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Gustav Radbruchs Plädoyer für eine „Weltliche Schule“

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A 59349; 24. Jahrgang; 1. Quartal, Nr. 90/2010; E 4,25<br />

Zeitschrift des humanistischen verbandes


Zeitschrift des humanistischen verbandes<br />

Inhalt<br />

humanisten im internet: http://www.humanismus.de e-mail: diesseits@humanismus.de<br />

Nr. 90 1/2010<br />

Editorial Frieder Otto Wolf 1<br />

Landauf/landab 2<br />

Menschen im Diesseits 8<br />

Internationales Rationalismus in Polen Elzbieta Binswanger-Stefanska 9<br />

Aus den Ländern Berlin – Straßenkind <strong>für</strong> <strong>eine</strong>n Tag Töns Wiethüchter 12<br />

Berlin – Das Nachtasyl Gorki stellt sich vor Karsten Krampitz, Sebastian Rosche 14<br />

Brandenburg – Adolph-Hoffmann-Ausstellung Michael Schmidt 15<br />

Titel Der Islam aus Sicht des säkularen Humanismus Armin Pfahl-Traughber 17<br />

Stimmen zum Minarett-Verbot 22<br />

Einblicke / Ausblicke Humanistik Horst Groschopp 24<br />

Forum Missionierung <strong>für</strong> Konfessionslose Siegfried R. Krebs 26<br />

Zwischenruf Ethiksteuer <strong>für</strong> alle? Lutz Renken 27<br />

Magazin <strong>Gustav</strong> Radbruch und die Weltliche Schule Arnold Köpcke-Duttler 28<br />

Das Miniaturenmuseum Moshe Samters Ralf Bachmann 30<br />

Angesehen Avatar Gernoth Schmidt 33<br />

Kreuz / quer 34<br />

Auslese 36<br />

Nachgefragt AOK empfiehlt christliche Patientenverfügung 38<br />

Aussprache 39<br />

Gedicht Atheism Eva Strittmatter<br />

Herausgeber: Humanistischer Verband Deutschlands, Wallstraße 61-65, 10179 Berlin, Telefon 030-613 904-41. Verantwortlich im<br />

Sinne des Berliner Pressegesetzes: Patricia Block. Mit Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des<br />

Herausgebers wieder. Redaktion: Ralf Bachmann, Michael Bauer, Patricia Block, Gerd Eggers, Thomas Hummitzsch, Christian<br />

John, Siegfried R. Krebs, Fiona Lorenz, Arne Lund, Florian Noack, Lutz Renken, Jürgen Springfeld. Anzeigenleitung/Verwaltung:<br />

Bettina Kebschull. Titelgestaltung/Grafik/Layout: Jürgen Holtfreter, Berlin. Fotos: Jürgen Holtfreter, Titelbild; Evelin Frerck, S. 1;<br />

Andreas Henschel, S. 2; Gerd Kirschnick, S. 4; Frank Roßner, S. 5; Björn Winx, S. 5; Björn Reichel S. 6; Töns Wiethüchter, S. 12,<br />

13; Bilderbox, S. 16, S.18/19; Gudrun Grimm, Mittelfoto; Robert Michel, S. 25,35; Peter Groth, S.38; Zeichnungen: Jacek Gawlanski,<br />

S. 26; Samter, S. 30-32; Bartak, S. 36; Vannini, S. 39; Amelie Glienke, S. 41 diesseits erscheint vierteljährlich am 1. März,<br />

1. Juni, 1. September und 1. Dezember. Redaktionsschluss ist sechs Wochen vor dem Ersch<strong>eine</strong>n. Bezugspreise: Jahresabonnement<br />

13,- E (inklusive Porto und Mehrwertsteuer), Ausland zuzüglich Porto mehrkosten. Einzel exemplar 4,25 E. Satz/Reinzeichnung:<br />

Michael Pickardt, Berlin. Druck: H & P Druck, Körtestr. 10, 10967, Telefon 030-693 77 37. ISSN 0932-6162., diesseits wird auf<br />

umweltfreundlichem, zu 50 % chlorfrei gebleichtem Papier mit 50 % Recycling faseranteilen gedruckt.


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

im vergangenen Jahr hat der HVD – in breiten Bündnissen – wichtige<br />

Erfolge erzielt. Hier sind vor allem die Verabschiedung des<br />

Gesetzes über die Patientenverfügung und der Erfolg der Initiative<br />

Pro Ethik in Berlin zu nennen. Außerdem hat er <strong>eine</strong>n Prozess<br />

eingeleitet, durch den ein Unterrichtsangebot in humanistischer<br />

Lebenskunde über Berlin und Brandenburg hinaus in immer mehr<br />

Bundesländern möglich wird. Das sind wirkliche Meilenst<strong>eine</strong> der<br />

Verbandsentwicklung.<br />

Nicht nur der HVD, die säkulare Szene insgesamt, hat <strong>eine</strong> neue<br />

Dynamik gewonnen. Besonders die Giordano-Bruno-Stiftung<br />

und die Neuen Atheisten haben in der Öffentlichkeit breite Aufmerksamkeit<br />

gefunden. Das hat durchaus auch Gegenaktionen<br />

provoziert. Dazu gehörte auch der im Vorfeld der Volksabstimmung<br />

über Pro Reli in Berlin von <strong>eine</strong>m offenbar mächtigen<br />

politisch-publizistischen Netzwerk gestartete Versuch, die Birthler-Behörde<br />

da<strong>für</strong> zu instrumentalisieren, Dr. Bruno Osuch, den<br />

Berliner Landesvorsitzenden, als kommunistischen Terroristen zu<br />

diffamieren. Inzwischen sind Gerichtsurteile ergangen, die diese<br />

Diffamierungsversuche eindeutig zurückgewiesen haben und der<br />

Birthler-Behörde verboten haben, ihre eigenen Unterlagen derart<br />

gezielt manipulieren zu lassen. Aus denen geht zwar hervor, dass er<br />

von der Stasi erfasst worden ist, also ein Betroffener ist – <strong>für</strong> s<strong>eine</strong><br />

„Umtopfung“ zum Begünstigten gibt es aber k<strong>eine</strong>rlei Grundlagen.<br />

Unser Vertrauen in Dr. Osuch ist damit voll bestätigt.<br />

In diesem Kontext bildet die Nachricht vom Rücktritt von Dr.<br />

Horst Groschopp als Präsident des HVD <strong>eine</strong>n deutlichen Kontrast.<br />

Jahrelang hatte er den HVD als Bundesorganisation ganz<br />

entscheidend vorangebracht: Gründung neuer Landesverbände,<br />

Zusammenführung der zersplitterten säkularen Szene (von der sogenannten<br />

Sichtungskommission bis hin zur Gründung des KOR-<br />

SO) bis zur Vereinbarung <strong>eine</strong>r Kooperation mit der im Osten<br />

der neuen Republik starken „Jugendweihe Deutschland“. Auch<br />

wenn im letzten Jahr die Grenzen dieser Erfolge erkennbar wurden<br />

und im Fall der Trennung des HVD von hpd-online deutlich<br />

wurde, dass der HVD Kurskorrekturen vornehmen musste. Es<br />

wird allerdings nötig sein, nächste Schritte vorzubereiten und auch<br />

umzusetzen.<br />

Da<strong>für</strong> braucht der HVD als Bundesorganisation ein Minimum an<br />

Ressourcen. Das sah Dr. Groschopp mit guten Gründen durch die<br />

editorial<br />

interne Haushaltsdebatte des Präsidiums und durch den Verlauf der<br />

Debatte über <strong>eine</strong> Neuaufstellung des öffentlichen Auftretens des<br />

Verbandes gefährdet – und hat sich schließlich dazu durchgerungen,<br />

durch s<strong>eine</strong>n Rücktritt ein klares Signal zu setzen. Das ist angesichts<br />

s<strong>eine</strong>r großen Verdienste tragisch. Ich kann nur hoffen, dass er als<br />

Direktor der Berliner und der Bundes-Akademie weiter <strong>eine</strong> wichtige<br />

Figur <strong>für</strong> die weltanschauliche Profilierung unseres Verbandes<br />

bleiben wird. Für den Verband bedeutet es, dass er sich jetzt ernsthaft<br />

der Frage stellen muss, wie er sich als Bundesorganisation wirksam<br />

so aufstellen kann, dass er mit den wachsenden Herausforderungen<br />

erfolgreich umgehen kann – und dass sich die Frage der Nachfolge<br />

im Präsidentenamt ein reichliches Jahr früher stellt.<br />

Auf <strong>eine</strong>r Beratung Ende Januar hat das Präsidium des Verbandes<br />

s<strong>eine</strong> Haushaltsentscheidungen auf <strong>eine</strong> Weise umstrukturiert,<br />

durch die die Kontinuität der Arbeit s<strong>eine</strong>s kl<strong>eine</strong>n Bundesbüros<br />

gewährleistet bleibt und es hat mit Landesvorsitzenden und<br />

Landesgeschäftsführern <strong>eine</strong>n Prozess eingeleitet, durch den sich<br />

der HVD in zwei Schritten auf der Bundesebene organisatorisch<br />

neu aufstellen wird – mit den Hauptthemen: Unterstützung der<br />

kl<strong>eine</strong>n Landesverbände, der Einbettung des Präsidiums des Bundesverbandes<br />

und der bundesweiten öffentlichen Selbstdarstellung<br />

des Verbandes.<br />

Als ältester Vizepräsident habe ich es übernommen, diesen Übergangsprozess<br />

zu moderieren und bis zur Bundesdelegiertenkonferenz<br />

die Amtsgeschäfte des Präsidenten<br />

zu führen. Ich erwarte<br />

da<strong>für</strong> <strong>eine</strong> bewusste Anstrengung<br />

aller Seiten, die Probleme nicht<br />

länger auf die lange Bank zu<br />

schieben, sondern sie gemeinsam<br />

mit dem Präsidium aktiv anzugehen.<br />

Präsidium und Landesverbände<br />

haben inzwischen damit<br />

begonnen. Es wird nötig sein,<br />

dass auch unsere Mitglieder sich<br />

in diesen Prozess einbringen!<br />

Ihr Frieder Otto Wolf<br />

1/2010 1


Arik Platzek (28) und das<br />

jüngste Mitglied im HVD M-V<br />

Juliane Hille (20)<br />

Nordost-HVD mit neuem<br />

Gesicht<br />

Schwerin – Im Herbst 2009 jährte<br />

sich die Gründung von „HVD<br />

Humanisten Mecklenburg-Vorpommern<br />

e.V.“ zum dritten Mal.<br />

Turnusmäßig wurde im Oktober<br />

auch ein neuer Vorstand gewählt.<br />

Jochen Stopperam ist in s<strong>eine</strong>m<br />

Amt als Vorsitzender wiedergewählt<br />

worden. Ebenfalls bestätigt<br />

wurde Wolfgang Langer als Stellvertretender<br />

Vorsitzender. Weiterer<br />

Stellvertreter ist nun Alexander<br />

Rabe. Beisitzer sind Dr. Wolfram<br />

Fredersdorff und neu Arik Platzek.<br />

Letzterer ist Student in Greifswald.<br />

Platzek hat gleich nach s<strong>eine</strong>r Wahl<br />

<strong>eine</strong>n neuen, zeitgemäßen Internetauftritt<br />

s<strong>eine</strong>s Landesverbandes<br />

initiiert, der mit Unterstützung<br />

der Thüringer Humanisten entstand.<br />

Die Website Mecklenburg-<br />

Vorpommerns entspricht nun dem<br />

einheitlichen Erscheinungsbild des<br />

HVD und ist seit 28. November<br />

2009 unter neuer Adresse online:<br />

www.hvd-mv.de.<br />

2<br />

1/2010<br />

Auftaktveranstaltung<br />

zur Humanistischen<br />

Hospizinitiative<br />

Stuttgart – Am Freitag, dem 15.<br />

Januar, fand die Auftaktveranstaltung<br />

zur neuen ambulanten Humanistischen<br />

Hospizinitiative der<br />

Humanisten Württemberg und der<br />

Arbeiterwohlfahrt (AWO) Stuttgart<br />

im Humanistischen Zentrum in<br />

Stuttgart mit der feierlichen Begrüßung<br />

der Ehrenamtlichen statt. Die<br />

Bekanntgabe der geplanten Humanistischen<br />

Hospizinitiative hatte im<br />

Vorfeld <strong>für</strong> große Aufmerksamkeit in<br />

Stuttgart und <strong>für</strong> positive, aber teils<br />

auch heftige Reaktionen innerhalb<br />

der öffentlichen Debatte gesorgt.<br />

Dass ein konfessionsfreies Hospizangebot<br />

in Stuttgart lange überfäl-<br />

Hingucker<br />

Christoph Keiper und Andrea Funk leiten den humanistischen<br />

Hospizkurs<br />

lig war, sah die Vorstandssprecherin<br />

der Humanisten Württemberg, Dr.<br />

Gabriele Will, durch die Reaktionen<br />

auf die Berichterstattung bestätigt.<br />

In ihrer Begrüßungsansprache be-<br />

Als Hingucker zogen 14 Kids aus dem Kinder- und Jugendbüro des HVD Berlin mit der<br />

Fotografin Gab Kiess während des Feriensommers 2009 durch den Berliner Stadtbezirk<br />

Marzahn-Hellersdorf, guckten hin und bannten sich und ihre Lieblingsplätze aufs<br />

Foto. Ihre Perspektive zeigt ein Leben zwischen Urbanität und grünem Kinderland,<br />

Verspieltheit und Ernst, Spontanem und Inszeniertem. Die „Hingucker“-Ergebnisse<br />

waren im Januar/Februar in <strong>eine</strong>r Ausstellung der Villa Pelikan zu bewundern.<br />

tonte sie, dass es sich bei der neuen<br />

Hospizinitiative um k<strong>eine</strong>n Angriff<br />

auf das bisher bestehende kirchliche<br />

Angebot handele, sondern um dessen<br />

Ergänzung.


ainWEEK 2010 vom 15.-21.<br />

März in Nürnberg<br />

Nürnberg – Am 17. März 2008<br />

schrieb die Nürnberger Zeitung<br />

über die Premiere des damals frisch<br />

eingeführten Veranstaltungsformats<br />

„Science Meets Comedy“:<br />

„Es war ein gewagtes Experiment,<br />

<strong>eine</strong>n Wissenschaftler und <strong>eine</strong>n<br />

Komiker <strong>eine</strong>n Abend hindurch<br />

zusammenzuspannen. Doch das<br />

Experiment ist gelungen...“ Nach<br />

<strong>eine</strong>r fulminanten Fortsetzung im<br />

März 2009 wird auch in diesem<br />

Jahr die Hauptveranstaltung der<br />

brainWEEK 2010 in Nürnberg<br />

die Idee dieses gefeierten Formats<br />

aufnehmen: Am Freitag, 19.<br />

März 2010, gibt es <strong>eine</strong> Neuauflage<br />

von „Science Meets Comedy“<br />

im Nürnberger Planetarium.<br />

Der international renommierte<br />

Wahrnehmungspsychologe Stuart<br />

Anstis aus Kalifornien wird s<strong>eine</strong><br />

neuesten Forschungsergebnisse im<br />

Kuppelsaal des Planetariums präsentieren.<br />

Stuart Anstis erforscht<br />

an der Universität von San Diego<br />

visuelle Wahrnehmungsphänomene<br />

und wurde weltbekannt durch<br />

s<strong>eine</strong> Studien und Selbstversuche<br />

zur Helligkeits-, Kontrast- und<br />

Bewegungswahrnehmung. Auf s<strong>eine</strong>r<br />

Internetseite http://psy2.ucsd.<br />

edu/~sanstis/ ist <strong>eine</strong> Auswahl an<br />

Wahrnehmungseffekten abrufbar,<br />

die aus s<strong>eine</strong>n Forschungen hervorgegangen<br />

sind. Auch wer Probleme<br />

beim Verstehen der englischen<br />

Sprache hat, muss nicht zu Hause<br />

bleiben: Der Physiker, Stand-up-<br />

Comedian und phänomenale Zauberkünstler<br />

Thomas Fraps „übersetzt“<br />

Anstis’ Ausführungen in<br />

kreativer Weise. Thomas Fraps, der<br />

Naturgesetze augenscheinlich auf<br />

den Kopf stellt, wurde bereits mit<br />

dem begehrten SARMOTI-Award<br />

von Siegfried und Roy sowie mit<br />

dem Zauber-Oskar der Academy<br />

Thomas Fraps<br />

of Magical Arts in Hollywood ausgezeichnet.<br />

Fraps’ Streifzüge durch<br />

Quantenphysik und Kartentricks<br />

führen ihn inzwischen um die ganze<br />

Welt.<br />

Es erwartet Sie <strong>eine</strong> Veranstaltung,<br />

in der sich renommierte Wissenschaft,<br />

unterhaltsame Philosophie,<br />

Zauberkunst und Comedy zu <strong>eine</strong>r<br />

abendfüllenden Ursuppe ver<strong>eine</strong>n!<br />

Rechtzeitige Anmeldung wird<br />

empfohlen: 0911 9443281 oder<br />

info@turmdersinne.de.<br />

Aktuelle Informationen zu weiteren<br />

Veranstaltungen im Rahmen der<br />

brainWEEK, z. B. <strong>eine</strong> Filmvorführung<br />

in Kooperation mit dem<br />

Klinikum Nürnberg über ethische<br />

Fragen zu neuen Behandlungsmethoden<br />

neurodegenerativer Erkrankungen<br />

wie Parkinson und Alzheimer<br />

unter www.turmdersinne.de.<br />

Augenschein: Der KREIS im<br />

Turm<br />

Nürnberg – In <strong>eine</strong>r neuen Sonderausstellung<br />

präsentiert der<br />

turmdersinne vom 12. Januar bis 9.<br />

Mai 2010 Illusionen, Verfremdungen<br />

und Phantasmen der Nürnberger<br />

Künstlergruppe „Der KREIS“.<br />

Der KREIS gehört seit 1947 zu<br />

den wichtigsten Künstlergruppen<br />

Frankens. S<strong>eine</strong> Aktivitäten erstrecken<br />

sich über Nürnberg, wo er die<br />

KREIS Galerie am Germanischen<br />

Nationalmuseum betreibt, bis ins<br />

europäische Ausland.<br />

Der turmdersinne zeigt <strong>eine</strong> Auswahl<br />

an Gemälden, Grafiken, Fotografien<br />

und Objekten von den<br />

Künstlern Hubertus Hess, Rolf<br />

Fütterer, Ursula Kreuz, Ortwin<br />

Michl, Thomas May, Meide Büdel,<br />

Peter Thiele und Peter Kampehl.<br />

Man begegnet manuellen und digitalen<br />

Manipulationen, Raum<br />

Rolf Fütterer, Kidssingen<br />

und Bewegung werden als optische<br />

Erscheinung konstruiert. Vertraute<br />

Formen und Inhalte brechen<br />

auf und werden in neue Kontexte<br />

gesetzt, Sichtbares entpuppt sich<br />

als Schein, während sich unmöglich<br />

Sch<strong>eine</strong>ndes auf grundlegende<br />

physikalische Gesetzmäßigkeiten<br />

zurückführen lässt. Die zusammengestellten<br />

künstlerischen Werke<br />

unterstreichen einmal mehr die<br />

in der permanenten turmdersinne-<br />

Ausstellung diskutierte Frage: Ist<br />

das, was wir sehen, wirklich das,<br />

was wir glauben zu sehen?<br />

Symposium turmdersinne:<br />

Neuer Termin: 1.-3. Oktober<br />

Nürnberg – Das diesjährige Symposium<br />

turmdersinne in Nürnberg<br />

findet nicht wie ursprünglich<br />

geplant Mitte Oktober, sondern<br />

bereits am Wochenende 1.-3.<br />

Oktober statt. Neuer Veranstaltungsort<br />

ist das Maritimhotel<br />

Nürnberg. Das Thema betrifft uns<br />

alle: „Mann – Frau – Gehirn: Geschlechterdifferenz<br />

und Neurowissenschaft“.<br />

Seit die Evolution<br />

die zweigeschlechtliche Fortpflanzung<br />

erfunden hat, unterscheiden<br />

sich Männchen und Weibchen.<br />

Auch und gerade beim Menschen<br />

sind tatsächliche und vermeintliche<br />

Unterschiede zwischen Mann und<br />

Frau ein unerschöpfliches Thema.<br />

Alltagspsychologie und Ratgeberliteratur<br />

liefern Stichwörter und<br />

Stereotype, von einparken und<br />

zuhören können über „männliche“<br />

und „weibliche“ Logik, technische<br />

und emotionale Intelligenz, Mars<br />

und Venus, Yin und Yang bis hin zu<br />

linker und rechter Gehirnhälfte.<br />

1/2010 3


Doch was ist wirklich Stand der<br />

Forschung? Welche Wahrnehmungsleistungen<br />

und geistigen<br />

Fähigkeiten sind signifikant verschieden<br />

zwischen Männern und<br />

Frauen? Was davon ist angeboren<br />

und was anerzogen? Welche Rolle<br />

spielen Gene, Hormone und Gehirnphysiologie?<br />

Humanbiologie,<br />

Medizin, Neuroanatomie, Kognitionsforschung,<br />

Entwicklungs- und<br />

Sozialpsychologie liefern wissenschaftliche<br />

Ergebnisse. Wir stellen<br />

die Fakten in den Mittelpunkt.<br />

Für die Einführung wurde der prominente<br />

Hirnforscher Christian<br />

E. Elger aus Bonn gewonnen. Das<br />

Programm umfasst wie gewohnt<br />

<strong>eine</strong> Reihe interessanter Referenten:<br />

darunter namhafte Wissenschaftler<br />

sowie junge Nachwuchsforscher.<br />

Im letzten Jahr war das Symposium<br />

bereits fünf Wochen vor Beginn<br />

restlos ausverkauft und zahlreiche<br />

Interessenten mussten leider abgewiesen<br />

werden. Sichern Sie sich also<br />

rechtzeitig Ihren Platz! Die Anmeldung<br />

ist ab sofort möglich unter<br />

www.turmdersinne.de.<br />

4<br />

1/2010<br />

Abschaffung des<br />

Blasphemie-Paragraphen<br />

Hagen – Der DFW und der IBKA<br />

laden zu <strong>eine</strong>r gemeinsamen Tagung<br />

ein, deren Ziel es ist, die<br />

Forderung nach der Abschaffung<br />

des § 166 StGB zu erneuern. Diese<br />

wird verbunden mit der Erörterung<br />

von Fragen der Wissenschafts- und<br />

der Kunstfreiheit und vor allem<br />

der Meinungsfreiheit. Dabei sollen<br />

sowohl bundesdeutsche als<br />

auch europäische Sichtweisen zur<br />

strafrechtlichen Bedeutung der<br />

Blasphemie und zur Meinungsfreiheit<br />

in Bezug auf Religionen bzw.<br />

Weltanschauungen zur Sprache<br />

kommen.<br />

Termin: 13./14. März 2010<br />

Ort: Freireligiöse Landesgemeinde<br />

Pfalz, 67059 Ludwigshafen am<br />

Rhein<br />

Info/Anmeldung:<br />

DFW, c/o Dr. V. Mueller,<br />

Rudolf-Breitscheid-Str. 15,<br />

14612 Falkensee.<br />

Email: dfw-praesident@web.de<br />

Konfessionsfreie bleiben<br />

auch weiter draußen<br />

Weimar – In Leipzig hat sich im<br />

Dezember 2009 der neue MDR-<br />

Rundfunkrat mit sechsjähriger<br />

Amtszeit konstituiert. Zum Vorsitzenden<br />

ist laut Mitteilung des Mitteldeutschen<br />

Rundfunks (MDR)<br />

der Superintendent des evangelisch-lutherischen<br />

Kirchenbezirks<br />

Rochlitz, Johannes Jenichen, gewählt<br />

worden – und damit erneut<br />

ein Kirchenvertreter. Der bisherige<br />

Vorsitzende, der katholische Monsignore<br />

Karl-Heinz Ducke aus Jena<br />

ist nun Stellvertretender Ratsvorsitzender.<br />

Dem Rundfunkrat gehören<br />

Vertreter von 43 Organisationen,<br />

Institutionen und Gruppen aus den<br />

drei MDR-Staatsvertragsländern<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />

an. Das Aufsichtsgremium<br />

wacht unter anderem über die Einhaltung<br />

der Programmgrundsätze<br />

und wählt den Intendanten.<br />

Um <strong>eine</strong>n Sitz in dem Gremium<br />

hatten sich erstmalig auch die<br />

HVD-Landesverbände Thüringen<br />

und Sachsen sowie die Humanisten<br />

aus Sachsen-Anhalt beworben.<br />

Der HVD Thüringen tat das mit<br />

Hinweis auf Artikel 12 (2) der<br />

Landesverfassung, in der es heißt:<br />

„...in den Aufsichtsgremien... sind<br />

die politischen, weltanschaulichen<br />

und gesellschaftlichen Gruppen...<br />

zu beteiligen.“<br />

Obwohl sich der HVD Thüringen<br />

formgemäß beworben hatte<br />

und s<strong>eine</strong> Bewerbung auch von<br />

der Landtagsverwaltung schriftlich<br />

bestätigt worden ist, wurde dem<br />

HVD Thüringen k<strong>eine</strong> Mitteilung<br />

über s<strong>eine</strong> Nichtberufung gegeben,<br />

geschweige denn <strong>eine</strong> Begründung<br />

<strong>für</strong> die Ablehnung. Den Humanisten<br />

der beiden anderen Bundesländer<br />

ging dagegen ein lapidares<br />

Ablehnungsschreiben zu.<br />

Kein Aprilscherz:<br />

Wiedereröffnung des Kinder- und Jugendgästehauses<br />

Heiligensee am 1. April 2010!<br />

Seit September 2009 wird das Kinder- und Jugendgästehaus<br />

Heiligensee, im Nordwesten Berlins an Havel und Tegeler Forst<br />

gelegen, im Rahmen des Konjunkturprogramms II denkmalgerecht<br />

energetisch saniert. Kitakinder und Schulklassen, Jugendgruppen<br />

und Familien können ab sofort wieder Buchungen vornehmen;<br />

Interessierte, Partner und Freunde sind natürlich auch zur<br />

Wiedereröffnung eingeladen. Infos unter www.juhu-heiligensee.de


Hierzu erklärt der Thüringer<br />

HVD-Landesvorstand: „Offensichtlich<br />

versteht die Landespolitik<br />

unter weltanschaulichen Gruppen<br />

nach wie vor ausschließlich<br />

die beiden christlichen Kirchen<br />

und die jüdische Kultusgemeinde,<br />

die zusammen nur etwa ein Viertel<br />

der Thüringer vertreten. Der<br />

HVD Thüringen protestiert gegen<br />

diese Verfahrensweise und die<br />

Missachtung der humanistischen<br />

Weltanschauungsgemeinschaften,<br />

die laut Grundgesetz und Landesverfassung<br />

den Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

gleichgestellt<br />

sind – wobei von den Letzteren im<br />

entsprechenden Thüringer Verfassungsartikel<br />

nicht einmal die<br />

Rede ist. Der HVD sieht in <strong>eine</strong>r<br />

solchen Verfahrensweise auch <strong>eine</strong><br />

Missachtung der konfessionsfreien<br />

Bevölkerungsmehrheit.“<br />

Vizepräsidentin informiert<br />

sich über den Thüringer HVD<br />

Weimar – Mitte Januar hat sich<br />

die Vizepräsidentin des Thüringer<br />

Landtages, Dr. Birgit Klaubert<br />

(DIE LINKE), mit Vorständlern<br />

und weiteren Aktiven des HVD-<br />

Landesverbandes getroffen. An<br />

dem Treffen nahm auch die kulturpolitische<br />

Sprecherin der LINKS-<br />

Fraktion im Deutschen Bundestag,<br />

Luc Jochimsen, teil.<br />

Die beiden Abgeordneten informierten<br />

sich über den Thüringer<br />

HVD, s<strong>eine</strong> bisherige Entwicklung,<br />

s<strong>eine</strong> nächsten Ziele und Aufgaben.<br />

Besonderes Interesse fanden dabei<br />

die Vorbereitungen zur Gründung<br />

<strong>eine</strong>r eigenen Humanistischen<br />

Landesakademie.<br />

Der HVD-Vorsitzende, Siegfried<br />

R. Krebs, sprach dabei auch das<br />

Begehren s<strong>eine</strong>s Verbandes an, bei<br />

Luc Jochimsen, Siegfried R. Krebs, Birgit Klaubert<br />

Anhörungen im Landtag ebenso<br />

beteiligt zu werden wie die christlichen<br />

Kirchen.<br />

Im Verlaufe dieser Unterredung<br />

überreichte Birgit Klaubert den<br />

Thüringer Humanisten <strong>eine</strong>n<br />

Scheck aus dem Fonds des Vereins<br />

„Alternative 54“. Diesen hatten<br />

vor zehn Jahren die Landtagsabgeordneten<br />

der damaligen PDS<br />

gegründet: In den Fonds zahlen<br />

seither die Mitglieder der PDS-<br />

bzw. LINKS-Fraktion ihre automatischen<br />

Diätenerhöhungen ein.<br />

Mit diesen Mitteln, bisher mehr als<br />

<strong>eine</strong> halbe Million Euro, werden<br />

insbesondere soziale und kulturelle<br />

Ver<strong>eine</strong> unterstützt, denen Staat,<br />

Kommunen und andere „Sponsoren“<br />

Zuwendungen versagen. So<br />

hatte auch die Sparkassen-Stiftung<br />

<strong>eine</strong>n Antrag des HVD Thüringen<br />

zur Förderung von geplanten Kultur-<br />

und Bildungsveranstaltungen<br />

abgelehnt.<br />

Präsident der Russischen<br />

Humanisten trifft Thüringer<br />

HVD<br />

Weimar – Frank Roßner, Vorständler<br />

des Thüringer HVD, ist<br />

im Dezember in Moskau vom<br />

Präsidenten der Russischen Humanistischen<br />

Gesellschaft, Prof. Dr.<br />

Waleri Alexandrowitsch Kuwakin,<br />

empfangen worden. Roßner, der<br />

derzeit in Moskau beruflich tätig<br />

ist, und Kuwakin informierten sich<br />

gegenseitig über die humanistische<br />

Arbeit in ihren Ländern. Die Thüringer<br />

wollen sich in ihrer Arbeit<br />

nun auch dem geistigen und persönlichen<br />

Austausch mit den russischen<br />

Humanisten widmen.<br />

Frank Roßner (l.)<br />

und W.A. Kuwakin<br />

HVD und Jugendweihe sind<br />

in Thüringen Partner<br />

Weimar – Die Thüringer Landesvorstände<br />

des Humanistischen<br />

Verbandes Deutschlands und der<br />

Interessenvereinigung Jugendweihe<br />

haben am 28. November 2009<br />

in <strong>eine</strong>r gemeinsamen Sitzung<br />

einmütig <strong>eine</strong> Kooperationsvereinbarung<br />

abgeschlossen. Kern dieser<br />

Vereinbarung ist das gemeinsame<br />

Grundanliegen, Jugendlichen Veranstaltungen<br />

der Jugendarbeit im<br />

Sinne des weltlichen Humanismus<br />

anzubieten und Synergieeffekte<br />

zu nutzen. Dabei lassen sich beide<br />

Verbände von den Prinzipien<br />

ihres jeweiligen humanistischen<br />

Selbstverständnisses leiten. Besonders<br />

wollen sie bei der Gestaltung<br />

der offenen Jugendarbeit und von<br />

humanistischen Lebensabschnittsfeiern<br />

sowie in gemeinsamer wissenschaftlicher<br />

Arbeit zusammenarbeiten.<br />

Im Zentrum der Partnerschaft steht<br />

die Förderung der gesellschaftlichen<br />

Partizipation von Kindern und Jugendlichen<br />

in Thüringen. Hierzu<br />

wollen die Partner ihre Kompetenzen,<br />

Erfahrungen und Ressourcen<br />

im direkten Zusammenwirken mit<br />

weiteren Partnern, Einrichtungen,<br />

Freien Trägern, Verbänden und<br />

Ver<strong>eine</strong>n sowie Schulen nutzen.<br />

Ausgehend von diesen Zielstellungen<br />

wurden von beiden Vorständen<br />

konkrete Vereinbarungen getroffen.<br />

Diese sehen u. a. vor, dass der<br />

Humanistische Verband in Thüringen<br />

k<strong>eine</strong> eigenen Jugendfeiern<br />

anbieten wird, sondern mit Gesprächspartnern<br />

und Festrednern<br />

die Veranstaltungen der Interessenvereinigung<br />

Jugendweihe unterstützt.<br />

Die Interessenvereinigung<br />

Jugendweihe unterstützt ihrerseits<br />

das Wirken des Humanistischen<br />

Verbandes als Interessenvertretung<br />

der konfessionsfreien Menschen.<br />

Diese Thüringer Vereinbarung basiert<br />

auf dem Kooperationsvertrag<br />

zwischen dem HVD-Bundesverband<br />

und dem Bundesverband von<br />

Jugendweihe Deutschland vom 4.<br />

Juli 2008.<br />

Freidenker-Jugendgruppe in<br />

Indien<br />

Nauen – Eine zwölfköpfige Jugendgruppe<br />

aus dem Havelland<br />

war im Rahmen des Jugendaustauschprogrammes<br />

des Humanistischen<br />

Freidenkerbundes Havelland<br />

e.V. (HFH) im Oktober/November<br />

2009 wieder in Andhra Pradesh in<br />

Südindien. Seit 1996 gibt es <strong>eine</strong>n<br />

fruchtbaren und kontinuierlichen<br />

Jugendaustausch mit der Partnerorganisation<br />

des Humanistischen<br />

Freidenkerbundes Havelland, dem<br />

Atheist Centre in Vijayawada.<br />

Höhepunkt war das von der deutschen<br />

Jugendgruppe durchgeführte<br />

mehrtägige Jugend-Camp unter<br />

dem Motto „Living Together in a<br />

Global Village“. Mit vielfältigen<br />

Bildungs-, Kultur-, Sport- und<br />

Freizeitaktivitäten wurde <strong>eine</strong> gute<br />

gemeinsame Zeit des Kennenlernens<br />

und Fröhlichseins <strong>für</strong> 40 indische<br />

Jugendliche aus armen und<br />

unterprivilegierten Familien gestaltet.<br />

Der humanistische Jugend-<br />

1/2010 5


austausch hat den Jugendlichen<br />

aus Deutschland und Indien die<br />

Möglichkeit gegeben, miteinander<br />

in Kontakt zu treten, um ihr Verständnis<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> andere Lebensgestaltung<br />

