HANDBUCH zum CURRICULUM für ANTIRASSISTISCHE ... - Maiz
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4. SCHLUSS - 44 - Anleitung zur Gestaltung eines Lehrgangs zur antirassistischen Bildungsberatung mit Alibicharakter Das Angebot eines Lehrgangs zur antirassistischen Bildungsberatung dient nicht zuletzt der Imagepflege von etablierten, "politisch korrekten" Institutionen. Die Gestaltung eines Lehrgangs, der sich zwar antirassistisch nennt, aber sowohl inhaltlich als auch methodisch davon weit entfernt ist und den Status quo reproduziert, wäre durchaus möglich. Als Paul Watzlawick die "Anleitung zum Unglücklichseins" schrieb, bestand sein Anliegen wohl kaum darin, Menschen unglücklich zu machen, sondern jene brauchbaren und verlässlichen Mechanismen des "Unglücklichseins" zu zeigen, die wir als SchöpferInnen unseres Lebens praktizieren, selbst wenn wir Plädoyers über Glück halten (vgl. Watzlawick 1988; 16ff.). Wenn wir wissen, welche Irrwege die verlockend naheliegenden sind, können wir nach Wegen suchen, die uns zum Ziel führen. Ganz in diesem Sinne wollen wir jene Mechanismen hervorheben, die zur Gestaltung eines sog. antirassistischen Lehrgangs mit Alibicharakter beitragen. Anders herum gelesen, können diese Kriterien und Indikatoren in die (Selbst-)Evaluation der Maßnahme einfließen. Wie soll man also vorgehen, um einen Lehrgang zur antirassistischen BB mit Alibicharakter zu gestalten? Welche brauchbaren und verlässlichen Mechanismen können herangezogen werden? Bei der Zusammensetzung des Teams und bei der Einladung von GastreferentInnen MehrheitsösterreicherInnen bevorzugen Wenn MigrantInnen bevorzugt werden, dann jene, die den (strukturellen) Rassismus nicht hinterfragen und als Verfechterinnen des Status quo auftreten. Migrationserfahrung mit Antirassismus gleichsetzen. Antirassistische Inhalte und Reflexionen ignorieren oder zu kurz kommen lassen. Rassismus als individuelles Problem begreifen, das durch die Aufarbeitung der eigenen Kindheitsgeschichte zu bewältigen ist und automatisch in Antirassismus mündet. Defizite einzelner Personen in den Vordergrund rücken, die Mehrsprachigkeit der MigrantInnen, ihre in einem Nicht-EU-Land absolvierten Ausbildungen, ihre Berufserfahrungen in anderen Ländern bagatellisieren. Den Opferdiskurs in den Mittelpunkt stellen, die Strategien der MigrantInnen gegen Ausgrenzung, ihren Protagonismus unsichtbar machen.
Eigene Privilegien ausblenden und diese als individuelle Errungenschaften - ganz im Sinne des "Empowerments" darstellen. Strukturelle Ausgrenzung ignorieren. Wenn festgestellt, dafür Rechtfertigungen präsentieren und als Heilmittel individuelle Tugenden wie Fleiß, Selbstdisziplin, Selbstverantwortung etc. verordnen. Politische Sensibilisierung vernachlässigen, stattdessen Strategien der Problemverschiebung anwenden. Auf Hierarchien bestehen, auf Dialog verzichten. Rechte auf gleichen Zugang zu Ressourcen unter dem Begriff der Gastfreundschaft und Kulanz präsentieren. Restriktive Gesetze und andere strukturelle Barrieren als unantastbares Gut betrachten. Bei der Moderation darauf achten, dass kritische Äußerungen von MigrantInnen nicht die Oberhand gewinnen, Systemkritik als utopische Schwärmerei abtun. Bei Gruppendiskussionen die Deutschkenntnisse der MigrantInnen problematisieren/lassen, die Inhalte abwerten und zu ihrem Verstummen beitragen. MehrheitsösterreicherInnen vorwiegend in Bezug auf ihre Erfahrungen als Beraterinnen und MigrantInnen vorwiegend in Bezug auf ihre gescheiterten Versuche bei der Arbeitssuche ansprechen. Die Traumberufe der MigrantInnen als realitätsfremd darstellen und dahingehend korrigieren, dass sie sich