<br />
Abhör vorgelegt, und mit dessen zu Thun die Manschaft<br />
zu Pferd und Fuss angeworben, und wieder<br />
abgedankt wird.» 14<br />
Die Richter nahmen im 18. Jahrhundert weiterhin<br />
Aufgaben im Polizeiwesen, wo sie etwa Frevel bestrafen<br />
durften, und im Vormundschaftswesen<br />
wahr. Eine wichtige Kompetenz bestand darin,<br />
dass sie Einblick in die landschaftlichen Rechnungen<br />
erhielten, die der Landammann am Ende seiner<br />
Amtszeit zu legen hatte.<br />
Durch die Dienstinstruktion von 1808 wurden die<br />
Gerichte unter Berufung auf die Beseitigung der<br />
«vormaligen Reichsverfassung» und den «Geist des<br />
dermaligen Zeitalters» 15<br />
endgültig aufgehoben<br />
Zweifellos wurde mit dieser Reform die Absicht<br />
verfolgt, den landesfürstlichen Absolutismus zu<br />
vollenden und jede Einflussnahme der Untertanen<br />
auf die Staatsverwaltung zu verhindern. Auch hier<br />
lässt sich wieder der österreichische Einfluss feststellen:<br />
Unter Joseph II. war die ständische Verwaltung<br />
weitgehend verstaatlicht worden. So war etwa<br />
auch das ständische Steueramt mit der Kameralkasse<br />
vereinigt worden 16<br />
- eine Reform, die in<br />
Liechtenstein durch die Steuerverordnung von<br />
1807 nachvollzogen werden sollte.<br />
Landvogt Schuppler hielt es aber offenbar für rätlich,<br />
den Untertanen Einsicht in die Landesrechnung<br />
zu geben, um so den Steuerwiderstand der<br />
Untertanen zu vermindern. Schuppler hielt sich da<br />
54<br />
bei an den Wortlaut der Steuerverordnung von<br />
1807, die ausdrücklich festhielt, dass den Landammännern<br />
Einsicht in die «wirkliche Verwendung»<br />
der Steuergelder gegeben werden solle, die allein<br />
zur Deckung der Kosten der Landesverwaltung<br />
verwendet werden durften. 17<br />
Aufgrund dieser Verordnung<br />
lud Schuppler von 1811 bis 1817 jährlich<br />
anstelle der Landammänner die Gemeindevorsteher<br />
zum Oberamt ein, legte ihnen die Landesrechnung<br />
vor und liess sie das Steuerprotokoll unterschreiben.<br />
18<br />
Die landständische Verfassung von 1818 schränkte<br />
die Rechte der Untertanen noch weiter ein, da sie<br />
ihnen das Recht zur Einsichtnahme in die «wirkliche<br />
Verwendung» der Steuergelder nicht mehr<br />
zugestand. Die Verfassung von 1818 schuf die Einrichtung<br />
eines ständischen Landtages nach österreichischem<br />
Muster. Die Geistlichkeit und die Landmannschaft<br />
bildeten die beiden Landstände. Die<br />
Geistlichkeit konnte drei Abgeordnete auf Lebenszeit<br />
wählen, die durch das Oberamt bestätigt werden<br />
mussten. Die Landmannschaft (also die Untertanen)<br />
wurden durch die jeweiligen Vorsteher und<br />
Säckelmeister der Gemeinden vertreten. Die Vorsteher<br />
wurden nach folgendem Verfahren ausgewählt:<br />
Die Gemeinden unterbreiteten dem Oberamt<br />
einen Dreiervorschlag, aus dem dieses einen Vorsteher<br />
bestimmte. 19<br />
Das Recht zur Landstandschaft<br />
hatten auch Untertanen, die über 2000 Gulden zu<br />
versteuern hatten. Diese Bestimmung erlaubte es<br />
dem Haus Österreich, das im Fürstentum grundherrlichen<br />
Besitz hatte, einen Vertreter in den<br />
Landtag zu schicken. Das Oberamt war berechtigt,<br />
einem Landstandsberechtigten die Teilnahme am<br />
Landtag zu verweigern, wobei es lediglich die<br />
Gründe dafür dem Fürsten mitteilen musste.<br />
Der Landtag trat jährlich einmal zusammen. Die<br />
Stände durften sich nur versammeln, wenn sie vom<br />
Landvogt, der bei den Sitzungen den Vorsitz führte,<br />
der die Sitzungen eröffnete und auch schloss, eingeladen<br />
wurden. Die Kompetenzen der Landstände<br />
waren eng umgrenzt: Sie hatten dem Steuerpostulat<br />
«dankbar» zuzustimmen und durften lediglich<br />
beraten, wie die postulierte Steuer eingebracht
werden konnte. Die Höhe der Steuer richtete sich<br />
nach einem Voranschlag des Oberamtes für das<br />
laufende Jahr, über die Höhe der Steuer oder über<br />
die Notwendigkeit einzelner Ausgaben durfte nicht<br />
diskutiert werden. Ein Recht der Landstände bestand<br />
darin, «Vorschläge zu machen, die auf das<br />
allgemeine Wohl abzielen». 20<br />
Welche Vorschläge<br />
auf das allgemeine Wohl abzielten, stand im Ermessen<br />
des Landvogts; ausdrücklich verboten waren<br />
Vorschläge, die Einnahmen betrafen, die vom<br />
Fürsten als Privateinkünfte (so die Regalien) angesehen<br />
wurden, sowie Vorschläge, die das «bürgerliche,<br />
politische und peinliche Fach» berührten. 21<br />
Das Versprechen, dass der Fürst vor der Einführung<br />
neuer allgemeiner Staatsabgaben eine «ständische<br />
Berathung vorausgehen lassen» 22<br />
wolle,<br />
stellte keinerlei Einschränkung der landesfürstlichen<br />
Macht dar, da neue Abgaben auch eingeführt<br />
werden konnten, wenn sie vom Landtag abgelehnt<br />
wurden.<br />
Die Bestimmungen der Verfassung von 1818 machen<br />
deutlich, dass dem Landtag weder eine Mitwirkung<br />
an der Gesetzgebung noch eine Kontrolle<br />
über die Verwaltung zugestanden wurde. Der<br />
Landtag unterstand vielmehr der Kontrolle des<br />
Oberamtes. Nach österreichischen Gepflogenheiten<br />
hatten die Untertanen nicht das Recht, Gesetzesvorschläge<br />
zu unterbreiten, sondern lediglich das<br />
Recht, Petitionen einzureichen. Die Untertanen<br />
verlangten zwar wiederholt, dass ihnen die Staatsrechnung<br />
zur Einsichtnahme vorgelegt werde,<br />
wurden damit aber stets abgewiesen. 23<br />
Die Landtagssitzungen waren nicht öffentlich. Das<br />
Steuerpostulat wurde den Landständen vorgelesen,<br />
Abschriften durften keine erstellt werden. In der<br />
Einleitung zu jedem Steuerpostulat machte die Hofkanzlei<br />
dem Oberamt folgende, immer gleich lautende<br />
Mitteilung: «Es ist strenge darauf zu sehen,<br />
dass bei dem Landtage niemand erscheine, der<br />
nicht nach Vorschrift der ständischen Verfassungsurkunde<br />
dazu berechtigt ist.» Zur Art der Kundmachung<br />
der Steuerpostulate heisst es: «Zur Beleuchtung<br />
der landesfürstlichen Postulate soll der fürstliche<br />
Landvogt die vorstehende Berechnung deutlich<br />
und langsam den am Landtage versammelten<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />
Ständen vorlesen und ihnen auf einzelne Anfragen<br />
die geeignete Auskunft mündlich ertheilen, Abschriften<br />
aber nicht gestatten.» 24<br />
Die Postulatenlandtage, wie sie in Österreich genannt<br />
wurden, bildeten ein blosses Zeremoniell,<br />
das von den österreichischen Historikern h<strong>äu</strong>fig<br />
verspottet wurde. Otto Brunner bezeichnete sie als<br />
eine «unzulängliche, überholte Vorform parlamentarischer<br />
Einrichtungen». 25<br />
Offenbar massen ihnen<br />
aber auch die liechtensteinischen Untertanen keine<br />
grosse Bedeutung zu, nannten sie doch ihre Vertreter<br />
im Landtag «Glasbläser». 26<br />
Die 1848er Revolution löste auch in Liechtenstein<br />
eine politische Bewegung aus. Der Fürst sah sich<br />
gezwungen, die Erfüllung der Hauptforderungen -<br />
eine konstitutionellen Verfassung, die freie Wahl<br />
von Volksvertretern, ein neues Gemeindegesetz<br />
usw. - für die nahe Zukunft zu versprechen. Am<br />
7. März 1849 wurde eine provisorische Verfassung<br />
gewährt, die einem vom Volk zu wählenden Landrat<br />
wesentliche Rechte einr<strong>äu</strong>mte. Die Wahlen zu<br />
dieser Volksvertretung wurden sogleich vorgenommen,<br />
doch blieb der Landrat nur eine Episode<br />
in der liechtensteinischen Geschichte. Durch den<br />
13) Vgl. dazu das «Politische Tagebuch» des Amtsboten Johann<br />
Rheinberger.<br />
14) Dienstinstruktion von 1748, Teil I, Art. 17. RA 2/1/15.<br />
15) Dienstinstruktion von 1808, Art. 1. LLA RB Fasz. G 1.<br />
16) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />
S. 303.<br />
17) Steuerverordnung vom 22. 4. 1807, § 10.<br />
18) Steuerprotokolle aus den Jahren 1811 bis 1817, LLA RB<br />
Fasz. S 5.<br />
19) Quaderer, S. 78.<br />
20) Verfassung von 1818, Art. 13.<br />
21) ebda. Art. 16.<br />
22) ebda. Art. 15.<br />
23) Quaderer, S. 25 ff.<br />
24) Landtagsprotokolle von 1818 bis 1847. LLA div. Fasz.<br />
25) Brunner, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />
S. 62.<br />
26) Feger, Johann II, S. 73.<br />
55
Reaktionserlass vom 20. Juli 1852 wurden alle Verfassungsversprechen<br />
rückgängig gemacht und die<br />
Verfassung von 1818 wieder in Kraft gesetzt. 27<br />
Auch hier zeigte sich die Abhängigkeit von der Entwicklung<br />
in Österreich: Dort war am 4. März 1849<br />
eine Reichsverfassung erlassen worden, bevor<br />
durch das Silvesterpatent vom 31. Dezember 1851<br />
das absolutistische Herrschaftssystem des Vormärz<br />
wiederhergestellt wurde.<br />
Wie die nun folgende Entwicklung bis zur konstitutionellen<br />
Verfassung von 1862 zeigte, hatte die<br />
1848er Bewegung das politische Bewusstsein der<br />
Untertanen grundlegend verändert. Durch den<br />
1852 mit Österreich abgeschlossenen Zollvertrag<br />
war dem Land eine neue Finanzquelle entstanden,<br />
die den vorübergehenden Verzicht auf die direkte<br />
Steuer zur Deckung der Landesausgaben ermöglichte.<br />
Aus diesem Grunde sah sich der Fürst vorerst<br />
auch nicht veranlasst, den Landtag einzuberufen.<br />
1857 - der letzte landständische Landtag lag<br />
nun 10 Jahre zurück - wurde wieder eine Steuer<br />
postuliert und der Landtag einberufen, um dem Postulat<br />
zuzustimmen. Nun zeigte es sich, dass sich<br />
die Abgeordneten mit dem blossen Zeremoniell des<br />
Zustimmens nicht mehr zufrieden gaben. Sie forderten<br />
eine neue Landesverfassung, die Wahl einer<br />
Volksvertretung, die in allen inneren Landesangelegenheiten<br />
ein Mitbestimmungsrecht haben sollte,<br />
ein neues Gemeindegesetz, Reformen im Schulwesen,<br />
die Zehentablösung usw. 28<br />
Die gleichen Forderungen<br />
- schon das Vortragen von solchen «Vorschlägen»<br />
war nach der Verfassung von 1818 verboten<br />
- wurden in den folgenden Jahren immer<br />
wieder und mit allem Nachdruck an den Landtagssitzungen<br />
vorgebracht. Der Landtag war damit zu<br />
einem Forum für politische Auseinandersetzungen<br />
geworden. Der massgebende Berater des Fürsten,<br />
Dr. Justin von Linde, suchte jedoch jede Art von Zugeständnissen<br />
hinauszuzögern, um die Entwicklung<br />
in Österreich abwarten zu können. 29<br />
Dem<br />
Drängen der Untertanen nach politischen Rechten<br />
wurde erst nachgegeben, als sich die künftige Entwicklung<br />
in Österreich durch das Oktoberdiplom<br />
von 1860 und durch das Feberpatent von 1861 abzeichnete.<br />
Am 26. September 1862 erhielt dann<br />
56<br />
das Fürstentum Liechtenstein eine neue Verfassung,<br />
die zwar keineswegs alle Wünsche der «Landesangehörigen»,<br />
wie die Untertanen nun genannt<br />
wurden, erfüllte, die aber doch in entscheidenden<br />
Fragen das absolutistische Regierungssystem beseitigte.<br />
27) Dazu ausführlich Geiger, S. 52-185.<br />
28) Landtagssitzung vom 14. Oktober 1857. LLA RC 72/19.<br />
29) Geiger, S. 244.<br />
Briefpapier mit dem<br />
Staatswappen und dem<br />
offiziellen Titel des Oberamtes<br />
Vaduz auf einem<br />
Circulare (Umlaufschreiben)<br />
an die Gemeinden<br />
der unteren Landschaft<br />
«Das Oberamt des Souverainen<br />
Fürstenthumes<br />
Liechtenstein an die Ortsgerichten<br />
der unteren<br />
Landschaft.<br />
Mit herabgelangten höchsten<br />
Reskripte vom<br />
16. Dezember 1845<br />
Z. 11.303 wurde die Abhaltung<br />
des diesjährigen<br />
Landtages auf Mittwoch<br />
den 31.ten dieses Monates<br />
angeordnet und das Oberamt<br />
mit der Einladung der<br />
Landstände beauftragt.<br />
Als Repräsentanten der<br />
Gemeinden werden daher<br />
die Richter und Säckelmeister<br />
sämmtlicher Ortschaften<br />
zur Erscheinung am<br />
besagten Tage vormittags<br />
10. Uhr in der Oberamtskanzlei<br />
vorgeladen.<br />
Dieses Circulare ist zu<br />
vidiren, schleunigst weiter<br />
zu befördern und nach<br />
geschehenem Umlaufe<br />
hier einzubringen.<br />
Vaduz, am 22. Dezember<br />
1845<br />
Menzinger, Landvogt»
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT<br />
57
Das Oberamt in Vaduz<br />
Das Oberamt in Vaduz war die einzige Verwaltungsbehörde<br />
im Fürstentum Liechtenstein. In die<br />
Zuständigkeit des Oberamtes fielen die gesamte innere<br />
Landesverwaltung, die Rechtsprechung in erster<br />
Instanz, die Domänenverwaltung und die Gemeindeaufsicht.<br />
Es war der fürstlichen Hofkanzlei<br />
in Wien in jeder Hinsicht unterstellt und hatte von<br />
ihr in allen wichtigeren Geschäften die Weisungen<br />
einzuholen. 1848 wurden das Oberamt in Regierungsamt<br />
und der Landvogt in Landesverweser<br />
umbenannt. Diese Umbenennungen hatten keinerlei<br />
Einfluss auf die Verwaltungsorganisation.<br />
ALLGEMEINE VERWALTUNGSGRUNDSÄTZE<br />
Nach der Ansicht der fürstlichen Hofkanzlei in<br />
Wien liess sich die innere Verwaltung im Fürstentum<br />
prinzipiell gleich organisieren wie die Verwaltung<br />
einer fürstlichen Herrschaft. Die Dienstinstruktion<br />
von 1808, die für die Tätigkeit des<br />
Oberamtes bis 1862 die allgemeinen Richtlinien<br />
enthielt, formulierte die gleichen Verwaltungszwecke<br />
für das Fürstentum wie die Hauptinstruktion<br />
von 1838 für die fürstlichen Herrschaften. Die<br />
allgemeinen Aufgaben bestanden in der «Fürsorge<br />
für das Wohl der Unterthanen» und in der bestmöglichen<br />
Nutzung des «landesfürstlichen Camerale».<br />
1<br />
Der Begriff «Kamerale» wurde für jene<br />
Abgaben und Nutzungsrechte verwendet, die als<br />
fürstliche Privatrechte angesehen wurden. Zum<br />
Kamerale gehörten also die Erträge aus dem Zoll-,<br />
Weg- und Umgeld, aus den Zehnten und Fronen<br />
sowie aus der Nutzung des fürstlichen Grundbesitzes.<br />
Um die von der Hofkanzlei stets geforderte «Gleichförmigkeit»<br />
zu erreichen, wurden die auf den fürstlichen<br />
Herrschaften gültigen Verwaltungsvorschriften<br />
nach Möglichkeit auch auf das Fürstentum<br />
übertragen. Die meisten Normalien und Circularien<br />
wurden auch dem Oberamt in Vaduz zugestellt. In<br />
seiner Grundstruktur entsprach das Oberamt seit<br />
1808 einem Herrschaftsamt. Wie bei den Herrschaftsämtern<br />
bestanden in Vaduz ein Rentamt, ein<br />
Grundbuchamt, ein Depositenamt, ein Waisenamt<br />
58<br />
(seit 1836) und ein Waldamt (seit 1838). Bei der<br />
Verwaltung dieser Ämter hatten sich die Beamten<br />
in Vaduz an die Instruktionen zu halten, die für die<br />
fürstlichen Herrschaften erlassen wurden. Der<br />
Dienstinstruktion von 1808 waren die betreffenden<br />
Instruktionen beigelegt mit der Bemerkung, dass<br />
diese als «Leitfaden» verwendet werden mussten. 2<br />
Dass sich das Oberamt nach den Grundsätzen auf<br />
den Herrschaften richten sollte, wurde auch später<br />
immer wieder betont. 1838 sandte die Hofkanzlei<br />
für jeden Beamten in Vaduz ein Exemplar der<br />
Hauptinstruktion von 1838 mit der Bemerkung:<br />
«Die darin aufgestellten Grundsätze und Vorschriften<br />
haben vom Empfang des Gegenwärtigen, insofern<br />
sie auf die dortigen Verhältnisse anzuwenden<br />
sind, genau in Vollzug zu kommen.» 3<br />
Das prinzipielle Festhalten an der Organisationsstruktur<br />
der Herrschaftsämter zeigte sich auch darin,<br />
dass in Vaduz kein Bauamt errichtet werden<br />
durfte. Landvogt Menzinger <strong>äu</strong>sserte wiederholt<br />
die Meinung, dass für Liechtenstein die Anstellung<br />
eines erfahrenen Technikers zur Bewältigung der<br />
Probleme bei den Rheinwuhrbauten, bei der Entwässerung<br />
der Talebene usw. nötig sei. Einen ausgebildeten<br />
Waldbeamten, dessen Hauptaufgabe in<br />
der Vermessung der Wälder bestand, hielt er dagegen<br />
nicht für nötig, da er meinte, dass für die obrigkeitlichen<br />
Wälder im Fürstentum ein tüchtiger Jäger<br />
ausreiche. 4<br />
Der Fürst und die Hofkanzlei entschieden<br />
jedoch anders: Nach ihrer Ansicht musste<br />
in Vaduz ein Waldamt eingerichtet werden, die Errichtung<br />
eines Bauamtes jedoch wurde noch 1860<br />
ausdrücklich verboten. 5<br />
Die Beaufsichtigung der<br />
Bauausführungen wurde bis 1846 vor allem Johann<br />
Peter Rheinberger übertragen, nach dem<br />
Rheineinbruch dem Waldbeamten Gross und in<br />
den 1850er Jahren den Offizieren des Truppenkontingentes.<br />
Einer der Hauptgrundsätze in der österreichischen<br />
Verwaltungsorganisation stellte das Kollegialitätsprinzip<br />
dar. Grundsätzlich sollte das Oberamt wie<br />
alle fürstlichen Behörden nach diesem Prinzip organisiert<br />
werden. Die Amtsgewalt war nicht einem<br />
einzelnen Beamten übertragen, sondern dem «Gre-
mio des Amtes». 6<br />
Immer wieder wurde betont,<br />
dass die Beamten alle wichtigeren Geschäfte gemeinsam<br />
beraten sollten 7<br />
und kein Beamter ohne<br />
Wissen seiner Mitbeamten Amtshandlungen vornehmen<br />
dürfe. So hiess es etwa in der Dienstinstruktion<br />
von 1808, dass die Beamten «gemeinschaftlich<br />
in der Oberamtskanzley (manipulieren<br />
müssten), um die gemeinschaftlichen Berathschlagungen<br />
bey jedem Vorfall sogleich pflegen zu können,<br />
und die Publicität der Amtirungen zu bezwecken».<br />
8<br />
Die Dienstinstruktion schrieb weiter<br />
vor, dass alle Berichte an den Fürsten oder die Hofkanzlei<br />
von den Beamten gemeinsam beraten und<br />
von allen unterschrieben werden mussten. Umgekehrt<br />
mussten alle Berichte, die von der Hofkanzlei<br />
eintrafen, von allen Beamten gelesen werden, ausser<br />
wenn die Hofkanzlei sie ausdrücklich nur für<br />
den Landvogt bestimmte. 9<br />
Einem einzelnen Beamten<br />
war es streng verboten, von sich aus mit der<br />
Hofkanzlei in Briefkontakt zu treten, da nur die Behörden<br />
nach aussen auftreten durften. 10<br />
Soweit sich aus den Akten im Landesarchiv feststellen<br />
lässt, wurden die gemeinschaftlichen Beratungen<br />
in der Praxis nicht abgehalten. In der Regel<br />
entschied der Landvogt allein, was er an die Hofkanzlei<br />
schrieb. Am Kollegialitätsprinzip wurde<br />
hingegen insofern festgehalten, als die Mitbeamten<br />
Einblick in die Korrespondenz zwischen dem<br />
Landvogt und der Hofkanzlei erhielten. Die Schreiben,<br />
die von der Hofkanzlei in Vaduz eintrafen, tragen<br />
auf der Rückseite h<strong>äu</strong>fig den Vermerk «gelesen»<br />
und die Unterschrift der Beamten. Umgekehrt<br />
wurden die Berichte des Landvogts an die Hofkanzlei<br />
oder an den Fürsten in der Regel von den<br />
andern Beamten mitunterzeichnet. Die Hauptinstruktion<br />
von 1838 stellte den Grundsatz auf, dass<br />
nur noch Berichte in herrschaftlichen Angelegenheiten<br />
von den drei ranghöchsten anwesenden<br />
Beamten unterschrieben werden mussten, während<br />
in judiziellen und politischen Angelegenheiten<br />
der Herrschaftsvorsteher allein unterzeichnen<br />
konnte. 11<br />
Obwohl das Oberamt eine Kollegialbehörde darstellte,<br />
bestand unter den Beamten eine genau festgelegte<br />
Hierarchie. Ebenso war für jeden Beamten<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />
eine bestimmte Zuständigkeit festgelegt. Der Landvogt<br />
war der Leiter des Oberamtes, die andern Beamten<br />
waren ihm subordiniert und wurden von<br />
ihm kontrolliert. 12<br />
Der Landvogt hatte stets die<br />
Übersicht über die gesamte Verwaltung zu bewahren.<br />
Seine besonderen Aufgaben bestanden in der<br />
Erledigung der «politischen» Geschäfte - «politisch»<br />
umfasste alle staatlichen Aufgaben - und in<br />
der Rechtsprechung. Dem Landvogt im Rang folgte<br />
der Rentmeister, der für alle Geld- und Rechnungsgeschäfte<br />
zuständig war. Für die Führung der<br />
Grundbücher war seit 1829 ein eigener Beamter<br />
angestellt, der bis 1848 auch den Hauptzolleinnehmerdienst<br />
zu besorgen hatte. Der Amtsschreiber<br />
schliesslich führte bei den Gerichtsverhandlungen<br />
das Protokoll, registrierte die Akten, schrieb die<br />
Entwürfe des Landvogts ins reine und beaufsichtigte<br />
die Wirtschaftsangelegenheiten.<br />
Die Hauptinstruktion schrieb für alle Herrschaftsämter<br />
folgenden Geschäftsgang fest, wobei sie die<br />
1) In der Maur hat bei der Veröffentlichung der Dienstinstruktion im<br />
JBL 1905 alle Hinweise auf das Kameralwesen und alle «anstössigen»<br />
Bemerkungen entfernt. Dass die Nutzung des Kamerale eine<br />
wichtige Aufgabe für die fürstlichen Beamten darstellte, geht daraus<br />
hervor, dass die Dienstinstruktion von 1808 mindestens zur Hälfte<br />
aus Bestimmungen zur Nutzung der herrschaftlichen Ökonomie besteht.<br />
2) Dienstinstruktion von 1808, Art. 16, 18, 20, 21, 22, 25, 40. LLA<br />
KB Gl.<br />
3) HK an 0A am 10. 4. 1838. LLA NS 1830-39.<br />
4) So etwa in einem Brief an Maximilian Kraupa am 29. 7. 1847.<br />
LLA RC 73/12.<br />
5) Fürstin Franziska an RA am 18. 3. 1860. LLA RC 107/106.<br />
6) Hauptinstruktion von 1838, § 116.<br />
7) Dienstinstruktion von 1719, Caput I, § 10, LLA AM4; Dienstinstruktion<br />
von 1748, Teil I, Art. 2, 7, 8, 9, 14 LLA RA 2/1/15; Dienstinstruktion<br />
von 1808, Art. 14. Hauptinstruktion von 1838, §§ 117,<br />
118.<br />
8) Dienstinstruktion von 1808, Art. 14.<br />
9) ebda. Art. 14.<br />
10) Dienstinstruktion von 1748, Teil I, Art. 28. LLA RA 2/1/15;<br />
Hauptinstruktion von 1838, §§ 63 und 121.<br />
11) Hauptinstruktion von 1838, 1§ 22.<br />
12) Dienstinstruktion von 1808, Art. 14 und Ilauptinstruktion von<br />
1838, § 106.<br />
59
estehende Ordnung zum grössten Teil lediglich<br />
bestätigte: Der Herrschaftsvorsteher öffnete alle<br />
eintreffenden Schreiben und nahm sie zur Kenntnis.<br />
Der Eingang dieser Schreiben wurde registriert,<br />
dann wurde das Schreiben dem Beamten<br />
übergeben, in dessen Zuständigkeit die Angelegenheit<br />
fiel. Nach erfolgter Bearbeitung musste die Erledigung<br />
der Schreiben im Protokoll sichtbar gemacht<br />
werden. Die Reinschrift des Erledigungsentwurfs<br />
wurde mit den erforderlichen Unterschriften<br />
versehen und expediert. 13<br />
Für die Abfassung der Berichte an den Fürsten und<br />
die Hofkanzlei bestanden genaue Richtlinien: Die<br />
Berichte sollten: «kurz, bündig, und doch erschöpfend,<br />
dann anständig abgefasst, halbbrüchig auf<br />
der rechten Spalte, rein und leserlich geschrieben,<br />
und mit allen erforderlichen Beilagen . . . und Vorakten<br />
belegt» 14<br />
sein. Die Berichte hatten bis 1815<br />
mit der Anrede «Wohllöbliche Hofkanzley», nach<br />
1815 mit «Euer Durchlaucht» zu beginnen 11<br />
"' und<br />
mit «treu gehorsamst» und den Unterschriften der<br />
Beamten zu schliessen. Auf den Schreiben musste<br />
auch ein Rubrum angebracht werden, das aus einer<br />
kurzen Inhaltsangabe und den Aktennummern<br />
bestand. 16<br />
Diese Vorschriften betonten nicht nur<br />
den Formalismus, sondern zielten - mindestens<br />
teilweise - auch auf Zweckmässigkeit ab. Das Rubrum<br />
erlaubte eine rasche Orientierung über den<br />
Inhalt des Schreibens. Dass nur die rechte Blatthälfte<br />
beschrieben werden durfte, ermöglichte dem<br />
Bearbeiter bei der Hofkanzlei, seine Bemerkungen<br />
auf der linken Blatthälfte anzubringen.<br />
Neben den formalen Vorschriften zur Abfassung<br />
der Berichte bestanden auch inhaltliche. Den Beamten<br />
wurde befohlen, «in allen ihren Berichten<br />
ihre eigene Meinung und Anträge auf das bestimmteste,<br />
und wohl motivirt aus(zu)sprechen.» 17<br />
Dieser<br />
Aufforderung kamen die Landvögte meistens nach<br />
und legten dar, welcher Entscheid ihnen am zweckmässigsten<br />
und angemessensten erschien. Die Meinung<br />
des Landvogts hatte meist massgeblichen<br />
Einfluss auf den Entscheid der Hofkanzlei. Der<br />
Landvogt war der Hofkanzlei insofern überlegen,<br />
als er über bedeutend mehr Informationen ver<br />
60<br />
fügte, da diese kaum mit den örtlichen Verhältnissen<br />
vertraut war. Die Hofkanzleibeamten kannten<br />
die Verhältnisse im Fürstentum fast ausschliesslich<br />
aus den Schilderungen der Landvögte. Nachdem<br />
Hofrat Hauer 1815 pensioniert worden war, beschäftigte<br />
die Hofkanzlei bis 1842 keinen Beamten,<br />
der das Fürstentum aus eigener Anschauung gekannt<br />
hätte. 18<br />
Die Hofkanzlei betonte immer wieder, dass die Aktenmässigkeit<br />
und die Schriftlichkeit zwei wichtige<br />
Prinzipien für eine geordnete Verwaltung darstellten.<br />
So enthielt bereits die Dienstinstruktion von<br />
1719 detaillierte Vorschriften über das Anlegen einer<br />
Registratur und eines Archivs. Über die Bedeutung<br />
eines Archivs hiess es beispielsweise: «. . . darinn<br />
die Seele einer wohl geordneten Regierung bestehen<br />
thut.» 19<br />
Seit 1808 waren das Archiv und die Registratur<br />
nach den Prinzipien aufgebaut, die unter Joseph II.<br />
für die österreichische Staatsverwaltung entwickelt<br />
worden waren und von da auch Eingang in die<br />
fürstliche Verwaltung gefunden hatten. 20<br />
Im Archiv<br />
aufbewahrt wurden einerseits die Akten, die von<br />
einer auswärtigen Stelle eingingen, und andererseits<br />
die Entwürfe (oder Konzepte) zu den expedierten<br />
Schriftstücken. Der Eingang eines Schriftstückes<br />
sollte sogleich im sogenannten Exhibitenprotokoll<br />
registriert werden, wo auch die Erledigung<br />
der Angelegenheit sichtbar gemacht werden<br />
musste. Dabei wurden die Aktenstücke mit fortlaufenden<br />
Nummern versehen. Überdies sollten die<br />
Akten auch in einem Repertorium, einem alphabetischen<br />
Index, eingetragen werden. Unter Landvogt<br />
Schuppler war das Archiv - wiederum nach josephinischem<br />
Vorbild - nach Sachgruppen geordnet.<br />
Unter Landvogt Pokorny wurde das System «vereinfacht»:<br />
Wie aus der Hauptinstruktion von 1838<br />
hervorgeht, hatte sich inzwischen bei der fürstlichen<br />
Hofkanzlei die Ansicht durchgesetzt, dass<br />
die Akten sich gewissermassen «von selbst» nach<br />
den Materien ordnen würden, wenn man immer<br />
alle Vorakten den neuen Akten beilegte. 21<br />
Hauptordnungsprinzip<br />
war daher nicht mehr die Einteilung<br />
der Akten nach Sachgruppen, sondern der<br />
chronologische Einlauf der Akten. In der Verwal-
tungspraxis stiftete dieses neue Prinzip Unordnung,<br />
da die ausgehobenen Akten h<strong>äu</strong>fig in einem<br />
neuen Zusammenhang eingeordnet wurden. Die<br />
Registratur und das Archiv waren in eine politische<br />
und eine judizielle Abteilung 22<br />
getrennt. In die politische<br />
Abteilung kamen alle strafrechtlichen, politischen<br />
und administrativen Akten, in die judizielle<br />
alle zivilrechtlichen Gegenstände streitiger oder<br />
nicht-streitiger Natur. 23<br />
Die Schriftlichkeit im Verkehr zwischen dem Oberamt<br />
und der Hofkanzlei war durch die <strong>äu</strong>sseren<br />
Umstände gegeben. Ungenügend entwickelt war<br />
die Schriftlichkeit - zumindest im ersten Drittel des<br />
19. Jahrhunderts - bei den Amtshandlungen des<br />
Oberamts. 1831 rügte eine Untersuchungskommission<br />
Landvogt Pokorny, weil er «dem Beispiele der<br />
früheren Amtirungen folgte, die von denselben befolgte<br />
bequeme Methode (der) innern Amts Manipulation<br />
beibehielt, und sich in vielen Fällen lediglich<br />
mit einer Amtshandlung brevi manu begnügte,<br />
ohne sie auch nur kurz zu Papier zu bringen». Die<br />
Untersuchungskommission stellte dieses ordnungswidrige<br />
Vorgehen im Gerichtswesen, bei den Verlassenschaftsabhandlungen<br />
und beim Grundbuchamte<br />
fest. 24<br />
Die Kommission stellte in diesen Geschäften<br />
auch grosse Rückstände fest, die zum Teil<br />
viele Jahre alt waren. 25<br />
Der Zweckmässigkeit, Gründlichkeit und Schnelligkeit<br />
des Oberamtes wurden keine guten Zeugnisse<br />
ausgestellt. Landvogt Pokorny suchte sich gegenüber<br />
der Untersuchungskommission von 1831 dadurch<br />
zu rechtfertigen, dass viele Rückstände noch<br />
auf die Amtszeit von Schuppler zurückgingen. 26<br />
Unter Landvogt Menzinger war das Oberamt mindestens<br />
in den 1850er Jahren seiner Aufgabe nicht<br />
mehr gewachsen. Nach seiner Pensionierung<br />
sprach der neue Landesverweser Karl Haus von<br />
Hausen vom «bekannten schleppenden Geschäftsgang»<br />
und von der «Unordnung», 27<br />
die beim Oberamt<br />
geherrscht habe. Zweifellos dürfen diese Mängel<br />
nicht den amtierenden Landvögten allein angelastet<br />
werden, sondern waren in der Personalknappheit<br />
des Oberamtes und in der mangelnden<br />
Kontrolle durch eine übergeordnete Behörde begründet.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />
VERWALTUNGSKONTROLLE<br />
Der Übergang zu einem bürokratischen Verwaltungsstil<br />
bedingte die Institutionalisierung einer<br />
Verwaltungskontrolle. Das absolutistische Staatsverständnis<br />
verbot es dabei, dem landständischen<br />
Landtag ein Kontrollrecht über die fürstlichen Beamten<br />
einzur<strong>äu</strong>men. Eine Kontrolle über die Tätigkeit<br />
des Oberamtes durfte allein von Vertretern der<br />
fürstlichen Hofkanzlei ausgeübt werden.<br />
Die Kontrollmechanismen, die für die Verwaltung<br />
der fürstlichen Herrschaften entwickelt worden<br />
waren, Hessen sich nicht einfach auf das Fürstentum<br />
übertragen. Die fürstlichen Herrschaftsämter<br />
wurden vorwiegend unter dem Aspekt kontrolliert,<br />
ob sie den fürstlichen Besitz wirtschaftlich sinnvoll<br />
nutzten und die fürstlichen Rechte wahrten, Für<br />
diese Art von Kontrollen bestanden verschiedene<br />
Inspektionsämter, die regelmässige Lokalisierungen<br />
auf den fürstlichen Herrschaften vorzunehmen<br />
hatten. Die herrschaftliche Ökonomie im Fürsten-<br />
13) Hauptinstruktion von 1838, §§ 120 und 121.<br />
14) ebda. § 123.<br />
15) Verordnung betr. Form der Eingaben vom 10. 6. 1815. LLA RB<br />
Fasz. G 1.<br />
16) Hauptinstruktion von 1838, § 123.<br />
17) ebda. § 129<br />
18) Als 1842 erstmals ein Fürst sein Fürstentum besuchte, weilte<br />
eine Hofkommission mit Wirtschaftsrat Maximilian Kraupe während<br />
60 Tagen im Land. Kostenabrechnung vom 14. 3. 1843. LLA RC<br />
75/37.<br />
19) Dienstinstruktion von 1719, Caput V, § 1. LLA AM 4.<br />
20) Vgl. Stolz, Grundriss der österreichischen Verfassungsgeschichte,<br />
S. 163.<br />
21) Hauptinstruktion von 1838, § 125.<br />
22) Nach der Hauptinstruktion von 1838 sollte auf den fürstlichen<br />
Herrschaften auch eine ökonomische Abteilung geführt werden. Dafür<br />
war die herrschaftliche Ökonomie in Vaduz offenbar aber zu unbedeutend.<br />
Hauptinstruktion von 1838, § 120.<br />
23) RA an Fürst am 25. 3. 1860. LLA RC 106/228.<br />
24) HK an OA am 31. 12. 1831. LLA NS 1830-39.<br />
25) ebda.<br />
26) ebda.<br />
27) Geiger, S. 251.<br />
61
tum hingegen erschien der Hofkanzlei als zu unbedeutend,<br />
um regelmässig solche Kontrollen durchführen<br />
zu lassen. Das Fürstentum war weit entfernt<br />
und die Entsendung einer Untersuchungskommission<br />
teuer.<br />
Die wichtigste Kontrolle der Tätigkeit des Oberamtes<br />
in Vaduz ergab sich aus der jährlichen Überprüfung<br />
der rentamtlichen Rechnungsbücher durch<br />
die Buchhaltung in Butschowitz. Der Rentmeister<br />
hatte sich bei der Rechnungsführung an die auf den<br />
fürstlichen Herrschaften gültigen Rechnungsinstruktionen<br />
zu halten und jede Ausgabe zu begründen.<br />
Die Kontrolle der Rentrechnungen (und der seit<br />
1844 separat geführten Staatsrechnungen) gab keinerlei<br />
Aufschluss über die Genauigkeit und Regelmässigkeit<br />
der oberamtlichen Amtshandlungen. Da<br />
die Herrschaftsbeamten in Österreich, Böhmen<br />
und Mähren in ihren öffentlichen Funktionen von<br />
staatlichen Behörden überprüft wurden, stellte diese<br />
Art von Kontrolle im Fürstentum aus der Sicht<br />
der fürstlichen Hofkanzlei ein völlig neues Problem<br />
dar. Dass eine solche Kontrolle überhaupt erforderlich<br />
war, wurde der Hofkanzlei offenbar erst durch<br />
das Untersuchungsergebnis der 1831 nach Vaduz<br />
gesandten Kommission bewusst. Die Hofkanzlei<br />
zog aus den festgestellten Mängeln beim Oberamt<br />
den Schluss, dass dieses schärfer zu kontrollieren<br />
sei. Sie ordnete an, dass der Landvogt jährlich<br />
Tabellen über alle vorkommenden Verlassenschaftsabhandlungen,<br />
Justiz- und Kriminalfälle<br />
sowie über alle politischen Gegenstände zusammenstellen<br />
und an die Hofkanzlei einsenden sollte.<br />
In diesen Tabellen musste auch festgehalten werden,<br />
welche Fälle bereits erledigt und welche noch<br />
hängig waren. 28<br />
Diese Tabellen sollten verhindern,<br />
dass erneut grosse Geschäftsrückstände auftraten.<br />
29<br />
Inspektionen durch Untersuchungskommissionen,<br />
sogenannte «Lokalisierungen», wurden im Fürstentum<br />
selten vorgenommen, Insgesamt weilten<br />
zwischen 1808 und 1860 lediglich fünfmal Vertreter<br />
der Hofkanzlei im Fürstentum - zweimal davon<br />
anlässlich der ersten beiden Besuche des regierenden<br />
Fürsten in ihrem Fürstentum.<br />
62<br />
Gesamthaft gesehen lässt sich feststellen, dass das<br />
Oberamt - abgesehen von der Rechnungskontrolle<br />
- kaum kontrolliert wurde. Wichtiger als die Kontrolle<br />
über die Beamten war das Vertrauen in die<br />
Beamten.<br />
DER AUSHAU DES ORERAMTES<br />
Von seiner Organisationsform her gesehen erfuhr<br />
das Oberamt zwischen 1808 und 1862 keinen wesentlichen<br />
Ausbau. Abgesehen davon, dass, wie bereits<br />
erwähnt, 1836 ein Waisenamt und 1838 ein<br />
Waldamt eingerichtet wurden, wurden in diesem<br />
Zeitraum keine neuen Ämter geschaffen. Der zunehmend<br />
bürokratische Verwaltungsstil erforderte<br />
jedoch zumindest einen personellen Ausbau. 1808<br />
beschäftigte das Oberamt drei Beamte, 1860 waren<br />
es neun. Dieser Ausbau, der im folgenden Kapitel<br />
dargestellt werden soll, verlief keineswegs geradlinig.<br />
Ein wesentlicher Bestandteil der Verwaltungsreform<br />
von 1808 bildete die Ersetzung der bis dahin<br />
in Vaduz tätigen Beamten. Hofrat Hauer beschrieb<br />
den alten Menzinger als einen «ehrlichen, aber<br />
<strong>äu</strong>sserst unwissenden, schläfrigen und decrepiten<br />
Landvogt, der hinter dem Ofen brütet, und lange<br />
Weile braucht, bis seine zitternde Hand einen<br />
Buchstaben darnieder schreibt, er gar nicht verstehet,<br />
was der Geschäftszug und (die) Ordnung erheischet.»<br />
30<br />
In ähnlicher Weise zog er über den Amtsschreiber<br />
Kirchthaler her: Er gehe bloss irgendwelchen<br />
Tr<strong>äu</strong>mereien nach und wolle sich an den<br />
Kriegsschulden auf Kosten des Landesfürsten bereichern.<br />
Für Rentmeister Schmieth hingegen, der<br />
erst seit zwei Jahren in Vaduz weilte, fand er anerkennende<br />
Worte: Er habe in dieser kurzen Zeit<br />
einen grossen Teil der ausstehenden Renten eingetrieben,<br />
zeige Initiative und bemühe sich «durch<br />
seinen Einfluss die bisher an der Tagesordnung ge<br />
3 1<br />
standenen Willkürlichkeiten zu hemmen».<br />
Nach Ansicht Hauers mussten «Beamte voll Kenntniss<br />
der österreichischen Manipulation und mit<br />
dem besten Willen» nach Vaduz versetzt werden,<br />
wenn die Reorganisation des Landes Erfolg haben
sollte. Auf den Antrag Hauers wurde denn auch im<br />
Oktober 1808 Landvogt Menzinger pensioniert und<br />
der Amtsschreiber entlassen. Wie es Hauer vorgeschlagen<br />
hatte, wurden zwei junge Beamte von<br />
den fürstlichen Herrschaften nach Vaduz versetzt.<br />
Neuer Landvogt wurde Joseph Schuppler, Grundbuchführer<br />
und Gerichtsaktuar wurde dessen<br />
Schwager Peter Zelinka. Rentmeister Schmieth<br />
wurde bestätigt und erhielt «als Zeichen der höchsten<br />
Zufriedenheit» eine jährliche Gehaltszulage<br />
von 75 Gulden. 32<br />
Zielte diese Umbesetzung auf eine Verbesserung<br />
der Funktionsfähigkeit ab, so wurde diese bereits<br />
1815/16 wieder rückgängig gemacht. Die Vorgeschichte<br />
und Hintergründe lassen sich aus den Akten<br />
im Landesarchiv in Vaduz nicht im Detail erschliessen,<br />
insgesamt ergibt sich aber folgendes<br />
Bild: Die Spannungen, die zwischen Menzinger und<br />
Schmieth bestanden hatten, setzten sich auch unter<br />
Schuppler und Schmieth fort. So wurde Landvogt<br />
Schuppler 1814 bei der Hofkanzlei angezeigt,<br />
weil er seine Dienstpflicht nicht einhalte. 33<br />
Die Hofkanzlei<br />
wollte zwar den Namen des Anzeigers nicht<br />
bekanntgeben - sie behauptete, es sei eine «anonimische<br />
mit verstellter Hand niedergeschriebene<br />
Anzeige» 34<br />
eingegangen - doch musste diese Anzeige<br />
vom Rentmeister stammen, da niemand ausser<br />
den Beamten in Vaduz die Dienstinstruktion<br />
von 1808 so genau kennen konnte. Es ist auch<br />
kaum anzunehmen, dass die Hofkanzlei einer anonymen<br />
Anzeige grosse Bedeutung beigemessen<br />
hätte. Bald darauf verzeigte Schuppler den Rentmeister,<br />
weil dieser sich subordinationswidrig benehme<br />
und nachmittags nie in der Kanzlei erscheine.<br />
35<br />
Diese Vorgeschichte war insofern wichtig,<br />
als man sich in Wien 1815 darum bemühte, die<br />
gesamte fürstliche Verwaltung zu reorganisieren;<br />
von diesen Bemühungen wurde auch das Fürstentum<br />
betroffen: Schuppler hatte eine ausführliche<br />
Beschreibung des ganzen Fürstentums anzufertigen.<br />
36<br />
Dieser Beschreibung entnahm die Hofkanzlei<br />
offenbar, dass die bescheidene Ökonomie im Fürstentum<br />
nicht den Einsatz von drei qualifizierten<br />
Beamten erforderte. Jedenfalls wurde Rentmeister<br />
Schmieth, der sich durch, sein rücksichtsloses Ein<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />
treiben der Rentresten 37<br />
und durch seine saubere<br />
Rechnungsführung ausgezeichnet hatte, auf den<br />
1. Oktober 1815 als Rechnungsrat in die Buchhaltung<br />
befördert.<br />
Nach seiner Versetzung befragte ihn die Hofkanzlei<br />
offenbar, wie sich die Verwaltung des Fürstentums<br />
vereinfachen liesse. 38<br />
Was Schmieth vorschlug,<br />
lässt sich aus den folgenden Reformen erschlies-<br />
28) HK an OA am 31. 12. 1831, LLA NS 1830-31.<br />
29) Ob diese Tabellen tatsächlich regelmässig eingesandt wurden,<br />
lässt sich nicht feststellen. In Vaduz sind sie jedenfalls nicht vollständig.<br />
Justiztabellen LLA RC 51/1. Tabellen der unerledigten politischen<br />
Gegenstände LLA RC 51/2. Tabellen über Kriminaluntersuchungen<br />
LLA RC 51/3. Tabellen über schwere Polizeiübertretungen<br />
LLA RC 51/4.<br />
30) Bericht Mauers über das Fürstentum Liechtenstein aus dem<br />
Jahre 1808. Photokopie im LLA.<br />
31) ebda.<br />
32) HK an Rentmeister Schmieth am 16. September 1808. LLA RB<br />
Fasz. B3.<br />
33) Die Anklagepunkte gehen aus einem Schreiben der HK vom<br />
22. Juni 1814 hervor: 1. Die Steuern wurden nach der althergebrachten<br />
Weise eingetrieben und nicht durch das Rentamt. 2. Die<br />
Gemeinderechnungen wurden nicht vorschriftsgemäss kontrolliert.<br />
3. Die Lizitationen (Versteigerungen) wurden von den Gemeindevorstehern<br />
und nicht vom Oberamt vorgenommen. 4. Die obrigkeitliche<br />
Ökonomie wurde vernachlässigt. 5. Die Volks- und Viehzählungen<br />
wurden nicht jährlich vorgenommen. 6. Es bestand keine Feuerlöschordnung.<br />
Diese Anschuldigungen stellten klare Verstösse gegen<br />
die Dienstinstruktion von 1808 fest. Landvogt Schuppler rechtfertigte<br />
sich gegenüber der Hofkanzlei damit, dass er den Umständen angemessen<br />
vorgehe. Schuppler an HK am 22. 6. 1814. LLA RB Fasz.<br />
B 2.<br />
34) HK an OA am 27. 7. 1814. LLA RB Fasz. B 2.<br />
35) Der Rentmeister behauptete, er müsse «nachmittags bei seinen<br />
Kindern den Schulmeister machen». Schuppler an HK am 7. Dezember<br />
1814. LLA RB Fasz. 2.<br />
36) Schuppler, «Beschreibung des Fürstenthums Liechtenstein».<br />
Veröffentlicht von A. Ospelt im JBL 1975.<br />
37) 1808 bezifferte Hauer die Rentresten mit über 100 000 Gulden.<br />
Bericht Hauer über das Fürstentum Liechtenstein. Schuppler schrieb<br />
später, dass die Untertanen unter Schmieth an eine strenge Eintreibung<br />
gewohnt gewesen seien und deshalb auch gezahlt hätten.<br />
Schuppler an Fürst am 17. September 1824. LLA RB Fasz. R 1.<br />
38) Schuppler bat am 24. November 1824 den Fürsten, er möge<br />
nicht auf die Meinung Schmieths achten, da schon dessen frühere<br />
Vorschläge keinen andern Zweck verfolgt hätten, «als um mir mein<br />
Dasein als Mensch zu verbittern, mich an meiner Ehre zu verkleinern<br />
und mir die Anerkennung meiner Verdienste ... zu verkleinern.»<br />
LLA RB Fasz. R 1.<br />
63
sen: Die Hofkanzlei versetzte 1816 Grundbuchführer<br />
Zelinka auf eine andere Herrschaft und beschloss,<br />
diese Stelle sowie jene des Rentmeisters<br />
nicht mehr mit «wirklichen Beamten», sondern mit<br />
blossen Schreibern zu besetzen. Statt der beiden<br />
qualifizierten Beamten wurden zwei ortsansässige<br />
Hintersassen eingestellt. Die Aufgaben des Rentmeisters<br />
wurden dem bisherigen Hauptzolleinnehmer<br />
Joseph Goldner zugewiesen, der den Rang<br />
eines einfachen Rentschreibers erhielt und in seiner<br />
neuen Funktion auch die Grundbücher führen<br />
sollte. Zum neuen Amtsschreiber wurde der 1808<br />
als ungenügend eingestufte und deshalb entlassene<br />
Ludwig Kirchthaler bestimmt, der auch den Dienst<br />
des Hauptzolleinnehmers zu versehen hatte. 39<br />
Landvogt Schuppler soll mit diesen Umbesetzungen<br />
nicht einverstanden gewesen sein. 40<br />
Diese Umbesetzungen zeigen, dass die Verwaltung<br />
des Fürstentums Liechtenstein als eine einfache<br />
Sache angesehen wurde. Mit den Umbesetzungen<br />
wurde vor allem eine Verminderung der Besoldungskosten<br />
angestrebt: Der Rentschreiber erhielt<br />
genau die Hälfte dessen, was der Rentmeister erhalten<br />
hatte. 41<br />
Der Amtsschreiber erhielt zwei Drittel<br />
vom Gehalt des früheren Grundbuchführers und<br />
dazu 2 V2 Prozent von den Zolleinnahmen. Das fixe<br />
Geldgehalt, das bisher der Hauptzolleinnehmer erhalten<br />
hatte, wurde eingespart, da für diesen<br />
Dienst kein eigener Diener mehr angestellt war. 42<br />
Insgesamt verringerten sich die Besoldungskosten<br />
in Vaduz um 600 Gulden im Jahr.<br />
Die Nachteile dieser Umbesetzungen zeigten sich<br />
rasch. Goldner und Kirchthaler waren ihren Aufgaben<br />
in keiner Hinsicht gewachsen. Kirchthaler<br />
kränkelte seit November 1817 und starb am 4. Juni<br />
1819. 43<br />
Nach seinem Tod wurde er durch Johann<br />
Peter Rheinberger ersetzt, der kein ausgebildeter<br />
Beamter war. Für die Ernennung Rheinbergers<br />
war wohl ausschlaggebend, dass von dieser Familie<br />
bereits seit drei Generationen der Dienst des<br />
Oberamtsboten ausgeübt wurde. Da die Hofkanzlei<br />
einem unerfahrenen Ortsbürger den Posten eines<br />
Amtsschreibers verlieh, hielt sie die Verwaltung<br />
des Fürstentums offenbar immer noch für eine<br />
leichte Angelegenheit.<br />
64<br />
Rentschreiber Goldner wurde von Landvogt<br />
Schuppler als ein Mann beschrieben, dessen moralische<br />
Integrität nicht in Frage stand, der aber den<br />
Aufgaben eines Rentmeisters in keiner Weise gewachsen<br />
war. Sein komplizierter Arbeitsstil führte<br />
rasch zu grossen Rückständen beim Grundbuchamt<br />
und in der Rechnungsführung. Er sandte die<br />
jährlich verlangten Rechnungsausweise regelmässig<br />
zu spät ein und liess die Rentresten bis 1825 auf<br />
über 17 000 Gulden anwachsen. 44<br />
1825 wurde er<br />
pensioniert und durch einen qualifizierten Beamten<br />
ersetzt.<br />
Mit der Ernennung von Franz Schmid begann eine<br />
Phase des kontinuierlichen Ausbaus des Oberamtes.<br />
1827 wurde Landvogt Schuppler durch Peter<br />
Pokorny ersetzt, in den man offenbar die Erwartung<br />
setzte, dass er sich mit viel Initiative für eine<br />