zu fördern und ein tolerantes<br />

Miteinander über ihre nationalen<br />

und sozialen Grenzen hinaus zu<br />

leben. Das intensive Kennenlernen<br />

vor allem im Jugendcamp ließ <strong>eine</strong><br />

starke Verbundenheit entstehen.<br />

Beim Besuch <strong>eine</strong>r dörflichen<br />

Schule, <strong>eine</strong>s College, <strong>eine</strong>r Universität<br />

und mehrerer sozialer Projekte<br />

konnte das so andere Land Indien<br />

kennen gelernt werden – die fremde<br />

Kultur, die Religionen und Weltanschauungen,<br />

soziale Lebenssituationen,<br />

das Bildungssystem und<br />

Lerneinstellungen, das Verhältnis<br />

von Mann und Frau, das indische<br />

Kastensystem, Probleme der Ernährung<br />

und des Gesundheitssystems<br />

sowie Armut und Reichtum<br />

als krasse Gegensätze. Fakten des<br />

Lebens, die sonst nur aus Schule,<br />

Fernsehen, Computer oder vom<br />

Hörensagen bekannt sind, wurden<br />

direkt erfahren. Die teilnehmenden<br />

jungen Freidenker und Humanisten<br />

haben ihre Eindrücke meist<br />

als „unvergessliche Erlebnisse“ erfahren,<br />

welche ihr Weltsicht und<br />

ihre Lebensanschauung sehr stark<br />

beeinflussen.<br />

6<br />

1/2010<br />

Interessengemeinschaft<br />

Humanistische Lebenskunde<br />

in Hamburg<br />

Hamburg – Auch in Hamburg<br />

gibt es Humanisten, die sich <strong>für</strong><br />

die Einführung des Schulfaches<br />

Humanistische Lebenskunde einsetzen.<br />

Um dieses voranzubringen<br />

v.l.n.r. Arne Lund (stellvertr.<br />

Vorsitzender), Petra Schmidt,<br />

Christian Lührs (Vorsitzender),<br />

Edith Jacobs, Konny G.<br />

Neumann, Iris Neumann, Heike<br />

Sausaat<br />

und <strong>eine</strong> möglichst breite Unterstützung<br />

zu gewinnen, wurde am<br />

26. November 2009 die „Interessengemeinschaft<br />

Humanistische<br />

Lebenskunde in Hamburg e.V.“<br />

gegründet. Sie wird getragen<br />

von dem HVD Metropolregion<br />

Hamburg e.V., der Jugendweihe<br />

Hamburg e.V., der Stiftung Geistesfreiheit<br />

und einigen weiteren<br />

Mitgliedern. Die IG Lebenskunde<br />

HH wird die Aktivitäten zur<br />

Einführung bündeln und in der<br />

Öffentlichkeit vertreten. Zum<br />

Vorsitzenden der Interessengemeinschaft<br />

wurde Christian Lührs<br />

gewählt. Erste juristische Beratungen<br />

zu den rechtlichen Voraussetzungen<br />

und Möglichkeiten der<br />

Durchsetzung von Lebenskunde<br />

in Hamburg haben stattgefunden,<br />

ebenso einige politische Gespräche<br />

mit den Parteien in Hamburg.<br />

Derzeit werden Kontakte zur<br />

schulpolitischen Szene geknüpft.<br />

Auf der Internet-Domain www.<br />

Lebenskunde-Hamburg.de finden<br />

sich zukünftig weitere Informationen.<br />

Neuer Vorstand Freidenker<br />

Barnim e.V.<br />

Bernau – Am 29. Oktober 2009<br />

wurde auf der Mitgliederversammlung<br />

ein neuer Vorstand gewählt.<br />

Als Vorsitzender wurde Norbert<br />

Weich bestätigt. Im Vorstand vertreten<br />

sind weiterhin Heinz Klos (1.<br />

stellv. Vorsitzender), Karina Berg<br />

(2. stellv. Vorsitzende), Kathleen<br />

Müller und Nancy Splettstößer.<br />

Die Planungen <strong>für</strong> 2010 sehen u.<br />

a. ein Festprogramm anlässlich des<br />

20-jährigen Bestehens am Wochenende<br />

um den 25./26. Juni vor.<br />

Weiter wollen sich die Barnimer<br />

Freidenker dem Ausbau der Ju-<br />

gendfeiern widmen. Im Bereich<br />

der Kinder- und Jugendarbeit soll<br />

ein weiteres Projekt im Bereich<br />

Beatbox angeboten werden und es<br />

wird in Zusammenarbeit mit der<br />

Bernauer Tafel <strong>eine</strong> Ferienbetreuung<br />

stattfinden.<br />

Humanismus und<br />

Sterbebegleitung –<br />

Spannungsfeld „spirituelle<br />

Dimension“<br />

Eine Diskussion zu Fragen, was unter<br />

„Spiritualität“ in <strong>eine</strong>m nichtreligiösen<br />

Bezug verstanden werden<br />

kann, wie Humanisten Vergänglichkeit<br />

und Individualität sehen,<br />

welche „atheistischen“ Rituale am<br />

Sterbebett zu empfehlen und welche<br />

weltanschaulichen Fragen in<br />

der hospizlichen Praxis zu beantworten<br />

sind.<br />

Referenten (u.a.). Andrea Käthner<br />

(Leiterin der Abteilung Soziales<br />

und Gesundheit beim HVD Berlin),<br />

Dipl.-Psych. Gita Neumann,<br />

Trauerbegleiterin Andrea Richau,<br />

Theologe Dr. hc. Erhard Weiher.<br />

24. April 2010, Kaiserin Friedrich<br />

Haus, Robert-Koch-Platz 7, 10115<br />

Berlin<br />

Beginn: 9.30 Uhr, ganztägig<br />

Eintritt frei, Spenden willkommen,<br />

Verpflegung Selbstzahlung<br />

HVD übernimmt Fürther<br />

Quelle-Kita<br />

Nürnberg – Seit 1. November<br />

2009 ist der HVD-Nürnberg neuer<br />

Träger des „Humanistischen Hauses<br />

<strong>für</strong> Kinder Fürth – Grete Schickedanz“<br />

in der Fürther Südstadt.<br />

Der bisherige Träger, der „Grete<br />

Schickedanz Kindertagesstätten<br />

e.V. Fürth“, ist im Zuge der Insolvenz<br />

des Gesamtkonzerns ebenfalls<br />

zahlungsunfähig geworden.<br />

Der HVD hat die Arbeitsplätze aller<br />

13 Mitarbeiter erhalten. Auch<br />

alle Betreuungsplätze sollen weiter<br />

bestehen bleiben. Die Einrichtung<br />

an der Austraße 10 und Flößaustraße<br />

19 bietet in zwei Häusern<br />

<strong>für</strong> Krippe, Kindergarten und Hort<br />

Platz <strong>für</strong> 87 Kinder. Auch <strong>eine</strong> große<br />

Außenfläche mit viel Grün gehört<br />

dazu. Die Immobilien wurden<br />

von der Wohnungsbaugesellschaft<br />

der Stadt Fürth erworben und vom<br />

HVD langfristig angemietet.<br />

Der HVD freut sich, die Einrichtung<br />

unter dem Namen „Humanistisches<br />

Haus <strong>für</strong> Kinder Fürth<br />

– Grete Schickedanz“ weiterführen


zu können, um an das jahrzehntelange<br />

Mäzenatentum und soziale<br />

Engagement von Grete Schickedanz<br />

auch weiterhin zu erinnern.<br />

Die Rechteinhaber an dem Namen<br />

„Grete Schickedanz“ haben dazu<br />

ihre Genehmigung erteilt.<br />

20 Jahre Freies Denken und<br />

Humanismus im Havelland<br />

Nauen – Der Humanistische Freidenkerbund<br />

Havelland e.V. feierte<br />

vor kurzem s<strong>eine</strong>n 20. Geburtstag<br />

mit <strong>eine</strong>m schönen Fest in Nauen<br />

und <strong>eine</strong>r gelungenen Festschrift.<br />

Am 14. Oktober 1989 haben sich<br />

Menschen verschiedenen Alters<br />

in Nauen zusammen gefunden,<br />

um <strong>eine</strong> Vereinigung zu gründen,<br />

die freigeistige und humanistische<br />

Welt- und Lebensanschauungen<br />

pflegt und im Sinne <strong>eine</strong>r tätigen<br />

Humanität praktisch wirken will.<br />

Ziel in der Wendezeit war es, sich<br />

außerhalb der Kirchen an der Demokratisierung<br />

der Gesellschaft<br />

sowie an konkreter Kultur-, Jugend-<br />

und Sozialarbeit zu beteiligen.<br />

In den Mittelpunkt rückte<br />

das Eintreten <strong>für</strong> Menschenwürde<br />

und Menschenrechte, <strong>für</strong> ein freies<br />

und tolerantes Miteinander und<br />

Filmtipp<br />

Es gibt k<strong>eine</strong>n Gott – Atheisten<br />

machen mobil<br />

Den 45-minütigen Film des<br />

Regisseurs Dr. Peter Beringer<br />

strahlte der ORF2 bereits am 29.<br />

Dezember 09 aus. In der „kreuz<br />

und quer“-Dokumentation wurden<br />

in England, Frankreich und<br />

Deutschland bekannte Wissenschafter<br />

wie der Evolutionsbiologe<br />

Richard Dawkins (“Der<br />

Gotteswahn”), der Neurowissenschaftler<br />

und Bewusstseinsforscher<br />

David Eagleman, die Autoren<br />

(beide ehemalige Theologen)<br />

Michel Onfray („Wir brauchen<br />

Festschruft „20 Jahre HFH“<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> säkulare humanistische<br />

Lebensart.<br />

Heute engagiert sich der HFH<br />

insbesondere <strong>für</strong> Jugend- und Bildungsarbeit<br />

und <strong>für</strong> sozial Schwa-<br />

k<strong>eine</strong>n Gott – Warum man jetzt<br />

Atheist sein muss”) und Joachim<br />

Kahl (“Das Elend des Christentums”),<br />

aber auch Mitglieder des<br />

Humanistischen Verbandes in<br />

Berlin interviewt. Diese wenden<br />

sich u.a. gegen <strong>eine</strong> von christlicher<br />

Leidensmystik unterfütterte<br />

Haltung der Gesellschaft zum<br />

Altern und zum Tod.<br />

22. März 2010, 17:00 Uhr ,<br />

Geschäftsstelle HVD Wallstr.<br />

65, Seminarraum 3 in der II.<br />

Etage, Anmeldung unter: 030<br />

61390411<br />

Bei Interesse außerhalb Berlins<br />

wenden Sie sich bitte an diesseits@humanismus.<br />

che. Die „Nauener Tafel“ arbeitet<br />

seit zehn Jahren sehr erfolgreich.<br />

Einladung zum Tanz<br />

Berlin – Rund dreihundert ehrenamtlich<br />

Engagierte folgten am<br />

11. Dezember der Einladung des<br />

HVD Berlin in die Neuköllner<br />

Werkstatt der Kulturen. Mit <strong>eine</strong>r<br />

bunten Mischung aus Danksagungen,<br />

Ehrungen, Tanzdarbietungen,<br />

Buffet und Tombola wurde zum<br />

„Tag des Ehrenamtes“ die Arbeit<br />

der Ehrenamtlichen gewürdigt, die<br />

oft <strong>eine</strong>n großen Teil ihrer Freizeit<br />

den verschiedensten Projekten des<br />

Verbandes widmen.<br />

Der Dank von Carmen Malling, der<br />

Freiwilligenmanagerin des Berliner<br />

Landesverbandes, galt auch ihren<br />

Mitarbeitern in der Geschäftsstelle<br />

und weiteren Unterstützern, zu<br />

denen sie auch die Medienkampagne<br />

„Berliner Helden“ der B.Z.<br />

Teilnehmer der<br />

Jugendkonferenz<br />

in Klingberg<br />

Auch die Redaktion<br />

des JuHu-Flash wurde geehrt<br />

zählte. Dr. Felicitas Tesch, Mitglied<br />

des Abgeordnetenhauses von Berlin<br />

und stellvertretende Vorsitzende<br />

des Landesverbandes, sprach in ihrem<br />

Grußwort über die Wandlung<br />

in der Freiwilligenarbeit, die früher<br />

eher als Lückenbüßer angesehen<br />

wurde und heute ein wesentlicher<br />

Bestandteil der sozialen Arbeit des<br />

Verbandes geworden sei. Vorrangig<br />

durch die Arbeit von Ehrenamtlichen<br />

getragen werden Projekte wie<br />

das Kinderhospiz „Berliner Herz“,<br />

die „Weltenbummler“ der Senioren<br />

und das Nachtasyl „Cafe Gorki“.<br />

Kurz vor dem Start steht ein<br />

„Großelterndienst“.<br />

Junge Leute diskutierten<br />

säkulare Werte<br />

Falkensee – Kürzlich trafen in der<br />

Jugendbildungsstätte Klingberg<br />

junge Leute aus Schweden und<br />

Deutschland zusammen, um sich<br />

über zukunftsfähige säkulare Werte<br />

in Europa auszutauschen. Auf der<br />

Jugendkonferenz, die vom Dachverband<br />

Freier Weltanschauungsgemeinschaften<br />

in Zusammenarbeit<br />

mit der Europäischen Humanistischen<br />

Föderation veranstaltet<br />

wurde, kamen junge Europäerinnen<br />

und Europäer zusammen, um<br />

Sichtweisen zu säkularen Werten<br />

in den verschiedenen Nationen<br />

Europas zusammenzutragen und<br />

gemeinsame Wege zu ihrer Verwirklichung<br />

zu diskutieren.<br />

1/2010 7


8<br />

1/2010<br />

Menschen im Diesseits<br />

Im November feierte Johannes Greifswald Humanbiologie und ist<br />

Neumann s<strong>eine</strong>n 80. Geburtstag. kürzlich in den akademischen Senat<br />

Dem ehemaligen Professor <strong>für</strong> der 1456 gegründeten Hochschu-<br />

Rechts- und Religionssoziologie le gewählt worden. Mitglied im<br />

und Präsidiumsmitglied der Hu- HVD Mecklenburg-Vorpommern<br />

manistischen Akademie Deutsch- ist Rabe seit 2007 und er wurde<br />

land, ist es zu verdanken, dass das im vergangenen November zum<br />

Thema Staat-Kirche-Trennung, stellvertretenden Vorsitzenden des<br />

inklusive der Kritik an kirchlichen noch jungen Landesverbandes ge-<br />

Privilegien in der Öffentlichkeit wählt. Zur zeitlichen Vereinbarkeit<br />

und auch in der „säkularen Szene“ s<strong>eine</strong>r vielen Aufgaben meint er:<br />

stets aktuell blieb. Diesseits gratu- „Noch bin ich ganz optimistisch.<br />

liert herzlich.<br />

Eine gute Zeitstruktur und <strong>eine</strong><br />

regelmäßige Arbeit – dann klappt<br />

das schon.“ Nicht so optimistisch<br />

beurteilt er s<strong>eine</strong> zukünftige Studi-<br />

„Die Errichtung <strong>eine</strong>s Instituts enfinanzierung, welche derzeit sehr<br />

<strong>für</strong> theologische Zoologie werde knapp bemessen ist. Ein Stipendi-<br />

ich in Greifswald nach Kräften zu um hat er bisher nicht gefunden<br />

verhindern versuchen“, verspricht und trotz der bekanntermaßen mi-<br />

Alexander Rabe mit <strong>eine</strong>m Augenserablen Wirtschaftslage im Nordzwinkern<br />

und Blick auf die letzte osten meint er: „Wenn sich hier<br />

„Errungenschaft“ der Uni Müns- k<strong>eine</strong> Lösung findet, werde ich mir<br />

ter. Der 21 Jahre alte Ludwigsluster<br />

studiert seit Oktober 2009 in<br />

anstelle der Verbandsarbeit bald <strong>eine</strong>n<br />

Nebenjob suchen müssen.“ Alexander Rabe<br />

„AFGHANISTAN – Ein Land<br />

zwischen Krieg und Frieden“<br />

In Anwesenheit des afghanischen<br />

Konsuls Abdul Samrad Mrowat<br />

wurde am 14. Januar in den<br />

HVD-Geschäftsräumen in<br />

Berlin <strong>eine</strong> Foto-Ausstellung<br />

mit Bildern aus Afghanistan<br />

eröffnet. Fotograf Sascha Oliver<br />

Rusch war in den vergangenen<br />

zwei Jahren vor Ort, um dort<br />

als Entwicklungshilfeberater<br />

der Europäischen Kommission<br />

und der Vereinten Nationen<br />

afghanische Beamte <strong>für</strong><br />

die Öffentlichkeitsarbeit<br />

auszubilden. In dieser Zeit lernte<br />

er Land und Leute kennen und<br />

bekam <strong>eine</strong>n Eindruck vom<br />

stetigen, wenn auch langsamen<br />

Wiederaufbau des Landes.<br />

Die Ausstellung ist noch bis<br />

zum 9. April 2010, montags<br />

bis freitags von 9 bis 16 Uhr<br />

in der Landesgeschäftsstelle<br />

Wallstraße 65, 10179 Berlin<br />

(U2 Märkisches Museum,<br />

U8 Heinrich-H<strong>eine</strong>-Straße, S<br />

Jannowitzbrücke) zu sehen.


Elzbieta Binswanger-Stefanska<br />

n Gemessen an der kurzen Zeit ihres Bestehens<br />

können die Rationalisten sich über<br />

wachsenden Einfluss in der Gesellschaft<br />

freuen.<br />

Beeinflusst von der internationalen rationalistischen<br />

Bewegung entstand 2005 in<br />

Warschau ein Zusammenschluss von Menschen<br />

mit <strong>eine</strong>r säkularen Weltanschauung.<br />

Die rund 200 Rationalisten haben sich ehrgeizige<br />

Ziele gesetzt. Oberstes Ziel ist die<br />

Einhaltung der Trennung von Staat und<br />

Kirche – ein schwieriges Unterfangen in <strong>eine</strong>m<br />

Land, in dem die Kirche traditionell,<br />

bedingt durch die Zerschlagung und Aufteilung<br />

des Landes durch Russland, Preußen<br />

und Österreich, den Staat ersetzte, den<br />

Menschen ihre Nationalität bewahrte. Diese<br />

Erfahrung hat sich im Unterbewusstsein<br />

der Menschen so stark verankert, dass selbst<br />

nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit<br />

<strong>eine</strong> Trennung zwischen Staat und<br />

Kirche kaum mehr vorstellbar war. Umso<br />

mehr ist es wichtig, hier <strong>eine</strong> Gegenbewegung<br />

zu installieren, um weltanschauliche<br />

Neutralität zu erlangen. Die Rationalisten<br />

versuchen, den Einfluss irrationaler Ideologien<br />

auf staatliche Gesetzesvorhaben zu<br />

beschränken. Sie setzen auf selbstbestimmtes<br />

Handeln und rationales kritisches Denken.<br />

Sie entwickeln und verbreiten <strong>eine</strong><br />

Weltanschauung, die auf wissenschaftlicher<br />

Grundlage die uns umgebende Welt erforschen<br />

und erklären möchte. Dabei ist die<br />

Wissenschaft vor gegenwärtigen Versuchen,<br />

sie in Misskredit zu bringen oder sie zu deformieren,<br />

zu schützen. Wissenschaft muss<br />

<strong>eine</strong> öffentliche Autorität sein. Hier sehen<br />

die Rationalisten Handlungsfelder. Vielfältige<br />

Bildungsarbeit hebt nicht nur das allgem<strong>eine</strong><br />

Bildungsniveau der Bevölkerung,<br />

es hilft auch, um unter den Bedingungen<br />

<strong>eine</strong>r Informationsgesellschaft handlungsfähig<br />

und selbstbestimmt zu bleiben.<br />

Popularität der Kirche<br />

Die besondere Situation Polens macht die<br />

Bemühungen der Rationalisten oft schwierig.<br />

Gemeint ist die Popularität der Kirche<br />

INTERNATIONALES<br />

Rationalismus in Polen<br />

Vom 5. bis 6. Dezember 2009 fand in Pobierowo bei Stettin unter dem Motto „Rationalismus<br />

in der Gesellschaft“ <strong>eine</strong> Versammlung der Polnischen Rationalisten-Vereinigung<br />

(PRV) statt.<br />

Generalversammlung in Pobierowo 2009<br />

durch ihre Rolle in der Wendezeit. Kirche<br />

diente als Zuflucht und einzige Alternative<br />

zum kommunistischen System. Sie wurde<br />

zum Symbol <strong>für</strong> Freiheit und Demokratie.<br />

Die Nachwirkungen spüren die Mitglieder<br />

der Rationalistenbewegung häufig selbst.<br />

Sie müssen sich wehren gegen gesellschaftlichen<br />

Druck, der ihre Freiheit des Denkens<br />

und des Handelns, ihrer kulturellen oder<br />

künstlerischen Freiheit einschränkt. Das<br />

geht bis zu offener Diskriminierung vor<br />

allem aus Gründen der sexuellen Orientierung<br />

oder der ethnischen Herkunft.<br />

Im Dezember 2007 fand in Warschau<br />

der zweite gesamtpolnische Kongress „Der<br />

säkulare Staat und die Idee <strong>eine</strong>r neuen Aufklärung“<br />

der Rationalisten statt. Anlass war<br />

der 100. Jahrestag der Gründungsversammlung<br />

der polnischen Freidenkerbewegung.<br />

Zu diesem Zeitpunkt gab es die erste humanistische<br />

Hochzeit. Diese Zeremonie ist ein<br />

besonderes Angebot der PRV <strong>für</strong> alle Men-<br />

1/2010 9


m <strong>für</strong> Utopie und Skepsis<br />

schen, die nicht kirchlich heiraten wollen<br />

oder können, wie beispielsweise homosexuelle<br />

Paare. Diese Eheschließungen sind zwar<br />

noch nicht rechtskräftig, aber sie erfüllen<br />

<strong>eine</strong> wichtige gesellschaftliche Aufgabe.<br />

10<br />

Alibri – Forum <strong>für</strong> Utopie und Skepsis<br />

1/2010<br />

Humanismus-Debatte<br />

bewerb auf. Sieger und damit „Rationalist<br />

des Jahres 2008“ wurde <strong>eine</strong> Schulklasse<br />

<strong>eine</strong>r allgemeinbildenden Schule in Lodz.<br />

Alle Jugendlichen aus der Klasse haben sich<br />

<strong>für</strong> den Ethikunterricht an der Schule entschieden.<br />

Schwerpunkt Wissenschaft Humanismus-Debatte<br />

Im März 2009 fand in Warschau ein<br />

Vorrangig ist die PRV bis jetzt in den Groß- weiteres Festival des Rationalismus statt.<br />

städten Warschau und Krakau tätig. Sie ar- Zusammen mit der Sektion Biologie der<br />

beitet dort eng mit Universitäten und Me- Warschauer Universität wurde dort unter<br />

dien zusammen. So unterstützte 2008 zum dem Titel „Evolution – Ingenieur der Na-<br />

Beispiel die Krakauer Modrzewski-Hochschule<br />

das 3. Festival des Rationalismus<br />

tur“ das Darwin-Jahr gefeiert. Die Nähe zu<br />

den Universitäten Horst Groschopp spiegelt sich auch in (Hrsg.) der<br />

zum Thema „Wissenschaft – ein Fundament<br />

der Zivilisation im 21. Jahrhundert“.<br />

Mitgliedschaft wieder: Viele Philosophen<br />

und Biologen Humanismusperspektiven<br />

haben sich dort organisiert,<br />

Im Rahmen dieses Projekts rief die PRV<br />

in Zusammenarbeit mit dem Radiosender<br />

TOK FM und der Wochenzeitschrift „Po-<br />

aber auch Schriftenreihe Politiker, Journalisten der�Humanistischen und Ver-<br />

Akademie<br />

treter der Deutschland,�Bd. Medien.<br />

1<br />

In Polen gibt es darüber hinaus noch<br />

lityka“ zu <strong>eine</strong>m landesweiten Jugendwett- weitere säkulare<br />

209 Seiten,�kartoniert,<br />

Vereinigungen, so z. B ver-<br />

Euro 16.-<br />

ISBN�978-3-86569-058-6<br />

Horst Groschopp (Hrsg.)<br />

Humanismusperspektiven<br />

Schriftenreihe der�Humanistischen Akademie<br />

Deutschland,�Bd. 1<br />

209 Seiten,�kartoniert, Euro 16.-<br />

ISBN�978-3-86569-058-6<br />

erscheint Februar 2010<br />

erscheint Februar 2010<br />

Renommierte Autorinnen und�Autoren<br />

beziehen�Stellung zur�Frage:<br />

Was ist�Humanismus heute?<br />

Das Buch dokumentiert <strong>eine</strong> Konferenz, die im November<br />

2008 von der Politischen Akademie der Friedrich-<br />

Das Buch dokumentiert <strong>eine</strong> Konferenz, die im Novem-<br />

Ebert-Stiftung und der Humanistischen Akademie<br />

ber 2008 von der Politischen Akademie der Friedrich-<br />

Deutschland Ebert-Stiftung undausgerichtet der Humanistischenwurde. Akademie Die Beiträge behan-<br />

Deutschland ausgerichtet wurde. Die Beiträge behandeln<br />

modernen Humanismus Humanismus zwischen Antike-Rezeption zwischen Antike-Rezeption<br />

und Weltanschauungskampf, Philosophie und Weltan-<br />

undschauung, Weltanschauungskampf, Wissenschaft und Bekenntnis, Atheismus- Philosophie und Weltanund<br />

Religionskritik.�Dabei�wird�auch�darüber gestritten,<br />

schauung, welche Humanismus-Konzeptionen Wissenschaft dennund zeitgemäß Bekenntnis, Atheismus-<br />

sind. So entsteht ein Bild über die vielfältigen Facetten<br />

unddesReligionskritik.�Dabei�wird�auch�darüber heutigen organisierten wie theoretischen Huma-<br />

gestritten,<br />

nismus. welche Humanismus-Konzeptionen denn zeitgemäß<br />

sind. Mit Beiträgen So entsteht von Hubert Cancik, ein Petra BildCaysa, über Gerhard die vielfältigen Facetten<br />

Engel,��Johann-Albrecht Haupt, Joachim��Kahl, Volker<br />

desMueller, heutigen Julian Nida-Rümelin, organisierten Armin Pfahl-Traughber, wie theoretischen Huma-<br />

Jaap Schilt, Michael Schmidt-Salomon, Frieder Otto Wolf<br />

nismus. u.a.<br />

Mueller, Julian Nida-Rümelin, Ergänzungstitel Armin Pfahl-Traughber,<br />

Renommierte Autorinnen und�Autoren<br />

beziehen�Stellung zur�Frage:<br />

Was ist�Humanismus heute?<br />

Horst�Groschopp�(Hrsg.)<br />

Humanistisches�Sozialwort<br />

ISBN�978-3-86569-042-5<br />

Horst�Groschopp�(Hrsg.)<br />

„Los�von�der Kirche!“<br />

ISBN�978-3-86569-056-2<br />

Herausgeber:<br />

Horst Groschopp, geb.�1949; Direktor�der�Humanistischen�Akademie,�1997-2009<br />

Redakteur der<br />

Reihe humanismus�aktuell, Präsident<br />

des Humanistischen Verbandes<br />

Deutschlands 2003-2010.<br />

Veröffentlichungen zur�historischen<br />

Arbeiterkultur, zum�Kultursystem<br />

der�DDR, zur Kulturgeschichte der<br />

deutschen Freidenker�sowie zur<br />

Theorie�und�Geschichte�des modernen<br />

Humanismus.<br />

Mit Beiträgen von Hubert Cancik, Petra Caysa, Gerhard<br />

Engel,��Johann-Albrecht Haupt, Joachim��Kahl, Volker<br />

Jaap Schilt, Michael Schmidt-Salomon, Frieder Otto Wolf<br />

u.a.<br />

65,0<br />

235,0<br />

Alibri<br />

Herausgeber:<br />

Horst Groschopp, geb.�1949; Direktor�der�Humanistischen�Akademie,�1997-2009<br />

Redakteur der<br />

Reihe humanismus�aktuell, Präsident<br />

des Humanistischen Verbandes<br />

Deutschlands 105,0 2003-2010.<br />

Veröffentlichungen 235,0 zur�historischen<br />

Arbeiterkultur, zum�Kultursystem<br />

der�DDR, zur Kulturgeschichte der<br />

Miłosz deutschen Kuligowski Freidenker�sowie und Monika Szmidt: die zur erste Hum<br />

Theorie�und�Geschichte�des moderschiedenenen<br />

Humanismus.<br />

Freidenkergruppen oder säkulare<br />

Kulturorganisationen, die untereinander<br />

vernetzt 24,0 arbeiten.<br />

Bislang�erschienen<br />

235,0<br />

Elzbieta Binswanger-Stefanska ist Publizistin des<br />

Portals www.racjonalista.pl.<br />

Der Artikel wurde übersetzt von Halina Kazimierczak.