für die niedrig entlohnten und ethnisierten Sparten des Arbeitsmarktes interessieren. Bei der Zusammenarbeit mit Institutionen auf die Schaffung von Bedingungen egalitärer Kooperation verzichten, keine Equality Targets entwickeln. Methoden heranziehen, die Ethnozentrismus, Sexismus und Rassismus reproduzieren und die Selbstrepräsentation von MigrantInnen ignorieren. Konsensstiftende kulturelle Klischees benutzen und diese als interkulturelle Kompetenz darstellen. Diese Empfehlungen liefern die brauchbarsten bzw. verlässlichsten Mechanismen zur Gestaltung eines sog. antirassistischen Lehrgangs mit Alibicharakter. Sie basieren zwar auf jahrelangen Erfahrungen und Beobachtungen unseres multi-ethnischen Teams, sie dürfen aber trotzdem "nicht als erschöpfende und vollständige Aufzählung betrachtet werden, sondern nur als Leitfaden oder Wegweiser, der es den begabteren unter meinen Lesern ermöglichen wird, ihren eigenen Stil zu entwickeln" (Watzlawick 1988; 16). 4. SCHLUSS - 45 -
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Anleitung zur Gestaltung eines Lehrgangs<br />
zur antirassistischen Bildungsberatung mit<br />
Alibicharakter<br />
Das Angebot eines Lehrgangs zur antirassistischen<br />
Bildungsberatung dient nicht zuletzt der Imagepflege<br />
von etablierten, "politisch korrekten" Institutionen.<br />
Die Gestaltung eines Lehrgangs, der sich zwar antirassistisch<br />
nennt, aber sowohl inhaltlich als auch methodisch<br />
davon weit entfernt ist und den Status quo<br />
reproduziert, wäre durchaus möglich. Als Paul Watzlawick<br />
die "Anleitung <strong>zum</strong> Unglücklichseins" schrieb,<br />
bestand sein Anliegen wohl kaum darin, Menschen<br />
unglücklich zu machen, sondern jene brauchbaren<br />
und verlässlichen Mechanismen des "Unglücklichseins"<br />
zu zeigen, die wir als SchöpferInnen unseres<br />
Lebens praktizieren, selbst wenn wir Plädoyers über<br />
Glück halten (vgl. Watzlawick 1988; 16ff.). Wenn wir<br />
wissen, welche Irrwege die verlockend naheliegenden<br />
sind, können wir nach Wegen suchen, die uns <strong>zum</strong><br />
Ziel führen. Ganz in diesem Sinne wollen wir jene Mechanismen<br />
hervorheben, die zur Gestaltung eines<br />
sog. antirassistischen Lehrgangs mit Alibicharakter<br />
beitragen.<br />
Anders herum gelesen, können diese Kriterien<br />
und Indikatoren in die (Selbst-)Evaluation der<br />
Maßnahme einfließen.<br />
Wie soll man also vorgehen, um einen Lehrgang zur<br />
antirassistischen BB mit Alibicharakter zu gestalten?<br />
Welche brauchbaren und verlässlichen Mechanismen<br />
können herangezogen werden?<br />
Bei der Zusammensetzung des Teams und bei der<br />
Einladung von GastreferentInnen MehrheitsösterreicherInnen<br />
bevorzugen<br />
Wenn MigrantInnen bevorzugt werden, dann jene,<br />
die den (strukturellen) Rassismus nicht hinterfragen<br />
und als Verfechterinnen des Status quo<br />
auftreten.<br />
Migrationserfahrung mit Antirassismus gleichsetzen.<br />
Antirassistische Inhalte und Reflexionen ignorieren<br />
oder zu kurz kommen lassen.<br />
Rassismus als individuelles Problem begreifen, das<br />
durch die Aufarbeitung der eigenen Kindheitsgeschichte<br />
zu bewältigen ist und automatisch in<br />
Antirassismus mündet.<br />
Defizite einzelner Personen in den Vordergrund<br />
rücken, die Mehrsprachigkeit der MigrantInnen,<br />
ihre in einem Nicht-EU-Land absolvierten Ausbildungen,<br />
ihre Berufserfahrungen in anderen Ländern<br />
bagatellisieren.<br />
Den Opferdiskurs in den Mittelpunkt stellen, die<br />
Strategien der MigrantInnen gegen Ausgrenzung,<br />
ihren Protagonismus unsichtbar machen.