Verbesserung der Oberamtsverwaltung einsetze.<br />
Tatsächlich begann er auch schon in seinem ersten<br />
Amtsjahr mit dem Aufbau einer Landespolizei. Er<br />
erarbeitete ein neues Schulgesetz und versuchte<br />
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche grundsätzlich<br />
zu regeln. Pokorny verlangte auch bereits<br />
1828 die Anstellung eines weiteren Amtsschreibers,<br />
um die Amtsgeschäfte ordnungsgemäss erfüllen<br />
zu können. 45<br />
Die Hofkanzlei wollte zwar die Anstellung<br />
eines weiteren Beamten nicht bewilligen,<br />
liess sich dann aber doch von Pokorny überzeugen,<br />
dass die Beamten in Vaduz völlig überlastet waren<br />
und daraus grosse Geschäftsrückstände entstehen<br />
mussten. Neuer Amtsschreiber wurde Johann<br />
Strak, dem bisherigen Amtsschreiber Rheinberger<br />
wurde die Führung der Grundbücher zugewiesen.<br />
Bereits 1832 bat Pokorny um die Anstellung eines<br />
weiteren Schreibers. Er begründete diese Bitte damit,<br />
dass teilweise 20 bis 30 Jahre zurückliegende<br />
Geschäfte noch immer unerledigt seien. Zum Vergleich<br />
der Beamtenzahlen erwähnte Pokorny, dass<br />
in einem Vorarlberger Bezirk «in ziemlich gleichen<br />
local Verhältnissen» und etwa der doppelten Bevölkerungszahl<br />
14 Beamte allein für die politische Verwaltung<br />
und die Justiz angestellt seien, während in<br />
Vaduz mit nur vier Beamten auch die herrschaftliche<br />
Ökonomie und die Zollangelegenheiten bewältigt<br />
werden müssten. 46
Den Mangel an Schreibern beklagte auch Landvogt<br />
Michael Menzinger. Um die Dringlichkeit der Anstellung<br />
eines weiteren Schreibers zu unterstreichen,<br />
schrieb er 1836 an die Hofkanzlei, dass die<br />
Beamten seit einigen Jahren durch Aussenstehende<br />
Abschriften auf eigene Kosten erstellen lassen<br />
mussten. 47<br />
Die Hofkanzlei bewilligte schliesslich,<br />
dass der Schaaner Lehrer Sebastian Dünser<br />
als provisorischer Kanzlist angestellt wurde. 1838<br />
bat der Landvogt, Sebastian Dünser definitiv anzustellen.<br />
Er begründete diese Bitte damit, dass das<br />
Bemühen, die Dienstvorschriften und die Gesetze<br />
genau zu erfüllen, für die Beamten eine immer<br />
grössere Belastung darstellte. Besonders beim<br />
Rent- und Grundbuchamt werde eine immer grössere<br />
Genauigkeit verlangt. 48<br />
Die Hofkanzlei bewilligte<br />
darauf die Schaffung einer weiteren Beamtenstelle.<br />
Ein Anliegen, dem Fürst Alois besonderes Verständnis<br />
entgegenbrachte, war die Verbesserung<br />
der Waldwirtschaft. Bis 1837 führte jeweils ein Jäger<br />
die Aufsicht über die obrigkeitlichen Wälder.<br />
Als Menzinger 1837 vorschlug, einen Mann mit ordentlichen<br />
Forstkenntnissen nach Vaduz zu versetzen,<br />
stimmte der Fürst diesem Vorschlag sogleich<br />
zu. Er versetzte 1838 Joseph Gross als Gehegbereiter<br />
nach Vaduz und schuf so eine weitere Beamtenstelle.<br />
49<br />
1848 richtete sich der Unmut der Untertanen gegen<br />
die fremden Beamten. Die Nachrichten über meuternde<br />
Truppen in Sigmaringen wurden in Liechtenstein<br />
mit Wohlgefallen aufgenommen. Die<br />
Liechtensteiner forderten die völlige Abschaffung<br />
des Militärs. Die Offiziere des liechtensteinischen<br />
Kontingentes - drei Ausländer - Hessen sich noch<br />
rechtzeitig beurlauben und konnten sich so vor einer<br />
bereits beschlossenen schimpflichen Vertreibung<br />
retten. 50<br />
Von den Beamten hatte sich der<br />
Kanzlist Johann Langer, der die Untertanen bei<br />
Wuhr- und Strassenbauten h<strong>äu</strong>fig zu beaufsichtigen<br />
hatte, besonders verhasst gemacht. Durch sein<br />
arrogantes Auftreten und seine spöttischen Reden<br />
soll er die Untertanen h<strong>äu</strong>fig gereizt haben. Am<br />
15. April 1848 versammelte sich ein «Revolutionszug»,<br />
der Langer in der Kanzlei in Vaduz abholte<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />
und ihn unter Spott und Trommelschlagen 51<br />
an die<br />
österreichische Grenze stellte. Der Waldbereiter Joseph<br />
Gross flüchtete daraufhin mit seiner Familie<br />
nach Buchs und der Amtsschreiber Fridolin Müller<br />
nach Feldkirch. 52<br />
Gross und Müller kehrten zwar<br />
noch einmal kurz nach Vaduz zurück, als sich die<br />
Unruhen etwas gelegt hatten, verliessen aber im<br />
Sommer 1848 das Land endgültig.<br />
Die 1848er Bewegung führte zu einem eigentlichen<br />
Einbruch in der staatlichen Verwaltung. Die Stellen<br />
der drei vertriebenen Beamten wurden nicht mehr<br />
besetzt. Das Regierungsamt, wie das Oberamt<br />
nun genannt wurde, bestand wie zu Beginn des<br />
39) HK an OA am 3. August 1816. LLA RB Fasz. B 3.<br />
40) Schuppler an Fürst am 24. November 1824. LLA RB Fasz. R 1.<br />
41) Schmieth erhielt jährlich 599 Gulden Bargeld und folgende Naturalien:<br />
24 Viertel Körner, 30 Viertel Türken, 60 Viertel Wein, 50<br />
Viertel Schmalz, 16 Klafter Holz. Goldner erhielt noch 300 Gulden<br />
Bargeld, 12 Viertel Spelzkörner, 6 Viertel Gerstenkorn, 15 Viertel<br />
Türken, 20 Viertel Wein, 8 Klafter Holz. HK an OA am 3. August<br />
1816. LLA RB Fasz. 3.<br />
42) Zelinka erhielt 300 Gulden Bargeld, Kirchthaler 200 Gulden.<br />
Kirchthaler erhielt die gleichen Naturalien wie der Rentschreiber.<br />
Die fixe Geldentschädigung, die der Hauptzolleinnehmer bis dahin<br />
erhalten hatte, wurde eingespart. Div. Akten im LLA RB Fasz. B 3.<br />
43) OA an HK. LLA RB Fasz. B 3.<br />
44) OA an Fürst am 2. September 1825, LLA RB Fasz. R 1.<br />
45) Korrespondenz über die Anstellung eines weiteren Beamten in<br />
LLA RC 5/29.<br />
46) Pokorny an Fürst am 25. März 1832. LLA RC 24/4<br />
47) Menzinger an Fürst am 1. Juli 1836. LLA RC 52/ 8.<br />
48) Menzinger an Fürst am 21. Februar 1838, LLA RC 52/8.<br />
49) Korrespondenz über die Anstellung des Waldamtsbeamten in<br />
LLA RC 58/2.<br />
50) Geiger, S. 74.<br />
51) Gustav Matt beschrieb die Vertreibung des Beamten Langer<br />
nach der mündlichen Überlieferung: «Vor einem Gasthaus in Schaan<br />
machten die Burschen halt, um einen Trunk zu nehmen. Hier war<br />
es, wo diese Jungburschen dem hochmütigen Beamten, dem Verachter<br />
des Volkes, eine empfindliche Demütigung bereiteten. Angesichts<br />
des zusammenströmenden Volkes stellten sie ihn vor eine Futterkrippe<br />
mit Heu und sagten: Dann führten sie<br />
ihn vor den nächsten Dorfbrunnen und hier hiess es: Hernach zog die Schar der Grenze zu.» Gustav Alfons Matt,<br />
Der Trümmelihans von Balzers. LLA Sammlung Matt.<br />
52) Geiger, S. 77.<br />
65
19. Jahrhunderts lediglich aus drei Beamten: dem<br />
Landesverweser (neue Bezeichnung für Landvogt),<br />
dem Rentmeister und dem Grundbuchführer. Diese<br />
drei Beamten waren keineswegs in der Lage, die<br />
amtlichen Handlungen vorschriftsgemäss durchzuführen.<br />
So schrieb etwa Landesverweser Menzinger<br />
1850 an den Fürsten, dass er nicht in der Lage<br />
sei, die von der Hofkanzlei geforderten Ausweise<br />
einzusenden. Da es in Vaduz keinen Amtsschreiber<br />
gebe, müsse er alles selbst erledigen. 53<br />
Die allgemeine<br />
Stimmung nach 1848 und der Mangel an Beamten<br />
machten es bis in die 1850er Jahre unmöglich,<br />
den strengen Zentralismus in der Gemeindeverwaltung<br />
aufrechtzuerhalten. H<strong>äu</strong>fig blieb dem<br />
Regierungsamt nichts anderes übrig, als die Gemeindevorsteher<br />
gewähren zu lassen. In späteren<br />
Jahren wurde dann insbesondere bedauert, dass<br />
die Gemeindewaldungen und die Gemeindefinanzen<br />
in völlige Unordnung geraten seien.<br />
Aus der Sicht der fürstlichen Hofkanzlei war es besonders<br />
schlimm, dass der Rentmeister seinen<br />
Pflichten nicht mehr nachkommen konnte. In den<br />
unmittelbar auf 1848 folgenden Jahren gingen<br />
beim Rentamt kaum mehr Zahlungen ein, die Ausstände<br />
stiegen rasch an. David Rheinberger, der<br />
Sohn des Rentmeisters, erinnerte sich später an<br />
diese Zeit: «Die Leute waren verarmt, in Schulden<br />
gerathen und theilweise sittlich verwildert. Aerarische<br />
oder öffentliche Schulden zu bezahlen, verstiess<br />
gegen ihren Begriff von Freiheit. Zwangsmittel,<br />
sie einzutreiben, standen dem Rentmeister keine<br />
zu Gebot und der Landvogt oder Landesverweser,<br />
wie er nun hiess, war ein Mann ohne Energie<br />
und mochte sich auch nicht gerne mit dem Volk<br />
verfeinden.» 54<br />
Rentmeister Rheinberger wurde von<br />
der Hofkanzlei immer wieder ermahnt und auch<br />
mit Geldstrafen gebüsst. 55<br />
Im April 1854 wurde<br />
eine Untersuchungskommission nach Vaduz entsandt,<br />
die die Missstände untersuchen sollte. Diese<br />
stellte fest, dass die Rechnungsbücher nicht mit<br />
dem Kassastand übereinstimmten und dass ein Teil<br />
der ausstehenden Gelder uneinbringlich geworden<br />
war. Den Verlust dieser Gelder musste der Rentmeister<br />
aus seinem Privatvermögen decken und<br />
66<br />
«eine zusammenhängende Fläche guten Kulturbodens<br />
von rund 10 000 Quadratklaftern dem Fürsten<br />
abtreten.» 56<br />
Neben dem Rentmeister soll auch der Landesverweser<br />
zum Ersatz der verlorenen Gelder verurteilt<br />
worden sein. 57<br />
Dem Rentmeister wurde die Verrechnung<br />
der staatlichen Gelder abgenommen, und<br />
der als Untersuchungsbeamte angereiste Johann<br />
Bachör als Landeskassenverwalter angestellt. Rentmeister<br />
Rheinberger wurde 1857 frühzeitig pensioniert.<br />
Während der Aufwand für die Landesverwaltung<br />
nach 1848 vorerst auf ein Minimum beschränkt<br />
wurde, erfolgte nach dem Abschluss des Zoll- und<br />
Steuervertrages mit Österreich im Jahre 1852 ein<br />
rascher Ausbau. Da sich fürstliche Herrschaftsbeamten<br />
nach den Ereignissen von 1848 dagegen<br />
str<strong>äu</strong>bten, nach Vaduz versetzt zu werden, 58<br />
wurde<br />
1851 Markus Kessler, ein Rechtspraktikant aus<br />
dem Fürstentum Sigmaringen, als Amtsschreiber<br />
angestellt. Die Verbesserung der staatlichen Finanzlage<br />
durch den Zollvertrag ermöglichte die<br />
Anstellung neuer Beamter. Von 1851 bis 1856 wurde<br />
die Zahl der Beamten (ohne Polizeimänner)<br />
durch die Anstellung eines Försters, zweier Kanzlisten,<br />
des Rechtspraktikanten Kessler, des Landeskassenverwalters<br />
Bachör und eines Waldamtsgehilfen<br />
von drei auf neun erhöht. Landesverweser<br />
Menzinger hielt darauf das Kanzleipersonal für<br />
ausreichend. 59<br />
Die Vergrösserung der Zahl der Beamten machte<br />
auch eine Erweiterung der Amtsr<strong>äu</strong>me nötig. Im<br />
19. Jahrhundert mussten die Beamten die amtlichen<br />
Verhörtage auf dem Schloss abhalten, 60<br />
während sie die alltäglichen Arbeiten offenbar bei<br />
sich zu Hause verrichteten. Das erhaben über dem<br />
Dorf gelegene Schloss sollte die Autorität und das<br />
Ansehen des Amtes stärken. Die Dienstinstruktion<br />
von 1808 schrieb vor, dass die Beamten alle Amtshandlungen<br />
in einer gemeinschaftlichen Kanzlei<br />
vornehmen mussten. 61<br />
Diese Kanzlei und das Archiv<br />
wurden in der Landvogtei oder im sogenannten<br />
Amtshaus eingerichtet. Mit dem personellen<br />
Ausbau entstand ein zunehmender Platzmangel.<br />
1838 bat Landvogt Menzinger dringend um den
Bau neuer Kanzleir<strong>äu</strong>me. Er beschrieb die Arbeitsbedingungen<br />
für die Beamten folgendermassen:<br />
«E.D. werden sicher nicht verkennen, dass ein einziges<br />
Zimmer nebst damit verbundenem Archiv,<br />
wohin eigentlich Partheyen nicht kommen sollten,<br />
für sämtliche Beamte gewiss etwas sehr unzukömmliches<br />
seye, indem in ein u. demselben Locale<br />
der Eine nicht Untersuchungen u. Tagfahrten<br />
usw., der Zweyte daneben Rechnungs und Geldsachen,<br />
der Dritte Grundbuchs und Verlassenschaftsverhandlungen,<br />
und die Übrigen Kanzell- und Registratur-Geschäfte<br />
in Conspectu Populi - da kein<br />
Wart oder Partheyzimmer besteht - ohne gegenseitige<br />
empfindliche Geschäftsstörung vornehmen<br />
könne.» 62<br />
Für den Bau zusätzlicher Amtsr<strong>äu</strong>me<br />
war jedoch kein Geld vorhanden. Den Beamten<br />
blieb nichts anderes übrig, als sich irgendwie zu<br />
arrangieren. Der Landvogt verwendete schliesslich<br />
eines seiner privaten Zimmer für sich als Kanzlei,<br />
der Grundbuchführer richtete sich im Archivraum<br />
ein und die Parteien wurden angewiesen, im Hausgang<br />
zu warten. 63<br />
Waldbereiter Gross richtete für<br />
das Waldamt eine eigene Kanzlei bei sich zu Hause<br />
ein. 64<br />
Der Platzmangel wurde nach 1852 erneut<br />
akut. 1856 forderte Menzinger weitere Amtsr<strong>äu</strong>me,<br />
da «eine Amtierung, zumal in einem mit<br />
Tischen, Kästen und Schriften so angepfropften<br />
Zimmer, dass man sich nicht mehr rühren kann,<br />
nicht weiter möglich» 65<br />
sei. Menzinger erwartete<br />
von einer Verteilung der Kanzleir<strong>äu</strong>me auf verschiedene<br />
H<strong>äu</strong>ser überdies negative Auswirkungen,<br />
ebenso glaubte er, dass sich das Land den Bau<br />
eines neuen Amtshauses nicht leisten könne. Den<br />
einzigen Ausweg sah er darin, die fürstliche Taverne,<br />
die nach dem Abschluss des Zollvertrages<br />
für den Absatz des herrschaftlichen Weins nicht<br />
mehr unbedingt benötigt wurde, in Amtsr<strong>äu</strong>me<br />
umzubauen. Fürst Alois II. stimmte diesem Vorschlag<br />
zu, 66<br />
worauf das heutige Landesmuseum als<br />
Amtshaus bzw. Regierungsgeb<strong>äu</strong>de eingerichtet<br />
wurde.<br />
Versucht man die Entwicklung des Oberamtes in<br />
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beurteilen,<br />
so muss vor allem hervorgehoben werden,<br />
dass die Vermischung von staatlichen und herr<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />
schaftlichen Elementen eine Modernisierung behinderten.<br />
Die Grundsätze in der fürstlichen Güterverwaltung<br />
wurden oft ungeprüft und schematisch<br />
auf das Fürstentum Liechtenstein übertragen. Die<br />
Entscheidungskompetenzen des Oberamtes waren<br />
gering. Die Hofkanzlei entschied oft ohne jede Lokalkenntnisse.<br />
53) Menzinger an Fürst am 10. 7. 1850. LLA RC 99/1.<br />
54) David Rheinberger. Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />
FamArh.<br />
55) Schreiben der HK vom 13. August 1851 und 4. August 1852.<br />
LLA RC 88/4.<br />
56) Rudolf Rheinberger, Fortsetzung zu David Rheinbergers .<br />
FamArh.<br />
57) Moritz Menzinger, Die Menzinger im Fürstentum Liechtenstein,<br />
S. 44.<br />
58) ebda. S. 41. - Moritz Menzinger schreibt, dass sich von den<br />
fürstlichen Herrschaftsbeamten niemand in das «übel verschriene<br />
Land» versetzen lassen wollte.<br />
59) Menzinger an Fürst am 7. August 1856. LLA RC 104/110.<br />
60) Dienstinstruktionen von 1719 und 1748. Wie Anm. 7. Beschreibung<br />
des Fürstentums Liechtenstein von 1784. LLA Kopie o. S.<br />
61) Dienstinstruktion von 1808, Art. 14. LLA RB Fasz. G 1.<br />
62) Menzinger an Fürst am 24725. März 1838. LLA RC 60/14.<br />
63) Moritz Menzinger, Die Menzinger in Liechtenstein S. 37.<br />
64) Mietvertrag vom 22. 11. 1847. LLA RC 58/2.<br />
65) Menzinger an Fürst am 7. August 1856. LLA RC 104/110.<br />
66) HK an Menzinger am 21. November 1856. LLA RC 104/110.<br />
67
Besoldungstabelle für<br />
die fürstlichen Beamten<br />
und Diener in Vaduz,<br />
vermutlich 1848.<br />
Transkription S. 77<br />
68<br />
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VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
OBERAMT IN VADUZ / PAUL VOGT<br />
0<br />
mm<br />
7) •fynv.Q^mus''^' 1<br />
69
Das Beamtenverhältnis<br />
als ein zweiseitiges<br />
Treueverhältnis<br />
Bei der Frage, mit welchen Mitteln der absolutistische<br />
Herrschaftsanspruch durchgesetzt wurde,<br />
Hessen sich in Analogie zu andern Ländern drei<br />
Antworten denken: Armee, Kirche und Beamte.<br />
Was die Armee betrifft, so wurde nie an einen Einsatz<br />
des Truppenkontingentes zur Erhaltung von<br />
Ruhe und Ordnung im Fürstentum selbst gedacht.<br />
Offenbar hielten die Fürsten die Gefahr, dass die<br />
Soldaten mit den eigenen Landsleuten fraternisieren<br />
könnten, für zu gross. Mit der Bildung eines eigenen<br />
Truppenkontingents erfüllte Liechtenstein lediglich<br />
eine ungeliebte Bundespflicht - ungeliebt<br />
vor allem wegen der beträchtlichen finanziellen Belastung,<br />
die daraus resultierte. Im übrigen hielt<br />
Fürst Alois II. wenig von diesem Truppenkontingent,<br />
das er als die «erbärmlichste Armee» und als<br />
«kostspieligen Nonsens» 1<br />
bezeichnete. In Krisensituationen<br />
vertrauten die Fürsten stets auf die militärische<br />
Hilfe Österreichs. Der Einsatz österreichischer<br />
Truppen, der in den Jahren 1831, 1848 und<br />
1852 für den <strong>äu</strong>ssersten Notfall vorgesehen war,<br />
wurde jedoch nie nötig.<br />
Die katholische Kirche stellte zweifellos eine wichtige<br />
Machtstütze dar, obwohl sie sich zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts gegen staatliche Eingriffe in<br />
kirchliche Belange und gegen ein neues Eherecht<br />
wehrte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entdeckten<br />
Staat und Kirche jedoch mehr und mehr gemeinsame<br />
Interessen, so etwa wenn Nichtkatholiken<br />
prinzipiell vom liechtensteinischen Staatsgebiet<br />
ferngehalten wurden. Eine grundsätzliche Übereinstimmung<br />
zwischen Staat und Kirche <strong>äu</strong>sserte sich<br />
auch darin, dass am Geburtstag und am Namenstag<br />
des Fürsten in den Kirchen des Landes ein feierliches<br />
Hochamt mit Tedeum abgehalten wurde,<br />
wobei für die lange Erhaltung des Landesherrn<br />
und des Fürstentums gebetet wurde. 2<br />
Das Verhältnis<br />
Staat - Kirche wird in einem eigenen Kapitel<br />
dargestellt.<br />
Eine aktive Rolle bei der Durchsetzung des landesfürstlichen<br />
Machtanspruchs spielten vor allem die<br />
Beamten. Im folgenden Kapitel geht es darum, die<br />
rechtliche Stellung der Beamten, ihr Verhältnis<br />
zum Fürst und zu den Untertanen zu untersuchen.<br />
70<br />
DIE BEAMTEN ALS FÜRSTENDIENER<br />
Die Beamten standen in der ersten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts in einem persönlichen Treueverhältnis<br />
zum Fürsten. Grundsätzlich war ihre Rolle<br />
die von Fürstendienern und (noch) nicht die von<br />
Staatsdienern. Sie wurden überwiegend aus den<br />
fürstlichen Herrschaftsbeamten rekrutiert, vom<br />
Fürsten persönlich ernannt, auf seine Person vereidigt<br />
und handelten in seinem Auftrag. Sie waren<br />
also in jeder Hinsicht die Vertreter eines souveränen<br />
Monarchen und nicht eines souveränen Volkes.<br />
Der Übergang zum Staatsdienertum zeichnete sich<br />
aber bereits darin ab, dass die Beamten seit Beginn<br />
des 19. Jahrhunderts überwiegend aus Steuergeldern<br />
und nicht mehr aus den fürstlichen Renten<br />
besoldet wurden.<br />
Für die Herrschaftssicherung war von besonderer<br />
Bedeutung, dass das Dienstverhältnis verhinderte,<br />
dass die Beamten in einen Rollenkonflikt zwischen<br />
Fürstendiener und Staatsdiener, wie er sich in andern<br />
deutschen Staaten seit dem aufgeklärten Absolutismus<br />
zunehmend feststellen lässt, gerieten.<br />
Die Beamten in Vaduz wurden mehrheitlich als Untertanen<br />
einer liechtensteinischen Herrschaft geboren<br />
und traten auf einer dieser Herrschaften in<br />
liechtensteinische Dienste. Ihre Tätigkeit in Vaduz<br />
stellte nur einen Abschnitt in ihrer Laufbahn dar.<br />
Aus der einheimischen Bevölkerung im Fürstentum<br />
wurden nur unter besonderen Umständen Beamte<br />
rekrutiert: 1815/16 wurden im Zuge von Sparmassnahmen<br />
Rentmeister Schmieth und Grundbuchführer<br />
Zelinka durch die beiden Hintersassen Kirchthaler<br />
und Goldner ersetzt. Diese beiden standen<br />
zwar schon früher als Diener in fürstlichen Diensten,<br />
waren aber keine qualifizierten Beamten. Bei<br />
der Anstellung von Johann Peter Rheinberger, der<br />
1819 den verstorbenen Kirchthaler ersetzte, galt<br />
offenbar immer noch der Grundsatz, dass die<br />
bescheidenen Erträge des Fürstentums die Anstellung<br />
eines qualifizierten Beamten nicht rechtfertigten.<br />
Von 1820 bis 1848 wurden dann aber keine Liechtensteiner<br />
mehr als Beamte in Vaduz angestellt, obwohl<br />
sich mindestens zwei qualifizierte Personen
darum bewarben: 1831 bat Joseph Anton Rheinberger<br />
als unbezahlter Praktikant eingestellt zu<br />
werden, um bei einer späteren Beamtenveränderung<br />
berücksichtigt zu werden. Rheinberger war<br />
der Sohn eines angesehenen Wirtes, hatte ein juristisches<br />
Studium absolviert und konnte auf einen<br />
einwandfreien sittlichen Lebenswandel hinweisen. 3<br />
Landvogt Pokorny nahm zu dieser Bewerbung keine<br />
Stellung, meinte aber in seinem Begleitschreiben<br />
an die Hofkanzlei, dass Rheinberger vorl<strong>äu</strong>fig<br />
höchstens an Gerichtstagen beim Oberamt beschäftigt<br />
werden sollte, damit das Oberamt an den übrigen<br />
Tagen ungestört Beratungen vornehmen könne.<br />
4<br />
Die Llofkanzlei wies die Bewerbung Rheinbergers<br />
mit der Begründung ab, dass er nicht an einer<br />
österreichischen Universität studiert habe. Sie<br />
machte aber auch gleich klar, dass sich Rheinberger<br />
auch dann kaum Chancen ausrechnen konnte,<br />
wenn er die österreichischen Prüfungen ablegen<br />
sollte. 5<br />
1844 bewarb sich Andreas Falk um eine freigewordene<br />
Kanzlistenstelle. Falk hatte das Gymnasium<br />
in Disentis und die polytechnische Schule in München<br />
besucht, war also ausreichend qualifiziert.<br />
Falk wurde ebenfalls abgewiesen. 6<br />
Die Ausschreitungen<br />
von 1848 gegen die verhassten ausländischen<br />
Beamten bewirkten dann, dass qualifizierte<br />
Liechtensteiner bei der Wiederbesetzung frei gewordener<br />
Beamtenstellen berücksichtigt wurden.<br />
Als sich Landesverweser Menzinger 1850 über den<br />
Mangel an Schreibern beklagte, wurde er angewiesen,<br />
solche aus der einheimischen Bevölkerung anzustellen.<br />
7<br />
1854 wurden David Rheinberger und<br />
1856 (der 1844 abgelehnte) Andreas Falk als Kanzlisten<br />
angestellt. Die beiden Beispiele belegen, dass<br />
nicht die Qualifikation, sondern das Treueverhältnis<br />
bei Anstellungen im Vordergrund stand.<br />
Für die fürstlichen Beamten bis zum Rang des<br />
Rentmeisters wurden keine besonderen fachlichen<br />
Qualifikationen verlangt. Was bei ihnen vor allem<br />
zählte, waren praktische Erfahrung und die Dienstzeit.<br />
Aus den Bestimmungen in der Hauptinstruktion<br />
von 1838 und aus einem Vergleich der Laufbahnen<br />
der nach Vaduz versetzten Beamten lässt<br />
sich folgender typische Ausbildungsgang für die<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />
fürstlichen Beamten herausschälen: Die Aufnahme<br />
in den fürstlichen Dienst erfolgte zunächst als<br />
«Praktikant». Dazu waren folgende Voraussetzungen<br />
notwendig: Neben der Volksschule musste der<br />
Bewerber die «sechs Grammatikal- und Humanitätsklassen<br />
mit gutem Erfolg absolvirt» 8<br />
haben, er<br />
musste also eine gute Allgemeinbildung vorweisen<br />
können, die etwa dem Besuch eines Gymnasiums<br />
entsprach. Allerdings wurden hier auch Ausnahmen<br />
gemacht. Das Mindestalter für einen Praktikanten<br />
betrug 16 Jahre. Der zukünftige Beamte<br />
musste sich mit einem eigenhändig geschriebenen<br />
Gesuch um die Verleihung einer Praktikantenstelle<br />
bewerben, wobei er auch verschiedene Studien-,<br />
Gesundheits- und «Wohlverhaltensausweise» vorzulegen<br />
hatte. Überdies mussten seine Angehörigen<br />
in einem «Sustentations-Revers» erklären,<br />
dass sie bereit waren, für seinen Unterhalt während<br />
der Praktikantenzeit aufzukommen. Besonderes<br />
Gewicht wurde darauf gelegt, dass die Praktikanten<br />
die böhmische Sprache in Wort und Schrift<br />
erlernten. 9<br />
Eine Praktikantenstelle dauerte oft<br />
mehrere Jahre. Der Praktikant erhielt zwar Unterkunft<br />
und Verpflegung, aber kein Gehalt. Nach einigen<br />
Jahren konnte sich ein Praktikant um ein<br />
1) Geiger, S. 359.<br />
2) OA an I.andesgeistlichkeit am 15. Juni 1836. LLA RC 53/5.<br />
3) Joseph Anton Rheinberger wurde 1801 geboren und starb am<br />
4. Dezember 1846. Er war der Sohn des Löwenwirts Rheinberger. Er<br />
besuchte das Gymnasium in Feldkirch (bis 1819), studierte Philosophie<br />
(bis 1823) und anschliessend Rechtswissenschaft (während<br />
sieben Semestern von 1826 bis 1829). Bewerbungsschreiben vom<br />
11. Juli 1831. LLA RC 36/21. 1831 bat er um die Verleihung einer<br />
Beamtenstelle. 1842 bat er um die Zulassung als «Landadvokat»,<br />
d.h. darum, Parteien in Streitsachen vertreten zu dürfen. Er erhielt<br />
aber nur die Erlaubnis, als «Privatagent» tätig zu werden, d.h. er<br />
durfte nur Parteigesuche und Verträge abfassen und für ausländische<br />
Gl<strong>äu</strong>biger Geld einziehen. Menzinger an Fürst am 2. September<br />
1842 und HK an OA am 10. November 1842. LLA RC 36/21.<br />
4) Pokorny an Fürst am 4. August 1831. LLA RC 36/21.<br />
5) HK an OA am 26. August 1831, LLA RC 36/21.<br />
6) HK an OA am 25. 2. 1844. LLA RC 73/2. - Vgl. auch Anhang I.<br />
7) HK an RA am 13. 8. 1850, LLA RC 99/1.<br />
8) Hauptinstruktion von 1838, § 146.<br />
9) ebda. § 146.<br />
71
«Gnadenadjutum» bewerben, das einer Besoldung<br />
gleichkam.<br />
Die Anstellung als Schreiber stellte die zweite Stufe<br />
in der Beamtenlaufbahn dar. Die Beförderung zum<br />
Schreiber war zwar die Regel, einen Anspruch auf<br />
diese Beförderung bestand für Praktikanten jedoch<br />
nicht, da dies allein von ihrem Wohlverhalten und<br />
Diensteifer abhängen sollte. 10<br />
Die Anstellung als<br />
Schreiber dauerte ebenfalls mehrere Jahre und<br />
galt als zusätzliche Ausbildungszeit. Ein Schreiber<br />
wurde einem «wirklichen Beamten» zugeteilt. Das<br />
Gehalt eines Schreibers war so bemessen, dass er<br />
davon leben konnte. Ein Schreiber durfte bei seiner<br />
Anstellung nicht verheiratet sein und durfte in dieser<br />
Stellung auch nicht heiraten. Als Schreiber<br />
wurden im allgemeinen nur Personen eingestellt,<br />
die vorher als Praktikanten auf einer liechtensteinischen<br />
Herrschaft gedient hatten, ausnahmsweise<br />
konnten jedoch auch besonders gut qualifizierte<br />
«Fremde» eingestellt werden.<br />
Der Aufstieg zum «wirklichen Beamten» - als solche<br />
galten alle Beamten vom Rang eines Revierjägers<br />
und Amtsschreibers an aufwärts - erfolgte unter<br />
Berücksichtigung der Dienstjahre, der erwiesenen<br />
Fähigkeiten, der Diensttreue und des moralischen<br />
Lebenswandels. Über die Anstellung und Ernennung<br />
von Praktikanten und Schreibern konnte<br />
die fürstliche Hofkanzlei entscheiden, über die Ernennung,<br />
Beförderung oder Versetzung von «wirklichen<br />
Beamten» entschied der regierende Fürst<br />
persönlich. 11<br />
Damit wurde unterstrichen, dass das<br />
Beamtenverhältnis ein persönliches Treueverhältnis<br />
war.<br />
Besondere Qualifikationen wurden von den Gerichtsbeamten<br />
und zunehmend auch von den Forstbeamten<br />
verlangt. Die Gerichtsbeamten mussten<br />
eine staatliche Prüfung «in linea judiciali et criminali»<br />
ablegen. 12<br />
Die Landvögte in Vaduz hatten alle<br />
ein juristisches Studium absolviert und die in<br />
Österreich verlangten staatlichen Prüfungen abgelegt.<br />
Den gleichen Prüfungen unterzog sich auch<br />
Markus Kessler, der seit 1851 im Gerichtswesen<br />
beschäftigt wurde und der in Süddeutschland studiert<br />
hatte. Die beiden Forstbeamten Gross und<br />
Schauer konnten insofern besondere Qualifikatio<br />
72<br />
nen vorweisen, als sie je einen zweijährigen Lehrgang<br />
in Forstwirtschaft, Vermessungstechnik und<br />
Planzeichnen absolviert hatten.<br />
Beim Antritt einer neuen Stelle hatten die Beamten<br />
einen Diensteid zu leisten. Die Vereidigung eines<br />
Beamten in Vaduz erfolgte jeweils in einem feierlichen<br />
Akt, bei dem alle Beamten anwesend waren<br />
und das Vereidigungsprotokoll unterzeichneten.<br />
Die Vereidigung eines Landvogts erfolgte in einem<br />
besonders feierlichen Rahmen, da dazu auch alle<br />
Ortsgeistlichen und alle Gemeindevorsteher eingeladen<br />
wurden. 13<br />
Die Vereidigungsformeln erfuhren im Laufe des<br />
19. Jahrhunderts einige Veränderungen, die darauf<br />
hinweisen, dass der patrimoniale Herrschaftsstil<br />
abgebaut wurde. Im Rahmen dieser Arbeit können<br />
nur einige typische Formulierungen aus diesen<br />
Eidformeln herausgegriffen werden: Die Beamten<br />
schworen zu Gott dem Allmächtigen, Seiner Durchlaucht,<br />
dem souveränen Fürsten von Liechtenstein<br />
als allerhöchstem Dienstherrn die unverbrüchliche<br />
Treue zu halten. Darauf folgte zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts eine Formulierung, die später<br />
weggelassen wurde: Der Beamte verpflichtet sich,<br />
stets die herrschaftlichen Interessen zu verfolgen<br />
und Schaden vom allerhöchsten Aerar abzuwenden.<br />
Statt dieser Verpflichtung folgte später die<br />
Aufzählung der einzelnen Dienstpflichten, die im<br />
Laufe des 19. Jahrhunderts immer genauer umschrieben<br />
wurden. Zu jedem Amtseid gehörte auch<br />
das Versprechen, das Amtsgeheimnis zu wahren<br />
und die Pflichten genau und unparteiisch zu erfüllen.<br />
Seit Beginn der 1830er Jahre hatte der Beamte<br />
auch zu schwören, in keine geheime Verbindung<br />
einzutreten, die dem Ziel diente, die bestehende<br />
Ordnung umzustürzen. 14<br />
Verschiedene Massnahmen zielten auf die Disziplinierung<br />
des einzelnen Beamten ab. So hatte jeder<br />
Beamte nach seiner Ernennung eine Dienstkaution<br />
zu leisten, deren Höhe sich nach seiner Dienststellung<br />
richtete. Mit den Dienstkautionen verfolgte die<br />
Herrschaft die Absicht, sich das Wohlverhalten der<br />
Beamten zu sichern 15<br />
und sich vor Schäden zu<br />
schützen, die durch eine nachlässige Amtsführung<br />
entstehen konnten. Sofern es den Beamten möglich
war, hatten sie die Kaution in Geld zu leisten, das<br />
ihnen mit dem üblichen Zinssatz von 5 % verzinst<br />
wurde. Die Kaution wurde nach der Pensionierung<br />
oder dem Tod des Beamten zurückbezahlt. Konnte<br />
ein Beamter den erforderlichen Geldbetrag nicht<br />
aufbringen, musste er Vermögenswerte nachweisen,<br />
auf die die Herrschaft gegebenenfalls zurückgreifen<br />
konnte. Die Beamten in Vaduz hatten folgende<br />
Kautionen zu leisten: der Landvogt und der<br />
Rentmeister je 1000 Gulden, der Grundbuchführer<br />
300 Gulden, der Gehegbereiter 240 Gulden, der<br />
Amtsschreiber keine. 16<br />
Für mehrere Beamte, so<br />
etwa für J. M. Menzinger, Goldner und J. P. Rheinberger,<br />
bedeutete die Höhe der geforderten Kaution,<br />
dass sie mit einem grossen Teil ihres gesamten<br />
Vermögens für ihren Diensteifer bürgten. Die<br />
beiden Rentmeister Goldner und Rheinberger erlitten<br />
erhebliche Vermögensverluste, als sie ihren<br />
Dienstverpflichtungen nicht mehr nachkamen,<br />
frühzeitig pensioniert wurden und die entstandenen<br />
Verluste zum Teil aus dem eigenen Vermögen<br />
decken mussten.<br />
Ein ähnlicher Druck zur Disziplinierung der Beamten<br />
entstand durch die sogenannten Conduitlisten.<br />
Diese waren vom Herrschaftsvorsteher zu erstellen<br />
und enthielten folgende Angaben: Personalien, Familienverhältnisse,<br />
Ausbildung, Laufbahn sowie<br />
eine Beurteilung der Fähigkeiten und des moralischen<br />
und sittlichen Verhaltens durch den Amtsvorsteher.<br />
Aus diesen Conduitlisten lässt sich folgende<br />
Liste von Beamtentugenden zusammenstellen:<br />
Treue zum Dienstherrn, Fleiss und guter Wille<br />
im Dienst, gutes Benehmen gegenüber den Vorgesetzten,<br />
den Mitbeamten und den Untertanen, moralisches<br />
und sittliches Betragen sowie eine gute<br />
Handschrift. Bei der Beförderung eines Beamten<br />
stützte sich die Hofkanzlei vor allem auf die Beurteilung<br />
in diesen Conduitlisten ab. Aus diesem<br />
Grunde wird es verständlich, dass die Conduitlisten<br />
kaum je negative Urteile über einen Beamten enthielten,<br />
hätten die Amtsvorsteher ihren Untergebenen<br />
doch damit die Aufstiegsmöglichkeiten weitgehend<br />
verbaut. Die Landvögte in Vaduz erteilten ihren<br />
Mitbeamten jedenfalls fast durchgehend die<br />
Noten «gut» oder «sehr gut». Die einzige Aus<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />
nahme stellte die Bewertung von David Rheinberger<br />
dar, doch scheinen seine schlechten Noten auf<br />
eine persönliche Feindschaft zwischen ihm und<br />
Landesverweser Menzinger zurückzuführen zu<br />
sein. Die Conduitlisten sollten jährlich neu erstellt<br />
und an die fürstliche Hofkanzlei eingesandt werden,<br />
doch wurden sie in Vaduz nur alle paar Jahre<br />
erstellt. 17<br />
Dem gleichen Ziel der Personal- und Qualifikationsbeurteilung<br />
dienten auch die sogenannten «Nationale»,<br />
die seit den 1840er Jahren zusätzlich zu den<br />
Conduitlisten erhoben wurden. 18<br />
In die Conduitlisten<br />
wurden nicht nur die Beamten aufgenommen,<br />
sondern alle Personengruppen, die Gehaltsbeiträge<br />
aus den fürstlichen Renten oder der Landeskasse<br />
bezogen: Neben den fürstlichen Dienern,<br />
dem Forstpersonal und den Offizieren gehörten<br />
auch die Patronatsgeistlichen dazu.<br />
Ein drittes Mittel zur Disziplinierung der Beamten<br />
stellte schliesslich das «Pönaliensystem» 19<br />
dar. Vernachlässigte<br />
ein Beamter seinen Dienst - besonders<br />
h<strong>äu</strong>fig kamen etwa Terminüberschreitungen<br />
vor -, so wurde er zunächst ermahnt. Nützte diese<br />
Ermahnung nichts, so erhielt er eine Geldbusse<br />
(Pönale). Für die Entlassung aus dem Dienst, die in<br />
der Regel nur auf dem Weg einer vorzeitigen Pen-<br />
10) ebda. § 146.<br />
11) ebda. § 58.<br />
12) Auf den Grundherrschaften in Niederösterreich bestand eine<br />
solche Vorschrift seit 1772. Zorzi, Grundherrschaft der Feste Liechtenstein,<br />
S. 124.<br />
13) Josef Schuppler wurde am 8. November 1808 in Wien vereidigt.<br />
Pokorny und M. Menzinger wurden durch den abtretenden Landvogt<br />
vereidigt. Anweisung der HK an Schuppler vom 28. Oktober 1826.<br />
LLA RB Fasz. B 3. Vereidigungsprotokoll vom 7. September 1833.<br />
LLA RC 31/15.<br />
14) Eine Reihe von Eidformeln aus dem frühen 19. Jahrhundert<br />
sind abgedruckt bei Tschugmell, Beamte, S. 72 ff.<br />
15) Dienstinstruktion von 1719, Caput 39, § 1. LLA AM 4.<br />
16) LLA SF Staatsbeamte, «Nationale».<br />
17) Vgl. dazu die Aufforderungen der HK an Schuppler vom 13. 2.<br />
1823. LLA NS 1820-29.<br />
18) LLA SF Staatsbeamte.<br />
19) Stekl, Österreichische Aristokratie im Vormärz, S. 51.<br />
73
sionierung ausgesprochen wurde, mussten sehr<br />
schwerwiegende Dienstverfehlungen vorliegen.<br />
Gründe für eine fristlose Entlassung ohne Pensionsanspruch<br />
stellten wiederholte Trunkenheit<br />
oder eine schwere sittliche Verfehlung dar. 20<br />
Auch<br />
hier zeigt sich wieder, dass auf einen moralischen<br />
Lebenswandel der Beamten allergrösster Wert gelegt<br />
wurde. Ein Fehlverhalten im Dienst war leichter<br />
zu entschuldigen als ein anstössiges Benehmen,<br />
durch das offenbar auch das Ansehen und die Autorität<br />
des Amtes und des Dienstherrn in Frage gestellt<br />
wurde.<br />
Die bisherigen Ausführungen sollten deutlich machen,<br />
dass die Beamten objektiv und nach ihrer<br />
Selbsteinschätzung im Dienst des Fürsten standen<br />
und nicht im Dienst eines abstrakt verstandenen<br />
Staates. Das Verhältnis zwischen den Untertanen<br />
und den Beamten war distanziert. Im besten Fall<br />
brachten die Untertanen eine gewisse Anerkennung<br />
für die Leistungen der Beamten auf, h<strong>äu</strong>figer<br />
zeigten die Untertanen aber Abneigung, unverhohlenen<br />
Hass oder gar offene Feindschaft gegenüber<br />
den Beamten. Bei den Unruhen von 1831 drohte<br />
man den Beamten «an einem Tag mit dem Galgen,<br />
am andern mit der Guillotine und am dritten mit<br />
Verbrennen». 21<br />
1848 drohten die Untertanen die<br />
«fremden Bettler» 22<br />
aus dem Lande zu jagen - was<br />
im Fall des Kanzlisten Langer auch gleich in die Tat<br />
umgesetzt wurde. Für die politische Situation in<br />
Liechtenstein war kennzeichnend, dass die Untertanen<br />
die verhassten Beamten als die eigentlichen<br />
Urheber der Beseitigung der Landammänner und<br />
Gerichte und damit des Absolutismus überhaupt<br />
ansahen. So rief etwa der Amtsbote Johann Rheinberger<br />
den «Herren Staatsverderbern» Flofrat Hauer<br />
und Landvogt Schuppler in seinem «politischen<br />
Tagebuch» zu: «Macht den edelsten und hochherzigsten<br />
Fürsten, der seinen Stolz darin setzt, seine<br />
Unterthanen unter seinem Scepter überglücklich<br />
zu wissen, nicht zum unwissenden Heuchler. Denn<br />
er lebt und stirbt in dem edlen Wahn, stets das<br />
Wohl seiner Unterthanen in dem Herzen getragen<br />
zu haben, während dem ihn dieselben durch eure<br />
Veranlassung eines an ihnen verübten Unrechtes<br />
beschuldigen.» 23<br />
Aus dieser Äusserung spricht das<br />
74<br />
ungebrochene Vertrauen der Untertanen in die<br />
edle Güte des Landesvaters, von der ja auch die Beamten<br />
bei jeder Gelegenheit sprachen. Die Untertanen<br />
glaubten, dass die Beamten den Fürsten unvollständig<br />
oder unzutreffend über die tatsächlichen<br />
Verhältnisse im Lande informierten. Sie hielten<br />
es deshalb wiederholt für nötig, eine Delegation<br />
nach Wien zu senden, die beim Fürsten persönlich<br />
vorsprechen sollte. So verhasst die Beamten, die<br />
Vertreter des Fürsten, auch waren, der regierende<br />
Fürst wurde nie angefeindet. Wie für andere deutsche<br />
Staaten gilt auch für Liechtenstein die Feststellung,<br />
dass 1848 die Revolution vor dem Thron<br />
des Monarchen haltmachte.<br />
Die fürstlichen Beamten wurden nicht nur von den<br />
Untertanen als Fremde im Lande angesehen, sie<br />
waren es auch nach ihrer eigenen Selbsteinschätzung.<br />
Eine nicht zu unterschätzende Barriere zwischen<br />
den Beamten und der einheimischen Bevölkerung<br />
stellte schon die Sprache dar. Die von einer<br />
böhmischen oder mährischen Herrschaft nach<br />
Liechtenstein versetzten Beamten dürften mitunter<br />
erhebliche Schwierigkeiten gehabt haben, die einheimischen<br />
Dialekte überhaupt zu verstehen. Sebastian<br />
Dünser wurde vom Oberamt in Vaduz zur Anstellung<br />
als Kanzlist mit folgender Begründung<br />
empfohlen: Er «würde beim Grundbuchamte umso<br />
tauglicher seyn als er Liechtensteinisch lesen kann<br />
und versteht, denn dieses muss ein Fremder bey<br />
vorkommenden Urkunden, die von den Landleuten<br />
gewöhnlich selbst verfasst werden, in der That erst<br />
lernen.» 24<br />
Die Beamten stellten eine kleine Schicht mit einem<br />
ausgeprägten Standesbewusstsein dar. Den einheimischen<br />
Bauern gegenüber wussten sie sich - nicht<br />
nur wenn sie im Auftrag der fürstlichen Hofkanzlei<br />
handelten - im Besitz einer höheren, allzeit richtigen<br />
Einsicht. Der Ausdruck «dummer Bauer» soll<br />
von den Beamten h<strong>äu</strong>fig verwendet worden sein. 25<br />
Zumindest in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts<br />
begegneten die Beamten aber auch dem<br />
Klerus mit Herablassung. Schuppler bezeichnete<br />
beispielsweise die Geistlichen als «heuchelnde<br />
Idioten», die «durchaus vernünftige Aufklärung<br />
hassen». 215
Die Standesunterschiede kamen aber nicht nur in<br />
der Selbsteinschätzung der Beamten zum Ausdruck,<br />
sondern auch in ihrem höheren Lebensstandard<br />
und in ihrem Lebensstil. Die liechtensteinischen<br />
Bauern waren bis weit ins 19. Jahrhundert<br />
hinein weitgehend Selbstversorger. Ihre Hauptnahrungsmittel<br />
waren Mais und Kartoffeln, Fleisch<br />
konnten sie sich nur selten leisten. Die Beamten<br />
hingegen Hessen sich Fleisch, Roggenbrot und andere<br />
Waren regelmässig aus Feldkirch kommen. 27<br />
Sie gingen auch gern zur Jagd 28<br />
und kauften überdies<br />
beinahe alles Wild, das der herrschaftliche Jäger<br />
schoss. 29<br />
Sofern die Beamten in Vaduz verheiratet<br />
waren und eine Familie zu ernähren hatten,<br />
trieben sie zwar auch Landwirtschaft, doch Hessen<br />
sie die notwendigen Arbeiten durch Dienstleute<br />
verrichten. 30<br />
Die Unterschiede zum Lebensstil der<br />
Bauern zeigten sich auch darin, dass die Beamten<br />
eine standesgemässe Wohnung beanspruchten und<br />
ihre Söhne oft in Feldkirch das Gymnasium besuchten.<br />
31<br />
Für die fürstlichen Herrschaftsbeamten war eine<br />
Versetzung nach Vaduz mit einigen Nachteilen verbunden.<br />
Moritz Menzinger schreibt in seinen<br />
Jugenderinnerungen, dass die fürstlichen Herrschaftsbeamten<br />
«das weit entlegene Land als eine<br />
Art Exil» 32<br />
ansahen. In der Regel war eine Versetzung<br />
nach Vaduz mit einer Beförderung verbunden,<br />
was die Abneigung gegen die Versetzung vermindern<br />
sollte. Schon wenige Jahre nach ihrer Versetzung<br />
nach Vaduz schrieben die meisten Beamten<br />
ein erstes Gesuch, in dem sie um ihre Rückversetzung<br />
auf eine fürstliche Herrschaft baten.<br />
In mancher Beziehung beispielhaft ist der Fall von<br />
Landvogt Schuppler. Er war 1808 Justitiär und<br />
Rentmeister auf der Herrschaft Landskron. Seine<br />
Versetzung nach Vaduz bedeutete für ihn die Beförderung<br />
zum Herrschaftsvorsteher. Trotzdem lehnte<br />
er, wie er in seinem Versetzungsgesuch von 1826<br />
schrieb, diese Berufung zunächst ab. Er stimmte<br />
ihr erst zu, als er das Versprechen erhielt, nach der<br />
Reorganisation der Landesverwaltung wieder auf<br />
eine Herrschaft zurückversetzt zu werden. 33<br />
Er<br />
schrieb mehrere Versetzungsgesuche, erhielt je<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />
doch zwischen 1812 und 1818 viermal die Antwort,<br />
dass der Fürst volles Vertrauen in ihn habe und mit<br />
ihm zufrieden sei. Weiter wurde ihm jeweils versichert,<br />
dass er zur Beförderung vorgemerkt sei.<br />
1826 schrieb er dann in einem Versetzungsgesuch,<br />
dass er sich jahrelang vergebens «nach der glücklichen<br />
Stunde» seiner Erlösung gesehnt habe und<br />
dass er nun «eine Übersetzung auf eine mährische<br />
Gebirgsherrschaft für eine Beförderung» 34<br />
aner-<br />
20) ebda. S. 89.<br />
21) David Rheinberger, Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />
FamArh.<br />
22) Moritz Menzinger, Die Menzinger im Fürstentum Liechtenstein,<br />
S. 40.<br />
23) Johann Rheinberger, Politisches Tagebuch. JBL 1958, S. 237.<br />
24) OA an Fürst am 1. Juli 1836. LLA RC 52/8.<br />
25) Gustav Alfons Matt, Der Trümmelihans von Balzers. LLA Sammlung<br />
Matt.<br />
26) Schuppler, Beschreibung des Fürstenthums Liechtenstein, JBL<br />
1975, S. 244.<br />
27) Einige Aufschlüsse in dieser Beziehung gibt ein Artikel zum Tod<br />
von Hermann Kessler im Liechtensteiner Volkswirt vom 6. 12. 1927.<br />
Darin heisst es, dass die Bauernfamilie die Leinwand selbst machte<br />
und Türkenbrot ass. Die Beamtenfamilio Kessler hingegen liess sich<br />
jeden Samstag Roggenbrot und andere Dinge aus Feldkirch bringen.<br />
Die Beamten sollen auch die Gurken als neues Gemüse und den<br />
Weihnachtsbaum als neuen Brauch in Liechtenstein eingeführt haben.<br />
28) David Rheinberger, Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />
FamArh.<br />
29) Wildbretausweis vom 30. 1. 1846, LLA RC 87/16.<br />
30) Menzinger schrieb 1840, dass die Beamten ihren Bedarf an Erdäpfeln,<br />
Türken und Viehfütter selbst anpflanzen mussten. Es sei<br />
schwer, von den einheimischen Bauern Milch zu erhalten. Menzinger<br />