anistische Hochzeit 2007<br />

www.racjonalista.pl Das öffentliche Portal<br />

der Rationalistenvereinigung Polens verzeichnet<br />

in den zehn Jahren s<strong>eine</strong>s Bestehens<br />

43 Millionen Aufrufe. Auf der Seite kann<br />

man sein „Coming Out“ als Atheist oder<br />

Agnostiker öffentlich machen. Über 16.000<br />

Polen haben sich hier mit Namen, Beruf<br />

und Wohnort eingetragen – mit Sicherheit<br />

kein einfacher Schritt in <strong>eine</strong>m Land, in<br />

dem sich 95 Prozent der Bewohner als katholisch<br />

verstehen. Für diesen Mut zahlen<br />

viele <strong>eine</strong>n hohen Preis: den Verlust sozialer<br />

Kontakte und den Ausschluss aus vielen Bereichen<br />

des gesellschaftlichen Lebens.<br />

Hilfe <strong>für</strong><br />

Haiti<br />

n Am Dienstag, dem 12. Januar, kurz vor<br />

fünf Uhr nachmittags (Ortszeit) erschütterte<br />

ein starkes Erdbeben den Karibikstaat Haiti<br />

und richtete dort verheerende Verwüstungen<br />

an. Die Zahl der Opfer geht in die<br />

Hunderttausende.<br />

Haiti leidet seit Jahrzehnten unter<br />

politischen Regimes, die das Land ruiniert<br />

haben. Heute ist es das ärmste Land der<br />

westlichen Hemisphäre. Der überbevölkerte<br />

Agrarstaat verfügt über das geringste Pro­<br />

Kopf­Einkommen Lateinamerikas.<br />

Von den rund achteinhalb Millionen<br />

Einwohnern leben über 65 Prozent<br />

unterhalb der absoluten Armutsgrenze.<br />

Rund 50 Prozent der Bevölkerung im<br />

erwerbsfähigen Alter sind arbeitslos,<br />

ebenfalls die Hälfte der Bevölkerung ist<br />

unterernährt. Das Land verfügt in k<strong>eine</strong>r<br />

Weise über die Möglichkeiten, mit dieser<br />

Katastrophe fertig zu werden, und ist wie<br />

kaum ein anderes Land auf Hilfe aus den<br />

reicheren Nationen angewiesen. Es wird<br />

Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, die<br />

materiellen Erdbebenschäden auf Haiti zu<br />

beheben.<br />

Helfen Sie den Opfern, die nun vor dem<br />

Nichts stehen, mit <strong>eine</strong>r Spende!<br />

Das Humanistische Hilfswerk Deutschland<br />

verfügt über k<strong>eine</strong> eigenen Projekte in der<br />

Region. Es wird Ihre Spende ohne Abzüge<br />

an <strong>eine</strong> vor Ort tätige Hilfsorganisation<br />

weiterleiten, die humanistischen Zielen<br />

verpflichtet ist und über das Deutsche<br />

Spendensiegel des DZI verfügt. In diesem<br />

Fall haben wir uns <strong>für</strong> das Deutsche<br />

Medikamentenhilfswerk action medeor e.V.<br />

entschieden, das Basismedikamente und<br />

medizinische Instrumente im Rahmen <strong>eine</strong>r<br />

schnellen Not­ und Katastrophenhilfe in der<br />

Erdbebenregion zur Verfügung stellt. Wir<br />

m<strong>eine</strong>n, dass diese Organisation als<br />

Partnerorganisation <strong>für</strong> das Humanistische<br />

Hilfswerk bestens geeignet ist.<br />

Vielen Dank!<br />

Spendenkonto: Konto­Nr. 592 86 35,<br />

Sparkasse Nürnberg, BLZ 760 501 01<br />

1/2010 11


12<br />

1/2010<br />

Töns Wiethüchter<br />

Straßenkind<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong>n Tag<br />

Die zwei Seiten der Kinderarmut<br />

Berlin – Schülerinnen und Schüler der<br />

Neuköllner Richardgrundschule traten am<br />

20. November 2009, dem Jahrestag der<br />

Verabschiedung der Kinderrechtskonvention,<br />

vor dem Rathaus Neukölln lautstark <strong>für</strong><br />

Kinderrechte ein.<br />

n Ein langsam anschwellender Ruf schallt<br />

über den Platz vor dem Rathaus in Neukölln<br />

und übertönt den Straßenlärm. Die Klasse<br />

5a der Richardgrundschule macht sich bereit<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong>n ungewöhnlichen Schultag. Sie<br />

klatschen in die Hände und motivieren sich<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> Aktion, die sie <strong>für</strong> einige Stunden<br />

in die Haut von Straßenkindern schlüpfen<br />

lässt. Ihr Plan: An <strong>eine</strong>m Tag öffentlich <strong>für</strong><br />

die Einhaltung der Kinderrechte zu streiten.<br />

Unüberhörbar, unübersehbar.<br />

„Ooooooooooh – Kinderrechte!“<br />

Schwer bepackt machen sie sich zu Fuß von<br />

ihrer Schule auf – im Gepäck selbst gestaltete<br />

Bauchläden, die mit Informationsmaterial,<br />

Streichholzschachteln, Aufklebern,<br />

Buttons und Kekstüten, auf denen Texte<br />

der Kinderrechte stehen, gefüllt sind. Im<br />

Lebenskundeunterricht hatte sich unter<br />

der engagierten Leitung der Lebenskundelehrerin<br />

Susan Navissi und unterstützt von<br />

der Klassenlehrerin Heike Deleré <strong>eine</strong> aktive<br />

Gruppe gebildet. Heute sammeln sie<br />

Spenden, putzen Schuhe, tanzen zu Hip-<br />

Hop-Musik, spielen Theater, verkaufen ihre<br />

Kinderrechtstüten, verteilen Informationen<br />

und sprechen Leute an.<br />

Der Termin <strong>für</strong> die Aktion wurde nicht<br />

zufällig gewählt: Genau vor 20 Jahren, am<br />

20. November 1989, wurde die Konvention<br />

<strong>für</strong> Kinderrechte von der UN-Vollversammlung<br />

angenommen und in der Folge<br />

von fast allen Ländern der Welt ratifiziert<br />

– nur die USA und Somalia haben noch<br />

nicht unterzeichnet.<br />

Die Kinderrechtskonvention garantiert<br />

allen Kindern dieser Welt grundlegende<br />

Rechte. Scheinbare Selbstverständlichkeiten:<br />

Sie schützen Kinder vor Kriegen und


Ausbeutung, vor Gewalt und sexuellem<br />

Missbrauch. Alle Kinder haben das Recht<br />

auf Bildung, auf den Zugang zu Informationen,<br />

ja auf Freizeit, freie Meinungsäußerung<br />

und auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit.<br />

Doch nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO leben weltweit<br />

rund 33 Millionen Kinder auf der<br />

Straße. Andere Quellen nennen bis zu 100<br />

Millionen Straßenkinder. Ein Grund <strong>für</strong> die<br />

stark abweichenden Angaben ist die unklare<br />

Abgrenzung zwischen „arbeitenden Kindern“,<br />

die sich auf der Straße Geld verdienen,<br />

und „Straßenkindern“, die tatsächlich<br />

auf der Straße leben.<br />

Angesichts der nach Auskunft von<br />

Unicef 190 Millionen Kinderarbeiter, die<br />

in der Landwirtschaft, in Fabriken und in<br />

Steinbrüchen eingesetzt werden; angesichts<br />

der vielen als Kindermädchen und als billige<br />

Arbeitskraft missbrauchten Kinder,<br />

angesichts derjenigen Kinder, die von ihren<br />

Eltern als Sklaven verkauft werden, um<br />

Kredite zurückzahlen zu können, sch<strong>eine</strong>n<br />

Unterschriften unter Konventionen nicht<br />

viel bewirken zu können. In der Tat: Kinderrechte<br />

müssen eingefordert und durchgesetzt<br />

werden. Aktiv, wie es uns die Lebenskundeschüler<br />

an diesem Tag vormachen.<br />

Die zwei Seiten der Kinderarmut<br />

Kinderarbeit und Straßenkinder sind zwei<br />

Seiten ein und derselben Medaille: der<br />

Kinderarmut. Die Kinder der Lebenskundegruppe<br />

haben diesen Zusammenhang<br />

längst begriffen: Sie möchte „den Kindern<br />

<strong>eine</strong> Freude machen, damit die was zu essen<br />

haben“, antwortet die 10-jährige Angelina<br />

auf die Frage, warum sie an diesem<br />

Tag mitmache. Sie sei Journalistin und ihr<br />

persönlich sei das Recht auf Bildung am<br />

wichtigsten. Ohne Bildung gebe es k<strong>eine</strong>n<br />

Job und kein Geld, setzt sie selbstbewusst<br />

hinzu. Zusammen mit Sanja (11 Jahre)<br />

hatte sie ein Team gebildet. Sie sammelten<br />

Spenden und verkauften Sachen aus ihrem<br />

Bauchladen, wie viele aus ihrer Klasse. „Ja,<br />

es ist schon komisch Leute anzusprechen“,<br />

doch es mache Spaß, anderen Leuten zu helfen,<br />

meinte Sanja. Viele Kinder seien krank.<br />

Deswegen ist ihr Lieblingsrecht das Recht<br />

auf Gesundheit.<br />

Viele Klassen der Richardgrundschule<br />

kamen zu Besuch und unterstützen die<br />

Aktion. Sie bekamen einiges geboten: Die<br />

B-Boys zeigten ihre waghalsigen Break-<br />

Dance-Figuren, ein Kinderrechte-Theater-<br />

stück wurde aufgeführt und ein Gedicht<br />

szenisch vorgetragen.<br />

Das eingenommene Geld wird der Organisation<br />

terre des hommes gespendet. Im<br />

Mittelpunkt steht dieses Jahr das Projekt<br />

Creciendo Unidos, ein kolumbianischer<br />

Projektpartner von terre des hommes.<br />

Übersetzt bedeutet das: „Wir werden gemeinsam<br />

groß“. „Wir“, das sind etwa 650<br />

arbeitende Kinder und Jugendliche, sowie<br />

Erzieher, Psychologen und Handwerker.<br />

In Bogota ist unter dem Dach der Stiftung<br />

<strong>eine</strong> Selbstorganisation arbeitender Kinder<br />

entstanden, mit dem Ziel, denjenigen, die<br />

sich ihnen anschließen, durch Schutz und<br />

Ausbildung ein besseres Leben zu ermöglichen.<br />

Er schäme sich ein wenig, andere Leute<br />

anzusprechen, berichtete mir Enis (10<br />

Jahre). „Gut ist, Kindern zu helfen, die in<br />

Not sind.“ Alle bräuchten Liebe und Unterstützung,<br />

fügte er hinzu. So liegt ihm das<br />

Recht auf Liebe und Zuneigung besonders<br />

am Herzen. Ein bisschen habe er heute mitbekommen,<br />

wie es ist, ein Straßenkind zu<br />

sein, meinte er nachdenklich.<br />

Stolz auf den Erfolg<br />

Erschöpft zurück in der Klasse werden die<br />

gesammelten und verdienten Spenden gezählt<br />

– der Lohn <strong>für</strong> <strong>eine</strong> harte Arbeit, die sie<br />

bis an ihre Belastungsgrenzen geführt hatte.<br />

Doch als all die Spenden-Boxen ausgezählt<br />

sind, jubeln die Kinder über 232 Euro. 232<br />

Euro, die den Kindern in Kolumbien zu <strong>eine</strong>m<br />

menschenwürdigeren Leben verhelfen<br />

sollen. Sie sind stolz auf ihre Aktion, darauf<br />

dass sie sich auch von unfreundlichen Passanten<br />

nicht hatten abschrecken lassen. Sie<br />

haben gelernt, dass es sich lohnt, sich <strong>für</strong> andere<br />

Menschen einzusetzen. „Ich wünsche<br />

mir, dass es den Kindern auf dieser Welt<br />

gut geht“, diktiert mir Enis in mein Notizbuch.<br />

Ein einfacher und klarer Wunsch.<br />

Heute hat er daran mitgearbeitet, dass der<br />

Wunsch in Erfüllung geht.<br />

Töns Wiethüchter ist Lebenskundelehrer in<br />

Berlin.<br />

1/2010 13


Karsten Krampitz, Sebastian Rosche<br />

Ein Jegliches<br />

hat s<strong>eine</strong> Zeit<br />

Berlin – Das „Nachtasyl Gorki“ stellt sich vor<br />

n Mit den Nachrichten über die ersten<br />

Kältetoten blicken die Zeitungen in guter<br />

Regelmäßigkeit auf die Lage der Obdachlosen<br />

in unserer Stadt. Eine beschämte Öffentlichkeit<br />

fragt sich dann, was eigentlich<br />

der Staat tue. Worauf die Volksvertreter<br />

gern darauf verweisen, wie viel Geld man<br />

doch an Hilfseinrichtungen zahle und<br />

dass alles getan werde, um diese Angebote<br />

zu verbessern: Während der sogenannten<br />

Kältehilfeperiode (von Anfang November<br />

bis Ende März) können Berliner Obdachlose<br />

in meist überfüllten Notunterkünften<br />

und Nachtcafés <strong>eine</strong> Bleibe <strong>für</strong> die Nacht<br />

finden. – Seit dem letzten Herbst gehört mit<br />

dem „Nachtasyl Gorki“ auch <strong>eine</strong> Einrichtung<br />

des HVD-Berlin dazu, wenngleich die<br />

Finanzierung durch die öffentliche Hand<br />

derzeit noch nicht gesichert ist. Jeden Donnerstag<br />

bieten wir obdachlosen Menschen<br />

direkt am Bahnhof Lichtenberg <strong>eine</strong> warme<br />

Schlafstätte zur Nacht. Das Nachtcafé nutzt<br />

hier Räume in der Tagesstätte <strong>für</strong> Obdachlose<br />

der „MUT – Gesellschaft <strong>für</strong> Gesundheit<br />

gGmbH“, die dort unter anderem <strong>eine</strong><br />

Arztpraxis und Kleiderkammer betreibt, so<br />

dass auf der Straße lebende Menschen ein<br />

integriertes Hilfsangebot vorfinden.<br />

Individuelle Hoffnungslosigkeit<br />

In s<strong>eine</strong>m berühmten Theaterstück erzählt<br />

Maxim Gorki von den Folgen individueller<br />

Hoffnungslosigkeit. „Nachtasyl – Szenen<br />

aus der Tiefe“ ist zugleich <strong>eine</strong> Allegorie<br />

auf die Unbehaustheit unserer Zeit. Und so<br />

„… wollen wir den Menschen respektieren,<br />

nicht bemitleiden. Wir wissen doch nicht,<br />

wer er ist, wozu er geboren wurde und was<br />

er noch vollbringen kann.“ Wir wollen aber<br />

auch, dass das Problem Obdachlosigkeit<br />

wieder stärker im gesellschaftlichen Bewusstsein<br />

präsent ist, und zwar unabhängig<br />

von der Jahreszeit; denn an Obdachlosigkeit<br />

sterben die Menschen das ganze Jahr über.<br />

Allerdings hat sich die Politik, auch die<br />

linke, schon vor langer Zeit aus diesem<br />

Themenbereich verabschiedet, jedenfalls<br />

als Akteurin – die Politik bezahlt, aber sie<br />

gestaltet nicht. Die Verantwortung wurde<br />

14<br />

1/2010<br />

an freie Träger übertragen, in ihrer Mehrheit<br />

Einrichtungen der großen Kirchen, die<br />

sich ihre Caritas mit Steuergeldern bezahlen<br />

lassen. In Fernsehen und Presse werden<br />

die Unbedachten dann zu Werbeträgern<br />

des christlichen Glaubens. Gott sei Dank,<br />

denkt sich das Publikum, kümmern die sich<br />

um die Mühseligen und Beladenen. Doch:<br />

„Ein jegliches hat s<strong>eine</strong> Zeit.“ (Prediger 3,1)<br />

Unsere Projektgruppe fordert k<strong>eine</strong> Verstaatlichung<br />

der Obdachlosenhilfe, wohl<br />

Das städtische Asyl Föbelstraße in Berlin<br />

Prenzlauer Berg <strong>für</strong> über 5000 Personen,<br />

erbaut 1886<br />

aber <strong>eine</strong> Säkularisierung. Diese Entkirchlichung<br />

der Sozialarbeit sollte in Berlin<br />

einhergehen mit <strong>eine</strong>m Informations- und<br />

Gedankenaustausch von Politik und den<br />

im Obdachlosenbereich Tätigen – mit dem<br />

Ziel, <strong>eine</strong>n Einklang zu schaffen von Wissen<br />

und Verantwortung. Wir reden von<br />

Gedankenaustausch, denn ein Diskurs zum<br />

Thema Armut scheint leider <strong>eine</strong> Utopie zu<br />

sein, wie manches andere auch.<br />

Vor nunmehr zwei Jahren hat unsere<br />

Gruppe den kirchlichen Raum verlassen –<br />

im Zorn, nicht im Streit. Einen Streit darüber,<br />

inwieweit Obdachlosenarbeit politisch<br />

sein kann und darf, hat es nicht gegeben<br />

(siehe Kasten), ist doch die Kirche ihrem<br />

Selbstverständnis nach ein Ort der Kontemplation<br />

und Meditation, aber nicht der<br />

Auseinandersetzung. Jenseits der Harmonie<br />

wird mitgeteilt, nicht diskutiert.<br />

Tagtäglich Katastrophen<br />

Als Debattenthema ist Obdachlosigkeit<br />

aber auch schwer zu greifen. Es gibt viele<br />

Gründe, warum Leute ohne Obdach sind:<br />

Naturkatastrophen wie zuletzt in Haiti, die<br />

<strong>eine</strong> ganze Gesellschaft treffen, erleben wir<br />

hierzulande nicht. Gleichwohl erfahren<br />

viele Menschen tagtäglich eigene Katastrophen.<br />

Alkoholismus, Arbeitslosigkeit und<br />

Beziehungsprobleme bilden den Treibsand.<br />

Dabei sind es hauptsächlich Männer, die<br />

auf der Straße leben. – Warum eigentlich?<br />

Frauen verlieren doch mindestens so oft wie<br />

Männer ihre Arbeit, warum nicht auch ihre<br />

Wohnung? Kommen Frauen etwa besser<br />

mit Einsamkeit zurecht? Hat Obdachlosigkeit<br />

s<strong>eine</strong> Ursache etwa auch in männlichem<br />

Denken?<br />

So gut wie nie ist sie Ausdruck <strong>eine</strong>s<br />

romantischen Aussteigertums, um so öfter<br />

aber Folge <strong>eine</strong>r Selbstaufgabe, so als<br />

wolle sich derjenige selbst bestrafen, dass<br />

man fragen will: „Was <strong>für</strong> St<strong>eine</strong> hängen<br />

dir am Hals? Was hast du getan, dass du<br />

dich derart schämst?“ Wer die eigene Biografie<br />

verdrängt und nicht sagen kann, wo<br />

er herkommt, der kann auch nicht sagen,<br />

wohin er geht, der lässt sich treiben – von<br />

<strong>eine</strong>r Wärmestube zur nächsten, von <strong>eine</strong>m<br />

Nachtcafé zum anderen. Seit mehreren Jahren<br />

steigt zudem die Zahl von Wirtschaftsmigranten<br />

aus Osteuropa (vor allem aus<br />

Polen), die im Westen ihr Glück versuchen<br />

wollten und in Berlin gestrandet sind. Mehr<br />

und mehr Menschen, die auf der Straße leben,<br />

leiden auch an schweren psychischen<br />

Krankheiten.<br />

Säkularisierung der<br />

Obdachlosen<strong>für</strong>sorge<br />

Mit dem „Nachtasyl Gorki“ wollen wir<br />

nicht nur Teil des bestehenden Hilfesystems<br />

bleiben. Unser langfristiges Ziel ist es,<br />

zu <strong>eine</strong>m Wandel der Berliner Sozialpolitik<br />

beizutragen. Auf dem Gebiet der Obdachlosigkeit<br />

soll die Politik wieder aktiv<br />

werden: Erster Schritt <strong>für</strong> <strong>eine</strong> „Säkularisierung“<br />

der Obdachlosen<strong>für</strong>sorge könnte die<br />

Schaffung <strong>eine</strong>r zentralen Anlaufstelle sein,<br />

in der <strong>eine</strong>rseits schnell und unbürokratisch<br />

durch ein soziales und medizinisches Betreuungsangebot<br />

vor Ort und andererseits<br />

durch die Bündelung der Kompetenzen von<br />

Meldestellen, Jobcentern, Krankenkassen<br />

u. ä. dauerhaft geholfen wird. Kirchen und<br />

ihre Wohlfahrtsverbände sollten aus der<br />

Obdachlosenarbeit nicht verdrängt, jedoch<br />

zur Zusammenarbeit mit dem Landesrechnungshof<br />

angehalten werden. Dies würde<br />

zu mehr Effektivität und Transparenz verhelfen.<br />

Wenn unsere Arbeit mit den Obdachlosen<br />

etwas gezeigt hat, dann dass man die<br />

Menschen nicht der Hilfe anpassen kann,<br />

sondern die Hilfe den Menschen angepasst<br />

werden muss. Eine Verbesserung der Obdachlosenhilfe<br />

wird es nicht ohne Streit ge-


en und auch nicht ohne Streitkultur. Die<br />

Diskussion über Armut sollte u. a. auch mit<br />

der Kirche geführt werden, aber nicht in der<br />

Kirche, sondern in demokratisch organisierten<br />

Gremien auf Landes- und Bezirksebene<br />

– und warum eigentlich nicht am Runden<br />

Tisch gegen Obdachlosigkeit?<br />

Die Wurzeln des „Nachtasyl Gorki“<br />

reichen bis in die Zeit der Wende<br />

und die Arbeit des grün­ökolo gischen<br />

Netzwerkes „Arche“ zurück.<br />

Mehrere Jahre lang engagierten<br />

sich die Mitarbeiter im Nachtcafé<br />

der Treptower Bekenntniskirche,<br />

darunter auch der 2009 <strong>für</strong> den<br />

Ingeborg­Bachmann­Preis nominierte<br />

Berliner Autor Karsten<br />

Krampitz. Nach <strong>eine</strong>m Streit mit<br />

der Diakonie um die Umbenennung<br />

der dortigen Einrichtung in<br />

„Nachtcafé Landowsky“ (*) suchte<br />

ein Teil der Mitarbeiter den Neuanfang<br />

unter dem Dach des HVD­<br />

Berlin.<br />

Informationen zu Öffnungszeiten,<br />

Kontakt und Spenden finden sie<br />

unter www.hvd-berlin.de/<br />

nachtasyl-gorki.<br />

(*) Klaus-Rüdiger Landowsky, ehemaliger<br />

Fraktionsvorsitzender der CDU im Berliner<br />

Abgeordnetenhaus, musste im Zuge<br />

des Berliner Bankenskandals zurücktreten<br />

und wurde wegen Untreue strafrechtlich<br />

verurteilt.<br />

Michael Schmidt<br />

Adolph Hoffmann kehrt<br />

nach Fredersdorf zurück<br />

Potsdam – Im März 2010 eröffnet der Humanistische<br />

Verband Berlin-Brandenburg<br />

(HVBB) in der Gemeinde Fredersdorf-<br />

Vogelsdorf <strong>eine</strong> Ausstellung über den sozialdemokratischen<br />

Politiker und Freidenker<br />

Adolph Hoffmann (1858-1930).<br />

n Hoffmann besaß in der Gemeinde im<br />

Osten Berlins ein Sommerhaus, das sich<br />

heute, nach jahrelangem Leerstand, in <strong>eine</strong>m<br />

beklagenswerten Zustand befindet.<br />

Mit Unterstützung der Gemeinde und finanziell<br />

gefördert vom Land Brandenburg<br />

soll die Ausstellung auch dazu beitragen, das<br />

Haus wieder <strong>eine</strong>r öffentlichen Nutzung<br />

zuzuführen, so wie es Hoffmanns Wunsch<br />

entspricht.<br />

1905 erwirbt Hoffmann das Grundstück<br />

in Neu-Vogelsdorf bei Fredersdorf und<br />

baut sich dort in den folgenden Jahren ein<br />

Sommerhaus. Er nennt es s<strong>eine</strong> „Villa“ und<br />

verfügt testamentarisch, sie nach s<strong>eine</strong>m<br />

Tod <strong>für</strong> die Jugendarbeit zur Verfügung<br />

zu stellen. Das ist s<strong>eine</strong> Antwort auf die in<br />

der bürgerlichen Presse vielfach erhobenen<br />

Vorwürfe, sozialdemokratische Funktionäre<br />

würden sich an den „Arbeitergroschen“ bedienen<br />

und ein Luxusleben führen.<br />

Hoffmann war als Sozial- und Bildungspolitiker<br />

<strong>eine</strong>r der führenden Köpfe der<br />

deutschen Sozialdemokratie. S<strong>eine</strong> Schrift<br />

„Die zehn Gebote und die besitzende Klasse“,<br />

in der er die Doppelmoral der Herrschenden<br />

und die Rolle der Religion als<br />

Herrschaftsinstrument anprangert, fand<br />

Menschlichkeit und Gerechtigkeit verpflichtet.<br />

Der Politiker und Freidenker Adolph Hoffmann<br />

Ein Mann des Volkes<br />

Adolph Hoffmann (22.3.1858 bis 1.12.1930)<br />

Streiter <strong>für</strong> soziale Gerechtigkeit<br />

Der Name Adolph Hoffmann ist heute verblasst. Dabei war der Freidenker und langjährige Vorsitzende der Berliner<br />

Freireligiösen Gemeinde als Sozial- und Bildungspolitiker <strong>eine</strong>r der führenden Köpfe der deutschen Sozialdemokratie und<br />

äußerst populär. Sein vehementes Eintreten <strong>für</strong> die sozialen Belange der Menschen ist bis heute vorbildlich. Als preußischer<br />

Kultusminister hat er die Trennung von Kirche und Staat vorangebracht, so wie sie noch heute in unserem Grundgesetz<br />

verankert ist.<br />

Der Lebensweg Adolph Hoffmanns ist untrennbar mit dem Aufstieg der Sozialdemokratie verbunden. Nichtehelich geboren<br />

und früh verwaist, muss er schon mit neun Jahren selbst <strong>für</strong> s<strong>eine</strong>n Unterhalt aufkommen, <strong>für</strong> Schulbildung bleibt wenig<br />

Raum. Jahrelang kann er kaum s<strong>eine</strong> vielköpfige Familie ernähren. Aber er findet sich nicht ab, nicht mit s<strong>eine</strong>m Schicksal<br />

und auch nicht mit den herrschenden politischen Verhältnissen. Er wird politisch aktiv und eignet sich autodidaktisch jenes<br />

Wissen an, das ihm aufgrund s<strong>eine</strong>r Herkunft eigentlich verwehrt ist. So gelingt ihm der Aufstieg. Er wird Autor und<br />

Verleger, macht politisch Karriere, wird Stadtverordneter in Berlin, Landtags- und Reichstagsabgeordneter und schließlich,<br />

wenn auch nur kurzzeitig, Kultusminister in Preußen.<br />

Porträtfoto Adolph Hoffmann 1926<br />

Anzeigen von Publikationen von Adolph Hoffmann<br />

in den 20er Jahren<br />

Weil er will, dass anderen s<strong>eine</strong><br />

Erfahrungen von Armut und Ausgrenzung<br />

erspart bleiben, kämpft er zeitlebens <strong>für</strong><br />

soziale Gerechtigkeit und insbesondere <strong>für</strong><br />

das Recht auf gute Bildung.<br />

Hoffmann war ein humanistischer<br />

Aufklärer, stets Menschlichkeit und<br />

Gerechtigkeit verpflichtet. Beeindruckend<br />

an s<strong>eine</strong>r Person ist, dass er s<strong>eine</strong>n<br />

Grundüberzeugungen ungeachtet aller<br />

politischen Widrigkeiten stets treu blieb.<br />

Sein Leben zu begreifen, heißt<br />

Vergangenheit zu verstehen, sich politisch<br />

zu positionieren und Gegenwart zu<br />

verändern.<br />

Titel der im Jahr 1928 erschienenen Erinnerungen Hoffmanns<br />

„Erinnerung hält immer jung“, 28. Februar 1929, Adolph Hoffmann,<br />

Handschriftliche Buchwidmung in <strong>eine</strong>r Ausgabe s<strong>eine</strong>r Erinnerungen<br />

Hoffmann mit Buch 1930<br />

» Nur ein Mann, der ganz im Volk gelebt hat<br />

und dessen Leben dem Volke geweiht war<br />

und ist, wie das Adolph Hoffmanns, konnte<br />

so den Ton treffen, der das Volk packt und<br />

nicht wieder loslässt.« Dr. Klaus Zweiling<br />

weite Verbreitung und machte ihn als<br />

„Zehn-Gebote-Hoffmann“ bekannt.<br />

Sein Lebensweg ist untrennbar mit dem<br />

Aufstieg der Sozialdemokratie verbunden.<br />

Schon mit neun Jahren muss er <strong>für</strong> s<strong>eine</strong>n<br />

Unterhalt aufkommen, <strong>für</strong> Schulbildung<br />

bleibt wenig Raum. Jahrelang kann er<br />

kaum s<strong>eine</strong> vielköpfige Familie ernähren.<br />

Aber mit s<strong>eine</strong>m Schicksal und den herrschenden<br />

politischen Verhältnissen findet<br />

er sich nicht ab. Er wird politisch aktiv<br />

und eignet sich autodidaktisch jenes Wissen<br />

an, das ihm aufgrund s<strong>eine</strong>r Herkunft<br />

verwehrt ist. Er wird Autor und Verleger,<br />

macht politisch Karriere, wird Stadtverordneter<br />

in Berlin, Landtags- und Reichstagsabgeordneter<br />

und schließlich, wenn auch<br />

nur kurzzeitig, Kultusminister in Preußen.<br />

In dieser Funktion hat er die Trennung von<br />

Kirche und Staat vorangebracht, so wie sie<br />

noch heute in unserem Grundgesetz verankert<br />

ist.<br />

Menschlichkeit und Gerechtigkeit verpflichtet.<br />

Der Politiker und Freidenker Adolph Hoffmann<br />

Gegen Massenelend und Armut, <strong>für</strong> demokratische Rechte und politische Freiheiten<br />

Der Parlamentarier und<br />

Volkstribun<br />

Hoffmann lässt sich in s<strong>eine</strong>r gesamten politischen Tätigkeit von den Inhalten des<br />

auf dem Parteitag in Erfurt 1891 beschlossenen Programms leiten, das theoretisch<br />

auf Grundlage des Marxismus die demokratische und soziale Umgestaltung der<br />

Gesellschaft fordert.<br />

Als Berliner Stadtverordneter, Mitglied des Reichstages und des preußischen<br />

Landtages tritt er in fast allen Debatten zur Schul-, Kirchen- und Kulturpolitik auf.<br />

In der Berliner Stadtverordnetenversammlung erreicht er Verbesserungen der<br />

Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> die Mitarbeiter des Vieh- und Schlachthofes und setzt im<br />

Obdachlosenheim „Die Palme“ Änderungen der dortigen menschenunwürdigen<br />

Zustände durch. Im Reichstag beteiligt er sich 1905 aktiv an den Debatten zu <strong>eine</strong>m<br />

Toleranzgesetz, das jeden Zwang auf religiöse Bekenntnisse abschaffen soll. Im<br />

preußischen Landtag bekämpf er das Dreiklassenwahlrecht und fordert die Reform<br />

und Demokratisierung des preußischen Verwaltungswesens. In s<strong>eine</strong>r ersten Rede<br />

im Landtag 1908 nimmt Hoffmann zum Gesetz über die Besoldung der Pfarrer<br />

Stellung, wobei ihm nach heftigen Tumulten das Wort entzogen wird. Dieser Eklat<br />

verleiht s<strong>eine</strong>r Rede, die er dann in <strong>eine</strong>r Volksversammlung im Berliner Feenpalast<br />

fortsetzt, ungewöhnliche Publizität. Bei s<strong>eine</strong>r parlamentarischen Tätigkeit<br />

entwickelt er <strong>eine</strong> wahre Meisterschaft <strong>für</strong> kurze, drastische Zwischenrufe, die<br />

s<strong>eine</strong>n ausprägten Humor belegen und fast immer den Nagel auf den Kopf treffen.<br />

In Hoffmanns Zwischen rufen<br />

steckt mehr als Witz. Da ist<br />

tiefere Bedeutung. Es sind<br />

einzeilige Epigramme, die<br />

besten Reden, die je in<br />

<strong>eine</strong>m deutschen Parlament<br />

gehalten wurden. In<br />

einigen Sekunden sagt er,<br />

was andere in einigen<br />

Stunden nicht sagen…<br />

Hoffmanns Zwischenrufe<br />

verletzen nicht, sie<br />

töten. Das sind<br />

geschliffene Dolche.«<br />

Ludwig Kantorowicz<br />

Titelblatt und Auszüge des Protokolls des Erfurter Parteitags der SPD<br />

Preußischer Landtag um 1900 Die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion im preußischen Landtag 1913, vierter von links Hoffmann<br />

Wahlaufruf <strong>für</strong> Hoffmann zu den Stadtverordnetenwahlen 1905<br />

Titelblatt der Broschüre „Episoden und Zwischenrufe<br />

aus der Parlaments- und Ministerzeit“, Berlin 1924<br />

Kurzbiografie Hoffmann im Reichstagshandbuch 1920<br />

Mitglieder der Fraktion der USPD im Reichstag 1920,<br />

unten rechts Hoffmann<br />

1/2010 15


16<br />

1/2010


Armin Pfahl-Traughber<br />

1Am Beginn soll dabei aber zunächst <strong>eine</strong><br />

Vergewisserung der eigenen Grundpositionen<br />

hinsichtlich der Auffassung zu<br />

Gesellschaft und Grundrechten, Religion<br />

und Säkularität stehen. Ein demokratischer<br />

Atheismus und weltlicher Humanismus<br />

nimmt hierzu <strong>eine</strong> nur scheinbar ambivalente<br />

Auffassung ein: Zum <strong>eine</strong>n spricht er<br />

sich grundlegend gegen jede Religion als<br />

Ausdruck <strong>eine</strong>r empirisch nicht beleg- und<br />

rational nicht begründbaren Deutung des<br />

Lebens und der Umwelt aus. Insofern besteht<br />

auch <strong>eine</strong> klare Frontstellung gegen<br />

den Islam. Zum anderen tritt er <strong>für</strong> Demokratie<br />

und Menschenrechte, Offenheit<br />

und Pluralismus als Grundprinzipien des<br />

gesellschaftlichen Zusammenlebens ein.<br />

Dies bedingt auch die Anerkennung des<br />

Rechts auf Religionsfreiheit. Unabhängig<br />

davon, wie man zu den Aussagen und Normen<br />

<strong>eine</strong>s Glaubens steht, soll dieser auch<br />

in <strong>eine</strong>r freien Gesellschaft ausgeübt werden<br />

können. Gleichwohl findet entsprechende<br />

Praxis dort ihre Grenzen, wo sie sich gegen<br />

die Grundrechte und Menschenwürde anderer<br />

Personen richtet.<br />

2Die ablehnende Einstellung gegenüber<br />

dem inhaltlichen Legitimationsanspruch<br />

des Islam ergibt sich aus unterschiedlichen<br />

Gründen auf den verschiedensten Ebenen:<br />

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass dieser<br />

Glaube ebenso wie alle anderen Religionen<br />

nicht in der Lage ist, die Behauptung von<br />

der Existenz <strong>eine</strong>s Gottes empirisch oder<br />

rational zu begründen. Dementsprechend<br />

mangelt es an nachvollziehbaren Belegen<br />

da<strong>für</strong>, dass der angebetete Allah auch der<br />

richtige Gott ist.<br />

Auch das behauptete und verbreitete<br />

Wissen über gesellschaftliche und theologische<br />

Aspekte der Frühgeschichte des Islam<br />

kann k<strong>eine</strong>sfalls als sicher gelten: Der<br />

als Gottes eigenes Wort geltende Text des<br />

TITEL<br />

Wie hältst Du es mit dem Islam<br />

und den Muslimen?<br />

Zwölf Thesen zu <strong>eine</strong>r neuen „Gretchenfrage“ aus Sicht<br />

des säkularen Humanismus<br />

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 findet nicht nur in Deutschland<br />

<strong>eine</strong> hochgradig emotionale und ideologisch aufgeladene Debatte zur Einstellung gegenüber<br />

dem Islam und den Muslimen statt. Ressentiments und Vorurteile gegen Muslime<br />

sind verstärkt auszumachen. Islamistische Organisationen nutzen das Schlagwort von der<br />

„Islamophobie“ zur Abwehr jeglicher Kritik am Islam und den Muslimen. Rechtspopulisten<br />

malen ein Zerrbild von den Gefahren <strong>eine</strong>r „Islamisierung“ des Landes. „Gutmenschen“<br />

und „Multikulturalisten“ wollen in der Anwesenheit von Muslimen nur <strong>eine</strong> kulturelle Bereicherung<br />

des Landes sehen. Nicht wenige deutsche Bürger sind gegen den Bau weiterer<br />

Moscheen. Andere Zeitbetrachter sehen darin <strong>eine</strong> Einschränkung der Religionsfreiheit.<br />

Wie sollen sich Anhänger <strong>eine</strong>s demokratischen Atheismus und säkularen Humanismus<br />

dazu verhalten? Hierzu einige Thesen zur Debatte!<br />

Koran wurde lange Zeit nur mündlich weitergegeben.<br />

Über Mohammeds historisches<br />

Leben gibt es kaum zeitgenössische Belege,<br />

spätere Quellen entstammen nur dem Kreis<br />

der eigenen Anhänger. Und selbst hinsichtlich<br />

der historisch-politischen Ereignisse um<br />

den Religionsbegründer steht es bezogen auf<br />

die eigentliche Quellenlage schlecht.<br />

3Ähnlich wie die Geschichte des Christentums<br />

ist die Geschichte des Islams<br />

k<strong>eine</strong>swegs <strong>eine</strong> von den Werten des „Friedens“<br />

und der „Liebe“ geprägte Abfolge von<br />

historischen Ereignissen gewesen. Immer<br />

dann, wenn diese Religion <strong>eine</strong> große gesellschaftliche<br />

Akzeptanz und herausragende<br />

politische Bedeutung aufwies, artikulierte<br />

sie sich in Form von imperialer Eroberung<br />

und repressiver Unterdrückung. Die Ausweitung<br />

individueller Freiheit und sozialem<br />

Pluralismus konnte wie auch bei anderen<br />

Religionen häufig nicht mit, sondern meist<br />

nur gegen den Islam vorangetrieben werden.<br />

Für die Geschichte des 20. Jahrhunderts gilt<br />

darüber hinaus, dass die unterschiedlichen<br />

Demokratisierungswellen an der islamischen<br />

Welt vorbeiliefen. Dies erklärt sich<br />

nicht durch die Abhängigkeit vom Westen,<br />

die Folgen des Kolonialismus, den Mangel<br />

an Rohstoffen oder die Unterentwicklung<br />

der Infrastruktur. Diese Rahmenbedingun-<br />

gen waren auch nicht-islamischen Entwicklungsländern<br />

eigen, gleichwohl bildeten<br />

sich dort ansatzweise funktionierende Demokratien<br />

heraus.<br />

4Dabei verdient <strong>eine</strong> Besonderheit des<br />

Islam als Religion spezifische Beachtung:<br />

Im Selbstverständnis besteht ein<br />

Totalitätsanspruch <strong>für</strong> die gesellschaftliche<br />

und politische Ebene dergestalt, dass Gottes<br />

Recht und Wille in allen Lebensbereichen<br />

durchgesetzt werden soll. Insofern<br />

kennt ein so verstandener Islam auch k<strong>eine</strong><br />

Trennung von Religion und Staat bzw. religiöser<br />

Glaubensgemeinschaft und politischer<br />

Gesellschaft. Dem widerspricht auch<br />

nicht, dass <strong>eine</strong> entsprechende Grenzziehung<br />

auch in der christlich geprägten Welt<br />

heute nicht immer konsequent eingehalten<br />

wird, und ebenso wenig, dass sich auch die<br />

politischen Ordnungen in der islamischen<br />

Welt k<strong>eine</strong>swegs immer an diese Vorgaben<br />

hielten. Die besonders enge Verkopplung<br />

von Politik und Religion im Islam ließ sich<br />

übrigens bereits in der Entstehungsphase<br />

ausmachen, wirkte doch Mohammed laut<br />

der islamischen Überlieferung nicht nur als<br />

„Prophet“, sondern auch als „Staatsmann“.<br />

Im historischen wie theologischen Sinne<br />

steht demgemäss der islamische Staat auch<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> Theokratie.<br />

1/2010 17


5Die enge Verkopplung von Glaube und<br />

Religion, Gesellschaft und Politik im<br />

Selbstverständnis stellt auch ein Problem <strong>für</strong><br />

die Akzeptanz bzw. Toleranz von Grundpositionen<br />

dar. Wie dem Christentum sind<br />

auch dem Islam ausgeprägte Absolutheitsansprüche<br />

und Ausgrenzungstendenzen eigen:<br />

Der Koran beschreibt diese Religion an<br />

mehreren Stellen als den einzigen Weg zum<br />

Heil und fordert teilweise mit Gewaltmetaphern<br />

<strong>eine</strong>n diskriminierenden Umgang<br />

mit Anders- und Nichtgläubigen. Die dabei<br />

zum Ausdruck kommenden Einstellungen<br />

des Dogmatismus und der Intoleranz mögen<br />

<strong>für</strong> die religiöse Ebene im engeren Sinne<br />

akzeptabel sein, <strong>für</strong> die gesellschaftliche<br />

Ebene im weiteren Sinne kann dies nicht<br />

gelten. Die Offenheit und der Pluralismus<br />

<strong>eine</strong>r Sozialordnung gestattet auch bedenkliche<br />

Auffassungen und rigorose Positionen.<br />

Dies findet aber ebendort s<strong>eine</strong> Grenze, wo<br />

der Anspruch auf <strong>eine</strong> verbindliche Übertragung<br />

dieser Prinzipien auf die Rechtsordnung<br />

im Sinne von Allgemeinprinzipien<br />

oder Sonderrechten eingefordert wird.<br />

6Aus all dem lassen sich sowohl legitime<br />

Ansprüche der Muslime wie notwendige<br />

Zumutungen <strong>für</strong> Muslime ableiten: Einerseits<br />

haben sie im Rahmen ihrer Grundund<br />

Menschenrechte die Möglichkeit, ihren<br />

Glauben und ihre Religion frei zu praktizieren.<br />

Die Grenzen da<strong>für</strong> liegen dort, wo die<br />

Grund- und Menschenrechte von Anderen<br />

in- und außerhalb ihrer Gemeinschaft tangiert<br />

sind. Eine offene Gesellschaft kann<br />

in diesem Rahmen auch dogmatische und<br />

exklusive Geltungsansprüche von Religion<br />

dulden, sofern sie sich auf die Sphäre des<br />

Glaubens im engeren Sinne beschränken.<br />

Die damit verbundene Toleranz bedeutet<br />

gleichwohl nicht den Verzicht auf Kritik:<br />

Das Recht auf Freiraum <strong>für</strong> die Religion bedingt<br />

in dieser Perspektive auch das Recht<br />

auf Kritik an der Religion. Insofern müssen<br />

sich Muslime wie die Angehörigen jeder anderen<br />

Glaubensform oder Weltanschauung<br />

öffentlicher Kritik aussetzen. Sie stellt in der<br />

gebotenen Sachlichkeit k<strong>eine</strong> Beleidigung<br />

des Islam, sondern <strong>eine</strong>n legitimen Ausdruck<br />

der Meinungsfreiheit dar.<br />

7In diesem Kontext gilt es allerdings zu<br />

beachten, dass nicht wenige der Muslime<br />

in Deutschland in unterschiedlichem<br />

Maße <strong>eine</strong>r Diskriminierung ausgesetzt<br />

sind: Einschlägige sozialwissenschaftliche<br />

18<br />

1/2010<br />

Untersuchungen veranschaulichen derartige<br />

Einstellungen, hetzerische Propaganda<br />

von rechtsextremistischer und rechtspopulistischer<br />

Seite steht ebenfalls da<strong>für</strong>. Um<br />

derartigen Bestrebungen nicht unbewusst<br />

„Stoff“ zu liefern, sollte sich <strong>eine</strong> kritische<br />

Sicht in differenzierter und sachlicher Weise<br />

artikulieren. Dabei gilt es deutlich zu machen,<br />

dass die Einwände aus der Perspektive<br />

<strong>eine</strong>s demokratischen Atheismus und säkularen<br />

Humanismus gegen die bedenklichen<br />

Geltungsansprüche im Namen des Islam,<br />

nicht aber gegen die Muslime als Bürger<br />

und Individuen gerichtet sind. Die damit<br />

verbundene Differenzierung mag im öffentlichen<br />

Diskurs nicht leicht vermittelbar sein.<br />

Gleichwohl bedarf es ihrer, um die Debatte<br />

auf der Ebene der Sachlichkeit, ohne Schürung<br />

minoritätenfeindlicher Ressentiments<br />

zu führen.<br />

8Denn ebenso wie sich alle anderen<br />

sozialen Gruppen in <strong>eine</strong>r offenen<br />

Gesellschaft <strong>eine</strong>r kritischen Betrachtung<br />

unterziehen lassen, so muss dies auch <strong>für</strong><br />

die Gemeinschaft der Muslime gelten.<br />

Hierbei gilt es zu beachten, dass es „die“<br />

Muslime nicht gibt. Je nach Bildungsgrad,<br />

Einstellung, Herkunft und Umfeld lassen<br />

sich erstaunliche Differenzen ausmachen.<br />

So weisen etwa die iranischstämmigen<br />

Muslime in Deutschland <strong>eine</strong>n höheren<br />

Grad an Säkularität und Schulbildung als<br />

die Angehörigen der deutschstämmigen<br />

Mehrheitsgesellschaft auf. Bei den türkischstämmigen<br />

Muslimen verhält es sich<br />

genau umgekehrt, woran ein entsprechendes<br />

gesellschaftliches Konfliktpotenzial<br />

erkennbar ist. Insofern verwundert auch<br />

nicht der hohe Problemanteil gerade in<br />

dieser sozialen Gruppe: Arbeitslosigkeit<br />

und Bildungsdefizite, Gewaltorientierung<br />

und Kriminalitätsneigung, Nationalismus<br />

und Religionsfixierung, Frauendiskriminierung<br />

und „Zwangsheirat“ lassen sich<br />

ebendort überdurchschnittlich häufig ausmachen.<br />

9Darauf um der Entwicklung <strong>eine</strong>r offenen<br />

Gesellschaft willen aufmerksam


zu machen, hat weder etwas mit Fremdenfeindlichkeit<br />

noch mit „Islamophobie“<br />

zu tun. Es geht vielmehr darum, die<br />

soziale Realität in angemessener Weise zur<br />

Kenntnis zu nehmen. Hier stellt sich auch<br />

die Frage nach den Ursachen, die nicht<br />

in allen Fällen in der Religion des Islam<br />

gesehen werden können. Die Praxis der<br />

„Zwangsverheiratung“ geht etwa stärker<br />

auf <strong>eine</strong> traditionelle Familien ideologie<br />

zurück und findet sich mitunter auch bei<br />

christlich orientierten Einwanderungsgruppen<br />

in geringeren Anteilen. Gleichwohl<br />

dürfte es kein Zufall sein, dass Integrationsprobleme<br />

mit Migranten aus islamischgeprägten<br />

Ländern weitaus häufiger<br />

als mit Migranten aus anderen Regionen<br />

ausgemacht werden können. Deren Normen<br />

und Sozialverhalten sind ebenso wie<br />

die Normen und das Sozialverhalten anderer<br />

Menschen im Lichte der Grund- und<br />

Menschenrechte zu sehen. Dies bedingt<br />

etwa auch die Ablehnung <strong>eine</strong>r angeblich<br />

kulturell oder religiös bedingten Frauendiskriminierung.<br />

Gegen diese kritische Perspektive<br />

10richtet sich mitunter ein öffentlicher<br />

Diskurs, der mit dem Schlagwort<br />

der „Islamophobie“ arbeitet. Es stellt in<br />

der Begriffswahl auf ein irrationales Gefühl<br />

gegenüber <strong>eine</strong>r Religion und deren<br />

Anhängern ab. So etwas gibt es laut <strong>eine</strong>r<br />

Reihe von sozialwissenschaftlichen<br />

Untersuchungen wohl durchaus. Gleichwohl<br />

steht der Terminus „Islamophobie“<br />

nicht <strong>für</strong> <strong>eine</strong> inhaltlich angemessene<br />

und trennscharfe Bezeichnung <strong>für</strong> das<br />

Gemeinte: Er vermischt im öffentlichen<br />

Sprachgebrauch – vor allem durch islamistische<br />

Kulturorganisationen – die diffusen<br />

Ressentiments gegen <strong>eine</strong> Minderheit mit<br />

der angemessenen Kritik an deren Sozialverhalten.<br />

Kurzum, „Islamophobie“ dient<br />

in der Diskussion all zu häufig der Abschottung<br />

von und der Immunisierung<br />

vor Kritik. Weitaus angemessener wäre<br />

hier als Bezeichnung <strong>für</strong> <strong>eine</strong> gruppenbezogene<br />

Menschenfeindlichkeit der Terminus<br />

„Antimuslimismus“, stellt er doch<br />

auf die Feindschaft gegenüber Muslimen<br />

als sozialer Gruppe unabhängig von <strong>eine</strong>r<br />

Islamkritik als Kritik an <strong>eine</strong>m religiösen<br />

Glauben ab.<br />

Demnach nimmt der demokratische<br />

11Atheismus und säkulare Humanismus<br />

im oben ausgeführten Sinne die Position<br />

<strong>eine</strong>s Kulturpluralismus und nicht die<br />

<strong>eine</strong>s Kulturrelativismus ein. Worin bestehen<br />

die Unterschiede? Beide Auffassungen<br />

sehen in der Artikulation der Normen und<br />

Werte unterschiedlicher Kulturen <strong>eine</strong>n legitimen<br />

Ausdruck der Offenheit <strong>eine</strong>r Gesellschaft.<br />

Der Kulturrelativismus akzeptiert<br />

dabei ohne Bewertung nahezu alle kulturellen<br />

Besonderheiten als Ausdruck entsprechender<br />

Identitäten in den jeweiligen sozialen<br />

Gruppen. Demgegenüber verweist der<br />

Kulturpluralismus darauf, dass es um <strong>eine</strong>r<br />

Einheit in Vielfalt willen <strong>eine</strong>s unabdingbaren<br />

Minimalkonsenses bedarf. Dieser<br />

besteht in der Akzeptanz der Normen von<br />

Demokratie und Individualität, Menschenrechten<br />

und Offenheit, kann doch nur auf<br />

diesen Werten ein kulturübergreifendes<br />

Miteinander auf der Basis gleicher Rechte<br />

und Würde möglich sein. Dies schließt verständlicherweise<br />

die Indifferenz gegenüber<br />

der angesprochenen Frauenunterdrückung<br />

aufgrund von kulturellen Vorgaben aus.<br />

Was bedeuten demnach aber die<br />

12vorgenannten Positionen <strong>für</strong> die<br />

Einstellung des demokratischen Atheismus<br />

und des säkularen Humanismus gegenüber<br />

aktuellen Konfliktfeldern wie dem Bau von<br />

Minaretten und Moscheen? Hier ergibt sich<br />

das Problem <strong>eine</strong>s Spannungsverhältnisses<br />

von rechtlicher Möglichkeit und sozialer<br />

Problematik: Einerseits können Religionsgemeinschaften<br />

ihre öffentlich Präsenz<br />

durch Gebäude in selbstgewählter Form dokumentieren,<br />

sofern die Vorhaben nicht gegen<br />

andere verbindliche Vorgaben wie etwa<br />

das Baurecht verstoßen. Andererseits kann<br />

sich mit <strong>eine</strong>r bestimmten Form der Präsentation<br />

auch <strong>eine</strong> politische Botschaft verbinden,<br />

etwa in Gestalt <strong>eine</strong>r mangelnden<br />

Integrationsbereitschaft oder <strong>eine</strong>s öffentlichen<br />

Machtanspruchs. Dagegen bedarf es<br />

kritischer Stimmen im Diskurs, um auch<br />

auf muslimischer Seite <strong>eine</strong>n Reflexionsprozess<br />

voran zu treiben. Behinderungen und<br />

Verbote dürften ihn nicht fördern. Entscheidend<br />

bleibt auch hier das glaubwürdige<br />

Eintreten <strong>für</strong> die eigenen Werte von<br />

Aufklärung und Kritik.<br />

1/2010 19


Schweizer<br />

stimmen <strong>für</strong><br />

Minarett-Verbot<br />

In der Schweiz werden wohl in der Zukunft<br />

k<strong>eine</strong> Minarette mehr gebaut. Mit der Mehrheit<br />

von 57,5 Prozent nahmen die Schweizer<br />

kurz vor Jahresende bei <strong>eine</strong>r Volksabstimmung<br />

<strong>eine</strong> entsprechende Initiative an.<br />

Das Ergebnis kam <strong>für</strong> die meisten Parteien<br />

sowie die Regierung völlig überraschend.<br />

Diesseits bat einige Leser um ihre persönliche<br />

Stellungnahme.<br />

Islamkritik nicht mit<br />

Fremdenfeindlichkeit gleichsetzen<br />

Die medial verordnete Empörung über<br />

den deutlichen Mehrheitsbeschluss des<br />

Schweizer Referendums <strong>für</strong> ein Bauverbot<br />

von Minaretten ist einseitig und verfehlt.<br />

Dass rechte Gruppen die Islamkritik als<br />

Deckmantel <strong>für</strong> ihre Fremdenfeindlichkeit<br />

benutzen und damit die Deutungshoheit<br />

in dieser Frage an sich gerissen haben, ist<br />

schon schlimm genug. Umso fataler ist es<br />

aber, wenn die unkritische öffentliche Entrüstung<br />

ihnen damit nun auch noch Recht<br />

gibt.<br />

Zu schnell sollte man die Bevölkerungsmehrheit<br />

unseres Nachbarstaates nicht in<br />

die Nähe dumpfer Rechtsradikaler rücken.<br />

Für <strong>eine</strong> faire Analyse wären die vielzitierten<br />

Schweizer Tugenden genauer unter die<br />

Lupe zu nehmen, die einige Kommentatoren<br />

vorschnell <strong>für</strong> abgeschafft erklären:<br />

Offenheit und Toleranz setzen ein<br />

selbstbewusstes Bekenntnis zur eigenen<br />

(säkularen) Identität voraus. Man kann<br />

durchaus <strong>für</strong> <strong>eine</strong> humane, offene Gesellschaft<br />

eintreten, die Religionsfreiheit achten<br />

und sich genau aus diesem Grund gegen<br />

die Dominanz religiöser Symbole in Infrastruktur<br />

und Alltagsleben einsetzen. Denn<br />

Religionsfreiheit bedeutet immer auch die<br />

Freiheit, <strong>eine</strong> andere oder gar k<strong>eine</strong> Religion<br />

auszuüben, und dabei nicht mit Symbolen<br />

anderer Religionen konfrontiert zu werden.<br />

Religionsfreiheit und Toleranz müssen immer<br />

auch gewährt werden, statt sie nur einzufordern.<br />

Gleiches gilt übrigens auch <strong>für</strong> das Kruzifix<br />

als dominantes religiöses Symbol, das<br />

in staatlichen (und somit weltanschaulich<br />

neutralen) Schulen nichts verloren hat, wie<br />

europäische Verfassungsrichter kürzlich erst<br />

wieder bestätigten – begleitet vom lautstarken<br />

Protest derer, die laut und unreflektiert<br />

die Begriffe „Toleranz“ und „Religionsfreiheit“<br />

vor sich her tragen.<br />

Den Schweizern kann man nicht unterstellen,<br />

dass sie Gläubigen die Ausübung<br />

ihrer Religion verbieten wollen – da<strong>für</strong> haben<br />

sie nicht gestimmt! Ihr Votum definiert<br />

<strong>eine</strong>n gesellschaftlichen Rahmen da<strong>für</strong>. Es<br />

kann als <strong>eine</strong> Wahl <strong>für</strong> <strong>eine</strong> offene, tolerante,<br />

säkulare und humane Gesellschaft<br />

angesehen werden, in da<strong>für</strong> angemessenen<br />

Grenzen.<br />

Dr. Rainer Rosenzweig,<br />

Geschäftsführer turmdersinne<br />

Rainer Rosenzweig<br />

Zukunft Schweiz: Laizität und Toleranz<br />

Es war im Vorfeld der Abstimmung ein<br />

großes Bedürfnis zu spüren, „ein Zeichen<br />

gegen die Ausbreitung des Islams zu setzen“.<br />

Die wissenschaftliche Analyse nach<br />

der Abstimmung bestätigt dies. Auch unter<br />

Freidenkern, die nach <strong>eine</strong>r breiten internen


Diskussion <strong>eine</strong> differenzierte Stellungnahme<br />

gegen das Minarettverbot publiziert<br />

hatten, wurde dieses Motiv häufig vorgebracht.<br />

Insgesamt haben gemäß Analyse die<br />

bürgerlichen Christen dem Minarettverbot<br />

zu 67 Prozent zugestimmt, die religionsfreien<br />

Menschen haben es deutlich abgelehnt.<br />

Geschlecht oder Alter sch<strong>eine</strong>n k<strong>eine</strong> signifikante<br />

Rolle gespielt zu haben.<br />

Die „Political Correctness“ hat dazu geführt,<br />

dass die Voraussagen zum Ausgang<br />

der Abstimmung komplett falsch lagen<br />

(Prognose: 37 Prozent Ja) und dies wiederum<br />

dazu, dass weitere Leute sich sagten: „so<br />

schlecht soll die Initiative nicht dastehen…“<br />

und dann ein Ja einlegten… Sie werden es<br />

nie zugeben.<br />

Schon vor zwei Jahren haben 67 Prozent<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> Verschärfung des Asyl- und Ausländergesetzes<br />

gestimmt. Das ist kein Zufall. Es<br />

geht um die verschlafene Integrationspolitik.<br />

Aber natürlich hat der Ärger über Gaddafi<br />

auch <strong>eine</strong> Rolle gespielt. Insgesamt war der<br />

Druck auf die Schweiz in den letzten Jahren<br />

einfach sehr groß. Das ist k<strong>eine</strong> Entschuldigung<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong>n Diskriminierungsentscheid,<br />