an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />
31) Für die Söhne der fürstlichen Beamten bestand eine Ausnahmebewilligung<br />
zum Besuch des Gymnasiums in Feldkirch. Seit 1834<br />
wurden die fürstlichen Beamten in der Frage des Schulbesuchs in<br />
Feldkirch nicht mehr so behandelt, als ob sie sich im Ausland befänden.<br />
HK an OA am 18. Juli 1834. LLA RC 37/7. Für liechtensteinische<br />
Staatsangehörige bestanden hohe Gebühren für den Besuch des<br />
Gymnasiums in Feldkirch, deshalb besuchten die Liechtensteiner<br />
meistens die Gymnasien in der Schweiz. Menzinger an Fürst, 24. 6.<br />
1834. LLA RC 37/7.<br />
32) Moritz Menzinger, Die Menzinger in Liechtenstein, S. 36.<br />
33) Versetzungsgesuch Schupplers vom 25. April 1826. LLA RB<br />
Fasz. B 3.<br />
34) ebda.<br />
75
kenne. Zur Begründung seines Gesuches führte er<br />
an, dass er einerseits durch die Zahl seiner Dienstjahre,<br />
durch seine Geschäftskenntnisse und seine<br />
Diensttreue sich eine Versetzung verdient zu haben<br />
glaube und dass er andererseits aus Familienrücksichten<br />
um diese Versetzung bitten müsse.<br />
DIE FÜRSORGEPFLICHT DES FÜRSTEN<br />
FÜR SEINE BEAMTEN<br />
Der Treuepflicht der Beamten auf der einen Seite<br />
entsprach die Fürsorgepflicht des Fürsten auf der<br />
anderen Seite. Die Entschädigung des fürstlichen<br />
Personals beruhte im Vormärz noch weitgehend<br />
auf der traditionellen Vorstellung, dass der Dienstherr<br />
für die Bedürfnisse seines Personals aufzukommen<br />
habe.<br />
Die Besoldungsansprüche aller fürstlichen Herrschaftsbeamten<br />
waren «systematisiert». Das Besoldungs-System<br />
von 1837 ging von folgenden Grundsätzen<br />
aus: Die Bezüge der Beamten waren aufgeteilt<br />
in Natural- und in Geldbezüge. Durch die Naturalbezüge<br />
sollten «die Haupt-Bedürfnisse eines<br />
ländlichen Haushaltes» gedeckt werden und die<br />
Beamten vor Teuerung und Preisschwankungen<br />
geschützt werden. 35<br />
Naturalien im eigentlichen<br />
Sinn umfassten Güter des täglichen Bedarfs wie<br />
verschiedene Getreidebeiträge, Wein, Schmalz<br />
oder Butter, Salz, Fleisch und Brennholz. Zu den<br />
Naturalbezügen im weiteren Sinne gehörten aber<br />
auch eine kostenlose Unterkunft, eine kostenlose<br />
medizinische Versorgung 36<br />
und die Nutzungsrechte<br />
an einigen Grundstücken. Für bestimmte Beamtenkategorien<br />
sah das Besoldungssystem auch Vergütungen<br />
für Pferde und Knechte vor, die für Dienstzwecke<br />
verwendet wurden. 37<br />
Die Geldbeträge waren unterteilt in ein fixes Gehalt<br />
und in Akzidentien. Die Höhe der ausbezahlten Akzidentien<br />
richtete sich (mindestens zum Teil) nach<br />
dem Ertrag einer Herrschaft. Die Akzidentien stellten<br />
also ein Mittel dar, um die Herrschaftsbeamten<br />
zu einer grösseren Leistung anzuspornen. Die<br />
Herrschaftsbeamten waren in 11 Rangklassen eingeteilt,<br />
wobei die Rangklasse für die Höhe der Be<br />
76<br />
soldung bestimmend war. Die Lohnunterschiede<br />
zwischen den niedrigsten und den höchsten Beamten<br />
waren beträchtlich, insbesondere was das fixe<br />
Gehalt betraf. 38<br />
Neben den «systematisierten» Bezügen konnten<br />
besondere Leistungen durch individuelle «Zulagen»<br />
honoriert werden. Es gab sowohl «einmalige»<br />
Zulagen als auch «jährliche», die einer Gehaltserhöhung<br />
gleichkamen. Den Beamten wurden auch<br />
die Kosten ersetzt, die durch Dienstreisen oder<br />
durch die Versetzung auf eine andere Herrschaft<br />
entstanden. 39<br />
Ein geregelter Ferienanspruch bestand für die Beamten<br />
nicht, doch konnten sie um einen Urlaub ansuchen,<br />
der in der Regel bis zu 6 Wochen dauerte.<br />
Die Bewilligung für die Herrschaftsvorsteher und<br />
für die leitenden Beamten in der fürstlichen Hofkanzlei<br />
und in der Buchhaltung musste vom Fürsten<br />
erteilt werden, für die übrigen Beamten konnte<br />
die Hofkanzlei einen Urlaub bewilligen. 40<br />
Die fürstlichen Beamten hatten, wenn sie in Folge<br />
hohen Alters arbeitsunfähig und gebrechlich wurden,<br />
einen gewohnheitsrechtlichen Anspruch auf<br />
eine Pension. Die Höhe der Pension betrug in der<br />
Regel die Höhe des zuletzt ausbezahlten fixen Gehaltes.<br />
Nach dem Tod eines Beamten erhielt dessen<br />
Witwe weiterhin 50 % der Pension ihres Mannes. 41<br />
Waren beim Tod eines Beamten noch unversorgte<br />
Kinder vorhanden, so konnte der Vormund um einen<br />
«Erziehungsbeitrag» für diese Kinder ansuchen,<br />
der in der Regel gewährt wurde. Der ursprünglich<br />
freiwillige Charakter dieser fürstlichen<br />
Unterstützungsgelder geht noch daraus hervor,<br />
dass sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den<br />
Rentbüchern unter der Rubrik «Gnaden- und Almosengelder»<br />
aufgeführt wurden. 1809 wurde eine<br />
Rubrik «Pensionen» geschaffen. 42<br />
Die Besoldung der Beamten stellte also nicht einfach<br />
eine Bezahlung für geleistete Dienste dar, sondern<br />
baute auf einer weitgehenden Fürsorgepflicht<br />
des Dienstherrn für seine treuen Diener auf. Die<br />
verschiedenen Leistungen des Dienstherrn stellten<br />
ein Netz dar, das den Beamten einerseits in eine<br />
hohe Abhängigkeit gegenüber seinem Dienstherrn
versetzte, ihm andererseits aber auch ein hohes<br />
Mass an sozialer Sicherheit garantierte.<br />
Das für die fürstlichen Herrschaften ausgearbeitete<br />
Besoldungssystem konnte ziffernmässig nicht einfach<br />
für das Fürstentum übernommen werden,<br />
weil die Verhältnisse doch zu verschieden waren.<br />
Landvogt Menzinger bemühte sich aber, ein Besoldungssystem<br />
auszuarbeiten, das von den gleichen<br />
Grundsätzen ausging. 43<br />
Bei der Gehaltsregelung<br />
der Beamten in Vaduz mussten folgende Unter-<br />
Dienstkategorie in barem Geld<br />
(Reichswährung)<br />
±3 C<br />
CO<br />
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<<br />
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B cd<br />
C/S<br />
D<br />
Kl<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />
35) Besoldungssystem von 1837, § 20.<br />
36) Stekl. Österreichische Aristokratie, S. 96.<br />
37) Besoldungssystem von 1837, § 36.<br />
38) ebda. Beilage 1.<br />
39) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 96.<br />
40) Hauptinstruktion von 1838, § 58.<br />
41) Stekl, Österreichische Aristokratie, S. 87.<br />
42) LLA Rentamtliche Rechnungsbücher.<br />
43) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />
hieran bezahlt Naturalbezüge Total d.<br />
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Gulden Gulden<br />
Landesverweser 1200 102 1302 209 1093 13 7 7 100 14 20: 21 446 1748<br />
Rentmeister 600 108 708. 78 630 11 13 50 11 16 6 309 1017<br />
Waldbereiter 1 432 432. 348 ;<br />
84 8 20 8 4 ' 60 600 10 20 .• 9 467 899<br />
(f. Pferdehaltung) j 108 108 108 104, 32 297 405<br />
Grundbuchführer 500 123 623 200 423 5 3 7 4 12 6 741 763<br />
Amtsschreiber 340 27 367 40 327 2 9 376<br />
Kanzlist 360 360 360 360<br />
Landscbaftsarzt 200 200 50 150 3 7 207<br />
Waidjunge 100 100 100 4 2 11 111<br />
Schlossküfer 162 162 162 8 35 197<br />
Waldheger 15 15 15 15<br />
Tierarzt 120 120 120 120<br />
Weingartenaufseher 11 11 11 11<br />
Polizeimann • 183 183 150 33 183<br />
Gemeindsbotie 30 30 30 30<br />
«Tabellarische Darstellung<br />
der Besoldungen der<br />
Vaduzer Beamten und<br />
Bezüge fürstlicher Diener,<br />
dann der Patronatsgeistlichkeit<br />
aus den betreffenden<br />
Ämtern»<br />
Die Besoldungstabelle<br />
stammt vermutlich aus<br />
dem Jahr 1848 und wurde<br />
vom Verfasser vereinfacht<br />
und gekürzt.<br />
Quelle: LLA RC 69/16<br />
77
schiede berücksichtigt werden: Erstens waren die<br />
Beamten nur wenig mit Wirtschaftsangelegenheiten,<br />
mit der «Ökonomie», beschäftigt, Akzidentien<br />
konnten also nicht den gleichen Stellenwert erhalten.<br />
Zweitens waren die Lebenshaltungskosten in<br />
Liechtenstein wesentlich höher, und drittens wurden<br />
die Beamten zu einem grossen Teil nicht aus<br />
den fürstlichen Renten, sondern aus den Steuern<br />
besoldet. Grundsätzlich sollte den Beamten der<br />
gleiche Lebensstandard wie auf den fürstlichen<br />
Herrschaften zugestanden werden. An der Aufteilung<br />
der Bezüge der Beamten in ein festes Geldgehalt,<br />
in Akzidentien und in Naturalien wurde im<br />
Fürstentum grundsätzlich festgehalten.<br />
Für die fürstlichen Herrschaftsbeamten betrug der<br />
Anteil der Akzidentien an den gesamten Geldbezügen<br />
(ausgenommen bei den Schreibern und Amtsschreibern)<br />
jeweils mindestens die Hälfte. Dieser<br />
Anteil fiel in Vaduz bedeutend geringer aus. Als Akzidentien<br />
erhielten die Beamten in Vaduz einen<br />
prozentualen Anteil an den verschiedenen Taxen,<br />
Gebühren und andern Abgaben. Der Landvogt erhielt<br />
beispielsweise einen Anteil an den Gerichtstaxen,<br />
der Grundbuchführer an den Grundbuchstaxen,<br />
der Rentmeister an den Umgeldern, der Amtsschreiber<br />
an den Ausstellungsgebühren für die<br />
Pässe usw. In den 1840er Jahren betrugen diese<br />
Akzidentien für jeden dieser Beamten etwas über<br />
100 Gulden. 44<br />
Beim Grundbuchamt und im Gerichtswesen<br />
wiesen diese Taxen jedoch eine stark<br />
ansteigende Tendenz auf. Durch diese Taxanteile -<br />
die Taxen waren bei den Untertanen ganz allgemein<br />
verhasst - gerieten die Beamten in den Geruch<br />
der «Taxjägerei». So schrieb etwa Landesverweser<br />
Menzinger 1856 an den Fürsten: «Weil jedoch<br />
die Taxen überhaupt dem Volke verhasst sind,<br />
und dasselbe von der Meinung nicht abzubringen<br />
ist, dass sie willkührlich bezogen werden, so stellt<br />
sich dieser Bezug für den Beamten nicht nur sehr<br />
unangenehm heraus, sondern setzt ihn als Taxjäger<br />
in seinem Ansehen herab.» 45<br />
Menzinger drang<br />
daher bei der Anstellung Kesslers als Regierungsamtsadjunkt<br />
darauf, dass dieser keine Taxanteile<br />
mehr erhielt. Er schlug vor, dass alle von Kessler<br />
bis dahin bezogenen Taxen in die Landeskasse<br />
78<br />
fliessen sollten und dass Kessler dafür ein höheres<br />
fixes Gehalt erhielt. Die Hofkanzlei stimmte diesem<br />
Vorschlag zu.<br />
Vergleicht man die Höhe der gesamten Geldbezüge<br />
der Beamten in Vaduz mit denen der übrigen Herrschaftsbeamten,<br />
so fällt auf, dass die Beamten in<br />
Vaduz (nach der Umrechnung von Reichswährung<br />
in Conventionsmünze) bedeutend höhere Geldbezüge<br />
erhielten. Der Unterschied betrug zwischen<br />
30 und 80 Prozent nach der Neuregulierung der<br />
Gehälter im Jahre 1841. Der Grund dafür war, dass<br />
die Lebenshaltungskosten nach Angaben des Landvogts<br />
in Vaduz bedeutend höher waren als auf den<br />
fürstlichen LIerrschaften. 46<br />
Trotz dieser höheren<br />
Geldbezüge beklagten sich die Beamten in Vaduz<br />
h<strong>äu</strong>fig über die «hierortige Theuerung», die ihnen<br />
ihr Einkommen wesentlich schmälere. Eine Anpassung<br />
der Besoldungen an diese Teuerung wurde im<br />
hier untersuchten Zeitraum nur dreimal vorgenommen:<br />
Das erste Mal wurden die Gehälter anlässlich<br />
der Reorganisation der Landesverwaltung<br />
im Jahre 1808 neu festgelegt. 47<br />
Eine Anpassung an<br />
die Teuerung erfolgte dann erst 1841 48<br />
und ein weiteres<br />
Mal im Jahre 1859. 49<br />
Wie die Beamten auf den fürstlichen Herrschaften<br />
hatten die Beamten in Vaduz Anspruch auf bestimmte<br />
Naturalien. Zum Teil konnten diese aus<br />
den Zehnterträgen gedeckt werden, zum Teil mussten<br />
sie aber in Geld abgelöst werden. Für die Ablösung<br />
wurde folgende Verrechnungsgrundlage gewählt:<br />
Ausgangspunkt war der Durchschnittspreis<br />
des betreffenden Produkts in den letzten 10 Jahren<br />
auf dem Markt in Feldkirch, wozu dann noch die<br />
Transportkosten von Feldkirch nach Vaduz gerechnet<br />
wurden. 50<br />
Die Beamten hatten auch in Vaduz Anspruch auf<br />
eine kostenlose Wohnung und auf ein bestimmtes<br />
Quantum Brennholz, um ihre Wohnung zu beheizen.<br />
In Vaduz besass die Herrschaft lediglich drei<br />
Wohnungen, die als Beamtenquartiere geeignet<br />
waren: Der Landvogt wohnte im Amthaus, das<br />
auch Landvogtei genannt wurde, der Rentmeister<br />
wohnte im Renthaus, und der Grundbuchführer<br />
wohnte bis 1839 im sogenannten «Tschakaturm».<br />
Das Amthaus und das Renthaus waren sehr ger<strong>äu</strong>-
mige H<strong>äu</strong>ser, mit denen auch Stallungen verbunden<br />
waren. 51<br />
Mit der Vermehrung der Beamten<br />
entstand ein Mangel an geeigneten Wohnungen.<br />
Für die neuen Beamten mussten standesgemässe<br />
Quartiere besorgt werden, damit ihre Autorität gegenüber<br />
den Untertanen nicht in Zweifel gezogen<br />
wurde. Menzinger <strong>äu</strong>sserte sich wiederholt dahingehend,<br />
dass eine bequeme Wohnung zu den wenigen<br />
Annehmlichkeiten eines Landbeamten gehöre,<br />
der sonst auf vieles verzichten müsse. 52<br />
Für die Amtsschreiber und Kanzlisten, die (mit<br />
Ausnahme von Kirchthaler und Dünser, die aber eigene<br />
Wohnungen besassen) unverheiratet waren,<br />
wurden in der Regel zwei gemietete Zimmer zur<br />
Verfügung gestellt. Dem Grundbuchführer musste,<br />
nachdem er 1839 geheiratet hatte, ein Haus zur<br />
Verfügung gestellt werden, ebenso dem Waldbeamten<br />
und seiner Familie. Für diese Beamten wurde<br />
zwar wiederholt der Bau neuer Wohnungen geplant,<br />
aber nie verwirklicht. Aus diesem Grunde<br />
mussten H<strong>äu</strong>ser gemietet werden, was mit beträchtlichen<br />
Kosten verbunden war. Waldbereiter<br />
Gross z. B. erhielt 1846 ein Haus mit 7 Zimmern,<br />
wovon eines als Waldamtskanzlei eingerichtet wurde,<br />
und Stallungen. Die Miete betrug jährlich 170<br />
Gulden. 53<br />
Diese beträchtliche Summe, die aus den<br />
Renten entrichtet wurde, unterstreicht, dass die<br />
kostenlosen Wohnungen einen nicht geringen Wert<br />
darstellten. Aus der Sicht der fürstlichen Verwaltung<br />
gilt es festzuhalten, dass sich durch das Zurverfügungstellen<br />
der Beamtenquartiere erst die<br />
Möglichkeit bot, die Beamten von einer Herrschaft<br />
auf eine andere zu versetzen. Die kostenlose Wohnung<br />
war die Grundlage ihrer Mobilität. Zweifellos<br />
waren diese Wohnungen aber auch ein Element,<br />
das die Abhängigkeit der Beamten von ihrem<br />
Dienstherrn noch vergrösserte.<br />
Die kostenlose medizinische Betreuung der Beamten<br />
in Vaduz war dem Landschaftsarzt übertragen.<br />
Seit 1809 war in Liechtenstein ein Landschaftsarzt<br />
angestellt, zu dessen Pflichten es zählte, «nicht nur<br />
der fürstlichen Dienerschaft, sondern auch der armen<br />
Klass der Unterthanen den ärztlichen Beistand<br />
unentgeltlich (zu) leisten». 54<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />
Einen beachtlichen Wert stellten schliesslich auch<br />
noch die «Deputatgüter» dar, die den Beamten zur<br />
Nutzung überlassen wurden. Der Landvogt nutzte<br />
laut einer Besoldungstabelle aus dem Jahre 1841<br />
4,08 ha Boden, der Rentmeister 1,64 ha, der<br />
Gehegbereiter 1,73 ha und der Grundbuchführer<br />
1,54 ha. 55<br />
Der Landvogt dürfte damit bei den damaligen<br />
Besitzverhältnissen bereits zu den grösseren<br />
Bauern in Vaduz gezählt haben. 56<br />
Nach dem<br />
Besoldungssystem von 1837 war übrigens den Beamten<br />
auf den fürstlichen Herrschaften mit Ausnahme<br />
der Gehegbereiter und Jäger die Kuhhaltung<br />
verboten und nur noch die Bewirtschaftung<br />
von Gärten und einigen Äckern erlaubt. 57<br />
Für Vaduz,<br />
wo die Beamten nach den Aussagen von Landvogt<br />
Menzinger auf eine teilweise Selbstversorgung<br />
angewiesen waren, wurde die Kuhhaltung weiterhin<br />
erlaubt. 58<br />
Noch 1860 wehrte sich Menzinger ge-<br />
44) Besoldungstabelle aus dem Jahre 1841. Beilage zum Bericht<br />
Menzingers vom 24. April 1841. LLA RC 69/16.<br />
45) Menzinger an Fürst am 18. 7. 1856. LLA RC 99/1.<br />
46) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />
47) Besoldungstabelle in der Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein<br />
von Josef Schuppler. JBL 1975. S. 397.<br />
48) «Tabellarische Darstellung der Besoldungen der Vaduzer Beamten.»<br />
LLA RC 69/16.<br />
49) «Darstellung der Besoldungsbezüge wie selbe dermal theils aus<br />
der Landeskassa, theils aus den fürstlichen Renten bestritten werden,<br />
und aus welchen Kassen die selben künftig zu berichtigen wären.»<br />
Genehmigt in Wien am 10. November 1859. LLA RC 69/16.<br />
50) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />
51) Schuppler an Fürst am 21. 3. 1826. LLA RB Fasz. B 1.<br />
52) Menzinger an Fürst am 24725. März 1838. LLA RC 60/14 und<br />
am 16. September 1857. LLA RC 85/1.<br />
53) Mietvertrag mit Ferdinand Walser vom 22. 11. 1847. LLA RC 5<br />
8/2.<br />
54) HK an OA am 16. 1. 1809. LLA RB Fasz. G 1.<br />
55) Im Original werden die Beträge in Klaftern angegeben: Landvogt<br />
11 232 Klafter, Rentmeister 4 553, Gehegbereiter 4 800, Grundbuchführer<br />
4 281, Beilage zum Bericht vom 24. April 1841. LLA RC<br />
69/16.<br />
56) Vgl. Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte S. 145.<br />
57) Besoldungssystem von 1837, § 20.<br />
58) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />
79
gen die Einschränkung der Deputatgründe. Er wies<br />
darauf hin, dass die Beamten zum eigenen Anbau<br />
gezwungen seien. Vieles könne in Vaduz nicht oder<br />
nur schwer gekauft werden. Der eigene Anbau sei<br />
für die Beamten aber auch ein guter Schutz gegen<br />
die Teuerung. 59<br />
Die Aufteilung der Besoldungskosten zwischen der<br />
Rentkasse und der Landeskasse stellt ein Problem<br />
dar, das im grösseren Zusammenhang der Trennung<br />
der fürstlichen Domänen- von der Staatsverwaltung<br />
zu sehen ist. Die Untertanen empfanden<br />
die Verpflichtung, die Beamten aus den Landeseinnahmen<br />
besolden zu müssen, bis weit ins 19. Jahrhundert<br />
hinein als einen Vertrags- und Wortbruch<br />
von Seiten der Landesherrschaft. Sie wiesen darauf<br />
hin, dass auf Grund eines Vertrages von 1614 die<br />
Herrschaft alle Gefälle und Gebühren erhalte und<br />
dafür verpflichtet sei, die Beamten zu besolden. 60<br />
Beim Erwerb der beiden Reichsherrschaften habe<br />
Fürst Anton Florian für sich und seine Nachkommen<br />
diese Lasten übernommen. Das Volk glaube<br />
daher, schrieb Menzinger 1840 an den Fürsten,<br />
dass es die Besoldungslasten nicht zu tragen schuldig<br />
sei. «Diese Behauptungen, wenn auch unbegründet,<br />
werden hinwieder noch immer besprochen,<br />
und fallen den Beamten umso lästiger, als<br />
man dafürhaltet, dass dieselben von der Gnade des<br />
Landes, das ohnehin arm seie, leben müssen.» 61<br />
Tatsächlich war es so, dass die fürstlichen Beamten<br />
im 18. Jahrhundert aus den fürstlichen Renten besoldet<br />
wurden. Durch die Steuerverordnung von<br />
1807 wurden die Untertanen verpflichtet, alle Verwaltungskosten<br />
und «in das Besondere (die) Besoldung<br />
der Justiz-, Polizey- und Steuer-Beamten»<br />
durch eine Steuer zu bezahlen. 62<br />
Tatsächlich wurden<br />
jedoch nur die Geldbezüge der Beamten aus<br />
der Landeskasse gedeckt, für die Naturalbezüge<br />
kam weiterhin die Rentkasse auf. Der Gehegbereiter<br />
und ein Kanzlist wurden nicht als Staatsbeamte<br />
betrachtet und daher ganz aus den fürstlichen Renten<br />
besoldet. Als 1841 die Geldbezüge der Beamten<br />
erhöht wurden, gingen diese Gehaltserhöhungen<br />
nicht zu Lasten der Landeskasse, sondern zu Lasten<br />
der Rentkasse. Damit ging man zwar wieder<br />
vom Grundsatz ab, dass die Landeskasse allein die<br />
80<br />
Geldbezüge der Beamten zu tragen hatte, die Frage,<br />
in welchem Verhältnis die Besoldungslasten<br />
zwischen den Renten und dem Staat aufgeteilt werden<br />
sollten, war aber noch nicht prinzipiell geklärt.<br />
Erst 1858 machte dann die fürstliche Buchhaltung<br />
den Vorschlag, dass die Besoldungskosten bei jedem<br />
Beamten in dem Verhältnis aufgeteilt werden<br />
sollten, wie er Arbeiten im Dienste der Domäne<br />
oder des Staates erbrachte. Landesverweser Menzinger<br />
erklärte sich zwar damit einverstanden,<br />
<strong>äu</strong>sserte aber die persönliche Überzeugung, dass<br />
der Landesherr und sein Land ein einheitliches<br />
Ganzes darstellten und sich die Dienste der Beamten<br />
nicht aufteilen Hessen. 63<br />
Der Einwand Menzingers<br />
macht deutlich, dass er dieser Frage eine<br />
grundsätzliche Bedeutung beimass. Im Jahr darauf<br />
ordnete dann die Hofkanzlei die Aufteilung der Besoldung<br />
zwischen Landeskasse und Rentkasse<br />
nach dem Vorschlag der Buchhaltung an. 64<br />
DIE «MINDEREN DIENER»<br />
Neben den eigentlichen Beamten beschäftigte die<br />
Landesherrschaft noch eine Reihe von «minderen»<br />
Dienern oder Bediensteten. Diese hatten vorwiegend<br />
die Wirtschaftsangelegenheiten zu besorgen.<br />
Von ihrer Tätigkeit her gesehen lassen sich drei<br />
Hauptgruppen unterscheiden: Forstbedienstete,<br />
Zoll- und Weggeldeinzieher, Wirtschaftsbedienstete.<br />
Die Forstbediensteten hatten die Aufsicht über die<br />
obrigkeitlichen Wälder zu führen, wobei sie insbesondere<br />
auf Holzdiebe, Wilderer und Schmuggler<br />
achten mussten. Bis 1812 bestand das Forstpersonal<br />
aus einem Jäger in Vaduz und je einem Forstknecht<br />
in Balzers, Nendeln und Planken und zwei<br />
Forstknechten in Mauren. 65<br />
1812 wurde das Forstwesen<br />
reorganisiert. Die Forstknechte in Planken<br />
und Nendeln wurden entlassen, und die Aufsicht<br />
über alle obrigkeitlichen Wälder wurde dem Jäger<br />
übertragen. Dieser erhielt eine Gehaltserhöhung<br />
von 50 Gulden, hatte dafür aber einen Waidjungen<br />
auf eigene Kosten anzustellen. 66<br />
1838 wurde die<br />
Waldbewirtschaftung erneut reorganisiert. Mit Jo-
seph Gross wurde ein ausgebildeter Forstbeamter<br />
angestellt, der im Rang einem Beamten gleichgestellt<br />
war. Als Hauptaufgabe von Gross galt die Vermessung<br />
der Wälder. Die Aufsicht über die obrigkeitlichen<br />
Wälder trugen weiterhin ein Waidjunge<br />
und ein Waldaufseher.<br />
Als Zoll- und Weggeldeinzieher wurden vertrauenswürdige<br />
Personen angestellt, die in den Grenzorten<br />
an den Haupt- und Nebenstrassen ein Haus<br />
besassen. Sie hatten die sogenannten «Zollpolleten»<br />
auszustellen und den Einzug der Gelder zu besorgen.<br />
67<br />
In Vaduz war bis 1816 ein «Hauptzolleinnehmer»<br />
angestellt, der den durchkommenden<br />
Verkehr zu kontrollieren hatte. 1816 wurde diese<br />
Aufgabe dem Amtsschreiber übertragen, 1819 dem<br />
Grundbuchführer. Es ist bezeichnend für den Sparwillen,<br />
dass die Übertragung dieses Dienstes an einen<br />
Beamten nur dazu erfolgte, um das Einkommen<br />
des betreffenden Beamten aufzubessern und<br />
nicht, um den Zolleinzug besser zu organisieren. 68<br />
Als Wirtschaftsbedienstete im eigentlichen Sinn<br />
galten der Schlossküfer, die Weingartenaufseher<br />
und Torkelmeister in Vaduz, Mauren und Eschen<br />
und der Ziegler in Nendeln. Weitere Diener waren<br />
ein Schlosstorwart (Kanzleidiener), ein Rentamtsexequent<br />
(Zehenteinzieher), ein Nachtwächter, ein<br />
Kaminfeger und ein Scharfrichter.<br />
Wie die Beamten standen auch die Diener zu Beginn<br />
des 19. Jahrhunderts in einem persönlichen<br />
Treueverhältnis zum Dienstherrn. Bei ihrem<br />
Diensteintritt leisteten sie einen feierlichen Eid auf<br />
den Namen Gottes und des Fürsten, wobei sie sich<br />
verpflichteten, stets das Beste für die Obrigkeit zu<br />
wollen und Schaden von ihr abzuwenden.<br />
Über die Anstellung der Diener entschied die Hofkanzlei,<br />
wobei sie jedoch in der Regel dem Vorschlag<br />
des Oberamtes zustimmte, Die Besoldung<br />
bestand wie bei den Beamten aus einem fixen<br />
Geldbetrag, Akzidentien und Naturalien, wobei<br />
darauf geachtet wurde, dass die Akzidentien den<br />
Hauptteil ausmachten. Der Jäger und die Waldaufseher<br />
erhielten neben einem fixen Gehalt «Schussgelder»,<br />
deren Höhe sich nach Art und Zahl des erlegten<br />
Wildes richtete. Der Schlossküfer erhielt<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />
ebenfalls ein fixes Gehalt und dazu einen Schanklohn,<br />
der nach der ausgeschenkten Menge Wein<br />
bemessen wurde. Die Weg- und Zollgeldeinnehmer<br />
erhielten kein fixes Gehalt, sondern nur einen bestimmten<br />
Anteil (10 oder 12 Kreuzer vom Gulden)<br />
an den abgelieferten Geldern. Ebenso richtete sich<br />
die Entschädigung für Zehentsammler, Weingartenaufseher<br />
und Torkelmeister hauptsächlich nach<br />
dem Ertrag ihrer Tätigkeit. 69<br />
Eine persönliche Bindung an den Dienstherrn ergab<br />
sich vor allem durch das Auswahlverfahren.<br />
Ein bestimmter Dienst wurde oft während Generationen<br />
von der gleichen Familie ausgeübt. Hatte<br />
sich ein Vater durch seine treuen Dienste verdient<br />
gemacht, so ging in der Regel der Dienst an seinen<br />
Sohn oder auch an eine Tochter oder an die Witwe<br />
über. Dazu einige Beispieles: 1790 bat der betagte<br />
Schlossjäger Andreas Hartmann den Fürsten, den<br />
Jägerdienst seinem Schwiegersohn Hannibal Jenny<br />
zu verleihen. Dieser erhielt den Dienst, starb aber<br />
bereits nach 4 Jahren bei einer Gemsenjagd. Da<br />
meldete sich ein Johann Anton Pfiffner aus Wangs,<br />
der die Witwe unter der Bedingung heiraten wollte,<br />
dass er die Jägerstelle erhielt. Auf Ansuchen des alten<br />
Hartmann wurde diese Bitte gewährt. Nach<br />
59) Menzinger an Fürst am 12. 12. 1860. LLA RC 69/16.<br />
60) So etwa Peter Kaiser in seinem Exposee über die liechtensteinischen<br />
Staatsregalien vom 30. 11. 1843. LLA Peter Kaiser-Akten.<br />
61) Menzinger an Fürst am 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />
62) Steuerverordnung vom 22. 4. 1807, § 10.<br />
63) Menzinger an Fürst am 20. Dezember 1858. LLA RC 69/16.<br />
64) HK an OA am 10. 11. 1859 LLA RC 69/16.<br />
65) Dienstinstruktion von 1719, Caput II, §§ 1-6. LLA A>M 4. -<br />
«Stand der verschiedenen obrigkeitlichen, landschaftlichen und anderen<br />
Dienststellen im souverainen Fürstenthume Liechtenstein».<br />
Undatiert. (Um 1810). LLA RB Fasz. B 2.<br />
66) HK an OA am 1. April 1812. LLA RB B 2.<br />
67) Zur Zollorganisation siehe Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte,<br />
S. 358 ff.<br />
68) Menzinger an Fürst am 10. 5. 1838. LLA RC 60/14.<br />
69) Die Anstellungsbedingungen gehen jeweils aus den Personalakten<br />
hervor. LLA RB Fasz. B 3.<br />
81
dem Tod Pfiffners suchte 1826 sein Stiefsohn Franz<br />
Jenny um die Jägerstelle an. Jenny erhielt den<br />
Jägerdienst, vom gewöhnlichen Jägergehalt von<br />
212 Gulden wurden aber 24 Gulden an seine Mutter<br />
als Pension ausbezahlt. Nach dem Tod Jennys<br />
wurde 1838 ein Enkel von Andreas Hartmann als<br />
Waidjunge eingestellt. 70<br />
In ähnlicher Weise ging 1801 der Hauptzolleinnehmerdienst<br />
an die Tochter des verstorbenen Hauptzollers<br />
Karl Wolf über. Maria Anna Wolf wurde der<br />
Dienst ihres Vaters unter der Bedingung verliehen,<br />
dass sie innerhalb eines halben Jahres ein für diesen<br />
Dienst geeignetes Individuum heiratete. Als sie<br />
darauf Johann Goldner ehelichte, musste zunächst<br />
die Einwilligung der Hofkanzlei eingeholt werden,<br />
worauf Goldner den Flauptzolleinnehmerdienst erhielt.<br />
71<br />
Als 1824 der Schlossküfer Johann Baptist Quaderer<br />
starb, hinterliess er eine Witwe und 4 unmündige<br />
Kinder. Bei der Wiederbesetzung der Stelle bewarben<br />
sich drei qualifizierte Küfer um die Stelle, doch<br />
erhielt die Witwe Kreszenzia Quaderer den Vorzug.<br />
Landvogt Schuppler hatte die Witwe mit folgender<br />
Begründung zur Anstellung empfohlen: «Werden<br />
die Dienstjahre des Verstorbenen mit Berücksichtigung<br />
des Umstandes, dass die Witwe mit Hülfe eines<br />
guten Gesellen dem Dienste im ganzen Umfange<br />
gewachsen wäre, gewürdiget, und zugleich<br />
erwogen, dass die Renten dann auch von einem<br />
Gnadengehalt für die Witwe und einem etwaigen<br />
Erziehungsbeitrage für die Kinder befreit bleiben,<br />
dann könnte der bittstellenden Witwe der Vorzug<br />
(. . .) gegeben werden.» 72<br />
Diese Beispiele machen deutlich, dass diese Dienststellen<br />
eine willkommene Nebenbeschäftigung boten<br />
und unter den einheimischen Bauern als erstrebenswert<br />
galten. Die Weiterverleihung eines<br />
Dienstes innerhalb einer Familie entband den<br />
Dienstherrn einerseits von der moralischen Verpflichtung,<br />
einem alten Diener oder dessen Witwe<br />
einen Unterstützungsbeitrag zu gewähren, andererseits<br />
stellte eine solche Weitergabe des Dienstes<br />
für den betreffenden Diener auch eine Verpflichtung<br />
dar, die Aufgaben im Interesse seiner Familie<br />
ordentlich zu erfüllen.<br />
82<br />
70) Tschugmell, Beamte, S. 55. - LLA RB Fasz. B 3 div. Akten.<br />
71) ebda.<br />
72) Schuppler an HK am 9. Juni 1824. LLA RB Fasz. B 3.<br />
Die Beschaffung neuer<br />
Staatseinnahmen war<br />
eines der zentralen Ziele<br />
der absolutistischen Reformen<br />
zwischen 1806 und<br />
1810. Dies wurde mit<br />
verschiedenen neuen<br />
Gesetzen und Verordnungen<br />
angestrebt. Im Bild<br />
die Steuerverordnung vom<br />
22. April 1807, die Papierstempelverordnung<br />
vom<br />
20. März 1809 und die<br />
Verordnung über die Einführung<br />
neuer Stempelzeichen<br />
vom 27. August<br />
1852
für Da»<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
BEAMTENVERHÄLTNIS / PAUL VOGT<br />
b h ©nW« »
Das Finanzwesen<br />
Durch die Aufnahme in den Rheinbund entstanden<br />
für das Fürstentum neue finanzielle Verpflichtungen,<br />
die eine Reform des Finanzwesens als dringlichste<br />
Aufgabe erscheinen Hessen. Als Mitglied des<br />
Rheinbundes hatte Liechtenstein für Napoleon ein<br />
Truppenkontingent von 40 Mann zu stellen. Diese<br />
Aufgabe hatte Fürst Johann I. - zusammen mit anderen<br />
Fürsten - dem Hause Nassau übertragen,<br />
wofür das Fürstentum eine jährliche Pauschalsumme<br />
zu bezahlen hatte. 1<br />
Weitere finanzielle Belastungen<br />
resultierten aus den Bestimmungen der<br />
Rheinbundakte, dass beim Bund ein Gesandter unterhalten<br />
und eine dritte Gerichtsinstanz errichtet<br />
werden mussten. 2<br />
Die Finanzreform zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
strebte aber auch eine grundsätzliche Umverteilung<br />
der Kosten der Landesverwaltung an. Bis zu<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt der Landesfürst<br />
alle «Gefälle» (indirekte Steuern), musste dafür<br />
aber für die Besoldung der landesfürstlichen<br />
Beamten aufkommen. Die landschaftlichen Steuern<br />
deckten die Kosten der landschaftlichen Verwaltung,<br />
die Besoldung der Landammänner, Richter<br />
und Kontingentssoldaten sowie die Kreislasten. 3<br />
Die Landschaften hatten nur in geringem Umfang<br />
für die Kosten der obrigkeitlichen Verwaltung aufzukommen.<br />
Sie bezahlten die Kanzleikosten, die<br />
Briefporti und die Diäten für die fürstlichen Beamten.<br />
Die Reichslasten trug bis etwa 1790 die Landesherrschaft<br />
allein, um 1790 wurden die «Römermonate»<br />
auf die Landschaften abgewälzt. Die<br />
«Kammerzieler» hingegen trug bis zur Auflösung<br />
des alten deutschen Reiches die Landesherrschaft. 4<br />
Bevor nun das Finanzwesen dargestellt werden<br />
soll, muss auf die besondere Quellensituation in<br />
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hingewiesen<br />
werden: Nach der herrschenden Staatstheorie<br />
waren Fürst und Staat identisch. Die Rechnungen<br />
der fürstlichen Renten und des fürstlichen Staates<br />
wurden bis 1844 nicht getrennt geführt. Eine eigentliche<br />
Staatsrechnung wurde nicht erstellt. Die<br />
Steuerpostulate, die dem Landtag jährlich zur Annahme<br />
vorgelegt wurden, stellten lediglich eine<br />
Vorstufe für eine solche getrennte Rechnung dar.<br />
Andererseits bedingten aber diese Steuerpostulate,<br />
84<br />
dass mindestens ideell eine Trennung zwischen<br />
Staatseinnahmen und fürstlichen Privateinnahmen<br />
vorgenommen wurde. Wie bei der Verwaltungsorganisation<br />
ist aber eine saubere Trennung der<br />
fürstlichen und der staatlichen Finanzen nicht<br />
möglich.<br />
DIE REFORM DER DIREKTEN STEUERN<br />
Die Steuerverordnung von 1807 stand nicht nur am<br />
Anfang der Verwaltungsreformen, sondern enthielt<br />
auch schon die wesentlichen Grundsätze: Die Kompetenz<br />
zum Einzug und zur Verrechnung der Steuern<br />
wurde den Landammännern abgenommen und<br />
dem Oberamt übertragen. Die Steuer sollte «zur<br />
Bestreitung aller mit der inneren und <strong>äu</strong>sseren<br />
Verwaltung des Landes gewöhnlich verbundenen<br />
Auslagen, in das Besondere der Besoldung der Justiz-,<br />
Polizey- und Steuer-Beamten, auch der Gesandtschaft<br />
am Bundestage bestimmt seyn.» 5<br />
Die<br />
Steuerverordnung enthielt schliesslich auch erstmals<br />
den Grundsatz der Rechtsgleichheit, indem<br />
sie die Steuerfreiheit des grundherrlichen (mit Ausnahme<br />
des fürstlichen) und kirchlichen Besitzes<br />
ausdrücklich aufhob. 6<br />
Die Steuerverordnung von<br />
1807 beseitigte also nach josephinischem Vorbild<br />
ständische Vorrechte und hob die landschaftliche<br />
Selbstverwaltung in einem wichtigen Punkt auf.<br />
Die Steuerverordnung unterwarf alle «unbeweglichen<br />
Vermögen», womit der gesamte Grundbesitz<br />
und alle Kapitalanlagen gemeint waren, der Besteuerung.<br />
7<br />
Landesbewohner, die kein Vermögen<br />
besassen, aber über 18 Jahre alt waren, hatten ein<br />
«Landesschutzgeld» zu entrichten. 8<br />
Die Verordnung<br />
schrieb weiter vor, dass sofort alle Vermögen<br />
nach ihrem Wert eingeschätzt und in ein Steuerbuch<br />
eingetragen werden mussten. 9<br />
Der Einzug<br />
und die Verrechnung der Steuern, also die gesamte<br />
Steuerverwaltung, wurde zur alleinigen Aufgabe<br />
des Rentamtes erklärt. 10<br />
Eine ausführlichere Erl<strong>äu</strong>terung<br />
der Steuerverordnung von 1807 erübrigt<br />
sich, da sich das Oberamt ohnehin nur soweit an<br />
diese Vorschriften hielt, wie ihm das sinnvoll und<br />
zweckmässig schien.
Bei der Einführung der Grundsteuer mahnte die<br />
Hofkanzlei zu grosser Eile. Die Steuereinschätzung<br />
wurde bereits im Sommer 1808 provisorisch abgeschlossen.<br />
11<br />
Etwas merkwürdig erscheint bei diesem<br />
Vorgehen, dass der Steuerwert des Grundbesitzes<br />
nur mit einem Drittel des tatsächlich geschätzten<br />
Wertes angenommen wurde. Das mochte<br />
vielleicht zur Beruhigung der Untertanen dienen,<br />
auf die Höhe der zu leistenden Steuer hatte es jedoch<br />
keinen Einfluss, da sich diese allein nach den<br />
Staatsausgaben richtete. Die Versteuerung der im<br />
Lande angelegten Kapitalien wurde nur bei den<br />
einheimischen Geldgebern verwirklicht, die ausländischen<br />
Darlehen, die bedeutend zahlreicher<br />
und grösser waren, wurden nicht besteuert, 12<br />
ebensowenig wurde das Landesschutzgeld verwirklicht.<br />
13<br />
Der Steuereinzug - und damit die<br />
Steuerverwaltung - erfolgte nicht nach den in der<br />
Steuerverordnung enthaltenen Vorschriften, sondern<br />
nach einem Modus, der sich eng an die alte<br />
Form hielt. Die Steuerverordnung sah vor, dass der<br />
Rentmeister für jeden einzelnen Untertan die Steuer<br />
berechnete und von ihm einzog. Schuppler wurde<br />
1814 bei der Hofkanzlei angezeigt, weil sich das<br />
Oberamt nicht an diese Vorschrift hielt. Schuppler<br />
rechtfertigte sich damit, dass diese Art des Steuereinzugs<br />
den Rentmeister weit überfordern würde<br />
und zugleich die Gefahr entstünde, dass die Steuer<br />
nicht eingebracht werden konnte. Nach Schupplers<br />
Angabe verteilte das Oberamt die Steuer daher lediglich<br />
auf die Gemeinden, die «Subrepartition»<br />
auf die einzelnen Steuerpflichtigen hatten die Gemeinden<br />
selbst vorzunehmen. Das Rentamt zog lediglich<br />
bei den «Honoratioren» die Steuer individuell<br />
ein, d.h. bei den Grundherren und beim Klerus.<br />
Den Steuereinzug bei den Untertanen besorgten<br />
die Säckelmeister der Gemeinden zusammen<br />
mit den Gemeindeabgaben. Schuppler meinte, dass<br />
die Steuern nur auf diese Art eingebracht werden<br />
konnten: «So wie die Steuerschuldigkeit von jenen<br />
der Gemeindeanlagen getrennt wird, verliert sie<br />
an Sicherheit . . . Die Gemeinanlagen hätten und<br />
müssten ein Vorrecht vor den Steuern haben, weil<br />
sie gewissermassen zur Erhaltung dieser dienen,<br />
und so wie man die Gerichte von der Eintreibung<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />
der Steuern - (was sie alle insgesammt wünschen)<br />
- freispricht, ist das Rentamt ausser Stande, die<br />
letztjährige Steuer im Laufe des folgenden Jahres<br />
einzubringen.» 14<br />
1842 erklärte Landvogt Menzinger<br />
Fürst Alois IL, «dass die eigentliche Landessteuer<br />
nicht individualiter von den Steuerholden,<br />
sondern von den Gemeinden in Corpore nach ihrem<br />
Steuersatze verlangt werde, welche sodann die<br />
sie betreffende Quoten unter die Gemeindeangehörigen<br />
weiter repartieren, und sofort auch zusammen<br />
dem Rentamte abführen.» 15<br />
1) Malin, S. 149.<br />
2) Diese drei Gründe werden in der Präambel der Steuerverordnung<br />
von 1807 angeführt.<br />
3) Die Kreislasten bestanden aus dem sogenannten «Contributionale»<br />
(Kreisgelder) und den «Prima plana-Geldern» (Offiziersbesoldungen).<br />
Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein aus dem Jahre<br />
1784, LLA Kopie o, S.<br />
4) Die «Römermonate» bildeten eine Reichssteuer, die für die<br />
Reichstruppen bezahlt werden musste, Die «Kammerzieler» stellten<br />
einen Beitrag an das Reichskammergericht in Wetzlar das. - Zur<br />
Aufteilung der Kosten zwischen Landschaften und Landesherrschaft<br />
vgl. Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein aus dem Jahre<br />
1784 sowie die rentamtlichen Rechnungsbücher und die Landschaftsrechnungen.<br />
LLA.<br />
5) Steuerverordnung vom 22. 4. 1807, § 10.<br />
6) ebda. § 3.<br />
7) ebda. § 2.<br />
8) Dabei wurde ein steuerbares Vermögen von 150 Gulden angenommen,<br />
für Dienstleute ein solches von 100 Gulden. Ebda. § 6.<br />
9) ebda. § 4.<br />
10) ebda. § 10.<br />
11) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 397.<br />
12) ebda. S. 397 und S. 313.<br />
13) Alois Ospelt meint, dass das Hintersässgeld mit diesem Landesschutzgeld<br />
gleichzusetzen sei. Das Hintersässgeld war jedoch eine<br />
ältere Abgabe, die in der obern Landschaft 1 Gulden 30 Kreuzer betrug,<br />
in der untern Landschaft 2 Gulden. Die Hintersassen konnten<br />
sich von der Bezahlung der Hintersässgelder befreien, indem sie<br />
sich mit 25 Gulden in den Untertanenverband einkauften. Schuppler<br />
an HK am 22. August 1823. LLA RC 22/10.<br />
14) Schuppler an HK am 5. Juli 1814. LLA RB B 2.<br />
15) Diese Erklärung des Steuersystems galt dem Fürsten, der anlässlich<br />
seines zweiten Besuches im Land den Untertanen ein Steuergeschenk<br />
machen wollte. OA an Fürst am 5. Januar 1847. LLA RC<br />
87/28.<br />
85
Der Klerus akzeptierte die Beseitigung seiner Steuerfreiheit<br />
nicht ohne weiteres. Die Geistlichen baten<br />
nach Erscheinen der Steuerverordnung den<br />
Landesfürsten um Wiedereinführung ihres Steuerprivilegs,<br />
doch wurde dies von der Hofkanzlei abgelehnt.<br />
10<br />
Merkwürdigerweise wurden die Honoratioren<br />
aber trotz dieses ablehnenden Entscheids<br />
bis 1809 und dann wieder in den Jahren 1814 bis<br />
1817 nicht besteuert. 17<br />
1818 wurden die Steuerprivilegien<br />
endgültig aufgehoben. Mit der Abwälzung<br />
des Steuereinzugs auf die Gemeinden wählte<br />
Schuppler eine Lösung, die zwar im klaren Gegensatz<br />
zur Steuerverordnung stand, die aber wohl die<br />
einzige Möglichkeit bot, die Steuern hereinzubringen.<br />
Der Steuereinzug durch die Obrigkeit hätte<br />
nicht nur einen grösseren Verwaltungsaufwand gebracht,<br />
sondern auch zu einem zähen Steuerwiderstand<br />
der Untertanen geführt. Ohne zusätzliche polizeiliche<br />
Mittel hätte die Obrigkeit die Steuern<br />
kaum einheben können.<br />
DIE ERHÖHUNG DER TAXEN UND GERÜHREN<br />
Für die Amtshandlungen der fürstlichen Beamten<br />
wurden bereits im 18. Jahrhundert Kanzleitaxen<br />
erhoben, die der Landvogt erhielt. 18<br />
Die sogenannten<br />
«Siegelgelder», die für die Bestätigung von Urkunden<br />
zu entrichten waren, erhielten die Landammänner.<br />
Diese Taxen und Gebühren hatten also<br />
zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch unmittelbar<br />
den Charakter einer Entschädigung für den Beamten,<br />
dessen Dienste in Anspruch genommen wurden.<br />
Bei seinem Besuch im Sommer 1808 untersuchte<br />
Hauer auch, welche Taxen im Fürstentum erhoben<br />
wurden und wer diese erhielt. Die Dienstinstruktion<br />
von 1808 stellte als Konsequenz dieser Untersuchung<br />
fest, dass ab 1. Januar 1809 alle Taxen als<br />
Landeseinnahmen 19<br />
zu betrachten seien. (Die Beamten<br />
bezogen dann aber doch noch 5 bis 10 % an<br />
den verschiedenen Taxeinnahmen.) Der Landvogt<br />
wurde beauftragt, eine neue Erbfolgeordnung, eine<br />
neue Taxnorm für Gerichtsfälle und Grundbuchhandlungen<br />
20<br />
und eine Stempelsteuerverordnung 21<br />
86<br />
auszuarbeiten. Da sich der Landvogt dabei an das<br />
österreichische Beispiel halten sollte, lief dieser<br />
Auftrag auf eine drastische Erhöhung aller Taxen<br />
und Gebühren hinaus. Liechtenstein übernahm damit<br />
den österreichischen Grundsatz, aus den Gebühren<br />
eine möglichst einträgliche Staatseinnahme<br />
zu schaffen.<br />
Mit der Erbfolgeordnung vom 1. Januar 1809 erschien<br />
zugleich eine Instruktion über die bei Verlassenschaftsabhandlungen<br />
zu erhebenden Taxen.<br />
Im Grunde wurde damit für das Fürstentum eine<br />
Erbschaftssteuer geschaffen. Bis 1808 bestand in<br />
Liechtenstein keine Erbschaftssteuer. Der Landsbrauch<br />
bestimmte lediglich, dass Güter ohne gesetzliche<br />
Erben, Güter, die an Huren- oder Bastardenkinder<br />
verfallen würden, sowie Güter von<br />
Selbstmördern an die Landesherrschaft fielen. 22<br />
Durch die Erbfolgeordnung von 1809, das Schulgesetz<br />
von 1827 und die Verordnung betreffend das<br />
Armenwesen von 1845 wurde die Erbsteuer Schritt<br />
für Schritt ausgebaut, wobei die Erträge aus dieser<br />
Steuer dem Armen- und dem Schulfonds zukamen.<br />
In der Papierstempelverordnung vom 20. März<br />
1809 wurde die Einführung der Stempel damit begründet,<br />
dass die «dermahligen politischen Verhältnisse»<br />
grössere Staatseinkünfte erforderlich<br />
machten. Die Papierstempelverordnung schrieb<br />
vor, dass alle rechtsgültigen Urkunden einen Stempel<br />
tragen mussten. Die Stempelgebühren betrugen<br />
zwischen 3 Kreuzern und 2 Gulden, wobei sich die<br />
Stempelgebühr einerseits nach dem Wert des Geschäftes<br />
richtete, über das die Urkunde ausgestellt<br />
war, und andererseits nach dem Stand des Ausstellers.<br />
Damit die Einnahmen aus den Stempelgebühren<br />
möglichst hoch ausfielen, wurde der Begriff<br />
«Urkunde» so weit gefasst, dass alle Rechnungen,<br />
Quittungen, Verträge, Vollmachten usw. darunter<br />
fielen.<br />
Durch die «Provisorische Gerichtstaxenskala» vom<br />
30. Dezember 1809 wurden die alten Taxen wesentlich<br />
erhöht. Für jede Amtshandlung wurde<br />
eine Taxe zwischen 2 Kreuzern und 12 Gulden bestimmt.<br />
23<br />
Durch die «Taxnormen» vom 22. Februar<br />
1859 wurde eine weitere Erhöhung der Taxen vorgenommen.