aber wohl <strong>eine</strong> Erklärung.<br />

Es gibt in der Schweiz zudem kaum muslimischen<br />

Sympathie-TrägerInnen, welche<br />

<strong>eine</strong>n europäischen Islam vertreten. Jene,<br />

die vor der Abstimmung im Fernsehen auftraten,<br />

taten dies mehrheitlich fordernd und<br />

belehrend, das kam schlecht an.<br />

Für das Ergebnis muss man sich nicht<br />

schämen. Es ist „jenseits von Gut und Böse“,<br />

zeigt einfach, wie belastet die Stimmung in<br />

der Gesellschaft ist. Die Schweiz ist das einzige<br />

Land, in dem das Volk solche Rechte<br />

hat, und das birgt auch die Gefahr, dass die<br />

Mehrheit die Minderheit unterdrückt. Nun<br />

ist die Schweiz kein Vorzeigeland mehr, sondern<br />

<strong>eine</strong>s mit <strong>eine</strong>m Schönheitsfehler. Erst<br />

seit der Verfassungsrevision von 1999 gab<br />

es hierzulande k<strong>eine</strong> religionsspezifischen<br />

Artikel mehr in der Verfassung. Vorher gab<br />

es das Jesuitenverbot, das Schächtverbot (ist<br />

heute im Tierschutzgesetz) und das Verbot,<br />

neue Bistümer zu errichten. Es ist ein Rückschritt,<br />

aber k<strong>eine</strong> Katastrophe.<br />

Wenn das Abstimmungsergebnis unsere<br />

und auch europäische PolitikerInnen wachgerüttelt<br />

hat, dann hat es schließlich doch<br />

auch noch was Gutes. Klar ist jedenfalls, wir<br />

alle müssen uns der Integrationsfrage wirklich<br />

stellen. Problematisch an den Kommentaren<br />

der Parteien scheint mir, dass nun<br />

allseits der „interreligiöse Dialog“ gefordert<br />

wird. Dieser wird heute schon auf verschiedenen<br />

Ebenen gepflegt. Aber das Volk ist<br />

da nicht dabei (und die Konfessionsfreien<br />

schon gar nicht). Das sind immer in etwa<br />

die gleichen Leute. Diese schätzen dann die<br />

Situation auch mal ziemlich falsch ein: Im<br />

Kanton Luzern hat die islamische Gemeinde<br />

den Antrag gestellt, öffentlich-rechtlich<br />

anerkannt zu werden – ein paar Wochen<br />

vor der Abstimmung. Blauäugiger geht es<br />

nicht. Das hat die Katholiken vermutlich<br />

geradezu in die Arme der Initiative getrieben.<br />

In diesem Kanton lag die Zustimmung<br />

zur Initiative bei über 60 Prozent.<br />

Abgelehnt wurde die Initiative übrigens<br />

in den Stadtkantonen Genf und Basel –<br />

dort ist die Trennung von Staat und Kirche<br />

relativ fortgeschritten und die Integration<br />

wird mit <strong>eine</strong>m Integrationsgesetz dezidiert<br />

geregelt. In diese Richtung muss es weitergehen:<br />

Integration auf der Basis von Laizität<br />

und Toleranz!<br />

Reta Caspar, Leiterin der Geschäftsstelle,<br />

Freidenker-Vereinigung der Schweiz<br />

Reta Caspar<br />

Einschränkung der Menschenrechte<br />

Dass das Minarettverbot in der Schweiz<br />

<strong>eine</strong> grobe Einschränkung des bürgerlichen<br />

Rechts, nämlich des Rechtes der Religionsfreiheit<br />

bedeutet, kann wohl niemand<br />

bestreiten. Durch die Volksentscheidung<br />

ist diese grobe Einschränkung legitimiert<br />

worden.<br />

Ohne Zweifel steckt hinter dem Volksentscheid<br />

<strong>eine</strong> jahrelange, von Medien,<br />

rechtskonservativen Parteien und Politikern<br />

geschürte Islamphobie und die Angst,<br />

dass der „integrationsunwillige“ Moslem<br />

die bürgerliche Gesellschaft unterwandert!<br />

Als würde jedes errichtete Minarett <strong>eine</strong>n<br />

Verlust der eigenen bürgerlichen Freiheiten<br />

und der christlich-abendländischen Lebensweise<br />

bedeuten.<br />

Mit Sicherheit dient das Verbot nicht der<br />

Mehrheit der Schweizer Bevölkerung, die<br />

seit mehreren Jahrzehnten mit Mi granten,<br />

auch aus islamischen Ländern, das gleiche<br />

soziale Leben teilen. Das Ergebnis dieser<br />

Volksabstimmung ist m<strong>eine</strong>r Meinung nach<br />

nichts anderes als ein Ergebnis jahrelanger<br />

Kampagnen der konservativen und rechtsradikalen<br />

Parteien mit ihrer Ausländerpolitik<br />

und dient allein ihren politischen und<br />

wirtschaftlichen Interessen. Die Kampagne<br />

und ihr Ergebnis allein aus der Perspektive<br />

des Glaubens und der Kultur zu betrachten,<br />

wäre falsch. Die Religion wird nur instrumentalisiert.<br />

Religionen und Kulturen können in <strong>eine</strong>r<br />

Gesellschaft gut miteinander auskommen,<br />

insofern die gemeinsamen sozialen<br />

Interessen erkannt und in den Vordergrund<br />

gestellt werden. Diese Betrachtungsweise<br />

ist die einzige Möglichkeit, von jeder Art<br />

religiöser oder kultureller Phobie wegzukommen.<br />

Hülya Dincal-Gürsoy<br />

Lebenskundelehrerin in Berlin<br />

Hülya Dincal-Gürsoy<br />

1/2010 23


24<br />

1/2010<br />

wenigen Wochen erschien der Sammelband<br />

„Interkultureller Humanismus“.<br />

Er veröffentlicht vierzehn Texte aus dem<br />

Zusammenhang des nun abgeschlossenen<br />

vierjährigen Forschungsprojektes „Humanismus<br />

in der Epoche der Globalisierung“<br />

des „Kulturwissenschaftlichen Instituts<br />

Essen“ (KWI), mit fast <strong>eine</strong>r Million Euro gefördert<br />

durch die „Stiftung Mercator“. Unter<br />

Leitung des Historikers Jörn Rüsen (u.a.<br />

hervorgetreten durch Studien über „Geschichtskultur“)<br />

wurden unterschiedliche<br />

Denkschulen ermuntert, über Humanismus<br />

in verschiedenen Kulturräumen nachzudenken.<br />

Das nebenstehende Inhaltsverzeichnis<br />

gibt <strong>eine</strong>n Einblick in die Breite des Herangehens<br />

und die Fülle der Ergebnisse. eINblIckeVor<br />

Horst Groschopp<br />

Humanistik und<br />

HVD<br />

n Ein Weltanschauungsverband, der sich<br />

dem Humanismus schon durch s<strong>eine</strong>n<br />

Namen verpflichtet fühlt, muss sich hierzu<br />

und zu all den vielen weiteren neueren<br />

Publikationen über Humanismus intellektuell<br />

verhalten. Da<strong>für</strong> hat er vor allem s<strong>eine</strong><br />

(noch kl<strong>eine</strong>n und armen) Akademien. Die<br />

Frage ist dabei, worin besteht eigentlich<br />

sein eigener Platz in diesen Debatten und<br />

was ist sein unverwechselbarer Beitrag zu<br />

<strong>eine</strong>r Humanistik. Hinterlässt er nämlich<br />

in diesen Debatten, die nicht nur akademische<br />

sind, k<strong>eine</strong> deutlichen Spuren, ist sein<br />

Humanismus wie ein (spitzen wir mal zu)<br />

Christentum ohne Theologie.<br />

Nachdenken über die Qualität des<br />

Menschseins<br />

Rüsen kommt in den Definitionen von Humanismus<br />

den Bedürfnissen des HVD sehr<br />

entgegen. Humanismus komme überall<br />

auf der Welt vor als Nachdenken über die<br />

Qualität des Menschseins. S<strong>eine</strong> „westliche<br />

Prägung“ sei <strong>eine</strong> „kulturelle Orientierung<br />

der Lebenspraxis“, die ihre leitenden „Gesichtspunkte<br />

<strong>eine</strong>r bestimmten Deutung<br />

des Menschseins des Menschen entnimmt“<br />

(S.16). Tatsächlich leistet der HVD immer<br />

dort wichtige Beiträge zu <strong>eine</strong>r Humanistik,<br />

wo er s<strong>eine</strong> eigene Arbeit weltanschaulich<br />

und theoretisch deutet.<br />

Wenn Hubert Cancik – der im Buch<br />

wieder einmal viele gängige Vorurteile der<br />

Geburt des Humanismus in der Rezeption<br />

der Antike als Legenden entlarvt – feststellt,<br />

Humanismus sei „k<strong>eine</strong> Philosophie, kein<br />

geschlossenes, nur mit sich selbst kompatibles<br />

System aus Anthropologie und Ethik,<br />

sondern die Lehre (hier zitiert er Ernst Mach<br />

1883), ‘<strong>eine</strong> unvollendete Weltanschauung<br />

zu ertragen’“ (S.47), dann setzt er sich da<strong>für</strong><br />

ein, in ihm auch ein pädagogisches Programm<br />

zu sehen, aber eben ein anderes, als<br />

der Erfinder des Begriffs Niethammer 1808<br />

meinte.<br />

Humanismus, so schließt H<strong>eine</strong>r Roetz<br />

s<strong>eine</strong> Ausführungen über konfuzianischen<br />

Humanismus, sei „kein Proprium des biblisch-griechischen<br />

Abendlandes“ (S.114).<br />

Er sei sowieso kein Schatz von irgendwem,<br />

sondern <strong>eine</strong> Aufgabe.<br />

Humanismus als Studienfach<br />

Was heißt dies nun <strong>für</strong> den HVD? Zum<br />

Ersten, dass er sich als lernender Verband zu<br />

präsentieren hat. Er ist nicht im Besitz der<br />

„humanistischen Wahrheit“. Zum Zweiten<br />

muss er anerkennen, dass er nicht über die<br />

Mittel verfügt, Humanistik von sich aus zu<br />

entwickeln. Den Überblick zu behalten, ist<br />

schon <strong>eine</strong> Leistung. Zum Dritten sollte<br />

er s<strong>eine</strong>n eigenen Beitrag grundsätzlicher<br />

bestimmen und wieder dort anknüpfen,<br />

wo er vor <strong>eine</strong>m Jahrfünft aufgehört hat,<br />

als es in „humanismus aktuell“ (Heft 15)<br />

um „Humanismus als Studienfach“ ging.<br />

Cancik erwähnt den Beitrag der „Humanistischen<br />

Akademie Berlin“ in s<strong>eine</strong>m Text<br />

(S.49). Zum Vierten hat der HVD an <strong>eine</strong>r<br />

Humanistik auch ein politisches Interesse,<br />

weil ihn s<strong>eine</strong> Praxis im Schulfach Lebenskunde<br />

und in Beratungsqualifikationen auf<br />

die Universitäten verweist, die aber bisher<br />

kein Fach Humanismus kennen.<br />

Der Begriff „Humanistik“ ist in Holland<br />

und Belgien bereits „normal“. Als Theorie<br />

und Geschichte des Humanismus ist das<br />

Wort parallel zur Kategorie der Germanistik<br />

gebildet und mit dem der Urbanistik<br />

vergleichbar. Letztere kennt <strong>eine</strong>n „Urbanismus“,<br />

kann „urbane“ Zustände erkennen<br />

und bewerten, weiß in etwa, was „Urbanität“<br />

ist usw.<br />

Gleiches kann <strong>für</strong> den Humanismus angenommen<br />

werden: „Humanität“ bedeutet<br />

„Menschlichkeit“, benennt „humane“<br />

Zustände, Handlungen und Personen. Die<br />

Literatur kennt, und einige Spezialitäten


stellt das vorliegende Buch näher vor, Humanismus<br />

(in alphabetischer Reihenfolge)<br />

als abendländischen, afrikanischen, alten,<br />

anthropologischen, anthropozentrischen,<br />

anthropozentristischen, antiken, atheistischen,<br />

bürgerlichen, christlichen, dritten,<br />

ersten, ethischen, evolutionären, indischen,<br />

interkulturellen, islamischen (bzw. arabischen),<br />

jüdischen, klassischen, konfuzianischen,<br />

kritischen, lateinamerikanischen,<br />

multikulturellen (diesen mehrfach), naturalistischen,<br />

ökologischen, pädagogischen,<br />

philosophischen, praktischen, realen, sozialistischen<br />

(nicht immer zugleich proletarischen),<br />

super-humanistischen, transhumanistischen,<br />

weltlichen (säkularen),<br />

zeitgenössischen, zweiten ...<br />

Organisierter Humanismus in<br />

Deutschland<br />

Humanistik wäre die wissenschaftliche Beschäftigung<br />

mit Humanismus bzw. (in Parallele<br />

und Kontrast zur Theologie als „das<br />

Reden über Gott“) „das Reden über Menschen<br />

und ihre Würde“ als <strong>eine</strong>r überregionalen<br />

und historischen Kulturströmung, <strong>eine</strong>r<br />

„unvollständigen“ Weltanschauung und<br />

breiten Praxis. Hier geht es um Zukunftsfragen<br />

des modernen Humanismus – und abgeleitet<br />

daraus um die nähere Bestimmung<br />

des Platzes <strong>eine</strong>s organisierten Humanismus<br />

hier im Lande, eingeschlossen die möglichen<br />

oder erforderlichen Leistungen des HVD<br />

und die Bedürfnisse s<strong>eine</strong>r Mitglieder, wissen<br />

zu wollen, was der eigene Humanismus<br />

mit all den vielen andren zu tun hat.<br />

Abschließend will ich auf den älteren<br />

Cato im Alten Rom verweisen, der ständig<br />

„im Übrigen“ der Meinung war, „dass Karthago<br />

zerstört werden muss“. Es soll auch<br />

hier „im Übrigen“ die Forderung nach humanistischen<br />

Lehrstühlen erhoben werden<br />

– nur ein Prozent der Zahl der staatlich besoldeten<br />

Theologieprofessoren in Deutschland<br />

würde (zunächst) völlig ausreichen,<br />

<strong>eine</strong> moderne Humanismustheorie zu betreiben.<br />

Das wären, nach den Zahlen des<br />

Statistischen Bundesamtes <strong>für</strong> 2007, sieben<br />

Professuren: Welche Üppigkeit!<br />

Bitte unterstützen Sie die Humanistische<br />

Akademie Deutschland!<br />

Bank <strong>für</strong> Sozialwirtschaft<br />

BLZ 100 205 00, Kto 102 98 00<br />

ausblIcke<br />

1/2010 25


Siegfried R. Krebs<br />

n Und so fand wie in den beiden Vorjahren<br />

auch 2009 in der Thüringer Landeshauptstadt<br />

das Weihnachtsmarktprojekt<br />

„Folge dem Stern!“ statt. Damit sollte an<br />

jedem Donnerstag und Sonntag im Advent<br />

den Besuchern des Weihnachtsmarktes an<br />

verschiedenen Orten der christliche Hintergrund<br />

von Advent und Weihnachten<br />

erschlossen werden.<br />

Die Idee zu dem ökumenischen Projekt<br />

„Folge dem Stern! Missionarische Projekte<br />

am Weihnachtsmarkt“ hatte die aus Wien<br />

stammende katholische Pastoraltheologin<br />

Prof. Dr. Maria Widl. Ihre evangelische<br />

Mitstreiterin Prof. Dr. Andrea Schulte<br />

stammt aus Essen. Die Ausarbeitung des<br />

Konzepts erfolgte in Seminaren, die die<br />

Katholisch-Theologische Fakultät der Universität<br />

Erfurt und das evangelische Martin-<br />

Luther-Institut gemeinsam veranstalteten.<br />

Die praktische Umsetzung haben dann die<br />

katholische und die evangelische Kirche in<br />

Erfurt übernommen. Das Bonifatiuswerk<br />

– als „Diasporahilfswerk der Katholiken<br />

Deutschlands“ – erkannte bezeichnenderweise<br />

dem Projekt bereits im Jahre 2008<br />

s<strong>eine</strong>n „Sonderpreis <strong>für</strong> missionarisches<br />

Handeln“ zu. Dessen Aktion „Achtung,<br />

weihnachtsmannfreie Zone!“ wurde im<br />

Jahr 2002 ins Leben gerufen und will nach<br />

eigenen Angaben „aktiv dazu beitragen, den<br />

heiligen Nikolaus in der Gesellschaft wieder<br />

in den Vordergrund zu stellen und <strong>eine</strong>r<br />

Verwechslung mit der populären Kunstfigur<br />

des Weihnachtsmannes entgegen zu<br />

wirken.“ Diese Aktion wirbt mit den bekennenden<br />

Christen und TV-Größen Nina<br />

Ruge und Peter Hahne.<br />

Gott geht durch den Magen<br />

Auch wenn die Katholiken bei diesem Missionierungswerk<br />

dominieren, kommen die<br />

Protestanten nicht zu kurz. Sie warben <strong>für</strong><br />

sich insbesondere mit dem „Adventssegen“.<br />

Hierzu hieß es in der Ankündigung: „Als<br />

Begleitung auf dem Weg hin zum Weih-<br />

26<br />

1/2010<br />

FORUM<br />

Wohl doch k<strong>eine</strong> Sternstunden<br />

auf dem Weihnachtsmarkt<br />

In Ostdeutschland gibt es immer mehr kirchliche Projekte <strong>für</strong> konfessionslose Menschen.<br />

Die katholische Kirche konzentriert dabei ihre Missionierungs-Anstrengungen auf den<br />

„spirituellen Tourismus“. Gemeint sind hier historische Pilgerwege in Sachsen-Anhalt und<br />

Krippenführungen auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt.<br />

nachtsfest segnen ... evangelische Pfarrerinnen<br />

und Pfarrer aus städtischen Gemeinden<br />

auf den Domstufen.“<br />

Und so konnte ein konfessionfreier Besucher<br />

den „ökumenischen“ Teil des Weihnachtsmarktes<br />

erleben: Vor der Krippe mit<br />

lebensgroßen Figuren aus Holz standen drei<br />

Kinder mit gelbem und zwei Jugendliche<br />

mit orangefarbenem Schal. Sie verteilten<br />

Informationskarten „Folge dem Stern“ mit<br />

Terminen <strong>für</strong> Andachten. Neben der Krippe<br />

stand ein Aufsteller „Hintergründe der<br />

Weihnachtsgeschichte“, der neben der Einladung<br />

zum Dombesuch noch <strong>eine</strong>n Zusatz<br />

trug: „und außerdem in der Andreaskirche:<br />

Gott schenkt sich,... wir schenken Ihnen<br />

Zeit... und <strong>eine</strong>n halben Stollen”.<br />

Vor der Krippe lagen je ein Plastikhefter<br />

auf zwei unterschiedlich hohen Lesepulten<br />

– in Erwachsenen- und in Kinderhöhe.<br />

Inhalt des Erwachsenenhefters: Fragen<br />

und Antworten zur Geschichte der Krippe<br />

– diese hier ist ein Geschenk der Gemeinde<br />

Oberammergau und steht seit 1991 in Erfurt<br />

auf dem Weihnachtsmarkt.<br />

Der Hefter auf dem niedigen Lesepult<br />

beinhaltete die in kindgerechter Art illustrierte<br />

Weihnachtsgeschichte. Erstaunlich<br />

oder eigentlich nicht erstaunlich: Die in<br />

Folien steckenden A4-Blätter beider Hefter<br />

trugen unten ein kl<strong>eine</strong>s Universitätslogo!<br />

Mich hat niemand angesprochen, sicher<br />

weil ich all<strong>eine</strong> war... Ich habe mich aber bei<br />

Gespächen hinzugestellt. Ein Grundschüler<br />

erklärte da z. B. <strong>eine</strong>r Familie (Mutter<br />

mit zwei Kinder von etwa 4 und 7 Jahren)<br />

die Weihnachtsgeschichte und erzählte von<br />

Gottes Sohn Jesus. Zwei ältere Schüler sprachen<br />

<strong>eine</strong> Familie an, die sich gerade die<br />

Krippe anguckte: „Haben Sie denn zu Hau-<br />

se auch <strong>eine</strong> Krippe?“ und als „Ja“ gesagt<br />

wurde, ging das Gespräch nicht weiter.<br />

Die Müllerstochter spinnt Stroh<br />

Die jüngeren Schüler waren sehr bei der<br />

Sache und guckten ganz aufgeweckt, auf<br />

wen sie zuspringen könnten. Sie luden die<br />

Leute ein, sich die Krippe anzugucken und<br />

fragten, ob sie etwas über die Weihnachtsgeschichte<br />

erfahren oder vielleicht auch den<br />

Ort der Stille im Dom besuchen wollen. Ich<br />

fragte die Kinder dann, warum sie denn bei<br />

dieser Aktion mitmachen. Eifrig erklärten<br />

sie mir, dass viele Leute nicht wissen, was<br />

die Krippe darstellen soll. So kamen schon<br />

Antworten wie: „Das kann doch nur die<br />

Müllerstochter aus dem ‚Rumpelstilzchen‘<br />

auf dem Stroh sein...“ Das würden sie gern<br />

aufklären.<br />

Ob diese Missionierungskampagnge von<br />

Erfolg gekrönt gewesen ist, darüber schweigen<br />

sich beide Thüringer Amtskirchen<br />

aus. Sie vermelden da<strong>für</strong> weitere drastische<br />

Rückgänge bei den Mitgliederzahlen, Taufen<br />

und christlichen Eheschließungen.


n „Wer aus der Kirche austritt und k<strong>eine</strong><br />

Kirchensteuer zahlt, sollte <strong>eine</strong> andere<br />

Abgabe an <strong>eine</strong> soziale Einrichtung wie<br />

das Rote Kreuz entrichten“, forderte Prof.<br />

Ulrich Blum kurz vor Weihnachten in<br />

der Bildzeitung. Blum ist Präsident des<br />

Instituts <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung Halle<br />

(IWH). Er schlägt <strong>eine</strong> „Ethiksteuer<br />

nach italienischem Vorbild“ vor, um so<br />

die Zahl der Kirchenaustritte zu bremsen<br />

und Trittbrettfahrerverhalten zu unterbinden.<br />

Schließlich nähmen auch Nicht-<br />

Kirchensteuerzahler häufig soziale Dienste<br />

der Kirchen in Anspruch. Der Hebesatz<br />

dieser Ersatzsteuer könne 7 Prozent der<br />

Einkommenssteuer betragen, also knapp<br />

unter dem der Kirchensteuer liegen.<br />

Ein Weihnachtsmärchen<br />

Mit dem Ersch<strong>eine</strong>n des Interviews am<br />

22. Dezember 2009 folgte <strong>eine</strong> Reihe von<br />

Artikeln und Kommentaren in diversen<br />

Print- und Onlinemedien, in denen es<br />

zumeist um die Frage ging, ob die Kirchensteuer<br />

nun primär soziale Dienste<br />

finanziert, die allen zu Gute kommen.<br />

Ich gehe davon aus, dass die Diesseits-<br />

Leser bereits wissen, dass das nur sehr begrenzt<br />

der Fall ist. So werden nur etwa<br />

10 Prozent der Kirchensteuer <strong>für</strong> soziale<br />

Dienste verwendet, soziale Einrichtungen<br />

wie z. B. Krankenhäuser oder Kindergärten<br />

werden fast vollständig aus öffentlichen<br />

Mitteln und Krankenkassen- bzw.<br />

Elternbeiträgen finanziert. Zusätzlich zur<br />

Kirchensteuer erhalten die Kirchen Subventionen<br />

in Milliardenhöhe.<br />

Zu Recht bezeichnet Rudolf Ladwig<br />

(IBKA) daher in der „taz“ die Unterstellung,<br />

mit der Kirchensteuer würden soziale<br />

Dienste finanziert, als „Weihnachtsmärchen“.<br />

Mir scheint es so, als sei dieses<br />

Märchen die eigentliche „Moral der Geschicht‘“<br />

von Prof. Blum.<br />

In der geringen finanziellen Eigenbeteiligung<br />

an sozialen Einrichtungen wie<br />

z. B. Krankenhäusern und Kindergärten<br />

Lutz Renken<br />

Ethiksteuer <strong>für</strong> alle?<br />

sehe ich das geringere Problem, denn<br />

auch andere gemeinnützige Organisationen<br />

nutzen solche staatlichen Hilfen.<br />

Quasi-Monopol der Kirchen<br />

Es gibt jedoch relevante Unterschiede zwischen<br />

den verschiedenen gemeinnützigen<br />

Sozialdienstleistern: Das Rote Kreuz und<br />

die Arbeiterwohlfahrt sind im Gegensatz<br />

zu den Kirchen und dem HVD k<strong>eine</strong> religiösen<br />

oder weltanschaulichen Körperschaften<br />

und unterhalten k<strong>eine</strong> Tendenzbetriebe.<br />

Im Gegensatz zu allen anderen<br />

Trägern dominieren die kirchlichen Einrichtungen<br />

in einigen Bereichen und Regionen<br />

jedoch das Angebot staatlicher und<br />

nichtstaatlicher Sozialeinrichtungen.<br />

Es ist diese Kombination von Dominanz<br />

und Tendenz, die mir Sorgen<br />

bereitet: In einigen Landstrichen finden<br />

Eltern kaum nicht-religiöse Alternativen<br />

zu konfessionellen Kindergärten, Arbeitssuchende<br />

kaum Alternativen zu Diakonie<br />

und Caritas.<br />

Kirchensteuer ist Mitgliedsbeitrag<br />

Im Allgem<strong>eine</strong>n wird man Mitglied <strong>eine</strong>r<br />

gemeinnützigen Organisation, um ihre<br />

gemeinnützige Arbeit zu unterstützen,<br />

und weil man die entsprechenden weltanschaulichen,<br />

religiösen, politischen oder<br />

sozialen Grundsätze teilt.<br />

Es steht jedem Mitglied frei, der Organisation<br />

diese Unterstützung durch Austritt<br />

zu entziehen. Das gilt <strong>für</strong> das Rote<br />

Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, Greenpeace,<br />

die Zeugen Jehovas und den HVD.<br />

Selbstverständlich muss das auch <strong>für</strong> die<br />

Kirchen gelten.<br />

Wie die einzelnen Organisationen mit<br />

der Entwicklung ihrer Mitgliederzahlen<br />

umgehen, darf nicht Sache des Staates<br />

sein. Somit ist das Motiv, die Kirchenaustritte<br />

zu bremsen, k<strong>eine</strong> legitime Rechtfertigung<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> Ersatzsteuer.<br />

Schon jetzt sind die großen Kirchen<br />

im Vorteil: Ihr Mitgliedsbeitrag wird als<br />

Zwischenruf<br />

sogenannte Steuer durch den Staat eingezogen.<br />

Allein diese Tatsache nährt den<br />

verbreiteten Irrglauben, den Blum nach<br />

den Weihnachtstagen in weiteren Kommentaren<br />

ausspricht: „Kirchenflucht aus<br />

finanziellen Gründen ist moralisch verwerfliche<br />

Steuerhinterziehung“ („Die<br />

Welt“ vom 28.12.2009).<br />

Ethiksteuer nicht im Interesse<br />

der Kirchen<br />

Interessanterweise bezeichnet nicht nur<br />

der Steuerzahlerbund den Vorschlag als<br />

„Schnapsidee“, auch Vertreter der Kirchen<br />

verhalten sich eher ablehnend oder<br />

bedeckt.<br />

Das verwundert mich nicht, denn die<br />

Idee der Ethiksteuer, wie sie in Italien,<br />

Spanien und Ungarn eingeführt ist, geht<br />

zurück auf das Konzept der „Mandatssteuer“<br />

des Kirchenkritikers Horst Herrmann<br />

von 1972.<br />

Die Ethiksteuer ist in der Praxis weder<br />

in Italien noch anderswo <strong>eine</strong> Ersatzsteuer<br />

neben <strong>eine</strong>r Kirchensteuer. Sie wird von<br />

allen Steuerzahlern abgeführt, ihnen wird<br />

lediglich das Mandat übertragen, welche<br />

gemeinnützige Organisation davon profitieren<br />

soll. So stehen neben den Kirchen<br />

dann Freidenker, Greenpeace und Amnesty<br />

International zur Auswahl.<br />

Auch ist der Hebesatz mit maximal ein<br />

Prozent der Einkommenssteuer erheblich<br />

geringer als die derzeitige Kirchensteuer<br />

in Deutschland, was hierzulande die Frage<br />

nach zusätzlichen Mitgliedsbeiträgen und<br />

<strong>eine</strong> öffentliche Diskussion um staatliche<br />

Subventionen nach sich ziehen würde.<br />

Wird die Ethiksteuer nicht als Ersatzsteuer<br />

verstanden, dann halte ich sie <strong>für</strong><br />

<strong>eine</strong> durchaus diskussionswürdige, nicht<br />

privilegierende Alternative zur derzeitigen<br />

Kirchensteuer in Deutschland. Doch<br />

allein die öffentliche Diskussion um die<br />

wahren staatlichen Subventionen werden<br />

die Kirchen scheuen wie der sprichwörtliche<br />

Teufel das Weihwasser.<br />

1/2010 27


Arnold Köpcke-Duttler<br />

n <strong>Gustav</strong> Radbruch, Professor <strong>für</strong> Strafrecht<br />

und zeitweiliger Justizminister in der<br />

Weimarer Republik, trat nach dem Ersten<br />

Weltkrieg – was <strong>für</strong> <strong>eine</strong>n rechtsphilosophischen<br />

Denker der damaligen Zeit überhaupt<br />

nicht selbstverständlich war, in die<br />

Sozialdemokratische Partei Deutschlands<br />

ein, die sich damals noch als „Arbeiterpartei“<br />

verstanden hat. Radbruch wurde Sozialdemokrat,<br />

weil s<strong>eine</strong>r Auffassung nach<br />

diese Partei <strong>eine</strong> vernünftige, vorsichtige,<br />

verantwortungsvolle, nicht zur Unzeit revolutionäre<br />

und nicht zur Unzeit nationalistische<br />

Politik betrieb. S<strong>eine</strong> politische Arbeit<br />

sah er, angeregt von Max Webers Unterscheidung<br />

zwischen Gesinnungsethik und<br />

Verantwortungsethik, als Hingabe an <strong>eine</strong><br />

„nicht metaphysische Ethik der Welt“, die<br />

Totalitätsansprüche einschränken sollte,<br />

um konkrete Lebensmöglichkeiten <strong>für</strong> die<br />

Menschen zu ermöglichen und zu steigern.<br />

Anders als viele Juristen und Hochschullehrer<br />

insgesamt setzte sich Radbruch <strong>für</strong><br />

die demokratische Republik ein, wobei er<br />

von der Mehrheit der deutschen Juristen als<br />

„Nestbeschmutzer“ diskriminiert wurde.<br />

Dem im Januar 1922 gegründeten „Republikanischen<br />

Richterbund“ sah er sich verbunden,<br />

jenen Juristen, die – wie er – sofort<br />

nach der Machtergreifung der nationalsozialistischen<br />

Herren von ihren Lehrstühlen<br />

verjagt, jenen, die in Konzentrationslagern<br />

ermordet wurden. Radbruch setzte sich ein<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> umfassende „Republikanisierung<br />

und Demokratisierung“ und schuf in s<strong>eine</strong>r<br />

Amtszeit die Grundlagen <strong>für</strong> ein „soziales<br />

Recht“ als deutlicher Gegner der Todesstrafe.<br />

Mit diesem Recht wandte er sich der<br />

Arbeitswelt zu, betonte er die Notwendigkeit<br />

des Schutzes der Mieter und das Recht<br />

junger Menschen, nicht nach den Maßstäben<br />

des Erwachsenenstrafrechts verurteilt<br />

zu werden. Sehr interessiert war Radbruch<br />

an dem Bereich der Bildungs-, Schul- und<br />

28<br />

1/2010<br />

MAGAZIN<br />

<strong>Gustav</strong> <strong>Radbruchs</strong> <strong>Plädoyer</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> <strong>„Weltliche</strong> <strong>Schule“</strong><br />

<strong>Gustav</strong> Radbruch, der von 1878 bis 1949 lebte, war Reichsjustizminister in der Weimarer<br />

Republik und gilt als <strong>eine</strong>r der einflussreichsten Rechtsphilosophen des 20. Jahrhunderts.<br />

Daneben genoss er auch als Strafrechtler, Kriminalpolitiker, Strafrechtshistoriker, Biograph<br />

und Essayist international großes Ansehen. Auch über die Weltliche Schule machte er sich<br />

Gedanken, <strong>für</strong> die er in s<strong>eine</strong>r Zeit allerdings wenig Anerkennung fand.<br />

Hochschulpolitik, <strong>für</strong> <strong>eine</strong> „weltliche Gemeinschaftsschule“<br />

selber einstehend. Sein<br />

Denken war bestimmt von <strong>eine</strong>m anregenden<br />

und weitblickenden „philosophischen<br />

Werterelativismus“. Als Kultur-Sozialist sah<br />

er sehr klar, dass die politische Demokratie<br />

unvollkommen bliebe, folgte ihr nicht die<br />

soziale Demokratie, würde nicht die ökonomische<br />

Ungleichheit überwunden. In <strong>eine</strong>r<br />

Abhandlung in den „Jungsozialistischen<br />

Blättern“ des Jahres 1923 heißt es, die Demokratie<br />

sei nicht nur <strong>eine</strong> Übergangsform<br />

zum Sozialismus, sondern die wahrscheinliche<br />

politische Endform auch des „Sozialistischen<br />

Gemeinwesens“. Wie viel zu wenige<br />

Professoren bestand <strong>Gustav</strong> Radbruch darauf,<br />

dass die Freiheit des Geistes nicht antiquiert,<br />

sondern die unentbehrliche Grundlage<br />

jeder kulturellen Existenz sei.<br />

Bis heute wirken nach s<strong>eine</strong> Einsicht darin,<br />

dass es auch gesetzliches Unrecht geben<br />

kann und dass Jurist nur zu sein vermag, wer<br />

es mit schlechtem Gewissen ist. Die Einsicht<br />

in die Fragwürdigkeit jedes Rechts hat<br />

sein Leben begleitet.<br />

Soziale Einheitsschule<br />

Der Rechtsphilosoph <strong>Gustav</strong> Radbruch hat,<br />

bei eigener Vorliebe <strong>für</strong> <strong>eine</strong> weltliche Schule,<br />

die Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung<br />

zusammengefasst. Die Reichsverfassung<br />

führe die Einheitsschule ein;<br />

Kinder aller Bevölkerungsklassen und Religionsbekenntnisse<br />

sollten dieselbe Grundschule<br />

besuchen. Der Aufstieg aus dieser<br />

Grundschule in die mittleren und höheren<br />

Schulen sollte ohne Rücksicht auf die wirt-<br />

schaftliche und gesellschaftliche Stellung der<br />

Eltern ausschließlich aufgrund der besonderen<br />

Anlagen und Neigungen der Schüler<br />

erfolgen. Die gemeinsame Grundschule <strong>für</strong><br />

alle Bevölkerungsklassen (Radbruch nannte<br />

sie die soziale Einheitsschule, womit<br />

die Gegenwendung zu <strong>eine</strong>r erzwungenen<br />

Vereinheitlichung gemeint ist) sei in der<br />

Verfassung ohne Ausnahme durchgeführt,<br />

unterschieden von der gemeinsamen Schule<br />

<strong>für</strong> alle Religionsbekenntnisse (Radbruch<br />

nannte sie die konfessionelle Einheitsschule),<br />

die Ausnahmen zuließ. Das Ergebnis<br />

gegenseitigen Nachgebens der drei Mehrheitsparteien,<br />

den sogenannten Weimarer<br />

Schulkompromiss, umriss Radbruch so: <strong>für</strong><br />

die Simultanschule, die gemeinsame Schule<br />

mit getrenntem Religionsunterricht <strong>für</strong> alle<br />

Bekenntnisse, habe sich die Reichsverfassung<br />

grundsätzlich entschieden. Auf Antrag<br />

von Erziehungsberechtigten hin konnten<br />

nebeneinander errichtet werden Simultanschulen,<br />

evangelische, katholische, jüdische<br />

Bekenntnisschulen als besondere Schulen<br />

<strong>für</strong> die Kinder desselben Bekenntnisses mit<br />

Religionsunterricht nach Maßgabe des jeweiligen<br />

Bekenntnisses und weltliche Schulen<br />

als Schulen ohne Religionsunterricht,<br />

die offen seien <strong>für</strong> alle Kinder. Radbruch<br />

verstand mit der Reichsverfassung die weltliche<br />

Schule nicht als <strong>eine</strong> religionslose, sondern<br />

als <strong>eine</strong> bekenntnisfreie Schule.<br />

Diesseitsfrohe Religiosität<br />

Gegen den Zwang <strong>eine</strong>s kirchlichen Bekenntnisses<br />

gerichtet, sollte in der weltlichen<br />

Schule auch <strong>für</strong> die Behandlung der


Religion volle Lehrfreiheit bestehen. An die<br />

Stelle der Auferlegung <strong>eine</strong>r Verpflichtung<br />

zum Glauben sollte die Religionskunde treten.<br />

Die „diesseitsfrohe Religiosität“, <strong>für</strong> die<br />

Radbruch Sympathien hegte, betrachtete sie<br />

Religion in der Religionskunde als „gewaltig<br />

Geistesmacht“. Unsere Kultur sei ohne das<br />

Christentum überhaupt nicht verständlich.<br />

Den „christlichen Nährboden“ achtete Radbruch<br />

gerade mit der Begründung, dass er<br />

in der weltlichen Schule nicht die religiöse,<br />

wohl die soziale Erziehung als Mittelpunkt<br />

sah. Die weltliche Schule sollte im Gegenstand<br />

zu der Bekenntnisschule nicht zu<br />

Christen, sondern zu Staats-Bürgern, nicht<br />

<strong>für</strong> das Jenseits, sondern auf das Diesseits<br />

hin erziehen.<br />

Staatsbürgerlicher Unterricht<br />

Der staatsbürgerliche Unterricht sollte als<br />

beherrschendes „Erziehungsfach“ an die<br />

Stelle des Religionsunterrichts rücken. Die<br />

weltliche Schule sollte nicht mehr in erster<br />

Linie religiöse Erziehungszwecke verfolgen;<br />

vielmehr benannte die Weimarer<br />

Reichsverfassung als Ziele der schulischen<br />

Erziehung die sittliche Bildung, die Weckung<br />

der staatsbürgerlichen Gesinnung,<br />

persönliche und berufliche Tüchtigkeit im<br />

Geist des deutschen Volkstums und der<br />

Völkerversöhnung. Radbruch selbst erlegte<br />

der Grundschule die Weltfrömmigkeit<br />

(Goethe), <strong>eine</strong> „Religion der Diesseitsfreudigkeit“<br />

auf. In ihr geht es darum, als<br />

Teil des Ganzen in diesem Ganzen mit<br />

anderen Menschen brüderlich verbunden<br />

zu sein. Solidarität, Kameradschaft, Verbundensein<br />

in <strong>eine</strong>r gemeinsamen Arbeit,<br />

Fernstenliebe zeichnen die von Radbruch<br />

erhoffte Schule des Gemeinsinns aus. Zu<br />

den Zielen der schulischen Erziehung<br />

gehörten <strong>für</strong> ihn die „staatsbürgerliche<br />

Gesinnung“, die Durchdringung des Unterrichts<br />

mit staatsbürgerlichem Geist.<br />

Kameradschaftlichkeit, Gemeinsinn,<br />

Weltoffenheit, Diesseitsfreudigkeit durchdringen<br />

die weltliche Gemeinschaftsschule<br />

bis hin zur Völkerversöhnung zu <strong>eine</strong>r<br />

von Radbruch betonten „Internationale<br />

des Geistes“.<br />

In <strong>eine</strong>m Gesetzentwurf über die weltliche<br />

Schule wurde diese als Gemeinschaftsschule<br />

umrissen, nicht als <strong>eine</strong> dogmatisch<br />

gebundene Schule, sondern als die<br />

vom Geist der „Gemeinschaftsethik und<br />

Gemeinschaftskultur beseelte weltliche<br />

<strong>Schule“</strong>.<br />

Internationales Menschentum<br />

<strong>Gustav</strong> Radbruch hat die Kultur verstanden<br />

als übernationalen Menschheitswert.<br />

In <strong>eine</strong>m Vorlesungsmanuskript aus dem<br />

Sommersemester 1919 stellte er den<br />

Völkerbund als Arbeitsgemeinschaft im<br />

Dienste der Kultur dar; damals noch an der<br />

Universität Kiel, gab er s<strong>eine</strong> Hoffnung auf<br />

ein „internationales Menschentum“ Ausdruck,<br />

der Forderung nach <strong>eine</strong>m übernationalen<br />

Gemeinsinn, der sich in <strong>eine</strong>r<br />

internationalen Universität zeigen könne.<br />

Nach dem Sturz der nationalsozialistischen<br />

Herrschaft und nach dem Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges erneuerte Radbruch<br />

s<strong>eine</strong>n Ruf nach <strong>eine</strong>r übernationalen Gemeinschaftsgesinnung,<br />

die die Voraussetzung<br />

jeder wirksamen völkerrechtlichen<br />

Friedensarbeit sei. Sinn der übernationalen<br />

Kulturorganisationen sei es, die von<br />

Natur „totalitätsstrebigen Staaten“ an die<br />

Grenzen zu mahnen, die ihnen durch die<br />

Autonomie der Kultur gesetzt seien. Das<br />

grauenvolle Erlebnis dieses Krieges in s<strong>eine</strong>r<br />

Aufgipfelung bis zur Atombombe stelle<br />

die Menschheit vor die Alternative: Weltfrieden<br />

oder Weltuntergang.<br />

Kultur der Menschheit<br />

In s<strong>eine</strong>n letzten Lebensjahren noch hat<br />

Radbruch über <strong>eine</strong> humane Bildung<br />

nachgedacht, die den Menschen die Nährboden<br />

von Herzensfreundlichkeit und<br />

Menschenliebe werden sollte. Es sei die<br />

Idee der „Kultur der Menschheit“, die alle<br />

Menschen verbinde – ohne Rücksicht auf<br />

den Stand oder die Nation. <strong>Radbruchs</strong> Begriff<br />

der Humanität kreiste um Bildung,<br />

Menschenfreundlichkeit und Menschenwürde.<br />

Angeregt von Lessings Schriften,<br />

Herders Briefen zur Beförderung der Humanität,<br />

angesprochen von Kants Philosophie<br />

verlangte Radbruch die Achtung<br />

der Menschenwürde, die es gebiete, den<br />

Menschen als Selbstzweck zu behandeln,<br />

und verbiete, ihn zu <strong>eine</strong>m bloßen Mittel<br />

<strong>für</strong> fremde Zwecke herabzuwürdigen. Der<br />

Nationalsozialismus habe ein fortgesetztes<br />

Verbrechen gegen die Menschlichkeit in<br />

allen ihren drei Bedeutungen verübt: Er<br />

habe nicht nur tausendfältige Unmenschlichkeit<br />

im Sinne von Grausamkeiten und<br />

Entwürdigungen begangen, sondern z. B.<br />

mit dem Versuch der Ausrottung der polnischen<br />

Bildungsschicht, auch Humanitas<br />

im Sinn von Bildung bewusst zerstört. In<br />

s<strong>eine</strong>m Aufsatz „Zur Diskussion über die<br />

Verbrechen gegen die Menschlichkeit“<br />

deutete Radbruch diese Verbrechen in <strong>eine</strong>m<br />

dreifachen Sinn der Grausamkeit gegen<br />

menschliches Dasein, der Entehrung<br />

der Menschenwürde und der Zerstörung<br />

menschlicher Bildung. Das so zu verstehende<br />

Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />

fasste er als ein Verbrechen gegen die<br />

ganze Menschheit auf. Von da aus dachte<br />

Radbruch erneut über den Gedanken <strong>eine</strong>s<br />

gesetzlichen Unrechts und <strong>eine</strong>s übergesetzlichen<br />

Rechts nach, das sich <strong>für</strong> ihn in<br />

den Menschenrechten ausdrückte.<br />

Als Ziel öffentlicher Bildung, die Radbruch<br />

in s<strong>eine</strong>n universitären Veranstaltungen<br />

zu verbreiten wusste, umriss er, es<br />

komme <strong>für</strong> jeden Professor darauf an, in<br />

den Studierenden die Liebe zu den Ärmsten<br />

und Elendsten zu erwecken, das Gute in<br />

den Menschen zu mehren.<br />

Prof. Dr. Köpcke-Duttler ist Rechtsanwalt und<br />

Diplom-Pädagoge.<br />

1/2010 29


Ralf Bachmann<br />

n So geschah es in der Tat und wurde mit<br />

diesen beiden Transportmitteln <strong>eine</strong> wunderbare<br />

Tour des Abschiednehmens von<br />

den Golanhöhen bis zum Toten Meer. Sie<br />

führte uns zum Ölberg und zur Klagemauer,<br />

zur Gedenkstätte Yad Vashem auf dem<br />

Mount Herzl und zum alten Jaffa, an den<br />

See Genezareth und in das geschichtsträchtige<br />

Cäsarea. Wir fuhren durch die Wüste<br />

von Judäa zur Herodes-Zitadelle Massada,<br />

zu den Felshöhlen von Qumran und zur<br />

schon in der Bibel genannten Oase Ein<br />

Gedi.<br />

Familientreffen bei Bornsteins<br />

Vor allem aber besuchten wir Herbert<br />

Samter, m<strong>eine</strong>n 86-jährigen einzigen Cousin,<br />

und s<strong>eine</strong> große Familie in Haifa. Am<br />

Schabbatabend saßen drei Generationen der<br />

Familie Bornstein um <strong>eine</strong>n großen Tisch<br />

im Hause von Herberts Tochter Anat bei<br />

Speis und Trank zusammen und erzählten<br />

einander Mischpochenschmus. K<strong>eine</strong>r am<br />

Tisch hieß Bornstein wie unser Großvater,<br />

der Familiengründer. Die Namen zeugen<br />

davon, dass in unserer Familie schon zu<br />

Opas Zeiten Söhne Mangelware waren: Yahav,<br />

Orland, Samter, Bachmann. Aber das<br />

tat der Liebe zueinander ebenso wenig Abbruch<br />

wie der Gewissheit: Die Bornsteins<br />

haben in der Schoa Opfer bringen müssen,<br />

doch sie haben überlebt und werden weiter<br />

leben. Die Zahl der Urenkel wächst fast Jahr<br />

<strong>für</strong> Jahr.<br />

Herbert Samter ist in Reichenbach im<br />

Vogtland geboren und lebt seit 1936, als<br />

s<strong>eine</strong> Eltern zusammen mit ihm vor den<br />

Nazis aus Deutschland fliehen mussten, in<br />

der modernen Großstadt zwischen Karmelgebirge<br />

und östlichem Mittelmeer. In Haifa<br />

klingt es besonders exotisch, wenn der letzte<br />

überlebende Jude aus Reichenbach nach<br />

ein paar Sätzen hebräisch oder englisch zu<br />

sächseln beginnt. Das kann er gut, obwohl<br />

30<br />

1/2010<br />

MAGAZIN<br />

Das Miniaturenmuseum des<br />

Künstlers Moshe Samter<br />

Über <strong>eine</strong> ganz private Reise nach Israel<br />

Der Oktober 2009 bescherte mir überraschend noch einmal <strong>eine</strong>n Israel-Besuch, und<br />

zwar mit <strong>eine</strong>r Reise nicht alltäglicher Art. Mein Sohn Mario hatte die kühne und herzerwärmende<br />

Idee nach <strong>eine</strong>r beiläufigen Bemerkung, wie gern ich das Land wiedersehen<br />

würde, dem ich mich ein Leben lang verbunden fühlte. Eigentlich war das nicht ganz ernst<br />

gemeint, sondern mehr der träumerische Stoßseufzer <strong>eine</strong>s alten Mannes, der sich sogar<br />

beim Weg in den Supermarkt um die Ecke auf zwei Stöcke stützen muss. Aber Mario bot<br />

mir als vorweggenommenes Geschenk zum 80. Geburtstag an, mich zu begleiten und mir<br />

zu helfen. Man könnte <strong>für</strong> die längeren Strecken ein Auto mieten und <strong>für</strong> die kurzen bei <strong>eine</strong>r<br />

karitativen Organisation <strong>eine</strong>n Rollstuhl ausleihen.


er erst 13 Lenze zählte, als die Familie nach<br />

Palästina auswanderte.<br />

2003 ist <strong>für</strong> ihn ein Glücksjahr gewesen.<br />

Man überraschte ihn in s<strong>eine</strong>r Heimatstadt<br />

mit <strong>eine</strong>r Würdigung s<strong>eine</strong>s Lebenswerks<br />

als Hobbykünstler: Im weltberühmten Leo-<br />

Baeck-Erziehungszentrum wurde ein kl<strong>eine</strong>s<br />

Museum <strong>für</strong> s<strong>eine</strong> Schöpfungen eingerichtet.<br />

Das Zentrum, <strong>eine</strong> Einrichtung der<br />

Weltunion progressiver Juden, das 1938 als<br />

Kindergarten <strong>für</strong> deutsch-jüdische Kinder<br />

gegründet worden war, ist heute <strong>eine</strong>s der<br />

angesehensten universellen Bildungsinstitute<br />

Israels.<br />

Die Schatzkammer des Moshe Samter<br />

Das Museum hat natürlich <strong>eine</strong> Vorgeschichte.<br />

Nach <strong>eine</strong>m ausgefüllten Leben als<br />

Berufstätiger, lange Jahre in der Mercedes-<br />

Vertretung in Haifa, hatte Herbert, als er<br />

1968 in Pension ging, endlich Zeit <strong>für</strong> ein<br />

Steckenpferd gefunden, das k<strong>eine</strong>n wirklich<br />

treffenden Namen hat. Modellbastler? Miniaturengestalter?<br />

Das „Miniaturenmuseum<br />

des Künstlers Moshe Samter“ – wie es auf<br />

dem Schild am Eingang heißt – besteht aus<br />

Dutzenden thematisch gestalteten und nur<br />

puppenstubengroßen Modellen (30 x 20 x<br />

15 cm ist die Norm) unterschiedlichster Art.<br />

„Früchte brillanter Imagination und goldener<br />

Hände“ nannte Israels größte englischsprachige<br />

Tageszeitung „Jerusalem Post“ vor<br />

der Museumseröffnung die „Schatzkammer“<br />

des „Modelmakers“ Moshe Samter,<br />

<strong>eine</strong>s „begnadeten Kunsthandwerkers“, der<br />

statt Gold und Diamanten Materialien benutzt,<br />

die andere geringschätzen oder weg-<br />

werfen. (Moshe nennt man ihn in Israel,<br />

weil man mit dem deutschen Herbert wenig<br />

anzufangen wusste.)<br />

Nun sah ich dieses Museum endlich<br />

mit eigenen Augen. Der moderne Gebäudekomplex<br />

des Leo-Baeck-Zentrums ist an<br />

den westlichen Hängen des Karmel gelegen.<br />

Aus den Fenstern der oberen Etagen bietet<br />

sich ein zauberhaftes Bild von der Stadt und<br />

dem Meer. Unser Blick aber wurde von <strong>eine</strong>r<br />

anderen Welt gefesselt, von „Moshe Samters<br />

Great World of Miniatures“, um den Titel<br />

des von Herbert und Anat geschaffenen farbenfrohen<br />

Ausstellungskatalogs zu zitieren.<br />

Der größte Teil der weit über 150 zwischen<br />

1986 und 2008 entstandenen Modelle hat<br />

in <strong>eine</strong>m großen hellen Saal oberhalb der<br />

vielbenutzten Bibliothek der Bildungseinrichtung<br />

Platz gefunden. Manche kannte<br />

ich von Fotos und Besuchen, als s<strong>eine</strong><br />

Wohnung noch von ihnen überquoll. Aber<br />

erst hier kommt ihre Einzigartigkeit voll zur<br />

Geltung. Herbert hat seither auch immer<br />

neue Einfälle gehabt und sie umgehend verwirklicht.<br />

Davon zeugt neuerdings ein ganzer<br />

Mini-Rummelplatz mit bunten Lichterketten<br />

und per Knopfdruck in Bewegung<br />

zu setzenden Karussells und Schaukeln.<br />

Die Thematik reicht vom Modell der<br />

Knesset bis zur historischen Apotheke, von<br />

der Bildergalerie bis zur Buchbinderwerkstatt,<br />

vom Konzertsaal mit Orchester bis<br />

zum modernen Frisörsalon, von Außerirdischen<br />

im Raumschiff bis zum Restaurant<br />

mit Theke, vom altehrwürdigen Rechtsanwaltbüro<br />

mit Stehpult bis zum Himmelbett<br />

im Schlafzimmer. Alles ist bis in die kleinste<br />

Einzelheit originalgetreu aus Tausenden<br />

winzigen Einzelteilen – von Steinchen und<br />

Hölzchen bis zu Tapetenstücken und Briefmarken<br />

– gestaltet.<br />

Blick auf das scheinbar Überflüssige<br />

Direktor Dan Fessler hatte bei der Eröffnungsfeier<br />

daran erinnert, dass Leo Baeck<br />

und unser Großvater Max Bornstein im<br />

19. Jahrhundert im gleichen Ort, der heute<br />

polnischen Stadt Lissa, geboren und aufgewachsen<br />

sind. Das historische Schicksal<br />

fügte es, dass sich ihre Lebenslinien unter<br />

dem Dach des Instituts im Zeichen humanistischer<br />

Bildung und humanistischer<br />

Kunst wieder begegnen. Herbert sprach<br />

von <strong>eine</strong>m Glücksumstand <strong>für</strong> sich. Einen<br />

besseren Platz als diese Lehrstätte <strong>für</strong> alle<br />

Generationen habe es nicht geben können.<br />

Sein Werk demonstriere <strong>eine</strong> sinnvolle<br />

Freizeitbeschäftigung <strong>für</strong> Senioren und<br />

wolle den Blick auf die Umwelt weiten,<br />

selbst auf das scheinbar Nutzlose und Verbrauchte.<br />

Aber sein Ziel sei darüber hinaus,<br />

mit nicht alltäglichen Mitteln Objekte<br />

von kulturellem und erzieherischem Wert<br />

gerade <strong>für</strong> die jüngere Generation entstehen<br />

zu lassen.<br />

Dazu trägt auch die historische Exaktheit<br />

und die penible Detailtreue bei, die s<strong>eine</strong><br />

Arbeiten auszeichnet. Im Putzmachersalon<br />

hängen eben nicht nur fingernagelgroße Damen-<br />

und Herrenhüte, sondern sie haben<br />

auch farbige Bänder, Knöpfe und Schleier<br />

von Messerrückenbreite bis Stecknadelkopfformat.<br />

Auf den Stühlen liegen abnehmbare<br />

Kissen, die spinnwebenf<strong>eine</strong> Muster tragen.<br />

Auf dem Klavier im Musikzimmer steht ein<br />

Notenblatt – die kl<strong>eine</strong> Melodie darauf lässt<br />

sich wirklich spielen. Im Blauen Salon liegen<br />

Spielkarten auf dem Tisch, die unter<br />

<strong>eine</strong>n Kirschkern passen. Das Damenzimmereckchen<br />

besteht aus <strong>eine</strong>r vierteiligen<br />

spanischen Wand, <strong>eine</strong>m Hocker, <strong>eine</strong>m<br />

Schreibtisch mit grüner Schreibunterlage,<br />

<strong>eine</strong>m Aufsatz mit <strong>eine</strong>m Leuchter und<br />

zwei ovalen Bilderrahmen. Die Bilder sind<br />

schon fast mikroskopisch klein, aber immer<br />

noch gut als Porträts von Franz Liszt und<br />

Clara Schumann erkennbar. Ein mehrfach<br />

unterteilter Miniraum enthält <strong>eine</strong> ganze<br />

Gemäldegalerie, in <strong>eine</strong>m anderen agiert<br />

ein 18-köpfiger Männerchor aus Draht.<br />

Was man <strong>für</strong> dieses Hobby braucht, ist<br />

außer Phantasie und Fingerfertigkeit auch<br />

erstklassiges Feinmechanikerwerkzeug und<br />

grenzenlose Sammelwut. Denn als „Roh-<br />

1/2010 31


stoff“ dient alles, was klein, halt- und modellierbar<br />

ist: Leder, Filz, Strohhalme, Äste,<br />

Büroklammern, Pappstückchen, Stoffreste,<br />

Garnfäden, bronzierte Nussschalen und<br />

Furnierabfälle.<br />

Ein eigener Keller im Seniorenheim<br />

So lange Herbert alle Jahre Europa besuchte,<br />

ließ er k<strong>eine</strong>n Flohmarkt aus, ob<br />

in Paris, London, Berlin oder Kyritz an<br />

der Knatter. Aber auch von jedem Waldoder<br />

Strandspaziergang in Haifa bringt er<br />

„Beute“ mit. Die gesammelten Muscheln,<br />

Blätter, Blüten, Kiefernnadeln, Kerne und<br />

Sämereien werden getrocknet, bepinselt,<br />

geklebt, gefeilt, gebohrt, geschnitten, mit<br />

Drähten verbunden, genäht. In s<strong>eine</strong>m Seniorenheim<br />

hat er <strong>eine</strong>n eigenen Keller als<br />

Werkstatt. Liliputaner-Werkzeuge von der<br />

Bohrmaschine bis zum Lötkolben helfen.<br />

Eine Wand füllt das Rohmateriallager, in<br />

dem peinlichste Ordnung herrschen muss,<br />

damit die Miniperlen <strong>für</strong> die Augen des<br />

Zwei-Zentimeter-Kutschers und des Drei-<br />

Zentimeter-Pferdes mit <strong>eine</strong>m Handgriff<br />

gefunden werden.<br />

Zwei von Herberts Werken stehen trotz<br />

der Transportprobleme in Deutschland. Für<br />

die Stadtapotheke Reichenbach, die heute<br />

das Erdgeschoss s<strong>eine</strong>s Geburtshauses einnimmt,<br />

baute er <strong>eine</strong> Apotheke aus dem<br />

vorletzten Jahrhundert. Allein der Fußboden<br />

besteht aus 840 Teilen. Die „Jerusalem<br />

Post“ schwärmte von <strong>eine</strong>r antiken Synago-<br />

32<br />

1/2010<br />

ge, die er nachempfunden hat. Ein Foto davon<br />

ist der krönende Abschluss der Reportage<br />

der Zeitung. Die ganze Synagoge konnte<br />

er nicht von Israel nach Europa schleppen.<br />

Aber er machte <strong>eine</strong> Miniatur von der Miniatur,<br />

die er als Gruß an die Berliner Juden<br />

dem Jüdischen Kulturverein schenkte.<br />

Als ein Reporter des Blattes unlängst das<br />

Miniaturenmuseum erneut besuchte, fiel<br />

ihm auf: „Im Laufe der Jahre hat Samter<br />

s<strong>eine</strong>n Stil verändert und die Details perfektioniert,<br />

so die Parkettfußböden, das<br />

Material, das er <strong>für</strong> die Fenster verwendet,<br />

die reich verzierten Spiegelrahmen, die<br />

Ausstattung der Räume. S<strong>eine</strong> kunsthandwerkliche<br />

Meisterschaft wird daran sichtbar,<br />

wie er bei der Gestaltung der Modelle <strong>eine</strong>s<br />

Großen Orchesters, <strong>eine</strong>s Schachraums, <strong>eine</strong>s<br />

Künstlerstudios experimentiert und dabei<br />

stets die Gewissheit vermittelt, dass jede<br />

Einzelheit der Werke authentisch ist.“<br />

Nostalgische Kindheitserinnerung an<br />

Deutschland<br />

„Das ist alles ein immerwährender Prozess“,<br />

kommentiert Herbert die Feststellung der<br />

Zeitung, während er liebevoll in <strong>eine</strong>m<br />

Schaukasten Figuren ordnet, die sich ein<br />

wenig verschoben hatten. „Man steht bestimmt<br />

nicht <strong>eine</strong>s Morgens auf und fängt<br />

an, Miniaturen zu bauen. Die Anfänge lagen<br />

in m<strong>eine</strong>r frühen Kindheit, als ich Interesse<br />

und ein gewisses Talent <strong>für</strong> alle Art<br />

handwerklicher Arbeit entwickelte. M<strong>eine</strong><br />

Eltern unterstützten das in jeder Weise, und<br />

ich habe diese Neigung mein ganzes Leben<br />

lang bewahrt.“<br />

Die Miniaturenmacherei begann mit <strong>eine</strong>m<br />

ausrangierten Schilfrohrvorhang. „Da<br />

ich stets <strong>eine</strong> Abneigung dagegen hatte, etwas<br />

wegzuwerfen, überlegte ich mir, dass<br />

man aus diesem Material vielleicht etwas<br />

Nützliches machen könnte, wenn man es<br />

auseinandernimmt und reinigt“, erinnert<br />

er sich. „So konstruierte ich zunächst <strong>eine</strong>n<br />

kl<strong>eine</strong>n Schalensessel. Es folgte ein Tisch<br />

und dann ein ganzes Zimmer.“ Im Laufe<br />

der Zeit entstand Miniatur um Miniatur.<br />

„Ich ließ mich von Buchillustrationen und<br />

Fotos inspirieren und gab m<strong>eine</strong>r eigenen<br />

Phantasie Raum. Ich rekonstruierte, was<br />

mir an nostalgischen Kindheitserinnerungen<br />

aus Deutschland geblieben ist. Und<br />

manchmal gab mir ein kl<strong>eine</strong>s Einzelstück<br />

die Idee <strong>für</strong> ein ganzes Modell.“ Allmählich<br />

wurde so aus dem einstigen Büroangestellten<br />

ein Künstler, der Bewundernswertes<br />

schuf und Bewunderung fand.<br />

Das bestätigen auch Eintragungen im<br />

Gästebuch. Rührend ist die „Ein wunderbarer<br />

Opa von mir“ überschriebene Eintragung<br />

von Herberts Enkelin Efrat, die fleißig<br />

Deutsch gelernt hat: „Ich habe mich viel<br />

vergnügt – besonders wenn ich die Gesichter<br />

anderer Leute gesehen habe, als sie so<br />

überrascht waren. Ich bin sehr glücklich,<br />

dass sich endlich alle an D<strong>eine</strong>n Arbeiten erfreuen<br />

können. Ich liebe Dich, mein Opa!“


angesehen<br />

Gernoth Schmidt<br />

Avatar – Aufbruch nach Pandora<br />

n Nur gute Filme lassen den Zuschauer mit<br />

offenen Augen träumen, neugierig in Welten<br />

gleiten, die eigenem Erleben versagt sind. Selten<br />

hat es sich so gelohnt, hinzusehen wie in<br />

AVATAR. Szenerien und Effekte – insbesondere<br />

wenn man den Film in 3D-Präsentation<br />

erlebt – als spektakulär zu bezeichnen, ist<br />

<strong>eine</strong> dezente Untertreibung. AVATAR ist ein<br />

Quantensprung, weil man vielleicht nicht<br />

weniger sieht als die Zukunft des Kinos.<br />

Mitten im 22. Jahrhundert. Als sich<br />

nach vielen Jahren Weltraumfahrt ihre<br />

Schlafkapseln öffnen, haben die Insassen<br />

des Raumschiffs ihr Ziel erreicht, Pandora,<br />

<strong>eine</strong>n erdähnlichen Mond mit – <strong>für</strong> Menschen<br />

– giftiger Atmosphäre. Dort fördert<br />

ein Großkonzern das Mineral Unobtanium,<br />

das die Energieprobleme der ausgeplünderten<br />

Erde lösen könnte. Einer der<br />

Neuankömmlinge ist Jake Sully, ein nach<br />

<strong>eine</strong>r Kriegsverletzung querschnittsgelähmter<br />

Ex-Marine, der – als genetischer Zwilling<br />

– s<strong>eine</strong>n verstorbenen Bruder in dem<br />

Forschungsprogramm „Avatar“ ersetzt. Die<br />

Mitglieder dieses Teams haben den Auftrag,<br />

Kontakt mit den humanoiden Ureinwohnern<br />

Pandoras, den blauglänzenden, zipfelohrigen<br />

Na´vi, aufzunehmen. Um in der<br />

fremden Umwelt überleben zu können,<br />

werden sie zeitweise zu Hybridwesen in<br />

Na´vi-Gestalt, deren Körper sie durch ihr<br />

Bewusstsein fernsteuern.<br />

Jake, geködert mit der Aussicht auf die<br />

teure Behandlung s<strong>eine</strong>r Behinderung,<br />

übernimmt dabei Spitzeldienste <strong>für</strong> das<br />

Militär, liefert wertvolle logistische Informationen<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> mögliche kämpferische<br />