Die Tendenz, möglichst viele und möglichst hohe<br />
Gebühren einzuführen, zeigte sich auch bei den sogenannten<br />
«Konzessionsgeldern», die für die Ausübung<br />
bestimmter Gewerbe bezahlt werden mussten.<br />
Soweit die Landesherrschaft ein Monopol für<br />
diese Gewerbe besass (z.B. Lumpensammeln, Salitergraben,<br />
Gipsbruch, Apothekerwurzelgraben<br />
usw.) wurden diese Gewerbe jährlich meistbietend<br />
zur Ausübung versteigert. Die Bedeutung dieser<br />
Monopolgewerbe nahm stetig ab, die «alten» Konzessionsgelder<br />
brachten immer weniger ein. Die<br />
Gebühren für die Wirte («Tafernzinse») wurden<br />
1809 neu geordnet und wesentlich erhöht. 24<br />
Für<br />
das Handels- und Hausiergewerbe wurden<br />
1809/10 erstmals Gebühren erhoben, für die Tanzmusikbewilligung<br />
wurden 1829 Gebühren eingeführt.<br />
Weitere Gebühren und Taxen waren die Emigrationstaxen,<br />
die Laudemien, die Untertanseinkaufgelder,<br />
die Hintersassenschutzgelder und die<br />
Heiratstaxen.<br />
Von den Untertanen wurden insbesondere die neuen<br />
Stempelgebühren als eine drückende Last empfunden.<br />
1816 wollte die Hofkanzlei eine weitere Erhöhung<br />
dieser Gebühren verordnen, doch bat der<br />
Landvogt dringend, davon abzusehen. Die Stempelgebühren<br />
seien in Liechtenstein viel belastender<br />
als in den angrenzenden Ländern. Besonders betroffen<br />
seien die vielen Schuldner im Lande, die bei<br />
jeder Zinszahlung Stempelgebühren zu entrichten<br />
hätten. Er fuhr dann fort: «... fast alle Jahre die<br />
Unterthanen in geheim Versammlungen halten, wo<br />
sie deliberiren, in welchen Wegen sie die Neuerungen<br />
wegbringen.» 25<br />
Nach dieser Vorstellung verzichtete<br />
die Hofkanzlei auf eine weitere Erhöhung<br />
der Stempelgebühren. 26<br />
In vielen Fällen umgingen<br />
die Untertanen die Stempelgebühren und schrieben,<br />
um der für solche Fälle vorgesehenen Stempelstrafe<br />
zu entgehen, einfach «Aus Abgang des<br />
Stempels» auf ihre Verträge. Das Oberamt liess<br />
darauf durch die Ortsvorsteher bekannt machen,<br />
dass für jede ungestempelte Urkunde die Stempelstrafe<br />
eingezogen werde. 27<br />
1831 beklagten sich die Untertanen über die hohen<br />
Taxen. Sie schlugen vor, die Taxen, die «nur die ärmere<br />
und bedrängte Klasse und nicht die fremden<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />
Güterbesitzer, wie z.B. das k.k. Feldkircher Rentamt»<br />
träfen, zu vermindern und dafür die direkten<br />
Steuern zu erhöhen, damit die fremden Güterbesitzer<br />
stärker zu den Landeslasten beitragen mussten.<br />
28<br />
Welche Bedeutung die Tax- und Gebühreneinnahmen,<br />
die insgesamt eine ständig steigende Tendenz<br />
aufwiesen, für den Staatshaushalt hatten, geht daraus<br />
hervor, dass diese Einnahmen seit 1850 in einzelnen<br />
Jahren höher waren als die Einnahmen aus<br />
den direkten Steuern. 29<br />
Der Vorteil für die Obrigkeit<br />
lag darin, dass Taxen und Gebühren weniger leicht<br />
umgangen werden konnten als die direkten Steuern<br />
und dass sie keinerlei Mitwirkung der Landstände<br />
unterlagen.<br />
16) HK an OA am 10. Oktober 1807. LLA NS 1807.<br />
17) Steuersummarien aus den Jahren 1814 bis 1817. LLA RB Fasz.<br />
S 5.<br />
18) Bericht Hauers über das Fürstentum Liechtenstein aus dem<br />
Jahr 1808. Beilage 4, Punkt 6. In: JBL 1983. S. 71 ff.<br />
19) Art. 17 der Dienstinstruktion von 1808 schreibt vor, dass alle Taxen<br />
in die «fürstlichen Renten» fliessen sollten. Die Dienstinstruktion<br />
unterscheidet nirgends zwischen Landeseinnahmen und Renten.<br />
Tatsächlich wurden die Taxen als Landeseinnahmen eingestuft. -<br />
Vgl. dazu die Steuerpostulate.<br />
20) Dienstinstruktion von 1808, Art. 1. LLA RB Gl.<br />
21) ebda. Art. 13.<br />
22) Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein durch Hauer aus<br />
dem Jahre 1808. Beilage 4, Punkt 20. In: JBL 1983. S. 71 ff.<br />
23) Die Tabelle ist abgedruckt in der Beschreibung des Fürstentums<br />
Liechtenstein durch Schuppler. JBL 1975. S. 376 ff.<br />
24) Verordnung vom 16. 1. 1809 betr. Einführung der Bewilligungspflicht<br />
zur Schankausübung.<br />
25) OA an HK am 10. April 1816. LLA RB Fasz. S 6.<br />
26) HK an OA am 13. Juni 1816. LLA RB Fasz. S 6.<br />
27) Umlaufschreiben des OA vom 13. 2. 1816. LLA RB Fasz. G 1.<br />
28) Protokoll der Verhandlung der beiden Untersuchungskommissäre<br />
Kraupa und Emser mit den Ortsgerichten vom 18. 4. 1831.<br />
HKW 4165/831. (Photokopie im LLA)<br />
29) Vgl. die entsprechenden Tabellen bei Alois Ospelt, Anhang,<br />
S. 230 und 259.<br />
87
DIE SCHAFFUNG VON INDIREKTEN STEUERN<br />
Auf Vorschlag des ständischen Landtages beschloss<br />
Fürst Johann I. eine Hundesteuer einzuführen, die<br />
jedoch für die Staatseinnahmen keine grosse Bedeutung<br />
erreichte. Zu Beginn der 1830er Jahre<br />
wurde eine Salzsteuer eingeführt, die zunächst<br />
sehr niedrig gehalten wurde. Als aber Liechtenstein<br />
1836 ein Kontingent aufstellen und ausrüsten<br />
musste, wurde diese Steuer schlagartig auf ein<br />
Vielfaches erhöht. Sie zählte in der Folge zu den<br />
wichtigsten Landeseinnahmen. Eine weitere Erhöhung<br />
der Salzsteuer fand im Zusammenhang mit<br />
dem Zollanschluss an Österreich statt. 30<br />
Wie die<br />
Gebühren stellte die Salzsteuer im Grunde eine unsoziale<br />
Steuer dar, die vor allem die meist ohnehin<br />
armen Untertanen traf, die Landesherrschaft und<br />
die Grundherren jedoch schonte.<br />
DIE GEFÄLLE ALS FÜRSTLICHE PRIVAT<br />
EINNAHMEN<br />
Bis 1808 bildeten alle Regalien und nutzbaren Hoheitsrechte<br />
ein unbestrittenes Recht der Landesherrschaft.<br />
Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
sämtliche Verwaltungskosten auf die Untertanen<br />
abgewälzt wurden, erhoben diese nach dem Beispiel<br />
anderer deutscher Staaten Anspruch auf verschiedene<br />
landesfürstliche Gefälle. Der Fürst hatte<br />
zwar die verschiedenen Taxen und Gebühren zu<br />
Staatseinnahmen erklärt, beanspruchte jedoch die<br />
Zoll-, Weg- und Umgelder, das Jagd- und Fischereiregal,<br />
die «behöbte Steuer» und die verschiedenen<br />
Feudallasten 31<br />
weiterhin als landesfürstliche Privatrechte.<br />
Zwischen 1807 und 1811 wurden die<br />
Zoll- und Weggelder wiederholt erhöht. 32<br />
Im Vormärz<br />
forderten die Untertanen mehrmals die Überlassung<br />
der Zoll- und Weggelder, die zusammen<br />
mit dem Umgeld (einer Getränkesteuer) jährlich<br />
mehrere Tausend Gulden in die fürstliche Rentkasse<br />
fliessen Hessen. 33<br />
Von Landvogt Schuppler wurde die Auffassung,<br />
dass diese Gefälle fürstliche Privateinnahmen darstellten,<br />
damit begründet, dass die Obrigkeit diese<br />
88<br />
beim Erwerb des Fürstentums habe bezahlen müssen,<br />
was auch bei andern kleinen Fürstentümern<br />
nicht selten der Fall gewesen sei: «Denn alle Rechte,<br />
die die Obrigkeit an sich kauft, sind nicht mehr<br />
Landeseinkünfte, sondern Herrschaftserträgniss,<br />
weil Staatsrechte, wenn sie es sein sollen, unver<strong>äu</strong>sserlich<br />
sind, und von den Regenten nicht qua<br />
Privatbesitzer sondern qua Staatsoberhaupt in<br />
Ausübung gesetzt werden sollen, was bei dem Fürstentum<br />
der Fall nicht ist.» 34<br />
Die Empörung der Untertanen über diese Argumentation<br />
kommt im «Politischen Tagebuch» des<br />
Amtsboten Johann Rheinberger mit aller Deutlichkeit<br />
zum Ausdruck. Er warf den «Herren Staatsreformatoren<br />
Hauer und Schuppler» vor, die Sache<br />
nicht reiflich erwogen zu haben oder aber «zweifache<br />
Schurken» zu sein, die die fürstlichen Renten<br />
auf Kosten des staatlichen Eigentums erhöhen<br />
wollten. «Mit redlichen Augen mag einmal dieser<br />
Gegenstand nicht überblickt worden sein, sonst<br />
hätte denselben doch unmöglich entgehen können,<br />
dass die Zölle, die Weggelder, die Umgelder, die gemeine<br />
Landes- und Behöbte-Steuer Gefälle sind,<br />
welche schon durch ihre Natur mit dem Gepräge<br />
der Staatsgefälle versehen wurden.» 35<br />
In einer ähnlich scharfen Form verurteilte auch Peter<br />
Kaiser in seinem «Exposee über die liechtensteinischen<br />
Staatsregalien» von 1843 die fürstlichen<br />
Ansprüche auf die Gefälle. Er ging davon<br />
aus, dass die Rechte und Pflichten der Herrschaft<br />
und des Volkes 1614 durch einen Vertrag festgelegt<br />
wurden, der vom Fürsten eigenmächtig zum Nachteil<br />
des Volkes verändert worden sei. «Als der Fürst<br />
souveräin wurde und die Ausscheidung dessen geschah,<br />
was Privatgut desselben und was Staatsgut<br />
sein sollte, wurden die früheren Verträge eigenmächtig<br />
aufgehoben, dem Lande einige wenig einträgliche<br />
Posten zugeschrieben, das übrige zum<br />
Privatgut des Fürsten geschlagen, dem Lande alle<br />
Lasten, die aus dem Verhältnis zum deutschen<br />
Bund hervorgehen, wie auch grossentheils die Unterhaltung<br />
der Beamten zugewiesen.» Die Ausscheidung<br />
des fürstlichen Privatgutes vom Staatsgut<br />
hätte nach seiner Meinung durch einen Vertrag<br />
zwischen Volk und Fürst geregelt werden müssen,
statt dessen verbiete die Verfassung den Ständen<br />
sogar, sich überhaupt auf diese Fragen einzulassen.<br />
Grosse Bedeutung mass Kaiser dem Beispiel<br />
anderer deutscher Bundesstaaten bei, in denen die<br />
Domäne zum Staatsgut erklärt worden sei. Empört<br />
zeigte sich Kaiser auch über die Behauptung, der<br />
Fürst verlange für sich keine Zivilliste. Da der Fürst<br />
Zölle und Domänengüter für sich beanspruche, frage<br />
man sich, «ob irgend ein Land nach Verhältnis<br />
eine so grosse Civilliste bezahle, als das Fürstenthum<br />
L. Und wie kann man behaupten, der Fürst<br />
beziehe nichts vom Lande, wie man es in allen<br />
Geographien von Deutschland liest?» Kaiser beanstandete<br />
auch den Umstand, dass die Erträge der<br />
Domäne ins Ausland gingen, weil der Fürst im Ausland<br />
residiere. Zu den Taxen und Stempeln meinte<br />
er, dass diese zwar dem Lande überwiesen und beträchtlich<br />
erhöht worden seien, doch habe man damit<br />
dem Volk ein Geschenk gemacht, «das es aus<br />
seiner eigenen Tasche bezahlen musste.» Nach seiner<br />
Ansicht standen nicht nur die Zölle, sondern<br />
auch das Jagdregal und die Wälder dem Lande zu.<br />
Als Mitglied der Delegation, die 1840 nach Wien<br />
gereist war und dem Fürsten die Anliegen der Untertanen<br />
vorgebracht hatte, machte er sich aber<br />
keine grosse Hoffnung auf ein baldiges Entgegenkommen<br />
des Fürsten: «Überhaupt ist diese Materie<br />
eine schwierige und auch bei den besten Gründen<br />
nicht durchzudringen, wenn der Souveräin nicht<br />
will . . . Die hiesige Commission hat sich daher seiner<br />
Zeit weniger auf die rechtliche Deduktion als<br />
auf die Kraft von Bitten und die Wirkung der Gnade<br />
gestützt, aber wie es scheint, ohne Befolg.» 36<br />
Die Bedeutung der fürstlichen Privatgefälle geht<br />
aus einer Zusammenstellung des Oberamtes über<br />
die durchschnittlichen Herrschaftserträge in den<br />
Jahren 1827 bis 1838 hervor: Danach betrugen die<br />
Zölle im Jahresdurchschnitt 3755 Gulden, das Umgeld<br />
1312 Gulden, das Weggeld 1304 Gulden, das<br />
Jagdregal 132 Gulden, die Walderträge 654 Gulden<br />
und das Fischereiregal 38 Gulden. Die behöbte<br />
Steuer machte jährlich 198 Gulden aus. Die gesamten<br />
herrschaftlichen Einkünfte betrugen im Jahr<br />
durchschnittlich 17 244 Gulden. Die herrschaft<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />
lichen Verwaltungskosten betrugen 3073 Gulden,<br />
so dass ein jährlicher Reinertrag von 14 170 Gulden<br />
verblieb. 37<br />
Die Einnahmen der Herrschaft lagen damit<br />
deutlich über den gesamten Staatseinnahmen<br />
(Steuern, Taxen und Gebühren).<br />
Nach dem Rheineinbruch von 1846, der für das<br />
Land eine Katastrophe bedeutete, überliess Fürst<br />
Alois II. die Erträge aus dem Zoll- und Weggeldgefälle<br />
dem Land. War diese Abtretung 1846 noch<br />
als eine vorübergehende Hilfsmassnahme gedacht,<br />
so erklärte der Fürst durch den Erlass vom 7. April<br />
1848 alle Gefälle zu Staatseinkommen. Die Feudalleistungen<br />
wurden für ablöslich erklärt und die<br />
obrigkeitlichen Gewerbemonopole (Mühlen, Ziegelhütte<br />
usw.) aufgehoben. 38<br />
Für die Staatseinnahmen<br />
war dieser Erlass von erstrangiger Bedeutung: Seit<br />
1850 bildeten die Zoll- und Weggeldeinnahmen die<br />
wichtigste Staatseinnahme überhaupt. Nach dem<br />
Abschluss des Zoll- und Steuervertrages mit Österreich<br />
im Jahre 1852, durch den die österreichischen<br />
Verzehrungssteuern auch in Liechtenstein<br />
eingeführt wurden, verdreifachten sich diese Einnahmen<br />
schlagartig und betrugen nun fast regelmässig<br />
mehr als die Hälfte der gesamten Staatseinnahmen.<br />
30) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte. S. 259.<br />
31) Diese verschiedenen Feudalleistungen waren das Vogelrecht,<br />
der Schäfhaber, die Fasnachtshenne, die Neugereutzinse und das<br />
Pleuelgeld. Vgl. dazu Geiger, Anhang, S. 404.<br />
32) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 336 und S. 362.<br />
33) Alois Ospelt, Anhang, S. 230.<br />
34) Schuppler an HK am 12. März 1818. LLA RB Fasz. L 6.<br />
35) Johann Rheinberger, «Politisches Tagebuch», JBL 1958.<br />
S. 235/36.<br />
36) Peter Kaiser, «Exposee über die liechtensteinischen Staatsregalien».<br />
Chur am 30. 11. 1843. Das Schreiben war vermutlich an Dr.<br />
Schädler gerichtet. LLA Peter Kaiser-Akten.<br />
37) «Ausweis dos 12jährigen Durchschnittsertrages der hochherrschaftlichen<br />
Gefälle». Beilage 5 zum Bericht Menzingers an Fürst<br />
Alois II. vom 10. August 1840. LLA RC 69/16.<br />
38) Bekanntmachung betr. neue Verfassung und weitere Reformzusicherungen<br />
vom 7. April 1848. Art. 12-14. Veröffentlicht bei Alois<br />
Ospelt, Anhangs. 122.<br />
89
DIE STAATLICHE FINANZNOT<br />
Das Fürstentum Liechtenstein war trotz der Erhöhung<br />
der direkten Steuern und der Gebühren sowie<br />
der Einführung der Salzsteuer in der ersten Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts finanziell nicht lebensfähig.<br />
Die steuerlichen Belastungen waren zwar nicht<br />
grösser als in Österreich, doch war das Fürstentum<br />
wirtschaftlich dermassen rückständig, dass es diese<br />
Lasten kaum tragen konnte. Die schlimmsten<br />
Notjahre waren die unmittelbaren Nachkriegsjahre<br />
und die Jahre 1816 bis 1818, als im Lande eine unbeschreibliche<br />
Hungersnot bestand: In den 1810er<br />
Jahren schrieb Landvogt Schuppler wiederholt an<br />
die Hofkanzlei, dass die postulierte Steuer unmöglich<br />
eingetrieben werden könne. 1814 beschrieb er<br />
die Situation im Fürstentum folgendermassen:<br />
«Gerade itzt wandeln die Menschen wie kaum noch<br />
lebende Leichname daher, mit Sehnsucht harren<br />
sie dem Tage entgegen, an welchem sie ihre Wintergerste<br />
schneiden und ausklopfen können, um ihren<br />
Heishunger zu stillen, und kaum wird die Blüthe<br />
vom Erdapfelkraute abgefallen seyn, als sie<br />
schon die noch unreife Frucht verzehren und mit<br />
Anfang des Winters kaum mehr etwas haben werden,<br />
denn das Türkenkorn wird heuer, wenn nicht<br />
im Spätsommer und Herbst besonders günstiges<br />
Wetter eintrift, nicht reif. Von diesen eine Steuer<br />
einzubringen, ist dem Amte und Rentamte nicht<br />
möglich . . . » 39<br />
Der Staatsbankrott konnte wiederholt nur dadurch<br />
verhindert werden, dass der Fürst die Kosten für<br />
die Gesandtschaft, für das Kontingent und die Besoldung<br />
der Beamten vorschoss: Noch bevor die<br />
Rückzahlung der Kriegsvorschüsse von 1799 bis<br />
1805 überhaupt in Angriff genommen werden<br />
konnte, 40<br />
musste der Fürst in den Jahren 1813 bis<br />
1817 erneut beträchtliche Darlehen gewähren, damit<br />
das Fürstentum seinen Pflichten als Mitglied<br />
des Rheinbundes und des deutschen Bundes nachkommen<br />
konnte. 41<br />
Weitere Darlehen gewährte der<br />
Fürst 1836, als ein Kontingent ausgerüstet werden<br />
musste 42<br />
und beim Rheineinbruch 1846. 43<br />
Wie<br />
gross die Vorschüsse des Fürsten an die Staatskasse<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins<br />
90<br />
gesamt waren, lässt sich auf Grund der rentamtlichen<br />
Rechnungsbücher in Vaduz nicht ermitteln.<br />
Das Ausmass dieser Vorschüsse lässt sich aber daran<br />
ermessen, dass in allen Steuerpostulaten von<br />
1818 bis 1846 (mit Ausnahme der Jahre 1833 bis<br />
1835) grössere Beiträge für die Rückzahlung dieser<br />
Vorschüsse enthalten waren. 44<br />
Im Jahre 1850<br />
schuldete das Land dem Fürsten noch insgesamt<br />
38 860 Gulden, 45<br />
in den 1850er Jahren erhielt es<br />
weitere Vorschüsse von 19 511 Gulden. 46<br />
Die <strong>äu</strong>sserst angespannte Finanzlage stellte für das<br />
Land einen steten Zwang zum Sparen dar. Die<br />
Steuerpostulate, die in gewisser Weise eine Staatsrechnung<br />
bilden, enthalten nur wenige Ausgaben<br />
für Aufgaben der «inneren» Landesverwaltung. Die<br />
Gesandtschaftskosten, die Beamtenbesoldung, die<br />
Rückzahlung der fürstlichen Vorschüsse sowie die<br />
Kosten für das Appellationsgericht in Innsbruck als<br />
dritter Gerichtsinstanz für das Fürstentum machten<br />
von 1818 bis 1836 jährlich etwa 6000 Gulden<br />
aus, dazu kamen noch wenige Plündert Gulden für<br />
Kanzleikosten, Postspesen und ähnliches. Als 1836<br />
Liechtenstein ein Kontingent aufzustellen hatte,<br />
stiegen die jährlichen Staatsausgaben auf etwa<br />
10 000 bis 11000 Gulden an. Für Investitionen in<br />
die Infrastruktur war in der ersten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts kein Geld vorhanden, in diesem<br />
Bereich wurde der Staat erst in der zweiten Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts tätig. 47<br />
Als eine Verbesserung<br />
der Infrastruktur ist auch der Ausbau und der Unterhalt<br />
der Strassen anzusehen, doch wurden diese<br />
Arbeiten teils als Fronarbeiten von den Untertanen<br />
geleistet, teils waren dafür Wegarbeiter angestellt,<br />
die aus den fürstlichen Renten bzw. den Weggeldeinnahmen<br />
bezahlt wurden. Soweit der Staat Beiträge<br />
an das Schul- und Armenwesen entrichtete,<br />
stammten diese Gelder aus den entsprechenden<br />
Fonds.<br />
39) Schuppicr an HK am 5. Juli 1814. LLA KB Fasz. B 2.<br />
40) In einer Stouerversammlung von 1809 anerkannten die beiden<br />
Landschaften eine Schuld von 27 890 Gulden gegenüber der Herrschaft<br />
und erklärten, sowohl mit dem Vermögen eines jeden Untertanen<br />
als auch des ganzen Landes für die Rückzahlung zu haften. Protokoll<br />
der Steuerversammlung vom 24. 3. 1809, LLA RB Fasz. S 5.
41) Dieses Darlehen war unverzinslich und betrug ca. 25 000 Gulden,<br />
die in jährlichen Raten zwischen 1818 und 1831 zurückbezahlt<br />
wurden. Steuerpostulate von 1818 bis 1831. LLA div. Akten.<br />
42) Das Darlehen betrug 7691 Gulden, mit der Rückzahlung dieses<br />
Darlehens in jährlichen Raten wurde in den folgenden Jahren begonnen.<br />
Steuerpostulate 1836 und folgende Jahre. LLA div. Akten.<br />
43) Dieses Darlehen betrug 11 598 Gulden. Alois Ospelt, Anhang,<br />
S. 231.<br />
44) 1847 verzichtete der Fürst wegen des Rheineinbruchs vorl<strong>äu</strong>fig<br />
auf weitere Rückzahlungen.<br />
45) Menzinger an Fürst am 19. September 1854. LLA RC 72/19.<br />
46) Alois Ospelt, Anhang, S. 231.<br />
47) Steuerpostulate. LLA div. Akten.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
FINANZWESEN / PAUL VOGT<br />
91
Die Gesetzgebung<br />
Wenn man von der zeitlichen Reihenfolge auf den<br />
sachlichen Vorrang der Reformen schliessen will,<br />
so stellte eine Anpassung der Justizgesetze an den<br />
«Geist des Zeitalters» 1<br />
nach der Vermehrung der<br />
Staatseinnahmen die dringlichste Aufgabe dar. Die<br />
Notwendigkeit dieser Reform leiteten die Beamten<br />
der Hofkanzlei nicht aus der konkreten Situation<br />
im Fürstentum ab - der Landsbrauch war ihnen<br />
kaum dem Namen nach bekannt - sondern aus ihrem<br />
Bestreben, überall eine «Gleichförmigkeit» zu<br />
erzielen.<br />
Bei einer Darstellung der Reformen in der Gesetzgebung<br />
ist grundsätzlich von der Situation in Österreich<br />
auszugehen: Seit Joseph II. wurden in Österreich<br />
die Gesetze und Verordnungen in zwei<br />
grossen Sammlungen, der «politischen Gesetzessammlung»<br />
und der «Gesetzessammlung im Justizfache»<br />
publiziert. Die «politische Gesetzessammlung»<br />
umfasste das sich immer mehr entfaltende<br />
Verwaltungsrecht, die «judizielle Gesetzessammlung»<br />
das Zivil- und Strafrecht. Im Unterschied zu<br />
Preussen, wo das Allgemeine Landrecht eine umfassende<br />
Kodifikation des gesamten Zivil-, Strafund<br />
Staatsrechts anstrebte, gelangte man in Österreich<br />
nur zur Kodifikation des Zivil- und Strafrechtes.<br />
Der Versuch, das «politische» Recht zu kodifizieren,<br />
scheiterte «ausser an der Schwierigkeit, die<br />
sehr vielgestaltige und ständig Veränderungen unterliegende<br />
Materie des Verwaltungsrechts systematisch<br />
zu erfassen, an der Verschiedenheit der<br />
Landesverfassungen, an der komplizierten Struktur<br />
der Monarchie.» 2<br />
Die Einteilung in eine judizielle<br />
und eine politische Gesetzgebung und die damit<br />
verbundene Problematik findet sich auch in der<br />
liechtensteinischen Gesetzgebung in der ersten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder.<br />
DIE JUSTIZGESETZGEBUNG<br />
Im 18. Jahrhundert sollten die fürstlichen Beamten<br />
der gesunden Vernunft gemäss und nach dem althergebrachten<br />
lokalen Gewohnheitsrecht Recht<br />
sprechen. Das Reichsrecht bildete nach dem<br />
Grundsatz «Landrecht bricht Reichsrecht» lediglich<br />
92<br />
subsidiäres Recht. Im Familienrecht war weitgehend<br />
das kanonische Recht gültig. 3<br />
Im letzten Viertel<br />
des 18. Jahrhunderts schlugen zwar auch die<br />
Landvögte in Vaduz - wohl unter dem Einfluss der<br />
josephinischen Reformen in Österreich - eine vermehrte<br />
schriftliche Festlegung des geltenden<br />
Rechts vor, 4<br />
doch reagierte die fürstliche Hofkanzlei<br />
auf diese Vorschläge nicht.<br />
Bei seiner Lokalisierung im Sommer 1808 erkundigte<br />
sich Hofrat Hauer auch nach den im Fürstentum<br />
gültigen Gesetzesnormen. Nach seinen Feststellungen<br />
bestanden lediglich der Landsbrauch,<br />
dessen letzte Änderung über 200 Jahre alt sei, die<br />
Polizeiordnung von 1732 und die peinliche Ordnung<br />
von Karl V. in Kriminalsachen. 5<br />
Die Dienstinstruktion<br />
von 1808 hob den Landsbrauch und<br />
«derley hergebrachte Gewohnheiten» auf und beauftragte<br />
den Landvogt mit der Ausarbeitung einer<br />
«den Zeitumständen und Verhältnissen des Landes<br />
anpassende Jurisdiktionsnorma»: Schuppler sollte<br />
ein neues bürgerliches Gesetz, ein Straf- und Polizeigesetz,<br />
eine Gerichtsordnung, eine Grundbuchsordnung,<br />
eine Verlassenschafts- und Erbfolgeordnung<br />
und eine Dienstbotenordnung ausarbeiten.<br />
Die Hofkanzlei beauftragte damit den Landvogt, für<br />
all jene Bereiche gesetzliche Regelungen auszuformulieren,<br />
in denen in Österreich seit Joseph II. Gesetze<br />
und Kodifikationen bereits ausgearbeitet waren<br />
oder noch in Ausarbeitung standen. Dass die<br />
1) Dienstinstruktion von 1808, Artikel 1. LLA RB Gl.<br />
2) Brunner Otto, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />
S. 63.<br />
3) Über die Rechtsquellen heisst es in der Dienstinstruktion von<br />
1719: «Übrigens so hat Unser Landesfürstliches Oberamth in Strittigen<br />
Rechts Sachen allerfordorst auf die in Unserm Fürstentumb bisher<br />
observirte der gesunden Vernunft, und denen Rechten gomesse<br />
gutte Gewohnheitten undt Landsbr<strong>äu</strong>che, zu sehen, in abmangl deren<br />
aber nach dennen allgemeynen Reichs Rechten und Constitutionen,<br />
wie sie in Corpore Juris Civilis & Canonici, und denne Neuer<br />
Reichsabschid enthalten zu sprechen.» Dienstinstruktion von 1719,<br />
Caput I, § 12. LLA.<br />
4) Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein aus dem Jahre<br />
1784. LLA Kopie o. S.<br />
5) Bericht Hauers über das Fürstentum aus dem Jahre 1808. Beilage<br />
4. Punkt 11. In: JBL 19S3.
St^ceiiMifdnättrinröSirajitreiiMjrartinfätbcfTMMufbmatruns unb Uebergobe an feinen »mlänacbfolgrr<br />
oerantmorthcb, babtr au* bie Smbfdnger bem ßberamte bubnIationSfrif} firiffli* bem S6eramte anjeigen/baS bie »erorbnrte .Runbrnairma na* bieta ©efe(fe<br />
gebong gefieben fei.<br />
A - f* 'i* * •*• * '«fr*<br />
« ÜS' 3<br />
r'.' J 50<br />
"""' ^erorbnungen obet unter mos immer für einem Siamen unb ©,|talt .ut<br />
Sffentl.ien SSetonntmacbung angefangene, obet auSgefefch, oon bet Sbrigfeit unterfertigte Urtunben abtei.<br />
Jen, binroegnebmen, bur* Serreujrn, Befubeln ober auf fonjt eine 3fa mi&banbrln, ju befirafen feien, be.<br />
fltmmt ber §. 74, U. Sbl. be* ©ttafgrfeb>4e{.<br />
Jnf'pl) irribnr »on $ufrjjmttim,<br />
birigirenber .jjofratb.<br />
nVenimilinii flrmiu.i,<br />
ffiltebfAaftemtb.<br />
SSM«, am 31. TOäri 1844.<br />
Seine 35utcfileratrit baten über erjtatetei untert&a'nigjten Siottrag, Sejügli* ber Ztt unb SBeife Nr<br />
Äunbmacbung ber ©efefie unb Sßerorbnungen im rjürtrentbume narbftebenbeS, ben Berbdltmifen entfirecbenbe<br />
SJerfabren ju genehmigen gerubet, mel*eS rjiemit jur algemeinen Äennrnif gebracht wirb:<br />
5. I.<br />
2>a8 Bberamt bat bafüt ju forgrn, bai iebeS algemein »etbinbenbe ©efeb. unb jebe SSerorbnung an<br />
ein unb bemfelben Sage in jebet £>rtsgemeinbe anlange, unb fogteid) ben fotgenben Sag funbgemaAt roetbe,<br />
ju roeliem Gnbe bie erforbrrlirbe Xnjabl ber (Srrmblarien bem -Dberamte jufommen roirb.<br />
5- 1.<br />
Bon jebem berlei ©efeje bat baS Sberanit na* 3ulegung eines Spate in bie ©efefcfammrung jebem Umti-,<br />
genoifen ein unrntgelblitbeä (Stenrblar, unb ein fotcbeS jebem mirfieb angefteßten ©eefforger jur @ebrauä><br />
nabme unb tfufbemabrung jujuflelcn, unb wenn baS ©efeb, SSeftimmungen tntbdlt, ju beren Ueberroadjung<br />
eigene iDienfhndnner aufgefteHt finb. j. S8 Sefeje in 5>o[iji. ober gorflfatben, fo muS auch jebem bejüg.<br />
Ud)en Liener ein unentgeltiches (Sremblar ju feinem %mti^bzaua)i erfolgt werben.<br />
§. 3.<br />
©leiijeitig als bie 3u[tetlung beS ©efebcS an bie ßttsfeelforger gefebiebt, müjfen aueb jebem SrUgeriebte<br />
jwei unentgeltiche ßremöEarien jugefenbet werben, roobon eines nach bem §. 07 btS ©emeinbegefe&eS<br />
com 1. 3tugu(l842 jum Xmtägebraucbe unb jur3tufbcmabrung in ber ©imeinbelabe, baS jweit jur Sffentti.<br />
eben Xnfdjlagung an einem unter 2luficbt ftebenben BetfammUmgSorte ju etrrwnbnt ijt.<br />
$.4. >,<br />
©obalb ba3 CrHgeriajt in ben S8e|i& bt« tunb}uma4enbtn ©efetjeej gelangt, roelrbeo in nid)t eigen»<br />
bringlitben SdOtn an einem @am|lage gefebeben foH, hat eä ungefdumt ju oerfügen, baf folgenben Sag«<br />
nacb bem nacbmitdgigfn ©ofteebienfre, ju roeifbem fieb bie ©emeinbe obner/'s einfinbet, eine (Btmiirtbf<br />
»erfammlung angefagt unb abgehalten toetbe, toelojer fofort ba« ©efej goSinbalUtcb »otjulefen ift. Um glei.<br />
d)en!Eage, jebod) f*on Bormittagä, ilt baä ©eftj ju Sebtrmonnä ginfitbt öfftntlid) nad) §. 3. anjufdila.<br />
" gen, Ba8 aud) ju gleidjer 3'"' nn ber ®erid>Uta[el beä JObtramU gefajehen muf.<br />
5-5.<br />
Sa8 angefdjtagene ©efeft bat burtb eine ®auer Bon brei SBoajen angeheftet ju bltibtn, unb ift auf<br />
bemfelben rücfrodrtS mit wenigen aSorten ber Sag ber Xnfdjlagung, ff Wie ber Sag ber 3(bnabme an.<br />
.jtrmerfen.<br />
§ . «• i<br />
SBei ©rlajfung »on blog fcbriftlicben Btrorbnungen unb fonftgen Ijödjften Söeftimmungen, weldje ju aUgemeiner<br />
Äenntniß unb Sarnatbacbtung bem Oberamte bmauögegeben werben, bat baofelbe bafur ju forgen,<br />
bal jebem Drt«gerid;te uSb naa) ßrforbernij au* jebem SrWfeelforger eine legale 2fbf*rift julomme. SDaS<br />
ErtSgerit bat jidj fobann bur* ben BrtSIebtet bie Süerorbnung als tinflweiligeS J)u)j)jli[at fogtei* abfireiben<br />
ju lajfen, mit bem oberdmtTEcben tSremblar aber na* ben §§. 3,4 unb 5 ju berfafjren.<br />
5- -••<br />
3tuf fol*e 2Crt gebärig (unbgtma*te gef(61i*e SBeftimmungen trten Dom Sage ber elften Äunbmaiung<br />
in »oUr 28irlfam(eit, wenn nidjt baS ©efeb felbft aiiäbtüili* ben eintritt feiner SSirfamleit auf einen<br />
ipititn 3eitcunft »etorbnet. Ea übrigen« Unwijfenbeit ni*t entf*uibiget, fo bat,fi* 3'bermann bei ©emembeoerfammlungen,<br />
bie jur Äunbmoiting ton ©tfefen berufen Werben, einjufirben.<br />
$10113 «Straf,<br />
StfrttÖT,<br />
44 über die K<br />
^hung der Gesetze<br />
Verordnungen
Hofkanzlei dem Landvogt die Bearbeitung dieser<br />
Gesetze übertrug, damit diese «mit Anfang des<br />
kommenden Jahres» 6<br />
als Grundlage für die neue<br />
Landesverfassung dienen konnten, macht deutlich,<br />
dass sie sich über die mit diesem Auftrag verbundenen<br />
Probleme keineswegs bewusst war. Die Gesetzgebung<br />
war eine Aufgabe, die den fürstlichen<br />
Beamten in der liechtensteinischen Hofkanzlei<br />
weitgehend fremd war. Offenbar war ihnen nicht<br />
bewusst, dass sie mit ihrem Auftrag einen einzelnen<br />
Beamten, der zudem in der Ausarbeitung von<br />
Gesetzesentwürfen keinerlei Erfahrung besass,<br />
hoffnungslos überforderten.<br />
Landvogt Schuppler machte sich mit grösstem Eifer<br />
an seine Aufgabe. Bereits am 1. Januar 1809<br />
wurden eine Grundbuchsordnung, eine Konkursordnung<br />
und eine Erbfolgs- und Verlassenschaftsabhandlungsordnung<br />
erlassen. Schuppler arbeitete<br />
auch einen Entwurf für ein bürgerliches Gesetzbuch<br />
aus, der jedoch nie in Kraft gesetzt wurde. 7<br />
Bei der Ausarbeitung all dieser Gesetze hielt er sich<br />
eng an die österreichische Gesetzgebung.<br />
Nach diesen Gehversuchen zum Erlass einer selbständigen<br />
Gesetzgebung ging Fürst Johann I. bereits<br />
1812 zur systematischen Rezeption der österreichischen<br />
Gesetzgebung über. Mit der Verordnung<br />
vom 18. Februar 1812 wurde bestimmt, dass<br />
das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch<br />
von 1811, die österreichische allgemeine bürgerliche<br />
Gerichtsordnung von 1781 und das österreichische<br />
Strafgesetz von 1803 für Liechtenstein<br />
übernommen werden sollten. Mit Ausnahme der<br />
1809 neu erlassenen Gesetze wurden alle andern<br />
bürgerlichen und peinlichen Gesetze aufgehoben.<br />
Durch die Verordnung vom 16. Oktober 1816 wurde<br />
schliesslich bestimmt, dass alle Erl<strong>äu</strong>terungen<br />
und Nachtragsverordnungen zu den rezipierten<br />
österreichischen Gesetzen ebenfalls übernommen<br />
werden sollten. 8<br />
In der Maur sah in der Einführung des allgemeinen<br />
bürgerlichen Gesetzbuches den entscheidenden<br />
Schritt in die Zukunft, «denn damit war der Boden<br />
geebnet, um der allgemeinen Rechtsunsicherheit<br />
nach und nach ein Ende zu bereiten.» 9<br />
Die «auto<br />
94<br />
matische Rezeption» der österreichischen Gesetze,<br />
wie sie Landvogt Menzinger zu nennen pflegte,<br />
trug jedoch kaum zu vermehrter Rechtssicherheit<br />
bei. 1835 schrieb Landvogt Menzinger, dass in Vaduz<br />
keine vollständige Gesetzessammlung vorhanden<br />
sei. Besonders wichtig wäre es, dass das Oberamt<br />
«möglichst schnell in Kenntnis jener nachträglichen<br />
k.k. österr. Verordnungen käme, welche auf<br />
das bürgerl. G.B., allg. G.O. etc. Bezug nehmen,<br />
weil bei Entscheidungen die Rechte, und Strafen<br />
der hochfürstl. Unterthanen davon abhängen, und<br />
bey einer möglichen Revision dem Oberamte Unkenntniss<br />
der neuen Gesetzgebung mit Grund gerügt<br />
werden könnte.» 10<br />
Nach den Angaben Menzingers<br />
verfügte das Oberamt in Vaduz über keine<br />
vollständige österreichische Gesetzessammlung,<br />
die Nachtragsverordnungen waren nur vereinzelt<br />
nach Vaduz gelangt. Auf seine Bitte erhielt er<br />
schliesslich eine Gesetzsammlung im Justizfache<br />
und die Erlaubnis die «k. k. privilegirte Wiener Zeitung»<br />
zu abonnieren, die als Amtsblatt die österreichischen<br />
Gesetze und Verordnungen sowie die Beschlüsse<br />
des Bundestages publizierte. 11<br />
Ein offenkundiger Missstand bestand darin, dass<br />
die österreichischen Nachtragsverordnungen in<br />
Liechtenstein nicht publiziert wurden. Durch die<br />
Verordnung vom 20. Januar 1843 wurde daher die<br />
automatische Rezeption der österreichischen Justizgesetze<br />
eingestellt. Der Landvogt sollte in Zukunft<br />
diese Gesetze sammeln, sie vierteljährlich der<br />
Hofkanzlei zusenden und dabei beantragen, welche<br />
Gesetze und Verordnungen für Liechtenstein<br />
übernommen werden sollten. Diese vom Landvogt<br />
als nötig erachteten Gesetze sollten dann die<br />
«höchste landesfürstliche Sanction» erhalten und<br />
im Fürstentum publiziert werden.<br />
Mit dieser Verordnung wurde zwar die Rezeption<br />
der österreichischen Gesetzgebung formal sauber<br />
gelöst, in der Praxis verminderten sich jedoch die<br />
Probleme kaum. In den 1840er Jahren sandte Menzinger<br />
zwar die verlangten Zusammenstellungen<br />
mit den entsprechenden Anträgen sporadisch ein,<br />
nach 1848 geriet jedoch die Rezeption des österreichischen<br />
Rechts in argen Rückstand. Die Novelle<br />
zum österreichischen Strafgesetz von 1852 wurde
z.B. erst auf den 1. Januar 1860 in Liechtenstein in<br />
Kraft gesetzt. 12<br />
Die neuen Gesetze waren in verschiedener Hinsicht<br />
Ausdruck der Auflösung der ständischen Rechtsvorstellungen:<br />
Die Beseitigung der althergebrachten<br />
lokalen Rechte stellte eine Parallele zu den Bemühungen<br />
in Österreich dar, die Rechtsunterschiede<br />
zwischen den Ländern zu beseitigen und<br />
eine Rechtsvereinheitlichung und Rechtsgleichheit<br />
zu erreichen. Die neuen Rechtsvorstellungen zielten<br />
auf eine grundsätzliche Veränderung der Eigentumsverhältnisse<br />
und damit der gesamten Sozialordnung<br />
ab. Die Dienstinstruktion von 1808<br />
schrieb vor, dass alle Gemeinheiten ins Privateigentum<br />
aufgeteilt und grundbücherlich den H<strong>äu</strong>sern<br />
zugeschrieben werden mussten. 13<br />
Die Konkursordnung,<br />
die Erbfolgeordnung und die Grundbuchsordnung<br />
von 1809 strebten im Kern alle eine Sicherung<br />
des Privateigentums an. In der Einleitung der<br />
Erbfolgeordnung heisst es beispielsweise, der<br />
Landsbrauch habe «jenen Erwartungen nicht mehr<br />
zu entsprechen vermöge(n), die Wir Uns von einem<br />
das Privateigentum des Untertans rechtlich schützenden<br />
Fundamentalgesetze versprachen.» Die<br />
Vorstellung der Hofkanzlei, die Bindungen der alten<br />
Sozialordnung zu lösen, kam auch sehr deutlich<br />
in der Verordnung über die Aufhebung der<br />
Leibeigenschaft vom 19. November 1808 14<br />
und in<br />
der Verordnung betreffend die Einführung der allgemeinen<br />
Freizügigkeit und die Abschaffung der<br />
Gemeindeeinkaufstaxen vom 22. Juni 1810 15<br />
zum<br />
Ausdruck. Die in den österreichischen Gesetzeskodifikationen<br />
festgelegten Rechtsnormen brachten<br />
in zahlreichen Bestimmungen die Auflösung ständischer<br />
Normen und der alten Lebensgemeinschaften<br />
zum Ausdruck. 16<br />
Für das Fürstentum Liechtenstein<br />
war dabei von besonderer Bedeutung, dass<br />
nach dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch<br />
die Ehe lediglich einen bürgerlichen Vertrag darstellte,<br />
der auch wieder aufgelöst werden konnte.<br />
Die Versuche des Oberamtes, die neuen Rechtsvorstellungen<br />
in die Praxis umzusetzen, stellten eine<br />
der Hauptursachen für den Konflikt zwischen der<br />
Obrigkeit und den Untertanen dar. Die Einführung<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
GESETZGEBUNG / PAUL VOGT<br />
der Grundbücher führte 1809 zu Unruhen, 17<br />
die Beseitigung<br />
der Grundbücher wurde auch 1831 noch<br />
verlangt. 18<br />
Die Aufteilung der Gemeinheiten wurde<br />
vom Oberamt immer wieder befohlen, doch wurden<br />
die oberamtlichen Befehle nur teilweise und<br />
nur nach grossen Widerständen befolgt. Die Freizügigkeit<br />
wurde von den Untertanen so heftig bekämpft,<br />
dass das Oberamt in diesem Bereich nicht<br />
einmal Teilerfolge erzielen konnte. Mit dem josephinischen<br />
Eherecht schliesslich geriet das Oberamt<br />
in eine heftige Konfrontation mit der Kirche,<br />
was Fürst Alois II. schliesslich dazu bewog, nicht<br />
mehr auf den betreffenden Bestimmungen des allgemeinen<br />
bürgerlichen Gesetzbuches zu beharren.<br />
DIE «POLITISCHE» GESETZGEBUNG<br />
Wie bereits erwähnt, konnte das Staats- und Verwaltungsrecht<br />
in Österreich nicht in einer einheitlichen<br />
Kodifikation erfasst werden, da die einzelnen<br />
Länder ihre Selbständigkeit zu behaupten<br />
suchten. Für das Fürstentum sollten zwar auch in<br />
der «politischen Gesetzgebung» die österreichischen<br />
Grundsätze übernommen werden, doch Hessen<br />
sich hier die österreichischen Gesetze nicht<br />
einfach kopieren.<br />
6) Dienstinstruktion von 1808, Art. 1. LLA RB Gl.<br />
7) Entwurf im LLA RB Fasz. G 1.<br />
8) In der Maur, Rezeption, S. 760.<br />
9) ebda. S. 759.<br />
10) Menzinger an Fürst am 6. November 1835. LLA RC 49/39.<br />
11) HK an OA am 25. November 1835. LIA RC 49/39.<br />
12) Geiger, S. 220.<br />
13) Dienstinstruktion von 1808, Art. 3 und 4.<br />
14) Gedruckt bei Alois Ospelt, Anhang S. 71.<br />
15) ebda. S. 54.<br />
16) Otto Brunner, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />
S. 67 ff.<br />
17) Malin, S. 129 ff.<br />
18) David Rheinberger, Notizen aus der Zeit unserer Voreltern.<br />
FamARh.<br />
95
Zunächst gilt es festzuhalten, dass die regierenden<br />
Fürsten im Sinne des aufgeklärten Absolutismus all<br />
das anordneten, was ihnen im Interesse des Allgemeinwohls<br />
als richtig erschien (bzw. von den Beamten<br />
als richtig empfohlen wurde). Die obrigkeitlichen<br />
Vorschriften wurden in der Regel mit der<br />
«landesväterlichen Fürsorge für das Wohl der Unterthanen»<br />
und mit der Förderung des «allgemeinen<br />
Wohlstandes» begründet. Der Begriff «Gesetz»<br />
wurde in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts<br />
noch sehr selten verwendet, h<strong>äu</strong>figer waren<br />
Begriffe wie «Patent», «Verordnung», «Reskript»,<br />
«Ordnung», «Instruktion» und ähnliche. Als «Normale»<br />
und «Circulare» wurden jene Vorschriften<br />
bezeichnet, die nicht speziell für das Fürstentum,<br />
sondern für alle liechtensteinischen Herrschaften<br />
erlassen wurden. «Circularien» wurden auch jene<br />
Umlaufschreiben genannt, die das Oberamt den<br />
Gemeinden zustellen liess.<br />
Gesetze, Patente und Ordnungen wurden in der Regel<br />
vom Oberamt in Vaduz ausgearbeitet. Die Mitwirkung<br />
der Hofkanzlei beschränkt sich in der Regel<br />
auf die Überprüfung und Antragstellung beim<br />
Fürsten. Auch Änderungswünsche wurden meist<br />
vom Landvogt formuliert. Die Gesetze wurden mit<br />
der Sanktion durch den Monarchen in Kraft gesetzt.<br />
Gewöhnlich entwarf der Landvogt die Gesetze,<br />
ohne sich vorher mit seinen Mitbeamten zu<br />
beraten, in Einzelfällen beauftragte er jedoch auch<br />
einen andern Beamten mit der Ausarbeitung eines<br />
Gesetzes. So stammte der Entwurf von 1829 zu einer<br />
Hebammenordnung vom Landschaftsarzt, 19<br />
die<br />
Waldordnung von 1842 vom Waldbeamten und die<br />
Verordnung über die Veredelung der Viehzucht von<br />
1845 vom Landestierarzt. 20<br />
Bei der Ausarbeitung<br />
der politischen Gesetze hielt sich Landvogt J. M.<br />
Menzinger an die in Tirol und Vorarlberg gültigen<br />
Gesetze.<br />
Die Begriffe «Reskript» und «Verordnung» sagten<br />
nichts über die Rechtsqualität aus, sie zeigten lediglich<br />
an, dass die betreffende Verfügung von der<br />
Hofkanzlei oder dem Fürsten stammte. Verordnungen<br />
konnten sowohl Rechtsnormen aufstellen (in<br />
solchen Fällen wurden sie meistens vom Monar<br />
96<br />
chen unterschrieben), sie konnten aber auch blosse<br />
Anweisungen an das Oberamt enthalten.<br />
In «Instruktionen» wurden die Erwartungen formuliert,<br />
die an die fürstlichen Beamten und Diener<br />
gestellt wurden. Die Instruktionen wurden jeweils<br />
von der übergeordneten Instanz erlassen und enthielten<br />
möglichst genaue Richtlinien für die Tätigkeit<br />
der Untergebenen. Die Hauptinstruktion von<br />
1838 enthielt die allgemeinen Grundsätze für die<br />
Verwaltung des gesamten fürstlichen Besitzes und<br />
legte die Organisation und die Kompetenzen aller<br />
fürstlichen Behörden fest. Die gleiche Funktion<br />
kam der Dienstinstruktion von 1808 für das Oberamt<br />
in Vaduz zu. Die «Gerichts-Instruction» von<br />
1810 wurde vom Oberamt erlassen und enthielt die<br />
Bestimmungen für die Gemeindeverwaltung. 21<br />
Andere<br />
Instruktionen regelten die Tätigkeit einzelner<br />
Ämter, so gab es etwa Instruktionen für die Rechnungsführung,<br />
für den Strassenunterhalt, für die<br />
Domänenverwaltung usw.<br />
Die Publikation der Gesetze, Verordnungen und<br />
oberamtlichen Befehle erfolgte durch sogenannte<br />
Circulare oder Umlaufschreiben. Das Oberamt liess<br />
die Umlaufschreiben durch die Polizeisoldaten<br />
oder Gemeindeboten gewöhnlich am Samstag den<br />
Gemeindevorstehern zustellen. Diese hatten die<br />
Umlaufschreiben, soweit sie nicht gedruckt waren,<br />
abzuschreiben (oder durch den Gemeindelehrer<br />
abschreiben zu lassen) und am Sonntag nach der<br />
Messe vor der Kirche der Gemeindeversammlung<br />
vorzulesen. Die Umlaufschreiben selbst - in der Regel<br />
wurde eines in der obern und eines in der untern<br />
Landschaft in Umlauf gesetzt - mussten von<br />
Gemeinde zu Gemeinde weitergetragen werden,<br />
wobei jeder Gemeindevorsteher den Erhalt dieser<br />
Schreiben durch seine Unterschrift bestätigen<br />
musste. Damit das Oberamt sich davon überzeugen<br />
konnte, dass alle Gemeindevorsteher diese Schreiben<br />
erhalten hatten, mussten diese am Schluss<br />
dem Oberamt zurückgegeben werden.<br />
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden nur die<br />
wichtigsten Verordnungen und Gesetze gedruckt,<br />
seit Beginn der 1840er Jahre hingegen wurde der<br />
Druck der öffentlich bekanntzumachenden Verordnungen<br />
und Gesetze zur Regel. Die Verordnung be-
treffend die Kundmachung der Gesetze und Verordnungen<br />
vom 31. März 1844 bestimmte, dass<br />
von jedem Gesetz der Gemeindepfarrer ein und der<br />
Ortsvorsteher zwei Exemplare erhalten mussten.<br />
Der Ortsvorsteher hatte ein Exemplar während<br />
drei Wochen öffentlich anzuschlagen, h<strong>äu</strong>fig geschah<br />
dies an der Kirchentür. Das zweite Exemplar<br />
war in der Gemeindelade aufzubewahren.<br />
Offenbar kamen die Gemeindevorsteher der Pflicht<br />
zur Bekanntmachung der amtlichen Anordnungen<br />
oft nur ungenügend nach. 1858 ermahnte das Regierungsamt<br />
die Gemeindevorsteher, sie müssten<br />
alle Umlaufschreiben, ob sie ihnen nun wichtig erschienen<br />
oder nicht «vollinhaltlich, deutlich und<br />
bald thunlichst» 22<br />
bekanntmachen.<br />
Ein entscheidendes Kriterium für den Übergang<br />
vom absolutistischen Obrigkeitsstaat zum bürgerlichen<br />
Rechtsstaat ist darin zu sehen, inwieweit das<br />
freie Ermessen der staatlichen Gewalt an Rechtsnormen<br />
gebunden wurde. Im Bereich der «politischen»<br />
Gesetze verfügte das Oberamt über einen<br />
grossen Ermessensraum, da für weite Bereiche des<br />
Verwaltungsrechts keine gesetzlichen Bestimmungen<br />
erlassen wurden. In vielen Fällen gab es nur<br />
Einzelerlasse, die rasch in Vergessenheit gerieten.<br />
Im Polizeiwesen galt bis 1843 die alte Polizeiordnung<br />
von 1732, die längst nicht mehr den tatsächlichen<br />
Verhältnissen entsprach. Im Finanzwesen<br />
galten die bereits erl<strong>äu</strong>terten Verordnungen, wobei<br />
sich das Oberamt bei der Steuerverordnung von<br />
1807 keineswegs an den Wortlaut der Bestimmungen<br />
hielt. Im Schulwesen wurden 1822 und 1827<br />
Schulgesetze erlassen, die jedoch schon bald als<br />
unbefriedigend empfunden wurden. Die öffentliche<br />
Fürsorge wurde 1845 durch eine Verordnung über<br />
das Armenwesen gesetzlich geregelt. Gesetzliche<br />
Bestimmungen über das Militär und das Gewerbe<br />
fehlten. Im kirchlichen Bereich galt nach wie vor<br />
das kanonische Recht. 23<br />
Offenbar sahen sowohl die Hofkanzlei als auch das<br />
Oberamt zusätzliche Bestimmungen für die Verwaltung<br />
zwar als im Prinzip erstrebenswert an, dringlich<br />
erschienen sie aber keineswegs. Wurden die<br />
Gesetze in den Jahren 1808 bis 1812 in einer gera<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
GESETZGEBUNG / PAUL VOGT<br />
dezu rasenden Eile erlassen, so wurden sie später<br />
jahrelang verschleppt. Der erste Entwurf zu einer<br />
Hebammenordnung stammte aus dem Jahre 1827,<br />
die ersten Arbeiten zu einer Rekrutierungsordnung<br />
erfolgten im Jahre 1831, doch wurden die entsprechenden<br />
Gesetze erst nach der Verfassung von<br />
1862 erlassen. 1858 sandte Landesverweser Menzinger<br />
eine Liste mit neun wichtigen Gesetzen an<br />
den Fürsten ein, die alle seit Jahren unerledigt bei<br />
der Hofkanzlei lagen. 24<br />
Andere Gesetzentwürfe,<br />
wie z.B. das Gemeindegesetz von 1842 oder das<br />
Gesetz über die Aufhebung des Trattrechtes von<br />
1843, lagen jahrelang beim Oberamt, ohne bearbeitet<br />
zu werden.<br />
Ein sonderbares Licht auf das Rechtsverständnis<br />
der Hofkanzlei wirft schliesslich auch der Umstand,<br />
dass sie selbst offenbar nicht wusste, welche Gesetze<br />
in Liechtenstein gültig waren. In den Jahren<br />
1841 25<br />
und 1846 26<br />
verlangte sie von Landvogt Menzinger<br />
zweimal eine Zusammenstellung der gültigen<br />
Gesetze. In Vaduz begann erst Landvogt Michael<br />
Menzinger mit einer systematischen Sammlung<br />
der für das Fürstentum erlassenen Vorschriften.<br />
27<br />
Menzinger beklagte sich auch zu Beginn seiner<br />
Amtszeit, dass er immer wieder vor Aufgaben<br />
gestellt werde, für die keine gesetzlichen Bestim-<br />
19) LLA RC 15/14.<br />
20) LLA RC 55/39.<br />
21) Gerichts-Instruction vom 1. 1. 1810. LLA Sammlung Matt.<br />
22) Umlaufschreiben des RA vom 14. 7. 1858. LLA RC 106/33.<br />
23) Eine Zusammenstellung der im Fürstentum Liechtenstein gültigen<br />
Gesetze wurde von Landvogt Menzinger am 24. November 1846<br />
im Auftrag des Fürsten vorgenommen. LLA NS.<br />
24) Die Gesetzentwürfe betrafen: Hebammenordnung (letzter Bericht<br />
aus dem Jahre 1843), Bauordnung (1841), Rekrutierungsordnung<br />
(1844), Patronatsregulierung (1844), Rheinwuhrordnung<br />
(1854), Grenz- und Passpolizeiwesen (1857), Schulgesetz (1858). -<br />
Menzinger an Fürst am 25. Mai 1858. LLA RC 49/39.<br />
25) Menzinger an Fürst am 10. 4. 1841. LLA NS 1841.<br />
26) Menzinger an Fürst am 24. November 1846. LLA NS.<br />
27) Die Normaliensammlung im LLA geht offenbar auf das Bemühen<br />
Menzingers zurück, für das Fürstentum eine vollständige Gesetzessammlung<br />
anzulegen. Menzinger an Fürst am 6. November 1835.<br />
LLA RC 49/39. Menzinger an Fürst am 10. 4. 1841. LLA NS.<br />
97
mungen erlassen seien. Es sei ihm unklar, ob er<br />
sich in solchen Fällen an die österreichischen Gesetze<br />
halten solle oder ob er bei der Hofkanzlei spezielle<br />
Instruktionen einholen müsse. «Derley Fälle<br />
ergeben sich nicht wenige im Fache der Polizey,<br />
des Grundbuchwesens, der Sanität, und Cultur des<br />
Landes, Gewerbswesens, endlich in sovielen poli<br />
tischen Gegenständen.» 28<br />
Offenbar gewöhnte sich<br />
aber auch Menzinger rasch an die in Vaduz<br />
üblichen Amtspraktiken.<br />
28) Menzinger an Fürst am 6. November 1835. LLA RC 49/39.<br />
fomramer prji unb ^egterer bes> #(<br />
<strong>t»on</strong> <strong>itttfe</strong> p <strong>£itd</strong>)<strong>tenfttin</strong> \)<strong>on$litoffl</strong><br />
<strong>#ersog</strong> <strong>äu</strong> <strong>£rop</strong>|jau unb Sdgernborf in Rieften<br />
m 9ttetfcerg, bitter beö golbencn äSIte^eö, ©r<br />
ocö fön. #annot>erifäjen ©uelpDen^rbenö, it. i<br />
Um eine ungeftötte gottbauer bet 6ffentlict)eit SRube unb Srbnung in Unferem |<br />
juetfwlten, unb alle SSetlefcungen, welche bie btitgetlicbe gteibeit, bie ^et'<br />
obet baS Eigentum bed einjelnen ©taatSbiitgcrc) bebtoben tonnten, mit bem nf<br />
fotge htntan<strong>äu</strong>Oalten, haben SBir nacbftebenbc 9>otijeiorbnung jur genaueren<br />
©atnaebaehtung ju etlaffen befcbloffen, bie Born 1. Sännet 1844 in ©efe4eätta|<br />
I. .g>anb&abung unb ©rjaltung ber öffentlichen ©i,<br />
§. l.<br />
®a geheime ©efeUfcbaften ber öffentlichen Stbnung unb Siube befoil<br />
finb, fo roitb bie Silbung obet (ürtiebtung betfelbcn, bann jebe Jtnfcbltejiung 1<br />
netanbetleiSBetfammlungen, auf ©tunblagebct (;ietübet beftehenben fttafgej<br />
mungen, fftcngflenS betbotben.<br />
$. 2-<br />
SUc öffentlichen JCufjüge, ©cbaufpiele, SolfSbetfammlungen, Je<br />
mit nach. cingeholtet SJeroitligung bei Öbctamteo" ftattpnbcn.<br />
§.3.<br />
3ut Abhaltung bet JEanjmufifen unb bet öffentlichen SBdtle ijl biel<br />
gung beS Sbetamtecj, (BelcbcS nueb beten Sauet ju beftimmen bat, etfotj<br />
jebe fotd>e SSeroilligung bet äietrag bon 1 fl. ju entrichten. 3tttcb ju^antJbj<br />
untetbaltungen im gamilienttetfe unb |>od)äciten ifi bie SBcnjiKigung bcSj<br />
lieb, welches eine SEate bon 1 fl. ju befhmmcn bat<br />
§. 4.<br />
%n heiligen ®tei=.86mg^<br />
b) in bet ganjen gaftengeit bis ben 1. (Sonntag nach Sjiettt;<br />
c) an Öuatember* unb fonftigengiefttagen;<br />
d) an allen gteitagen unb ©amjlagen beel ganjen SabteS.<br />
3ftlc Eanjuntethaltungen unb fonffigen Seluftigungen am I<br />
am S5otabenbe einea gefttagcS haben um 12 übt SiacbtS aufgubötenj<br />
§.5.<br />
Sie ©ftafe auf jebe Uebctttctung ober Untetlaffung bet im !<br />
fchtiften ift füt ben Unternehmer bet öffentlichen SEanjuntetbatfurtg 1<br />
mal 5 fl., baS gweitemal baS Stoppelte bet guetft bemeffenen ©ttafei
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
GESETZGEBUNG / PAUL VOGT<br />
Polizeiordnung vom 14.<br />
September 1843 (links)<br />
Schubpass vom 3. März<br />
1848 des Landgerichts<br />
Sonnenberg betr. die<br />
Brüder Andreas (15 Jahre)<br />
und Anton Bauer (13<br />
Jahre) aus Mauren. Die<br />
beiden wurden beim<br />
Betteln aufgegriffen und<br />
über Feldkirch nach<br />
Mauren zurückgeschickt<br />
(rechts).<br />
99
Der Aufbau einer Landespolizei<br />
Der Polizeibegriff hat sich im Lauf der ersten Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts wie im übrigen Europa<br />
grundlegend verändert. Im 18. Jahrhundert bezeichnete<br />
«Polizey» mit Ausnahme der Rechtsprechung<br />
die gesamte innere Verwaltung eines Staates.<br />
In diesem Sinne enthielt die «Policey- und<br />
Landts-Ordnung» vom 2. September 1732 Bestimmungen<br />
über die Einhaltung der Gottesdienste,<br />
über verschiedene Gewerbe, über die Güterzerstückelung<br />
usw. Etwas von diesem alten Polizeibegriff<br />
hat sich noch in der Polizeiordnung vom<br />
14. September 1843 erhalten, die in insgesamt<br />
100 Paragraphen umfassende Vorschriften über<br />
die Sicherheits-, Sitten-, Seuchen-,<br />
Gewerbe- und Baupolizei enthielt.<br />
Gesundheits-,<br />
Im 18. Jahrhundert verfügte das Oberamt über<br />
kein eigentliches Polizeiorgan. Neben den beiden<br />
Landweibeln, die Pfändungen vorzunehmen,<br />
Schuldforderungen einzutreiben und den Gemeinden<br />
oberamtliche Verordnungen zuzustellen hatten,<br />
standen dem Oberamt einige Kontingentssoldaten<br />
zur Verfügung. 1<br />
Diese Soldaten reichten<br />
nicht aus, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.<br />
Das Oberamt sprach von ihnen mit Verachtung:<br />
Sie seien «um kein Haar besser als andere<br />
Bauern, und ist schon alles gesagt, was man sagen<br />
kann, wenn es heisst, er ist ein Reichs-Contingents-<br />
Soldat.» 2<br />
Die Grenzen waren unbewacht, der<br />
Grenzübertritt wurde niemandem verwehrt. Klagen<br />
über umherziehendes «Gesindel» waren daher<br />
h<strong>äu</strong>fig. «Zum grössten Hohn und Spott» des Landes<br />
soll es sogar ein Sprichwort gegeben haben:<br />
«Wer will stehlen und nicht hangen, lass sich in der<br />
Herrschaft Vadutz fangen.» 3<br />
Die Verwaltungsreorganisation von 1808 beinhaltete<br />
auch eine Reform des Polizeiwesens. Die Institution<br />
der Landweibel wurde im Zusammenhang<br />
mit der Beseitigung der Gerichte aufgehoben. Die<br />
Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung der<br />
öffentlichen Sicherheit wurde den Gemeinden<br />
übertragen - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen.<br />
Jede Gemeinde wurde verpflichtet, einen Polizeisoldaten<br />
aufzustellen und mit 36 fl zu besolden. 4<br />
Eine Anstellung als Polizeisoldat stellte nur eine<br />
Nebenbeschäftigung für einen Bauern dar. Den Po<br />
100<br />
lizeisoldaten wurde die «polizeiliche Nachsicht<br />
über das im Lande herumziehende Gesindel» 5<br />
übertragen. Aus den wiederholten Klagen des<br />
Oberamtes geht hervor, dass diese Soldaten ihren<br />
Pflichten nur mangelhaft nachkamen. Es soll sogar<br />
vorgekommen sein, dass die Polizeisoldaten «die<br />
fremden Vagabunden und Gauner» im voraus<br />
warnten, wenn das Oberamt eine Landstreife anordnete.<br />
6<br />
Die Polizeisoldaten stellten auch das Organ für die<br />
Gemeindevorsteher dar. Die Vorsteher hatten in geringem<br />
Umfange gerichtliche Kompetenzen; sie<br />
konnten Pfändungen vornehmen und öffentliche<br />
Versteigerungen durchführen. Bei diesen Amtshandlungen<br />
mussten ihnen die Polizeisoldaten beistehen.<br />
7<br />
Um die Macht des Oberamtes zu stärken, hatte Georg<br />
Hauer in seinem Bericht von 1808 vorgeschlagen,<br />
vier fürstliche Grenadiere von Feldsberg nach<br />
Vaduz zu schicken, doch wurde dieser Vorschlag<br />
nicht verwirklicht. Dem Oberamt standen zur<br />
Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben lediglich<br />
ein Kanzleidiener und fünf Invalidensoldaten zur<br />
Verfügung. Der Kanzleidiener erfüllte neben seinen<br />
allgemeinen Hilfsdiensten in der Kanzlei die Aufgabe<br />
eines Gefangenenwärters. 8<br />
Er hatte auch<br />
Schüblinge, die von einem benachbarten Land<br />
übernommen werden mussten, in das nächste weiterzubefördern.<br />
9<br />
Die Invalidensoldaten waren ausgediente<br />
Soldaten, die einerseits in ihren Gemeinden<br />
den Polizeidienst besorgten und andererseits<br />
dem Oberamt zur Erledigung von Aufträgen zur<br />
Verfügung standen. Sie hatten insbesondere wöchentlich<br />
beim Oberamt die neuen Verordnungen<br />
abzuholen und diese den Gemeindevorstehungen<br />
mitzuteilen. 10<br />
Die Invalidensoldaten erhielten zusätzlich<br />
zur Entschädigung von den Gemeinden ein<br />
Gehalt aus der Landeskasse, dazu alle drei Jahre<br />
eine «Montur». 11<br />
Nachdem 1827 Landvogt Schuppler durch Landvogt<br />
Pokorny abgelöst worden war, erschien diesem<br />
eine Reorganisation des Polizeiwesens als eine<br />
der dringendsten Aufgaben. Wenige Monate nach<br />
seinem Amtsantritt schrieb er, «dass die hierorts<br />
bestehenden Polizei-Anstalten in Hinsicht der inne-
en Sicherheit, Ruhe und Ordnung einer wesentlichen<br />
Verbesserung» bedürften. Der Polizeidienst<br />
werde von den Gemeinden gewöhnlich «armen<br />
Leuthen und Invaliden verliehen, bei welchen<br />
nichts weniger als auf die phisischen und moralischen<br />
Eigenschaften gesehen wurde und welche<br />
die jährlichen 36 fl bis 40 fl, die sie von denen Gemeinden<br />
empfangen, mehr für eine Unterstützung<br />
als für einen Lohn halten.» 12<br />
Die wiederholten Aufforderungen<br />
an die Ortsgerichte, den herumziehenden<br />
Vagabunden vermehrt Beachtung zu<br />
schenken, hätten keine entscheidende Verbesserung<br />
gebracht. Pokorny schlug deshalb vor, «dass<br />
zwey ordentliche und verlässliche Polizeimänner<br />
aufgenommen, gehörig besoldet, für ihren Dienst<br />
redlich strenge verpflichtet und unter die unmittelbare<br />
Leitung des gehors(amst) gefertigten) Amtes<br />
gestellt werden» 13<br />
sollten. Diese Polizeimänner sollten,<br />
um auf den gemeinen Mann Eindruck zu machen,<br />
Uniformen in den Landesfarben, Tschako,<br />
Seitengewehr, Patronentasche und Muskete erhalten.<br />
Wie stark auch bei dieser vorgeschlagenen Reform<br />
der Zwang zur Sparsamkeit bestand, geht<br />
daraus hervor, dass Pokorny nur unverheiratete<br />
Männer in den Polizeidienst nehmen wollte, für die<br />
ein Taglohn von 30 Kreuzern (182 Gulden 30 Kreuzer<br />
im Jahr) zum Lebensunterhalt ausreichte. Weiter<br />
wollte er zwei fürstliche Diener, den Kanzleidiener<br />
und den Rentamtsexequenten (der die fürstlichen<br />
Renten eintrieb) entlassen und diese Aufgaben<br />
den beiden Polizisten übertragen. Die 150 Gulden,<br />
die die beiden Diener aus den fürstlichen Renten<br />
erhielten, sollten dafür als ein Anteil des Landesfürsten<br />
an die Besoldung eines Polizeimannes<br />
weiterhin ausbezahlt werden. Die restlichen Besoldungskosten<br />
waren aus der Landeskasse zu<br />
decken. Die Dorfpolizei sollte nicht ganz aufgehoben,<br />
aber doch wesentlich eingeschränkt werden:<br />
Die besoldeten Polizeisoldaten sollten durch unbesoldete<br />
Polizeigeschworene ersetzt werden. Damit<br />
die neu bestellten Polizeimänner nicht unnötig<br />
durch Botengänge belastet würden, sollte in Balzers<br />
und Ruggell, der südlichsten und der nördlichsten<br />
Gemeinde, je ein Gemeindsbote bestimmt werden,<br />
der wöchentlich die oberamtlichen Aufträge in<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
LANDESPOLIZEI / PAUL VOGT<br />
Vaduz abholte und diese allen Gemeinden mitteilte.<br />
14<br />
Nachdem die Hofkanzlei die Ansichten<br />
Schupplers eingeholt hatte, der einige Änderungsvorschläge<br />
machte, die Pokorny aber nicht gelten<br />
lassen wollte, stimmte sie Pokornys Vorschlägen in<br />
allen Punkten zu. 15<br />
Die beiden Polizeimänner in Vaduz und die beiden<br />
Gemeindsboten in Balzers und Ruggell wurden bereits<br />
auf den 1. Februar 1828 eingestellt. 1830 kam<br />
ein dritter Polizeimann dazu. Dieser dritte Polizeimann<br />
hatte den Polizeidienst in der untern Herrschaft<br />
zu besorgen. Er wohnte in Nendeln oder<br />
Eschen und erhielt ein Jahresgehalt von 100 Gulden<br />
vom Land."'<br />
Die Vermehrung der Besoldungskosten durch das<br />
Aufstellen von Polizisten stiess auf den Unmut der<br />
Untertanen. So baten sie während der Unruhen<br />
von 1831 in einer Petition auch um die Entlassung<br />
D In der Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein von 1784<br />
heisst es, dass Liechtenstein ständig 7 Soldaten halten sollte, tatsächlich<br />
aber nur 3 Soldaten unterhielt. In der obern Landschaft gab<br />
es zwei Soldaten, in der untern einen. Ein Soldat erhielt jährlich 76<br />
Gulden und alle 5 oder 6 Jahre eine Montur, was aus den Steuergeldern<br />
bezahlt wurde. LLA Kopie o. S.<br />
2) ebda.<br />
3) ebda.<br />
4) Schuppler an HK am 6. Mai 1816. LLA RB Fasz. R 1.<br />
5) Circular des Oberamtes an die Gemeinden vom 7. Juni 1817. LLA<br />
RB Fasz. P 1.<br />
6) Bericht Pokornys an Fürst am 20. September 1827. LLA RC 3/18.<br />
7) Gerichtsinstruktion vom 1. 1. 1810, LLA Sammlung Matt.<br />
8) Schuppler an HK am 6. Mai 1816. LLA RB Fasz. R 1.<br />
9) Pokorny an Fürst am 20. September 1827. LLA RC 3/18.<br />
10) Landtagsprotokoll 1828. LLA RC 7/22.<br />
11) Das Gehalt betrug jährlich zwischen 39 und 69 Gulden, das<br />
Monturgeld 33 Gulden. LIA Rentamtliche Rechnungsbücher.<br />
12) Bericht Pokornys an HK am 20. September 1827. LLA RC 3/18.<br />
13) ebda.<br />
14) Pokorny an HK am 24. November 1827. LLA RC 3/18. - Die Gemeindsboten<br />
erhielten eine jährliche Entschädigung von 30 Gulden<br />
aus den Landeseinnahmen. LLA Landtagsprotokolle.<br />
15) HK an OA am 21. Dezember 1827. LLA RC 3/18.<br />
16) LLA Rentamtliche Rechnungsbücher.<br />
101
der Polizisten. Tatsächlich wurde auch die Stelle eines<br />
Polizeimannes vorübergehend nicht besetzt. 17<br />
Mit der Polizeiordnung von 1843, die die Polizeiordnung<br />
von 1732 ersetzte, wurde ein weiterer<br />
Schritt zur Verbesserung des Polizeiwesens unternommen.<br />
Die Überwachung der Vorschriften stellte<br />
jedoch ein ungelöstes Problem dar. Es zeigte sich,<br />
dass die Gemeindepolizisten und die Gemeindevorsteher<br />
h<strong>äu</strong>fig nicht bereit waren, gegen die «Gemeindsgenossen»<br />
einzuschreiten oder dass sie<br />
dazu zu wenig Autorität besassen. Aus diesem<br />
Grunde wurde 1844 die Oberleitung des Polizeiwesens<br />
dem Amtsschreiber unterstellt. 18<br />
1848 erzwangen die Untertanen die Entlassung der<br />
beiden Polizeimänner in Vaduz, weil sich «diese zu<br />
wenig höflich gegen die Bürger betragen hätten.» 19<br />
Der eine der beiden Polizeimänner wurde, «nachdem<br />
sich nach einiger Zeit die Aufgeregtheit gelegt<br />
hatte», 20<br />
wieder «in Zivilkleidern sowohl im öffentlichen<br />
Dienste als auch im Privatinteresse» des<br />
Fürsten verwendet. 1851 oder 1852 wurden dann<br />
die beiden Polizeistellen wieder besetzt.<br />
Nach dem Abschluss des Zoll- und Steuervertrages<br />
von 1852 verlangte Österreich die Verbesserung<br />
der «Grenz- und Passpolizei», da bis dahin die<br />
Grenzübertritte nicht kontrolliert wurden und die<br />
Vagabunden in der Regel erst angehalten wurden,<br />
wenn sie sich etwas zuschulden kommen Hessen.<br />
Während die eigentliche Zollverwaltung, der Einzug<br />
der Zölle und indirekten Steuern, durch die<br />
österreichischen Finanzwachen an den liechtensteinischen<br />
Grenzen besorgt wurde, sollte die Passpolizei<br />
von liechtensteinischen Polizeileuten übernommen<br />
werden.<br />
Liechtenstein kam der Aufforderung zur Verbesserung<br />
der Polizei insofern nach, als es die Stellen<br />
der Gemeindsboten von Balzers und Ruggell sowie<br />
des Polizeimannes von Nendeln zu drei vollen Polizeistellen<br />
aufwertete. In Liechtenstein gab es also<br />
nun fünf Polizisten. Ein Polizeimann in Vaduz war<br />
zugleich Kanzleidiener. Er sollte dem Regierungsamt<br />
ständig im Amtshaus zur Verfügung stehen.<br />
Der zweite Polizeimann in Vaduz hatte die Gemeinden<br />
Vaduz, Schaan und Triesenberg zu überwa<br />
102<br />
chen. Der Polizeimann von Balzers überwachte die<br />
Gemeinden Balzers und Triesen und der Polizeimann<br />
in Nendeln die Gemeinden Eschen, Mauren<br />
und Schellenberg. Dem Polizeimann in Ruggell waren<br />
die Gemeinden Ruggell und Gamprin zugeteilt.<br />
21<br />
Anlässlich dieser Polizeireform wurden die<br />
Polizisten auch neu uniformiert und bewaffnet. 22<br />
Um die Polizeiorganisation zu straffen, wurde Alois<br />
Hilty, der bereits seit 1829 den Polizeidienst versah<br />
und sich durch besondere Diensttreue ausgezeichnet<br />
hatte, 1854 zum Vorgesetzten der übrigen Polizeimänner<br />
erklärt. 23<br />
1858 erhielt er zur Unterstreichung<br />
seiner besonderen Stellung eine Personalzulage<br />
von 10 Gulden. 24<br />
Damit waren die Reformen im Polizeiwesen abgeschlossen.<br />
Bei der Auswahl der Polizeimänner<br />
wurden folgende Kriterien angewandt: Die Polizisten<br />
mussten den Militärdienst geleistet haben und<br />
einen guten Lebenswandel führen, d.h. ihr sittliches<br />
Betragen durfte nie Anlass zu Klagen gegeben<br />
haben, sie durften nicht der Trunkenheit verfallen<br />
sein und sich nicht an politischen Unruhen<br />
beteiligt haben. Wichtig war auch das Aussehen<br />
und Auftreten der Bewerber: Polizeileute sollten<br />
eine kräftige, imponierende Figur haben und ruhig,<br />
aber energisch auftreten. Ferner sollten die Polizeimänner<br />
ledig sein, lesen und «wenigstens etwas<br />
schreiben» können. 25<br />
Eine eigentliche Polizeiausbildung<br />
war unbekannt. Es genügte, wenn die Polizisten<br />
die Polizeiordnung kannten.<br />
Umfang und Organisation der Polizei machen deutlich,<br />
dass diese nur ein sehr bescheidenes Machtmittel<br />
in der Hand des Regierungsamtes darstellte.<br />
Die Ausübung der polizeilichen Aufsicht wurde bis<br />
1854 weitgehend den Gemeinden selbst überlassen.<br />
Die wenigen Polizeimänner hatten noch deutlich<br />
den Charakter von Hilfspersonal, was sich<br />
etwa darin ausdrückte, dass sie im Taglohn besoldet<br />
wurden. Die beiden Polizisten in Vaduz wurden<br />
auch h<strong>äu</strong>fig als Kanzleidiener eingesetzt: Sie trieben<br />
die fürstlichen Renten ein, putzten und heizten<br />
die Kanzlei, gingen auf die Post, beaufsichtigten die<br />
Gefangenen usw. 26<br />
Im Gegensatz zu diesen beiden<br />
Polizeistellen erforderten die drei andern Stellen<br />
noch 1858 keinen ganztägigen Einsatz. 27
Einige Zweifel scheinen auch bezüglich der Disziplin<br />
der Polizeimänner angebracht zu sein. 1857<br />
beklagte sich beispielsweise ein österreichischer<br />
Finanzwachkommissär beim Regierungsamt, dass<br />
die Polizeimänner beim Grenzposten einträfen,<br />
wann es ihnen passe, teilweise würden sie auch<br />
selbst Schmuggel betreiben. Er bemängelte insbesondere,<br />
dass es zu wenig Polizeimänner gebe und<br />
dass die vorhandenen zu wenig kontrolliert würden.<br />
28<br />
Von der Aufstellung der Polizeimänner in der Zeit<br />
des Spätabsolutismus führt keineswegs ein gerader<br />
Weg zur heutigen Landespolizei. Eine formelle Polizei<br />
wurde von der Bevölkerung schlecht akzeptiert,<br />
was sich 1831/32 und 1848 in der Forderung nach<br />
Entlassung der Polizeimännner manifestierte. 1862<br />
wurde die Grenz- und Passkontrolle den österreichischen<br />
Finanzwachen übertragen. 1864 wurden<br />
die Gemeinden vermehrt mit ordnungspolitischen<br />
Aufgaben betraut. Mit dem neuen Gemeindegesetz<br />
wurde ihnen die Ortspolizei, die Einwohnerkontrolle<br />
und gesundheitspolizeiliche Aufgaben<br />
übertragen. Den Ortsvorstehern wurde ein Gemeindeweibel<br />
zur Seite gestellt. Seit 1867 wurde<br />
der Begriff «Polizei» überhaupt vermieden, statt<br />
dessen beschäftigte der Staat nun einen Amts- und<br />
drei Gerichtsdiener. 1871 wurden neu zwei Landweibel<br />
mit Polizeiaufgaben betraut.<br />
Es war charakteristisch für die Herrschaftsausübung<br />
in Liechtenstein im 19. Jahrhundert, dass<br />
der Staat wenig auf den Einsatz von Gewaltmitteln<br />
vertraute. Auf die Polizei war ebenso wenig Verlass<br />
wie auf das Militärkontingent. Herrschaft hiess vor<br />
allem Verwaltung. Offen Gewalt zeigen und einsetzen<br />
konnten nur die österreichischen Finanzer,<br />
wenn sie gegen Schmuggel oder unerlaubtes<br />
Schnapsbrennen vorgingen. Wichtige ordnungspolitische<br />
Faktoren waren die Kirche und die soziale<br />
Kontrolle. Die Pfarrherren übten eine Kontrolle<br />
aus, die sich nicht nur auf Religion, Moral und Sittlichkeit<br />
erstreckte. Sie scheuten sich nicht, Untertanen<br />
beim Oberamt wegen unsittlichem Lebenswandel<br />
anzuzeigen. Das Ausmass der sozialen Kontrolle<br />
wurde 1877 von Landesverweser von Hausen<br />
beschrieben: «Der Liechtensteiner hat eine ei-<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
LANDESPOLIZEI / PAUL VOGT<br />
genthümliche Vorliebe zu der Scholle Boden, die er<br />
seine Heimat nennt, sowie zu seinen Landsleuten.<br />
Wenn er in seiner Jugend im Auslande Verdienst<br />
sucht, und sich viele Jahre daselbst aufhält, so<br />
kehrt er doch sicher dann in seine Heimat zurück,<br />
wenn er einen eigenen Haushalt zu gründen gewillt<br />
ist. Dann wählt er aber seine Lebensgenossin gewöhnlich<br />
nicht in der Fremde, sondern aus der einheimischen<br />
Bevölkerung. Eine Folge davon ist,<br />
dass die Liechtensteiner vielfach untereinander<br />
verwandt oder verschwägert sind und dass bei allgemeinen<br />
öffentlichen Fragen sich Meinungsgleichheiten<br />
zwischen ihnen kundgeben, die man sich<br />
mit Rücksicht auf die verschiedenen Charakter der<br />
Bewohner der obern und der untern Landschaft<br />
sonst nicht erklären könnte. Aber eben diese vielseitige<br />
Verwandtschaft und Schwägerschaft hindert<br />
den einzelnen Bürger an der unparteiischen Prüfung<br />
wichtigerer Landesangelegenheiten sowie an<br />
der thatkräftigen Unterstützung der Behörde im<br />
Falle einer öffentlichen Ruhestörung. (. . .) Für<br />
Liechtenstein gibt es nach meinem Dafürhalten nur<br />
17) HK an OA am 21. November 1831. LLA RC 16/6.<br />
18) Circular an Ortsgerichte am 14. Dezember 1844. LLA RC 55/6.<br />
19) Geiger, S. 76.<br />
20) RA an Fürst am 3. September 1858. LLA RC 107/105.<br />
21) RA an Fürst am 16. 3. 1854. HK an RA am 5. Juli 1854. LLA RC<br />
102/184.<br />
22) RA an Fürst am 24. September 1854 und 5. 1. 1855. LLA RC<br />
102/184.<br />
23) RA an Fürst am 24. September 1854. LLA RC 102/184.<br />
24) RA an Fürst am 3. September 1858. LLA RC 107/106.<br />
25) Diese Auswahlkriterien ergeben sich aus den Bewerbeschreiben,<br />
die 1854 beim Oberamt eingingen und den Kommentaren Menzingers<br />
zu diesen Schreiben. LLA RC 102/184.<br />
26) Menzinger an Fürst am 3. September 1858. LLA RC 107/106. -<br />
1860 erhielten die Polizeileute eine Remuneration, weil sie seit 1854<br />
die meisten Rentresten eingetrieben hatten. Dies unterstreicht deutlich,<br />
dass die Polizeileute noch den Charakter von fürstlichen Dienern<br />
hatten. HK an RA am 12. August 1860. LLA RC 109/38.<br />
27) 1858 erhielten deshalb die beiden Polizeimänner in Vaduz, deren<br />
Gehalt seit 1829 nie erhöht worden war, eine jährliche Zulage<br />
von 25 Gulden. RA an Fürst am 3. September 1858 LLA RC 107/106.<br />
28) Brief an das RA vom 20. März 1857. LLA RC 102/184.<br />
103
das Eine: durch ein kluges Vorgehen der Verwaltungsbehörden<br />
grössere polizeiliche Excesse fern<br />
zu halten. Sollten aber ausserordentliche Vorfallenheiten<br />
es nothwendig machen, die gestörte öffentliche<br />
Ordnung durch Anwendung besonderer Vorkehrungen<br />
wieder herzustellen, dann könnte nur<br />
die Requisition von österreichischem Militär platzgreifen.»<br />
29<br />
29} Von Hausen an Fürst am 25. 1. 1877. LLA RE 1877/98.<br />
104<br />
Schulgesetz vom 31. Juli<br />
1822<br />
«A. vom Verhalten der<br />
Schüler vor der Schule<br />
1. ) Kinder! habet euer<br />
Schulgeräth in Ordnung<br />
und haltet es reinlich.<br />
2. ) Sehet zu Hause nach,<br />
ob eure Kleidungsstücke<br />
reinlich sind. Euer Gesicht<br />
und Hände müßen gewaschen<br />
und die Kopfhaare<br />
in Ordnung seyn.<br />
3. ) Könnet ihr wegen<br />
Krankheit oder wegen<br />
andern gültigen Ursachen<br />
nicht zur Schule kommen,<br />
so laßt es dem Lehrer<br />
melden.<br />
4. ) Gehet zur rechten Zeit<br />
vom Hause weg, und<br />
haltet euch auf dem Schulweg<br />
nicht auf, damit ihr<br />
zur bestimmten Zeit in der<br />
Schule eintreffet.<br />
5. ) Gehet stille und sittsam<br />
zur Schule, gesellet euch<br />
zu euers gleichen und<br />
grüßet freundlich die<br />
Vorübergehenden.<br />
6. ) Wer zu spät kömmt,<br />
muß dem Lehrer die<br />
wahre Ursache angeben,<br />
den jede Lüge wird bestrafet.<br />
B. Vom Verhalten in der<br />
Schule<br />
1. ) Grüßet den Lehrer<br />
beym Eintritt in die Schule<br />
oder saget den gewöhnlichen<br />
Lobspruch.<br />
2. ) Sobald ihr in das<br />
Schulzimmer kömmt, so<br />
gehet gleich an euren<br />
Platz, leget den Hut oder<br />
die Haube, Bücher und<br />
Pappier neben euch oder<br />
an den dazu angewiesenen<br />
Ort.<br />
3. ) Kömmt eines während<br />
dem Schulgebethe, so<br />
bleibe es vor dem Schulzimmer<br />
stehen, bis das<br />
Gebeth geendet ist.<br />
4. ) Beneidet einander<br />
wegen den ersten Plätzen<br />
nicht, denn sie werden<br />
nach Fleiß und guter<br />
Aufführung angewiesen.<br />
Daher trachtet die ersten<br />
Plätze zu verdienen.<br />
5. ) Erwartet stille und<br />
ruhig den Anfang des<br />
Unterrichts.<br />
6. ) Beim Gebethe stehet<br />
auf, faltet die Hände und<br />
bethet andächtig nach,<br />
was vorgebethet wird.<br />
7. ) Sehet und höret auf<br />
den Lehrer, und thuet<br />
alles, was euch befohlen<br />
wird, willig und gerne,<br />
denn Gehorsam ist eine<br />
Hauptpflicht des Schülers.<br />
8. ) Diejenigen, welche zum<br />
Antworten aufgerufen<br />
werden, sollen aufstehen<br />
und eine ruhige Stellung<br />
beobachten.<br />
9. ) Jene, die gerne antworten<br />
möchten, sollen es mit<br />
Aufhebung einer Hand zu<br />
erkennen geben.<br />
10. ) Wird ein Kind gefragt,<br />
so soll ihm kein andres<br />
einsagen oder dafür laut<br />
antworten.<br />
11. ) Beunruhiget einander<br />
nicht; und beschädiget<br />
andern nicht an Bücher,<br />
Schriften, Rechnungstafeln<br />
oder an Kleidungsstücken.»