Auseinandersetzung und soll bei den Na´vi<br />

Verhandlungen über den Abbau der Rohstoffe<br />

vorbereiten. Doch die Begegnung<br />

mit der Na´vi-Amazone Neytiri, die ihm<br />

eher widerwillig das Leben rettet, dann<br />

aber, überzeugt von s<strong>eine</strong>r r<strong>eine</strong>n Seele,<br />

s<strong>eine</strong> Lehrerin und Geliebte wird, ändert<br />

alles. Nach vielen Prüfungen, Zweifeln und<br />

Rückschlägen lernt Jake die fremde Lebensweise<br />

zu schätzen und wird im Stamm<br />

als Krieger aufgenommen. S<strong>eine</strong> Versuche<br />

und die der Wissenschaftler, in dem Interessenkonflikt<br />

zu vermitteln, scheitern. Die<br />

drohende Zerstörung Pandoras und s<strong>eine</strong>r<br />

Kulturen wird von den Invasoren als<br />

Kollateralschaden in Kauf genommen. Als<br />

das Militär aufmarschiert, um ein blutiges<br />

Exempel zu statuieren – die Sprengung der<br />

Na´vi-Gottheit, des „Baumes der Seelen“,<br />

wird Jake die vereinigten Stämme Pandoras<br />

in die Schlacht führen, in der es <strong>für</strong> sie um<br />

alles geht, um Freiheit, Würde, Leben, um<br />

die Zukunft ihrer Welt.<br />

Wer sich an „Der mit dem Wolf tanzt“<br />

oder auch DEFA-Indianerfilme erinnert<br />

fühlt, die Handlung <strong>für</strong> naiv und die Moral<br />

<strong>für</strong> schlicht hält, liegt sicher richtig. Es ist<br />

schon paradox, <strong>eine</strong> in buntesten Farben<br />

und bizarrsten Formen designte Dschungelnatur<br />

zu preisen, die ganz und gar künstlich<br />

ist. Und doch ist dieser teuerste Film aller<br />

Zeiten gerade dadurch den Wurzeln s<strong>eine</strong>s<br />

Mediums treu geblieben. Was als Jahrmarktsvergnügen<br />

begann, muss sich s<strong>eine</strong>r<br />

Effekte nicht schämen. AVATAR bietet <strong>eine</strong><br />

grandiose Show, aber protzt nicht. Besessen<br />

bis ins Detail, überreich an Phantasie<br />

hat Regisseur James Cameron <strong>eine</strong> magische<br />

Wunderwelt erschaffen, in der Berge<br />

schweben, Lianen vom Himmel hängen<br />

und sich allerlei prähistorisch anmutendes<br />

Getier – vom Flugdrachen bis zu sechsbeinigen<br />

Rössern – durch <strong>eine</strong> fluoreszierende<br />

grünlilaorangetürkisfarbene Fauna mit<br />

dreihundert Meter hohen Bäumen bewegt,<br />

deren Blätterdächer schützende Gewölbe<br />

aus zehntausenden Zweigen bilden. Das ist<br />

atemberaubend und voller Charme, in den<br />

ruhigen Momenten und auch, wenn uns die<br />

Kamera (eigentlich der Computer) durch<br />

Baumkronen jagt und in tiefe Schluchten<br />

stürzt. Man vergisst die 3D-Brille auf der<br />

Nase, fühlt sich selbst als Na´vi-Avatar, als<br />

blaues Wunder.<br />

Das ist mehr als bloße Spielerei. Die<br />

ferne Welt trägt nicht zufällig den Namen<br />

Pandora. Sie war in der griechischen Mythologie<br />

die erste Frau, ein von der Götterwelt<br />

mit allen Begabungen ausgestattetes<br />

künstlich (!) geschaffenes Geschöpf. Durch<br />

ihre Verführungskraft nahmen die Götter<br />

Rache <strong>für</strong> den Feuerraub des Prometheus<br />

und schütteten alle Plagen in die Welt: Arbeit,<br />

Krankheit, Tod. Mit Pandora begann<br />

die Vertreibung aus dem Paradies.<br />

Was wie Weltflucht scheint, ist zutiefst<br />

wirklich. Wir sehen vor der Kulisse <strong>eine</strong>r<br />

fremden Welt das Elend unserer eigenen<br />

nur umso deutlicher. Der Konflikt zwischen<br />

<strong>eine</strong>r spirituellen Urgemeinschaft<br />

und imperialistischen Raubrittern ist nicht<br />

simpel, sondern aufs Exemplarische zugespitzt.<br />

Die Kritik am Raubbau an der Natur<br />

und am real existierenden Kapitalismus<br />

mag plakativ sein, aber sie ist wahr und<br />

wertvoll, gerade dann, wenn sie von Millionen<br />

verstanden wird. Pandora ist überall.<br />

US-Kritiker haben das begriffen, wenn sie<br />

beklagen, der Film fördere „<strong>eine</strong>n tiefen<br />

Antiamerikanismus, weil er die Zuschauer<br />

die Niederlage amerikanischer Soldaten<br />

herbeisehnen lasse“. Urheber des Terrors<br />

sind Investoren, die sich – vom Militär<br />

unterstützt - mit dem Recht des Stärkeren<br />

1/2010 33


nehmen, was sie wollen, am liebsten im<br />

Tausch gegen Glasperlen. Wissenschaftler<br />

haben in diesem Kontext, ob sie wollen<br />

oder nicht, die Rolle als Erfüllungsgehilfen.<br />

Dass die Politik sich zunehmend als Akteur<br />

verabschiedet und ein Handlungsfeld nach<br />

dem anderen privaten Interessen überlässt,<br />

überrascht nicht. Es regiert das Motto, der<br />

Markt wird’s schon richten. Dass Hollywood<br />

dies so deutlich formuliert, verdient<br />

Anerkennung.<br />

Weil es, wie immer in der Science Fiction,<br />

um Menschen geht, sind auch die<br />

Na´vi, die Alphatiere Pandoras, uns äußerlich<br />

entfernt ähnlich. Anders würde<br />

die Parabel kaum funktionieren. Identifikationsbereitschaft<br />

setzt ein gewisses<br />

Maß an Vertrautheit voraus. Die Na´vi<br />

entsprechen dem Typus des edlen Wilden,<br />

beneidenswert grazile Wesen, anmutig und<br />

stark, Wesen, zu denen man schon wegen<br />

ihres Hochwuchses aufblicken muss. Sie<br />

verweigern sich <strong>eine</strong>m Fortschritt, der Unterwerfung<br />

bedingt. Sie sind technologisch<br />

rückständig und werden von Technokraten<br />

als Ungeziefer bezeichnet. Aber sie wissen,<br />

was wir erst wieder lernen müssen, dass alle<br />

Energie innerhalb <strong>eine</strong>s stabilen energetischen<br />

Netzwerks nur geborgt ist.<br />

Manches in diesem Ökodrama wirkt befremdlich,<br />

als sei es inspiriert vom New Age<br />

im LSD-Rausch entstanden, als könnten jubilierende<br />

Chöre <strong>eine</strong> tödliche Bedrohung<br />

wegschwingen. Doch gerade die Konsequenz,<br />

mit der solch mystische Rituale zelebriert<br />

werden, gibt AVATAR Glaubwürdigkeit.<br />

Ich liebe diesen Film – trotz der Musik,<br />

die etwas hilflos verschiedene exotische, aber<br />

eben irdische Ethno-Einflüsse mischt -, die<br />

Geschichte <strong>eine</strong>s träumenden Kriegers, der<br />

zum Verräter an der Menschheit wird, weil<br />

er menschlich handelt. Ist die Romanze zwischen<br />

Jake und Neytiri nicht die schönste<br />

seit langem? Konnte man sich vorher vorstellen,<br />

sich in <strong>eine</strong> über drei Meter große<br />

Frau zu verlieben? Für Pazifisten ist der Film<br />

sicherlich <strong>eine</strong> Zumutung, macht er doch<br />

deutlich, dass es gerechte Kriege gibt.<br />

Dem Vatikan hat der Film auch nicht<br />

gefallen. Der „Osservatore Romano“ beklagt<br />

darin „zu viel antichristlichen Pantheismus“.<br />

Für mich ist auch das ein Lob.<br />

Bleibt die Frage, wie lange die Übertragung<br />

von Identitäten noch Science Fiction bleibt.<br />

Andererseits: War nicht jeder Schauspieler<br />

immer schon ein Avatar, wenn er s<strong>eine</strong> Rolle<br />

ausfüllt?<br />

34<br />

1/2010<br />

Grippaler Infekt<br />

Stuttgart – Aus <strong>eine</strong>r Krippenausstellung<br />

mit rund 250 Exponaten<br />

aus aller Welt im Neuen Kloster<br />

Bad Schussenried musste das Werk<br />

<strong>eine</strong>r Münchener Künstlerin entfernt<br />

werden. Auf <strong>eine</strong>r Gipshand<br />

gruppierte sich die heilige Familie<br />

– in Schw<strong>eine</strong>gestalt. Der Werktitel:<br />

„Schw<strong>eine</strong>(g)krippe“. Dem<br />

Begleittext konnte der Besucher<br />

entnehmen, dass es sich um <strong>eine</strong><br />

„sarkastisch ironische Persiflage auf<br />

die beinahe biblisch hochstilisierte<br />

Rolle der Schw<strong>eine</strong>grippe als Seuche<br />

der Menschheit und der Impfung<br />

als Errettung aus dem Verderben“<br />

handelt. Nach dem Besuch<br />

der Ausstellung durch Anhänger<br />

der erzkonservativen Piusbruderschaft<br />

brach <strong>eine</strong> wütende Öffentlichkeitskampagne<br />

los. Unzählige<br />

Proteste erreichten den Hausher- ren, die Staatlichen Schlösser und<br />

Gärten Baden-Württemberg und<br />

die private Sammlerin, die vor den<br />

Drohungen inzwischen kapitulierte<br />

und die Miniatur entfernte.<br />

Fundstück<br />

Der Philosoph Robert Spaemann im<br />

Interview mit Paul Badde / DIE WELT<br />

vom 12. Dezember 2009, 04:00 Uhr<br />

„Lieber Muslim als Atheist“<br />

DIE WELT: Sie haben kürzlich einmal<br />

gesagt, Ihnen wäre es lieber, Ihr Sohn<br />

würde Muslim als Atheist? Ist das Ihr<br />

Ernst?<br />

Spaemann: Natürlich. Denn ein Muslim<br />

glaubt an Gott, was immer er darunter<br />

versteht. Er hat ein sehr beschränktes<br />

Gottesbild. Aber er glaubt immerhin an<br />

den Schöpfer des Himmels und der<br />

Erde, der am Ende das Gute belohnt<br />

und das Böse bestraft. Er glaubt an ein<br />

ewiges Leben. Er glaubt sogar an die<br />

jungfräuliche Geburt von Jesus. Das ist<br />

mir schon lieber als der Glaube <strong>eine</strong>s<br />

Atheisten.<br />

DIE WELT: Und wenn Ihr Sohn <strong>eine</strong><br />

Muslima heiraten würde? Wäre Ihnen<br />

diese Schwiegertochter auch lieber als<br />

<strong>eine</strong> Atheistin?<br />

Spaemann: Ja, doch passen Sie auf.<br />

Eine muslimische Schwiegertochter<br />

vielleicht ja. Aber ein muslimischer<br />

Schwiegersohn, das wäre mir allerdings<br />

gar nicht lieb.<br />

DIE WELT: Warum nicht?<br />

Spaemann: Weil m<strong>eine</strong> Tochter dann<br />

nichts zu lachen hätte. (...)<br />

kReuZ &<br />

Vernebelt<br />

Sigmaringen – Übereifrige Sternsinger<br />

haben im Rathaus von Herbertingen<br />

<strong>eine</strong>n Feuerwehreinsatz<br />

ausgelöst. Einer der Sänger nebelte<br />

mit s<strong>eine</strong>m Weihrauchfass die<br />

Amtsstuben so intensiv ein, dass<br />

die Brandmeldeanlage auslöst wurde.<br />

Die herbeigeeilten Einsatzkräfte<br />

konnten, nachdem die Ursache<br />

geklärt war, wieder abrücken. Auf<br />

die sonst üblichen Gebühren <strong>für</strong><br />

Fehlalarme wurde verzichtet.<br />

Wer, Wii, was ?<br />

Boston – Der Spielehersteller<br />

„Prayer Works Interactive“ entwickelt<br />

ein Kirchen- und Gebetsspiel<br />

<strong>für</strong> Nintendos Wii, das zu Ostern<br />

2010 den Markt erobern soll. Ganze<br />

Familien müssen nun nicht mehr<br />

auf den Sonntag warten, um den<br />

Herrn zu preisen, sondern können<br />

an der heimischen Spielkonsole<br />

<strong>eine</strong>n Gottesdienst nach eigenen<br />

Vorlieben gestalten. Wie bei den<br />

anderen Nintendo-Spielen kann<br />

man sich Bonuspunkte erspielen,<br />

hier <strong>für</strong> besonders eifriges Weihrauchschwenken<br />

oder Bekreuzigen.<br />

Ausgeliefert wird das Spiel mit <strong>eine</strong>r<br />

speziellen Wii-Fernbedienung<br />

im Kreuz-Design, die Handgelenksschlaufe<br />

wurde durch <strong>eine</strong>n<br />

schwarzen Rosenkranz ersetzt. Außerdem<br />

mit im Paket: Eine Gebets-


QueR lang<br />

bank <strong>für</strong> das Wii Balance Board.<br />

Diese Accessoires werden benötigt,<br />

um die insgesamt 24 Minispiele zu<br />

absolvieren.<br />

Aber Achtung: Dass es sich dabei<br />

um <strong>eine</strong> Falschmeldung handelt,<br />

merkt man spätestens, wenn man<br />

über die Firma Prayer Works Interactive<br />

recherchiert. Diese gibt es<br />

nicht. Aber die Täuschung durch<br />

offiziell anmutende Pressemitteilungen<br />

ist nahezu perfekt.<br />

Verhört<br />

Istanbul – Der technische Fortschritt<br />

macht auch vor den Minaretten<br />

nicht halt. Statt echter Muezzine<br />

rufen inzwischen Lautsprecheranlagen<br />

zum Gebet.<br />

In der nordosttürkischen Stadt Rize<br />

sorgte der zentralisierte Gebetsruf<br />

zum Jahresanfang <strong>für</strong> Aufregung.<br />

Laut CNN-Türk waren Hacker<br />

in das System <strong>für</strong> den zentralen<br />

Gebetsruf der Schwarzmeer-Stadt<br />

eingedrungen, der über Radiofrequenz<br />

verbreitet wird. Statt des<br />

gewohnten frommen Rufes „Allah<br />

ist der Größte, auf zum Gebet, auf<br />

zum Heil“ erklang von allen 170<br />

Minaretten der Stadt drei Minuten<br />

Schlagermusik des Sängers<br />

Zeki Müren. Mufti Ilyas Serenli<br />

sprach von „unschönen Klängen“.<br />

Das mag auch in der Wahl des<br />

Interpreten begründet liegen. Der<br />

1996 verstorbene Müren trat gerne<br />

in glitzernden Paillettenkostümen<br />

auf, was ihm den Beinamen „türkischer<br />

Elvis“ eintrug. Er bekannte<br />

sich offen zu s<strong>eine</strong>r Bisexualität<br />

und lebte lange mit <strong>eine</strong>m Mann<br />

zusammen.<br />

Kròl Jesus<br />

Vilnius – Zdzislav Peric, Bürgermeister<br />

der ethnisch mehrheitlich<br />

polnischen Kleinstadt Salcininkai<br />

zeigt sich gegenüber Medien stolz<br />

auf die s<strong>eine</strong>r Meinung nach offenbar<br />

epochale Leistung der Kleinstadt.<br />

Dort hat der Stadtrat Jesus<br />

zum König ernannt. Einstimmig.<br />

Möglichen Andersdenkenden wurde<br />

mitgeteilt, der Schritt tue niemandem<br />

weh und könne den Tourismus<br />

ankurbeln. Im Gegenzug<br />

erwarte man von den Einwohnern<br />

die Einhaltung der Zehn Gebote.<br />

Unklar ist allerdings die Vereinbarkeit<br />

dieses Schrittes mit der litauischen<br />

Verfassung. Diese sieht trotz<br />

nationalistischer und klerikalistischer<br />

Anwandlungen seit der Unabhängigkeit<br />

<strong>eine</strong> republikanische<br />

Staatsform vor.<br />

Intelligenztest<br />

London – Welche Wirkung das<br />

von islamischen Frauen getragene<br />

Kopftuch hat, prüften Psychologen<br />

der Londoner University of Westminster.<br />

Die Frage war, wie Männer<br />

– und zwar muslimische wie nichtmuslimische<br />

– verhüllte und unverhüllte<br />

Frauen wahrnehmen. In<br />

<strong>eine</strong>m Experiment mussten männliche<br />

Probanden Fotos betrachten,<br />

auf denen dieselben Frauen mit<br />

und ohne Hijab zu sehen waren.<br />

Dann sollten sie diese beurteilen:<br />

Unabhängig von der Religion fanden<br />

die Männer unverhüllte Frauen<br />

attraktiver und schätzten sie auch<br />

als intelligenter ein. Interessant<br />

am Rande: Muslimische Männer<br />

gaben Frauen generell niedrigere<br />

Intelligenznoten.<br />

Frohsinn<br />

Brüssel – Frohe statt gesegnete<br />

Weihnachten: Auf belgischen<br />

Grußkarten zog sich Weihnachten<br />

2009 das Religiöse zurück. Der tra-<br />

ditionelle Weihnachtswunsch Zalig<br />

Kerstfeest (gesegnete Weihnachten)<br />

war kaum noch zu finden. Stattdessen<br />

wurden Karten vorwiegend mit<br />

Prettig Kerstfeest (Frohe Weihnachten)<br />

gedruckt. Die Kartenverlage<br />

folgen damit dem Trend, dass sich<br />

Weihnachten vom religiösen zum<br />

geselligen Familienfest entwickelt.<br />

Auf den Hund gekommen<br />

München – Kurz vor Jahresende<br />

segnete Papstbruder Georg Ratzinger<br />

den Bernhardiner Otto in der<br />

Der Diesseits -Gedanke<br />

Alten Kapelle zu Regensburg. Der<br />

Domkapellmeister empfing Otto<br />

als Vertreter der Hospiz-Bernhardiner,<br />

die seit Jahrhunderten in Not<br />

geratene Menschen aus Schnee und<br />

Lawinen retten.<br />

Er freue sich, den Segen Gottes <strong>für</strong><br />

Hund Otto zu erbitten, damit er<br />

„den Menschen weiterhin helfe und<br />

ihnen Freude mache“, sagte Ratzinger.<br />

Bei Otto ist letzteres wohl<br />

wahrscheinlicher, denn er ist zwar<br />

Botschafter der Hospiz-Bernhardiner,<br />

wird aber nicht als Rettungshund<br />

eingesetzt. Stattdessen wird<br />

er in Freising von Tiertrainern zum<br />

Filmhund ausgebildet. Der einjährige<br />

Hund mit dem <strong>für</strong> die Hospiz-<br />

Bernhardiner typischen Fässchen<br />

um den Hals zeigte sich gänzlich<br />

unbeeindruckt vom Segnungsrummel.<br />

Geduldig ließ er sich von allen<br />

Seiten fotografieren – ab und an belohnt<br />

mit <strong>eine</strong>m Leckerli von s<strong>eine</strong>r<br />

Trainerin. Selbst als er schließlich<br />

mit Weihwasser bespritzt wurde,<br />

ließ ihn das kalt.<br />

Mach dir d<strong>eine</strong> eigenen Götter und unterlasse es,<br />

dich mit <strong>eine</strong>r schnöden Religion zu beflecken.<br />

Epikur, griechischer Philosoph 341-270 v.u.Z.<br />

1/2010 35


Mythos Zen<br />

Menschen in dunklen Roben sitzen<br />

in langen Reihen unbeweglich<br />

vor der Wand. Plötzlich das scharfe<br />

Klacken aneinander geschlagener<br />

Hölzer; sofort stehen alle auf und<br />

gehen im Gänsemarsch langsam<br />

und schweigend durch den Raum<br />

– kein Ton wird gesprochen; die<br />

Gesichter sind ernst, teilweise gequält.<br />

Wieder das scharfe Klacken<br />

der Hölzer und alle eilen an ihre<br />

Plätze, setzen sich wieder <strong>für</strong> 40<br />

Minuten auf die schwarzen Kissen<br />

– ohne Bewegung. Wer sich bewegt,<br />

bekommt „Unterstützung“<br />

durch Stockschläge. Die zentrale<br />

Meditationspraxis des Zen-Buddhismus<br />

wird „Za Zen“ genannt.<br />

Sie beinhaltet vor allem den Wechsel<br />

von unbewegtem Sitzen und<br />

langsamem Gehen, unterbrochen<br />

durch zeremonielle Niederwerfungen<br />

und das Summen von Sutren.<br />

Das Anliegen von Alfred Binder<br />

ist, s<strong>eine</strong>n Lesern deutlich zu machen,<br />

dass der Zen-Buddhismus<br />

aus Japan „den Muff von tausend<br />

Jahren“ mitgebracht hat und diesen<br />

in unserer aufgeklärten Gesellschaft<br />

mit nicht unbedeutender Anhängerschaft<br />

weiter pflegt. Er kratzt<br />

am Nimbus des Zen, <strong>eine</strong> erhabene<br />

Praxis und mit Worten nicht fassbar<br />

zu sein, und entzaubert so <strong>eine</strong><br />

Weltanschauung, die in den letzten<br />

Jahrzehnten in den USA und Europa<br />

viele Künstler und Intellektuelle<br />

faszinierte, die sich mit der<br />

New Age-Bewegung ausbreitete,<br />

auch in den christlichen Kirchen<br />

viel Resonanz fand. Der Autor untersucht<br />

Lehre und Praxis des Zen<br />

unter erkenntnistheoretischen,<br />

historischen, ethischen und sozialpsychologischen<br />

Gesichtspunkten.<br />

Die großen Versprechen des Zen,<br />

Erleuchtung und absolute Weisheit<br />

– d.h. zum absoluten Durchblick<br />

hinsichtlich des wahren Wesens<br />

allen Seins durchzudringen und<br />

absolute Freiheit und Frieden zu<br />

erlangen – diese Behauptungen<br />

werden von Binder als Unsinn bestätigt.<br />

Am Beispiel der Verflechtungen<br />

der Zen-Klöster mit den nationalistischen<br />

und militaristischen<br />

Strukturen Japans und der aktiven<br />

Teilhabe von Zen-Mönchen an<br />

den grausamen Eroberungskriegen<br />

Japans vor 1945 zeigt der Autor<br />

überzeugend, wie wenig die Praxis<br />

des Zen zu <strong>eine</strong>r mitfühlenden<br />

Ethik und menschenwürdigen Moral<br />

geführt hat, sondern bis heute<br />

noch in der todesverachtenden,<br />

autoritären Samurai-Ideologie be-<br />

36<br />

1/2010<br />

auslese<br />

fangen ist. Die dualistische Mystik<br />

des Zen wird von Binder kritisiert<br />

und als mögliche Therapie psychischer<br />

Probleme klar abgelehnt. Er<br />

zeigt den regressiven Charakter<br />

mystischer Glaubenssysteme auf,<br />

indem er auf Ergebnisse <strong>eine</strong>r Studie<br />

über die psychischen Defizite<br />

christlicher Mystiker im Mittelalter<br />

zurückgreift. Mystische Praktiken<br />

waren demnach verzweifelte Versuche,<br />

mit Hilfe <strong>eine</strong>r extrem religiösen<br />

Lebensgestaltung Traumata, die<br />

durch Misshandlung in der Kindheit<br />

herrührten, selbst zu therapieren.<br />

Sicherlich <strong>eine</strong> interessante<br />

Überlegung, aber vom Autor kaum<br />

(wissenschaftlich) belegt. Und damit<br />

ist auch <strong>eine</strong> deutliche Schwäche<br />

des Buches angesprochen: teilweise<br />

beruhen s<strong>eine</strong> Rückschlüsse<br />

auf <strong>eine</strong>r sehr mageren Grundlage<br />

– sie bleiben Spekulation. So nutzte<br />

er ausschließlich Literatur in<br />

deutscher Sprache, was aufgrund<br />

<strong>eine</strong>r weitaus umfangreicheren<br />

und inhaltlich differenzierteren<br />

englischen Literaturlage – von asiatischer<br />

mal ganz abgesehen – zu<br />

s<strong>eine</strong>m engen Blick auf das Phänomen<br />

Zen führte.<br />

Letztlich plädiert Binder <strong>für</strong> <strong>eine</strong><br />

Zen-Praxis, die – von ihren kulturellen,<br />

vor allem aber metaphysischen<br />

und mystischen Elementen<br />

befreit – dem modernen Menschen<br />

durchaus helfen kann, sich von<br />

mentalen Zwängen <strong>eine</strong>s in Kategorien<br />

wie „Gewinn-Verlust“,<br />

„Anerkennung-Demütigung“ befangenen<br />

Denkens zu befreien.<br />

Hugo Gepard<br />

Binder, Alfred: Mythos Zen. –<br />

Aschaffenburg : Alibri, 2009. –<br />

18 Euro<br />

Wenn Religiöse Politik<br />

machen wollen<br />

„Die Herausforderung der säkularen<br />

Politik durch religiöse Kräfte<br />

in den letzten Jahrzehnten des 20.<br />

Jahrhunderts hatte Anfang des 21.<br />

Jahrhunderts allem Anschein nach<br />

die Form <strong>eine</strong>r globalen Rebellion<br />

angenommen.“ Zu dieser Feststellung<br />

kommt der amerikanische<br />

Soziologe Mark Juergensmeyer am<br />

Ende s<strong>eine</strong>r Studie „Die Globalisierung<br />

religiöser Gewalt“. Auf etwas<br />

mehr als 400 Seiten untersucht der<br />

Experte <strong>für</strong> religiöse Gewalt darin<br />

die Motivationslage der verschiedenen<br />

religiösen politischen Bewegungen,<br />

die sich in den einzelnen<br />

Weltreligionen im 20. Jahrhundert<br />

gebildet und sich auf gewaltsame<br />

Weise in der politischen Einflussnahme<br />

versucht haben.<br />

Entstanden ist <strong>eine</strong> Weltkarte des<br />

religiös-politischen Aktivismus.<br />

Juer gensmeyer untersucht die innere<br />

Logik der christlich militanten<br />

Rechten in den USA ebenso<br />

wie die der Sikhs im Punjab, lässt<br />

den gewaltbereiten buddhistischen<br />

Regierungsgegnern in Sri Lanka<br />

die gleiche Aufmerksamkeit zukommen<br />

wie den katholischen Radikalen<br />

der IRA, sucht die Motive<br />

der messianischen Juden in Israel<br />

ebenso zu ergründen wie die der<br />

sunnitischen Dschihadisten im Nahen<br />

Osten. So unterschiedlich diese<br />

Gruppen auch sind, ihr politisches<br />

Selbstverständnis ist das Gleiche,<br />

stellt Juergensmeyer fest. Es lautet:<br />

„Über die Wahrheit stimmt man<br />

nicht ab.“<br />

Und darin liegt der Kern dieser oft<br />

gewaltbereiten Bewegungen. Sie<br />

wollen die zentralen Elemente des


modernen Nationalstaats in <strong>eine</strong>n<br />

religiösen Referenzrahmen stellen.<br />

Ein säkularer Staat mit moralischen<br />

Werten ist <strong>für</strong> sie schlichtweg nicht<br />

vorstellbar. Die Enttäuschungen<br />

mit dem modernen, säkularen<br />

Nationalstaat in zahlreichen Ländern<br />

nach der Entkolonialisierung<br />

haben den religiösen Politaktivisten<br />

den notwendigen Zulauf verschafft,<br />

um ihre Forderungen nun<br />

umso energischer und gewalttätiger<br />

vorzutragen.<br />

In <strong>eine</strong>r immer komplexer werdenden<br />

Welt fehlt es heute an<br />

Verfechtern <strong>eine</strong>s areligiösen Nationalstaatkonzepts,<br />

meint Juergensmeyer.<br />

Angesichts der zahlreichen<br />

sozialen Herausforderungen<br />

liegt die Zuflucht vieler in der<br />

vermeintlichen Hoffnung auf die<br />

Gerechtigkeit <strong>eine</strong>r übergeordneten<br />

Instanz.<br />

„Die Globalisierung religiöser Gewalt“<br />

ist <strong>eine</strong> scharfsinnige Analyse<br />

der religiösen Aufstandsbewegungen<br />

des ausgehenden 20. und<br />

beginnenden 21. Jahrhunderts.<br />

Allerdings: Die Schwachstelle des<br />

Buches liegt in der Schlussfolgerung,<br />

die der Soziologe aus s<strong>eine</strong>n<br />

Untersuchungen zieht. Denn <strong>eine</strong><br />

zukunftsfähige Lösung kann weniger<br />

in der Förderung toleranter<br />

religiöser Formen als „Heilmittel<br />

<strong>für</strong> ihre rebellischen und intoleranten<br />

Extreme“ liegen, wie Juergensmeyer<br />

meint, sondern muss<br />

die Stärkung des säkularen Nationalstaats<br />

nicht trotz, sondern<br />

erst recht vor dem Hintergrund<br />

der Komplexität der Moderne anstreben.<br />

Thomas Hummitzsch<br />

Juergensmeyer, Mark: Die Globalisierung<br />

religiöser Gewalt : Von<br />

christlichen Milizen bis al-Qaida.<br />

– Hamburg : Hamburger Edition,<br />

2009. – 35 Euro<br />

Abkehr von der Moderne<br />

„Es geht Benedikt XVI. nicht nur<br />

darum, die französische Revolution<br />

rückgängig zu machen; es geht ihm<br />

darum, die Revolution der Moderne<br />

ungeschehen zu machen. Diesen<br />

Kampf nenne ich Benedikts Kreuzzug.“<br />

Alan Posener, Korrespondent<br />

<strong>für</strong> Politik und Gesellschaft <strong>für</strong> die<br />

„Welt“-Gruppe beschäftigt sich in<br />

s<strong>eine</strong>r Streitschrift explizit nicht<br />

mit dem Theologen Ratzinger, sondern<br />

mit den gesellschaftlichen und<br />

politischen Folgen der benedetinischen<br />

Wende. „Die benedetinische<br />

Wende bedeutet: Abkehr von der<br />

Moderne, Rollback der Aufklärung,<br />

Einschränkung der Demokratie,<br />

Abschied vom wissenschaftlichen<br />

Denken, Schluss mit der Emanzipation<br />

der Frau und der sexuellen<br />

Selbstbestimmung aller Menschen…<br />

Sie hat letzten Endes mit<br />

dem fundamentalistischem Islam<br />

mehr gemeinsam als mit der säkularen<br />

Gesellschaft Europas.“ Brauchen<br />

wir im Jahre 2010 solch <strong>eine</strong><br />

Streitschrift, mit der sich Posener in<br />

der Tradition von H<strong>eine</strong> und Börne<br />

sieht? Erst am Ende s<strong>eine</strong>s Buches<br />

beschäftigt sich Posener kurz mit<br />

dem Privatmann Ratzinger: Junge<br />

aus erzfrommer Familie, spielt<br />

schon als Bub die heilige Messe,<br />

sein Lieblingsbuch der „Schott“,<br />

das katholische Messbuch, und<br />

schon als Zwölfjähriger kommt er<br />

ins Priesterseminar. „Beinahe, so<br />

schien es, konnte mir der Mann aus<br />

Marktl am Inn Leid tun.“ Jedoch<br />

kommt Posener zu dem Schluss,<br />

dass der Einfluss der geistigen Strömung,<br />

die Benedikt als Leitfigur<br />

vertritt, durchaus größer ist, als es<br />

vielleicht zunächst den Anschein<br />

hat. S<strong>eine</strong> Streitschrift liefert hier-<br />

<strong>für</strong> <strong>eine</strong> Fülle von Beispielen, die<br />

gerade auch <strong>für</strong> Nichtchristen sehr<br />

aufschlussreich und spannend zu<br />

lesen sind.<br />

Norbert Böhnke<br />

Posener, Alan: Benedikts Kreuzzug:<br />

Der Angriff des Vatikans auf<br />

die moderne Gesellschaft. – Berlin<br />

: Ullstein, 2009. – 18 Euro<br />

„Die Religion – <strong>eine</strong><br />

Sinnressource? Eher <strong>eine</strong><br />

Unsinn-Ressource.“<br />

Robert Misik hat ein pointiertes,<br />

informiertes und sorgfältig argumentierendes<br />

Buch geschrieben,<br />

das triftig begründet, warum die<br />

gegenwärtig immer noch unter<br />

massivem medialem Einsatz betriebene<br />

„Rückkehr der Religionen“<br />

besser verhindert werden sollte.<br />

Er warnt kompetent davor, „wie<br />

aus dem Kampf der Kulturen <strong>eine</strong><br />

Konkurrenz der Fundamentalismen“<br />

zu werden begonnen hat,<br />

packt das unbestreitbare Faktum<br />

der politischen Theologie an, die<br />

offenbar so schwer loszuwerden<br />

ist, macht die PR-Strategie kenntlich,<br />

mittels derer sich die Kirche<br />

heute als „nonkonformistisch“ zu<br />

inszenieren versucht, diskutiert<br />

die historische Rolle von Monotheismus<br />

und Islam – und macht<br />

deutlich, dass die Beschwörung<br />

des „Kampfes der Kulturen“ letztlich<br />

dazu beiträgt, ihn überhaupt<br />

erst herbeizuführen, diagnostiziert<br />

die neue Funktion der Religion als<br />

„Aufputschmittel“ des Volkes und<br />

plädiert schließlich <strong>für</strong> <strong>eine</strong> ebenso<br />

differenzierte wie genaue Betrachtung<br />

der Religionen. Das wird immer<br />

wieder unterhaltsam zugespitzt<br />

in neun Zwischenspielen unter dem<br />

Titel „Bibelkreis und Korankränzchen“.<br />

Wer sich als Konfessionsfreier<br />

auf den gegenwärtigen Stand<br />

dieser Debatte bringen will, wird<br />

hier wirklich optimal bedient.<br />

Frieder Otto Wolf<br />

Misik, Robert: Gott behüte! Warum<br />

wir die Religion aus der Politik<br />

raushalten müssen. – Wien:<br />

Verlag Carl Ueberreuter, 2010. –<br />

9,95 Euro<br />

Religion und<br />

Weltanschauung in der<br />

Gesellschaft<br />

Zunehmend werden in der öffentlichen<br />

Diskussion Fragen und Probleme<br />

im Spannungsfeld von Religion<br />

und Weltanschauung <strong>eine</strong>rseits<br />

und Gesellschaft, Politik und<br />

Recht andererseits erörtert. Über<br />

die dabei genutzten Begriffe, Informationen<br />

und Meinungen will in<br />

Form <strong>eine</strong>s Nachschlagewerks das<br />

neue Buch von Gerhard Czermak<br />

„Religion und Weltanschauung in<br />

Gesellschaft und Recht. Ein Lexikon<br />

<strong>für</strong> Praxis und Wissenschaft“<br />

Auskunft geben. Darin findet man<br />

um die 200 Artikel, die in drei<br />

Themenbereiche unterteilt werden<br />

können: Allgem<strong>eine</strong> Beiträge<br />

äußern sich etwa zu „Atheismus“,<br />

„Humanismus“, „Menschenrechten“<br />

oder „Religionsfreiheit“. Eine<br />

weitere Gruppe von Texten informiert<br />

über religiös-weltanschauliche<br />

Gemeinschaften und Richtungen<br />

wie „Islamismus“, „Opus<br />

Dei“, „Scientology“ oder „Zeugen<br />

Jehovas“. Und schließlich geht es<br />

um Wissenswertes zu Rechtsfragen<br />

der Religionsgemeinschaften wie<br />

„Gotteslästerung“, „Grundgesetz“,<br />

„Kündigungsschutz“ oder „Schulaufsicht“.<br />

Insbesondere in den<br />

letztgenannten Artikeln kann der<br />

langjährig als Verwaltungsjurist in<br />

Bayern tätig gewesene Autor s<strong>eine</strong><br />

spezifische Fachkompetenz dokumentieren.<br />

Dies geschieht übrigens<br />

auf <strong>eine</strong> auch <strong>für</strong> den Nicht-Juristen<br />

gut verständliche Weise – und<br />

aus <strong>eine</strong>r agnostisch-wissenschaftlichen<br />

Perspektive. Letzteres ist in<br />

der Literatur selten und allein von<br />

daher verdient der Band große Aufmerksamkeit.<br />

Nicht zuletzt die ausführlichen<br />

Hinweise auf weiterführende<br />

Informationen machen ihn<br />

zu <strong>eine</strong>m informativen und unentbehrlichen<br />

Nachschlagewerk.<br />

Armin Pfahl-Traughber<br />

Czermak, Gerhard: Religion und<br />

Weltanschauung in Gesellschaft<br />

und Recht. Ein Lexikon <strong>für</strong> Praxis<br />

und Wissenschaft. – Aschaffenburg<br />

: Alibri-Verlag, 2009. –<br />

39 Euro<br />

1/2010 37


38<br />

Nachgefragt<br />

Nachgefragt<br />

AOK etwas einseitig<br />

christlich<br />

n Im Sommer 2009 hat der Bundestag<br />

nach langem Ringen um die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen die Regelungen zur<br />

Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen<br />

verabschiedet. Trotz Gesetz<br />

bleibt es wichtig, sich vor der Formulierung<br />

<strong>eine</strong>r Patientenverfügung Zeit zu nehmen,<br />

sich mit dem Inhalt genau auseinanderzusetzen,<br />

um letztlich <strong>eine</strong> Verfügung zu<br />

treffen, die auf die eigene Weltanschauung<br />

abgestimmt ist. Das dürfte <strong>für</strong> Versicherte<br />

der AOK schwierig werden. Neben einigen<br />

grundsätzlichen Hinweisen bietet die Krankenkasse<br />

ihren Mitgliedern ausschließlich<br />

das Formular <strong>eine</strong>r christlichen PV zum<br />

Download an. Diesseits fragte nach den<br />

Gründen.<br />

Frau Christine Göpner-Reinicke von der<br />

Pressestelle der AOK teilte uns daraufhin<br />

mit: „Bei den allgem<strong>eine</strong>n Informationen<br />

der AOK zu <strong>eine</strong>r Patientenverfügung (zu<br />

finden unter www.aok.de/bund/tools/ges_<br />

wissen/verbraucherschutz/lebensende.php sind<br />

verschiedene Links aufgeführt. Darunter die<br />

Bundesärztekammer und die Verbraucherzentralen.<br />

Darüber hinaus erhält der Internetnutzer<br />

<strong>eine</strong>n direkten Kontakt, um sich<br />

beim Bundesjustizministerium über die Patientenverfügung<br />

zu informieren. Alle diese<br />

Institutionen sind nicht konfessionsgebunden<br />

und stellen <strong>eine</strong> neutrale Informationsbasis<br />

dar. Erst ganz am Schluss findet sich<br />

auch ein konfessionsbezogener Link. Rund<br />

1/2010<br />

zwei Drittel der Bundesbürger sind religiös<br />

gebunden, so dass die gemeinsame Darstellung<br />

dieser verschiedenen Institutionen<br />

auch der Bandbreite der Bevölkerungsinteressen<br />

entspricht.<br />

Ich werde Ihren Hinweis jedoch an unsere<br />

Internetredaktion weiterleiten mit der<br />

Frage, ob <strong>eine</strong> weitere nicht-christliche Vorlage<br />

<strong>für</strong> die Patientenverfügung aufgenommen<br />

werden kann.“<br />

Anmerkung der Redaktion: die Hinweise<br />

auf die anderen Links helfen dem Ratsuchenden<br />

nicht direkt weiter, weil weder<br />

Humanistischer Verband Deutschlands<br />

Bundeszentralstelle Patientenverfügung<br />

10179 Berlin, Wallstraße 65<br />

Sprechzeiten<br />

Mo, Di, Do, und Fr von 10-17 Uhr<br />

Telefon: 030 613904-11, -12<br />

Telefax: 030 613904-36<br />

www.patientenverfuegung.de<br />

die Bundesärztekammer noch die Verbraucherzentralen<br />

eigene Muster oder Modelle<br />

anbieten. Der angegebene Telefonkontakt<br />

zum Bundesjustizministerium ist fehlerhaft<br />

und dessen Broschüre „Patientenverfügung“<br />

vergriffen. Es bleibt also der Rückgriff auf<br />

die christliche PV, die zum Behandlungsverzicht<br />

nur aus <strong>eine</strong>m einzigen, völlig unzureichenden<br />

Satz besteht, wie schon mehrfach<br />

von Experten kritisiert wurde.<br />

Haben Sie auch <strong>eine</strong> Frage? Diesseits recherchiert<br />

<strong>für</strong> Sie!<br />

diesseits@humanismus.de


ausspRache<br />

Menschenverachtende<br />

Gedanken<br />

Zum Spendenaufruf (diesseits<br />

89/2009)<br />

Ich finde es empörend, dass in Ihrer<br />

Ausgabe 89 im Artikel „Zeit zu geben“<br />

von Lutz Renken Peter Singer<br />

zitiert und sein Buch „The Life You<br />

Can Save“ vorgestellt wird, ohne<br />

dass es auch nur <strong>eine</strong>n Verweis darauf<br />

gibt, dass dieser Mann zu den<br />

Vertretern des modernen Utilitarismus<br />

gehört und seit Jahrzehnten<br />

hart umstritten ist.<br />

Immerhin vertritt er den Grundsatz,<br />

dass es moralisch möglich, ja<br />

geboten sei, <strong>eine</strong>n Menschen zu töten,<br />

wenn das <strong>für</strong> <strong>eine</strong> große Zahl<br />

anderer Menschen <strong>eine</strong>n hohen<br />

Nutzen hat. In s<strong>eine</strong>m Buch „Praktische<br />

Ethik“ setzt er sich ausdrücklich<br />

da<strong>für</strong> ein, schwerbehinderten<br />

Kindern die nötige medizinische<br />

Hilfe zu versagen und sie sterben<br />

zu lassen. Selbst aktive Tötungen<br />

schwerstbehinderter Menschen<br />

propagiert er in diesem Buch. Er<br />

galt in den 80er- und 90er-Jahren<br />

als das Feindbild der emanzipatorischen<br />

Behindertenbewegungen<br />

in Westeuropa, Amerika und Australien.<br />

Sie stellen ihn in Ihrem Artikel<br />

einfach so als guten Menschen mit<br />

<strong>eine</strong>r tollen Spendenidee dar, ohne<br />

s<strong>eine</strong> menschenverachtenden Gedanken<br />

und die weltweite Kritik<br />

daran sowie den Protest dagegen<br />

auch nur zu benennen. Das ist beschämend.<br />

Matthias Vernaldi, Berlin<br />

Humanisten können auch<br />

CDU wählen<br />

Editorial (diesseits 89/2009)<br />

Lieber Thomas Hummitzsch,<br />

kaum im Amt als neuer Pressesprecher<br />

und schon stellt sich die Frage<br />

nach der Ablösung! Aber gut, ich<br />

denke positiv, deshalb appelliere<br />

ich lieber an Ihre Einsicht und hoffe<br />

auf Besserung.<br />

Ich halte Ihr Editorial in diesseits<br />

4/2009 <strong>für</strong> politisch katastrophal.<br />

Was ist das denn <strong>für</strong> ein sektiererisches<br />

Herangehen!<br />

Am Ende zitieren Sie selbst: „Zu<br />

denken gibt, dass die CDU/CSU<br />

noch von 22 Prozent der Konfessionsfreien<br />

gewählt wurde.“ Da hätten<br />

Sie stutzen sollen! Sind denn<br />

diese 22 Prozent in Ihren Augen<br />

etwa alle doof, diese Deppen halt<br />

noch nicht so weit in ihrem Bewusstsein,<br />

um ihr Kreuz bei den<br />

richtigen, den „linken Parteien“<br />

zu setzen? Nein, nein, nein, man<br />

kann Humanist sein und trotzdem<br />

die CDU wählen! Das geht und<br />

Sie sollten diese Menschen nicht<br />

ausgrenzen. Das schadet der Sache<br />

<strong>eine</strong>s breit aufgestellten Humanismus!<br />

Das schwächt den HVD.<br />

Ich verstehe mich selbst als Linker<br />

und habe noch nie die CDU gewählt.<br />

Wenn ich mir aber den bei<br />

SPD, LINKEN und GRÜNEN<br />

sich immer mehr verbreitenden<br />

irrationalen, industriefeindlichen<br />

und tief gläubigen Öko-Fundamentalismus<br />

– die neue linke Religion –<br />

ansehe, vermischt mit esoterischem<br />

Blödsinn, dann wird mir angst und<br />

bang und ich wähle bald selber die<br />

CDU. Humanist möchte ich dann<br />

trotzdem weiter sein dürfen.<br />

Da<strong>für</strong> heute schon ein Danke!<br />

Franz Plich, per Mail<br />

Schaden <strong>für</strong> den<br />

Humanismus<br />

Editorial (diesseits 89/2009)<br />

Lange bin ich noch nicht Fördermitglied<br />

beim HVD Nürnberg,<br />

drum schaute ich mir das Heft<br />

genauer an – besonders die grundsätzlichen<br />

Gedanken auf der Rückseite<br />

„Selbst denken – Gemeinsam<br />

leben“. Diese Stellungnahme finde<br />

ich gut. Weshalb ich die Zeitschrift<br />

auch als potenzielle Info- bzw.<br />

Werbebroschüre <strong>für</strong> den HVD betrachte.<br />

Schlage ich jedoch das vorliegende<br />

Heft auf, sehe ich als erstes Ihr<br />

Editorial mit Ihrem ausführlichen<br />

Kommentar zur letzten Bundestagswahl<br />

in Deutschland. Das liest<br />

sich leider nicht so überparteilich,<br />

wie es der HVD doch sein will, –<br />

wenn ich dort lese: „Nun übernehmen<br />

ausgerechnet die Verfechter<br />

der neoliberalen Wirtschaftsordnung<br />

(CDU und FDP) die politische<br />

Verantwortung, obwohl das<br />

neoliberale Weltbild ursächlich zur<br />

weltweiten Wirtschaftskrise beigetragen<br />

hat.“<br />

Auch wenn man dies häufig hören<br />

kann, stimmt das denn überhaupt?<br />

Waren es nicht vielmehr hoch bezahlte<br />

Staatsbeamte auf Lebenszeit,<br />

die z. B. in ganz Deutschland in<br />

den Landes- und Staatsbanken und<br />

der Bank Hypo Real Estate… <strong>für</strong><br />

Riesenverluste sorgten?<br />

Auf den Seiten 25 bis 27 schreiben<br />

Sie dann noch ausführlich u. a.<br />

über den Marktkapitalismus unter<br />

der Überschrift „Die gesellschaft-<br />

lichen Folgen des neoliberalen<br />

Marktmodells“: „So wurden in den<br />

vergangenen Jahren zehntausende<br />

Sozialwohnungen ... verkauft, um<br />

kurzfristige Gewinne einstreichen<br />

zu können.“ Gewinne mit Wohnungen?<br />

Oh, je! Wo ist denn so etwas<br />

möglich in Deutschland? (…)<br />

Schade, glaubwürdig sieht anders<br />

aus. Könnte es nicht sein…, dass<br />

Sie mit Ihren einseitigen Artikeln<br />

nur das Gegenteil vom Humanismus<br />

fördern?<br />

Reinhard Knorr, Nürnberg<br />

Linke Binnensicht<br />

Gesellschaftliche Folgen des neoliberalen<br />

Marktmodells (diesseits<br />

89/2009)<br />

Der HVD ist parteipolitisch neutral<br />

und das ist gut so. Leider weht<br />

jedoch im Beitrag von Thomas<br />

Hummitzsch der Geist parteipolitischer<br />

Agitation: Hier soll <strong>eine</strong> linke<br />

Binnensicht zum humanistischen<br />

Maßstab gemacht werden. Der Beitrag<br />

begnügt sich dabei nicht mit<br />

dem üblichen Zerrbild <strong>eine</strong>s angeblichen<br />

„Neoliberalismus“ (und<br />

verfehlt damit das liberale Konzept<br />

ordnungspolitisch gesetzter Rahmenbedingungen<br />

des Wirtschaftens),<br />

er versteigt sich auch noch<br />

in ein krasses Umdeuten des klaren<br />

Wählervotums durch Postulieren<br />

<strong>eine</strong>r gegenteiligen „gesellschaftlichen<br />

Mehrheit“ (aus höherer humanistischer<br />

Einsicht?).<br />

Ob Staatsgläubigkeit und Leistungsfeindlichkeit<br />

am Ende den<br />

Interessen der sozial Schwachen<br />

wirklich nützen, mag hier dahingestellt<br />

bleiben.<br />

Unterschiedliche allgemeinpolitische<br />

Vorstellungen können und<br />

sollen sich in den Parteien organisieren<br />

– der HVD ist nicht der<br />

Ort da<strong>für</strong>. Es wäre jedenfalls schön,<br />

wenn sich auch die Pressearbeit des<br />

HVD-Berlin auf unsere gemeinsamen<br />

weltanschaulichen Kernaufgaben<br />

konzentrieren würde.<br />

Helmut Fink, Nürnberg<br />

(HVD- und FDP-Mitglied)<br />

1/2010 39


humanistischer verband<br />

deutschLands (hvd)<br />

bundesvorstand<br />

Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />

Fon 030-613 904-34, Fax 613 904-50<br />

http://www.humanismus.de<br />

hvd@humanismus.de<br />

bundesverband Junge<br />

humanistinnen<br />

Wallstraße 61-65, 10179 Berlin<br />

Fon 030-613904-76, Fax 613904-50<br />

info@juhu-bund.de, www.juhu-bund.de<br />

BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

HVD Regionalgemeinschaft<br />

Ulm-Bodensee e.V.<br />

Postfach 2307, 89013 Ulm<br />

hvd-bw@humanismus.de<br />

Die Humanisten Württemberg<br />

K.d.ö.R<br />

Mörikestraße 14, 70178 Stuttgart<br />

Fon 0711-6493-780, Fax -886<br />

a.henschel@dhuw.de, www.dhuw.de<br />

BAyERN<br />

Humanistisches Zentrum Nürnberg<br />

Äußere Cramer-Klett-Str. 11-13<br />

90489 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 431 04 - 0, Fax - 15<br />