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
LANDESPOLIZEI / PAUL VOGT<br />
105
Das Schulwesen<br />
ZIELSETZUNG UND ORGANISATION<br />
DER SCHULE<br />
Im 18. Jahrhundert kam das Schulwesen nicht<br />
über einige Ansätze hinaus. Die Organisation des<br />
Unterrichts war völlig den einzelnen Gemeinden<br />
überlassen. Ausgebildete Lehrer waren selten, neben<br />
einzelnen Geistlichen unterrichteten auch<br />
Handwerker und Bauern. Ihre Besoldung war sehr<br />
gering. Der Unterricht fand gewöhnlich in der<br />
Wohnung des Lehrers statt, Bücher für Unterrichtszwecke<br />
waren keine vorhanden. Die Bauern sahen<br />
den Nutzen des Schulbesuchs meist nicht ein, die<br />
Arbeit auf dem Feld oder im Stall hatte Vorrang. 1<br />
Impulse zur Verbesserung des Unterrichtswesens<br />
gingen zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem<br />
von den Geistlichen aus. Unter dem Einfluss der<br />
Aufklärung und des österreichischen Beispiels hatte<br />
sich aber auch die Haltung der Beamten gegenüber<br />
der Schule grundlegend verändert: Sie sahen<br />
nun im Unterrichtswesen eine Aufgabe, um die<br />
sich auch der Staat im Sinne der Wohlfahrt und<br />
Fürsorge zu kümmern hatte. Die mangelnde Schulbildung<br />
war nach Auffassung der Beamten der<br />
wichtigste Grund dafür, dass das Gewerbe und die<br />
Kultur im Vergleich zu den umliegenden Staaten<br />
unterentwickelt waren.<br />
Das erwachte Interesse des Staates am Schulwesen<br />
hatte jedoch auch noch einen andern Grund: Da<br />
eine allgemeine mehrjährige Schulpflicht die Sozialisation<br />
der gesamten heranwachsenden Schuljugend<br />
entscheidend beeinflussen musste, eignete<br />
sich die Schule hervorragend als Instrument zur<br />
Herrschaftssicherung. Die Schule sollte die Kinder<br />
zu pflichtbewussten und gehorsamen Untertanen<br />
erziehen, kritisches Denken hingegen sollte nicht<br />
gefördert werden. 2<br />
Zahlreiche Vorschriften in den<br />
beiden Schulgesetzen von 1822 und 1827 zielten<br />
auf die Disziplinierung der Kinder ab. Diese Schulgesetze<br />
sahen unter anderem vor, dass die Kinder<br />
während der Schulzeit täglich die Messe besuchen<br />
mussten und dass unentschuldigtes Fernbleiben<br />
vom Unterricht mit Geldbussen zu bestrafen war.<br />
Die Schulgesetze enthielten auch zahlreiche sitt<br />
106<br />
liche Verhaltensvorschriften für die Zeit vor, während<br />
und nach der Schule.<br />
In jeder Gemeinde bestanden nach dem Vorbild der<br />
süddeutschen Staaten eine Trivial- (oder Elementar-)<br />
und eine Sonntagsschule: Die Schulpflicht für<br />
die Trivialschule dauerte vom 6. bis 12. Lebensjahr<br />
(nach dem älteren Schulgesetz von 1822 vom 7. bis<br />
zum 14.). Anschliessend musste bis zum 20. Lebensjahr<br />
die Sonntagsschule besucht werden, in<br />
der der gelernte Schulstoff repetiert wurde.<br />
Nach Ansicht des Oberamtes sollte sich die Schule<br />
auf die Vermittlung jener Kenntnisse beschränken,<br />
die für einen Bauern notwendig waren: An erster<br />
Stelle standen Religion und christliche Sittenlehre,<br />
dann folgten Lesen, Schön- und Rechtschreiben<br />
und Rechnen. Die Einführung von weiteren Schulfächern<br />
wie Gesang, Landeskunde, Geometrie und<br />
Zeichnen wurde zwar von den Geistlichen wiederholt<br />
angeregt, aber erst durch das Schulgesetz von<br />
1859 verwirklicht.<br />
Beim vermittelten Schulstoff wurde inhaltlich<br />
streng darauf geachtet, dass er in keinem Widerspruch<br />
zur katholischen Religionslehre stand. Nach<br />
dem Schulgesetz von 1822 bestanden die Lehrmittel<br />
lediglich aus einem kleinen Katechismus, einem<br />
Abriss der Religionsgeschichte und einem Sittenbüchlein.<br />
3<br />
Noch 1858 <strong>äu</strong>sserte sich Menzinger in<br />
gleichem Sinne: «Die Schulbücher werden nur immer<br />
nach vorl<strong>äu</strong>figer Durchsicht und Prüfung des<br />
Oberschulen-Inspektors eingeführt, um sicher zu<br />
seyn, dass sie nichts gegen die Grundsätze der katholischen<br />
Kirche Widriges enthalten.» 4<br />
DIE SCHULGESETZE ALS AUSDRUCK<br />
DER STAATLICHEN SCHULHOHEIT<br />
Für die Beamten bestand zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
nicht der geringste Zweifel darüber, dass<br />
die Schulhoheit zu den Hoheitsrechten des Monarchen<br />
gehörte. 5<br />
Daraus hätte an sich eine staatliche<br />
Verpflichtung abgeleitet wrden müssen, im Schulbereich<br />
aktiv zu werden. Tatsächlich gingen jedoch<br />
vom Oberamt in Vaduz nur wenige und von der
Hofkanzlei in Wien gar keine Impulse zur Verbesserung<br />
des Schulwesens aus. In der Dienstinstruktion<br />
von 1808 fehlt jeder Hinweis auf dieses Problem.<br />
Hauer beschränkte sich in seinem ausführlichen<br />
Bericht von 1808 auf die Bemerkung, dass<br />
die Schulen sehr schlecht seien und dass die Obrigkeit<br />
den Gemeinden bei Schulhausbauten vielleicht<br />
einen unentgeltlichen Ziegelbeitrag aus der herrschaftlichen<br />
Ziegelhütte gewähren könnte. Auch in<br />
späteren Jahren gingen Anregungen für Verbesserungen<br />
im Schulwesen nie von der Hofkanzlei aus.<br />
Die erste obrigkeitliche Verordnung im Unterrichtswesen<br />
stammt aus dem Jahre 1805 und geht auf einen<br />
gemeinsamen Vorschlag der Pfarrherren der<br />
obern Landschaft zurück. 6<br />
Die Verordnung von<br />
1805 war insofern grundlegend, als sie den Gemeinden<br />
die Kompetenz zur Anstellung und Entlassung<br />
von Lehrern entzog und den Ortspfarrern<br />
und der Landesobrigkeit übertrug. Die Gemeinden<br />
wurden verpflichtet, ihren Lehrer zu besolden und<br />
ein Schulhaus zu bauen. Durch diese Verordnung<br />
wurde auch zum ersten Mal die allgemeine Schulpflicht<br />
(vom 6. bis zum 13. Lebensjahr) eingeführt.<br />
Der Unterricht fand nur im Winter statt, im Sommer<br />
wurde lediglich an Sonn- und Feiertagen unterrichtet.<br />
7<br />
1810 wurden die Sommerschulen eingeführt. 4<br />
' 1812<br />
wurde ein Schulfonds geschaffen, aus dessen Zinsen<br />
die Lehrer besoldet werden sollten. Trotz dieser<br />
staatlichen Verordnungen behielten die Geistlichen<br />
ihren grossen Einfluss im Schulwesen. Wie<br />
weit dieser Einfluss reichte, wird deutlich, wenn<br />
man die Entstehung des Schulgesetzes von 1822 9<br />
betrachtet. Landvogt Schuppler arbeitete einen<br />
Entwurf für ein Schulgesetz aus und sandte diesen<br />
den Pfarrern zu. In einer gemeinsamen Versammlung<br />
berieten darauf der Landvogt und die Geistlichen<br />
diesen Entwurf und setzten ihn darauf durch<br />
ihre Unterschriften in Kraft. 10<br />
Der Fürst und die<br />
Hofkanzlei bekamen dieses erste Schulgesetz offenbar<br />
nie zu sehen.<br />
Diese Entstehungsgeschichte macht verständlich,<br />
dass das Schulgesetz von 1822 den staatlichen Einfluss<br />
im Unterrichtswesen auf ein Minimum beschränkte<br />
und das Schulwesen weitgehend zu ei<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />
ner Aufgabe des Klerus machte. Nach diesem Gesetz<br />
handhabten die Ortspfarrer in ihrer Gemeinde<br />
als Lokalinspektoren die «Schulpolizei» und beaufsichtigten<br />
die Lehrer. Die Pfarrer wählten aus ihrem<br />
Kreis einen «Schul(ober)inspektor», der für die<br />
Vereinheitlichung des Unterrichts in den verschiedenen<br />
Gemeinden sorgen sollte und als Organ der<br />
«obern Schulbehörde» wirkte. Die «obere Schulbehörde»<br />
bestand aus der Versammlung von Landvogt,<br />
Schulinspektor und Lokalinspektoren. Diese<br />
Behörde erliess Bestimmungen für den Unterricht<br />
und nahm die Anstellungen von Lehrern vor. Der<br />
Fürst und die Hofkanzlei werden in diesem Gesetz<br />
nicht erwähnt.<br />
Landvogt Pokorny empfand das Schulgesetz von<br />
1822 offenbar als eine schwere Verletzung der<br />
fürstlichen Hoheitsrechte. Nur wenige Monate nach<br />
seinem Amtsantritt erschien das neue Schulgesetz<br />
von 1827, 11<br />
das durch die Unterschrift des Fürsten<br />
in Kraft gesetzt wurde. Dieses Gesetz verkürzte die<br />
Schulpflicht von 7 auf 6 Jahre, brachte sonst aber<br />
bezüglich der Schulfächer, der Lehrmethoden und<br />
der Lehrbücher keine wesentlichen Änderungen. 12<br />
Grundsätzlich neu war jedoch die Verteilung der<br />
Kompetenzen in der Schulverwaltung. Die obere<br />
Schulbehörde war nun mit dem Oberamt identisch.<br />
Über Vorschriften im Unterrichtswesen und die An-<br />
1) Malin, S. 71 ff.<br />
2) Quaderer, S. 138ff.<br />
3) ebda., S. 143.<br />
4) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />
107/136.<br />
5) Bericht Schupplers über die landständische Verfassung vom<br />
12. März 1818. LLA RB Fasz. L 6.<br />
6) Malin, S. 83.<br />
7) Verordnung vom 18. September 1805. LLA NS 1805.<br />
8) OA an Pfarrer am 23. 5. 1810. LLA NS 1810.<br />
9) Schulgesetz und Schulplan vom 31. 7. 1822. LLA RB Fasz. S 1.<br />
10) Circular des OA an die Geistlichkeit vom 1. August 1822. LLA<br />
RB Fasz. S 1.<br />
11) Schulgesetz vom 5. Oktober 1827. LLA NS 1820-29.<br />
12) Quaderer, S. 149.<br />
107
Stellung von Lehrern bestimmte allein diese staatliche<br />
Behörde. Der Klerus hatte weiterhin in den<br />
Gemeinden die Schulen zu beaufsichtigen, wobei<br />
die Geistlichen nach österreichischem Vorbild als<br />
Staatsdiener betrachtet wurden. Das Organ der<br />
oberen Schulbehörde stellte der Schulinspektor<br />
dar. Zum Schulinspektor wurde weiterhin ein<br />
Geistlicher bestimmt, doch wurde dieser nach dem<br />
neuen Schulgesetz nicht mehr von den Pfarrherren<br />
gewählt, sondern von der Hofkanzlei auf Vorschlag<br />
des Oberamtes ernannt. Die Aufgaben des Schulinspektors<br />
blieben im wesentlichen dieselben: Er<br />
hatte die verschiedenen Schulen zu inspizieren und<br />
dem Oberamt allfällige Verbesserungsvorschläge<br />
zu unterbreiten.<br />
Das Schulgesetz von 1827 unterstrich die landesfürstliche<br />
Schulhoheit. In der Praxis beschränkte<br />
sich das Oberamt aber noch für lange Zeit auf eine<br />
Oberaufsicht, die konkreten Aufgaben in der Schulverwaltung<br />
wurden der Kirche überlassen. Wie wenig<br />
Initiative die staatliche Verwaltung im Unterrichtswesen<br />
aufbrachte, zeigte sich nicht zuletzt<br />
daran, dass der erste Versuch zur Errichtung einer<br />
Fortbildungsschule (1858) und einer Abendschule<br />
für Handwerk (1860) auf private Initiative zurückging.<br />
13<br />
Diese als gemeinnützige Werke verstandenen<br />
Versuche hatten allerdings keinen langen Bestand.<br />
Übersicht über die Lehrergehälter,<br />
aus: Menzinger<br />
an Fürst am 12. August<br />
1834. LLA Nr. 42/13.<br />
108<br />
FINANZIERUNG DES SCHULWESENS<br />
Die staatliche Finanznot bildete die Hauptursache<br />
dafür, dass der Einfluss der Gemeinden im Schulwesen<br />
nicht ausgeschaltet und die Schulverwaltung<br />
nicht zur alleinigen Aufgabe des Oberamtes gemacht<br />
werden konnte. 1812 wurde nach dem Beispiel<br />
anderer süddeutscher Staaten ein Schulfonds<br />
geschaffen, 14<br />
dessen Zinsen für die Lehrerbesoldung<br />
verwendet werden sollten. Das erklärte Ziel,<br />
das mit der Schaffung des Schulfonds verfolgt wurde,<br />
bestand in der Verstaatlichung und Zentralisierung<br />
des Schulwesens: «. . . die Absicht vorliegt,<br />
den Fond dahin zu bringen, dass von seinem Ertrag<br />
die Lehrers Gehalte vollkommen bestritten<br />
werden können, um die Gemeinden von ihren bisherigen<br />
Beiträgen zu entheben, die Lehrer selbst<br />
von den Gemeinden unabhängig zu stellen, und die<br />
Leitung des Schulwesens unter den alleinigen landesherrlichen<br />
Einfluss zu nehmen . . ,» 15<br />
Der Schulfonds wurde durch Beiträge verschiedener<br />
Art gespeist: Nach josephinischem Beispiel<br />
wurden die (kirchlichen) Vermögen zweier Bruderschaften<br />
und anderer «unnützer Gesellschaften»<br />
eingezogen. 16<br />
Weiter wurde eine Ehetax von zwei<br />
Gulden eingeführt, die jedes Brautpaar für die amtliche<br />
Heiratsbewilligung in den Schulfonds zu zahlen<br />
hatte. 17<br />
Aus den fürstlichen Renten floss von<br />
Gemeinde Lehrer tatsächlich davon aus von der aus dem<br />
besoldung ausbezahlter ; dem Landes- Gemeinde Gemeindenach<br />
Schulgesetz Lohn ; schulfonds schulfonds<br />
Balzers 200 200 50 0 . 150<br />
Triesenberg 200 150 60 . 90 • (?)<br />
Triesen 200 150. 54 96<br />
Vaduz 200- 150 60 90<br />
Schaan 200 150 90 60<br />
Planken 150 60 30 30<br />
Eschen " 200 150 60 90<br />
Nendeln 150' 50 34 16-<br />
Mauren. 200 150 48 102<br />
Schellenberg 150/ 100 ' 35 65<br />
Gamprin 150* 100 . 36 64<br />
Ruggell- 150 > 150 48 102<br />
Total 2150 1560, •; 605
1812 bis 1836 ein jährlicher Beitrag von 50 Gulden.<br />
18<br />
Ebenso floss ein bestimmter Anteil aus den<br />
Abhandlungstaxen und an der Salzsteuer in den<br />
Schulfonds. 19<br />
Diese zahlreichen Abgaben an den Schulfonds erregten<br />
den Unmut der Untertanen. Während der<br />
Unruhen von 1831 verlangten sie die Aufhebung<br />
der Beiträge, lieber wollten die Gemeinden die Kosten<br />
für das Schulwesen selber tragen. 20<br />
Die Entwicklung des Schulfonds verlief jedoch anders,<br />
als die Hofkanzlei und das Oberamt erwarteten.<br />
Durch die Vermehrung der Lehrstellen stiegen<br />
die Besoldungskosten bedeutend rascher als der<br />
Schulfonds. Die Zinsen aus diesem Fonds deckten<br />
1834 38 %, 1852 28 % und 1859 noch 27 % der<br />
Lehrerbesoldungen. 21<br />
Für den weitaus grösseren<br />
Teil der Lehrergehälter hatten die Gemeinden aufzukommen.<br />
Neben dem Landesschulfonds bestanden in jeder<br />
Gemeinde eigene Gemeindeschulfonds, die aber in<br />
der Regel nur wenige Hundert Gulden Kapital besassen.<br />
Diese Kapitalien stammten gewöhnlich aus<br />
Stiftungen wohltätiger Leute. 22<br />
Da auch die Zinsen<br />
aus den Gemeindeschulfonds (abgesehen von Balzers)<br />
nirgends für die Lehrergehälter ausreichten,<br />
mussten die Gemeinden die Restbeträge durch<br />
Steuerumlagen einbringen. 23<br />
Die Gemeinden hatten<br />
auch für die Kosten bei Schulbauten aufzukommen,<br />
der Landesfürst gewährte auf Bitte der Gemeinde<br />
gewöhnlich einen Dachziegelbeitrag. 24<br />
Sie<br />
trugen auch die Kosten für die Schuleinrichtungen,<br />
für Tafeln, Kreide, Tinte und für die Beheizung der<br />
Schulr<strong>äu</strong>me. Für die Schulbücher mussten (ausser<br />
in Balzers) die Eltern aufkommen. 25<br />
Die starke finanzielle<br />
Belastung, die das Schulwesen für jede<br />
Gemeinde darstellte, verstärkte zweifellos den Widerstand<br />
gegen die Schulreformen.<br />
DIE STELLUNG DER LEHRER<br />
Die Schulgesetze enthielten auch einige Grundsätze<br />
zur Besoldung und Ausbildung der Lehrer. Nach<br />
dem Schulgesetz von 1827 hatten die Lehrer je<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />
13) Geiger, S. 237; Schädler, Tätigkeit. IN: JBL 1901, S. 155.<br />
14) Gesetz betr. Schulfonds vom 3. Oktober 1812. LLA RC 25/21.<br />
15) HK an OA a. 16. September 1834. LLA RC 42/13.<br />
16) 1812 bestanden in Liechtenstein 8 Bruderschaften. Die Duxer<br />
Kapelle hatte ein Vermögen von 6302 Gulden, davon wurden ihr<br />
2000 Gulden belassen, der Rest wurde für den Schulfonds eingezogen.<br />
Die St. Anna-Bruderschaft in Vaduz besass 1559 Gulden, ihr<br />
wurden 650 Gulden für die Erfüllung ihrer religiösen Zwecke gelassen.<br />
Die Vermögen der übrigen Bruderschaften waren klein und<br />
wurden daher nicht angetastet. Schuppler an HK am 28. Juli 1812<br />
und Schulfondsgesetz vom 3. Oktober 1812. LLA RC 25/21. - Eingezogen<br />
wurden auch die Vermögen der Eschner St. Anna-Bruderschaft,<br />
die sich 1810 selbst aufgelöst hatte. In den Schulfonds kamen<br />
auch die (kleinen) Vermögen von «unnützen» Gesellschaften: Die<br />
Nendler Schützengesellschaft und die Nendler Jägergesellschaft, die<br />
Hoch'sche Stiftung und die Rogg'sche Stiftung mussten ihre Gelder<br />
an den Schulfonds abtreten. Die eingezogenen Gelder machten zusammen<br />
5799 Gulden aus. OA an Fürst am 23. August 1836. LLA RC<br />
54/8.<br />
17) Eingeführt durch das Schulfondsgesetz vom 3. Oktober 1812.<br />
LLA RC 25/21.<br />
18) ebda. Die HK bestimmte am 27. September 1836, dass dieser<br />
Beitrag nicht mehr zu gewähren sei. Der Beitrag wurde bis dahin als<br />
ein Teil der fürstlichen Wohltätigkeit angesehen. HK an OA am<br />
27. September 1836. LLA RC 42/13.<br />
19) Die Beiträge aus den Verlassenschaftsabhandlungstaxen wurden<br />
durch das Schulgesetz von 1827 (§ 21) dem Schulfonds überlassen.<br />
Bei der Einführung des Landesarmenfonds wurden die Taxanteile<br />
erhöht und zwischen Armen- und Schulfonds aufgeteilt. Verordnung<br />
betr. Armenwesen vom 20. Oktober 1845. LLA NS 1845. - Für jedes<br />
Fass Salz, das nach Liechtenstein eingeführt wurde, mussten 42<br />
Kreuzer in den Schulfonds eingezahlt werden. LLA Schulfondskapitalienbuch<br />
1832-1841, seit 1841 Fondsrechnungsbücher.<br />
20) Quaderer, S. 151.<br />
21) Menzinger an Fürst am 12. August 1834. LLA RC 42/13. Besoldungstabellen<br />
vom 9. Juni 1852 und vom 31. März 1859. LLA RC<br />
94/1.<br />
22) Die Gemeindeschulfonds verfügten 1812 über folgende Kapitalien:<br />
Ruggell 430 Gulden, Gamprin 225 fl, Schellenberg 200 fl, Triesenberg<br />
425 fl, Schaan 349 fl, Triesen 690 fl, Vaduz 500 fl. G. Marxer.<br />
Die Schule unter Schuppler, S. 152. - Die Gemeinde Balzers<br />
teilte 1807 Gemeindeboden als sogenannte «Schulfondteile» an ihre<br />
Bürger aus (J. Büchel, Gemeindenutzen S. 142). Darauf dürfte es zurückzuführen<br />
sein, dass diese Gemeinde als einzige einen ausreichenden<br />
Schulfonds besass. Menzinger an HK am 12. August 1834<br />
LLA RC 42/13<br />
23) Zu den Fragen der Lehrerbesoldung siehe das folgende Kapitel.<br />
24) Bericht Schupplers über die obrigkeitlichen Geb<strong>äu</strong>de vom 21.3.<br />
1826. LLA RB Fasz. B 1. - Das Herstellen von Ziegeln war ein herrschaftliches<br />
Monopol. Die Herrschaft besass in Nendeln eine Ziegelhütte.<br />
25) «Tabellarische Übersicht über den Bezug der Gehälter der<br />
Schullehrer» vom 9. Juni 1852. LLA RC 94/1.<br />
109
nach Grösse der Klasse Anspruch auf eine Besoldung<br />
zwischen 150 und 200 Gulden.<br />
Tatsächlich wurden ihnen jedoch meist wesentlich<br />
niedrigere Gehälter ausbezahlt. 1834 erhielten von<br />
insgesamt 12 Lehrern lediglich zwei den gesetzlich<br />
vorgeschriebenen Lohn, die übrigen erhielten mindestens<br />
50 Gulden zu wenig. 26<br />
1852 gab es in<br />
Liechtenstein 18 Lehrer, davon erhielten 10 das gesetzliche<br />
Minimalgehalt, sieben wurden als «Schulgehilfen»<br />
taxiert und erhielten lediglich 120 Gulden.<br />
27<br />
Das Schulgesetz von 1859 beseitigte die Einteilung<br />
der Lehrer in zwei Kategorien und brachte<br />
für alle eine minimale Besoldung (je nach Klassengrösse<br />
und provisorischem oder definitivem Anstellungsverhältnis)<br />
zwischen 200 und 300 Gulden.<br />
28<br />
Neben der Geldentschädigung hatten die Lehrer<br />
auch Anspruch auf eine Wohnung, die allerdings<br />
nicht in allen Gemeinden zur Verfügung stand. Einem<br />
verheirateten Lehrer sollte eine Wohnung mit<br />
drei Zimmern, einem ledigen ein Zimmer und eine<br />
Kammer zur Verfügung gestellt werden. 29<br />
Eine Gehaltsaufbesserung<br />
resultierte für die Lehrer auch<br />
daraus, dass sie in ihrer Gemeinde den Organistenund<br />
h<strong>äu</strong>fig auch den Mesmerdienst versahen, wofür<br />
sie eine Entschädigung erhielten.<br />
Die Lehrer waren von allen Fronen und allem Gemeindewerk<br />
befreit, soweit diese an die Person gebunden<br />
waren. Diese Befreiung von den Fronen<br />
stellte nicht nur eine weitere Dienstentschädigung<br />
dar, sondern hob auch das Sozialprestige der Lehrer.<br />
Ihre Tätigkeit für das Allgemeinwohl rechtfertigte<br />
eine soziale Auszeichnung und eine persönliche<br />
Besserstellung. .Soweit die Fronen und das<br />
Gemeindewerk jedoch auf dem Grundbesitz hafteten,<br />
mussten auch die Lehrer diesen Pflichten<br />
nachkommen. In der Regel leisteten sie jedoch diese<br />
Arbeiten nicht persönlich, sondern Messen sie<br />
für sich entrichten oder lösten sie in Geld ab. 30<br />
Die soziale Lage der Lehrer war in der ersten Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts eindeutig schlechter als<br />
diejenige eines Amtsschreibers oder Kanzlisten<br />
beim Oberamt. Das Einkommen der Lehrer erreichte<br />
nicht einmal das Niveau des Schlossjägers<br />
110<br />
(212 Gulden) oder des Schlossküfers (162 Gulden),<br />
wenn man bedenkt, dass diese noch Akzidentien<br />
erhielten. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Lehrer<br />
ihre Einkommen zu verbessern suchten. 1842<br />
reichten sie bei der Hofkommission, die im Zusammenhang<br />
mit dem Fürstenbesuch im Lande weilte,<br />
ein Bittgesuch ein: Sie forderten die Befreiung von<br />
sämtlichen Fronen, bessere Lehrerwohnungen, höhere<br />
Besoldungen, unentgeltliches Brennholz für<br />
ihre Privatwohnungen und die Festlegung ihres<br />
Pensionsanspruchs. 31<br />
Die Lehrer erreichten mit ihrem<br />
Bittgesuch wenig: Fürst Alois bestätigte zwar<br />
den Anspruch der Lehrer auf ordentliche Lehrerwohnungen<br />
und eine «gehörige» Besoldung, erklärte<br />
aber, dass dafür die Gemeinden aufkommen<br />
müssten. Die Lehrer sollten weiterhin nur für ihre<br />
Person von den Fronen ausgenommen sein und<br />
das Brennholz um die Bürgertax erhalten. 32<br />
Eine<br />
Stellungnahme zur Forderung nach einer geregelten<br />
Pension wurde vermieden. Menzinger hatte erklärt,<br />
zunächst müsse geklärt werden, «ob die Lehrer<br />
Staatsbeamte, somit pensionsfähig seyen, oder<br />
nicht.» 33<br />
Es drängt sich die Vermutung auf, dass<br />
auf diese Frage absichtlich nicht eingegangen wurde:<br />
Den Lehrern sollte nicht offiziell der Status von<br />
Staatsbeamten zuerkannt werden, damit sie keinen<br />
Anspruch auf eine Pension erhielten. Eine gesetzliche<br />
Festlegung des Pensionsanspruchs wurde<br />
auch im Schulgesetz von 1859 nicht zugestanden.<br />
Wenn die Lehrer aber auch keinen Anspruch auf<br />
eine Pension hatten, so stand es ihnen in Notfällen<br />
doch offen, beim Fürsten ein Gesuch um einen persönlichen<br />
Gnadenbeitrag einzureichen.<br />
Die Ausbildung der Lehrer zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
war mangelhaft. Oft verbrachten sie lediglich<br />
eine Lehrzeit bei anderen Lehrern und<br />
übernahmen dann selbst eine Gemeindeschule. 34<br />
Das Schulgesetz von 1827 bestimmte, dass die Lehrer<br />
mindestens 24 Jahre alt sein und eine Lehrerprüfung<br />
ablegen mussten. Diese Lehrerprüfung<br />
musste entweder in Österreich oder vor einer liechtensteinischen<br />
Prüfungskommission, die aus dem<br />
Landvogt, dem Schuloberaufseher, einem Pfarrer<br />
und einem Lehrer bestand, abgelegt werden. 35<br />
Eine<br />
Lehrerausbildung an einem Seminar war noch
nicht ausdrücklich verlangt. Der Besuch eines Lehrerseminars<br />
dürfte aber bereits in den 1830er Jahren<br />
zur Regel geworden sein. Die meisten Lehrer<br />
wurden in Chur und St. Gallen ausgebildet, einige<br />
auch in Bregenz und Innsbruck. 36<br />
Der Besuch höherer<br />
Schulen im Ausland stellte ein eigentliches<br />
Problem dar. Die Schulen in der Schweiz waren für<br />
Liechtensteiner wesentlich billiger, doch wurden<br />
sie - zunächst nur für Beamte - nicht anerkannt.<br />
Die Hofkanzlei folgte damit dem Beispiel Österreichs,<br />
dass für seine Beamten eine Ausbildung an<br />
österreichischen Schulen verlangte. Die Begründung<br />
der Hofkanzlei lautete, dass Liechtensteiner,<br />
die sich in der Schweiz ausbilden Hessen, auch die<br />
Grundsätze der Schweiz annähmen, «die auf Ordnung<br />
und Folgsamkeit eben nicht hinwirken.» 37<br />
1843 wurde diese Regelung auch auf die Lehrer<br />
ausgedehnt. Eine fürstliche Verordnung bestimmte,<br />
dass von nun an «nur jene als zu einem Schulamte<br />
befähigt anzusehen sind, welche in den deutschen<br />
Bundesstaaten ausgebildet worden sind und dort<br />
genügend Zeugnisse erhalten haben.» 38<br />
Immerhin<br />
standen liechtensteinischen Lehrerkandidaten also<br />
nicht nur österreichische, sondern alle deutschen<br />
Lehrerausbildungsanstalten (in der Praxis vor allem<br />
Bregenz und Saulgau) offen. Diese Verordnung<br />
kann nur als Ausdruck des Bemühens verstanden<br />
werden, demokratisches und republikanisches Gedankengut<br />
von den liechtensteinischen Schulen<br />
fernzuhalten. Sachlich war diese Verordnung nicht<br />
zu rechtfertigen, denn die Ausbildung der Lehrer in<br />
der Schweiz war nach Auskunft von Landvogt Menzinger<br />
besser als in Österreich. 39<br />
Die fachliche Qualifikation bildete nur die eine Seite<br />
der Anforderungen, die an die liechtensteinischen<br />
Lehrer gestellt wurden. Erste und wichtigste<br />
Voraussetzung für einen Lehrer waren die katholische<br />
Religionszugehörigkeit und ein einwandfreier<br />
moralischer Lebenswandel. Bei der Anstellung<br />
wurden Liechtensteiner bevorzugt. Wenn keine<br />
einheimischen Lehrer zur Verfügung standen, wurden<br />
Lehrer aus den süddeutschen Staaten eingestellt,<br />
bei denen die Befürchtungen weniger gross<br />
waren, dass sie die Untertanen demokratisch unterwanderten.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />
Die Funktion der Schule als einer Vermittlerin von<br />
religiösen, sittlichen und apolitischen Verhaltensmustern<br />
wurde durch die Einstellung von katholischen<br />
Lehrschwestern verstärkt. Landvogt Menzinger<br />
stellte 1845 fest, dass die weibliche Jugend keine<br />
Möglichkeit habe, die Fertigkeiten einer guten<br />
Hauswirtin zu erlernen. «Insbesondere gebricht es<br />
an Verfeinerung der Sitten dieser Jugend, Emporhebung<br />
ihres moralischen Gefühls und jener stillen<br />
Thätigkeit, die ihrer künftigen Bestimmung gemäss<br />
das h<strong>äu</strong>sliche Glück ihrer Familie begründen sollen.»<br />
40<br />
Die Anstellung von Schulschwestern wurde<br />
durch eine Privatinitiative gefördert: Theresia<br />
Rheinberger machte zu diesem Zweck eine Stiftung<br />
von 1000 Gulden, und Dr. Grass versprach einen<br />
jährlichen Zuschuss an die Besoldung von 100 Gulden.<br />
Daraufhin wurden 1846 die ersten beiden<br />
26) Tabelle vom 12. August 1834. LLA RC 42/13.<br />
27) Schulgehilfen, die eine zweite Klasse unterrichteten, gab es in<br />
Balzers, Triesen, Triesenberg, Schaan, Mauren. Die Schulschwester<br />
in Vaduz erhielt nur 70 Gulden. Die Lehrer in Nendeln und Planken<br />
wurden wie Schulgehilfen bezahlt. - «Tabellarische Übersicht über<br />
den Bezug der Gehalte der Schullehrer im Fürstenthume Liechtenstein.»<br />
9. Juni 1852. LLA RC 94/1.<br />
28) Schulgesetz vom 8. 2. 1859. - Vgl. auch die Tabelle über den<br />
«Neuen Besoldungsstand», genehmigt von Fürstin Franziska am<br />
31. März 1859. LLA RC 94/1.<br />
29) Anmerkungen auf der Besoldungstabelle vom 9. Juni 1852. LLA<br />
RC 94/1.<br />
30) Menzinger an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />
31) Das Original des Bittgesuches ist in Vaduz nicht auffindbar, sondern<br />
nur der Kommentar von Landvogt Menzinger zu dieser Petition.<br />
OA an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />
32) HKan OA am 23. 12. 1842. LLA RC 73/11.<br />
33) OA an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />
34) Quaderer, S. 167.<br />
35) Schulgesetz von 1827, § 16.<br />
36) Quaderer, S. 166.<br />
37) Menzinger an Fürst am 24. Juni 1834. LLA RC 37/7.<br />
38) Das Original der Verordnung vom 16. September 1843 ist nicht<br />
aufzufinden. Vom Inhalt dieser Verordnung orientierte das OA die<br />
Geistlichkeit durch das Umlaufschreiben vom 19. Oktober 1843. LLA<br />
RC 73/11.<br />
39) Quaderer, S. 167.<br />
40) Menzinger an Fürst am 24. Oktober 1845. LLA RC 85/52.<br />
111
Lehrerinnen vom Orden der barmherzigen Schwestern<br />
aus dem Tirol angestellt. 41<br />
Ihnen oblag die Erziehung<br />
der weiblichen Schuljugend, bei der sie<br />
insbesondere das «typisch Weibliche» fördern sollten.<br />
Die Tätigkeit dieser Schulschwestern wurde<br />
bald als segensreich empfunden und stiess dementsprechend<br />
auf eine mehr oder weniger ungeteilte<br />
Zustimmung. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte<br />
wurden in allen Gemeinden Lehrschwestern eingestellt.<br />
DIE SOZIALEN FOLGEN DER<br />
SCHULREFORMEN<br />
Peter Geiger gelangte in seiner Dissertation zur Ansicht,<br />
dass das Schulwesen in Liechtenstein erst<br />
etwa um 1860 das Niveau der umliegenden Staaten<br />
erreicht habe. 42<br />
Zu einem negativen Urteil über das<br />
Schulwesen war schon Peter Kaiser 1847 gelangt:<br />
«Die Volksbildung und Erziehung war und blieb<br />
der schwächste Theil der Verwaltung.» 43<br />
Die Ursachen<br />
für diese Bildungsmisere lagen tief: In der<br />
liechtensteinischen Bevölkerung bestand bis weit<br />
ins 19. Jahrhundert eine weit verbreitete Bildungsfeindlichkeit,<br />
da der Nutzen der Schulbildung nicht<br />
eingesehen wurde. Die Gemeinden suchten die gesetzlichen<br />
Bestimmungen zu umgehen, da für sie<br />
der Bau von Schulh<strong>äu</strong>sern und der Unterhalt der<br />
Lehrer eine schwere finanzielle Belastung darstellten.<br />
Fast in allen Gemeinden wurden erst in den<br />
1830er oder 1840er Jahren eigentliche Schulh<strong>äu</strong>ser<br />
erbaut. Anlass zu Kritik gaben auch die zu<br />
grossen Schulklassen, die schlechten Lehrmethoden,<br />
die oft nur auf einem mechanischen Auswendiglernen<br />
beruhten, sowie die mangelnde Ausbildung<br />
der Lehrer überhaupt. 44<br />
Ein soziales Problem ersten Ranges stellte die Kinderarbeit<br />
dar, der schulpflichtige Kinder unter 12<br />
Jahren während des Sommers im Ausland nachgingen.<br />
1842 reichten die Lehrer beim Besuch des<br />
Fürsten eine Petition ein, worin sie um ein Verbot<br />
der Schwabengängerei von Schulpflichtigen baten.<br />
Landvogt Menzinger hielt ein solches Verbot für<br />
wenig sinnvoll, wie aus seiner Stellungnahme zu<br />
112<br />
dieser Petition hervorgeht: «Die Auswanderung<br />
schulpflichtiger Kinder unter 12 Jahren entweder<br />
nach Schwaben, oder in benachbarte Fabriken<br />
wurde nur auf Einrathen des Pfarrers und des<br />
Ortsvorstandes solchen Kindern bewilligt, deren<br />
Eltern in so dürftigen Umständen sich befinden,<br />
dass sie ihre Kinder entweder aus Mangel an eigenem<br />
Unterhalte oder Schulden wegen auf Verdienst<br />
wegschicken mussten. Es wird sich auch in Hinkunft<br />
schwer anders thun lassen.» 45<br />
Fürst Alois II.<br />
verbot entgegen dem Antrag Menzingers das Auswandern<br />
von Kindern, 46<br />
doch scheint es zweifelhaft,<br />
ob ein solches Verbot die Kinderarbeit tatsächlich<br />
verhindern konnte.<br />
Inwieweit die Schule in Liechtenstein eine geistige<br />
Mobilisierung bewirkte, lässt sich schwer feststellen.<br />
Offenbar war die Qualität der liechtensteinischen<br />
Schulen mindestens in den ersten Jahrzehnten<br />
des 19. Jahrhunderts so schlecht, dass ein Teil<br />
der Schulabgänger Analphabeten blieben. So<br />
schrieb Landvogt Schuppler 1825 an die Geistlichen,<br />
dass viele ausgeschulte Kinder oft nicht<br />
«einmal lesen, viel seltener schreiben können.» 47<br />
Der grössere Teil der Bevölkerung hatte auch kaum<br />
die Gelegenheit, die einmal erworbenen Lesekenntnisse<br />
im Alltag zu verwenden. Die erste liechtensteinische<br />
Zeitung, die «Liechtensteinische Landeszeitung»,<br />
erschien erst 1863. 48<br />
Ausländische Zeitungen<br />
wurden nur in den «besseren Familien» gelesen.<br />
So schrieb Menzinger 1856 an den Fürsten,<br />
dass bis 1853 «fast in jedem bessern Hause eine<br />
St. Galler oder Bündner Zeitung vorgelegen (habe),<br />
welche nur wenige Gulden gekostet hatte, und zu<br />
ersehen gab, was in der Nachbarschaft verhandelt<br />
wurde.» Durch den Zollvertrag von 1852 seien aber<br />
die Abonnementskosten beträchtlich erhöht worden,<br />
was 1854 zur Abbestellung vieler Schweizer<br />
Zeitungen geführt habe. 49<br />
Bücher waren in Liechtenstein<br />
kaum erhältlich, trotzdem hielten die<br />
fürstlichen Beamten eine Gesinnungskontrolle in<br />
Form einer Zensur für angebracht. Wiederholt<br />
wurde auch in Liechtenstein die Verbreitung jener<br />
Bücher verboten, die von der deutschen Bundesversammlung<br />
und von Österreich verboten wurden.<br />
50<br />
Anfänglich verboten wurde auch die «Ge-
schichte des Fürstentums Liechtenstein» von Peter<br />
Kaiser. Am 18. Dezember 1847 verbot Landvogt<br />
Menzinger den Verkauf dieses Buches und liess alle<br />
Exemplare durch die Polizeimänner einziehen.<br />
Fürst Alois II. entschied dann jedoch, dass das<br />
Buch, obwohl es ein «seichtes Produkt» sei, zum<br />
Verkauf freigegeben werden solle. 51<br />
41) Quaderer, S. 168.<br />
42) Geiger, S. 238.<br />
43) Kaiser, Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein, S. 506.<br />
44) Quaderer, S. 151.<br />
45) Menzinger an Fürst am 3. Oktober 1842. LLA RC 73/11.<br />
46) HK an OA am 23. Dezember 1842. LLA RC 73/11.<br />
47) Circular des OA an die Geistlichkeit vom 12. November 1828.<br />
LLA RB Fasz. S 1; zit. nach Quaderer, S. 145.<br />
48) Die Zeitung erschien von 1863 bis 1868 zweimal monatlich.<br />
Herausgeber war - und das wirft ein bezeichnendes Licht auf das<br />
einheimische Lesebedürfnis - der deutsche Reallehrer Gregor<br />
Fischer. Nach seinem Wegzug aus Liechtenstein ging die Zeitung<br />
wieder ein. Die Regierung meinte damals, dass die Zeitung beim<br />
hiesigen Publikum nicht den nötigen Absatz finden würde. Schädler,<br />
Tätigkeit, JBL 1901, S. 165.<br />
49) RA an Fürst am 12. Juli 1856. LLA RC 86/6.<br />
50) Hier einige Beispiele von verbotenen Büchern-. 1846 wurden die<br />
Werke des literarischen Comptoirs in Zürich und Winterthur verboten.<br />
LLA RC 85/16. 1847 wurden die Werke eines Herisauer Verlages<br />
verboten. LLA RC 97/43. Am 31. 12. 1847 ordnete die Hofkanzlei an,<br />
dass die Verbreitung der «Schmähschrift Kaspar Hasner» verhindert<br />
werden solle, jedoch ohne durch ein öffentliches Verbot die Aufmerksamkeit<br />
darauf zu lenken. LLA RC 97/46. 1859 wurde eine<br />
amerikanische Zeitung verboten, weil sie den verbotenen Roman<br />
«Erzherzog Johann» abdruckte. Dieses Verbot ging von der österreichischen<br />
Postverwaltung aus. LLA RC 85/48.<br />
51) Mitteilung der HK vom 15. Januar 1848. LLA RC 97/46.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
SCHULWESEN / PAUL VOGT<br />
113
Das Verhältnis<br />
zwischen Staat und Kirche<br />
Die katholische Kirche übte im 19. Jahrhundert im<br />
Fürstentum Liechtenstein nicht nur eine seelsorgerische<br />
Funktion aus, sondern verfügte im ständischen<br />
Landtag, im Schulwesen, im Armenwesen<br />
und in Teilen der Verwaltung über grossen Einfluss.<br />
Nach josephinischem Verständnis waren die<br />
Pfarrer nicht nur Kirchen-, sondern auch Staatsdiener.<br />
Die Kirche prägte sowohl die Sozialisation<br />
der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen als<br />
auch die politische Willensbildung der Erwachsenen.<br />
Ehefähigkeitszeugnis vom<br />
17. November 1848 für<br />
die Brautleute Thomas<br />
Schächle und Carolina<br />
Marxer<br />
«Religionszeugniß<br />
Von mir unterzeichneten<br />
wird hiermit den Brautleuten<br />
Thomas Schächle und<br />
Carolina Marxer von<br />
Eschen das Zeugniss<br />
gegeben: daß sie sich in<br />
dem bestandenen Brautexamen<br />
soweit in der<br />
Religion unterrichtet<br />
bewiesen haben, daß<br />
ihnen Betreffs deßen die<br />
Verehelichung ohne<br />
Anstand gestattet werden<br />
kann.<br />
Zugleich bezeuge ich, daß<br />
mir auch sonßt kein Hinderniß<br />
bekannt sey, und<br />
insbesondere, daß dieselben<br />
ledigen Standes seyn.<br />
Anfüglich stelle ich für die<br />
benannten Brautleute die<br />
Bitte an das Wohllöbliche<br />
114<br />
Regierungsamt um gütige<br />
Dispens von zweien Verkündigungen,<br />
wozu die<br />
Verhütung, daß nicht ein<br />
Gerede über einen von<br />
ihnen gepflogenen unerlaubten<br />
Umgang durch<br />
die mehrmalige Verkündigung<br />
wiederholt angeregt<br />
werde und die h<strong>äu</strong>slichen<br />
Verhältniße des Br<strong>äu</strong>tigams<br />
hinlängliche Beweggründe<br />
geben.<br />
Hochachtungsvollßt<br />
des Wohllöblichen Regierungsamtes<br />
ergebenßter<br />
Ant. Frick, Pfr.<br />
Eschen, den 17. Nov.<br />
1848»<br />
ORGANISATION DER KIRCHE<br />
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten<br />
die 11 politischen Gemeinden 7 Pfarreien, die zum<br />
Bistum Chur gehörten. Diese Pfarreien waren in<br />
keiner selbständigen Organisation zusammengefasst,<br />
sondern unterstanden direkt dem bischöflichen<br />
Ordinariat in Chur. Der Bischof residierte im<br />
Ausland und stand damit, wie es Menzinger 1858<br />
formulierte, ausserhalb der Landesgesetze: «Er ist<br />
in seiner Stellung gleichsam unabhängig, und gelobt<br />
dem Landesfürsten nicht wie die Bischöfe in<br />
Österreich Gehorsam und Treue. Diese Independenz<br />
kennt man in Chur sehr wohl. . Diese vom<br />
Staat unabhängige Stellung erschien den fürstlichen<br />
Beamten zu Beginn des 19. Jahrhunderts,<br />
als die liechtensteinische Kirchenpolitik unter josephinischem<br />
Einfluss stand, als ein schwerer Nachteil.<br />
Wiederholt dachten die Beamten darüber<br />
nach, ob man das Fürstentum nicht vom Bistum<br />
Chur abtrennen und einem österreichischen Bistum<br />
anschliessen sollte. 2<br />
Konkrete Schritte zu einer Trennung vom Bistum<br />
Chur wurden jedoch nie unternommen. Immerhin<br />
verstärkten sich aber seit den 1820er Jahren die<br />
Bemühungen, die liechtensteinischen Geistlichen<br />
wenigstens in einem eigenen Priesterverband zusammenzufassen.<br />
Diese Bemühungen gingen sowohl<br />
von den Geistlichen selbst als auch vom Oberamt<br />
aus. 1828 erreichte Landvogt Pokorny bei einer<br />
Aussprache mit dem Bischof das Versprechen,<br />
für Liechtenstein einen eigenen Dekan aufzustellen.<br />
3<br />
Die Forderung nach einem eigenen Dekan für<br />
Liechtenstein tauchte auch in einem Verfassungsentwurf<br />
von 1848 auf, der von einem gewählten<br />
Verfassungsrat ausgearbeitet wurde. Darin heisst<br />
es, die liechtensteinischen Geistlichen sollten ein<br />
1) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />
107/136.<br />
2) In der Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein von 1784<br />
wurde vorgeschlagen, das Fürstentum dem Bistum Konstanz anzuschliessen.<br />
1825 erwog die HK den Anschluss an das Bistum Brixen.<br />
Quaderer, S. 37.<br />
3) Pokorny an Fürst am 10. Dezember 1828. LLA RC 5/31.
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERHÄLTNIS STAAT-KIRCHE / PAUL VOGT<br />
115
eigenes Oberhaupt, einen Dekan, wählen, der die<br />
kirchlichen Angelegenheiten im Lande zu überwachen<br />
und die liechtensteinische Priesterschaft in<br />
Chur zu vertreten hätte. 4<br />
Der Bischof kam diesen<br />
Forderungen 1850 durch die Schaffung eines liechtensteinischen<br />
Priesterkapitels entgegen. 5<br />
Die Pfarreien selbst waren von ihrer Organisation<br />
her noch stark im Feudalismus verwurzelt. Wirtschaftlich<br />
waren sie von den Zehnten und Fronen<br />
abhängig. Über die Patronatsrechte, die für die Besetzung<br />
der Pfarrstellen und die Verwaltung der<br />
Kirchenvermögen von grosser Bedeutung waren,<br />
verfügten zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach alter<br />
Tradition die Grundherren des Landes. Der<br />
Landesfürst selbst war lediglich in zwei Pfarreien<br />
Patronatsherr, in den übrigen Pfarreien besassen<br />
ausländische Klöster, das Churer Domkapitel oder<br />
Österreich die Patronatsrechte. Im Laufe des<br />
19. Jahrhunderts gingen die Patronatsrechte grösstenteils<br />
an den Landesfürsten oder an die politischen<br />
Gemeinden über. 6<br />
Da die Pfarrer nicht nur als Kirchen-, sondern auch<br />
als Staatsdiener betrachtet wurden, muss hier auf<br />
die Modalitäten bei der Besetzung der Pfarrstellen<br />
Zusammenstellung vom<br />
30. September 1858 über<br />
die Einkünfte und Patronatsherren<br />
der Pfarreien,<br />
Curatien und Aushilfsbenefizien.<br />
LLA RC 107/136<br />
116<br />
eingegangen werden. 1819 schrieb das Oberamt,<br />
dass der jeweilige Patronatsherr eine frei gewordene<br />
Pfarrstelle ausschreibe und einen Pfarrherrn<br />
auswähle. Der Bischof von Chur besass das Recht<br />
zur Bestätigung. Die Bestätigung des Landesfürsten<br />
müsse dem Gewählten nur erteilt werden, wenn er<br />
Ausländer sei, da Ausländer zunächst in den liechtensteinischen<br />
Untertanenverband aufgenommen<br />
werden mussten, bevor sie ein Amt im Fürstentum<br />
antreten durften. 7<br />
1858 beschrieb Landesverweser<br />
Menzinger die Vergabe der Pfarrstellen etwas anders:<br />
«Die erledigten Benefizien werden Hierlands<br />
sowohl von dem bischöflichen Ordinariate als von<br />
dem Reg(ierungs)Amte ausgeschrieben, und die<br />
Competenten dem Ordinariate namhaft gemacht,<br />
welches dem Patron drei davon vorschlägt. Der von<br />
dem Patron Gewählte wird sofort dem Bischöfe zur<br />
Bestätigung angezeigt. Ist diese erflossen, und<br />
wäre der Bestätigte ein Ausländer, so hat er die Bewilligung<br />
bei S. Durchlaucht zu erwirken, die<br />
Pfrund antreten zu dürfen, weil kein Fremder ohne<br />
Bewilligung des Souverains ein Amt übernehmen<br />
darf.» 8<br />
Es ist nicht klar, ob das bischöfliche Ordinariat<br />
im Laufe des 19. Jahrhunderts seinen Einfluss<br />
Gemeinde Pfarrei oder Einkommen Patronatsherr<br />
Benefizium in Gulden<br />
Balzers Pfarrei 1200 Gemeinde<br />
Frühmess-Benefizium 400 Gemeinde<br />
Triesen Pfarrei 600 Fürst<br />
Cooperatur 400 Bischof von Chur<br />
Triesenberg Pfarrei 600 Fürst<br />
Vaduz Curatie 800 Fürst<br />
Kaplanei 600 Fürst<br />
Schaan Pfarrei 1100 Domkapitel Chur<br />
(mit Planken) Kaplanei 500 Fürst<br />
(Frühmesspfrund)<br />
Eschen/Nendeln Pfarrei 1200 Fürst<br />
Mauren Pfarrei 600 Österr. Religionsfonds<br />
und Stadt Feldkirch<br />
Bendern (mit Gamprin Pfarrei und Vikar 1800 Österr.<br />
und Schellenberg) Domänenfonds<br />
Curatie 600 Fürst
ei der Besetzung der Pfarrstellen ausweiten konnte<br />
(etwa in Zusammenhang mit einem Verzicht der<br />
Grundherren auf die Patronatsrechte) oder ob eine<br />
der beiden Quellen die rechtliche Lage ungenau beschrieb.<br />
Beide Quellen machen aber deutlich, dass<br />
die landesfürstliche Obrigkeit keinen Einfluss auf<br />
die Besetzung der Pfarrstellen nahm, wenn nicht<br />
der Landesfürst Patronatsherr der betreffenden<br />
Pfarrei war. In der Praxis bestimmte das bischöfliche<br />
Ordinariat die Pfarrer, da es bei seinem Dreiervorschlag<br />
dem Patronatsherrn anzeigte, welcher<br />
Pfarrer seiner Ansicht nach der geeignetste war. 9<br />
Die Geistlichen bildeten nicht nur nach der Verfassung<br />
von 1818 einen eigenen Stand, sondern wurden<br />
auch von den Untertanen kraft der Autorität<br />
ihres kirchlichen Amtes als eine herausgehobene<br />
Sozialgruppe empfunden. 1858 schrieb Landesverweser<br />
Menzinger: «Die Bevölkerung ist übrigens<br />
der katholischen Religion mit Treue anhänglich,<br />
achtet und liebt den Priesterstand, wenn er reinen<br />
Wandels ist, seinem Berufe nachkommt, und seine<br />
Achtung nicht vergibt.» 10<br />
Die Einkommen der Pfarrer,<br />
die zum Teil aus den Zinsen der Kirchenkapitalien<br />
und zum Teil aus den Zehnten bestanden, bezeichnete<br />
er «durchschnittlich (als) anständig, mitunter<br />
sehr gut». Auf jeden Fall seien die liechtensteinischen<br />
Benefizien weit besser dotiert als jene<br />
in Graubünden und sollten daher an liechtensteinische<br />
Priester vergeben werden. Die jährlichen Einkünfte<br />
der Pfarrer schätzte er auf 600 bis 1200<br />
Gulden, die Einkünfte der Hilfsgeistlichen auf 400<br />
bis 800 Gulden.»<br />
Diese Zahlen zeigen, dass die Pfarrer ebenso gute<br />
und zum Teil sogar grössere Einkommen erhielten<br />
als die fürstlichen Beamten. Die guten Einkommen<br />
der Geistlichen waren jedoch nur so lange gesichert,<br />
wie die Zehnten nicht abgelöst wurden.<br />
Von grosser Bedeutung für die unabhängige Stellung<br />
der Kirche war der Umstand, dass die Kirche<br />
jede staatliche Einmischung in die Verwaltung der<br />
Kirchenvermögen verhindern konnte. 1808 und<br />
1824 ordnete die Hofkanzlei nach österreichischem<br />
Vorbild an, dass alle Kirchenvermögen der Oberaufsicht<br />
des Staates unterstellt und die Kirchen<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />
rechnungen dem Oberamte jährlich zur Revision<br />
vorgelegt werden sollten. 12<br />
Wären diese Verordnungen<br />
durchgeführt worden, hätte daraus eine<br />
tatsächliche Kontrolle der Kirche durch den Staat<br />
resultieren können. Landvogt Schuppler legte 1824<br />
der Hofkanzlei die Gründe dar, warum das Oberamt<br />
auf eine solche Kontrolle verzichtete: Er befürchtete,<br />
dass dadurch ein Präjudiz geschaffen<br />
werden könnte, vom Landesherrn höhere Beiträge<br />
bei Kirchenbauten zu verlangen. 13<br />
Er schlug vor,<br />
4) Geiger, S. 116; Wille, S. 48.<br />
5) J.G. Marxer, Das liechtensteinische Priesterkapitel, S. 61 ff.<br />
6) Die Patronatsrechte der Pfarrei Balzers gehörten bis 1824 den<br />
Erzherzogen von Österreich, später der Gemeinde Balzers. In Triesenberg,<br />
das seit 1768 eine eigene Pfarrei bildet, und in Triesen war<br />
der Landesfürst Patronatsherr, in Schaan das Churer Domkapitel, in<br />
Mauren die Stadt Feldkirch, in Eschen verfügte bis 1838 das Kloster<br />
Pfäfers über die Patronatsrechte, nach dessen Aufhebung durch den<br />
Kanton St. Gallen gingen diese Recht an den Fürsten über. In Bendern<br />
war bis 1801 das Kloster St. Luzi Patronatsherr, von 1804 bis<br />
1806 Österreich, von 1806 bis 1814 Bayern, von 1814 bis 1876 der<br />
k. k. österreichische Domänenfonds. Vaduz wurde 1842 eine Kuratie<br />
unter dem Patronat des Landesfürsten, 1873 wurde es zu einer eigenen<br />
Pfarrei. Ruggell wurde 1854 ebenfalls eine Kuratie unter dem<br />
Patronat des Landesfürsten und 1873 eine eigene Pfarrei. 1873<br />
wurde auch Schellenberg eine eigene Pfarrei. Damit war jede politische<br />
Gemeinde mit Ausnahme der kleinen Berggemeinde Planken<br />
eine eigene Pfarrei. Quellen: Quaderer, S. 123; J.G. Marxer, Das<br />
liechtensteinische Priesterkapitel, S. 64 ff; Bericht Menzingers an<br />
Ignaz Wenzel vom 30. September 1858. LLA RC 107/136.<br />
7) J. B. Büchel, Geschichte der Benderer Pfarrei, S. 96.<br />
8) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />
107/136.<br />
9) Vgl. dazu die Arbeiten von J. B. Büchel über die Geschichte der<br />
liechtensteinischen Pfarreien, insbesondere Bendern, S. 99 ff. -<br />
Schwierigkeiten bei der Besetzung der Pfarrstellen ergaben sich nur<br />
dort, wo Österreich die Patronatsrechte besass und vorarlbergische<br />
Priester einzusetzen suchte. J.B. Büchel, Bendern, S. 88 und Mauren,<br />
S. 100.<br />
10) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />
107/136.<br />
11) ebda. - Tabelle S. 116.<br />
12) Dienstinstruktion von 1808, Art. 10. LLA. RB Gl. Am 6. April<br />
1824 befahl die HK gar, dass die Kirchenrechnungen durch die<br />
Buchhaltung in Butschowitz revidiert werden sollten. LLA RB Fasz.<br />
B 2.<br />
13) Schuppler erwähnte vor allem Mauren, wo ein Kirchenneubau<br />
bevorstand, Österreich als Patronatsherr aber nicht für die Kosten<br />
aufkommen wollte. OA an HK am 19. Juni 1824. LLA RB Fasz. B 2.<br />
117
die Kirchenrechnungen nur dort zu kontrollieren,<br />
wo der Fürst Patronatsherr war - rechtlich beruhte<br />
also diese Kontrolle nicht auf der staatlich beanspruchten<br />
Kirchenhoheit, sondern auf dem Recht<br />
des Fürsten als Patronatsherr. Die Antwort der<br />
Hofkanzlei auf diesen Vorschlag ist nicht bekannt,<br />
doch wurden auch nach 1824 nur die Rechnungen<br />
jener Kirchen amtlich revidiert, bei denen der<br />
Fürst Patronatsherr war. 14<br />
Die Auflösung der ständischen Gesellschaftsordnung<br />
stellte auch die Kirche vor grundsätzliche<br />
Probleme. Wie bei der Staatsverwaltung fand bei<br />
der Kirchenverwaltung eine Neuverteilung von<br />
Rechten und Pflichten statt. Die Geistlichen wehrten<br />
sich gegen die Aufhebung der Zehnten. Auf ihre<br />
Opposition war es zurückzuführen, dass erst 1864<br />
ein Zehntablösungsgesetz beschlossen werden<br />
konnte, obwohl die Untertanen schon lange auf<br />
eine Ablösung drängten und auch der Landesfürst<br />
schon 1848 seine grundsätzliche Bereitschaft dazu<br />
erklärt hatte. 15<br />
Eine Auflösung von alten Bindungen ist aber auch<br />
darin zu sehen, dass die Patronatsrechte von den<br />
Grundherren an den Landesfürst oder an die Gemeinden<br />
übergingen. Neben der Aufhebung der<br />
ausländischen Klöster, die diese Rechte und Pflichten<br />
bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Liechtenstein<br />
innegehabt hatten, führte vor allem die Kirchenbaupflicht<br />
der Patronatsherren dazu, dass sie<br />
diese Aufgabe los werden wollten. Der starke Bevölkerungsanstieg<br />
und die oft baufälligen Kirchen<br />
Hessen in verschiedenen Pfarreien den Bau von<br />
neuen und grösseren Kirchen als dringlich erscheinen.<br />
Diese Kirchenbauten kamen regelmässig erst<br />
dann zustande, wenn sich die Pfarrer jahrelang<br />
über den untragbaren Zustand ihrer Kirche beklagt<br />
hatten. Die Finanzierung der Kirchenbauten führte<br />
regelmässig zu Konflikten, obwohl die Gemeindeangehörigen<br />
- manchmal unter Zwang 16<br />
- den<br />
grössten Teil der Arbeiten als Fronarbeiten leisten<br />
mussten. 17<br />
118<br />
DIE STAATLICHE KIRCHENPOLITIK<br />
Die liechtensteinische Kirchenpolitik im frühen<br />
19. Jahrhundert stand zunächst unter dem Einfluss<br />
des österreichischen Vorbildes. In Österreich war<br />
die Kirchenpolitik - wenn auch in zunehmend geringerem<br />
Masse - bis 1848 von josephinischen<br />
Grundsätzen geprägt, wonach die Kirche (im Sinne<br />
des alten Polizeibegriffs) eine Polizeianstalt darstellte<br />
und die Geistlichen nicht nur Kirchen-, sondern<br />
auch Staatsdiener waren. 18<br />
Die Verwaltung<br />
der Kirchenvermögen stand unter Staatsaufsicht.<br />
Den Bischöfen war der direkte Verkehr mit dem<br />
Papst verboten. Viele Bruderschaften, Klöster und<br />
kirchliche Wohltätigkeitsanstalten wurden aufgehoben<br />
und deren Vermögen in staatliche Wohltätigkeitsanstalten<br />
umgewandelt. Aufgeklärte Obrigkeiten<br />
führten seit dem 18. Jahrhundert einen ständigen<br />
Kampf gegen Aberglauben und religiöse Br<strong>äu</strong>che,<br />
gegen Gespenster, Hexen, Wunder, Wallfahrten<br />
und Reliquienkulte. 19<br />
Durch das Toleranzpatent<br />
von 1781 wurde die Stellung der nichtkatholischen<br />
Konfessionen bedeutend verbessert und der Konfessionswechsel<br />
für Einzelpersonen ermöglicht.<br />
Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch von 1811<br />
stand in einigen Punkten im Gegensatz zum kanonischen<br />
Recht, insbesondere bezüglich der Ehescheidung<br />
und der Ehehindernisse. Obwohl in der<br />
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prinzipiell an<br />
dieser Kirchenpolitik festgehalten wurde, betrachtete<br />
man die katholische Kirche seit der «Heiligen<br />
Allianz» von 1815 aber wieder vermehrt als staatserhaltenden<br />
Faktor und legte auf kirchliche Akzeptanz<br />
grossen Wert. 20<br />
Nach österreichischem Vorbild beanspruchte auch<br />
Fürst Johann I. die Kirchenhoheit, was im Fürstentum<br />
zu Spannungen zwischen Staat und Kirche<br />
führte. Zweifellos wäre es falsch, den fürstlichen<br />
Beamten irgendwelche religionsfeindliche Tendenzen<br />
zu unterstellen, sie verstanden sich selbst vielmehr<br />
als aufgeklärte Verfechter der wahren Grundsätze<br />
der Religion. Landvogt Schuppler warf 1815<br />
dem liechtensteinischen Klerus vor, dass er das<br />
Volk in seinen zahlreichen abergl<strong>äu</strong>bischen Vorstellungen<br />
bestärke und nicht zur Vernunft mahne:
«Die wohlthätige Einwirkung der Religion auf die<br />
Aufklärung des Verstandes und Veredlung des Herzens<br />
wird gänzlich vermisst.» 21<br />
Aus dieser Haltung<br />
heraus suchte das Oberamt die immense Zahl der<br />
Feiertage einzuschränken und zahlreiche Prozessionen<br />
und Wallfahrten zu verbieten. 22<br />
Die verschiedenen<br />
religiösen Bruderschaften - mit Ausnahme<br />
von Mauren bestand in jeder Pfarrei mindestens<br />
eine solche Bruderschaft 23<br />
- wurden zwar<br />
nicht wie in Österreich aufgehoben, soweit sie aber<br />
über grosse Vermögen verfügten, sollten diese für<br />
Wohltätigkeitszwecke verwendet werden. 24<br />
In der<br />
Ausübung ihrer religiösen Funktion, der Verehrung<br />
bestimmter Heiliger und der Ausübung religiöser<br />
Br<strong>äu</strong>che, wurden diese alten Gemeinschaften jedoch<br />
nicht eingeschränkt.<br />
Grundsätzliche Differenzen zwischen Staat und<br />
Kirche traten vor allem dort auf, wo das in Liechtenstein<br />
eingeführte österreichische allgemeine<br />
bürgerliche Gesetzbuch vom kanonischen Recht<br />
abwich. Die katholische Kirche ging davon aus,<br />
dass das kanonische Recht auf göttlichem Gebot<br />
beruhte, für alle Gl<strong>äu</strong>bigen zeitlos gültig und<br />
prinzipiell unveränderbar war. Unterschiedliche<br />
Rechtsauffassungen ergaben sich vor allem im<br />
Eherecht und bei Taufen. Schwierigkeiten bei Taufen<br />
traten bei jenen Kindern auf, deren umherziehende<br />
Eltern keine Heimatsausweise besassen. Der<br />
Bischof von Chur stellte sich auf den Standpunkt,<br />
dass die Spende des heiligen Sakramentes der Taufe<br />
ein göttliches Gebot war und niemandem verweigert<br />
werden durfte. Dem hielt Schuppler in einer<br />
«staatsrechtlichen Gegenerklärung» entgegen,<br />
dass nach dem abGB Kinder am Wohnort ihrer Eltern<br />
getauft werden müssten. Alle Regierungen<br />
Deutschlands und der Schweiz hätten den Grundsatz<br />
angenommen, «lediges verdächtiges Gesindel<br />
dorthin zu schieben, wo es getauft; und verheirathetes<br />
dorthin, wo es copuliert worden.» In Liechtenstein<br />
müssten ohnehin schon viele Fremde geduldet<br />
werden, bloss weil sie hier getauft worden<br />
seien. 25<br />
Die Lösung des Problems, mit der schliesslich<br />
beide Seiten einverstanden waren, bestand<br />
darin, dass die Kinder zwar getauft werden durften,<br />
«die Herren Seelsorger (aber) über eine solche<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />
Taufe nur eine geheime mit dem ordentlichen Taufbuche<br />
in keiner Verbindung stehende Vermerkung<br />
führen; und sie auf keine Weise beurkunden» durften.<br />
26<br />
Die Hauptschwierigkeiten zwischen Staat und Kirche<br />
ergaben sich aus dem Eherecht, da das bischöfliche<br />
Ordinariat die eherechtlichen Bestimmungen<br />
des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches<br />
nie anerkannte. Nach dem abGB kam eine<br />
Ehe einem bürgerlichen Vertrag gleich, konnte also<br />
auch wieder geschieden werden. Nach kirchlichem<br />
Recht wurden durch die Ehe zwei Menschen un-<br />
14) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />
107/136.<br />
15) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 136; Geiger, S. 323.<br />
16) J.B. Büchel schrieb zum Kirchenbau von 1844 in Mauren:<br />
«Weitaus die meisten Bürger übernahmen diese Frondienste willig;<br />
einige wurden wegen Renitenz in Vaduz eingesperrt.» J.B. Büchel,<br />
Mauren. In: JBL 1916. S. 16.<br />
17) In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden neue<br />
Pfarrkirchen in Balzers, Triesen und Mauren. Die Pfarrkirchen in<br />
Bendern und Eschen mussten umfassend renoviert werden. Der Bau<br />
einer Kirche in Schaan wurde jahrzehntelang hinausgeschoben. Die<br />
Auseinandersetzungen um diese Kirchenbauten hatten stets die gleiche<br />
Ursache: Die Patronatsherren wollten ihren Pflichten nicht nachkommen.<br />
Vgl. dazu die betreffenden Pfarreigeschichten von J.B. Büchel.<br />
18) Otto Brunner, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich,<br />
S. 69.<br />
19) ebda. S. 70; besonders ausführlich Beidtel, Staatsverwaltung,<br />
Bd. 1, S. 46 ff.<br />
20) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,<br />
S. 341.<br />
21) Schuppler, Beschreibung des Fürstentums Liechtenstein, JBL<br />
1975, S. 244.<br />
22) Malin, S. 66 ff.<br />
23) Es bestanden folgende Bruderschaften: in Balzers die Mariahilf-<br />
Bruderschaft, in Triesen die Bruderschaften des Rosenkranzes und<br />
des Kirchenpatrons Gallus, in Triesenberg die St. Josephi-Bruderschaft,<br />
in Schaan und Bendern bestanden Rosenkranzbruderschaften,<br />
in Eschen die Bruderschaft des hl. Sebastian. Als «reiche» Bruderschaften<br />
galten die Duxer Kapelle und die St. Annabruderschaft<br />
in Vaduz. Schuppler an HK am 28. Juli 1812. LLA RC 25/21.<br />
24) Dienstinstruktion von 1808, Art. 8 und 9. - Vgl. Kapitel 8.3.<br />
25) Schuppler an den Bischof 13. Februar 1823. LLA RB Fasz. F 3.<br />
26) Circular des OA an die liechtensteinische Geistlichkeit vom<br />
21. 2. 1823. LLA RB Fasz. F 3.<br />
119
auflösbar miteinander verbunden, nur der Tod<br />
konnte sie scheiden. Das kirchliche Recht enthielt<br />
auch in der Frage der Ehehindernisse vom abGB<br />
abweichende Bestimmungen. Nach dem abGB<br />
durften Brautleute näher verwandt sein als nach<br />
dem kanonischen Recht.<br />
Das bischöfliche Ordinariat und der liechtensteinische<br />
Klerus suchten auch gemischte Ehen zu verhindern.<br />
1858 schrieb Landesverweser Menzinger:<br />
«Es bestehen kaum drei Ehen, in welchen die Gattin<br />
der protestantischen Lehre huldigen, aber<br />
selbst diese Frauen leben im Auslande. Gemischte<br />
Ehen werden nur sehr schwer zugelassen, und nur<br />
nach ordinariatischer Genehmigung gegen den gewöhnlichen<br />
Revers die Kinder beiderlei Geschlechts<br />
in der katholischen Religion erziehen zu<br />
lassen.» 27<br />
Unabhängig von den Bestimmungen des abGB bestanden<br />
in Liechtenstein Ehevorschriften, die die<br />
Individuen an die alte Ordnung banden. Die Gemeinden<br />
verlangten, dass jeder Gemeindebürger,<br />
der eine Nichtbürgerin heiratete, diese in den Gemeinde-<br />
und Alpgenossenschaftsverband einkaufen<br />
musste. Das Oberamt erliess 1804 eine Verordnung<br />
über einen «politischen Ehekonsens», wonach<br />
jeder Heiratswillige eine amtliche Heiratsbewilligung<br />
einholen musste. 28<br />
Um diese zu erhalten,<br />
musste er nachweisen, dass er eine Familie ernähren<br />
konnte, was praktisch so gehandhabt wurde,<br />
dass er im Besitz von Haus und Boden sein musste.<br />
Ziel dieser Bestimmungen war es, die Vermehrung<br />
der armen Leute zu verhindern. 1842 wurde diese<br />
Verordnung insofern aufgelockert, als der Besitz eines<br />
Hauses für die Erteilung der Ehebewilligung<br />
nicht mehr nötig war. Die Fähigkeit, eine Familie<br />
ernähren zu können, musste jedoch weiterhin<br />
nachgewiesen werden. 29<br />
Der politische Ehekonsens<br />
entsprach im übrigen durchaus den Interessen der<br />
wohlhabenderen Bevölkerungsschicht, die von einer<br />
unkontrollierten Vermehrung der Armen eine<br />
Verarmung der Gesamtbevölkerung befürchtete.<br />
Noch 1875 verhinderte der Landtag eine ersatzlose<br />
Aufhebung des Ehekonsenses. 30<br />
Die ärmere<br />
Schicht der Bevölkerung suchte den Ehekonsens<br />
dadurch zu umgehen, dass sie sich nach kanoni<br />
120<br />
schem Recht im Ausland trauen Hessen oder dass<br />
sie im Konkubinat zusammenlebten. Gegen Ehen,<br />
die das «liederliche Gesindel» im Ausland schlössen,<br />
ging das Oberamt immer schärfer vor. 1841<br />
erschien eine Verordnung, die bestimmte, dass solche<br />
Ehen «in staatsrechtlicher Hinsicht als völlig<br />
ungültig» angesehen wurden und «erforderlichen<br />
Falls von Obrigkeitswegen getrennt» werden mussten.<br />
31<br />
Von der Kirche und den liechtensteinischen Untertanen<br />
wurde eine Heirat grundsätzlich nicht als zivilrechtlicher,<br />
sondern als kirchlicher Akt eingestuft.<br />
Voraussetzung für die kirchliche Trauung war<br />
ein kirchliches Ehezeugnis, in dem der Ortspfarrer<br />
den Brautleuten bestätigte, dass sie «dem Unterricht<br />
(d.h. der Sonntagsschule, der Verf.) Reissig<br />
beigewohnet, und sich die nothwendigsten Kenntnisse<br />
beygelegt, auch sich bis nun ordentlich, und<br />
christlich betragen haben.» 32<br />
Dass jedes Brautpaar<br />
ein kirchliches Ehezeugnis erhalten musste, wurde<br />
von der staatlichen Behörde nicht bestritten. In einem<br />
Schreiben an den Bischof von Chur erklärte<br />
Schuppler, dass er in diese schon früher der Geistlichkeit<br />
zugestandene Befugnis nicht eingreifen<br />
wolle, wenn vorher jeweils auch die Heiratsbewilligung<br />
der weltlichen Behörde eingeholt werde, obwohl<br />
die Erteilung von Ehebewilligungen in den<br />
meisten Staaten nur eine Angelegenheit der weltlichen<br />
Behörde sei. 33<br />
Die unterschiedlichen Gesetzesbestimmungen zwischen<br />
dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch<br />
und dem kanonischen Recht führten bis etwa 1828<br />
wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen<br />
dem Oberamt in Vaduz und dem bischöflichen Ordinariat<br />
in Chur. 34<br />
Als Pokorny 1827 als Landvogt<br />
nach Vaduz versetzt wurde, bemühte er sich, das<br />
Verhältnis zwischen Staat und Kirche eindeutig zu<br />
regeln. Nach seiner Ansicht war das österreichische<br />
Kirchenrecht auch im Fürstentum Liechtenstein<br />
anzuwenden. Insbesondere sollten auch alle<br />
Ehen, die ohne amtliche Genehmigung nach kanonischem<br />
Recht in Rom geschlossen wurden, für ungültig<br />
erklärt werden und nicht, wie es unter Landvogt<br />
Schuppler üblich war, nachträglich anerkannt<br />
werden. Von der Hofkanzlei und vom Fürsten er-
wartete er klare Anweisungen, wie er sich gegenüber<br />
den Geistlichen zu verhalten habe. 35<br />
Die Antwort der Hofkanzlei macht deutlich, dass<br />
Fürst Johann I. grundsätzlich bereit war, von den<br />
josephinischen Grundsätzen in der Kirchenpolitik<br />
abzugehen. Sie erklärte, Fürst Johann I. habe in<br />
dieser Angelegenheit persönlich entschieden, dass<br />
sie «noch durch ein Jahr zu pausieren» habe, woraus<br />
die Hofkanzlei schloss: «Das fürstliche Oberamt<br />
muss sich daher in diesem Betreffe vor der<br />
Hand als nicht speziell instruiert ansehen.» Erbprinz<br />
Alois habe vorgeschlagen, «dass es gut seyn<br />
möchte, wenn der fürstliche Landvogt einmal<br />
selbst nach Chur fahren und dort bei dem Herrn<br />
Bischof mündlich den Versuch machen würde, ob<br />
es nicht möglich wäre, über alle mit der römischen<br />
Curie strittigen Punkte eine gütliche Vereinigung<br />
oder Concordat, wie man es immer nennen will, zu<br />
Stande zu bringen.» 36<br />
Landvogt Pokorny reiste darauf<br />
nach Chur. Über das Ergebnis seiner Unterredung<br />
mit dem Bischof berichtete er der Hofkanzlei,<br />
der Bischof wolle die im Fürstentum geltenden<br />
österreichischen Gesetze «nur in so weit anerkennen,<br />
als sie den kirchlichen Schriften, den früher<br />
immer geübten bischöflichen Rechten und sonstigen<br />
Übungen nicht entgegen laufen.» Das nach<br />
österreichischen Grundsätzen modifizierte Kirchenund<br />
Eherecht verwerfe er ganz. 37<br />
Unter Fürst Alois II. und Landvogt Michael Menzinger<br />
wurden die Differenzen zwischen Staat und<br />
Kirche schliesslich dadurch beseitigt, dass die<br />
kirchlichen Rechte stillschweigend akzeptiert wurden.<br />
Fürst Alois II. bemühte sich stets um ein gutes<br />
Verhältnis zur Kirche. Anlässlich seines ersten Besuches<br />
im Fürstentum im Jahre 1842 stattete er<br />
auch dem Bischof in Chur einen Besuch ab. Fürst<br />
Alois II. begann auch, sich direkt mit dem Bischof<br />
zu verständigen und nicht mehr auf dem Weg über<br />
das Oberamt in Vaduz. 38<br />
Dass Fürst Alois II. eine<br />
gütliche Verständigung mit dem Bischof anstrebte,<br />
zeigte er in einem persönlichen Schreiben, in dem<br />
er Bischof Caspar de Carl zu seiner Ernennung beglückwünschte.<br />
Alois II. bedankte sich für die ge<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />
neigte Gesinnung des Bischofs und drückte für den<br />
Fall, dass die Interessen beider Seiten bei der Wahrung<br />
ihrer Rechte aufeinanderprallen sollten, die<br />
Hoffnung aus, dass «Worte des Vertrauens verhindern<br />
werden, dass unserm redlichen Zusammenwirken<br />
für das Gute Eintrag gethan werde.» 39<br />
Die Abwendung von den josephinischen Grundsätzen<br />
in der Kirchenpolitik drückte sich auch darin<br />
aus, dass sich Landvogt Menzinger auf den Standpunkt<br />
stellte, das österreichische Kirchenrecht sei<br />
nie «förmlich» in Liechtenstein eingeführt worden.<br />
Aus seiner Sicht war daher das kanonische Recht<br />
nach wie vor gültig. 40<br />
In der Frage der Ehehindernisse<br />
ging man nach kanonischem Recht vor; Ehescheidungen<br />
waren zwar auf Grund des abGB weiterhin<br />
möglich, wurden aber von der Kirche nicht<br />
anerkannt. 41<br />
Peter Kaiser kommentierte 1843 das<br />
27) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />
107/136.<br />
28) Verordnung betr. polit. Ehekonsens vom 14. 10. 1804. Abgedruckt<br />
bei Alois Ospelt, Anhang, S. 70.<br />
29) Verordnung betr. Erteilung von Verehelichungslizenzen vom<br />
12. November 1842. Gedruckt bei Alois Ospelt, Anhang, S. 70.<br />
30) Schädler, Tätigkeit, JBL 1903, S. 20.<br />
31) Verordnung betr. Erteiligung von Verehelichungslizenzen vom<br />
15. Juli 1841. Abgedruckt bei Alois Ospelt, Anhang, S. 79.<br />
32) Oberamtsverordnung vom 10. 2. 1810. LLA RC 86/41.<br />
33) Schuppler an den Bischof von Chur am 2. Mai 1811. LLA RB<br />
Fasz. G 1.<br />
34) Vgl. Malin, S. 61 und Quaderer, S. 123 ff.<br />
35) OA an Fürst am 12. 2. 1828. LLA RC 5/31.<br />
36) HK an OA am 7. April 1828. LLA RC 5/31. - In Österreich wurde<br />
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche erst 1855 durch ein Konkordat<br />
geregelt, wobei der Staat der katholischen Kirche weitgehende<br />
Rechte einr<strong>äu</strong>mte. In Liechtenstein fanden 1858 ebenfalls<br />
Vorarbeiten zu einem Konkordat statt, doch wurde dieses nie abgeschlossen.<br />
37) Pokorny an Fürst am 10. Dezember 1828. LLA RC 5/31.<br />
38) Wille, S. 46.<br />
39) Fürst Alois II. an Bischof Caspar de Carl am 4. Februar 1844.<br />
LLA RC 78/23.<br />
40) Menzinger an Fürst am 24. November 1846. LLA NS.<br />
41) Menzinger an Ignaz Wenzel am 30. September 1858. LLA RC<br />
107/136.<br />
121
neue Verhältnis zwischen Staat und Kirche mit<br />
der Bemerkung, dass «dermals die Fürsten den<br />
Schwarzen gewaltig unterthänig» seien. 42<br />
DIE KIRCHE ALS STAATSERHALTENDER<br />
FAKTOR<br />
Die Geistlichen übten seit alters her in den Gemeinden<br />
öffentliche Funktionen aus, die sie auch im<br />
19. Jahrhundert beibehielten: Sie beaufsichtigten<br />
die Gemeindeschulen und das Gemeindearmenwesen<br />
und führten - seit Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
auch in staatlichem Auftrag - die Tauf-, Heiratsund<br />
Sterbebücher. 43<br />
Die Gemeindepfarrer wurden<br />
vom Oberamt auch mit der Durchführung der<br />
Volkszählung von 1818 beauftragt. In Einzelfällen<br />
wies Landvogt Schuppler die Pfarrer an, amtliche<br />
Verordnungen von der Kanzel kundzumachen -<br />
diese Art der öffentlichen Kundmachungen wurde<br />
aber nie zur Regel. Wie die Gemeindevorsteher erhielten<br />
alle Pfarrer die öffentlichen Kundmachungen,<br />
die sie aufbewahren sollten.<br />
Wie in den Gemeinden nahmen die Geistlichen<br />
auch im Staat eine besondere Stellung ein. Sie bildeten<br />
den «ersten Stand» und konnten drei Vertreter<br />
in den Landtag entsenden. Da mehrere führende<br />
Landtagsabgeordnete Geistliche waren,<br />
konnte die Kirche ihren politischen Einfluss nicht<br />
nur behaupten, sondern im Laufe des 19. Jahrhunderts<br />
sogar noch ausbauen.<br />
Die traditionellen religiösen Bindungen und Glaubensvorstellungen<br />
waren für die Herrschaftssicherung<br />
von grosser Bedeutung. Der liechtensteinische<br />
Partikularismus, der dem Fürstentum in wirtschaftlicher<br />
Hinsicht schwerwiegende Nachteile<br />
brachte, konnte nicht vernunftmässig begründet<br />
werden, sondern nur durch den Glauben an die<br />
Tradition und das Gottesgnadentum. Religiös fundierte<br />
Bindungen stellten etwa die verschiedenen<br />
Treueide bei Beamtenvereidigungen, bei der Erbhuldigung<br />
oder bei der Aufnahme von Hintersassen<br />
in den Untertanenverband dar. Die weltliche<br />
Obrigkeit konnte sich von den religiösen Anschauungen<br />
der Untertanen nicht lösen, ohne sich damit<br />
122<br />
selbst in Frage zu stellen. Wenn der Fürst als Souverän<br />
die Kirchenhoheit beanspruchte, so geschah<br />
dies allein, um seine Rechte zu betonen, Aufsicht<br />
über die katholische Kirche konnte er nicht ausüben,<br />
solange die Normen dieser Institution als<br />
gottgewollt und unverändbar erschienen. Die grundsätzliche<br />
Übereinstimmung zwischen weltlicher<br />
und geistlicher Obrigkeit kam darin zum Ausdruck,<br />
dass bis zur beginnenden Industrialisierung alle<br />
Nichtkatholiken prinzipiell vom liechtensteinischen<br />
Staatsgebiet ferngehalten wurden. Zu der öffentlich<br />
bekanntgemachten Verordnung von 1843 über die<br />
Aufnahme von Ausländern in den liechtensteinischen<br />
Untertanenverband 44<br />
erschien eine geheime<br />
«Separativ-Instruktion», die sich «im Ergebnis ausdrücklich<br />
gegen die Zulassung benachbarter andersgl<strong>äu</strong>biger<br />
Schweizer» 45<br />
richtete. Bezeichnend<br />
für die Stellung der Kirche ist der Umstand, dass<br />
die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht einmal<br />
in die verschiedenen Verfassungsentwürfe von<br />
1848 aufgenommen wurde, während alle anderen<br />
Grundrechte nach dem Vorbild der andern deutschen<br />
Staaten gefordert wurden. 46<br />
Da die staatliche Gewalt zur Aufrechterhaltung der<br />
Sitten und Ordnung in den Gemeinden nicht ausreichte,<br />
kam der Kirche in diesem Bereich eine<br />
wichtige Rolle zu. Dass die staatlichen Ordnungsvorstellungen<br />
mit der katholischen Sittenlehre<br />
weitgehend identisch waren, geht etwa aus folgendem<br />
Circular des Oberamtes an die Geistlichkeit<br />
hervor: «Das Amt hat sich leider sattsam überzeugt,<br />
dass unter der mannbaren ledigen Jugend<br />
dieses Fürstenthums die Unzucht und das Sittenverderbniss<br />
so über Hand genommen hat, dass selten<br />
Brautleute zu einander kommen, die nicht<br />
schon früher sträflichen fleischlichen Umgang miteinander<br />
gepflogen und sich dergestalten verfehlt<br />
haben, dass sie vor der Ehe bereits schwanger geworden<br />
ist.» Die Geistlichen sollten der Jugend vermehrt<br />
ins Gewissen reden, das Oberamt wollte<br />
schwangeren Frauen keine politische Heiratsbewilligung<br />
mehr erteilen. 47<br />
Herbert Wille stellt in seiner Arbeit über das Verhältnis<br />
von Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein<br />
fest, dass der Staat zahlreiche Aufgaben
der Kirche übertrug. Der Staat «erblickte in der Religion<br />
und christlichen Sittenlehre das sicherste<br />
Fundament der staatlichen Ordnung und stellte<br />
deshalb die Kirche als der autoritativen Vermittlerin<br />
dieser sittlichen Prinzipien unter seinen Schutz.<br />
Sie ist als Erziehungsanstalt des Staates beauftragt<br />
mit der Heranbildung guter Untertanen.» 48<br />
42) Peter Kaiser in seinem Exposee über die liechtensteinischen<br />
Staatsregalien vom 30. November 1843. LLA Peter Kaiser-Akten. -<br />
Vgl. auch Quaderer, S. 131.<br />
43) Dass die Geistlichen explizit in staatlichem Auftrag handelten,<br />
geht daraus hervor, dass Landvogt Pokorny den Ortspfarrern Anweisungen<br />
gab, wie sie die Register zu führen hatten. Er forderte die<br />
Geistlichen zu vermehrter Ordnung auf, weil ihre Register die Privatrechte<br />
der Untertanen bestimmten. Circular des OA an die Geistlichen<br />
von 1828. LLA RC 4/14. Die Taufregister galten zugleich als<br />
Geburtsregister.<br />
44) Verordnung vom 15. 1. 1843. - Abgedruckt bei Alois Ospelt,<br />
Anhang, S. 94 ff.<br />
45) Wille, S. 43.<br />
46) ebda. S. 88.<br />
47) Circulare vom 31. Oktober 1812. LLA RB Fasz. P.<br />
48) Wille, S. 45.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
VERHÄLTNIS STAAT - KIRCHE / PAUL VOGT<br />
123
Zusammenfassung<br />
Das Hauptinteresse dieser Arbeit galt der Frage,<br />
wo und wie die staatliche Verwaltung «modernisiert»<br />
wurde: Wie wurde die Verwaltung organisatorisch<br />
erneuert? Wo versuchte die Obrigkeit, Impulse<br />
für eine Modernisierung zu geben und die<br />
Einbindung der Individuen in die nach altem Herkommen<br />
und ständischem Recht geordneten Lebensgemeinschaften<br />
zu lösen, wo hielt sie diese<br />
Bindungen aufrecht?<br />
Der bedeutendste Schritt auf dem Weg zu einem<br />
«modernen Staat» bestand zweifellos darin, dass<br />
das Fürstentum 1806 die formelle Souveränität erlangte.<br />
Dieser Schritt erfolgte im Rahmen des Zusammenbruchs<br />
der alten politischen Ordnung in<br />
Europa und konnte vom Fürstentum nicht beeinflusst<br />
werden. Die Souveränität bildete den Ausgangspunkt<br />
für eine Neuverteilung der Rechte und<br />
Pflichten zwischen Volk und Fürsten: Souverän,<br />
dem alle Hoheitsrechte zustanden, war der Fürst.<br />
Alle staatliche Macht ging von ihm aus, die landschaftliche<br />
Selbstverwaltung wurde beseitigt. Die<br />
Kosten der obrigkeitlichen Verwaltung, insbesondere<br />
die Besoldungen der fürstlichen Beamten,<br />
wurden nun als Staatsaufgaben angesehen und als<br />
solche auf die Untertanen überwälzt. Um die Souveränität<br />
nach aussen glaubwürdig vertreten zu<br />
können, musste das Fürstentum neue Staatsaufgaben<br />
- den Unterhalt einer Gesandtschaft am Bundestag,<br />
die Errichtung einer dritten Gerichtsinstanz<br />
und die Aufstellung eines Militärkontingents -<br />
übernehmen, was die Schaffung von neuen Einahmen<br />
zur vordringlichen Aufgabe werden Hessen.<br />
Diese Finanzreform bestand einerseits in der Erhöhung<br />
der direkten Steuern und andererseits in der<br />
Einführung neuer Gebühren sowie der Erhöhung<br />
alter Abgaben.<br />
Die Behauptung der Souveränität nach innen verlangte<br />
eine Beseitigung des alten Rechts. Die mannigfaltigen<br />
alten Gebr<strong>äu</strong>che und Gewohnheiten<br />
Hessen sich in vielen Fällen nicht vernunftmässig<br />
begründen und sollten daher durch zweckmässige<br />
Gesetze ersetzt werden. Von besonderer Bedeutung<br />
war die Reform der Justizgesetzgebung, durch die<br />
vermehrte Rechtssicherheit geschaffen wurde.<br />
Grundsätzlich wurde dabei die österreichische Ge<br />
124<br />
setzgebung für das Fürstentum übernommen, die<br />
in vielen Bereichen auf eine Lösung der alten ständischen<br />
Bindungen hin tendierte und die Sicherung<br />
des Privateigentums als wichtiges Ziel anstrebte.<br />
Neben diesen «Modernisierungserscheinungen»<br />
muss aber auch das Bewahren der Tradition betont<br />
werden: Die fürstliche Verwaltung wies unübersehbar<br />
patrimoniale Züge auf. Die innere Verwaltung<br />
des Fürstentums war grundsätzlich gleich organisiert<br />
wie die Verwaltung irgendeiner fürstlichen<br />
Herrschaft. Die Verwaltung war streng zentralisiert,<br />
das Oberamt hatte in allen wichtigen Angelegenheiten<br />
die Anweisungen der fürstlichen Hofkanzlei<br />
in Wien oder des Fürsten einzuholen. Das<br />
Fürstentum sollte nicht nur ein «Honorifikum» darstellen,<br />
das dem regierenden Fürsten den Rang eines<br />
souveränen Fürsten sicherte, sondern es sollte<br />
auch einen möglichst hohen Nutzen für die fürstlichen<br />
Renten abwerfen. Die wichtigsten Regalien,<br />
insbesondere die Zoll-, Weg- und Umgelder, wurden<br />
als fürstliche Privatrechte behauptet und erst<br />
1848 zu Staatseinnahmen erklärt. Die fürstlichen<br />
Beamten fühlten sich nicht einer abstrakten Staatsinstitution<br />
verpflichtet, ihr Dienstverhältnis hatte<br />
vielmehr den Charakter einer persönlichen Dienertreue.<br />
Die Beamten wurden grösstenteils aus den<br />
fürstlichen Herrschaftsbeamten rekrutiert, vom<br />
Fürsten persönlich ernannt und auf ihn vereidigt.<br />
Das Oberamt in Vaduz war wie die liechtensteinischen<br />
Herrschaftsämter in Niederösterreich, Böhmen<br />
oder Mähren organisiert, die in der Lokalverwaltung<br />
im Vormärz öffentliche Funktionen wahrnahmen.<br />
Das Oberamt war die einzige staatliche<br />
Behörde im Fürstentum und hatte alle Angelegenheiten<br />
der inneren Verwaltung des Landes zu besorgen.<br />
Das Muster der fürstlichen Herrschaftsämter<br />
liess die Errichtung eines Grundbuchamtes, eines<br />
Waisenamtes usw. als wichtige staatliche Aufgaben<br />
erscheinen, während das Handeln in andern<br />
Bereichen vornehmlich nichtstaatlichen Institutionen<br />
überlassen wurde. Die angespannte Finanzlage<br />
des Fürstentums führte dazu, dass der Aufwand<br />
für die Verwaltung möglichst klein gehalten
wurde. Die Zahl der Beamten wurde auf ein Minimum<br />
beschränkt. Im Schul- und Armenwesen übte<br />
die Kirche wichtige Funktionen aus. Die Geistlichen<br />
führten die Zivilstandsmatrikel und ersetzten in<br />
den Gemeinden die staatliche Polizeiaufsicht. Die<br />
Rheinwuhrbauten und die Entwässerung der Talebene<br />
als wichtigste Aufgaben der Landeskultur<br />
wurden den Gemeinden überlassen. Die Obrigkeit<br />
begnügte sich damit, entsprechende Vorschriften<br />
zu erlassen.<br />
Wenn einerseits der patrimoniale Charakter der<br />
Verwaltung betont wird, so dürfen doch auch andererseits<br />
Entwicklungen nicht übersehen werden,<br />
die eine zunehmende Bürokratisierung beinhalteten:<br />
Durch die Einrichtung einer Kanzlei wurde für<br />
die Beamten eine Trennung von Privat- und Amtsphäre<br />
vorgenommen. Die Beamten erhielten zunehmend<br />
genauere Dienstanleitungen und genauer<br />
umschriebene Aufgabenbereiche. Auf Schriftlichkeit<br />
und Aktenmässigkeit der Verwaltung legte die<br />
Hofkanzlei grössten Wert. Weiter ist festzuhalten,<br />
dass das Verwaltungsrecht zunehmend durch Verordnungen<br />
und Gesetze geregelt wurde, die das<br />
freie Ermessen und das Zweckmässigkeitsempfinden<br />
der Beamten einschränkten.<br />
Die Legitimation der Stellung des Landesfürsten<br />
beruhte weitgehend auf dem Glauben, dass in der<br />
Welt eine natürliche Ordnung vorgegeben war. Die<br />
Versuche, die Macht des Fürsten mit der «landesväterlichen<br />
Fürsorge für das Wohl der Untertanen»<br />
zu begründen, stellten zwar einen Versuch zu einer<br />
vernunftmässigen Begründung der Vorrechte des<br />
Fürsten dar, doch erreichten diese Versuche nie<br />
den gewünschten Erfolg. Die Unruhen von 1831<br />
und 1848 zeigten, dass die Untertanen zwar nicht<br />
am «landesväterlichen Wohlwollen» zweifelten,<br />
wohl aber an der Aufrichtigkeit der Beamten.<br />
Als entscheidender Faktor für die politische Entwicklung<br />
im Fürstentum Liechtenstein stellte sich<br />
schliesslich die politische Entwicklung in Österreich<br />
heraus. Die Fürsten gingen bei ihren Entscheidungen<br />
stets von den österreichischen Verfassungs-<br />
und Verwaltungsgrundsätzen aus. Der<br />
Übergang zu einer konstitutionellen Verfassung<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ZUSAMMENFASSUNG / PAUL VOGT<br />
wurde 1862 erst möglich, als in Österreich die Entscheidung<br />
zu diesem Schritt grundsätzlich gefallen<br />
war.<br />
125
Anhang:<br />
Biographische Angaben zu den<br />
Beamten<br />
Johann Bachör — J O H A N N BACHÖR<br />
126<br />
wurde am 26. August 1812 in Neuschloss auf der<br />
liechtensteinischen Herrschaft Aussee in Mähren<br />
geboren. Sein Vater stand ebenfalls in liechtensteinischem<br />
Dienst (u.a. Buchhaltungsoffizial in<br />
Butschowitz). Bachör besuchte die deutsche Schule,<br />
die Grammatikalklasse und die «Humanitätsklassen»<br />
(Gymnasium) und trat am 31. Dezember<br />
1831 als Praktikant in den fürstlichen Dienst ein.<br />
Seit dem 1. Januar 1839 arbeitete er auf verschiedenen<br />
Herrschaften als Amtsschreiber. 1854 reiste<br />
er mit dem Buchhalter Sautschek als Hilfsbeamter<br />
nach Vaduz, um die Missstände beim Rentamt zu<br />
untersuchen. Dort wurde er auf den 1. Oktober<br />
1854 als Landeskassen- und Fondsverwalter angestellt,<br />
am 1. Oktober 1857 wurde ihm auch die Verantwortung<br />
für die Rentkasse übertragen. Am<br />
1. März 1863 wurde er als Majoratshauptkassier<br />
nach Wien versetzt. - Da Bachör als Praktikant keine<br />
Besoldung erhielt und als Amtsschreiber wenig<br />
verdiente, konnte er erst spät heiraten. 1852 heiratete<br />
er Maria Pink, die Tochter eines Tabakverlegers<br />
in Aussee. Dieser Ehe entstammten vier Kinder,<br />
wovon drei in Vaduz geboren wurden.<br />
(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 31. 12.<br />
1854, vom 31. 12. 1860 und 31. 12. 1870 - LLA RC<br />
69/16 und 104/132)<br />
SEBASTIAN DÜNSER<br />
wurde am 21. März 1806 in Fraxern (Vorarlberg)<br />
geboren. Sein Vater Franz Josef Dünser war beim<br />
k.k. Landgericht in Fraxern beschäftigt. Dünser besuchte<br />
die Volksschule (bis 1819), die Grammatikalklasse<br />
(bis 1822), die Humanitätsklassen (bis 1824)<br />
und studierte in Innsbruck Philosophie (bis 1826).<br />
1828 bis 1833 war er provisorisch als Lehrer und<br />
Organist in Schaan angestellt, von 1833 bis 1. September<br />
1836 definitiv. Dünser erwarb 1832 das<br />
Bürgerrecht in Schaan. 1833 heiratete er Agathe<br />
Walser aus Schaan. Seit 1833 leistete er gelegentlich<br />
für den Rentmeister Schreibarbeiten, wobei er
von diesem persönlich bezahlt wurde. Seit dem<br />
1. September 1836 arbeitet er als provisorischer<br />
Kanzlist beim Oberamt, auf den 1. Januar 1838<br />
wurde seine Anstellung in eine definitive umgewandelt,<br />
Er litt an «Zehrfieber» und starb am<br />
4. Januar 1844. Bei seinem Tod hinterliess er sechs<br />
Kinder. Als Beamter wurde Dünser als treu, schnell<br />
und moralisch gelobt, ein besonderer Vorzug bestand<br />
darin, dass er «liechtensteinisch» lesen und<br />
verstehen konnte.<br />
(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12.<br />
1842 und Conduitliste von 1841. - LLA RC 52/8,<br />
65/10 und 81/13)<br />
ANDREAS FALK<br />
wurde 1817 als Sohn eines «nicht ganz armen Bauersmann»<br />
in Vaduz geboren. 1837 wurde er durch<br />
das Los ins fürstliche Reservekorps bestimmt, wo<br />
er als Schreiber verwendet wurde. Anschliessend<br />
besuchte er zwei Jahre die Kantonsschule in Disentis<br />
und belegte darauf zwei Kurse an der polytechnischen<br />
Schule in München. Er musste aber sein<br />
Studium aus Geldmangel unterbrechen und suchte<br />
1844 nach dem Tod Sebastian Dünsers vergeblich<br />
um die Kanzlistenstelle an. Falk wurde Lehrer in<br />
Schaan. 1849 wurde er in den Landrat gewählt.<br />
Beim Oberamt (bzw. Regierungsamt) wurde er seit<br />
1835 wiederholt als Aushilfsschreiber (Diurnist)<br />
beschäftigt. Von 1853 bis 1856 wurde er ununterbrochen<br />
als Diurnist beim Regierungsamt eingesetzt.<br />
Falk wurde schliesslich auf den 1. November<br />
1856 als Amtsschreiber (oder Kanzlist) angestellt.<br />
Er hatte Abschriften zu besorgen und die Registratur<br />
zu führen. Am 1. Januar 1860 wurde er Grundbuchführer.<br />
- Falk war Bürger von Schaan und mit<br />
Salomea, geb. Walser verheiratet. Die Ehe blieb<br />
kinderlos. Verheiratete wurden normalerweise<br />
nicht als Amtsschreiber beschäftigt.<br />
(Diverse Schreiben in den Fasz. 73/2, 87/31, 99/1<br />
104/277, LLA RC; siehe auch LLA SF Staatsbeamte<br />
«Nationale» vom 31. 12. 1860)<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
127
JOHANN JOSEPH GOLDNER<br />
wurde am 23. Juli 1769 in Stahler bei Bludenz<br />
(Vorarlberg) geboren. Er bezeichnete sich als Lehrer<br />
für die k. k. Normalschule. 1794 bis 1801 war er<br />
Amtsschreiber in Vaduz. Während der Napoleonischen<br />
Kriege will er 1799 und 1800 zweimal die<br />
fürstlichen Rentgelder und die Registratur unter<br />
Lebensgefahr vor den Franzosen gerettet haben.<br />
1801 heiratete er Maria Anna Wolf, die Tochter des<br />
verstorbenen Hauptzollers Karl Wolf. Dieser war<br />
unter der Bedingung, «dass sie binnen 6 Monaten<br />
ein diensttaugliches Subject eheliche», der Dienst<br />
des Hauptzollers verliehen worden. Goldner versah<br />
darauf von 1801 bis 1816 den Hauptzolleinnehmerdienst.<br />
1809 wurde ihm die Besoldung im Zuge der<br />
Reformen wesentlich gekürzt (neben einem fixen<br />
Gehalt von 200 Gulden erhielt er nur noch 272%<br />
statt wie bisher 5% an den Zolleinnahmen). Auf<br />
den 1. September 1816 wurde er Rentschreiber<br />
und Grundbuchführer. Da er dieser Aufgabe in keiner<br />
Weise gewachsen war, wurde er auf den<br />
1. April 1825 pensioniert. Die Verluste, die den<br />
fürstlichen Renten entstanden, musste er teilweise<br />
aus seinem Vermögen decken. Nach seiner Pensionierung<br />
lebte er als Kleinbauer in Schaan und verdiente<br />
sich durch gelegentliche Schreibarbeiten -<br />
er verfertigte etwa Eingaben der Untertanen an das<br />
Oberamt - etwas Geld. Er starb am 22. Mai 1846.<br />
(LLA RC 65/10 Conduitliste von 1822. LLA RB Fasz.<br />
B 3 und R 1 diverse Akten; Unterstützungsgesuch<br />
Goldners vom 26. 10. 1827 LLA RC 5/25; Bittgesuch<br />
Goldners vom 3. 5. 1831 LLA RC 28/10; Unterstützungsgesuch<br />
der Witwe Goldner LLA RC<br />
87/29; Tschugmell, Beamte S. 53 und 62)<br />
JOSEPH GROSS<br />
wurde am 13. Oktober 1805 in Rowersdorf in Hotzenplotz<br />
(Schlesien) geboren. Sein Vater war Erbrichter<br />
in Rowersdorf. Er besuchte die Humanitätsklassen<br />
(Gymnasium) und anschliessend einen<br />
zweijährigen Lehrgang an der Forstanstalt Maria<br />
128<br />
brunn, den er 1825 mit einem Zeugnis über Kenntnisse<br />
in Forstwissenschaft, Geometrie, Mappierung<br />
und Planzeichnen abschloss. Am 1. Februar 1825<br />
trat er als Praktikant beim Forstamt Sternberg<br />
in liechtensteinische Dienste. Am 1. Januar 1827<br />
wurde er Forstschreiber in Sternberg, am 1. Mai<br />
1828 Revierjäger in Jägerndorf. Auf den 1. Juli<br />
1838 wurde er als «Gehegbereiter» nach Vaduz<br />
versetzt. Seine wiederholten Gesuche um Versetzung<br />
auf eine andere Herrschaft - begründet wurden<br />
sie vor allem mit mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten<br />
für seine Söhne - führten zu seiner<br />
Beförderung zum «Rechnungsführenden Gehegbereiter»<br />
(1. Januar 1841) und «Waldbereiter» (1. Februar<br />
1847). Nach der Vertreibung des Kanzlisten<br />
Langer bei den Unruhen im Jahre 1848 flüchtete er<br />
am 17. April mit seiner Familie nach Buchs. Im Mai<br />
1848 wurde die Versetzung des Waldbereiters auf<br />
eine andere Herrschaft angeordnet, doch bat nun<br />
die Gemeinde Schaan, für die Gross damals Arbeiten<br />
ausführte, seine Abreise um mindestens einen<br />
Monat zu verschieben. Menzinger versicherte Fürst<br />
Alois IL, dass diese Gemeinde nichts gegen Gross<br />
unternommen habe, sondern dass sie bei den Unruhen<br />
der Balzner und Vaduzner vielmehr «zum<br />
Schutze des Waldbereiters jenen Abend mit ungefähr<br />
200 Mann vor sein Haus aufgezogen» sei.<br />
Gross verliess Vaduz am 14. Juni 1848 und ging als<br />
Waldbereiter auf die Herrschaft Plumenau. Am<br />
1. November 1851 wurde er zum Bezirksforstmeister<br />
für Schwarzkosteletz befördert. - Die Anstellung<br />
von Gross bedeutete für Liechtenstein den<br />
Übergang zu einer gezielten Bewirtschaftung der<br />
obrigkeitlichen und Gemeindewälder, u.a. arbeitete<br />
Gross auch die Waldordnung vom 1. August<br />
1842 aus. Gross war auch als Strasseninspektor tätig<br />
und erhielt nach dem Rheineinbruch von 1846<br />
alle technischen Arbeiten (insbesondere auch die<br />
Aufsicht über die Wuhrbauten) zugewiesen. Wie<br />
die Vorkommnisse von 1848 zeigen, fand er bei der<br />
Bevölkerung wenigstens eine teilweise Anerkennung<br />
seiner Leistungen. Gross war zweimal verheiratet,<br />
1827 heiratete er Wilhelmine Folgner, die<br />
Tochter eines «k.k. Zollamts Controlleurs» in Zablunkau,<br />
die am 2. November 1839 am Kindbettfie-
er verstarb. Am 13. November 1842 heiratete er<br />
deren Schwester Juliana. Insgesamt hatte er 14<br />
Kinder. Drei Söhne waren 1851 ebenfalls in den<br />
liechtensteinischen Dienst eingetreten, vier dienten<br />
im Militär. Damit seine Söhne während seiner<br />
Dienstzeit in Vaduz in Feldkirch das Gymnasium<br />
besuchen konnten, verlegte er seinen Wohnsitz<br />
zeitweise nach Feldkirch.<br />
(LLA SF «Nationale» vom 31. 12. 1851; LLA RC<br />
58/2, 65/5, 73/12, 83/58)<br />
JOSEPH ERNST HASSUR<br />
wurde am 2. Februar 1803 in Weitersfeld auf der<br />
Herrschaft Bautzendorf in Niederösterreich geboren.<br />
Sein Vater Gabriel Hassur war Forstmeister<br />
auf der Herrschaft Nikolsburg (im Besitz des Fürsten<br />
Dietrichstein). Hassur besuchte die deutsche<br />
Schule, die Grammatikalklassen und die Humanitätsklassen.<br />
Er sprach Deutsch, Latein und Böhmisch.<br />
Seit dem 1. Mai 1820 war er als Amtsschreiber<br />
auf verschiedenen liechtensteinischen Herrschaften<br />
in fürstlichem Dienst. Auf den 1. November<br />
1836 wurde er zum Grundbuchführer in Vaduz<br />
befördert. Bis 1848 war er zugleich Hauptzolleinnehmer.<br />
Er wurde am 1. Januar 1860 aus Gesundheitsgründen<br />
pensioniert und starb am 22. Dezember<br />
1860. - Hassur heiratete 1839 Josepha<br />
Langenstein, die Tochter eines vermögenden Bürgers<br />
aus Konstanz. Bei seinem Tod hinterliess er<br />
drei Kinder. Er war einer der wenigen aus Österreich<br />
stammenden Beamten, die (aus familiären<br />
Gründen) nicht ungern in Vaduz weilten und eine<br />
Versetzung nur dann gewünscht hätten, wenn sie<br />
mit einer Beförderung verbunden gewesen wäre.<br />
Hassur hatte eine offenbar schwache Gesundheit<br />
(u. a. fehlten ihm auch zwei vordere Zähne im Unterkiefer)<br />
und galt deshalb als ungeeignet für das<br />
Militär.<br />
(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12.<br />
1842 und Conduitliste von 1839; LLA RC 55/17,<br />
56/32, 60/14)<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
129
MARKUS KESSLER<br />
wurde am 15. März 1823 in Trillfingen im Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen geboren. Er besuchte<br />
das Gymnasium in Hedingen und absolvierte<br />
anschliessend philosophische und juristische<br />
Studien in München, Tübingen und Heidelberg.<br />
1848 legte er eine «Staatsprüfung in Justiz und<br />
Verwaltungsfache» nach den im Fürstentum Sigmaringen<br />
gültigen Vorschriften ab. Anschliessend<br />
trat er eine Stelle als Rechtspraktikant an. Ein alter<br />
Universitätsfreund Michael Menzingers empfahl<br />
diesem Kessler, worauf Kessler vom 13. Oktober<br />
1851 bis zum 31. März 1856 als Amtsschreiber in<br />
Vaduz angestellt wurde. Im Dezember 1853 legte<br />
Kessler die österreichische Richteramtsprüfung<br />
beim Oberlandesgericht in Innsbruck ab. Am<br />
1. April 1856 wurde Kessler zum Regierungsamtsadjunkt<br />
befördert. In dieser Funktion hatte er auch<br />
den Landesverweser in dessen Abwesenheit zu<br />
vertreten. Von 1863 bis 30. September 1877 war er<br />
Landrichter in Vaduz. Kessler war auch von 1863<br />
bis 1875 Mitglied des liechtensteinischen Landtages.<br />
1877 zog er nach Sigmaringen, wo er zum<br />
Bürgermeister gewählt worden war. Dort starb er<br />
am 19. Dezember 1880. - Privat war Kessler mit<br />
dem Landesverweser eng verbunden, dessen älteste<br />
Tochter Anna er im Mai 1857 heiratete. Kessler<br />
verstand sich auch mit den Einheimischen gut.<br />
Menzinger charakterisierte ihn folgendermassen:<br />
«Er ist gebildet, ernst, nüchtern, weiss sein Ansehen<br />
zu behaupten, und hat sich die Achtung und<br />
Zuneigung erworben, was hierzulande nicht so<br />
leicht geht.» (Menzinger an Fürst am 31. Oktober<br />
1854 LLA RC 99/1) Albert Schädler billigte ihm zu,<br />
dass er «durch umfassende Kenntnisse auf hündischem<br />
und volkswirtschaftlichem Gebiete dem<br />
Lande hervorragende Dienste» geleistet habe.<br />
(Albert Schädler, Tätigkeit des liechtensteinischen<br />
Landtages, JBL 1903, S. 37. - LLA SF Staatsbeamte<br />
«Nationale» vom 31. 12. 1860; LLA RC 69/11 und<br />
99/1)
JOHANN LUDWIG KIRCHTHALER<br />
wurde 1773 oder 1774 geboren. Er stammte aus<br />
Schwaben und war von 1801 bis 1808 Amtsschreiber<br />
in Vaduz. Anlässlich der Reorganisation des<br />
Oberamtes von 1808 wurde er entlassen. Vom<br />
1. September 1816 bis zu seinem Tod am 4. Juni<br />
1819 war er erneut Amtsschreiber. - Der Umstand,<br />
dass er bei seiner Anstellung 1816 bereits verheiratet<br />
war und mehrere Kinder hatte, ist für einen<br />
Amtsschreiber ungewöhnlich.<br />
(LLA RB Fasz. B 3 diverse Akten, Tschugmell S. 54)<br />
JOHANN LANGER<br />
wurde 1820 auf der liechtensteinischen Herrschaft<br />
Landskron in Böhmen geboren. Sein Vater war Seifensieder.<br />
Er besuchte die deutsche Schule, die<br />
Grammatikalklassen und die Humanitätsklassen,<br />
die er aber vermutlich nicht abschloss. Er erlernte<br />
während drei Jahren das Maurerhandwerk in<br />
Landskron und arbeitete anschliessend als Praktikant<br />
vier Jahre beim Baubezirksamt Neuschloss<br />
und dann zwei Jahre beim Baubüro in Wien. Als in<br />
Vaduz ein Kanzlist mit technischen Fähigkeiten gesucht<br />
wurde, meldete er sich für diese Stelle und<br />
wurde auf den 1. April 1844 angestellt. Da er bei<br />
der Durchführung von amtlichen Aufträgen (besonders<br />
bei der Aufsicht über Wuhr- und Strassenbauten)<br />
durch sein barsches Auftreten den Unmut der<br />
Untertanen erregte, wurde er 1848 durch einen<br />
«Revolutionszug» mit Trommeln und Pfeifen an die<br />