HVD-Bayern e.V.<br />

Geschäftsstelle<br />

info@hvd-bayern.de<br />

www.hvd-bayern.de<br />

Humanistische Akademie Bayern e.V.<br />

Geschäftsstelle<br />

info@hunmanistische-akademie-bayern.de<br />

www.humanistische-akademie-bayern.de<br />

Humanistisches Sozialwerk Bayern<br />

gGmbH<br />

Geschäftsstelle<br />

info@hsw-bayern.de<br />

www.hsw-bayern.de<br />

HVD-Nürnberg K.d.ö.R.<br />

n Geschäftsstelle<br />

info@hvd-nuernberg.de<br />

www.hvd-nuernberg.de<br />

n Vermittlung Feierreden: - 14<br />

n Projekt Schuldnercoaching: - 12<br />

n Jugendfeier und JuHus: -11<br />

jugendfeier@hvd-nuernberg.de<br />

www.jugendfeier.net<br />

einrichtungen:<br />

n JuHu-Turm<br />

Spittlertormauer 7, 90402 Nürnberg<br />

n turmdersinne gGmbH<br />

Büro: Spittlertorgraben 45, 90429 Nürnberg<br />

Fon 0911-94432-81, Fax -69<br />

info@turmdersinne.de, www.turmdersinne.de<br />

Adresse des Turms:<br />

Mohrenturm am Westtor, Nürnberg,<br />

Spittlertorgraben Ecke Mohrengasse<br />

n Humanistische Grundschule Fürth<br />

Freie Privatschule des HVD-Nürnberg<br />

Waldstr. 63, 90763 Fürth<br />

Tel. (0911) 3766833-0, Fax -9<br />

info@humanistische-schule.de<br />

www.humanistische-schule.de<br />

n Humanistisches Haus <strong>für</strong> Kinder Nürnberg-<br />

Mögeldorf<br />

Ziegenstraße 28, 90482 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 953358-0, Fax -3<br />

moegeldorf@hvd-nuernberg.de<br />

n Humanistischer Kindergarten Nürnberg-St. Peter<br />

Burgerstraße 6, 90478 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 42 45 68-0, Fax -3<br />

st.peter@hvd-nuernberg.de<br />

n Humanistisches Haus <strong>für</strong> Kinder Nürnberg-<br />

Steinbühl<br />

Karl-Bröger-Str. 4, 90459 Nürnberg<br />

Tel. (0911) 23 98 45-0, Fax -3<br />

steinbuehl@hsw-bayern.de<br />

n Humanistisches Haus <strong>für</strong> Kinder Fürth-Am<br />

Südstadtpark<br />

Dr.-Meyer-Spreckels-Straße 5, 90763 Fürth<br />

Tel. (0911) 977 91 01-3, Fax -7<br />

suedstadtpark@hvd-nuernberg.de<br />

n Humanistisches Haus <strong>für</strong> Kinder Fürth-Grete<br />

Schickedanz<br />

Haus 1: Flößaustraße 10<br />

Haus 2: Austraße 19<br />

90763 Fürth<br />

Tel. (0911) 71 17 10<br />

schickedanz@hvd-nuernberg.de<br />

n Humanistische Kinderkrippe Fürth-Am Marsweg<br />

Marsweg 17, 90763 Fürth<br />

Tel. (0911) 376 64 33<br />

marsweg@hvd-nuernberg.de<br />

n Humanistische Kinderkrippe Regensburg<br />

Galgenbergstraße 25, 93053 Regensburg<br />

Tel. (0176) 622 355 19<br />

regensburg@hsw-bayern.de<br />

HVD-Fürth e.V.<br />

Waldstr. 62, 90763 Fürth<br />

info@hvd-fuerth.de<br />

www.hvd-fuerth.de<br />

HVD-Regionalgruppe Würzburg<br />

c/o Frank Stößel<br />

Hauptstr. 118, 97299 Zell am Main<br />

info@hvd-wuerzburg.de<br />

www.hvd-wuerzburg.de<br />

BERLIN / BRANDENBURG<br />

Humanistischer Verband<br />

Berlin-Brandenburg<br />

Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />

Fon 030-613 904-0, Fax 030-613 904-50<br />

www.hvd-potsdam.de, www.hvbb-online.de<br />

BERLIN<br />

HVD Berlin<br />

Landesgeschäftsstelle<br />

Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />

Fon 030-613 904-0<br />

Fax 030-613 904-50<br />

hvd-berlin@humanismus.de<br />

Direkte Durchwahlnummern:<br />

n Abteilung Kitas -39<br />

n Abteilung Gesundheit/Soziales -25<br />

n Abteilung Lebenskunde -60<br />

n Abteilung Jugend/Jugendfeier -74, Fax -89<br />

n Patientenverfügungen/Trauergruppen<br />

-11, -19, Fax -36<br />

www.patientenverfuegung.de<br />

mail@patientenverfuegung.de<br />

n V.I.S.I.T.E.<br />

Besuchs- und Hospizdienst -32<br />

www.visite-hospiz.de, mail@visite-hospiz.de<br />

n Kinderhospiz „Berliner Herz“ -80<br />

n Öffentlichkeitsarbeit -26<br />

n Kultur -23<br />

n Fundraising -38<br />

n Freiwilligenarbeit/Mitglieder betreuung/<br />

Seniorenkoordinatorin -15<br />

n Junge HumanistInnen Berlin<br />

Danziger Str. 50, 10437 Berlin<br />

Fon 030-442 72 16, Fax 442 34 93<br />

info@juhu-berlin.de, ingo@juhu-berlin.de<br />

n Jugendtreff „PPZ“ der Jungen HumanistInnen,<br />

Marzahner Chaussee 9 10315 Berlin, Fon/Fax<br />

030-510 17 76<br />

n Jugendgästehaus Heiligensee<br />

info@juhu-heiligensee.de<br />

030 43605470<br />

n Schulklub Sakura-Grundschule<br />

Rochstraße 7, 10178 Berlin<br />

Fon 030-42 85 21 79<br />

n Café Rix GmbH<br />

Karl-Marx-Straße 141, 12043 Berlin<br />

Fon/Fax 030-686 90 20<br />

n Sozialstation „Die Brücke“<br />

Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />

Fon 030-613 904-93 /-97, Fax -91<br />

n Mobilitätshilfedienst Berlin-Mitte<br />

Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />

Fon 030-613 904-95 /-96, Fax -91<br />

n Schwangerschaftskonflikt-beratungsstelle,<br />

Schönholzer Str. 6, 13187 Berlin<br />

Fon/Fax 030-441 79 92<br />

skb@hvd-berlin.de<br />

n Kontakt- und Informationsstelle <strong>für</strong> Selbsthilfe (KIS)<br />

Nachbarschaftshaus Pfefferwerk<br />

Fehrbelliner Str. 92, 10119 Berlin<br />

Fon 030-443 43 17, Fax 44 34 04 78<br />

n Betreuungsverein<br />

Alt-Moabit 108 a, 2. Etg., 10559 Berlin<br />

Fon 030-441 30 57, Fax 441 30 59<br />

Betreuungsverein.hvd@berlin.de<br />

n Brückentreff Psychosoziale Kontakt- und<br />

Beratungsstelle<br />

Torstraße 158, 10115 Berlin<br />

Fon 030-280 74 42/ -43, Fax -44<br />

Kitas:<br />

n Adlershofer Marktspatzen<br />

Helbigstr.31, 12489 Berlin<br />

Fon/Fax 030-677 42 09<br />

n Am Park<br />

Engelhardtstr. 10, 12487 Berlin<br />

Fon/Fax 030-631 66 99<br />

n Bornsdorfer Str. 14, 12053 Berlin<br />

Fon 030-56 82 86 63<br />

n Dreikäsehoch<br />

Johanna-Tesch-Str. 20, 12439 Berlin<br />

Fon 030-671 70 33, Fax 67 89 45 28<br />

dreikaesehoch@humanistischekitas.de<br />

n Friedenauer Strolche<br />

Sponholzstraße 16, 12159 Berlin<br />

Fon/Fax 030-75 60 62 09<br />

n Gartenstadtfrösche<br />

Zur Gartenstadt 239, 12526 Berlin<br />

Fon 030-67 82 45 03, Fax 67 82 45 04<br />

gartenstadt@humanistischekitas.de<br />

n General-Woyna-Str. 48<br />

13403 Berlin, Fon/Fax 030-413 30 72<br />

n Holtheimer Weg 6-8, 12207 Berlin<br />

Fon 030-712 49 30, Fax 71 09 74 92<br />

n Hopsekäse<br />

Scharnweberstr. 60, 10247 Berlin<br />

Fon/Fax 030-291 61 64<br />

n Kastanienallee 28/30, 12627 Berlin<br />

Fon/Fax 030-995 22 69 kastanienallee@<br />

humanistischekitas.de<br />

n Kinderhaus Felix<br />

Zühlsdorfer Str. 16, 12679 Berlin<br />

Fon 030-935 80 35, Fax 93 02 78 16<br />

kinderhausfelix@humanistischekitas.de<br />

n Knirpsenstadt am Glitzerbach<br />

Geraer Ring 50/52, 12689 Berlin<br />

Fon/ Fax 030-933 91 98<br />

n Landreiterweg 55, 12353 Berlin<br />

Fon 030-667 90 90, Fax 66 79 09 33<br />

n Michel-Klinitz-Weg 18<br />

12349 Berlin, Fon 030-743 10 14<br />

n Mühlengeister<br />

Thomas-Mann-Str. 17/19, 10409 Berlin<br />

Fon 030-424 17 31, Fax 42 16 15 86<br />

muehlengeister@humanistischekitas.de<br />

n Pillnitzer Weg 6, 13593 Berlin<br />

Fon 030-20 91 48 90, Fax 209 14 89 20<br />

pillnitzerweg@humanistischekitas.de<br />

n PrenzlZwerge<br />

Stahlheimer Str. 27, 10439 Berlin<br />

Fon 030-445 71 94, Fax 40 00 30 61<br />

prenzlzwerge@humanistischekitas.de<br />

n Stadtfüchse<br />

Jablonskistr. 11, 10405 Berlin<br />

Fon/Fax 030-441 42 82 erzieherinnen.stadtfuechse<br />

@web.de<br />

n Wasserwerkstr. 3, 13589 Berlin<br />

Fon 030-37 49 90 30, Fax 374 99 03 24<br />

wasserwerkstrasse@humanistischekitas.de<br />

n Rappelkiste<br />

Alfred-Randt-Str.15/17, 12559 Berlin<br />

Fon 030-654 35 58, Fax 654 60 49<br />

n Wirbelwind, Friedrich-Engels-<br />

Str. 45/47, 13156 Berlin<br />

Fon 030-916 51 24, Fax 47 03 68 69 wirbelwind@<br />

humanistischekitas.de<br />

n Zum Hasenhügel<br />

Waldheimer Str. 10/12, 12627 Berlin<br />

Fon 030-994 28 49, Fax 99 28 50 79 zum.<br />

hasenhuegel@humanistischekitas.de<br />

n Konfliktberatung <strong>für</strong> Paare<br />

Fon über 030-613 904-15<br />

n Neustart – Betreutes Wohnen<br />

<strong>für</strong> Obdachlose<br />

Alt Reinickendorf 7, 13407 Berlin<br />

Fon 030-4 14 68 74, Fax -75<br />

neustart@hvd-berlin.de<br />

www.wp-neustart.de<br />

n Humanistische Akademie e.V.<br />

Redaktion „humanismus aktuell“<br />

Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />

Fon/Fax 030-44 34 09 41<br />

www.humanistische-akademie.de<br />

n Koordinierungsstelle <strong>für</strong> ambulante Re habilitation<br />

älterer Menschen in Neukölln<br />

Haus des älteren Bürgers<br />

Werbellinstraße 42, 12053 Berlin<br />

Fon 030-689 77 00, Fax 68 97 70 20<br />

n Berliner Seniorentelefon<br />

Fehrbelliner Straße 92, 10119 Belin<br />

Fon 030-279 63 93, Fax 44 02 49 97<br />

Sprechzeiten: Mo, Fr, So 14-16 Uhr, Mi 12-16 Uhr<br />

unter Fon 030-279 64 44<br />

www.berliner-seniorentelefon.de<br />

info@berliner-seniorentelefon.de<br />

n HOTEL4YOUth<br />

Schönhauser Allee 103, 10439 Berlin<br />

Fon 030-446 77 -83, Fax -859<br />

www.hotel4youth.de, info@hotel4youth.de<br />

n Kinder- und Jugendbüro Marzahn<br />

Kastanienallee 55, 12627 Berlin<br />

Fon 030 9339466<br />

kijubue-marzahn@web.de<br />

n Internetcafé <strong>für</strong> Senioren<br />

Weltenbummler, Werbellinstraße 42, 12053<br />

Berlin-Neukölln<br />

Fon 030-68054287<br />

n Gesundheitliche und soziale Dienste des HVD in<br />

Tempelhof,<br />

Friedrich-Wilhelm-Straße 59<br />

12103 Berlin, Fon 030-71096852<br />

BRANDENBURG<br />

Humanistischer Regionalverband<br />

Ostbrandenburg e.V.<br />

PF 1142, 15701 Königs Wusterhausen<br />

Fon 03375-29 77 78, Fax 29 33 35<br />

verein@humanistenkw.de<br />

verwaltung@humanistenkw.de<br />

n Aktionskita „Knirpsenstadt“<br />

Goethestr. 5,<br />

15711 Königs Wusterhausen<br />

Fon 03375-87 28 45<br />

n Jugend-Freizeit-Zentrum<br />

Scheederstr. 47,<br />

15711 Königs Wusterhausen<br />

Fon 03375-29 67 69<br />

HVD Regionalverband Brandenburg<br />

Nord e.V.<br />

Mühlenfeld 12, 16515 Oranienburg<br />

Fon 03301-83 41 11, Fax 83 41 20<br />

n Humanistisches Musikzentrum<br />

n Feierkultur<br />

n Schuldnerberatung, Vermeidung von<br />

Obdachlosigkeit<br />

n Jugend- und Sozialwerk gGmbH<br />

Kanalstr. 20, 16515 Oranienburg<br />

Fon 03301-58 28 94<br />

n Berufsbildungswerk Nordost gGmbH<br />

Albert-Buchmann-Str. 1,<br />

16515 Oranienburg<br />

Fon 03301-53 54 40<br />

n Betreutes Jugendwohnen<br />

Bernauer Str. 146, Haus 106,<br />

16515 Oranienburg<br />

Fon 03301-80 70 56<br />

Nebenstelle Neuruppin<br />

Fehrbelliner Str. 139, 16816 Neuruppin<br />

Fon 03391-50 38 42, Fax 35 05 13<br />

n Feierkultur<br />

n Selbsthilfe-Kontaktstelle<br />

n Schulsozialarbeit<br />

Humanistischer Regional verband<br />

Brandenburg/Belzig e.V.<br />

Willibald-Alexis-Str. 28<br />

14772 Brandenburg<br />

Fon 03381-73 03 80, Fax 73 03 79<br />

humreg@humreg.de<br />

Kinder- und Jugendclub, Jugendfeier, Seniorenarbeit,<br />

Junge Humanisten, Schulsozialarbeit, Bereich „Hilfe<br />

zur Erziehung“<br />

Stadtteilbüro im Bürgerzentrum<br />

Große Gartenstraße 42a<br />

14776 Brandenburg an der Havel<br />

Fon 03381-25 09-62, Fax -63<br />

Humanistischer Regionalverband<br />

Potsdam/Potsdam-Mittelmark e.V.<br />

n Geschäftsstelle Potsdam<br />

Jägerstr. 36, 14467 Potsdam<br />

Büro und Patientenverfügung:<br />

Fon 0331-290 94 76<br />

Jugendfeier: Fon 0331-270 98 04<br />

Fax 0331-280 58 81<br />

hvdppm@aol.com<br />

hvd-potsdam@freenet.de<br />

Humanistischer Regionalverband<br />

Teltow-Fläming e.V.<br />

Goethestr. 8, 14959 Trebbin<br />

Fon/Fax 033731-805 24<br />

Humanistischer Regionalverband<br />

Märkisch-Oderland e.V.<br />

„Arche“, Carl-Schmäcke-Straße 33<br />

15366 Neuenhagen<br />

Tel. 03342-21584, Fax 21586<br />

Humanistisches Internationales<br />

Begegnungs- und Beratungszentrum<br />

(HIBBZ)<br />

Eisenbahnstr.14, 16225 Eberswalde<br />

Fon und Fax 03334-212491 www.hibbz.de, info@<br />

hibbz.de<br />

Humanistischer Freidenkerbund<br />

Brandenburg e.V.<br />

Postfach 600 813, 14408 Potsdam<br />

Fon 03321-45 07 46, Fax 45 07 47<br />

Fon 03338-396 31, Fax 03338-396 32<br />

Humanistischer Freidenkerbund<br />

Havelland e.V.<br />

n Geschäftsstelle<br />

Karl-Thon-Str. 42, 14641 Nauen<br />

Fon 03321-45 07 46, Fax 45 07 47<br />

Freidenker-Havelland@web.de<br />

n Jugendtreff Miteinander, Frauen- und<br />

Selbsthilfetreff, Berliner Str. 41, 14712 Rathenow,<br />

Fon 03385-51 55 31<br />

n Treff: Suchthilfe, Kleiderkammer, Obdachlosenarbeit,<br />

Suppenküche<br />

Ritterstr. 9, 1641 Nauen<br />

Fon 03321-45 07 46<br />

Freidenker Barnim e.V.<br />

n Geschäftsstelle<br />

Rüdnitzer Chaussee 48-50, 16321 Bernau<br />

Fon 03338-3 96 31, Fax 3 96 32<br />

n Informations- und Beratungspunkt<br />

Berliner Str. 48, 16321 Bernau<br />

Fon/Fax 03338-2416<br />

Jugendarbeit, Jugendfeier, Senioren- und<br />

Rentenberatung, Patientenverfügung, Sozialberatung<br />

METROPOLREGION HAMBURG<br />

HVD Metropolregion Hamburg e.V.<br />

Beim Schlump 23, 20144 Hamburg<br />

Fon/Fax 040 67379076<br />

HVD-Hamburg@alice-dsl.net<br />

MEcKLENBURG-VORPOMMERN<br />

HVD Humanisten Mecklenburg-<br />

Vorpommern e.V.<br />

www.hvd-mv.de, info@hvd-mv.de.<br />

Ziegeleiweg 12, 19057 Schwerin<br />

Fon 0385 4866013, Fax 48608389<br />

NIEDERSAcHSEN<br />

Humanistischer Verband<br />

Niedersachen K.d.ö.R.<br />

Landesgeschäftsstelle<br />

Otto-Brenner-Str.20- 22, 30159 Hannover<br />

Fon 0511-167691-60, Fax -78<br />

zentrale@humanisten.de<br />

www.humanisten.de<br />

n Feierservice <strong>für</strong> weltliche Familienfeiern<br />

Fon 0511-167691-63<br />

n Junge Humanisten Hannover<br />

Landeskoordination JugendFEIER<br />

Fon 0511–18561<br />

www.juhus-hannover.de<br />

info@junge-humanisten.de<br />

n Humanistisches Sozialwerk Norddeutschland GmbH<br />

Otto Brenner Str.20-22, 30159 Hannover<br />

Haus Humanitas, Fon 0511-167691-61<br />

Humanistischer Verband Bremen<br />

Ursel Leitzow, Prager Str. 41, 28211 Bremen<br />

Fon 0421-243 96 35 bremen@humanisten.de<br />

Ortsgemeinschaften und Verbände<br />

Freie Humanisten<br />

Grünenplan-Delligsen<br />

c/o Bodo Hage,<br />

Hinter den Höfen 16, 31073 Delligsen<br />

Fon + Fax: 05187-24 86<br />

Mobil: 0160-950 28 139<br />

gruenenplan@humanisten.de<br />

HV Emden<br />

Ortsverband Emden<br />

An der Sporthalle 1, 26759 Hinte<br />

Fon: 04925 8725, 0176-96603435<br />

emden@humanisten.de<br />

HVN Ortsverband Hannover<br />

Otto-Brenner-Str. 22, 30159 Hannover<br />

Fon 0511-1 61 4012, Fax 16 76 91 78<br />

hannover@humanisten.de<br />

HV Oldenburg<br />

c/o Grünberger Str. 7, 26127 Oldenburg<br />

Fon 0441-882943 oldenburg@humanisten.de<br />

Humanistischer Verband Osnabrück<br />

osnabrueck@humanisten.de<br />

www.osnabrueck.humanisten.de<br />

Humanistischer Verband Wesermarsch<br />

Postfach 1125, 26926 Elsfleth<br />

Fon 04401-695817 wesermarsch@humanisten.de<br />

NORDRHEIN-WESTFALEN<br />

HVD Nordrhein-Westfalen K.d.ö.R.<br />

Landesgeschäftsstelle<br />

Küpferstr. 1, 44135 Dortmund<br />

Fon 0231-52 72 48, Fax 57 20 72<br />

mail@hvd-nrw.de<br />

www.hvd-nrw.de<br />

Ortsgruppen in vielen Städten!<br />

Tel. erfragen!<br />

n Humanitas-Verlag<br />

www.humanitas-verlag.de<br />

n Junge HumanistInnen NRW<br />

Fon 0231-5 86 15 70<br />

HVD Bergisches Land<br />

Chlodwigstr. 28<br />

42119 Wuppertal-Elberfeld<br />

Fon 0202-46 04 555<br />

HVD Bielefeld<br />

Fon 0521-9824762<br />

hvd-bielefeld@web.de<br />

HVD Duisburg<br />

Fon 0203-29 82 440<br />

RHEINLAND-PFALZ<br />

Fon 0173-34 36714<br />

hvd-rlp@email.de, www.hvd-rlp.de<br />

SAcHSEN<br />

HVD Sachsen<br />

Großenhainer Straße 88<br />

01127 Dresden, Fon 0351-2198100<br />

Ronny.Winkler@hvd-sachsen.de<br />

THÜRINGEN<br />

HVD Thüringen<br />

HVD Thüringen<br />

c/o Siegfried R. Krebs<br />

Weg zum Sportplatz 18, 99438 Legefeld<br />

fon 03643 900744, www.hvd-thueringen.de<br />

info@hvd-thueringen.de<br />

SAcHSEN-ANHALT<br />

Humanisten Sachsen-Anhalt<br />

c/o Junge Humanisten Magdeburg e.V.<br />

39128 Magdeburg<br />

Johannes-R.-Becher-Straße 57<br />

Fon 0391-2515938, Fax 2516338<br />

humanisten.sachsen-anhalt@<br />

juhu-magdeburg.de<br />

Humanistischer Regionalverb.<br />

Halle-Saalkreis e.V.<br />

Bürgerhaus „alternativE“<br />

<strong>Gustav</strong>-Bachmann-Straße 33<br />

06130 Halle<br />

Fon 0345-1 31 94 73<br />

Fax 0345-1 31 94 75<br />

buergerhaus-halle@freenet.de<br />

n Frauen Kommunikationszentrum<br />

n Offener Kinder- und Jugendtreff<br />

n Trauerberatung, Patienten verfügungen, Fon<br />

0345-2023168<br />

n Begegnungsstätte<br />

Fon 0345-12 26 90 22<br />

n Schuldnerberatung<br />

Fon 0345-1319053<br />

n Musikinstrumentenkabinett<br />

n Jugendfeier Fon 0345-1319473<br />

Humanistischer Regionalverb.<br />

Südliches Sachsen-Anhalt e.V.<br />

n Bürger und Jugendhaus/Herberge<br />

Huttenstraße 12, 06217 Merseburg<br />

Fon 03461-21 35 19<br />

hrvbuergerhaus@hotmail.de<br />

n Jugendlub „Die Hütte“<br />

Unter den Eichen, 06217 Merseburg<br />

Fon/Fax 03461-50 28 75<br />

n Jugendfeier Fon 03461-213519<br />

n Jugendclub „Elofant“<br />

Häuerstraße 33, 06242 Braunsbedra<br />

Fon 0177-2115619<br />

n Projekt Schulsozialarbeit<br />

Sekundarschule „Unteres Geiseltal“<br />

Häuerstr. 39, 06242 Braunsbedra<br />

Fon 034633-2 26 09<br />

Junge Humanisten Magdeburg e.V.<br />

n KJFE „Kannenstieg“<br />

Johannes-R.-Becher-Straße 57<br />

39128 Magdeburg<br />

Fon 0391-2 51 59 38, Fax -63 38<br />

info@juhu-magdeburg.de<br />

n Schülertreff „Rothensee“<br />

Badeteichstraße, 39126 Magdeburg<br />

Fon 0391-5 05 00 44<br />

n Jugendfeier Fon 0391-2515938<br />

Humanistischer Regionalverb.<br />

Mansfelder Land e.V.<br />

n Jugendclub „Die Leuchte“<br />

Beethovenstraße 1, 06333 Hettstedt<br />

Fon 03476-85 11 49<br />

n Jugendtreff „Bombastic“<br />

Friedenstraße 1, 06456 Sandersleben<br />

Fon 034785-2 02 59


Eva Strittmatter<br />

Atheism<br />

„Eins ist <strong>für</strong>s andre“, sagen die Leute hier.<br />

Und das soll heißen: Eins ist wies andre.<br />

Eins ist wies andre – wie mit dir so mit mir:<br />

Ich weiß nicht wieso und wozu, doch ich wandre.<br />

Wir gehen nur mit dem Tod als Ziel<br />

Und ohne Erwartung <strong>eine</strong>r Verwandlung,<br />

Und ohne geheimen Bezug ist das Spiel<br />

Und ohne ewigen Sinn unsre Handlung.<br />

Wir haben nichts als die menschliche Zeit<br />

Und die Menschen um uns. So unvollkommen<br />

Wie wir. Unsre Heiterkeit<br />

Ist nicht innen in uns. Sie ist angenommen<br />

Wie <strong>eine</strong> Pflicht und Übung zur Duldung:<br />

Jeder braucht Hilfe, denn jeder ist schwach.<br />

Die gegenseitige Lebensverschuldung<br />

Macht die besseren Kräfte in uns erst wach.<br />

Eva Strittmatter wurde am 8. Februar 1930 in Neuruppin geboren. Schon als Kind schrieb sie Gedichte, musste diese aber vor<br />

der Mutter verstecken, die Lesen und Schreiben <strong>für</strong> vergeudete Zeit hielt. Auch vor ihrem Mann Erwin Strittmatter hielt sie ihre<br />

Leidenschaft <strong>für</strong> Lyrik vorerst geheim.<br />

Erst 1966 veröffentlichte die Literaturzeitschrift „Neue Deutsche Literatur“ (NDL) erste Gedichte. Von Anfang an hatte<br />

Eva Strittmatter ein riesiges Lesepublikum, zählten alle ihre Bände in der DDR zur sprichwörtlichen Bückware. Obwohl sie auch<br />

nach 1990 noch viele neue Titel veröffentlichte und ihre Auflagen in die Millionen gehen, ist sie, anders als Erwin, im „Bertelsmann-<br />

Lexikon Deutsche Autoren vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ nicht verzeichnet.


Humanistischer Verband Deutschlands, Wallstraße 61-65, D-10179 Berlin<br />

Humanistischer Verband Deutschlands, Wallstraße 61-65, D-10179 Berlin<br />

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Humanistischer Verband Deutschlands<br />

Wallstraße 61-65,10179 Berlin<br />

selbst denken – Gemeinsam leben<br />

Humanistinnen und Humanisten gestalten ihr Leben<br />

selbstbestimmt und verantwortlich, frei von Religion. Es liegt am<br />

Menschen selbst, ethische und moralische Entscheidungen zu<br />

treffen. Diese Freiheit haben wir den Gedanken der Aufklärung<br />

zu verdanken, in deren Tradition der Humanistische Verband<br />

Deutschlands steht.<br />

Als Humanistinnen und Humanisten stehen wir zu unserer<br />

Verantwortung <strong>für</strong> die Menschen, das Leben und die Natur.<br />

Über die Grenzen von Sprachen und Kulturen hinweg setzen<br />

wir auf den friedlichen Austausch von Ideen und Erfahrungen.<br />

Dabei achten und respektieren wir alle weltanschaulichen und<br />

religiösen Lebensauffassungen. Toleranz hat jedoch dort Grenzen,<br />

wo Menschenrechte missachtet und Positionen der Intoleranz<br />

vertreten werden.<br />

Wir arbeiten eng mit unseren Partnerverbänden in der ganzen<br />

Welt zusammen, die wie wir der Internationalen Humanistischen<br />

und Ethischen Union (IHEU) angehören.<br />

Der Humanistische Verband Deutschlands ist <strong>eine</strong><br />

überparteiliche, demokratische Organisation, die sich in allen<br />

Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens engagiert,<br />

in denen weltanschauliche Fragen berührt sind. Humanistinnen<br />

und Humanisten beziehen Stellung in den ethischen Debatten<br />

unserer Zeit.<br />

Der Humanistische Verband Deutschlands organisiert Kulturund<br />

Bildungsangebote und bietet soziale Unterstützung und<br />

humanistische Beratung <strong>für</strong> Menschen in allen individuellen<br />

Lebenslagen. Wir richten weltliche Namens-, Jugend-, Hochzeitsund<br />

Trauerfeiern aus. In Berlin ist der Humanistische Verband<br />

Träger des Schulfaches Lebenskunde und bundesweit von<br />

vielen Kindertagestätten. Besonders gefragt ist das Angebot der<br />

Patientenverfügung. Die „Jungen HumanistInnen“ unterstützen<br />

Kinder und Jugendliche auf dem Weg zu <strong>eine</strong>m selbstbestimmten<br />

Leben. Bundesweit werden zirka 250.000 Menschen pro Jahr<br />

durch die Dienstleistungen des Verbandes erreicht.

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