Landesgrenze gestellt. Er wurde darauf als Aushilfsschreiber<br />
auf der Herrschaft Hohenstadt in<br />
Mähren angestellt. Langer galt als eine der schillerndsten<br />
Figuren unter den Beamten des 19. Jahrhunderts.<br />
Sein Verhalten im Dienst gab Landvogt<br />
Menzinger keinen Anlass zur Klage, hingegen war<br />
sein sittliches Betragen 1845 so anstössig, dass<br />
dem Landvogt eine baldige «Transferierung» als<br />
«sehr wünschbar» erschien. Was der Landvogt<br />
dem Kanzlisten genau vorzuwerfen hatte, geht aus<br />
den Akten nicht hervor. David Rheinberger be-<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
131
Franz Xaver Menzinger<br />
Johann Michael Menzinger<br />
132<br />
schreibt Langer mit folgenden Worten: «Er war ein<br />
unverschämter, arroganter und gewaltthätiger Bursche,<br />
voll Hochmuth und Eigendünkel und dabei<br />
ein ganz leerer Kopf, der sich überall verhasst<br />
machte, nur bei der Gnädigen (Frau Landvogt)<br />
nicht, wo er täglich zum Handkuss erschien und<br />
den fleissigen Zuträger machte.» Von Gustav Alfons<br />
Matt wird er als «Musterbeispiel jener Gattung von<br />
Staatsbeamten» dargestellt, «die ebenso herrisch<br />
nach unten wie unterwürfig nach oben sich gebärdeten.»<br />
Langer scheint durch unüberlegte Aussprüche<br />
wiederholt den Zorn der Untertanen erregt zu<br />
haben.<br />
(Conduitlisten von 1844 und 1845; LLA RC 52/8. -<br />
David Rheinberger, Notizen aus der Zeit und dem<br />
Leben unserer Voreltern. Gustav Alfons Matt, Der<br />
Trümmelihans von Balzers. Geiger, Geschichte des<br />
Fürstentums Liechtenstein S. 75/76)<br />
FRANZ XAVER MENZINGER<br />
wurde am 1. Juni 1740 in Möskirch als Sohn eines<br />
Kastenvogts und Amtmannes geboren. Vom 20. Dezember<br />
1788 bis 1. Oktober 1808 war er Landvogt<br />
in Vaduz. Menzinger starb am 29. April 1809 in<br />
Feldkirch. Er war verheiratet mit Maria Theresia<br />
von Stubenrauch, der Tochter eines kaiserlichen<br />
Reichshofratsagenten, die am 20. Oktober 1805<br />
starb. - Franz Xaver Menzinger wurde von seinen<br />
Zeitgenossen völlig unterschiedlich beurteilt: Der<br />
Amtsbot Johann Rheinberger bezeichnete ihn -<br />
und damit gab er wohl eine unter den Untertanen<br />
nach 1808 weit verbreitete Ansicht wieder - als einen<br />
«in jeder Hinsicht kenntnisvollen und ebenso<br />
gerechten Mann» (S. 234). Menzinger kannte die<br />
alten Rechte ausgezeichnet und brachte ihnen, obwohl<br />
er sie in manchen Fällen als schädlich für das<br />
Gesamtwohl ansah, einigen Respekt entgegen. Hofrat<br />
Georg Hauser hingegen beschrieb ihn als «einen<br />
alten decrepiten verdrüsslichen Mann, der im<br />
Jahr wenig seine Stube und Ofen verlässt, und verglichen<br />
mit den unwissendsten unserer Beamten<br />
noch ein Tiro ist». Er halte das Fürstentum «nur
für ein Honorificum, und also nicht für nöthig, dass<br />
es auch Nutzen tragen solle - daher wird Niemand<br />
zur Zahlung angehalten.» Diese Beurteilung durch<br />
einen Beamten der Hofkanzlei führte 1808 auch<br />
zur Pensionierung.<br />
(Moritz Menzinger, Die Menzinger in Liechtenstein.<br />
In: JBL 1913. S. 33 ff. Malin S. 45/46. - Georg Hauer,<br />
Landesbeschreibung 1808. Johann Rheinberger:<br />
Politisches Tagebuch. In: JBL 1958. S. 227 ff. )<br />
JOHANN MICHAEL MENZINGER<br />
wurde am 2. Dezember 1792 in Vaduz als Sohn des<br />
Landvogts Xaver Menzinger geboren. Er besuchte<br />
das Gymnasium in Feldkirch. Anschliessend studierte<br />
er Rechtswissenschaft in Freiburg und Tübingen<br />
und legte die für die österreichischen k.k.<br />
Staaten nötigen Prüfungen in Kriminal- und Zivilrecht<br />
ab. Am 25. Januar 1821 begann er seinen<br />
Dienst als Auditoriatskandidat im k. k. österreichischen<br />
Militär, am 1. Dezember 1821 wurde er Auditor.<br />
1833 suchte er beim Fürsten um das Amt des<br />
Landvogts in Vaduz an, ohne je zuvor in liechtensteinischen<br />
Diensten gewesen zu sein. Da das Fürstentum<br />
von den fürstlichen Herrschaftsbeamten<br />
«als eine Art Exil» (Moritz Menzinger) angesehen<br />
wurde, erhielt Menzinger in Erinnerung an seinen<br />
Vater diese Stelle. Er wurde auf den 1. Juli 1833 ernannt,<br />
traf aber erst am 5. September in Vaduz ein,<br />
wo er am 7. September 1833 vereidigt und den Gemeindevorstehern<br />
und Geistlichen vorgestellt wurde.<br />
1848 wurde das Amt des Landvogts in Landesverweser<br />
umbenannt. Menzinger wurde am<br />
15. März 1861 pensioniert und zog darauf nach<br />
München. Im Mai 1864 übersiedelte er nach Überlingen<br />
am Bodensee, wo er am 5. September 1877<br />
starb. - Menzinger heiratete 1832 Luise Schreiber,<br />
die Toch-ter eines k. k. österreichischen Oberarztes<br />
Johann Baptist Schreiber. Aus dieser Ehe gingen<br />
mehrere Kinder hervor. Menzinger besass offenbar<br />
nur wenig Vermögen, er konnte jedenfalls die vorgeschriebene<br />
Dienstkaution nicht «ohne besondere<br />
Vermögensnachteile» leisten und wurde deshalb<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
~ 7 ~
noch Jahre nach seiner Anstellung gemahnt. Von<br />
David Rheinberger wurde Menzinger folgendermassen<br />
beurteilt: «... an und für sich ehrlich, war<br />
er aber ein schwacher, unselbständiger Mann, der<br />
nach der Pfeiffe seiner Frau tanzte.» Diese Beurteilung<br />
dürfte von einer gegenseitigen Abneigung der<br />
beiden Beamten geprägt sein. Von seinem Sohn<br />
Moritz wurde Menzinger als «liberal» eingestuft.<br />
Nach dieser Quelle soll Menzinger der «Revolutionsricherei»<br />
abgeneigt gewesen sein.<br />
(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12.<br />
1842, und 31. 12. 1860, Conduitliste 1835, LLA RC<br />
31/15, 67/7, 89/20, 109/159. - Moritz Menzinger,<br />
Die Menzinger in Liechtenstein. In: JBL 1913, S. 35<br />
ff. Geiger, S. 47 und S. 250; Quaderer S. 105)<br />
RUDOLF MILICZECK<br />
wurde am 20. September 1807 auf der Herrschaft<br />
Goldenstein in Mähren geboren. Sein Vater war<br />
liechtensteinischer Braumeister in Steinitz. Er besuchte<br />
ein Gymnasium und absolvierte anschliessend<br />
ein zweijähriges Studium in der Philosophie.<br />
Zudem besass er Kenntnisse in der «Ökonomie»<br />
und sprach deutsch und böhmisch. Am 1. November<br />
1828 trat er als Praktikant auf der Herrschaft<br />
Aussee in den fürstlichen Dienst. Vom 1. Juni 1829<br />
bis 30. September 1832 war er Amtsschreiber in<br />
Judenau, vom 1. Oktober 1832 bis Juli 1845 Amtsschreiber<br />
in Vaduz. Auf den 1. August 1845 wurde<br />
er zum Wirtschaftscontroleur in Hintersdorf befördert.<br />
Miliczeck starb am 23. Juni 1849 als Rechnungsführer<br />
in Judenau. - Miliczeck scheint einiges<br />
Vermögen gehabt zu haben, jedenfalls hatte er<br />
nach seinem Tod noch mehrere Hundert Gulden<br />
Guthaben bei Gl<strong>äu</strong>bigern in Vaduz. Während seiner<br />
Dienstzeit in Vaduz war er unverheiratet, wie<br />
das bei Amtsschreibern üblich war. Da er während<br />
vielen Jahren ohne Beförderung (trotz lobender Bemerkungen<br />
seiner Vorgesetzten Pokorny und Menzinger)<br />
und weit entfernt von seinen Verwandten in<br />
Vaduz arbeiten musste, wurde er in zunehmendem<br />
Masse seiner Stellung überdrüssig. Seine wieder<br />
134<br />
holten Versetzungsgesuche wurden mit Versprechungen<br />
auf baldige Beförderung beantwortet. Anlässlich<br />
eines Heimaturlaubs 1845 erreichte er<br />
offenbar seine Versetzung. Bemerkenswert an den<br />
Familienverhältnissen Miliczecks ist der Umstand,<br />
dass mehrere Verwandte ebenfalls in fürstlichen<br />
Diensten standen: Neben seinem Vater wurden<br />
noch vier Brüder und zwei Onkel vom Fürsten beschäftigt.<br />
(LLA SF Staatsbeamte Nationale 30. 12. 1842. Conduitlisten<br />
von 1832/33 und 1841. LLA RC 31/8,<br />
45/26, 56/32 und 101/131)<br />
FRIDOLIN MÜLLER<br />
wurde am 28. Dezember 1812 auf der Herrschaft<br />
Reichenau in Mähren geboren. Sein Vater war Bürgermeister<br />
der Stadt Reichenau. Er besuchte die<br />
deutsche Schule, die Grammatikalklassen und die<br />
Humanitätsklassen. 1833 und 1834 legte er auch<br />
Prüfungen in der «Landwirtschaftslehre» ab. Von<br />
1830 bis 1832 war er Burggrafenamtspraktikant<br />
im Dienst des Grafen Sternberg in Böhmen. Vom<br />
1. August 1834 bis 31. August 1845 war er Amtsund<br />
Kanzleischreiber auf vier verschiedenen liechtensteinischen<br />
Herrschaften. Vom 1. September<br />
1845 bis ins Frühjahr 1848 war er Amtsschreiber<br />
in Vaduz. Nachdem der Kanzlist Langer an die<br />
Grenze gestellt worden war, floh Müller am<br />
17. April 1848 nach Feldkirch. Am 25. Juli 1848<br />
reiste er dann in «dringenden Familienangelegenheiten»<br />
endgültig ab. Am 1. Oktober 1848 wurde er<br />
als Amtsschreiber auf der Herrschaft Ostran eingestellt,<br />
am 15. April 1849 wurde er wiederum als<br />
Amtsschreiber nach Wilfersdorf versetzt. - Müller<br />
war nach der Bewertung Landvogt Menzingers<br />
Reissig und hatte ein gutes Betragen, war «aber leider<br />
in seinen Äusserungen unbedacht».<br />
(LLA SF Staatsbeamte Nationale vom 31. 12. 1845<br />
und Conduitliste 1848. LLA RC 31/8, 73/45, 83/60,<br />
87/32. Geiger, S. 75 ff, S. 87)
PETER POKORNY<br />
wurde am 4. Oktober 1795 in Butschowitz in Mähren<br />
geboren. Er absolvierte ein vollständiges juristisches<br />
Studium und war für Österreich, Böhmen,<br />
Mähren und Schlesien «in linea judiciali und politica»<br />
geprüft, besass also das Wahlfähigkeitsdekret<br />
für einen Gerichtsbeamten. Er begann seine Laufbahn<br />
als Praktikant beim Rabensburger Justiz- und<br />
Kreisgericht. Im Oktober 1820 wurde er Oberamtsmann<br />
und Justiziär (Gerichtsverwalter) auf einer<br />
Herrschaft des gräflichen Hauses Kinsky. Im Januar<br />
1822 trat er in liechtensteinische Dienste über<br />
und wurde Justiziär auf der Herrschaft Sternberg.<br />
Vom 1. Februar 1827 bis 30. Juni 1833 war er<br />
Landvogt in Vaduz. Er zeigte zunächst viel Initiative<br />
(neues Schulgesetz, Auseinandersetzungen mit<br />
dem Klerus, Schaffung einer Landespolizei, Vermehrung<br />
der Staatseinnahmen durch Schaffung<br />
von indirekten Steuern), wurde aber 1831 von einer<br />
Untersuchungskommission getadelt, weil er<br />
nach anfänglichem Bemühen um ein geordnetes<br />
Gerichtswesen wieder zur früheren «bequemen<br />
Methode (der) inneren Amts Manipulation» zurückgekehrt<br />
sei und viele Verfahren nur mündlich erledigt<br />
habe. In seine Amtszeit fielen auch die Unruhen<br />
von 1831, in deren Verlauf er sich als treuer<br />
Fürstendiener bestätigte. Über Pokornys späteren<br />
Dienst sind im LLA nur spärliche Angaben vorhanden.<br />
1834/35 wird er als Kammerburggraf in Jägerndorf<br />
erwähnt, 1847 als Oberamtmann in Rumburg.<br />
Pokorny war mit Antonia Walter verheiratet<br />
und Vater mehrerer Kinder. Im fürstlich liechtensteinischen<br />
Dienst standen auch zwei Brüder Pokornys<br />
(als Rentmeister und Justiziär) und später<br />
mindestens ein Sohn.<br />
(Conduitliste 1832/33, «Nationale» des Sohns Moritz<br />
Pokorny LLA RC 31/15 und 44/26)<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
135
Peter Pokorny DAVID RHEINBERGER<br />
David Rheinberger<br />
Johann Peter Rheinberger<br />
136<br />
geboren am 26. Juli 1823 in Vaduz als Sohn des<br />
Rentmeisters Johann Peter Rheinberger und dessen<br />
erster Frau Maria (geb. Hüte). Er besuchte das<br />
Gymnasium im Kloster Disentis und liess sich anschliessend<br />
von 1841 bis 1844 am k.k. Polytechnikum<br />
in Wien in Mathematik, Strassen- und Wasserbau,<br />
Zeichnen und Chemie ausbilden. Seit 1848 arbeitete<br />
er unentgeltlich beim Regierungsamt in Vaduz,<br />
wo er vor allem dem Rentmeister half. Auf den<br />
16. August 1854 wurde er als Kanzlist eingestellt.<br />
1862 wurde er Landgerichtskanzlist, 1863 Regierungssekretär<br />
und Rechnungsadjunkt der Domänenverwaltung.<br />
1883 vertrat er zeitweise den Landesverweser<br />
bei dessen Abwesenheit. Damit hatte<br />
er das höchste Amt erreicht, das einem Liechtensteiner<br />
im 19. Jahrhundert überhaupt zugänglich<br />
war. Am 2. November 1889 starb er. - David Rheinberger<br />
war unverheiratet und wird von Rudolf<br />
Rheinberger als ein «Junggeselle mit allen Grillen<br />
und Eigenarten dieses Standes» bezeichnet. Das<br />
Verhältnis zwischen ihm und Landesverweser<br />
Menzinger war offenbar sehr gespannt. Menzinger<br />
erteilte ihm von allen Beamten die schlechtesten<br />
Zensuren, insbesondere in seinem Benehmen gegen<br />
Vorgesetzte. Umgekehrt verspottete Rheinberger<br />
den Landesverweser «Michi» Menzinger in seinen<br />
«Notizen». Rheinberger fühlte sich vermutlich<br />
von Menzinger ständig zurückgesetzt. Zu seinen<br />
späteren Vorgesetzten scheint er ein besseres Verhältnis<br />
gehabt zu haben. Die «Notizen aus der Zeit<br />
und dem Leben unserer Voreltern» von David<br />
Rheinberger, die bisher leider fast unbekannt sind,<br />
haben trotz ihrer Einseitigkeit einen hohen Quellenwert<br />
für die liechtensteinische Geschichte. David<br />
Rheinberger veröffentlichte 1876 eine «Landeskunde<br />
des Fürstentums Liechtenstein», die in den<br />
Volksschulen als Heimatbuch verwendet wurde.<br />
(Rudolf Rheinberger: «Fortsetzung von David<br />
Rheinbergers Notizen». Geiger, S. 218; SF Staatsbeamte<br />
«Nationale» vom 31. 12. 1860, LLA RC<br />
104/115)
JOHANN PETER RHEINBERGER<br />
geboren am 19. Oktober 1789 in Vaduz als Sohn<br />
des Amtsboten Johann Rheinberger und dessen<br />
Frau Klara, geb. Hartmann. Nach dem Tod seiner<br />
Mutter (um 1800) wurde er beim damaligen Rentmeister<br />
Fritz als «Pudelbub eingestellt» (nach David<br />
Rheinberger). Da es in Liechtenstein keine weiterführende<br />
Schule gab, konnte er lediglich die<br />
Volksschule besuchen, bemühte sich aber von Jugend<br />
an, sich im Selbststudium technische Kenntnisse<br />
(z.B. Geometrie und Zeichnen) zu erwerben.<br />
1809 war er erstmals im Auftrag Bayerns mit Vermessungsarbeiten<br />
beschäftigt (Güter des ehemaligen<br />
Klosters St. Luzi in Bendern). Bei der Errichtung<br />
des Grundbuches in den Jahren nach 1809<br />
nahm er zusammen mit seinem Vater wiederum<br />
Vermessungsarbeiten vor. 1814 bis 1819 war er als<br />
«Hausmeister» beim Seminar St. Luzi in Chur angestellt.<br />
Seit dem 1. Juli 1819 war er Amtsschreiber<br />
und Hauptzolleinnehmer beim Oberamt in Vaduz,<br />
am 2. August 1828 wurde er zum Grundbuchführer<br />
und am 1. November 1836 zum Rentmeister<br />
befördert. Seinen persönlichen Neigungen entsprechend<br />
befasste er sich in dieser Zeit auch mit technischen<br />
Problemen beim Oberamt (Strassen- und<br />
Rheinwuhrbauten, Rüfeverbauungen und Entwässerungsprobleme).<br />
Unter anderem verfasste er<br />
auch einen 44seitigen Bericht über das Problem<br />
der Entwässerung der liechtensteinischen Rheintalebene.<br />
Bei den Unruhen von 1831 wurde er als<br />
Grundbuchführer von den Untertanen, die sich mit<br />
der Einführung der Grundbücher noch immer<br />
nicht abgefunden hatten, bedroht, obwohl er Liechtensteiner<br />
war. Beim Rheineinbruch von 1846 wurde<br />
dem Rentmeister, der bis dahin auch die Wuhrbauten<br />
zu beaufsichtigen hatte, ein grosser Teil der<br />
Verantwortung zugeschoben. 1848 schützte ihn<br />
zwar seine liechtensteinische Nationalität vor Anfeindungen,<br />
trotzdem stellte das Jahr 1848 in seinem<br />
Leben einen Wendepunkt dar. Rheinberger<br />
sah sich in den folgenden Jahren ausserstande, die<br />
Rentgelder einzutreiben und die Rechnungsausweise<br />
ordnungsgemäss abzuliefern. Ein Teil der<br />
Rentgelder wurde uneinbringlich, wofür er zum<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
137
138<br />
persönlichen Ersatz verurteilt wurde. 1854 wurde<br />
eine Untersuchungskommission nach Vaduz geschickt.<br />
In der Folge wurde dem Rentmeister die<br />
Verrechnung der Landesgelder abgenommen. Am<br />
1. Oktober 1857 wurde er in Pension geschickt. In<br />
seinen letzten Lebensjahren widmete er sich dem<br />
Studium der Landesgeschichte und der Geschichte<br />
seiner Familie. Rheinberger starb am 25. März<br />
1874. - Bis 1846 gab es keinerlei Klagen über<br />
den Beamten Rheinberger. Von den Landvögten<br />
Schuppler, Pokorny und Menzinger wurde er stets<br />
für seinen Fleiss und seine Diensttreue gelobt und<br />
trotz seiner mangelnden Schulbildung als fähiger<br />
Rentmeister und Techniker angesehen. Nach 1848<br />
verschlimmerte er durch «Bocken» seine Lage. Der<br />
Rentmeister vertrug sich offenbar mit den aus<br />
Österreich stammenden Beamten mit zunehmendem<br />
Alter immer weniger und fühlte sich von ihnen<br />
zurückgedrängt. Johann Peter Rheinberger<br />
war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war eine<br />
Maria Hüte aus Schaan, die offenbar aus einer vermögenden<br />
Familie stammte. Diese Ehe, aus der<br />
drei Kinder hervorgingen, wurde im November<br />
1820 geschlossen und endete mit dem Tod der Ehefrau<br />
im Jahre 1828. 1829 heiratete er Elisabeth Carigiet,<br />
die einer angesehenen Bündner Familie entstammte.<br />
Ihr Vater Laurenz Carigiet war Landammann<br />
und Kantonsrat in Disentis, ihr Bruder Jakob<br />
Anton Carigiet hatte die geistliche Laufbahn beschritten<br />
und war Landesvikar in Schaan und später<br />
residierender Domherr in Chur. Aus dieser Ehe<br />
gingen sechs Kinder hervor. Privat wird Rheinberger<br />
als «ein Mann von strenger rechtschaffener Gesinnung,<br />
welcher auf pünktliche Hausordnung und<br />
strenge Kinderzucht hielt» beschrieben.<br />
(Anton Hinger, Josef Rheinberger, Eine kurze Biographie.<br />
In: JBL 1903, S. 167)<br />
(David und Rudolf Rheinberger, Notizen aus der<br />
Zeit und dem Leben unserer Voreltern LLA SF<br />
Staatsbeamte «Nationale» vom 30. 12. 1842, Conduitlisten<br />
von 1832 und 1841, LLA RB Fasz. B 3,<br />
LLA RC 55/17, 60/14, 65/10 und 69/16)
ALOIS SCHAUER<br />
geboren am 11. Januar 1817 als Sohn des Amtmanns<br />
Dominik Schauer auf der fürstlichen Herrschaft<br />
Schwarzkostelletz in Böhmen, wo er auch<br />
die deutsche Schule besuchte. Am 1. Januar 1831<br />
trat er als Praktikant auf Schwarzkostelletz in fürstlich-liechtensteinische<br />
Dienste. Vom 1. Oktober<br />
1833 bis März 1854 war er auf verschiedenen<br />
fürstlichen Herrschaften im Waldamt beschäftigt,<br />
zuletzt als Forstamtsrevierjäger in Feldsberg. Vom<br />
1. September 1938 bis 31. August 1840 studierte er<br />
während 2 Jahren «Technik» (u.a. Geometrie,<br />
Mappierung, Planzeichnen) in Prag. Über seine Fähigkeiten<br />
konnte er verschiedene staatliche Zeugnisse<br />
vorweisen: So wurde er 1850 als Landmesser<br />
und im Forstwesen geprüft. 1851 bestand er die<br />
«hohe Forststaatsprüfung». Am 7. März 1854 wurde<br />
er als «Oberförster» in Vaduz angestellt - der<br />
vornehme Titel sollte ihm nicht zuletzt auch den<br />
Respekt der Untertanen sichern. Schauers Leistungen<br />
für Liechtenstein bestanden darin, dass er in<br />
den 1860er Jahren (zusammen mit Peter Rheinberger)<br />
die Landesvermessung vornahm und die Katasterpläne<br />
erstellte. Von 1860 bis 1869 arbeitete er<br />
die ersten Waldwirtschaftspläne aus. 1884 wurde<br />
er nach einer fast 30jährigen Amtszeit pensioniert.<br />
Schauer scheint sich auch privat im Lande wohl gefühlt<br />
zu haben. Am 19. Februar 1855 heiratete er<br />
Elisabeth Wolfinger, eine Tochter des angesehenen<br />
Balzner Postmeisters Joseph Ferdinand Wolfinger.<br />
(LLA SF Staatsbeamte Nationale vom 31. 12. 1860.<br />
LLA RC 65/10 und 69/16 und 104/1, 104/132,<br />
104/271)<br />
FRANZ SCHMID (AUCH SCHMIDT UND<br />
SCHMIED)<br />
wurde am 31. Oktober 1796 in Parnig auf der Herrschaft<br />
Landskron geboren. Er besuchte die Grammatikalklasse<br />
und legte 1822 am Lyceum Olmütz<br />
Prüfungen in Ökonomie ab. Er sprach Deutsch,<br />
Böhmisch und etwas Latein. Er trat im Februar<br />
1<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
139
1812 als Praktikant beim Wirtschaftsbereiter in<br />
Parnig in liechtensteinische Dienste. Im September<br />
1815 wurde er als Steueramtsschreiber in Eisenberg<br />
angestellt, von wo er auf den 1. März 1825 als<br />
Rentmeister nach Vaduz befördert wurde. Bis 1828<br />
war er auch Grundbuchführer, wurde dann aber<br />
von dieser Aufgabe entlastet. Nach mehreren Versetzungsgesuchen<br />
wurde er auf den 1. November<br />
1836 zum ersten Rechnungsrat in der Buchhaltung<br />
in Butschowitz ernannt. - Schmid war verheiratet<br />
und hatte Kinder. Seine ökonomischen und rentamtlichen<br />
Qualifikationen wurden von den Landvögten<br />
Schuppler, Pokorny und Menzinger stets gelobt,<br />
ebenso seine Moralität und Diensttreue. Obwohl<br />
Schmid 1825 den Auftrag erhielt, die unter<br />
dem früheren Rentschreiber angewachsenen Rentresten<br />
einzutreiben, verstand er sich nicht nur mit<br />
seinen Mitbeamten, sondern auch mit den Untertanen<br />
gut. Bei den Unruhen von 1831 verlangten die<br />
Untertanen die Versetzung aller übrigen Beamten,<br />
nicht aber die Versetzung Schmids. Nach der Ansicht<br />
Landvogt Pokornys besass er für das Amt eines<br />
Herrschaftsvorstehers zu wenig Gesetzeskenntnisse,<br />
Erfahrung und Umsicht und war körperlich<br />
zu schwach.<br />
(Conduitliste vom 31. Dezember 1826. LLA RC<br />
65/10. Conduitliste 1832/33. LLA RC Fasz. B 3, LLA<br />
RC 52/23, 55/17 und 58/2. )<br />
FERDINAND ADOLF SCHMIETH (AUCH<br />
SMIETH, SCHMID UND SCHMIDT)<br />
wurde 1766 oder 1767 geboren. Er war vom<br />
2. Juni 1806 bis zum September 1815 «Raitleger»<br />
(Rentmeister) in Vaduz, ab 1. Oktober 1808 war er<br />
auch Strasseninspektor. Auf den 1. Oktober 1815<br />
wurde er als Rechnungsrat in die Buchhaltung<br />
nach Butschowitz versetzt. 1824 war er erster<br />
Buchhalter, 1825 fürstlicher Rat und Oberbuchhalter<br />
(d.h. Leiter der Buchhaltung). Schmieths Qualitäten<br />
als Rechnungsbeamter gehen nicht nur aus<br />
seiner beruflichen Laufbahn hervor, sondern zeigen<br />
sich auch bei der Durchsicht der rentamtlichen<br />
140<br />
Bücher in Vaduz, die er mustergültig führte. Sein<br />
Verhältnis zu den Landvögten Menzinger und<br />
Schuppler war <strong>äu</strong>sserst gespannt, da er sich ihnen<br />
nie unterordnete und ständig gegen sie intrigierte.<br />
Schmieth zeichnete sich durch besondere Diensttreue<br />
aus, da er die unter seinem Vorgänger auf<br />
weit über 100 000 Gulden angewachsenen Rentresten<br />
bei den Untertanen mit aller Härte eintrieb.<br />
Die Hofkanzlei anerkannte seine Verdienste und<br />
gewährte ihm 1808 eine jährliche Gehaltszulage<br />
von 75 Gulden. 1811 erhielt er eine einmalige Zulage<br />
von 200 Gulden und die Zusicherung, bei Gelegenheit<br />
in die Buchhaltung aufzurücken. Schmieth<br />
war mit Maria verheiratet und hatte mehrere Kinder.<br />
(Diverse Akten LLA RB Fasz. B 3, Personalstand<br />
vom 1. Mai 1824 und 24. November 1825. - LLA<br />
RB B 5, HK an OA am 18. 5. 1811, LLA RB Fasz. R<br />
1, Volkszählung 1815. )<br />
JOSEPH SCHUPPLER<br />
wurde am 16. September 1776 in Türnau auf der<br />
Herrschaft Trübau in Mähren geboren. Er erhielt<br />
eine juristische Ausbildung und legte die für Böhmen<br />
und Mähren nötigen Prüfungen «in linea politica,<br />
judiciali et criminali» ab. Der Umstand, dass<br />
er - nach eigenen Angaben - Deutsch, Französisch,<br />
Latein, Böhmisch, Polnisch und etwas Italienisch<br />
sprach, weist auf eine gute Allgemeinbildung hin.<br />
Bevor er in liechtensteinische Dienste trat, arbeitete<br />
er während vier Jahren bei einem Stadtadvokaten<br />
in Olmütz als Praktikant und Schreiber. Von<br />
1796 bis 1802 war er Rechtspraktikant bei der<br />
fürstlichen Anwaltschaft in Brünn. Von 1802 bis<br />
1808 war er Justiziär (Gerichtsverwalter) auf den<br />
liechtensteinischen Herrschaften Eisenberg, Trübau,<br />
Hohenstadt, Aussee und Goldenstein. 1808<br />
war er für ein halbes Jahr Justiziär und Rentmeister<br />
auf der Herrschaft Landskron. Mit Dekret vom<br />
1. Oktober 1808 wurde Schuppler zum Landvogt in<br />
Vaduz ernannt, wo er Ende November oder Anfang<br />
Dezember eintraf. Nach über 18jähriger Dienstzeit
in Vaduz wurde er auf den 1. Februar 1827 zum<br />
Amtmann in Butschowitz und Justiziär für Steinitz<br />
bestimmt. 1830 wurde er Amtmann und Justiziär<br />
auf der Herrschaft Hohenstadt, wo er am 11. Januar<br />
1833 starb. - Schuppler war mit Anna Zelinka<br />
aus Hohenstadt (geb. 1789 oder 1790) verheiratet,<br />
die ihm allein in Vaduz elf Kinder gebar. Fünf verstarben<br />
schon in frühem Kindesalter. - Schuppler<br />
soll nach eigenen Angaben die Landvogtstelle in<br />
Vaduz nur ungern angetreten haben, obwohl damit<br />
eine Beförderung und Besoldungserhöhung verbunden<br />
war. Offenbar war ihm anfänglich eine baldige<br />
Versetzung zugesichert worden. Im Laufe seiner<br />
langen Amtszeit bat er mindestens fünfmal eindringlich<br />
um eine Versetzung, wurde aber jeweils<br />
mit der Bemerkung vertröstet, dass Seine Durchlaucht<br />
mit ihm sehr zufrieden sei und er zur Beförderung<br />
vorgemerkt sei. In seinen ersten Jahren in<br />
Vaduz leistete er einen grossen Arbeitsaufwand<br />
und bemühte sich, die in der Dienstinstruktion von<br />
1808 vorgesehenen Reformen (v. a. in der Verwaltung,<br />
Rechtsprechung, im Finanzwesen und in der<br />
Gemeindeordnung) durchzusetzen. Nachdem aber<br />
der «Raitleger» Schmieth und der Grundbuchführer<br />
Zelinka 1815/16 durch zwei einheimische Bürger<br />
ersetzt wurden, fühlte er sich als ein «mit allen<br />
möglichen Geschäftsmissgeschicken isoliert kämpfendes<br />
Subjekt» (Versetzungsgesuch vom 25. April<br />
1826, LLA RB B 3). Auf die Reformphase von 1806<br />
bis 1812 folgte eine längere Phase der Stagnation.<br />
(LLA Conduitlisten 1826 und 1831. Die bislang vollständigsten<br />
Angaben zur Person Schupplers stellte<br />
Alois Ospelt in seiner Einleitung zum Abdruck<br />
der Landesbeschreibung zusammen. In: JBL 1975,<br />
S. 204-213. Vgl. auch Malin S. 47; In der Maur,<br />
Feldmarschall Johann. In: JBL 1905. S. 173)<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG / PAUL VOGT<br />
141
JOHANN STRAK<br />
wurde 1806 oder 1807 geboren. Er konnte keine<br />
höhere Schulbildung vorweisen, zeigte aber «gute<br />
natürliche Anlagen» für einen tüchtigen Beamten.<br />
Vor seiner Tätigkeit in Vaduz war er Steueramtsschreiber<br />
in Plumenau. Vom 1. April 1829 bis<br />
30. September 1832 war er Amtsschreiber in Vaduz,<br />
anschliessend wurde er als Amtsschreiber auf<br />
die Herrschaft Trübau versetzt. Sein Bruder Franz<br />
Strak war Konzipist in der fürstlich liechtensteinischen<br />
Hofkanzlei in Wien, was sein Vorwärtskommen<br />
offenbar erleichterte.<br />
(Conduitliste 1832/1833. LLA RC 7/67 und 29/17)<br />
ADOLF TICHY<br />
wurde am 14. Januar 1833 in Tienischt im Amt<br />
Prag als Sohn eines Oberförsters geboren. Seine<br />
Berufsbezeichnung lautete auf «absolvierter Techniker».<br />
Bis 1855 arbeitete er als Forstpraktikant in<br />
Bobitz. Im April 1855 wurde er als «Mappierungsgehilfe<br />
und Jungjäger II. Klasse» in Vaduz angestellt,<br />
wo er für Vermessungs- und Rheinarbeiten<br />
verwendet wurde. Am 12. April 1858 verliess er<br />
den fürstlichen Dienst, weil ihm in Basel eine besser<br />
bezahlte Stelle angeboten wurde. Als 1859 die<br />
Kriegsbereitschaft angeordnet wurde, wurde er als<br />
zweiter Offizier wieder eingestellt. Seine Qualitäten<br />
als Offizier sind zweifelhaft: In der österreichischen<br />
Armee hatte er lediglich vom 4. März bis 15. April<br />
1854 Dienst geleistet und sich dann durch Bezahlung<br />
einer Taxe von der Dienstpflicht befreit. Als er<br />
im liechtensteinischen Kontingent diente, warf ihm<br />
Landesverweser Menzinger vor, nicht einmal das<br />
Militär-Reglement zu kennen. Tichy wurde auch als<br />
zweiter Offizier für technische Arbeiten im Land<br />
(Vermessungs- und Rüfeverbauungsarbeiten) verwendet.<br />
Im Januar 1861 quittierte er den Dienst.<br />
(LLA Militärverzeichnis von Lieutnant Peter Rheinberger.<br />
LLA RC diverse Akten in 104/271, 107/166<br />
und 69/16)<br />
142<br />
I<br />
FRANZ URBANEK<br />
wurde 1838 geboren. Auf den 1. Januar 1858 wurde<br />
er als Rechnungsschreiber in Vaduz angestellt,<br />
zuvor war er Diurnist beim k. k. Bezirksamt in Lundenburg.<br />
Er hatte gute Kenntnisse in Böhmisch.<br />
(LLA SF Staatsbeamte «Nationale» vom 31. 12.<br />
1860. Siehe auch LLA RC Fasz. 106/108)<br />
PETER ZELINKA<br />
wurde 1808 zusammen mit Joseph Schuppler als<br />
Grundbuchführer und Gerichtsaktuar nach Vaduz<br />
versetzt. 1815 wurde er auch Rentschreiber. Auf<br />
den 1. September 1816 wurde er als Wirtschaftsbereiter<br />
nach Lundenburg versetzt.<br />
(Tschugmell, Beamte S. 53. LLA RB Fasz. B 3)<br />
I
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
ANHANG/PAUL VOGT<br />
143
Literatur- und<br />
Quellennachweis<br />
ABKÜRZUNGS<br />
VERZEICHNIS<br />
ABGB<br />
allgemeines bürgerliches<br />
Gesetzbuch<br />
AGO<br />
allgemeine Gerichtsordnung<br />
fl<br />
Gulden Reichswährung<br />
HK<br />
Fürstlich-liechtensteinische<br />
Hofkanzlei in Wien<br />
JBL<br />
Jahrbuch des Historischen<br />
Vereins für das Fürstentum<br />
Liechtenstein<br />
OA<br />
Fürstlich-liechtensteinisches<br />
Oberamt in Vaduz<br />
(bis 1848)<br />
144<br />
UNGEDRUCKTE<br />
QUELLEN<br />
LLA<br />
LIECHTENSTEINISCHES<br />
LANDESARCHIV, VADUZ<br />
RA<br />
Alte Registratur (bis 1808)<br />
RB<br />
Schuppler Registratur<br />
(1808 bis 1827)<br />
RC<br />
Neue Registratur (1827 bis<br />
1861)<br />
NS<br />
Normaliensammlung<br />
(gedruckte und ungedruckte<br />
Gesetze und Verordnungen)<br />
SF<br />
Sonderfaszikel (ausgesonderte<br />
Akten zu bestimmten<br />
Materialien)<br />
Rentamtliche Rechnungsbücher <br />
Staatsrechnungs-Conferenzbücher<br />
(seit 1844)<br />
Fonds-Rechnungsbücher<br />
Peter Kaiser-Akten<br />
Schädler-Akten<br />
Sammlung Gustav Alfons<br />
Matt<br />
FamARh<br />
FAMILIENARCHIV<br />
RHEINBERGER<br />
David Rheinberger,<br />
Notizen aus der Zeit und<br />
dem Leben unserer Voreltern<br />
(umfaßt die Zeit von<br />
1790 bis 1855; verfaßt um<br />
1870).<br />
Rudolf Rheinberger, Fortsetzung<br />
zu David Rheinbergers<br />
«Notizen» (verfaßt<br />
1945).<br />
GEDRUCKTE QUELLEN<br />
Besoldungssystem für das<br />
fürstliche Dienst-Personale<br />
vom Jahre 1837. Wien<br />
1838.<br />
Haupt-Instruktion zur organischen<br />
Einrichtung der<br />
fürstlichen Administration<br />
überhaupt, mit Begründung<br />
auf die Zwecke, die<br />
dadurch zu erreichen,<br />
dann mit Festsetzung der<br />
hauptsächlichsten Grundsätze,<br />
welche dabei zu beachten<br />
sind. Wien 1838.<br />
Heibert, Jakob: Auszüge<br />
aus der Chronik des Jakob<br />
Heibert. Hg. v. Johann<br />
Baptist Büchel. In: JBL<br />
1929.<br />
Huber, Ernst Rudolf: Dokumente<br />
zur deutschen Verfassungsgeschichte.Stuttgart<br />
1961, Bde. 1 und 2.<br />
Klenze, Hippolit von: Die<br />
Alpwirtschaft im Fürstentum<br />
Liechtenstein, ihre<br />
Anfänge, ihre Entwicklung<br />
und gegenwärtiger Zustand.<br />
Stuttgart 1879.<br />
Kraetzl, Franz: Das Fürstentum<br />
Liechtenstein und<br />
der gesamte Fürst Johann<br />
von und zu Liechtenstein'sche<br />
Güterbesitz.<br />
Brünn 1914.<br />
Liechtensteiner Volkswirt:<br />
Hermann Kessler, Aus den<br />
Jugenderinnerungen eines<br />
Liechtensteiners im Ausland.<br />
In: Liechtensteiner<br />
Volkswirt, 6. Dezember<br />
1927, Nr. 34.<br />
Menzinger, Moritz: Die<br />
Menzinger in Liechtenstein.<br />
In: JBL 1913.<br />
Rheinberger, Johann: Das<br />
«Politische Tagebuch» des<br />
Amtsboten Johann Rheinberger.<br />
Hg.v. Rudolf Rheinberger.<br />
In: JBL 1958.<br />
Schuppler, Joseph: Beschreibung<br />
des Fürstenthums<br />
Liechtenstein. Entworfen<br />
vom Landvogt Joseph<br />
Schuppler im Jahre<br />
1815. Herausgegeben und<br />
eingeleitet von Alois Ospelt.<br />
In: JBL 1975.<br />
Steinmüller, Johann Rudolf:<br />
Beschreibung der<br />
schweizerischen Alpenund<br />
Landwirtschaft, nach<br />
den verschiedenen Abweichungen<br />
einzelner Kantone.<br />
Dritter Abschnitt,<br />
welcher die Alpen- und<br />
Landwirthschaft der ehemaligen<br />
Landvogteyen<br />
Sax, Gambs, Werdenberg<br />
und Warthau enthält.<br />
Winterthur 1804. 2. Bd.
DARSTELLUNGEN<br />
Banko, Julius: Geschichte<br />
der liechtensteinischen<br />
Landvögte im 18. Jahrhundert.<br />
In: JBL 1937.<br />
Beck, Wilhelm-. Das Recht<br />
des Fürstentums Liechtenstein.<br />
Zürich 1912.<br />
Beidtel, Ignaz. Geschichte<br />
der österreichischen<br />
Staatsverwaltung 1740-<br />
1848, hg. v. A. Huber.<br />
Innsbruck 1896-98. 2 Bde.<br />
Bielmann, Jürg: Die<br />
Lebensverhältnisse im<br />
Urnerland während des<br />
18. und zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts. Diss.<br />
Basel 1972<br />
Bleck, Wilhelm: Von der<br />
Kameralausbildung zum<br />
Juristenprivileg. Studium,<br />
Prüfung und Ausbildung<br />
der höheren Beamten des<br />
allgemeinen Verwaltungsdienstes<br />
in Deutschland im<br />
18. und 19. Jahrhundert,<br />
Historische und Pädagogische<br />
Studien. Berlin 1972.<br />
3. Bd.<br />
Bogner, Ingeborg: Die<br />
Liechtensteinischen Herrschaften<br />
und ihre Untertanen<br />
in der Nordostecke<br />
von Niederösterreich<br />
(15.-19. Jahrhundert).<br />
Diss. (Masch.) Wien 1953.<br />
Böhler, Manfred: Die Entwicklung<br />
der Wirtschaft<br />
des Fürstentums Liechtenstein<br />
seit 1852. Diss.<br />
(Masch.) Wien 1949.<br />
Brotschi, Livia: Voraussetzungen<br />
in der Geschichte<br />
Liechtensteins für<br />
die Anlehnung an die<br />
Schweiz. Lizentiatsarbeit<br />
bei Prof. Bucher (Masch.).<br />
Zürich 1974<br />
Brugger, Hans: Die schweizerische<br />
Landwirtschaft in<br />
der ersten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts. Frauenfeld<br />
1956.<br />
Brunner, Otto: Staat und<br />
Gesellschaft im vormärzlichen<br />
Österreich im<br />
Spiegel von J. Beidtels<br />
Geschichte der österreichischen<br />
Staatsverwaltung<br />
1740-1848. In: Staat und<br />
Gesellschaft im deutschen<br />
Vormärz 1815-1848. Industrielle<br />
Welt, Bd. 1. Hg. v.<br />
Werner Conze, Stuttgart<br />
1962.<br />
Büchel, Johann Baptist:<br />
Geschichte der Pfarrei<br />
Triesen. In: JBL 1902.<br />
ders.: Geschichte der Pfarrei<br />
Schaan. In: JBL 1927.<br />
ders.: Geschichte der Pfarrei<br />
Bendern. In: JBL 1923.<br />
ders..- Bilder aus der<br />
Geschichte von Mauren.<br />
In: JBL 1915.<br />
ders.: Die Pfarrbücher<br />
Liechtensteins, I. Balzers.<br />
In: JBL 1918.<br />
Büchel, Josef: Der Gemeindenutzen<br />
im Fürstentum<br />
Liechtenstein (Masch.).<br />
Triesen 1953.<br />
Bucher, Silvio: Bevölkerung<br />
und Wirtschaft des<br />
Amtes Entlebuch im<br />
18. Jahrhundert. Diss.<br />
Luzern 1974.<br />
Bundsmann, Anton: Die<br />
Entwicklung der politischen<br />
Verwaltung im Tirol<br />
und Vorarlberg seit Maria<br />
Theresia bis 1918. Dornbirn<br />
1961.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
LITERATUR- UND QUELLENNACHWEIS / PAUL VOGT<br />
Burmeister, Karl Heinz:<br />
Die Vorarlberger Landsbr<strong>äu</strong>che<br />
und ihr Standort<br />
in der Weistumsforschung.<br />
Diss. Zürich 1970.<br />
Daimler, Paul-. Die Einnahmebeschaffung<br />
im Staatshaushalt<br />
des Fürstentums<br />
Liechtenstein. Stuttgart<br />
1926.<br />
Dommer, Herrmann: Die<br />
wirtschaftliche Entwicklung<br />
des Fürstentums<br />
Liechtenstein unter spezieller<br />
Berücksichtigung<br />
der gegenwärtigen Verhältnisse<br />
in der Landwirtschaft.<br />
Diss. Bern, Vaduz<br />
1954.<br />
Falke, Jacob von:<br />
Geschichte des fürstlichen<br />
Hauses von Liechtenstein.<br />
Wien 1882. 3 Bde.<br />
Feger, Alfons: Fürst Josef<br />
Wenzel Liechtenstein.<br />
Seine Stellung in der Geschichte<br />
seiner Zeit und<br />
seine Regierung im Fürstentum<br />
Liechtenstein. In:<br />
JBL 1921.<br />
ders.: Johann II. Fürst von<br />
Liechtenstein. In: JBL<br />
1928.<br />
ders.: Die Pfarrbücher<br />
Liechtensteins. II. Triesen.<br />
In: JBL 1920.<br />
Geiger, Peter: Geschichte<br />
des Fürstentums Liechtenstein<br />
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In: JBL 1970.<br />
Goop, Adulf Peter: Liechtenstein<br />
gestern und<br />
heute. Vaduz 1973.<br />
Haager, Arthur: Aus der<br />
Zeit der Zoll- und Wirtschaftsunion<br />
Österreichs<br />
und Liechtensteins von<br />
1852-1919.In: JBL 1961.<br />
Hämmerle, Walter: Entwicklung<br />
des Gerichtswesens<br />
im Lande Vorarlberg.<br />
In: Montfort 1, 1946.<br />
Hauser, Albert: Schweizerische<br />
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte,<br />
Zürich<br />
1961.<br />
Helbling, Ernst C: ÖsterreichischeVerfassungsundVerwaltungsgeschichte.<br />
Wien 1974.<br />
Kleiner, Victor: Vorarlbergs<br />
historische Entwicklung<br />
der Verwaltungspragmatik.<br />
In: Archiv für Geschichte<br />
und Landeskunde<br />
Vorarlbergs 3, 1906.<br />
Ilg, Karl: Die Reformen der<br />
Verwaltung für Vorarlberg<br />
während der Regierungszeit<br />
der Kaiserin Maria<br />
Theresia (1740-1780).<br />
In: Alemannia 11, 1937.<br />
In der Maur, Karl von:<br />
Die Gründung des<br />
Fürstentums Liechtenstein.<br />
In: JBL 1901.<br />
ders.: Feldmarschall<br />
Johann Fürst von Liechtenstein<br />
und seine Regierungszeit<br />
im Fürstentum.<br />
In: JBL 1905.<br />
ders.: Verfassung und Verwaltung<br />
im Fürstentum<br />
Liechtenstein. Sonderdruck<br />
aus der 2. Auflage<br />
des Österreichischen<br />
Staatswörterbuches. Hrsg.<br />
v. E. Mischler und<br />
J. Ulrich. Wien 1907.<br />
ders.: Johann II, Fürst<br />
von Liechtenstein.<br />
In: JBL 1908.<br />
145
ders.: Die Rezeption des<br />
österreichischen allgemeinen<br />
bürgerlichen Gesetzbuches<br />
in Liechtenstein.<br />
Separatdruck aus: Festschrift<br />
der ABGB, Teil 1,<br />
Wien 1911.<br />
Kaiser, Peter: Geschichte<br />
des Fürstentums Liechtenstein.<br />
Nebst Schilderungen<br />
aus Chur-Rätiens Vorzeit.<br />
Chur1847.<br />
ders.: Geschichte des Fürstentums<br />
Liechtenstein,<br />
2. Auflage. Bearbeitet von<br />
Johann Baptist Büchel.<br />
Vaduz 1923.<br />
Koselleck, Reinhart:<br />
Preußen zwischen Reform<br />
und Revolution. Allgemeines<br />
Landrecht, Verwaltung<br />
und soziale Bewegung von<br />
1791 bis 1848. In: Industrielle<br />
Welt, Bd. 7. Hg. v.<br />
Werner Conze. Stuttgart<br />
1967.<br />
Kugele, Dieter: Der politische<br />
Beamte. Eine Studie<br />
über Genesis, Motiv,<br />
Bewährung und Reform<br />
einer politisch-administrativen<br />
Institution. München<br />
1976.<br />
Kuhn, Friedrich: Das<br />
Fürstlich Liechtensteinische<br />
Truppenkontingent<br />
zum Deutschen Bund<br />
1816-1866. In: JBL 1964.<br />
Malin, Georg: Die politische<br />
Geschichte des Fürstentums<br />
Liechtenstein in<br />
den Jahren 1800-1815. In:<br />
JBL 1953.<br />
ders.: Die Souveränität<br />
Liechtensteins. In: JBL<br />
1955.<br />
Martin, Graham: Liechtensteinische<br />
Lehrmittel<br />
1835-1865.In:JBL 1965.<br />
146<br />
ders.: Liechtensteiner Pädagogen<br />
im Ausland. In-,<br />
JBL 1967.<br />
Marxer, Johann Georg: Die<br />
Schule unter Schuppler.<br />
In: JBL 1928.<br />
ders.: Unsere Volksschule<br />
seit Schuppler. In: JBL<br />
1929.<br />
ders.: Die fürstliche<br />
Taverne. In: JBL 1930.<br />
ders.: Das liechtensteinische<br />
Priesterkapitel.<br />
In: JBL 1934.<br />
Marxer, Otto Ludwig: Die<br />
Organisation der obersten<br />
Staatsorgane in Liechtenstein.<br />
Diss. (Masch.)<br />
Innsbruck 1924.<br />
Ospelt, Alois: Wirtschaftsgeschichte<br />
des Fürstentums<br />
Liechtenstein im<br />
19. Jahrhundert. Diss.<br />
Freiburg. In: JBL 1972.<br />
Ospelt, Josef: Regesten aus<br />
den Urkunden des fürstlich<br />
liechtensteinischen<br />
Regierungsarchives.<br />
In: JBL 1925.<br />
ders.: Regesten von<br />
Urkunden des ehemaligen<br />
Archives im Schloß<br />
Vaduz. In: JBL 1933.<br />
ders.: Aus den Akten des<br />
Reichskammergerichtes<br />
des alten deutschen Reiches.<br />
In: JBL 1935.<br />
ders.: Zur liechtensteinischenVerfassungsgeschichte.<br />
In: JBL 1937.<br />
ders.: Landammäner-Verzeichnis<br />
und Landammänner-Siegel.<br />
In: JBL 1940.<br />
ders.: Die Gründung der<br />
Grafschaft Vaduz. In: JBL<br />
1941.<br />
ders.: Die Ämterbesetzung<br />
in der letzten Zeit der<br />
Landammänerverfassung.<br />
In: JBL 1942.<br />
ders.: Zwei Landschaftsrechnungen<br />
aus dem<br />
18. Jahrhundert. In: JBL<br />
1945.<br />
ders.: Aus der Rentamtsrechnung<br />
für 1786. In: JBL<br />
1948.<br />
Pappermann, Ernst: Die<br />
Regierung des Fürstentums<br />
Liechtenstein. Diss.<br />
Bigge Ruhr 1967.<br />
Poeschel, Erwin: Die<br />
Kunstdenkmäler des Fürstentums<br />
Liechtenstein.<br />
Sonderband aus der Reihe:<br />
Die Kunstdenkmäler<br />
der Schweiz. Basel 1950.<br />
Quaderer, Rupert: Politische<br />
Geschichte des Fürstentums<br />
Liechtenstein<br />
von 1815-1848. Diss. Fribourg.<br />
In: JBL 1969.<br />
Raton, Pierre: Liechtenstein,<br />
Staat und Geschichte.<br />
Vaduz 1969.<br />
Rheinberger, David: Landeskunde<br />
des Fürstentums<br />
Liechtenstein. Innsbruck<br />
1876.<br />
Ritter, Rupert: Die Brandischen<br />
Freiheiten. In-. JBL<br />
1943.<br />
Schädler, Albert: Die Tätigkeit<br />
des liechtensteinischen<br />
Landtages im<br />
19. Jahrhundert. In: JBL<br />
1901, 1903, 1904, 1912,<br />
1913, 1921.<br />
ders.: Die alten Rechtsgewohnheiten<br />
und Landsordnungen<br />
der Grafschaft<br />
Vaduz und Herrschaft<br />
Schellenberg. In: JBL<br />
1905.<br />
ders.: Karl Freiherr Haus<br />
von Hausen (1823-1889).<br />
In: JBL 1906.<br />
ders.: Regesten zu den Urkunden<br />
der liechtensteinischen<br />
Gemeindearchive<br />
und Alpgenossenschaften.<br />
In: JBL 1908.<br />
ders,: Huldigungsakte bei<br />
dem Übergang der Herrschaft<br />
Schellenberg und<br />
Grafschaft Vaduz an die<br />
Fürsten von Liechtenstein.<br />
In: JBL 1910.<br />
ders.: Die geschichtliche<br />
Entwicklung Liechtensteins<br />
mit besonderer Berücksichtigung<br />
der neueren<br />
Zeit. In: JBL 1919.<br />
ders.: Das Hungerjahr<br />
1817 in Liechtenstein.<br />
In: JBL 1919.<br />
Schafhauser, Eugen: Liechtensteins<br />
Eschnerberg im<br />
Schatten von fünf Jahrtausenden.<br />
St. Gallen 1959.<br />
Schmid, Georg: Das Hausrecht<br />
der Fürsten von<br />
Liechtenstein. Diss.<br />
Zürich. In: JBL 1978.<br />
Seger, Otto: Von Hohenems<br />
zu Liechtenstein. In: JBL<br />
1958.<br />
ders.: Zur Erwerbung der<br />
Grafschaft Vaduz durch<br />
Fürst Johann Adam von<br />
Liechtenstein vor zweihundertfünfzig<br />
Jahren.<br />
In: JBL 1961.<br />
ders.: Die Leibeigenschaft<br />
und ihre Aufhebung.<br />
In: JBL 1964.<br />
ders.: Überblick über<br />
die liechtensteinische<br />
Geschichte, Vaduz 1965.
Somweber, Erich: Die Reformen<br />
Maria Theresias<br />
und Josephs II. in Vorarlberg.<br />
Diss. Wien 1931.<br />
Steger, Gregor: Fürst und<br />
Landtag nach liechtensteinischem<br />
Recht. Diss.,<br />
Vaduz 1950.<br />
Steinbach, Peter: Industrialisierung<br />
und Sozialsystem<br />
im Fürstentum<br />
Lippe. Zum Verhältnis von<br />
Gesellschaftsstruktur und<br />
Sozialverhalten einer verspätet<br />
industrialisierten<br />
Region im 19. Jahrhundert.<br />
Mit einem statistischen<br />
Anhang, Historische<br />
und Pädagogische Studien,<br />
Bd. 7. Diss. Berlin 1976.<br />
Stekl, Hannes: Grundlagen,<br />
Formen und Ausdruck<br />
adeligen Lebensstils<br />
im Vormärz. Zur Geschichte<br />
der Fürstenh<strong>äu</strong>ser<br />
Liechtenstein und<br />
Schwarzenberg. Diss.<br />
(Masch.) Wien 1968.<br />
Stekl, Hannes: Österreichische<br />
Aristokratie im Vormärz.<br />
Herrschaftsstil und<br />
Lebensformen der Fürstenh<strong>äu</strong>ser<br />
Liechtenstein<br />
und Schwarzenberg. München<br />
1973<br />
Stolz, Otto: Verfassungsgeschichte<br />
des Landes Vorarlberg.<br />
Montfort 5, 1950.<br />
ders.: Grundriß der österreichischenVerfassungsundVerwaltungsgeschichte.<br />
Innsbruck 1951.<br />
Tremel, Ferdinand:<br />
Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />
Österreichs.<br />
Wien 1969.<br />
Tschugmell, Fridolin:<br />
Beamte 1681-1840.<br />
Dienstinstruktionen,<br />
Diensteide usw.. In: JBL<br />
1947<br />
Vogt, Alois: Die Entwicklung<br />
der liechtensteinischen<br />
Industrie. In: Das<br />
Fürstentum Liechtenstein<br />
im Wandel der Zeit und im<br />
Zeichen seiner Souveränität.<br />
Vaduz 1956.<br />
Voigt, B. B.: Die Auflösung<br />
des Klosters Pfäfers im<br />
Verhältnis zum Fürstentum<br />
Liechtenstein. In: JBL<br />
1930.<br />
Vorarlbergisches Wörterbuch<br />
mit Einschluß des<br />
Fürstentums Liechtenstein.<br />
Hg. v. der Österreich.<br />
Akademie der Wissenschaften,<br />
bearb v. Leo<br />
Lutz. Wien 1955/60.<br />
Walter, Friedrich: Österreichische<br />
Verfassungs- und<br />
Verwaltungsgeschichte von<br />
1500-1955. Aus dem<br />
Nachlaß herausgegeben<br />
von Adam Wandruszka.<br />
Wien 1972.<br />
Wandruszka, Adam und<br />
Peter Urbanitsch (Hg.): Die<br />
Habsburgermonarchie<br />
1848-1918. Bd. I: Die wirtschaftliche<br />
Entwicklung.<br />
Wien 1973. Bd. IL Verwaltung<br />
und Rechtswesen.<br />
Wien 1975.<br />
Wanner, Gerhard: Aspekte<br />
zur Liechtensteiner Wirtschafts-<br />
und Sozialgeschichte<br />
um 1800.<br />
In: JBL 1970.<br />
Weber, Max: Wirtschaft<br />
und Gesellschaft. Grundriß<br />
der verstehenden Soziologie.<br />
Tübingen 1972.<br />
VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN<br />
LITERATUR- UND QUELLENNACHWEIS / PAUL VOGT<br />
Welti, Ludwig: Geschichte<br />
der Reichsgrafschaft Hohenems<br />
und des Reichshofes<br />
Lustenau. In: Forschungen<br />
zur Geschichte<br />
Vorarlbergs und Liechtensteins.<br />
Innsbruck 1930.<br />
Bd. 4.<br />
ders.: Gliederung der Vorarlberger<br />
Verwaltung von<br />
1814-1868. In: Hundert<br />
Jahre Bezirkshauptmannschaften<br />
in Österreich.<br />
Wien 1968.<br />
ders.: Siedlungs- und Sozialgeschichte<br />
von Vorarlberg.<br />
In: Veröffentlichungen<br />
der Universität Innsbruck,<br />
Studien zur Rechts-,<br />
Wirtschafts- und Kulturgeschichte.<br />
Innsbruck 1973.<br />
Wille, Herbert: Staat und<br />
Kirche im Fürstentum<br />
Liechtenstein. Diss. Fribourg1972.<br />
Wurzbach, Constant von:<br />
Biographisches Lexikon<br />
des Kaiserthumes Österreich.<br />
Wien 1856-1923.<br />
60 Bde.<br />
Ziegler, Uwe: Verwaltungs-,<br />
Wirtschafts- und Sozialstruktur<br />
Hohenzollerns im<br />
19. Jahrhundert, in: Arbeiten<br />
zur Landeskunde<br />
Hohenzollerns. Bd. 13.<br />
Sigmaringen 1976.<br />
Zorzi, Eduard: Die Grundherrschaft<br />
der Feste Liechtenstein<br />
(12. Jahrhundert<br />
bis 1808). Diss. (Masch.)<br />
Wien 1939.<br />
147
BILDNACHWEIS REPROS<br />
Alle Abbildungen: Heinz Preute, Vaduz<br />
Liechtensteinisches<br />
Landesarchiv, Vaduz<br />
148<br />
ANSCHRIFT DES AUTORS<br />
lic. phil. Paul Vogt<br />
Palduinstrasse 74<br />
FL-9496 Balzers